Stenographisches Protokoll

655. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Mittwoch, 2. Juni 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

655. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 2. Juni 1999

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 2. Juni 1999: 9.11 – 20.08 Uhr

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Tagesordnung

1. Erklärung der Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch zur Europäischen Beschäftigungspolitik

2. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Koordination bei Bauarbeiten (Bauarbeitenkoordinationsgesetz – BauKG) geändert wird

3. Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird

4. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

5. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über soziale Sicherheit

6. Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit

7. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über soziale Sicherheit

8. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Portugiesischen Republik über soziale Sicherheit

9. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden

10. Übereinkommen zwischen der Republik Österreich, der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, der Tschechischen Republik, der Republik Ungarn, der Republik Polen, der Republik Rumänien, der Slowakischen Republik und der Republik Slowenien vom 7. Februar 1998 zur Verlängerung des CEEPUS-Programmes

11. Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage

12. Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen


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655. Sitzung / Seite 2

13. Bundesgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz (PStG) geändert wird

14. Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe (Akademien-Studiengesetz 1999 – AStG)

15. Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird

16. Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

17. Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird

18. Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

19. Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird

20. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird

21. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über kulturelle Zusammenarbeit

22. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Eisenbahndurchgangsverkehr des österreichisch-ungarischen Industrieparks in der Umgebung der Stadt Szentgotthárd samt Beilage

23. Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union samt Schlußakte, Gemeinsamer Erklärung und Anlage

24. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die Durchführung des Artikels 41 Absatz 2 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) samt Verbalnote

25. Wiener Übereinkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken samt Anlage;

Änderungen des Wiener Übereinkommens über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken (1973) angenommen von der Versammlung am 1. Oktober 1985

26. Bundesgesetz über die Einholung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen

27. Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird

28. Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird (Staatsdruckereigesetz-Novelle 1999)

29. Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957 geändert wird


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655. Sitzung / Seite 3

30. Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen samt Protokoll

31. Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Kurt Scheuch und Kollegen betreffend dringliche Maßnahmen zur Vermeidung von Nachteilen für die Kärntner Wirtschaft infolge der Brandkatastrophe im Tauerntunnel

32. Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1999

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Inhalt

Bundesrat

Wortmeldung zur Ergänzung der Tagesordnung

Dr. Reinhard Eugen Bösch 13

Antrag, den Selbständigen Entschließungsantrag 117/A(E) ohne Vorberatung durch einen Ausschuß unmittelbar in Verhandlung zu nehmen 13

Annahme 14

Erklärung der Frau Landeshauptmann von Steiermark Waltraud Klasnic 38

Verlangen auf Durchführung einer Debatte 43

Debatte:

Dr. Paul Tremmel 43

Dr. Vincenz Liechtenstein 47

Horst Freiberger 49

Engelbert Weilharter 51

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 52

Johanna Schicker 55

Alfred Gerstl 56

Landeshauptmann Waltraud Klasnic 57

Albrecht Konecny (zur Geschäftsordnung) 61

Schlußansprache des Präsidenten Gottfried Jaud 157

Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1999 155

Unterbrechung 62

Personalien

Krankmeldungen 12

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 12

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 12

Ausschüsse

Zuweisungen 13


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655. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Erklärung der Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch zur Europäischen Beschäftigungspolitik

(2) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Koordination bei Bauarbeiten (Bauarbeitenkoordinationsgesetz – BauKG) geändert wird (1044/A und 1842/NR sowie 5934/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1059/A und 1843/NR sowie 5935/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1077/A und 1844/NR sowie 5936/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über soziale Sicherheit (1718 und 1838/NR sowie 5937/BR d. B.)

(6) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit (1719 und 1839/NR sowie 5938/BR d. B.)

(7) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über soziale Sicherheit (1720 und 1840/NR sowie 5939/BR d. B.)

(8) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Portugiesischen Republik über soziale Sicherheit (1721 und 1841/NR sowie 5940/BR d. B.)

Bundesministerin Eleonora Hostasch 15

Berichterstatter: Wolfgang Hager 19

[Antrag, zu (2), (3), (4), (5), (6), (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 23

Johann Ledolter 23

Hedda Kainz 26

Dr. André d′Aron 29

Bundesministerin Eleonora Hostasch 31

Engelbert Schaufler 33

Karl Drochter 35

Monika Mühlwerth 62

Alfred Schöls 63

Mag. Melitta Trunk 65

Mag. Eduard Mainoni 69

Ilse Giesinger 72

Gottfried Jaud 73

Ulrike Haunschmid 75


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655. Sitzung / Seite 5

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2), (3), (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (6), (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 78

(9) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden (1603 und 1832/NR sowie 5933 und 5941/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 79

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


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655. Sitzung / Seite 6

Redner:

Maria Grander 79

Johann Grillenberger 80

Engelbert Weilharter 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 81

Gemeinsame Beratung über

(10) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Übereinkommen zwischen der Republik Österreich, der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, der Tschechischen Republik, der Republik Ungarn, der Republik Polen, der Republik Rumänien, der Slowakischen Republik und der Republik Slowenien vom 7. Februar 1998 zur Verlängerung des CEEPUS-Programmes (1624 und 1785/NR sowie 5942/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend den Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage (1642 und 1786/NR sowie 5943/BR d. B.)

Berichterstatter: Wilhelm Grissemann 82

[Antrag, zu (10) und (11) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. Melitta Trunk 83

Dr. Milan Linzer 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10) und (11) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 84

(12) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (1573 und 1827/NR sowie 5944/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 84

(Antrag, 1. den in Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 8 Abs. 1 und 2 des gegenständlichen Staatsvertrages enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Herbert Thumpser 85

Thomas Ram 86

Jürgen Weiss 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. den in Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 8 Abs. 1 und 2 des gegenständlichen Staatsvertrages enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 87

(13) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz (PStG) geändert wird (1014/A und 1828/NR sowie 5945/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 88

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 88

Gemeinsame Beratung über

(14) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe (Akademien-Studiengesetz 1999 – AStG) (1755 und 1794/NR sowie 5932 und 5946/BR d. B.)

(15) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird (1795/NR sowie 5947/BR d. B.)

(16) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1756 und 1796/NR sowie 5948/BR d. B.)

Berichterstatter: Leopold Steinbichler 89

[Antrag, zu (14), (15) und (16) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Böhm 90

Wolfgang Hager 92

Uta Barbara Pühringer 93

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (14), (15) und (16) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 96

Gemeinsame Beratung über

(17) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (1058/A und 1797/NR sowie 5949/BR d. B.)


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655. Sitzung / Seite 7

(18) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1752 und 1798/NR sowie 5950/BR d. B.)

(19) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird (1753 und 1799/NR sowie 5951/BR d. B.)

(20) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (1754 und 1800/NR sowie 5952/BR d. B.)

Berichterstatter: Georg Keuschnigg 97

[Antrag, zu (17), (18), (19) und (20) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Monika Mühlwerth 99

Mag. Günther Leichtfried 100

Uta Barbara Pühringer 101

Johann Payer 102

Josef Saller 102

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (17), (18), (19) und (20) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 104

(21) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über kulturelle Zusammenarbeit (1705 und 1792/NR sowie 5953/BR d. B.)

Berichterstatter: Georg Keuschnigg 105

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Wilhelm Grissemann 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmenmehrheit) 106

Gemeinsame Beratung über

(22) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Eisenbahndurchgangsverkehr des österreichisch-ungarischen Industrieparks in der Umgebung der Stadt Szentgotthárd samt Beilage (1572 und 1817/NR sowie 5954/BR d. B.)

(23) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend das Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des König


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655. Sitzung / Seite 8

reichs Schweden zur Europäischen Union samt Schlußakte, Gemeinsamer Erklärung und Anlage (1634 und 1818/NR sowie 5955/BR d. B.)

(24) Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die Durchführung des Artikels 41 Absatz 2 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) samt Verbalnote (1691 und 1819/NR sowie 5956/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Ledolter 107

[Antrag, zu (22) und (24) keinen Einspruch zu erheben und zu (23), dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Ernest Windholz 110

Erhard Meier 111

Dr. Milan Linzer 112

Johann Payer 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (22) und (24) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (23) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 114

(25) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend Wiener Übereinkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken samt Anlage;

Änderungen des Wiener Übereinkommens über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken (1973) angenommen von der Versammlung am 1. Oktober 1985 (1683/NR sowie 5957/BR d. B.)

Berichterstatterin: Ulrike Haunschmid 115

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Walter Scherb 116

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 117

(26) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Einholung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen (1757 und 1772/NR sowie 5958/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 117

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 118


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655. Sitzung / Seite 9

(27) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird (1773/NR sowie 5959/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 118

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Stefan Prähauser 118

Ludwig Bieringer 119

Dr. Peter Böhm 120

Dr. Paul Tremmel 121

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 122

(28) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird (Staatsdruckereigesetz-Novelle 1999) (1630 und 1771/NR sowie 5960/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 123

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. André d′Aron 123

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 125

(29) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957 geändert wird (1670 und 1812/NR sowie 5961/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml 125

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. André d′Aron 125

Ilse Giesinger 126

Johann Grillenberger 127

Bundesminister Rudolf Edlinger 128

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 128

(30) Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen samt Protokoll (1675 und 1813/NR sowie 5962/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 129

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 130


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655. Sitzung / Seite 10

(31) Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Kurt Scheuch und Kollegen betreffend dringliche Maßnahmen zur Vermeidung von Nachteilen für die Kärntner Wirtschaft infolge der Brandkatastrophe im Tauerntunnel [117/A(E)-BR/99]

Redner:

Ing. Kurt Scheuch 130

und (tatsächliche Berichtigung) 139

Ing. Franz Gruber 131

Erhard Meier 132

Ulrike Haunschmid 134

Josef Saller 136

Mag. Melitta Trunk 137

Mag. Eduard Mainoni 139

Leopold Steinbichler 141

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 142

Stefan Prähauser 145

Jürgen Weiss 148

Dr. André d′Aron 149

Dr. Ferdinand Maier 151

Ferdinand Gstöttner 153

Dr. Paul Tremmel 154

Ablehnung 155

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer und Kollegen betreffend Maßnahmenkatalog angesichts der Brandkatastrophe im Tauerntunnel 133

Annahme (E.162) 155

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend mangelhafte Beantwortung der Anfrage 1248/J-BR/97 (1616/J-BR/99)

der Bundesräte Alfred Schöls, Mag. Karl Wilfing und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Unterbringung des Grenzüberwachungspostens Katzelsdorf (1617/J-BR/99)

der Bundesräte Alfred Schöls, Mag. Karl Wilfing und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend personelle und technische Ausstattung des Grenzüberwachungspostens Laa/Thaya (1618/J-BR/99)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Abweichung von einer einheitlichen Länderstellungnahme gemäß Artikel 23d Abs. 1 B-VG hinsichtlich der Zoorichtlinie der EU (1619/J-BR/99)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen (1468/AB-BR/99 zu 1595/J-BR/99)


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655. Sitzung / Seite 11

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Ulrike Haunschmid und Kollegen (1469/AB-BR/99 zu 1589/J-BR/99)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1470/AB-BR/99 zu 1594/J-BR/99)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1471/AB-BR/99 zu 1585/J-BR/99)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Ilse Giesinger und Kollegen (1472/AB-BR/99 zu 1586/J-BR/99)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1473/AB-BR/99 zu 1588/J-BR/99)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer und Gottfried Jaud (1474/AB-BR/99 zu 1584/J-BR/99)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Andreas Eisl und Kollegen (1475/AB-BR/99 zu 1587/J-BR/99)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1476/AB-BR/99 zu 1592/J-BR/99)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1477/AB-BR/99 zu 1593/J-BR/99)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1478/AB-BR/99 zu 1590/J-BR/99)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1479/AB-BR/99 zu 1598/J-BR/99)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1480/AB-BR/99 zu 1599/J-BR/99)


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655. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.11 Uhr

Präsident Gottfried Jaud: Ich eröffne die 655. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 654. Sitzung des Bundesrates vom 26. Mai 1999 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. Günther Hummer, Josef Rauchenberger, Ernst Winter und Mag. Harald Repar. Ich wünsche ihnen gute Besserung.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Gottfried Jaud: Eingelangt sind 13 Anfragebeantwortungen – 1468/AB bis 1480/AB –, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind weiters Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Der Herr Bundespräsident hat am 20. Mai 1999, Zl. 300.100/38-BEV/99, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner innerhalb des Zeitraumes vom 31. Mai bis 4. Juni 1999 den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Das zweite Schreiben lautet:

"Der Herr Bundespräsident hat am 20. Mai 1999, Zl. 300.100/39-BEV/99, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein am 31. Mai und 1. Juni die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer und innerhalb des Zeitraumes vom 2. bis 4. Juni 1999 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Gottfried Jaud: Ich gebe bekannt, daß die Frau Landeshauptmann der Steiermark, Waltraud Klasnic, gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung mitgeteilt hat, daß sie eine Erklärung zum Thema "Grenzlandförderung" abgeben wird.

Ich werde daher um 11 Uhr die Verhandlungen zur Tagesordnung zur Abgabe einer Erklärung durch die Frau Landeshauptmann unterbrechen.

Es liegt mir ein von fünf Bundesräten unterzeichnetes schriftliches Verlangen gemäß § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor, im Anschluß an die Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.


Bundesrat
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Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe all diese Vorlagen sowie die Erklärung der Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Eleonora Hostasch, zur Europäischen Beschäftigungspolitik sowie die Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1999 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Die Verhandlungen über die früher eingelangten und zugewiesenen Selbständigen Anträge 92/A, 93/A, 101/A, 110/A, 115/A, 97/A(E), 108/A(E), 109/A(E), 111/A(E) und 112/A(E) wurden vertagt.

Die ebenfalls früher eingelangten und zugewiesenen Selbständigen Anträge 103/A(E) und 113/A(E) wurden zurückgezogen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Gottfried Jaud: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 1 bis 8, 10 und 11, 14 bis 16, 17 bis 20 sowie 22 bis 24 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Es ist dies nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte schön, Herr Kollege Bösch.

Ergänzung der Tagesordnung

9.16

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen haben vorhin einen Antrag zur aktuellen kritischen Situation im Tauerntunnel eingebracht und möchten versuchen, der heutigen Sitzung dadurch Aktualität zu verleihen. Das scheint uns Freiheitlichen auch umso mehr notwendig zu sein, als wir heute keine Fragestunde haben.

Meine Damen und Herren! Die tragischen Ereignisse im Tauerntunnel machen es nach unserem Dafürhalten notwendig, daß die Länderkammer, der Bundesrat, nicht hinter dem Nationalrat hinterherhinkt, sondern versuchen sollte, rasch tätig zu werden. Gerade die Bundesländer Kärnten und Salzburg sind durch die Verschärfung der Verkehrslage vor Beginn der Urlaubssaison, aber auch im Bereich der Pendler betroffen.

Wir Bundesräte als Vertreter der Länder sollten deshalb versuchen, die Bundesregierung in ihren Maßnahmen zur Behebung der Schwierigkeiten zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Ich darf deshalb in bezug auf den von uns vorgelegten Antrag nach § 16 Abs. 3 den Antrag stellen, diesen ohne Ausschußvorberatung im heutigen Plenum in Verhandlung zu neh


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 14

men. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.17

Präsident Gottfried Jaud: Die Bundesräte Ing. Scheuch und Kollegen haben einen Selbständigen Entschließungsantrag betreffend dringliche Maßnahmen zur Vermeidung von Nachteilen für die Kärntner Wirtschaft infolge der Brandkatastrophe im Tauerntunnel eingebracht.

Weiters wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschußvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Ing. Scheuch und Kollegen, den vorliegenden Antrag ohne Vorberatung durch den Ausschuß unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen. Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bundesräte Ing. Scheuch und Kollegen zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der gegenständliche Entschließungsantrag ist ohne Vorberatung durch einen Ausschuß unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, das ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich ergänze somit die Tagesordnung um den gegenständlichen Entschließungsantrag. Dieser wird als vorletzten Punkt der Tagesordnung behandelt werden.

1. Punkt

Erklärung der Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch zur Europäischen Beschäftigungspolitik

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Koordination bei Bauarbeiten (Bauarbeitenkoordinationsgesetz – BauKG) geändert wird (1044/A und 1842/NR sowie 5934/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1059/A und 1843/NR sowie 5935/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1077/A und 1844/NR sowie 5936/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über soziale Sicherheit (1718 und 1838/NR sowie 5937/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit (1719 und 1839/NR sowie 5938/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über soziale Sicherheit (1720 und 1840/NR sowie 5939/BR der Beilagen)


Bundesrat
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8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Portugiesischen Republik über soziale Sicherheit (1721 und 1841/NR sowie 5940/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 bis 8, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

die Erklärung der Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch zur Europäischen Beschäftigungspolitik,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Koordination bei Bauarbeiten (Bauarbeitenkoordinationsgesetz – BauKG) geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über soziale Sicherheit,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über soziale Sicherheit sowie

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Portugiesischen Republik über soziale Sicherheit.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 bis 8 hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen, aber zuvor erteile ich der Frau Bundesministerin das Wort.

9.21

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nicht schuld daran sein, daß der Herr Berichterstatter in seinem Tatendrang noch etwas eingebremst wird, möchte mich aber bei Ihnen sehr herzlich dafür bedanken, daß ich zu Beginn der heutigen Sitzung die Möglichkeit habe, eine kurze Erklärung zur europäischen Beschäftigungspolitik, insbesondere aus der Sicht Österreichs und im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung, abzugeben.

Erlauben Sie mir, bevor ich auf den NAP und auf die konkreten Maßnahmen der Beschäftigungspolitik eingehe, ein paar grundsätzliche Bemerkungen.

Ich bin davon überzeugt – das möchte ich heute betonen –, daß Erwerbsarbeit die Grundlage gesellschaftlichen Reichtums ist, somit auch die Grundlage für unser gut ausgebautes Sozialsystem, das auf dem Prinzip einer solidarischen Gemeinschaft beruht. Ich bin auch überzeugt davon, daß soziale Solidarität, Frieden, verläßliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen politische Stabilität, aber damit auch die Zukunft der Demokratie sichern und die Grundvoraussetzung dafür sind. Ich bin auch davon überzeugt, daß sich der sogenannte österreichische Weg und ein europäisches Sozialmodell im globalen Wettbewerb durchaus behaupten, sogar ein Vorteil sind und nicht als Schwäche angesehen werden können. Ich bin daher auch überzeugt davon, daß es wichtig ist, für dieses europäische Sozialmodell weiter zu kämpfen, nämlich als unsere Antwort auf ein neoliberales Wirtschafts- und Sozialsystem, ein System, das sich nicht am Menschen orientiert. Das europäische Sozialmodell jedoch stellt den Menschen in das Zentrum seiner Überlegungen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich meine, daß ein derartiges soziales Fundament, ein derartiges Wirtschaftssystem auch erforderlich ist, um gesellschaftliche Spaltung, Ausgrenzung, soziale Ungerechtigkeit, Gewaltbereitschaft, aber auch Fremdenfeindlichkeit den Nährboden zu entziehen. Und deshalb ist es so wichtig, der Erwerbsorientierung die oberste Priorität zu geben, damit aber auch die Politikvorgabe für das nächste Jahrtausend zu machen. Erwerbsarbeit ist für mich daher das absolut zentrale Ziel einer Politik, bezahlte Erwerbsarbeit für alle Menschen, die aus dieser Tätigkeit ihre Existenz, die Versorgung der Familie sichern, aber auch ihre persönlichen Perspektiven entwickeln.

Es ist daher unverzichtbar, so vielen Menschen als möglich Beschäftigung und Teilhabe am Arbeitsleben zu geben, und das selbstverständlich unter sozial- und arbeitsrechtlich geordneten Bedingungen. Ich schließe in dieses Ziel nicht nur unselbständig Erwerbstätige ein, sondern auch selbständig Erwerbstätige, die gleichermaßen einen Anspruch darauf haben, in soziale Sicherungssysteme eingebunden zu sein.

Erlauben Sie mir, bei dieser Gelegenheit deutlich zu sagen, daß ich kein Verständnis dafür habe, daß manche versuchen, sich aus dieser sozialen Einbindung in eine Solidargemeinschaft "herauszukatapultieren", und zwar in dem Sinn, daß Abgaben- und Steuerhinterziehungen, keine ordentliche Anmeldung von Arbeitsverhältnissen bei der Sozialversicherung erfolgen, was entsprechende Nachteile für alle ordentlich arbeitenden Unternehmungen und auch arbeitenden Kolleginnen und Kollegen mit sich bringt.

Ich bedauere wirklich – ich erlaube mir, das auch den Damen und Herren des Bundesrates zu sagen –, daß es bis jetzt nicht möglich war, die Regierungsvorlage zum Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz im Plenum des Nationalrates, im zuständigen Sozialausschuß zu behandeln. Ich bedauere das insofern, als ich mir damit auch ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, zur Herstellung geordneter Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt und für die Wirtschaft erwarten würde. Ich bedauere es auch deshalb, weil die Bekämpfung der Schattenwirtschaft ein zentrales Anliegen des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung und auch der europäischen Beschäftigungspolitik ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Sie wissen, daß seit dem Luxemburger Beschäftigungsgipfel die europäische Beschäftigungspolitik eine neue Dynamik bekommen hat. Es ist seit 1997 – auch wenn schon vorher Initiativen ergriffen wurden – erstmals gelungen, in einem konstruktiven, institutionalisierten Dialog europäische Beschäftigungspolitik zu formulieren und dieser politischen Zielsetzung auch eine entsprechende neue Dynamik zu geben.

Die europäische Beschäftigungspolitik findet ihren Ausdruck in den Nationalen Aktionsplänen für Beschäftigung, die auf Basis von konkreten Leitlinien die nationalen Beschäftigungsinitiativen regulieren beziehungsweise vorgeben und auch die Initiativen vorschlagen.

Österreich hat mit dem NAP – ich darf jetzt die in der öffentlichen Diskussion, glaube ich, schon bekannte Kurzformel verwenden – erstmals im April 1998 unter Einbindung der Sozialpartner einen entsprechenden Nationalen Aktionsplan beschlossen. Wir haben darin die beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union umgesetzt und sind damit eine umfassende politische Verpflichtung zur Verfolgung einer sehr konsequenten Beschäftigungspolitik eingegangen. Wir haben uns dabei auch sehr ambitionierte Ziele gesetzt.

Ich darf daran erinnern, daß wir uns auch sehr klar quantifizierte Ziele in diesem Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung vorgegeben haben; quantifizierte Ziele etwa in der Form, daß innerhalb des fünfjährigen Zeitplanes der NAPs die Beschäftigtenzahl um etwa 100 000 Erwerbstätige erhöht werden soll. Wir haben uns vorgenommen, daß die Jugendarbeitslosigkeit halbiert werden soll und daß die Langzeitarbeitslosigkeit halbiert werden soll. Wir haben uns vorgenommen, daß etwa 20 Prozent der vorgemerkten Arbeitslosen in Qualifizierungs-, Orientierungs- und Ausbildungsmaßnahmen die Chance zur Reintegration in die Arbeitswelt bekommen sollen. Und wir haben uns auch vorgenommen – ein sehr, sehr ambitioniertes Ziel –, daß innerhalb dieser fünf Jahre die Arbeitslosenrate nach der EU-Berechnungsmethode von etwa 4,5 Prozent auf etwa 3,5 Prozent reduziert werden soll.


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Ich werde mir erlauben, dann noch ganz kurz darauf hinzuweisen, daß wir auf diesem Weg gut unterwegs sind, auf jeden Fall um vieles besser als manche andere Staaten, mit denen wir uns in einer Gemeinschaft befinden.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte darauf verweisen, daß der Nationale Aktionsplan für das Jahr 1999 den Ministerrat bereits passiert hat und daß ich auch die Gelegenheit hatte, den NAP 1999 im Plenum des Nationalrates vorzustellen. Ich erlaube mir, ganz kurz auf die neuen Schwerpunkte des NAP 1999 einzugehen.

Ein ganz wichtiges Element ist, daß wir die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik für das Jahr 1999 auf eine Rekordsumme hin budgetieren konnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir konnten vom Jahr 1998 auf das Jahr 1999 die Mittel um 36 Prozent erhöhen. Es stehen den Arbeitsmarktförderungseinrichtungen, dem AMS, 11,1 Milliarden Schilling inklusive der ESF-Mittel für aktive Maßnahmen zur Verfügung.

Mir ist bewußt – ich bekenne mich dazu und finde es auch richtig –, daß natürlich prioritär die Wirtschaft die Rahmenbedingungen vorzufinden hat, damit Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden können, Arbeitslosigkeit verhindert wird und auch Arbeitsplätze gesichert werden. Nichtsdestotrotz ist es unverzichtbar, daß durch aktive Arbeitsmarktpolitik ergänzende flankierende Maßnahmen getroffen werden, insbesondere für jene Gruppen, die zu den besonders benachteiligten in der Arbeitswelt gehören, jene Gruppen, für die eine Integration besonders schwierig ist, jene Gruppen, die sich eben aus persönlichen Gründen mit Vermittlungshemmnissen konfrontiert sehen.

Daher bin ich wirklich sehr stolz, daß es uns gelungen ist, mit dieser massiven Anhebung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik wieder an jene Mittel anzuschließen, wie sie auch andere vergleichbare Staaten für aktive Arbeitsmarktpolitik in Europa aufwenden. Es wurde zu Recht in der Vergangenheit kritisiert, daß wir relativ wenig Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik aufwenden. Dieser Kritik kann ich nun mit Beweisen entgegentreten, und ich bin sehr froh darüber.

Was die Struktur des NAP 1999 betrifft, muß ich sagen, wird die Welt nicht neu erfunden. Diese entspricht einer gemeinsam vertretenen Position aller Sozialminister innerhalb der Europäischen Union, weil es auch nicht gut wäre, einen beginnenden Prozeß immer wieder durch komplette Neuordnungen zu irritieren. Das heißt, es wird auch beim NAP 1999 auf den bestehenden Leitlinien und jenen vier Säulen aufgebaut, die die Orientierung für die europäische und in weiterer Folge auch nationale Beschäftigungspolitik vorgeben.

Die vier Säulen sind: bessere Vermittelbarkeit und Qualifikation für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Förderung des Unternehmertums, die Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Beschäftigten an die sich ändernden wirtschaftlichen Bedingungen und Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt. Da ist in erster Linie Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern gemeint.

Wir haben während der österreichischen Präsidentschaft sehr wichtige Weichenstellungen für die Beschäftigungspolitik 1999 und darüber hinaus vorgenommen. Ich bin sehr stolz darauf, daß jetzt auch unter der deutschen Präsidentschaft diese Vororientierungen voll übernommen wurden.

Was haben wir vorgegeben und ist nun Gegenstand auch der europäischen Beschäftigungspolitik? – Wir konnten durchsetzen, daß eine neue Leitlinie aufgenommen wurde, die sich ganz spezifisch mit der Aufwertung und Verbreiterung der Politik der Chancengleichheit von Männern und Frauen, des sogenannten Gender-Mainstreaming, befaßt. Das bedeutet in der Praxis, daß alle Maßnahmen, die im Rahmen der Beschäftigungspolitik, die im Rahmen der NAPs gesetzt werden, hinsichtlich der Chancengleichheit, hinsichtlich der Vereinbarkeit der Konsequenzen für Chancengleichheit geprüft werden müssen, sodaß ein durchgehendes politisches Ziel, begonnen von der Steuertransferpolitik bis zur Bildungspolitik, verfolgt wird und es zu keinen Benachteiligungen für Frauen kommen darf. Im Gegenteil, es sollten gezielte Maßnahmen zur Errei


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chung der Gleichbehandlung und Chancengleichheit gesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Im NAP 1999 findet sich auch eine neue Leitlinie, und zwar die Leitlinie sechs, die sich mit dem Bereich des lebensbegleitenden Lernens befaßt. Da wird erstmals sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, wie wichtig es ist, daß die Ausbildung nicht mit der schulischen Ausbildung und der berufsspezifischen Ausbildung beendet wird, sondern, um weiterhin die Chance der Integration in den Arbeitsmarkt zu haben, aber auch von Unternehmerseite her weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, lebensbegleitendes Lernen unverzichtbar und dieses somit auch entsprechend zu fördern ist.

Ich verwende bewußt den Begriff "lebensbegleitendes Lernen", im Englischen nennt man den Begriff "lifelong learning". Wenn man von "lebenslangem Lernen" spricht, dann klingt das ganz bedrohlich. Ich glaube, der Begriff "lebensbegleitendes Lernen" ist der positivere Zugang zu diesem politischen Ziel.

Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir in diesem NAP 1999 das österreichische Selbstverständnis einer umfassenden Beschäftigungspolitik nun auch insofern auf die europäische Ebene heben konnten, als die sogenannte "Wiener Strategie" festgeschrieben wurde.

Wiener Strategie heißt, daß makroökonomische Politik, ein makroökonomischer Policy-mix unverzichtbar für eine europäische Beschäftigungsstrategie ist und wirtschaftspolitische Zielsetzungen, steuerpolitische Zielsetzungen, Wachstumszielsetzungen und Stabilitätszielsetzungen gleichwertig mit beschäftigungspolitischen Zielsetzungen zu sehen sind. Es muß erreicht werden, daß sich Stabilität und Wachstum, Wachstum und Beschäftigung im Einklang befinden und dementsprechend auch eine Gleichwertigkeit der Beschäftigungssozialpolitik mit anderen Politikbereichen hergestellt wird.

Wer sich an die Diskussion auf europäischer Ebene in den vergangenen Jahren erinnert, wird erkennen, daß da ein Paradigmenwechsel erfolgte, weil noch vor wenigen Jahren sehr viele hohe Politiker in Europa der Auffassung waren, daß sich Beschäftigungspolitik auf nationale Politik und auf Arbeitsmarktpolitik zu reduzieren hat und nicht unter dem umfassenden Begriff und dem umfassenden Policy-mix zu subsumieren ist, wie ich es zuerst skizziert habe.

Der zweite ganz wichtige neue Ansatz im NAP 1999 ist, daß wir erstmals verankert haben, daß sich alle Akteure – hier sind die Akteure insbesondere auf europäischer Ebene angesprochen – in die Verpflichtung einbinden müssen, sich auch auf Beschäftigungspolitik zu konzentrieren und Maßnahmen zu setzen.

Was heißt das konkret? – Das bedeutet, daß sowohl die Europäische Kommission, der Europäische Rat, das Europäische Parlament, die europäischen Sozialpartner, die Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank als auch die Ausschüsse, die die verschiedenen Räte beraten, verpflichtet sind, in ihrer eigenen Verantwortung jeweils den Zielsetzungen der europäischen Beschäftigungspolitik Rechnung zu tragen. Das bedeutet auch, daß die verschiedenen Akteure in Zukunft versuchen müssen, ihre eigenen Strategien auch mit den Strategien anderer – ich meine hier konkret zum Beispiel den wirtschaftspolitischen Ausschuß, der die Finanzminister berät, und den beschäftigungspolitischen Ausschuß auf europäischer Ebene, der die Sozialminister berät – zu verbinden und zu gemeinsamen Positionen, zu gemeinsamen Vorschlägen für die konkrete Politik zu kommen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Nach diesem eher scheinbar theoretischen Überbau darf ich darauf verweisen, daß wir in Österreich nicht zuletzt aufgrund dessen, daß die österreichische Bundesregierung auch in der Vergangenheit versucht hat, gemäß diesen Grundsätzen eine offensive Beschäftigungspolitik zu betreiben, tatsächlich im Vergleich mit anderen europäischen Ländern hervorragende Arbeitsmarktdaten haben und auch die niedrigste Jugendarbeitslosenrate von ganz Europa. Auch für die Schulabgänger 1999 wird ein Auffangnetz zur Verfügung stehen.


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655. Sitzung / Seite 19

Wir haben es in den beiden letzten Jahren geschafft, mehr als 50 000 zusätzliche Erwerbstätige in Beschäftigung zu haben. Ich möchte Sie darauf verweisen, daß die geringfügig Beschäftigten nicht in dieser Zahl enthalten sind. Wenn Sie die offiziellen Arbeitsmarktdaten vom AMS aus den Medien erfahren oder Ihnen diese vermittelt werden, dann möchte ich darauf hinweisen, daß in der Zahl von 3,1 oder 3,150 Millionen – und in Zukunft hoffentlich noch mehr – Erwerbstätigen die Zahl der geringfügig Beschäftigten nicht enthalten ist, da handelt es sich um Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse und zum Teil auch um Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse, wobei die Zahl der Teilzeitverhältnisse nicht in jenem Ausmaß auf unserem Arbeitsmarkt vertreten ist, wie es zum Beispiel in Holland oder auch in anderen Ländern der Fall ist, weil wir in Österreich zwar immer gesagt haben, Teilzeit ist eine Alternative, sehr oft eine vorübergehende Alternative, aber sie darf nicht Ganzzeitbeschäftigung substituieren, sondern sie soll dort möglich sein, wo sie gewünscht wird, wo sie vielleicht auch eine vorübergehende Lösung im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Eltern bedeutet.

Ende Mai zeigt sich eine wirklich hervorragende Entwicklung bei der Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen. Heutigen Zeitungsberichten ist zu entnehmen, daß wir um 18 000 weniger vorgemerkte Arbeitslose haben und jetzt knapp über 200 000 vorgemerkte Arbeitslose betreut werden. Anhand dieser Entwicklung zeigt sich, daß der Weg, den wir gehen, hervorragend ist und daß wir immer mehr Menschen die Chance bieten können, wieder Anschluß in der Berufswelt zu finden. Damit haben wir auch ein Politikversprechen eingelöst, das gelautet hat, daß wir für die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt kämpfen werden, und wir haben sie somit auch erreicht.

In diesem Sinn darf ich mich herzlich dafür bedanken, daß ich Ihnen dies kurz vorstellen konnte, mich aber auch dafür bedanken, daß es natürlich ein österreichisches Anliegen ist, diese Politik zu verfolgen. Je mehr wir alle versuchen, diese Ziele zu verfolgen, desto erfolgreicher wird auch der österreichische Weg für die Zukunft sein. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.41

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke der Frau Bundesministerin für die Erklärung zur Europäischen Beschäftigungspolitik.

Die Debatte über diese Erklärung und die Tagesordnungspunkte 2 bis 8, über die nun die Berichterstattung erfolgt, wird, wie bereits angekündigt, unter einem abgeführt.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 bis 8 hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte ihn nun um die Berichterstattung.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe zunächst den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Koordination bei Bauarbeiten geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates wurde als Initiativantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen am 24. März 1999 als Initiativantrag eingebracht.

Mit der letzten Novelle zum Mineralrohstoffgesetz wurden alle Arbeitnehmerschutzagenden in bezug auf die Mineralrohstoffgewinnung mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1999 vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales übertragen, wobei die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen der Arbeitsinspektion übertragen wurde.

Durch eine zeitlich vor der oben erwähnten Novelle zum Mineralrohstoffgewinnungsgesetz beschlossenen Änderung zum Bauarbeitenkoordinationsgesetz mit Wirksamkeit 1. Juli 1999 wurde der Arbeitnehmerschutz noch nicht der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales übertragen.

Um dem oben genannten Grundsatz noch rechtzeitig vor dem 1. Juli 1999 zu entsprechen, ist die vorliegende Änderung zum Bauarbeitenkoordinationsgesetz notwendig.


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655. Sitzung / Seite 20

Weiters hat der Beschluß des Nationalrates redaktionelle Änderungen zum Inhalt.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird, vor.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates wurde als Initiativantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen am 21. April 1999 eingebracht und im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Nationalrates in der Fassung eines umfassenden Abänderungsantrages beschlossen.

Die wesentlichen Inhalte des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates sind:

Durch die vorgeschlagene Änderung des § 5 Abs. 1 GSVG soll die Möglichkeit für eine Ausnahme aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gemäß § 5 GSVG für jene freiberuflich tätigen Berufsgruppen ausgeschlossen werden, die am 1. Jänner 1998 in der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert waren. Die Übergangsbestimmung des § 273 Abs. 4 GSVG kann somit entfallen.

Ergänzend dazu sollen für die durch die vorliegende Änderung betroffenen Berufsgruppen in einer Übergangsbestimmung modifizierte Beitragssatzregelungen vorgesehen werden. Diese sollen auch für die in § 3 Abs. 3 Z 3 und 4 GSVG in der am 31. Dezember 1999 geltenden Fassung genannten Berufsgruppen (Journalisten, bildende Künstler), die, ebenso wie die Dentisten, Tierärzte und Wirtschaftstreuhänder, bereits derzeit in der Pensionsversicherung pflichtversichert sind und als "neue Selbständige" in ein Beitragsschema mit höheren Beitragssätzen wechseln, gelten.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Bericht über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird.

Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1995 wurde eine Präzisierung des Einkommensbegriffes bei der Notstandshilfe im Arbeitslosenversicherungsgesetz vorgenommen. Ziel war die Erhöhung der sozialen Treffsicherheit durch eine Verschärfung der Anrechnungsbestimmungen. Bei der Beurteilung des Vorliegens von Notlage als Anspruchsvoraussetzung von Notstandshilfe sollten möglichst alle vorhandenen Mittel herangezogen werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung darauf aufmerksam gemacht, daß dieses Ziel in der Textierung des § 36a Arbeitslosenversicherungsgesetz hinsichtlich der Anrechnung von Unterhaltsleistungen geschiedener Ehegatten nicht zweifelsfrei erreicht wurde.

Um Ungleichbehandlungen vergleichbarer Tatbestände zu vermeiden und Rechtssicherheit zu gewährleisten, ist es daher notwendig, diese Unklarheiten durch eine gesetzliche Klarstellung zu beseitigen. Es sind daher auch solche Unterhaltsleistungen beim Anspruch auf Notstandshilfe weiterhin anzurechnen.

Die Übergangsbestimmung ist notwendig, um im Sinne des verfassungsgesetzlich gebotenen Vertrauensschutzes eine Kontinuität bei der Berücksichtigung der Einkommenssituation sicherzustellen. Daher ist es notwendig, dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Einbringung ein Antrag eingebracht und über diesen noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, auf die Gesetzesinterpretation des Verwaltungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 ebenfalls mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


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655. Sitzung / Seite 21

Weiters liegt vor ein Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über soziale Sicherheit.

Das gegenständliche Abkommen, das am 7. September 1998 in Warschau unterzeichnet wurde, entspricht in materiell-rechtlicher Hinsicht den in letzter Zeit von Österreich insbesondere mit Kroatien, Mazedonien und Slowenien im Jahre 1997 unterzeichneten neuen Abkommen. Durch das gegenständliche Abkommen mit Polen wird ein weitestgehender Schutz im Bereich der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung durch die Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen, die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten für den Erwerb von Leistungsansprüchen, die Pensionsfeststellung entsprechend den in jedem Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten und den Leistungsexport sichergestellt.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt vor der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit.

Die Kündigung des Abkommens über soziale Sicherheit mit Bosnien und Herzegowina zum 30. September 1996 ist zur Sicherstellung des Entfalls der Zahlung von österreichischen Familienbeihilfen für Kinder in Bosnien und Herzegowina erfolgt, da das Abkommen eine Teilkündigung nur für den Bereich der Familienbeihilfen nicht ermöglicht hat. Mit der Kündigung sind auch die Regelungen in den anderen Bereichen außer Kraft getreten, für deren Weiteranwendung der Abschluß eines entsprechend eingeschränkten Abkommens erforderlich ist.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über soziale Sicherheit.


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655. Sitzung / Seite 22

Das vorliegende Abkommen ersetzt das derzeit in Kraft stehende österreichisch-niederländische Abkommen über soziale Sicherheit vom 7. März 1974 in der Fassung des Zusatzabkommens vom 5. November 1980.

Das vorliegende Abkommen entspricht im wesentlichen den anderen in letzter Zeit mit EG- beziehungsweise EFTA-Staaten geschlossenen neuen "Ergänzungsabkommen", zum Beispiel mit Island oder Schweden.

Das vorliegende Abkommen erfaßt alle Personen (unabhängig von deren Staatsangehörigkeit), die den Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit eines oder beider Staaten unterliegen oder unterlagen.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Der letzte Bericht bezieht sich auf den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Portugiesischen Republik über soziale Sicherheit.

Die Beziehungen zwischen Österreich und Portugal im Bereich der sozialen Sicherheit werden durch die diesbezüglich maßgebenden Verordnungen geregelt. Allerdings bleibt für bestimmte Personengruppen, die von diesen EWG-Verordnungen nicht erfaßt werden, das geltende bilaterale Abkommen über soziale Sicherheit zwischen beiden Staaten weiterhin anwendbar, was vor allem in administrativer, aber auch in sozialpolitischer Hinsicht problematisch ist.

Durch das vorliegende Abkommen, das an die Stelle des geltenden bilateralen Abkommens tritt, werden Regelungen in Ergänzung zu den EWG-Verordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit entsprechend dem geltenden Abkommen vorgesehen und zur Rechtsvereinheitlichung insbesondere die Regelung dieser EWG-Verordnungen für die hiervon nicht erfaßten Personengruppen für entsprechend anwendbar erklärt.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrat gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Gottfried Jaud: Ich bedanke mich für die ausgezeichnete Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.


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9.52

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Ihre Euphorie in bezug auf den Nationalen Aktionsplan in Ehren, aber ich teile sie nicht. 16 Millionen Arbeitslose gibt es derzeit in Europa. Mehr als 10 Prozent der Personen im erwerbsfähigen Alter haben in der sozialistisch dominierten EU keine Arbeit. 231 481 Österreicher waren im April arbeitslos. – Und Sie sprechen in Ihrer Erklärung von hervorragenden Arbeitsmarktdaten. Ich muß mich sehr wundern, Frau Ministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß es nach der Statistik – Sie haben hier die neuesten Zahlen erwähnt – einige weniger waren als im Vorjahr, liegt weniger an Ihrer Regierungspolitik als vielmehr an statistischen Tricks und auch an der Tatsache, daß sich einige Wirtschaftsbereiche trotz Ihrer Politik günstig entwickelt haben. 13,5 Prozent der Arbeitslosen, das sind immerhin 38 500 Menschen, werden von der Statistik nämlich nicht mehr erfaßt, weil sie vom AMS umgeschult werden. Aber, Frau Ministerin, eine Umschulung ist noch lange kein Arbeitsplatz, das sollten Sie sich merken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Oberlehrer!)

Frau Ministerin! Sie bekommen damit die Arbeitslosen wohl kurzfristig aus der Statistik heraus und geben sich dann der Illusion hin, daß Sie das Problem nachhaltig gelöst hätten. Die Menschen unseres Landes werden Ihnen das aber – da können Sie sicher sein! – nicht abnehmen.

Viktor Klima hat zu Beginn des heurigen Jahres sein Versprechen wiederholt, heuer die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt endlich schaffen zu wollen. Er, der Regierungschef, rechnet damit, daß sich niemand mehr an seine Ankündigungen vom vorigen Jahr erinnert. "1998" hat Klima zum "Jahr der Arbeit" erklärt – mit den bekannten Folgen: Wir hatten eine Rekordarbeitslosenquote. Daß ihm das heuer, im Wahljahr, nicht mehr passieren soll, ist natürlich auch für uns verständlich. Er hat deshalb seiner Sozialministerin, Ihnen, Frau Ministerin, den Auftrag gegeben, die Arbeitslosigkeit zu verstecken, und das tun Sie jetzt.

Und kommen Sie uns auch nicht, wie Sie es in Ihrer Erklärung wieder getan haben, mit der Erhöhung der Beschäftigtenzahl. Das ist im wesentlichen auch eine Folge Ihrer Belastungspolitik, nämlich: erschwerter Zugang zur Alterspension, verkürzte Bezugsdauer von Karenzgeld sowie Personalkürzungen im öffentlichen Dienst. Deshalb hat sich die höhere Arbeitslosigkeit auch auf Ältere und Frauen konzentriert.

Das, Frau Ministerin, sind alles keine grundlegenden Verbesserungen und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Das AMS, das Sie auch zitiert haben, ist nach wie vor eine Institution, die die Arbeitslosigkeit verwaltet, aber nicht bekämpft. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Neuerdings wird dort – auch im Auftrag der Regierung – die Arbeitslosigkeit, wie ich schon sagte, zusätzlich versteckt.

Die Forderung nach Entbürokratisierung des Arbeitsmarktservice und Erleichterungen für private Arbeitsvermittlungen ist aktueller denn je. Aber auf dem Arbeitsmarkt wird es erst dann eine Trendwende geben, meine Damen und Herren, wenn wir eine Regierung haben werden, die nicht mehr dem Irrglauben nachhängt, die Politik könne Arbeitsplätze verordnen. Eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt werden wir erst haben mit einer Regierung, die eine neue wirtschaftspolitische Grundlage zu schaffen imstande ist, nämlich: Rücknahme des Staates aus allen Bereichen, in denen er nicht notwendig ist, flexiblere Arbeitsorganisation, Senkung der Abgaben und Steuern durch eine wirkliche Steuerreform und ausgeglichene Budgets, die wieder Investitionen möglich machen.

Davon, meine Damen und Herren, ist diese Bundesregierung noch meilenweit entfernt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.56

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Ledolter. Ich erteile es ihm.

9.57

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich in Rich


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tung meines Vorredners sagen: Ich verstehe nicht, daß man auf der einen Seite Maßnahmen plakativer und populistischer Art fordert, auf der anderen Seite aber all das, was die Regierung in die richtige Richtung begonnen und auf die Schienen gestellt hat, in Grund und Boden verdammt! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Weil das ja nur Geld kostet und keine Arbeitsplätze schafft!)

Ich weiß schon: Je schwächer die Argumente, um so lauter die Zwischenrufe, Herr Kollege.

Ich möchte aber auch daran erinnern, daß sich am Beispiel Kärntens sehr deutlich zeigt, wie leicht es ist, Ankündigungspolitik zu betreiben, aber wie schwierig es ist, diese Ankündigungspolitik auch nur in Ansätzen zum Leben zu bringen und zu verwirklichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nun den Ausführungen der Frau Ministerin zum NAP zuwenden. Wir sind auf einem guten Weg, und ich freue mich darüber, daß der Zusammenhang zwischen Wirtschaftspolitik und Beschäftigung klar erkennbar ist, denn die Wirtschaftspolitik ist ein zentrales Element der gesamten innerösterreichischen Politik und wirkt auch in die Außenbeziehungen hinein.

Ich bin auch glücklich darüber und bedanke mich ausdrücklich für das Bekenntnis, verehrte Frau Ministerin, zur erwerbsorientierten Beschäftigungspolitik, die Sie in vier Säulen zum Ausdruck bringen. Die Komplexität der Materie zeigt sich ja darin, daß damit nicht nur Ihr Ministerium befaßt ist, sondern im Zusammenwirken mit dem Unterrichtsministerium und vor allem mit dem Ministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten gemeinsam Erfolge erzielt wurden.

Meine Damen und Herren! Noch einmal: Unsere Arbeitslosenrate beträgt die Hälfte dessen, was EU-weit üblich ist. Das sind Fakten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Um der historischen Wahrheit gerecht zu werden, möchte ich aber auch erwähnen, daß die Österreichische Volkspartei bereits zu einer Zeit, in der so manche Fraktion in diesem Haus noch einer exzessiven Schuldenpolitik angehangen hat, der Wirtschaftspolitik und der Unternehmensförderung das Wort geredet hat. Nur die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze – das sollte immer deutlich im Vordergrund stehen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Eben! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. d′Aron. )

Lieber Kollege d'Aron! Du bist Gott sei Dank in einem sehr geschonten Bereich tätig, denn ich meine, daß Wirtschaftspolitik sich auf ganz anderen Ebenen abspielt, als es bei den ÖBB der Fall ist. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich meine damit, daß den Arbeitgebern, jenen in unserem Lande, die noch bereit sind, unternehmerisches Risiko auf sich zu nehmen, die noch bereit sind, sich für die Beschäftigung einzusetzen, Vorrang einzuräumen ist.

Meine Damen und Herren! Die Quote der Selbständigen – jener Faktor, der zeigt, wie viele Selbständige auf die Gesamtbevölkerung entfallen – ist in Österreich in einem sehr guten Bereich angesiedelt. Ich darf nur ein paar Vergleichszahlen aus der OECD-Statistik nennen: Wir liegen mit 8,3 Prozent gleichauf mit Frankreich, in Deutschland beträgt sie 8,8 Prozent, in Dänemark 6,7 Prozent – das ist das reichste Land Europas –, in Schweden 9 Prozent und in den Niederlanden 10 Prozent.

Damit will ich aber auch zum Ausdruck bringen, daß es sehr wohl notwendig ist, sektoral zusätzliche Anreize für die Beschäftigung und vor allem für die Arbeitgeber zu schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft sichert die Beschäftigung und schafft Arbeitsplätze. Wenn wir sektoral darangehen, die Arbeits- und Beschäftigungszahlen zu stärken, dann macht sich ein Spektrum an den Dienstleistungen auf. Hier sollte verstärkt Förderung erfolgen und Anreiz gegeben werden, und zwar für Betriebsgründungen, für Übernahmen und für Nachfolgen.


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Es sind auch Ansätze in der Steuerpolitik erkennbar gewesen. Ich erinnere etwa an die unlängst diskutierten Maßnahmen im Bereich der Senkung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Pauschalierung für die Klein- und Mittelbetriebe und die Möglichkeit, kalkulatorische Zinsen für das Eigenkapital anzusetzen.

Meine Damen und Herren! Wir gehen auch mehr und mehr in Richtung einer höherentwickelten Volkswirtschaft, in der der Dienstleistungssektor mehr in den Vordergrund rückt. In diesem Zusammenhang, Frau Sozialministerin, ist aber auch wieder ein anderes Arbeitsregime, eine Flexibilisierung der Möglichkeiten gefordert: Flexibilisierung der Arbeitszeit, neue Beschäftigungsmodelle, andere Entlohnungsarten. Ich rede nicht den Mac-Jobs das Wort, meine Damen und Herren, und auch die Teilzeitbeschäftigung ist kein Allheilmittel, aber sie ist ein Instrumentarium, das wir sehr nachdrücklich verlangen und das auch steuerlich nicht benachteiligt sein darf. Angesagt und gefordert sind in diesen Bereichen Innovation und Beweglichkeit.

Meine Damen und Herren! Leider sind wir immer noch das Land mit der höchsten Regulierungsdichte. Die Bürokratie frißt die Arbeitsplätze und die Beschäftigung und behindert die Unternehmen. Daher ist es dringend an der Zeit, das Anlagenrecht zu novellieren und dabei mit größter Sorgfalt auch jene Punkte herauszuverhandeln, die immer wieder von Gewerkschaft und Kammerseite, Arbeiterkammerseite, hineinverhandelt werden. Im Anlagenrecht liegen große Gefahren einer Überbürokratisierung, meine Damen und Herren! Die Stimme der Wirtschaft wird immer in dieser Richtung laut werden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie hätten genug Zeit gehabt, Herr Kollege!)

Herr Kollege! Ich erinnere auch an Modelle, wie sie Minister Farnleitner vorgelegt hat, etwa seine propagierte One-Stop-Shop-Initiative oder die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Wir brauchen eine deutliche Abkehr von kontraproduktiven Regelungen.

Ich darf Sie, Frau Ministerin, hier ansprechen. Ich erinnere nur an das Beispiel der Unkündbarstellung derjenigen, die über 50 Jahre alt sind. Das hat ausschließlich dazu geführt, daß es heutzutage kaum mehr möglich ist, Menschen über 50 Jahre zu beschäftigen und unterzubringen, weil in den Betrieben damit sehr vorsichtig umgegangen wird. (Bundesrätin Kainz: Nein, das hat ganz andere Gründe!)

Meine Damen und Herren! Man geht hier – ich erinnere auch an das AMS – mit Umschulungen und Kosmetik vor, und das sind Entwicklungen, die wir in den Griff bekommen müssen. Es ist nicht unsere Aufgabe, Arbeitslosigkeit oder Arbeitslose nur zu verwalten, sondern wir sollten in diesem Bereich sehr offensiv vorgehen (demonstrativer Beifall des Bundesrates Dr. d′Aron )  – danke, Herr Kollege! –, und zwar in Richtung Zumutbarkeitskriterien und realistischer Ansätze.

Gestatten Sie mir auch noch ein Wort in Richtung Schwarzarbeitergesetz, liebe Frau Ministerin! Da gab es einen guten Ansatz und eine an sich richtige Einschätzung der Entwicklung hin zur Schattenwirtschaft, und man hat versucht, dies in den Griff zu bekommen. Es ist aber diese Grundidee, dieses Gesetz leider Gottes mit Regelungen überfrachtet worden, die sich ausschließlich gegen die Unternehmungen richten, die eine Kontrolle der Betriebe, der Unternehmer in den Vordergrund stellen und die von dem Ziel entfernt sind, das ursprünglich mit diesem Schwarzarbeitergesetz erreicht werden sollte.

Meine Damen und Herren! Was die Jugendbeschäftigung angeht, muß ich sagen, es bedarf einer noch deutlicheren Stärkung des dualen Ausbildungssystems, weil gerade in der Jugendbeschäftigung noch großer Nachholbedarf besteht. Ich erinnere daran, daß 49 neue Lehrberufe und 7 000 neue Lehrplätze in insgesamt 41 300 Betrieben, die Lehrlinge ausbilden, geschaffen werden konnten. Aber wir könnten noch viel mehr Jugendliche unterbringen, wenn wir mit der Auflösbarkeit von Lehrverträgen und ähnlichen Regelungen flexibler umgingen, die sich absolut kontraproduktiv auswirken.

Meine Damen und Herren! Noch kurz zu den Auslandsinvestitionen: Auch diesbezüglich ist ein guter, richtiger Weg eingeschlagen worden. Es zeigt sich, daß die Mobilität des Kapitals dazu führt, daß wir heuer wahrscheinlich im gleichen Ausmaß wie im Vorjahr Betriebsansiedelungen, nämlich in der Größenordnung von 73 Milliarden Schilling, verzeichnen können. Allein die ABA,


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die Austrian-Business-Agency, hat 72 Unternehmen mit rund 4 000 hochqualifizierten zusätzlichen Arbeitsplätzen nach Österreich gebracht.

Aber da geht es auch wieder um Standortqualität, und da geht es auch wieder um die Einschätzung der Investoren: Wie steht Österreich in der Öffentlichkeit da?

Meine Damen und Herren! Da spielt sehr wohl auch die Sicherheitspolitik hinein. Wir werden es uns auf Dauer nicht leisten können, daß der Herr Bundeskanzler im Ausland anders redet als im Inland. (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!) Es wird auf Dauer nicht gehen, daß die Neutralität in Berlin nichts wert ist, aber in Wien hochgehalten und zum Wahlkampfthema hochstilisiert wird. Es wird auch in Zukunft nicht gut möglich sein, daß die Österreicher als jene dastehen, die sich die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken wollen.

Gerade im Bereich der Wirtschaft ist es sehr wesentlich, die Sympathie und die Werte von Treu und Glauben hochzuhalten. Das sind Kriterien, nach denen die Wirtschaft funktioniert, und die Verläßlichkeit und die Sympathiewerte, die Österreich in der Vergangenheit genossen hat, sollten durch solche Doppelbödigkeiten und solche Doppelzüngigkeiten nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Ich meine auch, daß Minister Farnleitner damit recht hat, daß er davon ausgeht, daß wir uns in Österreich lediglich darauf beschränken, die Ethik dafür nachzureichen, was andere an innovativen Technologien, an Zukunftstechnologien, an modernen Technologien liefern. Wir liefern dann die Ethik, diese Dinge nicht zu verwenden, im Inland nach.

Ich glaube daher, daß wir ein strategisches Ziel in der Beschäftigungspolitik und auch in einer offensiven Standortpolitik zu sehen haben. Wir müssen ein Wirtschaftsklima und Rahmenbedingungen schaffen, in dem die Betriebe gedeihen können. Wir müssen auch ein Wirtschaftsklima schaffen, in dem junge Leute bereit sind, Betriebe zu gründen und zu übernehmen, denn wir brauchen tüchtige Unternehmer, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir haben einen guten Weg begonnen, und ich glaube, daß wir diesen Kurs mit einigen Korrekturen in die richtige Richtung auch fortsetzen können. Ich glaube daher, daß es gut ist, den in Verhandlung stehenden Materien die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

10.09

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. – Bitte.

10.09

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Bösch haben mich weniger verwundert; sie zeigen nur immer wieder die Widersprüche auf, die aus diesen Reihen immer wieder kommen, nämlich einerseits Dinge anzuprangern, die andererseits aus den eigenen Reihen mit Forderungen unterstützt werden.

Etwas verunsichert hat mich aber Kollege Ledolter. Ich habe nämlich bei seinen anfänglichen Ausführungen einen Bündnispartner in der ÖVP vermutet und mich leicht gewundert, wie diese Haltung dort durchsetzbar sein wird. Er hat aber dann im Laufe seiner Ausführungen meine voreiligen Hoffnungen wieder zurechtgerückt, weil er die Definition einzelner Dinge dann doch wieder in eine Richtung zurückgeführt hat, die mir auch bekannt ist. – Aber damit der Einleitung genug.

Ich möchte nun einige Bemerkungen zu den Ausführungen beziehungsweise Erklärungen der Frau Bundesministerin in bezug auf die europäische Beschäftigungspolitik und damit natürlich auch im Zusammenhang mit der österreichischen Politik machen und mich zuvorderst voll und ganz dem Bekenntnis zur bezahlten Erwerbsarbeit anschließen. Ich glaube, daß die Erklärungen der Frau Bundesministerin sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben, daß das hohe soziale Niveau in Österreich, daß das österreichische Sozialnetz nur durch dieses Bekenntnis und alle Anstrengungen zur bezahlten Erwerbsarbeit aufrechtzuerhalten ist. An dieser Stelle möchte ich


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natürlich auch – obwohl das ein weiterer Punkt ist, auf den ich später eingehen werde – auf die Einbindung der Frauen in diese Politik hinweisen.

Ich glaube, daß man sagen kann, daß 1997 der Beginn einer neuen Beschäftigungspolitik in der EU war. Mit dem Vertrag von Amsterdam und dem Beschäftigungsgipfel von Luxemburg hat die EU der Beschäftigungspolitik so hohe Priorität eingeräumt, daß wir von einem Beginn einer sozialen Qualität in der EU sprechen können. Damit ist auch der Prozeß zur Bekämpfung zur Arbeitslosigkeit verbindlich eingeleitet worden.

Natürlich ist der Anstrengungen in diese Richtung nie zuviel. Trotz der ausgezeichneten Vergleichssituation auf dem Arbeitsmarkt ist jeder Arbeitslose einer zuviel, und wir müssen alles daransetzen, diese Situation weiter zu verbessern. Für 1999 sind 22 beschäftigungspolitische Leitlinien der EU vorgesehen; ich glaube, daß auch die Anzahl Qualität ausdrückt. (Bundesrat Dr. d′Aron: Anzahl macht nicht Qualität!)

Nicht ausschließlich, Herr Kollege, aber ich glaube nicht, daß diese Bemerkung notwendig war. Das ist in der Materie selbstverständlich enthalten. Ich glaube nicht, daß 22 Richtlinien so inhaltslos sein können, daß sie damit nicht das ausdrücken, was wir wollen, nämlich Qualität erzeugen.

Es liegt mit diesen 22 Richtlinien ein klarer Rahmen vor, der nach der spezifischen Problemlage – ich glaube, daß es sehr wichtig ist, das zu berücksichtigen – mit konkreten Maßnahmen zu füllen ist.

Ich glaube, daß die Berichtspflicht, die im Bereich der EU sehr vorsichtig formuliert wurde – ich hatte im Rahmen des Sozialausschusses des Europäischen Parlaments Gelegenheit, diese Dinge interpretiert zu bekommen –, als Kontrolle durchaus zu akzeptieren ist. Dazu, daß es eine Kontrolle sein soll, bekenne ich mich voll und ganz.

Österreich hat zu dieser positiven Entwicklung zweifellos wesentlich beigetragen – vor allem durch die österreichische Strategie, daß Arbeitsmarktpolitik beziehungsweise Beschäftigungspolitik wesentlich weiter zu fassen ist als Arbeitspolitik im engeren Sinn. Ich glaube, daß diese Definition zunehmend Fuß faßt. Auch die Aussagen der Frau Bundesministerin zum lebenslangen und lebensbegleitenden Lernen beweisen, daß ursprünglich eng gefaßte Arbeitsmarktpolitik nicht alles umfaßt, daß es uns um die Beschäftigungspolitik in der umfassenden Ausformung gehen muß. Sie können ruhig den Kopf schütteln. Kopfschütteln bei der FPÖ habe ich schon oft erlebt. Es wird nicht auf Ihre Definition ankommen.

Einen wichtigen Beitrag zu einer umfassenden Beschäftigungspolitik leistet sicher auch – damit spreche ich etwas an, was nicht unmittelbar mit Fragen der Sozialpolitik und der Arbeitswelt zu tun hat – der Ausbau der Transeuropäischen Netze. Dazu ist heute von Kollegen Ledolter in bezug auf die Finanzierungspolitik beziehungsweise die Budgetpolitik eine Aussage im Zusammenhang mit der Verschuldung gemacht worden, die ich nicht teilen kann. Ich glaube, daß dies im Zusammenhang mit Investitionen zu sehen ist und dabei auch Fragen der Beschäftigungspolitik eine Rolle spielen. Aktuelle Anlässe beweisen, daß es in Fragen der Beschäftigungspolitik auch eine sinnvolle Verschuldung geben kann. Ich meine damit ganz konkret die Frage des Tauerntunnels, die uns gerade sehr berührend beschäftigt und wobei es um Sicherheit geht.

Der Ausbau der Transeuropäischen Netze schließt neben Fragen der Beschäftigungspolitik auch solche der Sicherheit mit ein, und ich bekenne mich voll dazu, daß Gefahrtransporte weg von der Straße auf die Schiene zu verlegen sind. Ich bin für alle Aussagen in bezug auf die europäische Beschäftigungspolitik, aber auch für jene in bezug auf den NAP, die in diese Richtung gehen, sehr dankbar.

Als Erfolg Österreichs sind sicher auch die Initiativen des Finanzministers zu verbuchen. Auch in diesem Zusammenhang hat Kollege Ledolter Aussagen gemacht. Ich war in meiner voreiligen Beurteilung seiner Aussagen ein bißchen erstaunt, aber er hat sie dann in der Definition in die Richtung gebracht, wo ich ihn immer angesiedelt sehe, und damit war meine Verunsicherung wieder beseitigt. (Bundesrat Dr. Bösch: Gott sei Dank!) – Gott sei Dank! Ich war froh, die


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politische Einschätzung wieder so zurechtgerückt zu haben, wie ich sie immer gewohnt war, aus dieser Ecke zu bekommen. (Bundesrat Schöls: Das war eine Pauschalverurteilung!)

Das war keine Verurteilung, sondern das war eine realistische Einschätzung jener politischen Aktivitäten, die ich gewohnt bin, und es hat meiner eigenen Verunsicherung die Spitze genommen.

Meine Damen und Herren! Vom Geplänkel wieder wegkommend: Ich glaube, daß die Diskussion um die Steuerharmonisierung sehr wichtig und für Europas Arbeitsplätze von besonderer Bedeutung ist, auch wenn uns unter Umständen Definitionsfragen trennen.

Die Steuergleichbehandlung, um unfairen Wettbewerb zu verhindern – ich glaube, da treffen wir uns wieder –, kann nur gemeinsames Ziel sein. Die Harmonisierung der Steuersysteme im Rahmen der Beschäftigungspolitik ist ein wichtiger Ansatz. Auch nach Beendigung der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist es, so glaube ich, wichtig, daß Österreich dieses Thema federführend vorantreibt, um auch dem Ziel, Beschäftigung weiterhin auf hohem Niveau zu halten und zu verbessern, näherzukommen.

Nun auch wenige Worte zum NAP. Die Frau Bundesministerin hat die damit vorhandenen Möglichkeiten sehr ausführlich dargestellt. Es ist vor allem wichtig, die zu Beginn an den Tag gelegte Entschlossenheit und Konsequenz, diese Möglichkeiten beizubehalten und unsere Zielsetzungen nicht aus den Augen zu verlieren, auch über jenen Zeitraum, der in den europäischen Richtlinien festgeschrieben ist, beizubehalten. Man darf nicht nachlassen und die Zielsetzungen aus den Augen verlieren. Ich glaube, daß da ganz generell das Bekenntnis zu der Politik, weg von der passiven hin zur aktiven Arbeitsmarktpolitik zu kommen, die richtige Zielsetzung ist.

Es wurde auch die Strategie für aktives Altern und zur Verhinderung der Altersarbeitslosigkeit angesprochen. Auch wenn die Aussagen und die Zahlen betreffend Jugendarbeitslosigkeit die Situation auf dem Arbeitsmarkt eher positiv sehen lassen, darf es, so glaube ich, nicht zu einem negativen Wettbewerb zwischen Jung und Alt kommen, sondern es muß gelingen, die Generationenfrage so zu lösen, daß alles darangesetzt wird, den Jugendlichen eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu geben, ohne daß dadurch die Gruppe der älteren Beschäftigten quasi Federn lassen muß – erlauben Sie mir diese lockere Ausdrucksweise –, um die andere Zielsetzung zu ermöglichen.

Handlungsbedarf besteht auch in den territorialen Bereichen. Hier ist gerade das Modell der Sozialpartnerschaft ausschlaggebend. Ein bißchen lassen mich doch die Ausführungen des Herrn Kollegen Ledolter hoffen, daß das Modell der Sozialpartnerschaft, auch wenn es derzeit eher in Richtung Totsagen geht und die Rede davon ist, es sei nicht mehr notwendig, einen langen Bestand hat. Ich glaube, daß es die Grundvoraussetzung dafür ist, gemeinsam, in konsensualer Weise, diese so wichtigen Fragen der Beschäftigungspolitik zu lösen. Ich glaube, daß dieses Thema viel zu wichtig ist, um daraus politisches Kleingeld schlagen zu wollen. Wir müssen diese Zielsetzungen gemeinsam über alle Weltanschauungen hinweg verfolgen, und ich hoffe, daß das doch in jenen Bereichen, die davon betroffen sind, möglich sein wird.

Nun ganz wenige Bemerkungen zur Situation der Frauen. Es ist sehr erfreulich, daß sich von den 22 beschäftigungspolitischen Leitlinien eine ganz konkret mit Fragen der Frauen beschäftigt, ich meine aber, daß nicht sein darf, daß deshalb frauenpolitische Anliegen in den anderen 21 Leitlinien in Vergessenheit geraten. Es ist wichtig, zur gesellschaftlichen Akzeptanz zu kommen, daß Frauenbeschäftigung wichtig ist.

Ich möchte an dieser Stelle auf die wichtigen Zusammenhänge einer hohen Frauenbeschäftigungsquote, die übrigens eine der vordergründigen Zielsetzungen in den Richtlinien der Europäischen Kommission ist, hinweisen. Hohe Frauenbeschäftigungsquoten implizieren, wie wir wissen, hohe Fraueneinkommen und damit – das ist etwas, was ich immer wieder ins Bewußtsein bringen möchte – eine hohe Geburtenrate – etwas, das in den Diskussionen der letzten Monate immer als Zielsetzung unumstritten war.


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Ich glaube, daß alles, was die Chancengleichheit, vor allem jene der Geschlechter, betrifft – dabei möchte ich andere Gruppierungen durchaus nicht aus meinen Überlegungen ausklammern –, wichtig ist. Diese Gleichbehandlung hat nicht nur in der Europäischen Beschäftigungspolitik einen hohen Stellenwert, sondern findet auch im NAP die entsprechende Berücksichtigung. So sehe ich im Zusammenhang mit der europäischen Beschäftigungspolitik und mit der nationalen Beschäftigungspolitik einerseits das Bündeln der Kräfte in der EU, andererseits aber auch das Sich-nicht-aus-der-Verantwortung-Stehlen auf nationaler Ebene.

In diesem Sinne ist, so glaube ich, die Ergänzung der Richtlinien der EU durch nationale Richtlinien ganz wichtig, um diese gemeinsamen Ziele erreichen zu können. Beschäftigungsfragen stellen durchaus nicht nur ein nationales Problem dar – da gibt es kein nationales Phänomen –, sondern bestehen generell, sodaß gemeinsame Anstrengungen auch dafürstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.24

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile ihm dieses.

10.24

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema "Nationaler Aktionsplan – NAP" zeigt uns wieder einmal, was die Bundesregierung unter zielführenden Aktivitäten zur Sicherung bestehender und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze wirklich versteht – leider auch unter Mitwirkung der ÖVP.

Da werden zunächst Meinungsumfragen durch die Bundesregierung durchgeführt, in welchen erhoben wird, welche Themen die Bevölkerung am meisten sensibilisieren – so zum Beispiel der sichere Arbeitsplatz oder die Schaffung von Arbeitsplätzen –, dann wird erhoben, welche Prognosen seitens der Wirtschaftsforschungsinstitute dahin gehend bestehen, wie sich die Wirtschaft entwickeln könnte, ob diese grundsätzlich positiv sein kann, dann wird diskutiert, wie Statistiken ausschauen sollen, was hineinkommen soll, was nicht hineinkommen soll (Bundesrat Schöls: Lesen Sie uns das Strategiepapier der FPÖ vor?)  – schließen Sie bitte nicht von sich auf uns! –, dann wird ein Titel kreiert, welcher die hohen Aktivitäten der Bundesregierung zur Schaffung von Arbeitsplätzen vortäuschen soll, und dann wird mit hohem Finanzaufwand, den selbstverständlich der österreichische Steuerzahler zu tragen hat, eine Medienkampagne durchgeführt, die ebendiese Aktivitäten der Bundesregierung vortäuschen soll.

Da liest man zum Beispiel in den entgeltlichen Einschaltungen in Tageszeitungen von der "NAP-Ideenbörse", in welcher es darum geht, daß der einzelne per Fax oder E-Mail Ideen an diese "NAP-Ideenbörse" schicken soll. Ich frage Sie dazu, Frau Bundesministerin: Wo sind Ihre eigenen Ideen? (Bundesministerin Hostasch: Nachlesen!)

All das, was Sie in Ihrer Rede ausgeführt haben, sind doch Gemeinplätze. (Bundesrätin Kainz: Gott sei Dank wirksame!) Sie sagen zum Beispiel: Erwerbsarbeit ist die Grundlage des Sozialsystems. – No na! Na klar!

Dann würde mich sehr interessieren, was Sie unter Gleichstellung Unselbständiger und Selbständiger bei der sozialen Sicherung verstehen. Heißt das zum Beispiel, daß jetzt die Selbständigen auch eine Arbeitslosenversicherung bekommen? (Bundesministerin Hostasch: Das habe ich nicht gesagt!)

Wenn man das Internet aufschlägt, findet man lediglich Selbstbeweihräucherungen der Regierungskoalition. Interessant in diesem Zusammenhang ist natürlich vor allem der Bereich "neuer NAP für Klima". – Wer das liest, glaubt zunächst, Bundeskanzler Klima sucht eine neue Beschäftigung. (Beifall und ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Weilharter: Es wird bald so sein!) Man hat den Eindruck, daß das Wünsche an den Weihnachtsmann sind.

Es ist natürlich schon ein wichtiges Ziel, die Arbeitslosigkeit senken oder auch etwas für ältere Arbeitnehmer tun zu wollen. Auch eine neue Gründer- und Gründerinnenwelle ist sehr wichtig,


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genauso wie Steuererleichterung und -beratung und vereinfachte Genehmigungsverfahren. Alles, was im NAP aufgelistet ist, ist als Forderung grundsätzlich richtig, es sind aber leider alles nur Lippenbekenntnisse, leere Worthülsen, lediglich Forderungen ohne Aktivitäten, die dahinterstehen.

Ich frage Sie in diesem Zusammenhang, Frau Bundesministerin, und auch Sie, die Vertreter der ÖVP: Wo sind die entsprechenden Regierungsvorlagen: Aktionen betreffend Entfall der Mindestkörperschaftsteuer, Entfall von KU I und KU II, tatsächliche Vereinfachung im Rahmen des Gewerberechtes, auch in Form von Prüfungserleichterungen? Wo ist die grundsätzliche steuerliche Entlastung für österreichische Unternehmer, wie sie zum Beispiel von den Freiheitlichen sehr wohl gefordert wurde? Wo sind jene Mittel im NAP festgeschrieben, welche im öffentlichen Bereich eingespart und der Wirtschaft zugeführt werden können? Wo ist zum Beispiel die lückenlose Durchführung des One-Stop-Shop-Prinzips, wonach sich Unternehmer ihre behördlichen Anliegen betreffend nur noch an einen einzigen behördlichen "Ansprechwarter" wenden müssen? Wo steht all das? Was ist tatsächlich die Realität in Österreich?

Da will zum Beispiel ein niederösterreichisches Reisebüro Lehrlinge aufnehmen – das ist ein hehres Ziel, und das brauchen wir auch in Österreich. Aufgrund der Vielzahl der Aktivitäten und behördlichen Auflagen werden von ebendiesem niederösterreichischen Reisebüro gewisse Fristen versäumt. Es bekommt daraufhin eine Strafe – natürlich mit der Androhung einer Ersatzfreiheitsstrafe –, und diese niederösterreichische Unternehmerin mit mehreren Betriebsstätten, die immer wieder etwas für Lehrlinge getan hat, wendet sich in dieser Frage an den Bundeskanzler und an Landeshauptmann Pröll im Glauben, daß von SPÖ oder von ÖVP irgendeine Verbesserung eintritt. Was bekommt sie als Antwort? – Ich habe das Schreiben vom Bundeskanzleramt vom 10. März 1999 da (der Redner hält dasselbe in die Höhe)  – ich zitiere –:

"Trotz allem Verständnis für Ihren Unmut und Ihre Verärgerung muß ich Ihnen leider mitteilen, daß wir Ihnen in dieser Angelegenheit nicht behilflich sein können." – Dann kommen weitere Ausführungen, die in Wirklichkeit nur noch süffisant klingen.

"Wir möchten Ihnen aber für Ihr Engagement für die Lehrlingsausbildung und Ihren wertvollen Beitrag zur Verbesserung des regionalen Lehrlingsaus- und -weiterbildungsprogrammes danken" – und so weiter. – Null, keine Unterstützung!

Ich zitiere jetzt aus dem Schreiben des Landeshauptmannes Pröll (der Redner zeigt dasselbe vor):

"Ihren Brief ... habe ich erhalten und bin diesbezüglich sofort mit Herrn Kammerdirektor Dr. Theodor Zeh, Wirtschaftskammer Niederösterreich, in Verbindung getreten." – Null, kein Ergebnis!

Das heißt, die ÖVP verweist gleich automatisch an die Kammer weiter, diese soll das dann machen. Die ÖVP kümmert sich nicht darum, wie es um Arbeitsplätze ausschaut, und die SPÖ macht Lippenbekenntnisse. Sie helfen der Unternehmerin nicht, die Arbeitsplätze schafft. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist doch keine positive Weiterentwicklung, das sind doch keine Aktivitäten gegenüber der österreichischen Wirtschaft.

Oder was ist mit der Novelle zum GSVG, welche unter Punkt 3 unserer Tagesordnung zur Verhandlung steht? Wurde zunächst eine Opting-out-Bestimmung für die Freiberufler vorgesehen, soll diese nunmehr wieder verändert werden. Warum sollen die Freiberufler grundsätzlich nicht ein Recht erhalten, sich ihren Bedürfnissen entsprechend zu versichern? Oder geht es Ihnen hier vor allem um Funktionen bei den Sozialversicherungsträgern, die bedauerlicherweise nicht ehrenamtlich sind? (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Oder was ist mit den Ausführungen in dem von mir zitierten Internet-Artikel, in dem Bundeskanzler Klima von "kontinuierlichen öffentlichen Investitionen" spricht? – Das ist wiederum keine Förderung der Leistungsfähigkeit der Privatwirtschaft.


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Wenn man sich das anschaut, so ist der NAP im Grunde genommen ein Nicht-Angriffs-Pakt der Sozialpartner, der keinerlei Beschäftigung schaffen wird. Frau Bundesrätin Kainz, die sich offensichtlich gerade verabschiedet (Bundesrätin Kainz: Ich verabschiede mich nicht, ich nehme meinen Platz als Schriftführerin ein!), hat sich in der Rede, die sie vor mir gehalten hat, sehr ins Zeug geworfen, die Sozialpartner zu verteidigen.

Ich fordere Sie daher auf, Frau Bundesministerin: Geben Sie nicht nur Lippenbekenntnisse ab, sondern tun Sie wirklich einmal etwas für die österreichische Wirtschaft! Setzen Sie Aktivitäten! Denn allein die österreichische Wirtschaft ist in der Lage, Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

10.32

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zur allgemeinen Diskussion ein paar Bemerkungen mache, möchte ich nur eine fachliche Information zu der Frage des Opting-ins und des Opting-outs der Freiberufler geben.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter d'Aron! Ich vermute, daß Sie nicht ausreichend informiert sind. Die Gesetzesänderung, die hier vorgeschlagen wird, ist über Wunsch der freien Berufe dem Nationalrat und auch dem Bundesrat vorgelegt worden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Von der Kammer!) Die Kammer als gesetzliche Interessenvertretung ist dazu berufen, die Meinung der entsprechenden Berufsgruppe zu vertreten, und sie ist auch vom Gesetz her dazu definiert und daher auch repräsentativ.

Sie wissen, daß die Kammern vor wenigen Jahren anläßlich einer Mitgliederbefragung eine klare Zustimmung und Akzeptanz durch ihre Mitglieder bekommen haben, sodaß nicht daran zu zweifeln ist, daß die Meinung, wie sie die Kammern im Namen ihrer Mitglieder vertreten, auch für die Meinung der weit überwiegenden Anzahl der Mitglieder dieser Kammern repräsentativ ist. Dies gilt auch für die freien Berufe.

Aber erlauben Sie mir zur Diskussion über die Beschäftigungspolitik doch ein paar ergänzende Bemerkungen.

Herr Bundesrat d'Aron! Sie haben soeben gefragt, wo die Maßnahmen sind. Ich fürchte fast, daß das, was seit langem bei uns geschieht, was in diesem Hohen Haus beschlossen wurde, was derzeit sogar in Ausschüssen debattiert wird, an Ihnen vorbeigeht. Denn genau hier werden Maßnahmen getroffen, sind Maßnahmen schon beschlossen worden (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Dr. Bösch: An den Arbeitslosen geht das vorbei!), und sie sind in wesentlichen Punkten auch in den Ausschüssen des Bundesrates behandelt und vom Bundesrat auch zustimmend zur Kenntnis genommen worden. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht ist es für Ihre umfassende Information hilfreich, wenn Sie sich den Bericht, der seitens meines Ressorts und des Wirtschaftsressorts über die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans 1998 erstellt und diese Woche vom Ministerrat zur Kenntnis genommen wurde, zur Hand nehmen. Darin wird in allen Details genau darauf verwiesen, welche der Maßnahmen bereits umgesetzt sind, welche legistischen Maßnahmen gesetzt wurden, welche Auswirkungen diese Maßnahmen haben, welche Maßnahmen in Ausarbeitung sind und welche in Angriff genommen werden.

Ich würde Sie bitten, daß Sie sich, bevor Sie eine solch pauschale Kritik üben und solch eine pauschale Aussage treffen, etwas profunder darüber informieren, was tatsächlich geschieht und geschehen ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte auch mit aller Klarheit sagen, daß wir keine Umfragen, keine Meinungsumfragen benötigen, um zu wissen, daß Beschäftigungspolitik, daß


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Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und der Kampf für mehr Beschäftigung das zentrale Anliegen dieser Bundesregierung – ich füge hinzu: insbesondere der Sozialdemokratischen Partei in diesem Land – sind, waren und auch in Zukunft sein werden und auch erfolgreich sind. Dazu brauchen wir keine Umfragen, sondern wir haben diese Politik auch in der Vergangenheit ohne Umfragen gemacht, wir machen sie in der Gegenwart ohne Umfragen, und wir werden sie auch in Zukunft ohne Umfragen machen. (Bundesrat Ing. Scheuch: Die nächsten Wahlen werden bestimmen, wer das in Zukunft macht!)

Wenn Sie sich konkrete Zahlen ansehen, dann werden Sie auf der europäischen Ebene erkennen, daß, seitdem eine weit überwiegende Anzahl der Mitgliedsländer der Europäischen Union sozialdemokratische Regierungschefs hat, eine deutliche Veränderung bei der Zahl der Arbeitslosen eingetreten ist. Wir haben in den letzten zwei Jahren um etwa 2 Millionen weniger Arbeitslose in der Europäischen Union, und das ist das Verdienst einer Politik, die sich für die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit auch auf der europäischen Ebene ausspricht, und es ist ein Erfolg, der hier zu verzeichnen ist, auch wenn natürlich dieser Weg intensiv weitergegangen werden muß.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Zu Recht wurde hier gesagt – auch ich habe dies getan –, daß es prioritär die Wirtschaft ist, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellt, und sie ist es auch, die für die Zukunft mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stellen soll. Dazu bedarf es der Rahmenbedingungen, die aber schon von der Politik und auch jenen Gremien zu schaffen sind, die die demokratische Legitimation dazu haben. Es bedarf dazu aber auch flankierender Maßnahmen. Ich weise daher noch einmal darauf hin, daß gerade dieser Policy-mix, diese Zusammenarbeit der Sozialpartner mit den Regierungen mit dem Ziel, Beschäftigung zu fördern, der erfolgreiche Weg ist. Jeder vorgemerkte Arbeitslose weniger ist ein Erfolg, wenn man weiß, daß es nicht leicht ist, dieses Ziel zu erreichen, wenn man weiß, unter welchem Wettbewerbsdruck auch unsere Wirtschaft steht, die gegen Volkswirtschaften antreten muß, die nicht mit jenem sozialen Verständnis arbeiten, sondern prioritär Kapitalinteressen den Vorrang geben, weshalb hier auch nicht wirklich mit Wettbewerbsfairneß agiert wird. Daher: Jeder einzelne Arbeitslose weniger, jeder Beschäftigte mehr ist ein Erfolg dieser Politik! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte doch auch zum Herrn Bundesrat Ledolter kurz bemerken, daß der Herr Bundeskanzler im Inland und im Ausland in außen- und sicherheitspolitischen Fragen, aber auch in anderen Fragen mit einer Stimme spricht und daß keine Doppelzüngigkeit herrscht. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Rufe bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP: Leider nicht! Leider nicht! – Bundesrat Dr. Maier: Meines Wissens war er gar nicht dabei! – Bundesrat Dr. Böhm: Unterstützung der NATO-Aktion!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es könnte sein, daß auch Sie Behauptungen über Aussagen treffen, bei denen Sie selbst auch nicht dabei waren, und daß Sie hier Interpretationen wählen, die nicht zulässig sind. (Bundesrat Dr. Maier: Das ist jetzt Ihre Interpretation!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich wollte zum dualen Berufsausbildungssystem auch noch etwas sagen. Ich freue mich, daß es ein klares Bekenntnis zum dualen Berufsausbildungssystem gibt, und ich werde mich auch gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister und den Sozialpartnern bemühen, das genau mit dieser Zielsetzung weiterzuentwickeln. Ich bedauere aber trotzdem, daß es uns bis jetzt nicht gelungen ist, einen fairen Ausgleich in der Finanzierung des dualen Berufsausbildungssystems zwischen ausbildenden Betrieben und Betrieben, die nicht ausbilden, zu finden.

Der Staat, die öffentlichen Haushalte unterstützen die Wirtschaft in einem noch nie dagewesenen Ausmaß hinsichtlich des dualen Berufsausbildungssystems. (Bundesrätin Haunschmid: Das können wir schon nicht mehr hören!) Dann lesen Sie bitte nach! Es wird stimmen. (Bundesrätin Haunschmid: Das von den Förderungen kann ich nicht mehr hören!) Es stimmt aber, sehr geschätzte Frau Bundesrätin, und es ist auch der Erfolg gegeben. (Bundesrätin Haunschmid: Diese Abhängigkeit vom Staat! Das kann ich nicht mehr hören!) Auch die Betriebe profitieren von guter Facharbeit, und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft ist maßgeblich dadurch beeinflußt, daß wir hervorragende Facharbeiter und Facharbeiterinnen


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haben. Dieses unser System wird sogar von der Europäischen Union als Best practice anerkannt.

Daher wird Ihre Kritik ins Leere gehen, denn wir können beweisen, daß auch für die Zukunft ein hervorragendes Ausbildungssystem weiterentwickelt werden soll.

Ich glaube, es geht aber auch darum, daß bei den Lehrberufen Qualität in den Lehrinhalten gegeben ist. Es geht darum, daß wir nicht Schmalspurlehren forcieren, sondern daß wir auf einer breiten Basis versuchen, auch den zukünftigen Anforderungen im dualen Berufsausbildungssystem Rechnung zu tragen. (Bundesrätin Mühlwerth: Davon merkt man nichts!)

Erlauben Sie mir noch eine letzte Bemerkung zu der Behauptung, wir tricksen bei der Arbeitsmarktstatistik. Ich weise diese Behauptung mit aller Entschiedenheit zurück! Alle Daten, die in der Arbeitsmarktstatistik bekanntgegeben werden, die wir auch dem Hohen Haus zur Verfügung stellen, sind nachvollziehbar, sind transparent, sind in einer logischen Kontinuität, und es zeigt sich, daß wir mit Offenheit arbeiten. (Bundesrat Dr. Tremmel: Der europäischen Praxis angeglichen!) – Wir haben uns der europäischen Praxis überhaupt nicht angeglichen, und zwar insofern, Herr Bundesrat, als wir hergehen und nicht nur die europäische Arbeitslosenrate ausweisen, sondern immer wieder, obwohl wir das nicht tun müßten, die nationalen Berechnungen parallel dazu führen und uns damit oft sogar der Kritik aussetzen, weil zwischen der nationalen und der europäischen Arbeitslosenrate aufgrund eines unterschiedlichen Ermittlungsverfahrens auch Unterschiede bestehen.

Aber ich bekenne mich dazu, denn es ist mir wichtig, jedem einzelnen Arbeitslosen die bestmögliche Unterstützung anbieten zu können, die wir nur ermöglichen können, und ihm damit die Chance zu geben, eine Integration in den Arbeitsmarkt vorzufinden. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mühlwerth: Sehr mager! Sehr mager!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Bundesrat Bösch! Sie haben gemeint, einige Wirtschaftsbereiche seien gut unterwegs. Ich darf Ihnen dazu sagen, daß wir in allen Bundesländern und in allen Wirtschaftsbereichen eine sinkende Arbeitslosenrate haben. Ich freue mich, daß wir eine gut wachsende, eine gesunde Wirtschaft haben, aber die politischen Rahmenbedingungen dazu sind nicht von selbst gekommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

10.42

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich darf eingangs doch ein paar Feststellungen treffen. Ich werde mich nicht in die Sicherheitsdebatte begeben, darf aber doch feststellen: So wie der Blick der Sozialdemokratie bezüglich der Entwicklung in der Sicherheitsfrage Europas getrübt ist, so trüb oder noch trüber ist der Blick der Freiheitlichen betreffend Maßnahmen, die die Regierung getroffen hat, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Allein schon, daß mein Vorredner, Kollege d'Aron, gemeint hat, Kollegin Kainz würde sich verabschieden – nein, sie hat nur ihre Funktion in Angriff genommen und übt sie noch aus –, zeigt schon, daß die Sehkraft nicht die beste ist. (Bundesrat Dr. d′Aron: Ist das Ihr größtes Problem?) Sie sitzt ja da. (Der Redner weist auf Bundesrätin Kainz, die als Schriftführerin am Präsidiumstisch sitzt.) Das haben Sie nicht einmal gesehen. Genausowenig sehen Sie auch die Maßnahmen der Regierung. An diesem Beispiel wollte ich das festmachen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. d′Aron: Ja, aber das sind anscheinend Ihre Probleme, Herr Schaufler!)

Eines ist schon klar – das hat auch die Frau Bundesministerin klar hervorgestrichen, und das ist auch im NAP verankert –: Die produktive Beschäftigung ist die Grundlage für sozialen Frieden und Sicherheit in Österreich und auch in Europa, und zwar für alle, für Selbständige und Unselbständige. Daß produktive Beschäftigung die Grundlage für Wohlstand ist, ist, so glaube ich,


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unbestritten. Daß produktive Beschäftigung auch die Grundlage für die persönliche Zufriedenheit der Menschen ist, ist, so glaube ich, ebenfalls klar und muß klar sein.

Erstes Ziel der Politik – dem dient auch dieser NAP – ist es, Maßnahmen und Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, damit sich Arbeitsplätze entwickeln können. (Beifall bei der ÖVP.) Die Politik selbst wird sie nicht erzeugen können. Daran wird gearbeitet. Der NAP ist eine Maßnahme, ist der Weg in die richtige Richtung.

Österreich ist nicht frei von Problemen, das wäre falsch gesehen, aber Österreich kann sich im Vergleich zur europäischen Staatengemeinschaft durchaus sehen lassen. Am Beispiel der Jugendarbeitslosigkeit, das heute schon angezogen wurde, ist es festzumachen. Die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich ist die geringste im Vergleich zu allen Unionsstaaten, und sie ist in den letzten Jahren Gott sei Dank auch noch ein bißchen gesunken. Es ist ungeheuer wichtig, die Jugend in Beschäftigung zu bringen, damit von der Straße und von allen Gefahren, die dort lauern, wegzubringen.

Das ist ungeheuer wichtig, und darüber sind wir uns eigentlich einig, aber ich führe jetzt eine Maßnahme an, die man sich überlegen sollte. Es ist bei älteren Arbeitnehmern, speziell bei den Männern, so, daß sie oft von der körperlichen Eignung her wegen Abnützung und gesundheitlicher Beschwerden ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Vor einigen Jahren wurde das Anfallsalter der geminderten Erwerbsfähigkeit bei der Pension zwischen Männern und Frauen auseinandergezogen, was eigentlich den verfassungsmäßig verankerten Gleichheitsgrundsätzen widerspricht.

Ich meine, wir sollten darüber nachdenken, um wieder zum 55. Lebensjahr zurückzukehren, weil wir dann auch eine Reihe von Arbeitsplätzen für die Jugend freimachen könnten und damit auch der Gleichheitsgrundsatz zwischen Männern und Frauen wiederhergestellt wäre. Das sollte man überlegen. Es ist eine kleine Maßnahme, aber aus kleinen Maßnahmen bildet sich oft das große Mosaik, das schön und gut aussieht.

Die Sorgen in der Entwicklung des österreichischen Arbeitsmarktes werden wir auch künftig haben, dem werden wir uns auch in Zukunft widmen müssen. Da wird diskutiert, wie sich denn die EU-Erweiterung in den Osten auswirken wird, möchte ich sagen: Wenn sie zu rasch käme und nur mit einem Zeitplan versehen wäre, dann wäre das der falsche Weg. Es gilt, Kriterien einzuführen, die für die soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung in diesen beitrittswilligen Ländern zu gelten haben, und dafür sind Parameter zu entwickeln. Wenn diese Fragen gelöst sind, dann gibt es ein Ja zu einer Erweiterung in den Osten.

Es gilt daneben aber auch, unsere Grenzregionen zu stärken. Mir ist unlängst eine Studie zugekommen, die zum Ausdruck bringt, daß das niederösterreichische Weinviertel im Vergleich zur Entwicklung im gesamten Bundesland Niederösterreich um etwa 16 Jahre zurück sei. Ich persönlich kann dem nicht ganz folgen, aber es ist zweifelsohne so, daß der Grenzraum durch die Abschottung in der vergangenen Jahrzehnten nach wie vor seine Schwierigkeiten hat und daß Maßnahmen gesetzt werden müssen, die einerseits durch die Europäische Union, aber auch national zu finanzieren sein werden, um diese Grenzregionen zu stärken und um dieser Ostöffnung in einer positiven Form de facto wirksam entgegenzutreten.

Wenn man Ostöffnung und Osterweiterung anspricht, sollte man dabei nicht vergessen, daß die Ostöffnung für ganz Österreich doch 60 000 Arbeitsplätze gesichert hat, die dazugewonnen wurden.

Der freiheitlichen Nationalratskorrespondenz entnehme ich die Behauptung, die Regierung hätte in der Sozialpolitik und in der Einkommenspolitik der Arbeitnehmer versagt. Der nächste Satz lautet dann, der ÖGB schlummere vor sich hin.

Wie, meine geschätzten Damen und Herren von den Freiheitlichen, erklären Sie sich dann eigentlich die Einkommenszuwächse von durchschnittlich mehr als 2 Prozent bei einer Inflationsrate des Vorjahres von 0,8 Prozent? Wie erklären Sie sich das bei einer laufenden Inflationsrate von 0,3 bis 0,4 Prozent? – Ich behaupte, Ihre Sehkraft ist getrübt (Beifall bei der ÖVP),


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denn die Arbeitnehmerinteressenvertretungen ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Das war ein Zitat aus einer Studie der Arbeiterkammer Steiermark, die genau das Gegenteil sagt!) – Sie haben es vielleicht falsch interpretiert. (Bundesrat Dr. Tremmel: Nein, nein!)

Die Lohnabschlüsse, die seitens des ÖGB getätigt wurden, liegen alle bei etwa 2 Prozent und darüber. Ich erlaube mir zu sagen: im Durchschnitt etwas über 2 Prozent. Das ist die Realität. Das ist ein Einkommenszuwachs von mehr als 1 Prozent, und das steht zu Buche.

Ich sage Ihnen, die Arbeitnehmerinteressenvertretungen – egal, ob ÖGB oder Kammern – werden auch in Zukunft eine zukunftsorientierte und verantwortungsvolle Sozial- und Einkommenspolitik betreiben, wie es auch am Beispiel der Steuerreform festzumachen ist, durch die die Arbeitnehmer ganz wesentlich entlastet werden.

Meinen Vorrednern von den Freiheitlichen möchte ich schon sagen, daß ich jedenfalls von den Maßnahmen der Regierungsparteien mehr halte als von den Wahlversprechen der Freiheitlichen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Das müssen Sie ja! Das müssen Sie ja! – Beifall bei der ÖVP.) Das mache ich am Kärntner Beispiel fest.

Sie möchten es nicht hören. Ich zitiere den "Kurier" vom 29. Mai 1999: "Das Wahlversprechen: Für jedes Kärntner Kind ab dem Jahr 2000 einen Kinderscheck von 5 700 S im Monat, bis zum 6. Lebensjahr. So warb Jörg Haider im Wahlkampf." (Bravorufe und Beifall bei den Freiheitlichen.) – Warten Sie, das Zitat geht noch weiter: "Mittlerweile ist die Zielgruppe auf vorerst 61 Kinder in Deutsch-Griffen geschrumpft – abzüglich sozialer Staffelung, nur 2 800 S fürs zweite Kind und so weiter."

Hören Sie bitte jetzt genau zu: "Jetzt stellt sich heraus, daß auch jener Scheck, den Haider am Mittwoch symbolisch für diese 61 Kinder in Deutsch-Griffen unterschrieben hat, ungedeckt sein könnte."

Das sind die Wahlversprechen der Freiheitlichen! (Bundesrat Ing. Scheuch: Keine Ahnung! Das werden wir sehen! Sie brauchen sich nicht zu fürchten, wir zahlen ihn schon! Auch Sie werden den Kinderbetreuungsscheck einführen!)

Sie haben einmal angekündigt, daß Wahlversprechen der Freiheitlichen einklagbar sein werden. Sie werden eine Welle von Klagen in Kärnten zu erwarten haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich wollte eigentlich schon schließen, aber Ihnen persönlich gebe ich noch eines mit: Erkundigen Sie sich einmal, wie Ihr Spitzenfunktionär – dort, wo er eigenständig und persönlich Verantwortung für Arbeitsplätze im Bärental getragen hat – mit seinen Oberförstern, mit seinen Beschäftigten umgegangen ist! Sie werden sich erkundigen und werden sehen, wie die Dinge liegen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

10.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

10.52

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich darf Kollegen Schaufler danken, daß er die Diskussion wieder dorthin gebracht hat, wo sie eigentlich hingehört. Ich muß doch einiges sagen, auch zu den Ausführungen von Kollegen Ledolter, weil ich überrascht gewesen bin, daß er zu jenen gehört, die die Schwarzarbeit, die ungesetzlich ist und faire Unternehmer gefährdet, unterstützen (Bundesrat Ledolter: Ganz im Gegenteil!), obwohl die Österreichische Volkspartei diesem Schwarzarbeitsverhinderungsgesetz im Ministerrat zugestimmt hat. (Bundesrat Ledolter: Nein, ganz im Gegenteil!)

Sie vergessen, lieber Herr Kollege Ledolter, daß Sie damit nicht nur Arbeitsplätze gefährden, sondern auch auf Milliarden Schilling an Steuereinnahmen und an Sozialversicherungsbeiträgen


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bewußt oder unbewußt verzichten und daß Sie damit die Schar der schwarzen Schafe, die Schwarzunternehmer, bewußt unterstützen. Ich glaube nicht, daß Sie das persönlich machen, Sie werden das wahrscheinlich machen müssen, genauso wie Sie hier berichten mußten, daß wir einen neuen Außenminister haben, Kollegen Maderthaner, der es sich gestern nicht nehmen ließ – ich kenne auch nicht seine Beweggründe –, Aussagen zur inneren und äußeren Sicherheit, zur Neutralität zu treffen. Er hat sich als gesetzlicher Interessenvertreter an die Gruppe der Arbeitgeber gewandt. Ich habe noch Verständnis dafür, daß hier der Druck von Parteiobmann und Außenminister Schüssel wirken kann, aber daß er auch versucht, die Arbeitnehmer miteinzubinden, das ist, so glaube ich, doch eine sehr deutliche Überschätzung seines Wirkungskreises.

Er hat in den letzten Wochen und Tagen überhaupt keine Bereitschaft gezeigt, beim Schwarzarbeitsgesetz oder bezüglich "Aktion Fairneß" gemeinsam zu einem Ergebnis zu kommen. Sie sind ein treuer Diener von ihm. Sagen Sie ihm, er ist gut beraten, wenn er bei seinem Leisten bleibt, wenn er sich so wie bisher in vorbildlicher Weise um Klein- und Mittelbetriebe kümmert. Innen- und Außenpolitik fallen sicherlich nicht in seine Kompetenz. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. )

Ich interpretiere das so, lieber Herr Kollege Ledolter, daß der Herr Vizekanzler und Außenminister Schüssel und wahrscheinlich auch der Heeresminister Fasslabend im Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen in persönliche Schwierigkeiten gekommen sind (Bundesrat Ledolter: Das weise ich zurück! Maderthaner kümmert sich wenigstens darum!) und wahrscheinlich auch die Prognosen, welche heute hier schon angesprochen worden sind, nicht dem entsprechen, was Sie sich vorstellen. (Bundesrat Dr. Böhm: Szenen einer Ehe! – Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß sich die Sozialdemokratie auch nach den Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni und auch nach den Wahlen zum Nationalrat am 3. Oktober zur Neutralität bekennen wird und gerne bereit ist, wenn es UNO, OECD oder andere friedenserhaltende oder -stiftende Einrichtungen verlangen, unsere hochqualifizierten und gutausgebildeten Soldaten zur Verfügung zu stellen. (Bundesrat Ledolter: Man sieht es an Ihrer Einstellung zum Bundesheer!)

Nun komme ich zum eigentlichen Thema. Es ist für mich sehr erfreulich, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß wir heute über einen nationalen Beschäftigungspakt und über einen europäischen Beschäftigungspakt diskutieren können, denn bis vor zwei Jahren war das nämlich ein Thema, das von den Konservativen in Europa und auch in Österreich bewußt verdrängt wurde (Bundesrat Konecny: Sehr richtig! – ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), obwohl es schon 20 Millionen Arbeitslose in Europa gegeben hat. Ich behaupte hier selbstbewußt: Daß es einen europäischen Beschäftigungsplan und einen nationalen Beschäftigungsplan gibt, ist ausschließlich das Verdienst einer hartnäckigen und konsequenten Gewerkschaftspolitik auf nationaler und auf europäischer Ebene (Beifall bei der SPÖ) – sicherlich in Zusammenarbeit mit führenden sozialdemokratischen Verantwortungsträgern in Europa.

Es war nicht einfach, bewußt zu machen, daß der Beschäftigung zumindest in Ansätzen die gleiche Bedeutung beigemessen werden muß wie der Währungsunion oder dem Euro. Ich glaube, daß auch unter der österreichischen Präsidentschaft auf diesem Gebiet einiges geschehen ist; das ist den bereits vorliegenden europäischen Beschäftigungsberichten zu entnehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Seit dem Jahre 1998 ist die Zahl der Beschäftigung europaweit um 1,7 Millionen gestiegen, und die Arbeitslosenrate ist seit dem Jahre 1992 europaweit unter 10 Prozent gesunken. Die Entwicklung des österreichischen Arbeitsmarktes im April ist schon vermittelt worden, ich darf aber ergänzend anmerken, daß auch die Entwicklung des Arbeitsmarktes im Mai sehr positiv gewesen ist. Die Arbeitslosenrate ist wieder um 18 000 Personen gesunken, und erstmalig ist auch die Langzeitarbeitslosigkeit – wenn auch nicht genügend für uns, aber immerhin – von 7,4 auf 6,6 Prozent gesunken. Ich glaube, daß wir schon von ersten Anzeichen einer nachhaltigen Besserung oder Trendwende auf dem Arbeitsmarkt in Österreich reden können.


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Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es werden aber weiterhin, um diese positive Entwicklung weiter forcieren zu können, geeignete offensive Maßnahmen notwendig sein, vor allem im Bereich der Vermittelbarkeit, der Qualifikation der Arbeitnehmer. Es geht aber nicht nur um die Verbesserung der Qualifikation der Arbeitslosen, sondern es ist auch die Qualifikation jener, die eine Beschäftigung haben, laufend zu verbessern, und sie ist vor allem den Bedürfnissen der Wirtschaft und der Betriebe anzupassen.

Es muß aber auch dafür gesorgt werden, daß neben den Arbeitnehmern auch die Betriebe eine erhöhte und sensiblere Anpassungsfähigkeit an die geänderten wirtschaftlichen Bedingungen zeitgerecht und laufend beweisen. Nur dann wird es gemeinsam möglich sein, die Rahmenbedingungen, die die Politik in Österreich der Wirtschaft vorgibt, in vollem Umfang zu nutzen. Hier müssen beide wichtigen Faktoren, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, an einem Strick ziehen. Außerdem ist auch die Infrastruktur wesentlich zu verbessern.

Die Frau Landeshauptmann Klasnic aus der Steiermark ist eine Betroffene. Mit ihr betroffen sind die Arbeitnehmer und die Wirtschaft in der Steiermark, aufgrund eines durch nichts zu begründenden Verhalten im Zusammenhang mit dem Bau des Tunnels durch den Semmering, einer wichtigen Verkehrsverbindung. Davon ist nicht nur die Steiermark betroffen, sondern auch Kärnten. Aber es ist für ganz Österreich wichtig, die Südstrecke zu verbessern, weil sie für uns den nähesten Zugang zum Meer, zu den Häfen in Italien und anderen Ländern darstellt.

Ich möchte noch einige Anmerkungen zur Lehrlingsausbildung machen, weil sie bei einigen Diskussionsrednern einen wesentlichen Platz eingenommen hat. Ich glaube, daß es der Politik gelungen ist, die Rahmenbedingungen für die Lehrlingsausbildung in den letzten beiden Jahren doch sehr wesentlich zu verbessern. Auch im Zusammenhang – es ist immer der Zwischenruf gekommen – mit der Steuerreform ist in diesem Bereich einiges geschehen.

Frau Bundesministerin! Sie haben gemeinsam mit dem Herrn Finanzminister die Regelung für Betriebe, die hochqualifizierte junge Frauen und Männer ausbilden, geschaffen, daß ihnen insgesamt, wenn die Lehrlinge einen positiven Abschluß erreichen, an die 60 000 S an Freibeträgen zur Verfügung stehen. Ich hoffe, daß sie in Anspruch genommen werden.

Es wurde hier auch verlangt, die Behaltemöglichkeit zu lockern. Ich kann an Ihre Adresse nur folgendes sagen, geschätzter Herr Kollege Ledolter: Sie sollten sich das ansehen, Sie wissen es vielleicht ohnedies, daß über 20 Prozent der jetzt schon bestehenden Lehrverhältnisse in Österreich auf freiwilliger Basis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelöst werden. Das ist ein sehr beträchtlicher Anteil.

Neben diesen Maßnahmen sind in den letzten Jahren folgende Erleichterungen im Zusammenhang mit der Lehrlingsausbildung verwirklicht worden: In den ersten beiden Lehrjahren entfällt die Krankenversicherung. Für Lehrlinge müssen keine Dienstgeberbeiträge mehr geleistet werden. Die Altersgrenze im Jugendschutz wurde von 19 auf 18 Jahre gesenkt. Im Handel gilt für Lehrlinge am Samstag eine Arbeitszeit bis 17 Uhr, Fenstertage können eingearbeitet werden, die Wochenendruhe wurde praxisnah geregelt. – All das sind Forderungen, die die Vertreter der Wirtschaft immer wieder gestellt haben.

Es werden laufend neue Lehrberufe zugelassen. Wir werden uns aber sicherlich gegen Lehrberufe wie Trafikantenlehrling oder Blumengießerlehrling mit aller Vehemenz wehren, weil wir davon überzeugt sind, daß wir unsere jungen Menschen im dualen Ausbildungssystem, aber auch im schulischen Ausbildungssystem in ihrer Qualifikation den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft anpassen müssen.

Trotz all dieser Unterstützungs- und Förderungsmaßnahmen war es der freien Wirtschaft im letzten Jahr nicht möglich, mehr Lehrlinge einzustellen. (Bundesrätin Giesinger: Doch, das war möglich!) Die höhere Zahl an Lehrlingen, die es gibt, liebe Kollegin aus Vorarlberg, ist ausschließlich auf die zusätzliche Einstellung von jungen Burschen und Mädchen im öffentlichen Bereich zurückzuführen. Vielleicht schaut das regional in Vorarlberg anders aus. Ich muß anerkennen, Vorarlberg hat eine mustergültige duale Ausbildung. Das muß ich anerkennen. (Zwischenrufe.) Man darf aber nicht verschweigen, daß es auch da eine Vielzahl von schwarzen


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Schafen gibt. Dazu gehören Sie sicherlich nicht. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger. )

Wir Sozialdemokraten nehmen diesen Bericht, sehr geehrte Frau Bundesministerin, gerne zur Kenntnis, weil er ein richtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Wir müssen aber sicherlich noch in einigen Bereichen umsichtiger vorgehen, vor allem bei den älteren Arbeitnehmern. Hier haben wir sicherlich noch nicht die Ansätze gefunden, die wir brauchen würden und die sich die älteren Kolleginnen und Kollegen auch verdienen würden. Aber auch da gibt es die Möglichkeit, noch einen politischen Konsens zu finden, bevor sich das Hohe Haus in die wohlverdienten Ferien verabschiedet. Es gibt nämlich eine Diskussion darüber, eine Unterstützung und Förderung der älteren Arbeitnehmer zu ermöglichen, damit auch sie bis zu ihrem Pensionsantritt in Beschäftigung bleiben können.

Ich glaube, das sollte ein gemeinsames Ziel sein, weit über die Parteigrenzen hinaus, und das müßte uns eigentlich einen, denn jene Kolleginnen und Kollegen, die jahrzehntelang für diese Gemeinschaft, für diese Wirtschaft Positives geleistet haben, haben nur einen Wunsch, nämlich nicht Sozialhilfe- oder Arbeitslosengeldempfänger zu sein. In diesem Sinne nehmen wir diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis, Frau Bundesministerin! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung zur Abgabe einer Erklärung der Frau Landeshauptmann zum Thema "Grenzlandförderung". Ich darf Frau Landeshauptmann Klasnic um ihre Erklärung bitten. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Erklärung der Frau Landeshauptmann von Steiermark Waltraud Klasnic zum Thema "Grenzlandförderung"

11.08

Landeshauptmann von Steiermark Waltraud Klasnic: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vorausschicken, daß ich in der gegenwärtigen bundesstaatlichen Struktur Österreichs den Bundesrat als ein wichtiges und unverzichtbares Element betrachte, um die Anliegen der Länder, des Föderalismus auch artikulieren zu können. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Ich habe mir vorhin überlegt, was sich seit der Zeit, als ich selbst noch hier gesessen bin, verändert hat. Ich war inzwischen als Landeshauptmann schon einmal hier. Ich gebe heute hier meine zweite Erklärung ab. Seit dem Jahr 1997 hat sich die Föderalismusdiskussion in Österreich sehr verstärkt, und trotzdem ist einiges in diesem Bereich noch nicht geschafft. Heute ist es das erste Mal, daß ich Blumen in diesem Raum sehe – damit Sie merken, daß ich Veränderungen registriere. (Bundesrat Bieringer: Die haben wir aber nur aufgestellt, weil du kommst! – Heiterkeit.)  – Das glaube ich nicht. Ich glaube, daß sich der Bundesrat auch selbst gerne eine Freude macht und auch gerne Schönes sieht. Der Raum ist sehr schön, er gehört auch dekoriert.

Ich habe mich zu einer Abgabe einer Erklärung gemeldet, weil ich gerne mit Ihnen ein wenig über Fragen der Grenzlandförderung im Zusammenhang mit der Europäischen Union und Österreich diskutieren möchte. Ich darf einleitend darauf hinweisen, daß ich glaube, daß gerade der europäische Einigungsprozeß eine Stärkung der Länder, der Gemeinden und Regionen verlangt, damit dieses Europa bürgernah empfunden werden kann. Die Stärkung des Föderalismus ist ein gemeinsames Uranliegen der österreichischen Bundesländer, und darum stehe ich jetzt auch vor dieser Kammer.

In dieser Hinsicht gibt es viele Diskussionsvorschläge, auch immer wieder aus der Steiermark, was eigentlich der Anlaß dafür sein sollte, eine konstruktive Debatte, einen Dialog zu führen.


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Das Ziel ist klar: eine Stärkung des Föderalismus, seiner Instrumente und der Institutionen. Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union haben wir uns dazu bekannt, vollwertiges Mitglied einer Gemeinschaft zu werden, die sich eine Integration aller Länder unseres Kontinents zur Aufgabe gemacht hat. Bei dieser Entscheidung, die in Österreich erfreulicherweise gerade durch die österreichischen Bürgerinnen und Bürger so eindeutig gefällt wurde, haben wir alle – damit meine ich alle öffentlichen Vertretungskörper dieses Landes – die Aufgabe übernommen, in und mit dieser Europäischen Gemeinschaft zu arbeiten.

Wir alle haben zum Wohle und in der Verantwortung gegenüber den Menschen in unserem Land den Auftrag übernommen, uns in diese Union einzubringen. Wir haben aber auch die Pflicht übernommen, den europäischen Partnern unser österreichisches Problemlösungsverständnis zu vermitteln und gemeinsam in diesem Europa Akzente zu setzen.

Mit der politischen Entscheidung des Rates von Kopenhagen im Jahre 1993, den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder in die Union vorzubereiten, hat sich die Europäische Gemeinschaft am Ende des zweiten Jahrtausends ihr quantitativ und qualitativ größtes Projekt seit ihrer Entstehung vorgenommen. Gleichzeitig wurden auf diesem Gipfel in Dänemark auch die Kriterien festgelegt, deren Erfüllung Voraussetzung für einen Beitritt dieser Länder ist. Politisch und wirtschaftlich müssen die Beitrittskandidaten in der Lage sein, dem wirtschaftlichen und sozialen Druck einer Mitgliedschaft in der Union standzuhalten.

Bis das erreicht werden kann, wird noch vieles erarbeitet werden müssen. Gleichzeitig muß sich aber auch die Europäische Union bewußt sein, daß eine Reform und die Vorbereitung in ihren eigenen Reihen zeitgerecht erfolgen muß. Denn eines ist sicher: Eine funktionierende Union mit 20 oder 25 Mitgliedern bedarf der Anstrengung und Solidarität jedes einzelnen Mitgliedes. Der Gedanke des Ausgleiches unterschiedlicher, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen ist eine der Grundfesten der Europäischen Gemeinschaft.

Daher sehe ich es als Aufgabe aller Mitgliedstaaten an, die Erweiterung und ihre Folgewirkungen für die davon betroffenen Regionen in den angrenzenden Mitliedstaaten solidarisch mitzutragen. Diese Forderung habe ich durch die Einladung aller Regionen an der EU-Außengrenze zur ersten Ostregionenkonferenz in Graz im Jänner 1998 manifestiert. Dort waren Nationen von Finnland bis Italien vertreten.

Bei dieser Tagung und während der Folgekonferenz im Juli 1998 in Hof in Bayern haben 16 Regionen aus vier Mitgliedstaaten einen Aufgabenkatalog erarbeitet, der meiner Meinung nach notwendig ist, um die Abfederung von nachteiligen Folgen einer Erweiterung zu gewährleisten. Entstanden ist ein integriertes Paket an Maßnahmen, das konzentriert in den am meisten betroffenen Regionen umgesetzt werden soll. In der Öffentlichkeit hat sich dafür das Wort "Grenzlandförderung" durchgesetzt.

Obwohl sie anfangs nur belächelt und zum Teil heftig kritisiert wurde, gibt es seit dem Rat von Berlin im März dieses Jahres den Beweis: Diese Initiative, knapp 5 Milliarden Schilling Sonderdotation für die Gemeinschaftsinitiativen in Österreich, war richtig. Dies ist der Beweis dafür, daß es möglich sein muß und kann, die Gestaltungskraft eines kleinen Mitgliedslandes wie Österreich, aber auch einer Region wie der Steiermark, europaweit durchzusetzen.

Europäisches Lobbying auf vielen Ebenen, in mehreren Institutionen – wie dem Ausschuß der Regionen, der Europäischen Kommission –, aber auch unsere österreichischen Vertreter im Europäischen Parlament haben dabei mitgeholfen. Ausdauer, Konsequenz und Beharrlichkeit haben uns zum Erfolg gebracht, der uns jetzt neues Selbstbewußtsein und Kraft für die weitere Arbeit gibt. Die Vorgaben sind im allgemeinen schon bekannt.

Wir haben uns auch bemüht, genaue Analysen der Auswirkungen auf unser Land in bezug auf eine kommende Erweiterung zu erstellen und haben eine eigene Studie über die Betroffenheit der Steiermark in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist eine konzentrierte Zusammenschau von offensiven und defensiven Maßnahmen, die den Wirtschaftsstandort Steiermark und damit auch Österreichs stärken und für eine Erweiterung fit machen.


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Welch große Bedeutung das Thema Grenzlandförderung für Österreich hat, zeigen folgende Zahlen. In fünf österreichischen Bundesländern, nämlich in Oberösterreich, Niederösterreich, dem Burgenland, der Steiermark und in Kärnten, sind 26 Bezirke unmittelbare Grenzregionen. In einer etwa 50 Kilometer breiten Grenzregion leben rund 50 Prozent der Bevölkerung der Bundesländer mit Außengrenzen zu mittel- und osteuropäischen Ländern. Jeder Zweite in diesen Bundesländern hat also seine Heimat in einer Grenzregion.

Österreich hat über 1 259 Kilometer Außengrenze zu Erweiterungskandidaten. Damit verlaufen 46,5 Prozent unserer Grenzen als Außengrenze zu vier Beitrittskandidaten, nämlich zu Slowenien, Ungarn, zur Slowakei und zu Tschechien. Notwendig ist ein aktiver Ansatz, der einen Netzwerkaufbau über die bestehenden Grenzen hinaus bewirkt und hilft, diese Grenzen zu überwinden und durchlässig zu machen. Dafür sind vorrangig grenzüberschreitende Initiativen und Infrastrukturmaßnahmen geeignet.

Unsere Vision lautet: Zukunftsregion Süd-Ost. Es sind einige Bundesländer damit angesprochen. Wir stehen am Anfang des dritten Jahrtausends vor der einmaligen Chance, als Brücke in den Südosten eine wichtige Funktion im vereinten Europa zu übernehmen. Schon jetzt sollten die Weichen für eine strategische Vernetzung des österreichischen Wirtschaftsraumes mit dem Südosten Europas – sprich: Slowenien, Kroatien, Westungarn und Nordostitalien – gelegt werden.

Ich war am Montag abend in Ungarn. Die Steiermark hat schon vor über 20 Jahren begonnen, in der "ARGE Alpe Adria" zu arbeiten, und diese Zusammenarbeit hat sich bewährt; insbesondere die Zusammenarbeit jener Regionen, die sich der Vision gestellt haben, gemeinsam etwas verändern zu wollen.

Unsere geopolitische Lage ist ein Auftrag. 1978, als die "Arbeitsgemeinschaft Alpe Adria" gegründet wurde, der einige österreichische Bundesländer angehören, war es noch so, daß es darin die verschiedensten politischen Systeme gegeben hat: von neutral bis blockfrei, von NATO bis Warschauer Pakt, von EU bis COMECON. Trotzdem haben all diese Länder schon lange fruchtbar zusammengearbeitet, bevor dann 1989 die große Wende kam. Wir konnten daher viele Entwicklungen für das Zusammenwachsen West-, Mittel- und Osteuropas und für die Heimkehr unserer Nachbarn nach Europa vorbereiten und viele pionierhafte Schritte setzen, gerade auch im Rahmen der "Arbeitsgemeinschaft Alpe Adria".

Einige Visionen daraus:

Erstens: die Erweiterung. – Die Anbindung und die Einbindung der mittel- und osteuropäischen Länder bringt dauerhafte Sicherheit und Stabilität.

Zweitens: die Zukunftspartnerschaft. – Durch gleichberechtigtes und gleichverpflichtendes Zusammenwachsen von Kulturen entstehen neue Unternehmensphilosophien.

Drittens: Arbeit schaffen. – Standortvorteile nützen der Region und ermöglichen eine sinnvolle Arbeitsteilung.

Viertens: Bildung, Forschung und Kommunikation. – Die mentale Vernetzung ermöglicht vielfältige, gesellschaftliche und wirtschaftliche Kooperationen.

Fünftens: Verkehr. – Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur unter Berücksichtigung aller Verkehrsmittel schafft gleichwertige Chancen für alle Regionen.

In diesem Zusammenhang möchte ich aus aktuellem Anlaß zur sogenannten Tunnelsicherheit etwas sagen:

Angesichts des Ausmaßes der tragischen Katastrophe der letzten Tage gibt es Stellungnahmen aus allen Bundesländern, die verständlich sind und die auch für jedes Bundesland ihre Berechtigung haben. Ich darf für die Steiermark folgendes sagen: Wir sind bekanntlich jenes Bundes


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land, das die meisten einröhrigen Autobahntunnels hat, das aber gleichzeitig 1,5 Milliarden Schilling für die reine Bundesaufgabe Autobahnbau zur Verfügung gestellt hat.

Wir haben dies getan, weil wir wissen, daß gut ausgebaute Verkehrsverbindungen Lebensadern unserer Wirtschaft sind. Österreich – und natürlich auch ganz besonders unser Standort Steiermark – braucht einfach die bestmöglichen Anbindungen an die europäischen Wirtschaftsräume. Es geht dabei um integrierte und koordinierte Vorgangsweisen zwischen Straße und Schiene.

Seit vielen Jahren verlangt die Steiermark den raschestmöglichen Ausbau der zweiten Tunnelröhren, vor allem auch aufgrund der steigenden Verkehrsfrequenz. In diesem Sinne habe ich mich gestern auch an den Herrn Bundeskanzler, den Herrn Vizekanzler und an den ressortzuständigen Minister der Bundesregierung gewandt und darf Ihnen aus meinem Schreiben wörtlich wie folgt zitieren:

Die tragische Katastrophe im Tauerntunnel fordert alle Stellen zu neuen zusätzlichen und verstärkten Anstrengungen für die optimale Tunnelsicherheit heraus. Der raschestmögliche Ausbau der zweiten Tunnelröhren, insbesondere der Autobahnen muß dabei oberste Priorität haben. Diesen haben wir seitens des Landes seit Jahren, vor allem auch aufgrund der steigenden Verkehrsfrequenz, vor allem für Plabutsch, Pack, Gleinalm, Bosruck und Selzthal mit Entschiedenheit gefordert.

Selzthal ist im Bau, Plabutsch ist vergabereif. Gerade unter dem Eindruck der letzten Tage fordere ich für die Steiermark die sofortige Bauvergabe für den Plabutsch und die Beschleunigung der Planungs- und Bauvorbereitungen für Pack, Gleinalm und Bosruck. – Mit einer Selbstverständlichkeit verlangen das die Kollegen Landeshauptmänner auch in ihren Ländern. – Ich zitiere weiter aus meinem Brief:

Als Landeshauptmann der Steiermark ersuche ich, dafür Sorge zu tragen, daß die Bundesregierung diesem berechtigten und dringlichen Anliegen entspricht und die erforderlichen Maßnahmen setzt, mit dem Wissen, daß bis zur Fertigstellung leider ohnehin noch Jahre vergehen. Aus diesem Grund ist zur und für die Sicherheit alles an Einsatz notwendig. Besonders wichtig erscheint es mir auch, daß der Ausbau der Schienen- und Straßenverkehrswege koordiniert vor sich geht und eine Verlagerung des Güterverkehrs, vor allem auch gefährlicher Güter, von der Straße auf die Schiene erfolgen kann. – Soweit mein Brief.

Was wir seitens des Landes tun können, das tun wir auch. Schon nach der Katastrophe im Montblanc-Tunnel habe ich die Sicherheitsstandards der steirischen Tunnels prüfen lassen und eine neuerliche Überprüfung unmittelbar nach Bekanntwerden des furchtbaren Unfalls im Tauerntunnel am Samstag, dem 29. Mai, um 9.30 Uhr gegenüber den zuständigen Beamten des Landes angeordnet.

Alles für die Sicherheit zu tun, Sicherheit zu geben, das muß für die Politik Priorität haben! Diese Aussagen habe ich am Wochenende auch von Verantwortlichen gehört, und das ist einer der Schwerpunkte, für die wir uns verantwortlich fühlen sollen.

Zu den heutigen Berichten in den Medien sage ich auch ein klares Wort: Ich verlange – gerade auch heute und hier – die sofortige Vergabeentscheidung für die zweite Plabutsch-Tunnelröhre. Der Versuch, die Bauvergabe mit dem Road-pricing für LKW zu verquicken, ist sachlich völlig unbegründet und ungerechtfertigt! Es besteht kein sachlicher Zusammenhang! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die zweite Plabutsch-Tunnelröhre wurde bereits vor längerem ausgeschrieben – die Baufirma weiß Bescheid – und ist seit 23. Mai vergabereif. Wir brauchen die Vergabeentscheidungen jetzt und unabhängig von der Road-pricing-Diskussion! Das gilt für alle betroffenen Länder! Ich möchte in diesem Falle nicht nur für die Steiermark sprechen. Dort, wo Vergaben möglich sind, haben sie auch stattzufinden.


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Ich sage aber grundsätzlich zum Road-pricing für LKW: Es soll kommen, es wird kommen, aber unter Bedachtnahme auf die Wettbewerbs- und Standortsituation. Dazu ein Beispiel: Ich habe heute mit einem Zuständigen darüber gesprochen, warum sich die einen oder anderen so lautstark zu Wort melden. Ein Wunsch, eine Bitte dabei ist, eine Kompatibilität mit den deutschen Stationen herzustellen und gemeinsam vorzugehen, weil Österreich zu klein ist, um unterschiedliche Systeme zu machen. Ich sage nur für die Steiermark: Ich bin nicht bereit, laufend Benachteiligungen für unser Bundesland hinzunehmen.

All das sind Vorhaben, die weiterhin viel Ausdauer, Konsequenz und Geduld erfordern und für die wir weiter die Unterstützung aller Mitgliedsländer in der Europäischen Gemeinschaft und die Mithilfe des Bundes, aber auch die Verantwortung des Bundes einfordern werden. Genau diese Dinge sind es aber auch, die uns Respekt und Anerkennung verschaffen und die unseren Bewohnern – nur ihnen fühle ich mich verantwortlich – die Sicherheit einer lebenswerten Zukunft geben.

Die Menschen in unserem Land verspüren Sorgen und Ängste angesichts einer allzu frühen und unvorbereiteten Erweiterung. Dem müssen wir entgegentreten und Antworten geben. Wir müssen ihnen Lösungen anbieten sowie Chancen erarbeiten und aufzeigen.

Daß erweitert wird, wurde 1993 entschieden. Das Wann müssen wir uns genauer anschauen und den geeigneten Zeitpunkt notfalls auch abwarten. Entscheidend ist aber das Wie, und genau bei diesem Punkt ist es auch wichtig, weiter mitzuarbeiten und mitzugestalten, denn ohne Übergangsfristen in den bekannt sensiblen Bereichen Landwirtschaft und Migration wird es nicht gehen. Ohne Vorkehrungen bei den neuralgischen Themen wie Betriebsverlagerungen und Infrastrukturaufbau werden wir keinem Beitritt zustimmen können. Für mich ist nicht das Tempo der Erweiterung entscheidend, sondern die Qualität: der Grad der Erfüllung der Beitrittskriterien auf der einen Seite und Maßnahmen zur Vorbereitung und Abfederung auf der anderen Seite. Zustimmung kann es nur für eine ordentliche Arbeit geben.

Österreich – das sind seine neun Bundesländer – hat die Chance, eine historische Leistung für seine Bewohner und die Menschen in Europa, für den ganzen Kontinent zu erbringen, ihnen Sicherheit und die Aussicht auf eine lebens- und erstrebenswerte Zukunft zu geben. In der Geographie Europas ist Österreich nach vielen Jahrzehnten vom Grenzland zum Brückenland geworden. Wir sind auch zum Zentrum vieler Hoffnungen gerade für jene Länder geworden, die in den Beitrittsverhandlungen mit der Union unterwegs sind und auch für den Beitritt eingetreten sind.

Ich hoffe, daß es uns gelingen wird, die richtigen Schritte zu setzen und den Westen und den Osten unseres Kontinents einander näherzubringen. Wie hat der Papst gesagt? – Jene beiden Lungen, ohne die Europa nicht atmen kann!

Trauen wir uns in Österreich zu, das Herz Europas zu sein! Wir wissen, es ist nicht das größte Organ, aber es ist das stärkste. Wir müssen weiterhin die Hilfe und Solidarität aller Mitglieder der Europäischen Union einfordern. Es kann nicht sein, daß die Hauptlast der möglichen Nachteile von den angrenzenden Regionen allein getragen wird. Diese Regionen – da spreche ich für die Bezirke an der Grenze, die jahrzehntelang im Schatten des Eisernen Vorhangs gelebt haben – dürfen nicht die Leidtragenden einer Erweiterung werden. Regionen, die die Struktur und Erneuerung unter größtem Krafteinsatz vorantreiben, dürfen nicht allein gelassen werden. Dagegen müssen wir uns wehren, sollte so etwas geplant sein.

Ich habe meine Position als Berichterstatterin im Ausschuß der Regionen zur EU-Erweiterung benutzt. Ich habe die Initiative ergriffen und die Ostregionenkonferenz initiiert. Ich arbeite gerade an einer weiteren Berichterstattung zum Thema "Mißbräuchliche Verwendung von Strukturfondsmitteln".

Die Europäische Union wird zu ihrem Versprechen der Subsidiaritätskultur stehen müssen. Gelebte Subsidiarität und Föderalismus sind kein vereinfachender Weg. Er bedeutet, daß Gebietskörperschaften ihre Möglichkeiten stärker ausschöpfen, nicht nur von Rechten, sondern auch von Pflichten sprechen und unangenehme Entscheidungen auch selbst treffen.


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Wir sind bereit, dies zu tun. Wir sind bereit, Verantwortung für die Menschen in unserem Land zu übernehmen, denn ein Europa der Bürger kann kein anonymes Zentralgebilde sein, sondern lebt als Europa der Regionen mit kultureller Vielfalt und Identität, Skepsis, Sorgen und Ängsten. Diese erleben wir gerade in bezug auf das Zukunftprojekt Erweiterung, und wir müssen helfen, sie abzubauen.

Diese Ängste werden nur durch ein bürgernah empfundenes Europa, das den Worten Taten folgen läßt, abgebaut werden können. Dieses Europa kann nur – ich wiederhole es noch einmal – ein Europa der Länder, der Regionen und auch der Gemeinden sein. Wir werden daran arbeiten, und wir freuen uns auf die Mithilfe aller unserer Partner in der Europäischen Gemeinschaft.

Gemeinsam kann es uns gelingen, die Erweiterung von einem Zukunftsprojekt zu einem Erfolgsprojekt für unser Österreich zu machen. Jeder ist aufgerufen: Jene, die in einem Mandat Verantwortung tragen, aber auch jede Staatsbürgerin und jeder Staatsbürger ist dazu eingeladen, mitzuhelfen und Europa mitzugestalten. Die Politik ist auf allen Ebenen gefordert, ihre Verantwortung wahrzunehmen. So sollen und wollen wir gemeinsam am Projekt Europa mitgestalten und das Beste für Österreich, unsere Bundesländer und die Menschen erreichen.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion und habe eigentlich das Gefühl, daß es eine besonders gute Einrichtung ist, daß sich in fixen Abständen auch Landeshauptleute hier zu Wort melden können. – Danke. (Lebhafter allgemeiner Beifall.)

11.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Landeshauptmann! Ich danke ganz herzlich für Ihre Ausführungen.

Da die Durchführung einer Debatte im Anschluß an die Erklärung der Frau Landeshauptmann verlangt wurde, gehen wir nun in diese Debatte ein.

Als erster zu Wort gemeldet hat Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

11.30

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Frau Landeshauptmann Klasnic! Meine Damen und Herren! Nicht deshalb, weil es vordergründig notwendig ist, zu danken und zu loben, beginne ich damit. Es ist eine gute Tradition, daß Landeshauptleute – das ist auch ein Punkt der von uns geplanten Bundesratsreform – hier vor dem Bundesrat erscheinen. Bei unserer Zukunftsvision der Politik hätten wir gerne, daß die Landeshauptleute mit den Bundesräten permanent diesen Bundesrat bilden, um diese Kardanwelle von den Bundesländern zum Bund hin zu verstärken, um der Bevölkerung tatsächlich ein Mitwirkungsrecht zu geben.

Ich danke auch deswegen, weil die Steiermark eines der ersten Bundesländer war, die beim sogenannten Föderalismuspaket aktiv mitgewirkt hat. In Tirol besteht bereits das Rederecht der Bundesräte vor dem Landtag, bei uns in der Steiermark gibt es dieses auch schon seit zweieinhalb Jahren. Dafür danke ich auch Ihrem Vorgänger, weil das in einer Form stattgefunden hat, hinsichtlich der andere Bundesländer noch gewissen Nachholbedarf haben.

Genug des Lobes; ich darf mich jetzt auf die einzelnen ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Polleruhs.  – Bundesrat Prähauser: Wie oft hast du schon gesprochen im steirischen Landtag?)  – Ich habe schon ein paarmal geredet. (Bundesrat Prähauser: Wie oft?) – Vier-, fünfmal. (Zwischenruf des Bundesrates Meier. ) Da sind wir dann tätig.

Jetzt zum Rederecht der Mitglieder des Bundesrates im Steiermärkischen Landtag. Ich bin sehr froh, daß es dieses gibt, es ist in § 14 der Geschäftsordnung verankert; das ist ganz eindeutig hier herauszulesen. Was mir schon weniger gut gefällt, ist, daß es sich die Präsidiale vorbehält, dieses Rederecht de facto sehr zurückhaltend ausüben zu lassen. Die Tagesordnungspunkte werden in der Sitzung der Klubobmänner und in der Präsidiale festgelegt, und es wird festgelegt, wann die Bundesräte reden dürfen. Man hält sie an den Zügeln – wie würde ich sagen? – eines


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relativ charmanten, aber doch Absolutismus. Wir können also nicht selbst zu Themen, von denen wir glauben, daß sie von Wichtigkeit für den Föderalismus sind, das Wort ergreifen, sondern der Ablauf wird uns vorgegeben. – Das ist der erste Punkt, Frau Landeshauptmann!

Die Verantwortlichkeit der einzelnen Bundesräte kann doch so weit gehen, daß eigentlich zu jedem Thema – das kann sich schon bei den kleinsten Dingen ergeben – einem Einwurf seitens des Bundes Rechnung getragen wird, daß also diese "Kardanwelle Bundesräte" entsprechend tätig sein und auch einiges einbringen könnte. Wir brauchen eigentlich keinen Aufpasser, man sollte so vorgehen, wie es die Verfassung ursprünglich vorgesehen hat.

Da ich schon im Demokratiebereich tätig bin, möchte ich noch etwas anderes zur Arbeit der Bundesräte sagen. Ich möchte nicht nur reden und mich reden hören, ich möchte auch eine Berichtspflicht wahrnehmen, und zwar daß wir, alle steirischen Bundesräte, quartalsmäßig aufgefordert werden, über die Maßnahmen zu berichten, die wir im Interesse unseres Bundeslandes gesetzt haben. Wenn wir das vor dem Landtag tun könnten, wäre das durchaus eine Möglichkeit, die man schaffen sollte.

Darüber hinaus hat die Steiermark von sich aus – auch Sie, Frau Landeshauptmann; Kollege Polleruhs, ich komme noch einmal zum Loben (Bundesrat Payer: Das ist ein bißchen viel heute!)  – auch einiges im Bereich des gelebten Föderalismus getan. Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Bezirksgerichte. Das heißt nicht, daß wir jetzt aus Patriotismus sagen: Nein, bei uns dürfen keine Bezirksgerichte aufgelöst werden. Die Landesregierung hat aufgrund des einschlägigen Verfassungsgesetzes durchaus die Möglichkeit, da ein Veto einzulegen. Die Meinung der Bundesräte diesbezüglich ist, daß man die Bezirksgerichte im Sinne Klecatskys aufwerten sollte, indem man Eingangsgerichte einführt, durch die dem Bürger mehr Rechte zugeordnet werden. Das Recht soll näher zum Bürger kommen. Das wäre eine Möglichkeit, und dieser erste Schritt ist bereits gesetzt worden.

Herr Bundesminister Michalek hat im Rahmen einer Fragestunde auf eine diesbezügliche Frage von mir unter anderem geantwortet, es fänden diesbezüglich Verhandlungen mit der Steiermark statt. – Ich habe bis jetzt nichts darüber gehört, wie diese Verhandlungen laufen, ob sie nur in formaler Hinsicht laufen, also über die Reduzierung der Anzahl der Bezirksgerichte, oder ob auch materielle Inhalte, also die Aufwertung der Bezirksgerichte, besprochen werden. Das umfaßt nicht nur die Hinaufsetzung der Wertgrenzen, sondern auch die Übertragung von Bereichen, die eigentlich für die Bevölkerung notwendig sind, bei denen sie direkt einen Ansprechpartner hat. Letztlich sollte es so ausschauen, daß der Bürger beim zuständigen Bezirksgericht jeden Antrag, der gerichtsrelevant ist, einbringen kann. Ich würde bitten, Frau Landeshauptmann, daß man da ebenso tätig wird.

Hinsichtlich einer anderen Sache bin ich bereits zwiespältig, nämlich hinsichtlich des sogenannten Konsultationsmechanismus. Damit wurde ein Instrument geschaffen – das verstehe ich durchaus von seiten der Bundesländer –, womit man finanziell eingreifen kann, wenn es finanzielle Folgewirkungen für die einzelnen Gebietskörperschaften gibt. Ein kleiner Schönheitsfehler – für uns ist es ein sehr großer – ist aber, daß im Bereich dieses Konsultationsgesetzes kein einziger Parlamentarier tätig ist und daß das Wichtigste – ohne Geld ka Musi, heißt es – eigentlich an den Gebietskörperschaften, an den Landtagen und letztlich am Bundesrat vorbeigeht, und zwar der Finanzausgleich. Sie können sich anschauen – ich glaube, gerade dieser Tage müßte dazu eine Regierungsvorlage vorliegen –, wo es eine Nachzahlung – exakt heißt es "Zwischenabrechnung" – gibt; wir haben 1 Milliarde Schilling nachbekommen. Bereits bei 13,3 Milliarden Schilling sieht man, daß die Rate stagniert. Wir können fordern und verlangen, was wir wollen – siehe Plabutsch-Tunnel oder sonstiges –, wenn die Mittel nicht vorhanden sind, werden wir nichts machen können. Ergo dessen ist es notwendig, daß auch da eine Novellierung stattfindet, damit diese "Kardanwelle Bundesrat", wenn es um erhebliche Mittel geht, mitwirken kann.

Frau Landeshauptmann! Weiters möchte ich auch noch sagen, obwohl das nicht unerheblich zur Verunsicherung beigetragen hat: Es sind verschiedene Vorschläge – einerseits durchaus gute, andererseits durchaus verständliche – aus der Steiermark gekommen, etwa Freibier für


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alle. Wir können im Bundesrat noch nicht damit dienen; Kollege Weilharter bemüht sich, daß es noch dazu kommen wird. Aber man sollte die verfassungsmäßige Diskussion – wenn sie auch durchaus lustig geführt wird – doch nicht ins Lächerliche ziehen. Sie haben heute hier durchaus berechtigt gesagt, der Bundesrat sei ein wertvolles Instrument, aber gleichzeitig muß ich über den Generallandtag lesen. Da werden dann die Einsparungsmöglichkeiten in der Höhe von 750 Millionen Schilling durchgerechnet. Ein anderes Mal wird gesagt, der Vertretungskörper des Landtages sei eigentlich nur eine Geldvernichtungsmaschine. Damit stellt man langsam, aber sicher auch die Demokratie in Frage.

Wir brauchen diesen Föderalismus, wie Sie richtigerweise gesagt haben, in Europa unbedingt, denn sonst wird dieses zentralistische Europa, in dem alleine in einem Jahr 56 Milliarden Schilling verschüttgegangen sind, in kriminelle Kanäle gelangt sind, auseinanderbrechen. Es wird auseinanderbrechen, wenn wir diesen Föderalismus nicht auch hier in dieser höheren Ebene einführen. Dazu dienen solche Vorschläge, wie sie teilweise aus der Steiermark gekommen sind, nicht. Man darf das nicht ins Lächerliche ziehen und Kollegen quasi als "Geldabnehmer" oder als "Geldvernichtungsmaschine" bezeichnen. Dann kommt man eben das nächste Mal zum Generallandtag. Das ist wirklich keine gute Lösung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Landeshauptmann! Sie haben auch einen wichtigen wirtschaftlichen Bereich angesprochen. Es ist durchaus die Linie der Steiermark, für die Grenzlandförderung einzutreten. Es gibt diesbezüglich Initiativen aller im Landtag vertretenen Parteien. Sie haben hier als "Gipfelpunkt" die 5 Milliarden Schilling erwähnt, die Österreich aufgrund der Ergebnisse des Berliner Gipfels letztlich von der EU bekommt.

Bitte, seien wir ehrlich! Dieser Betrag wurde nur deswegen ausverhandelt, weil Österreich wahrscheinlich zuviel bezahlt hat, weil wir die Minderzahlung etwa der Briten und anderer EU-Staaten abgedeckt haben. Wir waren die Musterschüler und haben nicht jene Zwischenverhandlungen gepflogen, die die Dänen oder Engländer geführt haben. Margaret Thatcher sagte: "I want my money back" – ebenso alle nordischen Länder. Wir haben einen Teil dessen zurückbekommen, was wir unserer Meinung nach zuviel bezahlt haben.

Ich hätte mir erwartet, sehr geehrte Frau Landeshauptmann, daß Sie hier unter anderem die konkreten Bereiche der Grenzlandförderung ansprechen. Sie haben richtig gesagt, daß heutzutage 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung in Grenzregionen leben. Kollege Schaufler, der Ihrer Partei angehört, hat gesagt, überall habe sich das Einkommen um 2 Prozent erhöht. – Er hat dabei nur die Grenzregionen übersehen; die Wohlstandsregionen und Zentralräume gleichen die Defizite der Grenzlandregionen aus. Es ist nach wie vor erschreckend, wenn man nach Slowenien fährt, daß man an den österreichischen Tankstellen keine Autos sieht. Herr und Frau Österreicher oder Herr und Frau Steirer fahren nach Marburg und tanken gleich bei der ersten OMV-Tankstelle in Slowenien. Die OMV führt zügeweise Mineralöl nach Slowenien, verkündet dann, sie habe 2 Milliarden Schilling Gewinn gemacht, baut aber gleichzeitig Leute ab, und unsere Tankstellen stehen leer.

Da wäre etwa eine steirische Initiative notwendig, daß man abgestimmt mit dem Finanzminister ausmacht, daß Mineralölprodukte zu entsprechend niedrigeren Preisen bei den Grenztankstellen abgegeben werden.

Oder: Wir alle sind durchaus einer Meinung, daß irgendwann der Zeitpunkt kommen wird, zu dem die MOEL-Staaten – die Steiermark ist da immer ein Tor, ist immer eine Brücke gewesen – über uns in die EU kommen werden. Da gäbe es die Chance – das ist eine uralte Idee, die schon Dr. Krainer und Dr. Götz geäußert haben –, eine "Verwaltungsakademie Südost" zu errichten, um diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, Demokratie tatsächlich richtig zu handhaben und zu lernen, wie man Verwaltungsabläufe optimiert einsetzt.

Oder etwa – auch hier ist ein Manko des Steiermärkischen Landtages und natürlich auch der Landesregierung gegeben –: Betreffend Engstelle im Bereich der Wanne Stainach bei der Ennstal-Bundesstraße ist es letztlich wegen Parteiendifferenzen – andere sagen: Gezänk – nicht


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zum Bau dieser notwendigen Durchzugsstraße – Autobahn – gekommen. Auch da ist Durchsetzungsqualität gefragt.

Ich bin sehr froh, daß Sie den Plabutsch-Tunnel erwähnt haben. Es war seinerzeit gut, daß diese Röhre überhaupt gebaut worden ist. Das Interessante am Bericht der Experten ist vielleicht folgendes: Im Plabutsch-Tunnel gibt es ein anderes Belüftungssystem als im Tauerntunnel, nämlich eine vertikale Entlüftung – ähnlich wie in Norwegen. Da kann es nicht zu jener Rauchgasbedrohung, der die Leute im Tauerntunnel ausgesetzt waren, kommen. Dieses vertikale Belüftungssystem gibt es, wie gesagt, bereits im Plabutsch-Tunnel. Das bedurfte seinerzeit großer Mühen; ich war damals selbst Vizebürgermeister und habe darauf geschaut, daß die Röhren dieses Belüftungssystems senkrecht nach oben führen.

Die Durchsetzung – das sei hier auch noch gesagt – des Baus einer zweiten Tunnelröhre ist notwendig, aber es sind – auch das verlangt eine entsprechende Vorgabe – auch entsprechende Vorschläge zu unterbreiten – ich bin nicht Ihr Koalitionspartner –, wie das zu finanzieren ist. Das gleiche Anliegen haben natürlich auch alle anderen. Es sind in diesem Zusammenhang noch ein paar Tunnelröhren in unserem Bundesland vergessen worden, etwa im Bereich des Schobers, wo schon etwas passiert ist, oder im Bereich der Südautobahn in Richtung Kärnten. In Graz gibt es beim Plabutsch-Tunnel ein relativ gut ausgefeiltes Rettungssystem.

Was die Förderung des Huckepack- und des Containerverkehrs auf der Schober-Scheitelstrecke angeht, ist eine Verladestation südlich von Graz vorhanden. Lieber wäre es mir, diese wäre bereits an der Grenze. Man könnte das international machen. Auch da ist sehr zögerlich vorgegangen worden. Tausende und Abertausende LKW brummen auf diesem Trampelpfad, der jetzt durch die Katastrophe im Tauerntunnel noch stärker benutzt werden wird, also mitten durch die Steiermark.

Ein letzter und meiner Meinung nach sehr wichtiger Punkt: Sie haben gesagt, die MOEL-Staaten, unter anderem Slowenien, müßten eine entsprechende Reife für die Aufnahme in die EU aufweisen und mitbringen. Wir sagen das auch. So lange sie nicht 80 Prozent des BIPs erreichen, so lange können wir einer Vollintegration nicht zustimmen, weil es im Sinne der kommunizierenden Gefäße zu einem Ausgleich kommen wird. Diesen Ausgleich werden die Grenzregionen tragen. Es werden schon 60 000 Arbeitsplätze entstehen, aber sie werden in Slowenien entstehen. Das ist ganz klar, weil eine Verkäuferin in Marburg 1 800 S bekommt und bei uns in Österreich 7 000 oder 8 000 S erhält. Da wird es natürlich Verlagerungen geben. Dieses Sozialgefälle wird in Kraft treten, aber zuungunsten unserer Regionen. Also bitte langsam vorgehen!

Ein ganz wichtiger und allerletzter Punkt: Das Europäische Parlament hat meiner Auffassung nach einen historischen Beschluß bezüglich der Beneš-Dekrete gefaßt, daß nämlich diese menschenrechtswidrig sind und aufgehoben werden sollen. Das gleiche trifft auf die AVNOJ-Bestimmungen von Jajce und von Belgrad zu, denen zufolge Hunderttausende Menschen mit ihrem Leben büßen mußten. Es muß allen bewußt sein, daß die deutsche Volksgruppe im ehemaligen Jugoslawien 600 000 Menschen umfaßte, in Slowenien sind heute 6 000 übriggeblieben. Aber Slowenien verweigert bis heute – oder hat es bis heute verzögert –, daß es ein Kulturabkommen gibt, also eine Vorstufe zur Anerkennung. Menschen, die auf dem Friedhof liegen oder in Panzergräben zu Tode gebracht wurden, können sich nicht mehr wehren. Daher ist es unsere Aufgabe als Nachlebende – es ist die Aufgabe der Steiermärkischen Landesregierung, so wie es bereits der Kärntner Landtag gemacht hat –, daß auch diesbezüglich ein entsprechender Landtagsbeschluß gefaßt wird. Diese Gesetze sind aufzuheben! Sollte das nicht geschehen, meine Damen und Herren, dann muß es eine Conditio sine qua non sein, daß Österreich dem Beitritt Sloweniens nicht zustimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Beschlußfassung, Frau Landeshauptmann, würde ich im Steiermärkischen Landtag erbitten. Diesbezügliche Anträge liegen vor. Humanität, Menschlichkeit, kann keine Einbahn sein. Auch wir haben viel dazu beigetragen, daß es da zu einer zeitweiligen Verhärtung gekommen ist. Bei uns in Österreich sehen das die Menschen ein. Auch in Slowenien sieht man es intern ein, wenn man etwa Katja Bohs hört: Na ja, das ist eben Rechtsgut. Zuerst wurde gesagt: Es ist


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totes Recht. Nachdem es zwei Beschlüsse aus dem Jahre 1996 gegeben hat, die sich mit der Denationalisierung befaßt haben, ist gesagt worden: Das ist Bestandteil der slowenischen Verfassung. Kroatien hat diese Bestimmungen aufgehoben, und es ist höchst an der Zeit, daß das Slowenien ebenfalls tut. Es ist eine Selbstverständlichkeit, so wie bei allen bedauernswerten Opfern des Nationalsozialismus im Dritten Reich, daß auch da die entsprechenden Vermögensansprüche abgehandelt werden. Es ist schnellstens das Kulturabkommen zu unterfertigen, und es ist schnellstens die Volksgruppe der deutschsprachigen Steirer in Slowenien als autochthone Volksgruppe mit einem Vertreter im slowenischen Parlament anzuerkennen.

Abschließend: Ich danke Ihnen, Frau Landeshauptmann, daß Sie hier hergekommen sind und zu einer Aufwertung des Bundesrates beigetragen haben, daß Sie viele Dinge miteingeleitet haben, die der Verbesserung des föderalistischen Klimas dienen – einige sind noch einzuleiten. Noch haben wir den Glauben, daß es mit dem Föderalismus in der Steiermark einigermaßen in die richtige Richtung geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

11.50

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte liebe Frau Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erlaube mir, ebenfalls einige Anmerkungen zu dieser Thematik rund um die EU-Grenzlandförderung zu machen.

Die Frau Landeshauptmann hat es sehr klar ausgedrückt: Europa heißt Chancen nützen, Initiativen ergreifen und die Zukunft gemeinsam gestalten! – Die Erweiterung der EU ist eine Chance, Risken müssen aber abgefedert werden. Sie hat auch erwähnt, daß vor mehr als 20 Jahren die Steiermark die Initiative ergriffen und mit der "ARGE Alpen Adria" an einem Weg des Miteinander in die Zukunft dieses unseres Raumes Süd-Ost gebaut hat.

Wir müssen uns darüber klar sein, daß sich dieses Europa der Vaterländer, dieser über Jahrhunderte zusammengehörende Raum, in dem verschiedene Völker und Nationen in Frieden und Freiheit zusammengelebt haben, damals, als es noch wirklich schwierig war, im Rahmen dieser "ARGE Alpen Adria" so weit gefunden hat, daß man miteinander sprechen konnte – ob nun Slowenen, ob Kroaten, ob Ungarn, ob Italiener aus dem Gebiet Julisch Venetiens. Das war eine Initiative, die über die entsetzliche Grenze des Eisernen Vorhanges hinausreichte. Diese jahrhundertealte Bindung war gegeben.

Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist die Steiermark im EU-Ausschuß der Regionen vertreten. Die Frau Landeshauptmann hat dieses EU-Gremium im September des Jahres 1997 zu einer Sitzung außerhalb Brüssels nach Graz eingeladen. Hauptthema der damaligen Beratungen war eine Stellungnahme zur EU-Osterweiterung mit der Kernforderung, daß ein darin integriertes Maßnahmenpaket gegen negative Auswirkungen in den Regionen der heutigen EU-Ostgrenze auf europäischer Ebene fixiert werden muß.

Diese Erklärung der Frau Landeshauptmann wurde von allen 222 EU-Regionen mitgetragen und in der Folge der EU-Kommission übermittelt. Die Frau Landeshauptmann hat damals in einer Presseerklärung am 12. September 1997 gesagt – das getraue ich mich nun zu wiederholen, weil es genau zu den heutigen Aussagen paßt, ich zitiere –:

Ganz abgesehen von den generellen Änderungen des EU-Förderungsplans ab 2000 werde ich mich auch im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz, in der ich im Halbjahr der österreichischen EU-Präsidentschaft den Vorsitz führen werde, für ein zusätzliches Maßnahmenpaket für die von der Erweiterung am meisten betroffenen Regionen an der EU-Ostgrenze einsetzen. Das muß nicht ausschließlich finanzielle Dimensionen haben. Besonders Bildungsprogramme und gezielte Maßnahmen für die Landwirtschaft und gegen Betriebsverlagerungen sind mögliche Denkvarianten. – Soweit die Presseaussendung.


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Die Frau Landeshauptmann sprach am Rande dieser EU-Tagung an alle Regionen, die an der EU-Erweiterungsgrenze, von Finnland über Deutschland und Österreich bis Italien, liegen, eine Einladung zur ersten Ostregionenkonferenz in Graz im Jänner 1998 aus. Ziel dieser Konferenz war die Erarbeitung eines Maßnahmenkataloges für ein umfassendes EU-Grenzlandförderungspaket.

Die bei dieser Grazer Konferenz einstimmig beschlossene Resolution zur Abfederung negativer Auswirkungen einer Erweiterung auf die östlichen Regionen der EU wurde auf der Folgekonferenz in Hof in Bayern im Juli 1998 detailliert ausformuliert. Ich darf neuerlich aus einer Presseerklärung der Frau Landeshauptmann, diesmal vom 25. Juli 1998, zitieren:

Die Grundpfeiler der Schlußdokumente waren die Forderungen nach der vollständigen Übernahme des gesamten Besitzstandes des EU-Rechts durch die Beitrittskandidaten bei gleichzeitiger Festschreibung von Übergangsregelungen in den sensiblen Bereichen freie Arbeitsplatzwahl, Dienstleistungsfreiheit und Außenschutz für EU-Produkte, insbesondere landwirtschaftliche Erzeugnisse. Einstimmig festgelegt wurde, daß dabei spezifisch auf die regionalen Besonderheiten und Unterschiede zwischen den heutigen EU-Grenzregionen und den Beitrittskandidaten eingegangen werden muß, wobei die zeitliche Dauer an die Erreichung qualitativer Kriterien gebunden ist. 

Weiters heißt es in dieser Erklärung – ich zitiere –: Damit unsere Regionen, die unter enormen Anstrengungen trotz ihrer bisherigen Randlage in der Europäischen Union entlang einer jahrzehntelangen Systemgrenze eine starke Wirtschaft aufgebaut haben, das große Potential der Erweiterung bestmöglich nutzen und ein harmonisches Zusammenwachsen an der Schnittstelle zu den Beitrittsstaaten sicherstellen können, bedarf es aber zusätzlicher Mittel aus den EU-Fördertöpfen. Das stellte die Frau Landeshauptmann damals fest.

Die Situation der Grenzregionen ist durch eine Modifikation im EU-Programm, besonders durch eigens reservierte Mittel im beträchtlich aufgestockten INTERREG-Programm und durch größere Spielräume für eine flexible nationale wie regionale Wirtschaftsförderung zu würdigen.

Gerade nachhaltige Infrastrukturmaßnahmen sollen daraus gefördert werden. Zudem konnte eine erste Einigung unter den auf der Konferenz vertretenen österreichischen Bundesländern erzielt werden, die Grenznähe als zusätzliches Kriterium bei der Festlegung der Ziel-2-Gebietsdefinition auf nationaler Ebene zu reklamieren.

Das Maßnahmenbündel "intakt" – die integrierte Aktion zur Förderung der Grenzregionen – ist die neue offensive Strategie der Steiermark in Europa im Zusammenhang mit der Herausforderung des europäischen Integrationsprozesses und ein konsequenter Schritt nach dem EU-Beitritt und der Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion. – So Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic.

Die Frau Landeshauptmann und die anderen Regierungsvertreter erzeugten bei ihren nationalen Zentralstellen Druck und betrieben intensives Lobbying in den europäischen Gremien, um der Forderung nach einem Maßnahmenpaket zum Durchbruch zu verhelfen. So weckte die Frau Landeshauptmann beim Kommissionspräsidenten Jacques Santer und bei der zuständigen Regionalpolitik-Kommissarin Monika Wulf-Mathies in Brüssel das Problembewußtsein für die besondere Lage der EU-Ostregionen und das Verständnis für die politische Notwendigkeit geeigneter Maßnahmen für die breite Akzeptanz einer Erweiterung bei der betroffenen Bevölkerung.

Beim Europäischen Rat von Berlin konnte am 26. März 1999, also heuer, nach monatelangem Ringen und trotz der Widerstände der südlichen EU-Länder und der harten Nettozahler-Position vor allem Österreichs – für die Jahre 2000 bis 2006 zahlen wir nur mehr 0,3 Prozent statt der bisherigen 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – das von Landeshauptmann Waltraud Klasnic initiierte und in die europäischen Verhandlungen reklamierte Paket Grenzlandförderung durchgesetzt werden. Allein für Österreich bedeutet dies 5 EU-Milliarden aus der interregionalen Gemeinschaftsinitiative für die neue Strukturfondsperiode ab dem Jahre 2000. Damit ist ein


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wichtiger Schritt zur nachhaltigen Absicherung des Grenzlandes getan. Die Steiermark hat damit die Chance, das Zentrum einer florierenden Zukunftsregion Süd-Ost zu werden.

Ich glaube, daß das gerade für uns Steirer eine sehr wesentliche Sache ist. Wir haben durch Jahrhunderte eine Position gehabt, die sehr oft an politisch strittigen Schnittpunkten gelegen ist. So haben wir etwa in den letzten 50 Jahren durch den Eisernen Vorhang im Südosten des freien Europa gelebt und damit natürlich auch sehr viele Nachteile hinnehmen müssen. Mit den Grenznachbarn, ob Slowenien, Kroatien, Ungarn oder Friaul-Julisch Venetien, verbindet uns eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte und ein Zusammengehören. Leider ist – wie bereits gesagt wurde – in diesem ausgehenden Jahrhundert durch entsetzliche Ideologien, nämlich durch den Marxismus und durch den Nationalismus, sehr vieles passiert, was fürchterlich war. Wir müssen nun danach trachten, wieder über diese Grenzen hinwegzukommen.

Ich glaube – darin stimme ich mit Kollegen Tremmel völlig überein –, daß nach den Menschenrechtsauffassungen, die in Europa überall zu gelten haben, auch jene Entscheidung des Europäischen Parlaments ganz richtig war, die besagt, daß die Beneš-Dekrete abgeschafft werden müssen, denn Menschenrechte müssen überall in Europa im gleichen Ausmaß und in gleicher Form gelten. (Allgemeiner Beifall.)

Das gilt zweifelsohne auch für jenen Bereich, in dem dieses Tito-Gesetz noch gültig ist. Alle sollen in diesem Europa glücklich sein! General De Gaulle, der ehemalige französische Staatschef, hat es so schön gesagt: Wir brauchen Europa, wir brauchen ein Europa der Vaterländer! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Wir alle müssen Europäer sein und das mit Freude über alle Grenzen hinaus. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

12.01

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Frau Landeshauptmann! Bevor ich mich im Detail mit der Regionalförderung beschäftige, möchte ich einleitend einige grundsätzliche Bemerkungen machen.

Wir Sozialdemokraten glauben an gleiche Chancen für alle und gerechte Behandlung jener, die den Schutz der Gesellschaft brauchen. Die EU muß den Menschen in den Mittelpunkt stellen und die Prioritäten ihrer Bürgerinnen und Bürger zu ihren eigenen machen. Diese sind: Arbeitsplätze, grenzüberschreitende Sicherheit, Kriminalitätsbekämpfung, Umweltschutz und vor allem Frieden.

Wir wollen eine noch engere Zusammenarbeit innerhalb der EU. Zugleich wollen wir diese offener, demokratischer und effizienter gestalten. Angesichts von Krieg und Massenvertreibungen in Jugoslawien beziehungsweise im Kosovo ist es dringend notwendig, eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, die handlungsfähig und wirksam ist, zu machen.

Wir Sozialdemokraten lehnen in diesem Zusammenhang nach wie vor einen Beitritt zu einem reinen Militärbündnis, wie zum Beispiel der NATO, ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird dies von der EU auch nicht verlangt. Im Sinne einer aktiven Neutralitätspolitik sehen wir gemeinsam mit den anderen neutralen Staaten unsere Hauptaufgabe in der Vermittlung und in der humanitären Hilfe.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mit der Agenda 2000 hat die Europäische Kommission im Juli 1997 den Startschuß für die Erweiterung der EU gegeben. Es wurde darin die Beitrittsreife der zehn Kandidaten bewertet. Obwohl die Kommission zum Schluß kam, daß kein Land alle Kriterien in vollem Umfang erfüllt, wurden fünf mittel- und osteuropäische Länder, nämlich Estland, Ungarn, Polen, Tschechien und Slowenien als Kandidaten für Beitrittsverhandlungen


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ausgewählt. Die restlichen fünf Länder werden zunächst in eine Vorbereitungsstrategie eingebunden.

Meine Damen und Herren! Die Steiermark wird als Region an einer EU-Außengrenze aufgrund ihrer geographischen Nähe zu zwei Beitrittsländern und des derzeit noch bestehenden wirtschaftlichen Entwicklungsgefälles dieser Staaten besonders betroffen sein.

Der Berliner Kompromiß über die Agenda 2000, der im vergangenen März ausverhandelt wurde, wird eine Senkung der österreichischen Nettobeiträge sowie ein spezielles Grenzlandförderungsprogramm mit einer Höhe von 4,8 Milliarden Schilling bis zum Jahre 2006 bringen. Dies wird auch in besonderem Maße den steirischen Grenzregionen zu Ungarn und Slowenien zugute kommen müssen.

Frau Landeshauptmann! Auch in Wahlkampfzeiten sollte man den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber ehrlich bleiben. Die ÖVP Steiermark schaltet in Tageszeitungen ein Inserat, so zum Beispiel am 26. Mai in der "Neuen Zeit" – ich habe dieses Inserat hier –, in dem behauptet wird – ich zitiere –: So wird die Steiermark in den Jahren 2000 bis 2006 5 Milliarden Schilling an Grenzregionenförderungen erhalten. – Ende des Zitates.

Frau Landeshauptmann! Sie wissen ganz genau, daß dieses Geld, jene rund 4,8 Milliarden Schilling – genau sind es 350 Millionen Euro –, für Gemeinschaftsinitiativen in ganz Österreich vorgesehen ist. Sie haben das in Ihren heutigen Ausführungen hier im Bundesrat auch so mitgeteilt. Sie und Ihre Partei in der Steiermark scheinen in Richtung des 13. Juni schon ziemlich nervös zu sein, da Sie zu derartigen Methoden greifen, denn Sie verkünden damit schlichtweg die Unwahrheit! (Widerspruch bei der ÖVP.) Da steht dezidiert drinnen: ... für die Steiermark! Rack hat für die Steiermark ... 5 Milliarden Schilling für die Steiermark! (Ruf bei der ÖVP: Eine Milliarde!)  – Kollege Missethon! Ich würde dir empfehlen, genau zu lesen! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: ... zu wünschen, oder nicht?) "Wünsch Dir was" ist nicht immer! Hier steht: "... erreicht für die Steiermark", und das ist schlichtweg falsch!

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gültigkeit der beiden Förderkulissen, also die Wettbewerbskulisse, die uns dazu berechtigt, Förderungen zu vergeben, und die Zielgebietskulisse, die eine direkte Unterstützung durch EU-Mittel ermöglicht, ist mit 31. Dezember 1999 zu Ende.

Neben der Zusammenlegung der derzeit bestehenden sechs Ziele zu drei Zielen ist eine EU-weite Reduktion der Fördergebiete von derzeit 51 Prozent der Bevölkerung auf rund 40 Prozent vorgesehen. Um Härten, die dadurch für einige Mitgliedstaaten entstehen, zu vermeiden, soll die Reduktion pro Mitgliedstaat jedoch nicht mehr als ein Drittel ausmachen. Die Festlegung der Fördergebiete erfolgt je zur Hälfte nach EU-Kriterien sowie nach national zu bestimmenden, nachvollziehbaren Kriterien.

Die Kürzung der Gebiete um ein Drittel soll auf die Bundesländer umgelegt werden. Eine lineare Kürzung um ein Drittel hätte jedoch auf die Steiermark fatale Auswirkungen. Deshalb ist es unabdingbar, daß die Festlegung der Gebietskulisse aufgrund objektiver Kriterien – dies entspricht auch dem Vorschlag der Europäischen Kommission – geschieht.

Dasselbe gilt auch für die Wettbewerbskulisse. Auch da darf es aus Sicht der Steiermark zu keiner linearen Reduktion kommen. Objektive Kriterien, wie zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt und die Arbeitslosenquote, belegen nach wie vor ein Nachhinken der Steiermark.

Frau Landeshauptmann! Im Lichte dessen haben Landtag und Landesregierung in der Steiermark eindeutige Beschlüsse dahin gehend gefaßt, daß es zu keiner linearen Kürzung der Fördergebiete innerhalb Österreichs kommen darf, sondern eben nach objektiven Kriterien vorzugehen ist. Auch im Bericht der EU-Koordinationsstelle in der Landesamtsdirektion mit dem Titel "Agenda 2000 – Auswirkungen auf die Steiermark" wird dies nochmals verdeutlicht und diese Haltung unterstützt.


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Nun geht es um die Umsetzung! Die Länder wurden vom Bund ersucht, zeitgerecht zu einer Konsenslösung aller Länder zu kommen. "Zeitgerecht" hieße bis spätestens Ende dieses Monats. Vom Bundeskanzleramt wurde dies mittels eines Schreibens vom 28. April 1999 an die Verbindungsstelle der österreichischen Bundesländer nochmals deponiert. Ich zitiere den letzten Absatz dieses Schreibens:

Abschließend werden die Länder daran erinnert, daß eine Nichteinigung über die Gebietsabgrenzung bis zu dem von der Landeshauptleutekonferenz beschlossenen Termin Ende Juni 1999 eine Verzögerung bei der Vorbereitung der neuen Ziel-2-Programme und damit einen verzögerten Start der Programmumsetzung sowie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Interregnum von mehreren Monaten bei den Regionalförderungen nach dem EU-Wettbewerbsrecht ab 1. Jänner 2000 zur Folge hätte und daher unbedingt vermieden werden sollte. – Ende des Zitats.

Viel Zeit ist also nicht mehr, Frau Landeshauptmann, damit diese Verzögerung nicht eintritt. Ich fordere Sie deshalb auf, gemäß der Beschlußlage die steirischen Standpunkte bei den LH-Konferenzen verstärkt zu vertreten. Wenn man sich die Protokolle dieser Konferenzen durchliest, dann findet man Ihre Stimme in diesem Zusammenhang nicht. Am 27. November 1998 waren Sie sogar Vorsitzende und haben trotz Landtags- und Regierungsbeschlüssen die steirischen Positionen nicht artikuliert. Das gleiche gilt für die LH-Konferenz am 14. April dieses Jahres in Igls.

Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die bevorstehende EU-Erweiterung brauchen wir rechtzeitig die neuen Förderprogramme. Es heißt, Vorsorge zu treffen, daß hüben wie drüben niemand Schaden erleidet. Die Menschen in unseren Grenzregionen sind verunsichert. Sie wollen klare, durchschaubare Regelungen und lange Übergangsfristen. Wir müssen ihnen das Gefühl geben, daß die Erweiterung sanft erfolgt und daß bei diesem Projekt die Menschen im Mittelpunkt stehen. Wenn einige immer wieder mit den Märkten argumentieren und sagen, es kommt ein großer Markt dazu, und wenn dies die ausschließliche Argumentation ist, dann werden wir beim Erweiterungsprozeß große Schwierigkeiten bekommen.

Für uns Sozialdemokraten ist die EU eine gesellschaftspolitische Vision und ein Friedensprojekt. In diesem Sinne haben wir unsere Interessen, aber auch das Heranführen der Beitrittsländer zu sehen und zu fördern. (Beifall bei der SPÖ.)

12.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter das Wort. – Bitte.

12.12

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Ziel des Besuches unserer Frau Landeshauptmann ist es, dem Bundesrat, der Länderkammer, steirische Positionen und steirische Situationen darzulegen. Das entspricht nicht nur unseren verfassungsmäßigen Bestimmungen, sondern es ist auch eine parlamentarische Gepflogenheit, und es ist optisch ein starkes Signal in Richtung Föderalismus. Gerade im Hinblick auf die Festlegung der neuen Zielgebiete und der Änderung der Förderkulisse bedarf es dieser klaren Positionierung der Länder. Nicht nur die Steiermark, sondern alle Bundesländer rechnen mit einer linearen Kürzung der Förderungsmittel durch die Bundesregierung, weil diese – wie so oft – von der Europäischen Union, von Brüssel, aus gesteuert wird.

Meine Damen und Herren! Das geht auch aus der Position des Landes Steiermark hervor. Man könnte auch sagen, Vetternwirtschaft und Skandale haben in diesem Bereich ihren Preis. Ihren Besuch, Frau Landeshauptmann, in allen Ehren; Sie haben viele steirische Forderungen genannt, ohne diese verständlicherweise näher zu definieren. Es wäre aber notwendig, zu vielen Positionen und Forderungen sehr wohl Zeiträume und auch Prioritäten zu nennen. Allein die Aussage Ihres Regierungskollegen Landesrat Hirschmann "Freibier für alle" ist noch kein Programm. (Bundesrätin Schicker: Aber unterhaltend!) Ebenso, Frau Landeshauptmann, hätte ich mir erwartet, daß Sie das alte Versprechen des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky und seines Vizekanzlers Schüssel, nämlich die versprochenen 120 Millionen Schilling statt einer Beteiligung


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am A1-Ring, für die Wirtschaft, für die Region miteingemahnt hätten beziehungsweise diese vielleicht mit in die Steiermark nehmen hätten können. Der Bund – auch das ist Faktum – kassiert bereits bei allen Veranstaltungen am A1-Ring kräftig ab.

Meine Damen und Herren! Gerade im Lichte der tragischen Ereignisse auf der Tauern Autobahn im Tauerntunnel hätte ich mir von unserer Frau Landeshauptmann erwartet, daß Sie auch eine klare steirische Positionierung zum Semmering-Basistunnel macht. Die gleiche Feststellung ist auch im Bereich der Ennstal Bundesstraße zu treffen. Auch da hätte ich mir eine klare steirische Positionierung erwartet. Meine Damen und Herren! Ich hätte mir auch vom steirischen Landeshauptmann eine klare Aussage zu den Bemühungen des Steiermärkischen Landtages betreffend die Öffnung der Zivilluftfahrt am Flughafen in Zeltweg erwartet.

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß es eine Fülle von berechtigten steirischen Forderungen gibt und daß es an diesen Forderungen nicht fehlt. Das Problem der Frau Landeshauptmann ist aber die Durch- und Umsetzung all dieser Forderungen. Ich will nicht wiederholen, was die zuständige Kommissarin im Hinblick auf die Grenzlandsituation gemeint beziehungsweise Ihnen via Medien zur Antwort gegeben hat, Frau Landeshauptmann, nämlich daß die steirischen Positionen für sie nicht zutreffend seien, daß es in diesem Bereich keine Sonderpositionen geben werde. – Meine Damen und Herren! Ich meine vielmehr, die Frau Landeshauptmann wird in all diesen Fragen von ihrer eigenen Partei, von ihren eigenen steirischen Vertretern allzu oft im Stich gelassen. Frau Landeshauptmann! Ihnen wird von Ihrer eigenen Fraktion sehr oft die Gefolgschaft aufgekündigt.

Ich nenne als Beispiel das Mineralrohstoffgesetz. Dazu gab es eine einstimmige klare Positionierung der steirischen Landesregierung, die steirischen Vertreter von ÖVP und SPÖ sind aber nicht dem Auftrag des Landtages und der Landesregierung gefolgt, sondern haben zugestimmt. Ähnlich hat es sich bei der Werkvertragsregelung verhalten.

Meine Damen und Herren! Gerade dieses Verhalten mancher steirischer Vertreter von ÖVP und SPÖ läßt den Schluß zu, daß sie, wenn sie die Steiermark verlassen, wenn sie über die Landesgrenze hinaus kommen, ihren Auftrag und letztlich ihre Herkunft vergessen. Meine Damen und Herren! Deshalb wird auch Herr Landesrat Hirschmann die Abschaffung verschiedener parlamentarischer Ebenen beziehungsweise die Zentralisierung verlangt haben.

Meine Damen und Herren! Ich darf folgendes wiederholen: Frau Landeshauptmann! Nehmen Sie Ihre eigenen ÖVP-Abgeordneten in die Pflicht! Wir, die Steirer, erwarten, daß steirische Interessen vertreten werden, daß der Ruf um die Reputation der Landeshauptmannfunktion nicht weiter Schaden nimmt und daß vor allem den berechtigten steirischen Forderungen geglaubt und zum Durchbruch verholfen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Frau Landeshauptmann! Damit Sie sich in Hinkunft innerhalb der steirischen Landesregierung nicht mit dieser Freibierdiskussion, die Ihr Regierungskollege Hirschmann vom Zaun gebrochen hat, weiter auseinandersetzen müssen, erlaube ich mir, Ihnen symbolisch ein Bier, jedoch kein steirisches, zu überreichen, denn wir, die Steirer, wollen unser Bier weiterhin verkaufen und damit der Wirtschaft dienen und Arbeitsplätze sichern. – In diesem Sinne ein Glückauf der Steiermark. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ. – Der Redner überreicht Frau Landeshauptmann Klasnic eine Flasche Bier.)

12.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon das Wort. – Bitte.

12.19

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Landeshauptmann! Ich möchte doch zur eigentlichen Debatte zurückkehren, die sich, soweit ich das der Tagesordnung entnehmen kann, mit der Grenzlandförderung beschäftigt. (Bundesrätin Schicker: Die Frau Landeshauptmann hat auch andere Themen angeschnitten!) Ich möchte nicht bei diesem Spiel mitspielen, daß hier im Bundesrat beim Thema Grenzlandförde


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rung Stellvertreterdifferenzen diskutiert werden, die eigentlich in den steirischen Landtag gehören.

Herr Kollege Freiberger! Wenn Sie der Frau Landeshauptmann Unehrlichkeit vorwerfen, dann erinnere ich Sie an die letzte Bundesratssitzung und an den "FORMAT"-Artikel, in dem der Herr Bundeskanzler mit einer langen Nase abgebildet ist. Was Sie derzeit zum Thema Neutralität bieten, dafür ist, kann ich nur sagen, das Wort "Unehrlichkeit" zu wenig. – Das sei nur dazugesagt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich hätte mir auch – das sage ich auch ganz bewußt dazu, Herr Freiberger, weil Sie, so weit ich weiß, aus einer Grenzregion kommen – zumindest ein Wort des Dankes erwartet für die Initiative von Waltraud Klasnic, daß nun 5 Milliarden mehr für die Grenzregionen in Österreich zur Verfügung stehen. Ich glaube, das ist wohl das Mindeste, was man sich auch bei durchaus politisch kontroversiellen Angelegenheiten erwarten kann, das ist das mindeste an Respekt vor Funktionsträgern. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Kollege! Die 5 Milliarden bekommen wir leider nicht alle in der Steiermark!) – Aber das ist in den Gemeinschaftsinitiativen enthalten. INTERREG ist nicht die einzige Gemeinschaftsinitiative.

Ich zitiere eine Presseaussendung von unserem Europaparlamentarier Rack, der da sagt: Im ISPO-Programm steht im Zuge der Heranführungsstrategie der Union den Beitrittskandidaten insgesamt über 1 Milliarde Euro jährlich für Strukturentwicklung zur Verfügung. Hier kann Österreich durch Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern auch für unsere Regionen und Unternehmen noch zusätzliche Mittel lukrieren. – Sie müssen also genau lesen, bevor Sie kritisieren. Das möchte ich noch einmal in aller Deutlichkeit feststellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber jetzt doch zum inhaltlichen Teil kommen. Ich glaube, daß wir die EU-Erweiterung aus meiner Sicht nicht so definieren sollten, daß wir sagen, wir stehen vor dieser Erweiterung, sondern ich glaube, daß wir seit dem Fall der Berliner Mauer eigentlich mitten drinnen sind und daß wirtschaftlich gesehen gerade für Österreich dieses Aufmachen der Grenzen eigentlich eine Ost-Erfolgs-Story ist. Unter allen EU-Mitgliedstaaten ist es besonders Österreich gelungen, sich auf dem osteuropäischen Markt zu etablieren und dort Erfolge zu feiern – dies nicht zuletzt aufgrund seiner geographischen Lage und seiner Erfahrungen, sondern auch aufgrund der gemeinsamen Geschichte.

Zwischen 1989, dem Fall der Berliner Mauer, und 1996 stiegen die österreichischen Exporte immerhin um 123 Prozent, die Importe hingegen nur um 104 Prozent. Die österreichischen Exporte nach Slowenien – das ist vielleicht für uns Steirer interessant – machten im Jahr 1997 immerhin 4 Milliarden Schilling aus. Slowenien spielt für Österreich eine wichtigere Rolle als Japan. Ungarn hat die Schweiz mittlerweile als drittwichtigster Handelspartner Österreichs abgelöst. Für 100 S Güter, die Österreich aus Osteuropa importiert, werden Waren im Wert von 140 S exportiert. Bis Mitte 1996 wurden 45 Milliarden Schilling in Oststaaten investiert, womit zirka 14 000 österreichische Neugründungen, Joint-ventures und so weiter in diesem Raum erfolgt sind.

Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, weil ich glaube, daß genau diese wirtschaftlichen Verflechtungen vor allem in Österreich zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben. Ich möchte aber speziell die letzten zehn Jahre etwas Revue passieren lassen, und zwar nicht nur aus der Sicht der Steiermark, sondern auch aus der Sicht jener Region, woher ich komme, aus der Obersteiermark. Wir waren ein Ziel-2-Gebiet und haben eigentlich eine sehr dynamische Entwicklung hinter uns, wobei die EU-Förderprogramme sehr hilfreich waren. Wir haben in den letzten Jahren 280 Millionen aus EU-Fördergeldern in diese Mur-Mürz-Furche lukrieren können. Wir haben damit ein Investitionsvolumen in der Höhe von 7,7 Milliarden Schilling quasi unterstützt.

Der zentrale Unterschied zwischen der Förderung der EU und der Förderung des österreichischen Staates im Bereich der Verstaatlichten ist, daß die EU die Strukturveränderung gefördert hat, daß man im Bereich der verstaatlichten Subventionierung eigentlich die Strukturkonservierung subventioniert hat. Ich glaube, daß wir in der Obersteiermark in der Mur-Mürz-Furche die


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Talsohle durchschritten haben. Ich glaube, die Indikatoren dafür sind, daß in die Standorte von der VOEST, von AT&S von Hannes Androsch wieder investiert wird. Ich glaube, das ist ein positives und gutes Zeichen. Wir werden diesen Weg in den nächsten Jahren kontinuierlich weitergehen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Kollege! Das Ennstal haben Sie vergessen! Liezen!) – Dazu komme ich schon noch!

Ich glaube, daß Veränderungen auch eine Frage des Klimas und der Akzeptanz der Bevölkerung sind. Laut einer Umfrage glauben 65 Prozent der Steirerinnen und Steirer, daß dieses Land auf einem guten Weg ist. Ich glaube, das ist ein sehr positives Zeichen dafür, daß die Steirerinnen und Steirer diesen Weg der Veränderung, dieser bewußt hochwertigen Qualität der Veränderung, wie das die Frau Landeshauptmann gesagt hat, auch mitgehen werden.

Welche zukünftigen Problemstellen gibt es, wobei ich zum Schluß auf die zukünftigen Förderpakete Bezug nehmen werde? – Wir waren vor 14 Tagen mit Herrn Hans Kaiser vom Arbeitsmarktservice-Steiermark zusammen, der gemeint hat, daß sich in den nächsten Jahren die Arbeitsmarktsituation oder die Arbeitslosensituation verändern wird. Die große Thematik wird nicht mehr die Mur-Mürz-Furche sein, sondern die Arbeitslosenentwicklung wird eher im ländlichen Bereich gravierende Ausmaße annehmen. Ich glaube, daß genau diese Grenzlandförderprogramme zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen können.

Zweiter Punkt: Wenn wir uns die Arbeitslosigkeit anschauen, dann bemerken wir, daß vor allem Frauen davon betroffen sind. Speziell betrifft es die Altersgruppen zwischen 15 und 25 Jahren (Bundesrätin Schicker: 45 aufwärts!) , aber auch die älteren Arbeitnehmer. Gerade bei den jüngeren Frauen werden wir noch eine Zeit lang zu tun haben, weil ich glaube, daß wir den Begriff "Qualifikation" neu zu definieren und neu anzuschauen haben. Die jüngeren Frauen drängen sehr stark in den Bereich der Büroarbeitsplätze. Diesbezüglich sehe ich ein zentrales Problem, weil die Zahl dieser Arbeitsplätze in Zukunft geringer werden wird.

Der dritte Punkt betrifft eine Forderung und Bitte von mir, und zwar geht es um die Berücksichtigung zukünftiger Förderkonzepte. Ich glaube, daß die unternehmensinterne Qualifikation mehr an Bedeutung gewinnen und auch an Fördertöpfen angehängt werden muß. Unternehmensinterne Qualifikation wird derzeit noch nicht so gesehen, das läuft eher unter dem Begriff "Anlernen". Alleine bei AT&S werden im nächsten halben Jahr 500 neue, hauptsächlich Arbeitnehmerinnen eingesetzt, angelernt oder qualifiziert. Da gibt es keine externen Seminare mehr, und es ist ein extrem hoher Aufwand für das Unternehmen, diese Qualifikationsprozesse intern voranzutreiben.

Meine Bitte geht auch in die Richtung, daß wir diese unternehmensinternen Qualifikationsprozesse als förderwürdig ansehen.

Welche Antworten können wir für diese Problemstellen konzipieren, und welche Fördertöpfe stehen uns jetzt zur Verfügung? – Ich glaube auch, daß wir im Bereich der Grenzregionen nach wie vor Problemstellen haben. Es sind heute einige Beispiele dafür genannt worden, egal, ob das jetzt die Tankstellen oder überhaupt die kleineren Gewerbebetriebe sind, wie Friseure. Auf der einen Seite sagt man, du hast keinen Lehrplatz für meine Tochter, auf der anderen Seite aber fährt man über die Grenze und läßt sich dort die Haare schneiden. Da haben wir tatsächlich Handlungsbedarf.

Auf der anderen Seite gibt es auch Beispiele von Grenzregionen, die auf gutem Wege sind. Ich denke da vor allem an den Bereich der Südsteiermark, an die Weinbauern, die, so glaube ich, sich auf gutem Wege befinden und sich aufgrund solcher Programme und solcher Projekte im Zuge von EU-Förderungen gut entwickelt haben.

Darum glaube ich, daß dieses Grenzlandförderprogramm – dafür danke ich dir noch einmal, Frau Landeshauptmann – in den nächsten Jahren bis 2006 ein wesentlicher Bestandteil sein kann, um diese Probleme mit Projekten, aber auch mit grenzüberschreitenden Aktivitäten in einer neuen Qualität zu lösen.


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Die zweite Förderschiene sind Ziel-5b-Gebiete im Bereich der ländlichen Entwicklung. Ich halte es für einen wichtigen Punkt, daß dies jetzt für die gesamte Steiermark gilt. Damit komme ich zum Ennstal: Ich glaube, daß mit diesen Programmen auch neue Projektkonzeptionen ermöglicht werden können. Das jüngste Programm, das sehr spannend und interessant ist, ist das Stadtentwicklungsprogramm URBAN, weil ich glaube, daß wir im Bereich der Städteentwicklung einigen Nachholbedarf haben.

Abschließend möchte ich dir, Frau Landeshauptmann, noch einmal sehr herzlich für deine Bemühungen im Bereich der Grenzregionen danken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr das Wort.

12.32

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Landeshauptmann! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich positiv anmerken, daß Sie als eine der wenigen Landeshauptleute das zweite Mal während Ihrer Legislaturperiode bei uns im Bundesrat sind. Dieser Umstand, daß Sie heute, wie gesagt, bereits das zweite Mal in Ihrer Funktion als Landeshauptmann der Steiermark bei uns sind, bestärkt mich in der Annahme, daß Sie uns als ehemaliges Mitglied dieses Hauses – das haben Sie schon gesagt – ungleich mehr Bedeutung zumessen, als dies einer Ihrer Landesräte laufend tut, der immer öfter versucht, seine Visionen, die Landtage in der jetzigen Form und den Bundesrat abzuschaffen, medial zu vermarkten.

Ich möchte ganz offen sagen, wir bezeichnen diesen Ihren Regierungskollegen des öfteren als "Unterhaltungslandesrat". Kollege Weilharter hat auch schon das Thema Freibier genannt, und es ist heute schon des öfteren angeklungen. Das ist nur eines dieser Themen, die er über die Medien bringt. Ich denke, Frau Landeshauptmann, Sie sollten diesen Landesratskollegen des öfteren auf Ihre Reisen mitnehmen, besonders zum Kongreß der Regionen und Gemeinden, dem Sie angehören, denn gerade dort erfährt er, welche Beschlüsse gefaßt werden, welche Forderungen – gerade im Gegensatz zu der Meinung, die er vertritt – dazu aufgestellt werden. Ich denke, da haben Sie Handlungsbedarf.

Sehr geehrte Frau Landeshauptmann! Wir Bundesräte haben im Steiermärkischen Landtag zwar das Rederecht, aber Sie wissen, daß unsere Termine von Bundesrat und Landtag meistens kollidieren. Da es im Landtag aber auch keine Fragestunde gibt, in der wir Bundesräte zum Beispiel an Sie Fragen richten können, darf ich mir heute erlauben, einige Fragen an Sie zu richten, vor allem auch deshalb – auch das hat Kollege Weilharter bereits erwähnt –, weil Sie einige Punkte, die uns sehr wichtig erscheinen, nicht angesprochen haben.

Wir in der Obersteiermark – damit meine ich besonders den Bezirk Leoben, und Herr Bundesratskollege Missethon wird mir, so hoffe ich, beipflichten können – sind tatsächlich bemüht, durch vielfältige Ideenfindungen, durch Projekte in bezug auf touristische Attraktionen unsere fortschreitende Abwanderung aufgrund des Verlustes von Industriearbeitsplätzen, um den wir wissen, in den Griff zu bekommen beziehungsweise hintanzuhalten.

Wenn wir für eine solche Impulssetzung für die Obersteiermark, für unsere Region dieselben Förderungen einfordern, wie sie seitens des Landes auch zum Beispiel der Thermenregion zufließen, dann kommen seitens Ihres Wirtschaftslandesrates, Frau Landeshauptmann, Aussprüche, die da lauten, er lehne eine Verstaatlichung im Tourismus ab. Er hat nichts dagegen, wenn in die Thermenregion oder in andere Bezirke Geld fließt, aber er hat etwas dagegen, wenn es in die Region fließt, die von Abwanderung am meisten betroffen ist. Ich frage Sie, Frau Landeshauptmann: Können Sie sich mit derartigen Aussagen Ihres Regierungskollegen identifizieren, oder unterstützen Sie diese vielleicht? – Ich würde diesbezüglich gerne eine Antwort von Ihnen hören, ich habe nämlich bis jetzt auch noch keine Dementis dazu gehört.


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655. Sitzung / Seite 56

Ich kann Kollegen Weilharter nicht so oft zitieren, aber er hat mir einiges vorweggenommen, und ich wiederhole es trotzdem: Er hat richtigerweise gesagt, daß Sie heute auf wichtige Fragen der Steiermark nicht eingegangen sind, vielleicht auch deswegen, weil die Zeit zu kurz war. Ich darf trotzdem noch eine Frage betreffend Semmeringtunnel an Sie richten, Frau Landeshauptmann: Haben Sie in der Zwischenzeit Gelegenheit gehabt, gerade aufgrund des Unglücks im Tauerntunnel, mit Ihrem Landeshauptmannkollegen Pröll darüber zu sprechen, ob er jetzt von seinem Nein abgeht, und zwar gerade jetzt, da auch Forderungen aufgestellt werden beziehungsweise Vorstöße da sind, die Gefahrenguttransporte auf die Schiene zu verlagern? – Gerade in Hinblick darauf müßte ein sofortiger Ausbau des Semmeringtunnels erfolgen. (Bundesrat Ledolter: Diese sind obendrüber genauso möglich! – Beifall des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

Im Zusammenhang mit dem Unglück im Tauerntunnel beziehungsweise Ihren Ausführungen, Frau Landeshauptmann, betreffend den raschen Ausbau der zweiten Röhren in den Straßentunnels steht meine Bitte an Sie, alles zu unternehmen, damit der Straßenausbau im Ennstal endlich in Angriff genommen wird, denn durch die Verlagerung des Verkehrs wird sich in der kommenden Sommersaison, in der Urlaubszeit einiges abspielen, und wenn ich sage, "einiges abspielen", dann ist das noch untertrieben. (Bundesrat Meier: 25 Jahre!)

Dieses zusätzliche Verkehrsaufkommen ist den Anrainern auf Dauer nicht mehr zumutbar. Frau Landeshauptmann! Bitte tun Sie etwas, wenn Sie für das Ennstal sind, wenn Ihnen die Leute dort am Herzen liegen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.37


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 57

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Alfred Gerstl das Wort. – Bitte.

12.37

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Landeshauptmann! Herr Präsident! Niemand hat sich durch das Blinken der Lampe (Bundesrat Dr. Tremmel: Beeinflussen lassen!) an die Zeitvorgabe gehalten. Ich habe mich zu Wort gemeldet – nicht nur deinetwegen, lieber Pauli, weil du sagtest: "Frau Landeshauptmann, wie Sie richtigerweise sagen ..." und dabei vergessen hattest, weiterzusagen: "und handeln!" –, weil ich einiges kommentieren möchte, was die Frau Landeshauptmann richtigerweise bezüglich der im Südosten an die Steiermark angrenzenden Länder und Sorgen der Steiermark gesagt hat.

Es sei vermerkt, daß wir Steirer ein besonderes Einfühlungsvermögen, vor allem für unsere südöstlichen Nachbarn, besitzen. Das wurde uns seinerzeit in weiser Voraussicht durch Altlandeshauptmann Josef Krainer gelehrt, der Brücken schlug, und dies zu einer Zeit, als andere noch vom undurchdringlichen Eisernen Vorhang sprachen. Sie hörten von unserer Landeschefin auch, daß vor mehr als 20 Jahren von der Steiermark die Initiative für die Schaffung der ARGE Alpen Adria ergriffen und damit ein Weg des Miteinanders in die Zukunft unseres Raumes Süd-Ost begangen wurde.

Wenige wissen aber, daß dem schon vor mehr als 30 Jahren Initiativen der steirischen Landessportorganisation mit Unterstützung der Landesregierung für sportliche Leistungsvergleiche sowohl im Fußball als auch in der Leichtathletik und so weiter vorangegangen sind und dies Impulse und Freundschaften mit Ungarn, Slowenen, Kroaten und Serben auslöste.

Vielleicht ist es anmaßend von mir, wenn ich behaupte, daß im Bruderkrieg in Jugoslawien vieles anders gekommen wäre oder es diesen nicht gegeben hätte, hätte man Steirer in die außenpolitischen Initiativen für den Südosten miteingeschaltet. Jedenfalls möchte ich heute für die Aktivitäten, die unsere Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic zur nachhaltigen Absicherung des Grenzlandes gesetzt hat und der Steiermark hiemit die Chance gibt, Zentrum einer florierenden Zukunftsregion im Südosten zu werden, mit besonderer Herzlichkeit danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

12.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile weiters Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic das Wort. – Bitte.

12.40

Landeshauptmann von Steiermark Waltraud Klasnic: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde versuchen, in einem raschen Tempo ein paar Antworten zu geben.

Ich kann Kollegen Tremmel sehr gut verstehen, wenn er sagt, die Präsidiale habe einen "charmanten Absolutismus". – Ich würde Sie bitten, daß Sie bei Ihrer Klubobfrau und bei Ihrem Klubobmann mithelfen, denn soweit ich weiß, sind die Beschlüsse dort einstimmig gefaßt worden, daß man diesen Weg mit der Möglichkeit Bundesrat in der Geschäftsordnung so geht. Aber man kann ja etwas verändern, wenn es der Wunsch ist, und diskutieren sollte man immer. Veränderungen kann man nachkommen.

Zu der derzeitigen Situation betreffend Bezirksgerichte. Die Antwort lautet, das sind formale Verhandlungen. Gleichzeitig weise ich darauf hin, daß die Steiermark das erste Bundesland war, das zum Beispiel bei der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld einen sogenannten Bürgersprechtag eingeführt hat, an dem man zu einem einfachen Schalter, bei dem man einen Beleg abgibt, gehen und sagen kann, was man möchte, und man daher nicht zu drei Beamten gehen muß. – Das heißt, wir können Bürgernähe schon zeigen, und darum auch der Kampf um die Bezirksgerichte.

Zum Konsultationsmechanismus kann ich sagen, daß er zum Beispiel von der Steiermark in der vorigen Woche zum Thema Anlagenrecht "angerufen" wurde – ähnlich wie von anderen Bundesländern –, und zwar vorsorglich, weil die jetzige Vorlage in dieser Form von uns nicht akzeptiert wird. Für die Steiermark kann ich sagen: Wir haben einen Konsultationsmechanismus mit den Gemeinden unterschrieben, nämlich mein Kollege, Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Schachner, in seiner Funktion als Gemeindereferent und ich, und zwar zwischen Gemeinden und Land, und erst später ist der Bund gefolgt. Daß die Mandatare diesbezüglich Wünsche haben, ist verständlich. Ich habe den Verhandlungsvorgang auch lange miterlebt.

Sie haben aber in einem anderen Punkt gesagt: Wir können fordern, was wir wollen, wenn kein Geld vorhanden ist, wird es das nicht geben. – Damit kann ich nicht ganz einverstanden sein, und ich glaube, damit sind wir alle nicht einverstanden. Dann muß es eben neue Prioritäten geben! Als ich am Wochenende zugehört habe – ich sage bewußt: zugehört habe –, habe ich immer von der Priorität Sicherheit gehört. Und dann muß man nachdenken, was für diese Priorität Sicherheit eingebracht werden muß. Darum nehme ich das so nicht als gegeben hin.

Zur Geschichte betreffend Freibier, weil sie ein paarmal erwähnt worden ist: Freibier ist im Zusammenhang mit der Föderalismusdiskussion nicht geäußert worden, Freibier war die Antwort auf die 15 Prozent Strompreissenkung aus der Sicht einer anderen mitwerbenden Partei. Das war die Antwort, daß, wenn man eine Umfrage macht, daß etwas billiger werden soll, es aus der Sicht des Konsumenten natürlich positiv sein soll.

Zum zweiten, weil auch damit diese Frage beantwortet werden soll: Es hat Herr Landesrat Hirschmann vor einigen Jahren – ich glaube, im Sommer vor zwei Jahren – in einer raschen Pressekonferenz die Diskussion über Föderalismus vorgestellt. Bei raschen Pressekonferenzen hört man nur einige Sätze, und die Diskussion darüber ist in ganz Österreich entflammt. Vorige Woche waren das nicht die Aussagen von Landesrat Hirschmann, sondern ein zusammengefaßtes Buch – ich werde mich bemühen, daß dieses Buch den einzelnen Fraktionen zur Verfügung gestellt wird –, das von einem Verantwortlichen der Universität geschrieben wurde und eine Diskussionsgrundlage ist – ich sage bewußt: eine Diskussionsgrundlage.

Ich glaube, wir haben etwas ganz verlernt: Zu allem, wenn wir es hören, auch wenn es aus dem Zusammenhang gerissen ist, sagen wir, es sei furchtbar. – Reden wir darüber! Es kann auch das eine oder andere Gute dabeisein, das wir annehmen wollen und sollen.


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Nächstes Thema: Die 4,8 Milliarden sind erfolgt, das heißt aber: zurückgeben. Sie haben gemeint, Österreich hat zuviel gezahlt. Ich glaube, daß Österreich in vielen Bereichen zuviel zahlt, weil wir noch soviel anderes auch einbringen. Aber ich sage bewußt dazu: Ich habe ganz sicher nie behauptet, daß das 4,8 Milliarden für die steirischen Grenzregionen sind. Das kann ich mir nicht vorstellen und ist auch nicht so zu verstehen, sondern es wird eine Förderkulisse geben, in der es ein Ziel 1-, Ziel 2- und Ziel 3-Gebiet gibt, und so ist es gemeint.

Daß die Tankstellen Probleme haben, ist uns bekannt. Ich glaube aber, daß der Vorschlag, den es gegeben hat, nämlich ungefähr in Wildon die Grenze zu bilden, nicht zielführend ist, weil dann eigentlich nur das Problem von der Grenze nach Wildon verlagert wird, denn auch dort gibt es einen Wettbewerb. Da müssen wir nach einem gemeinsamen Weg suchen.

Ich halte den Vorschlag Verwaltungsakademie für sehr bemerkenswert und richtig. Ich darf nur berichten, daß zum Beispiel in Budapest von seiten der Landesverwaltungsakademie schon jetzt Kurse stattfinden, daß wir versuchen, solche Hilfestellungen zu geben, daß die Erwachsenenbildungsorganisationen unseres Landes in den Grenzregionen aktiv unterwegs sind, daß es diesen Austausch laufend gibt und daß auch in Marburg schon ähnliches vorhanden ist. Aber man kann es vielleicht auf einen Nenner bringen: Der Vorschlag ist wichtig.

Sie haben mich nach der Ennstal Bundesstraße gefragt. Auch diese Frage ist ein paarmal erwähnt worden, und ich gehe in der Reihenfolge darauf ein, wie die Fragen gekommen sind. – Die Umfahrung Stainach hat der Verkehrsreferent, Herr Landesrat Ressel, vorige Woche im Landtag behandelt. Das heißt, Stainach wird entlastet, diese Umfahrung kann stattfinden, aber über die Diskussion der Ennstrasse brauche ich Ihnen nichts zu erzählen: Solange Menschen das Sagen haben, die dort nicht zu Hause sind, und nicht jene, die davon betroffen sind, werden wir im österreichischen Bereich in bezug auf Verkehrswege nach wie vor unsere Schwierigkeiten haben. Manche sind erst dann ruhiger, wenn Schreckliches passiert ist. (Zwischenruf des Bundesrates Meier. ) – Dazu sind Sie herzlich eingeladen! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Meier. )

Ich sage nur dazu: Alles kann das Land auch nicht allein lösen. Schauen wir uns doch einmal die Verfahrenswege an, wann man eine Antwort bekommt. Das ist es! Ich muß wissen, wie lange ich auf einzelne Rechtsgutachten warte! (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist es! – Bundesrat Prähauser: Die Politik muß manchmal mutiger sein!) – Ich freue mich über jede Unterstützung in diesem Haus.

Containerverkehr: Ich stimme Ihnen zu, daß Sie es grundsätzlich für richtig empfinden, wenn der Terminal eher an der Grenze angesiedelt sein könnte, ich stimme Ihnen aber deshalb nicht zu, weil der Großraum Graz ein pulsierender Wirtschaftsraum ist und dieser Terminal Kalsdorf fix und fertig ist. Ich habe ihn 1995 als Verkehrsreferentin von den Gutachten her und von den Kommissionen her fertig übergeben. Bis heute sind wir zwar wieder in guten Verhandlungen, aber wenn es nicht bald passiert, ist es zu spät, weil sich die Unternehmen selbständig machen müssen, weil sie nicht so lange warten können.

Als nächstes habe ich mir bei Ihnen, Herr Kollege Tremmel, das Thema AVNOJ und vor allem auch die Minderheitendiskussion mit dem slowenischen Nachbarn aufgeschrieben. So wie ich vor zwei Tagen in Budapest gewesen bin, werde ich in ungefähr drei Wochen in Slowenien sein. Ich sage aber auch, daß es nicht einfacher geworden ist, weil vieles auf nationaler Ebene verhandelt werden muß – ich sage bewußt: auf nationaler Ebene – und Minderheitenprobleme auch in Verbindung mit einem EU-Beitritt dann von der Kommission behandelt werden müssen. Es gibt aber einen einstimmigen Beschluß der Steiermärkischen Landesregierung – in dieser Landesregierung haben wir drei Parteien –, und es ist gut, daß wir nach Möglichkeit versuchen – zu 98 Prozent gelingt das auch –, einstimmige Beschlüsse zu fassen.

Die Frage von Vincenz Liechtenstein betraf den Ausschuß der Regionen, 222 Vertreter. Das ist etwas Besonderes, und es ist auch angesprochen worden. Kollege Stix und ich haben damals mit Frau Kommissarin Wulf-Mathies geredet, und sie hat gesagt, es sei ganz furchtbar. Die Bundesregierung hat auch einen Brief geschrieben, da könnte Wien dabei sein – Wien ist mit


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einem 5 Prozent-Programm dabei. Das ist der neue Weg der Strukturförderkulisse, auf den ich zurückkommen werde. Aber ich sage bewußt: In dem Auftrag bezüglich Grenzprogramm haben uns auch jene Bundesländer unterstützt, die mit einer Grenze in Richtung Osten nichts zu tun haben, denn Salzburg, Tirol und Vorarlberg haben in der Landeshauptleutekonferenz diesen Beschluß selbstverständlich mitgetragen, haben aber gleichzeitig darauf hingewiesen, daß sie sehr wohl vermerken möchten, daß sie dann, wenn es zu neuen Beschlüssen in Richtung Strukturförderkulisse kommt, erwarten, daß wir nicht vergessen, daß der Westen auch in schwierigen Situationen die Länder im Osten und Südosten unterstützt hat.

Herr Kollege Freiberger! Zur Agenda 2000: Diese Unterlage, die Sie haben, ist von mir in Auftrag gegeben worden. Ich habe gesagt, daß ich sie haben wollte – vor allem die Stellungnahme, wie es sich auf die Steiermark auswirkt. Ich darf Ihnen sagen: Wir haben gestern in der Steiermärkischen Landesregierung das Budget für das Jahr 2000 beschlossen, und es wird in vier Wochen dem Landtag vorliegen. Wir haben in der Landesregierung übereinstimmend dafür gesorgt, diesen Beschluß jetzt herbeizuführen, um ihn sozusagen aus der Hauptwahlwerbezeit herauszuhalten, weil wir bis zum Ende dieser Periode eine gute Arbeit leisten wollen.

Wenn Sie gleichzeitig die Wahrheit in Tageszeitungen hinterfragen, dann bitte ich Sie, mir dieses Inserat zu geben. Ich wiederhole noch einmal: Ziel 1, Ziel 2 und INTERREG.

In der Wortwahl habe ich Sie sehr gut verstanden. Ich habe betreffend Förderkulisse und Stellungnahme der Länder ähnliches von Kollegen Grabner im Steiermärkischen Landtag schon gehört.

Eine klare Antwort dazu: Die letzte Landeshauptleutekonferenz war in Igls in Tirol am 12., 13. April, wie ich meine. Dort wurde eine Vereinbarung zwischen den Landeshauptleuten und Herrn Staatssekretär Wittmann, der dort war, getroffen. Im Vorjahr hat der Herr Bundeskanzler vier Regierungsmitglieder beauftragt, diese Harmonisierung und diese Koordinierung herbeizuführen.

Wir haben dort vereinbart, daß wir eine Gesamtbetrachtung wünschen. Etwa eine Woche später, am 23., 24. April, ist diese Gesamtbetrachtung vom Herrn Staatssekretär geliefert worden. Es stand der Vorwurf im Raum, daß die Landeshauptleute säumig gewesen seien. Es konnte gar nicht früher geliefert werden, weil erst im März die Agenda abgehandelt worden ist. Man kann eine Gesamtbetrachtung nicht anstellen, bevor man nicht weiß, welches Ergebnis bei der Verhandlung herauskommt. Mir ist klar, daß Themen wie Ziel 1 und Ziel 2 in der Landeshauptleutekonferenz mit dem Bund, mit dem zuständigen Bundeskanzleramt abgeklärt werden müssen.

Nur eines sage ich schon sehr bewußt dazu: Wenn Sie sagen, daß es Protokolle gibt, in denen keine Wortmeldung von mir aufscheint, dann muß ich Ihnen eigentlich unterstellen, daß Sie Informationen über Dinge weitergeben, bei denen Sie nicht dabei waren und bei denen sich auch die Fakten anders darstellen. Mehr sage ich nicht dazu. Die Sitzung in Blumau habe ich geleitet, und wer mich kennt, weiß, daß ich nicht nur das Wort erteile, sondern daß ich auch einen Beitrag dazu leiste. In diesem Fall handelt es sich um ein zusammenfassendes Protokoll. Ich habe daher nicht nachgeschaut, wie oft ich etwas gesagt habe, sondern habe mich auf den Inhalt und den Beschluß konzentriert. In Blumau war allerdings von seiten des BKA nichts vorhanden, was wir beschließen hätten können, sehr wohl aber in Igls, wo es eine sehr heftige und sehr mutige Diskussion gab.

Es hat seither auch zwei Gespräche gegeben, eines in St. Pölten, eines in Tirol. In St. Pölten habe ich selbst teilgenommen, auch Herr Landeshauptmann Haider und zwei Referenten aus anderen Bundesländern. In Tirol hat mich Herr Landesrat Paierl vertreten, dort waren auch einige Landeshauptleute anwesend. Die nächste Runde wird am 24. 6. in Wien stattfinden. Gleichzeitig kann ich Ihnen mitteilen, daß ich den Integrationsausschuß erstens einmal nicht nur laufend informiere, sondern auch für 16. 6. vor der Sitzung am 24. 6. zu einem Gespräch eingeladen habe, weil mir das einfach wichtig ist.


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Herr Bundesrat Weilharter! Ich sehe eine Möglichkeit. Ich komme gerne wieder in den Bundesrat, ihr gebt mir drei Stunden, und ich erzähle alles, was ich sonst im steirischen Landtag sagen muß. Sie haben Fragen wie die 120 Millionen, den A1-Ring, den Semmering-Basistunnel, das Ennstal oder die Zivilluftfahrt-Flughafen-Geschichte angeschnitten. Gerade in der vorigen Woche wurde zur Frage Öffnen von Zeltweg zum Beispiel gefragt, wie groß der Bedarf überhaupt ist, woraufhin ich sagte, wir können das mit einer Wirtschaftlichkeitsanalyse belegen. Das ist eine Frage der Zeit, aber ich glaube, ihr wollt das gar nicht, ihr seid selbst ein wichtiges Gremium, und außerdem sind auch die Mitglieder der Bundesregierung hier vertreten. Sie sehen, die Frau Ministerin muß leider warten, aber ich beeile mich und versuche, rasch fertigzuwerden.

Aber eines muß ich schon sagen: Erstens einmal, wenn Sie mir bitte ein Bier geben, dann ein steirisches, zum zweiten einen 17er-Schlüssel dazu, denn ich habe Wasser trinken müssen, da das Bier nicht zu öffnen war. (Bundesrat Meier: Das war steirisches Wasser!) In Wien gibt es nur steirisches Wasser, und das wird seit Kaisers Zeiten gratis geliefert.

Ein Zweites ist, daß Sie das Gefühl haben, daß mein Ruf und meine Reputation Schaden erleiden könnten. Ich bedanke mich bei Ihnen, denn wenn sie Schaden erleiden, dient es den Mitbewerbern. Das ist es. Daher werden wir schauen, daß es nicht zu schlimm ist, denn sonst haben Ihre und auch andere Kollegen zuviel neue Chancen. Also muß ich mich um meinen Ruf sehr kümmern. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Klima in der Steiermark ist so, daß sich tatsächlich einer um den anderen Sorgen macht. Auch ich habe es nicht gerne, wenn meine Kollegen in irgendeiner Form eine Rufschädigung oder einen anderen Schaden erleiden. Es ist so, daß ich oft dem einen oder anderen eine Aussage übermittle, so wie es auch andere bei mir tun. Wir müssen zusammenhalten, wenn auch in den Zeitungen manchmal anderes zu lesen ist. Im Grunde genommen haben wir ein Ziel, und das ist, unser Bundesland gut zu vertreten.

Hannes Missethon! Ich habe gesagt, Ungarn, Slowenien gilt mein nächster Besuch. Noch einmal: Ich denke an eine Geschichte, die sich im Landwirtschaftsbereich abspielt. Das Verhandeln ist wirklich schwieriger geworden, denn früher ist der slowenische Landwirtschaftsminister gekommen und hat bei uns mit dem zuständigen Landesrat geredet. Jetzt ist die Ebene der österreichische Landwirtschaftsminister. Das ist eine Veränderung der Situation, aber damit müssen wir fertigwerden. Ich versuche, diese Gespräche nach Möglichkeit massiv aufrechtzuerhalten.

Die Bezeichnung "Krisengebiet" – das sagen uns Hochrangige – ist weg. Das heißt aber nicht, daß wir nicht in den nächsten Jahren noch einiges an Aufbau- und Nachholarbeit zu leisten haben. Ich sage das bewußt auch deshalb, weil gerade die Verhandlungen der Strukturförderkulisse wieder zeigen werden, daß wir noch einen Nachholbedarf haben. Kollege Freiberger wird mir recht geben, wenn ich sage: Die Bezirke, die dort an der Grenze unten ans Ziel 1-Gebiet angrenzen, unterscheiden sich kaum von den angrenzenden Bezirken im Burgenland, dort gibt es ziemlich dieselben Anliegen. Es ist in erster Linie der Großraum Graz, der sich wirtschaftlich gut erholt hat. Wir haben in der Obersteiermark vieles zu tun, aber es ist besser geworden.

In diesem Sinn möchte ich die Gelegenheit nutzen, weil die Frau Ministerin da ist, zu sagen: Wir haben für steirische Programme, wie Startjob, Job 2000, ältere Arbeitnehmer, Bildungsscheck, gestern im Budget wieder viele Mittel beschlossen. Ich bedanke mich für den NAP und dafür, daß nicht alle Bundesländer alles ausgeschöpft haben und somit die Steiermark mehr bekommen hat. Das ist nur gut. Wir nehmen das gerne an. Ich darf sagen, wir haben das steirische Aktionsprogramm zugeschaltet. Das ist eine gemeinsame Arbeit der Landesregierung. Daß es nach wie vor Schwächen und Stärken gibt, das wissen wir. Wir werden versuchen, zu bewirken, daß sich die Waage insofern hebt, als die Stärken stärker nach vor kommen und die Schwächen immer weniger werden. Im Grunde genommen muß es auch immer neue Aufgaben geben, sonst würden wir Politiker kaum mehr gefragt sein.


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Frau Kollegin Schicker! Sie haben auch einiges angesprochen. Ich sage noch einmal, ich werde das Buch zur Verfügung stellen, damit wir darüber diskutieren können. Zur Obersteiermark und zum Bezirk Leoben: Zum Beispiel bei der Eisenstraße und bei den gestrigen Beschlüssen das Budget betreffend handelt es sich um ein Dreiländerprogramm, also um ein Programm, das nicht nur die Steiermark betrifft. Ich denke an Aflenz. Peter Polleruhs hat es zwar nicht hier im Plenum, sondern schon draußen vor der Tür gesagt, ich freue mich, daß wir endlich im Thermenbereich ein Stückchen weiter sind.

Ich denke an den Präbichl. Sie wissen so gut wie ich, daß ich von Beginn an gesagt habe, der Präbichl hat eine ausgebaute Piste. Dort soll es geschehen. Programme, von denen wir gehofft haben, daß sie kommen, aber bei denen Schwierigkeiten zu vermuten waren, weil nicht einmal mit dem Grundeigentümer gesprochen wurde, so wie Eisenerz, sind leider nicht gelungen.

Wir brauchen Leitprojekte, und da ist der Unterschied in der Aussage. Wir brauchen einen Leitbetrieb, dann können sich die Kleinen und die Mittleren rundherum stärken und auch bewerben. Wir dürfen aber auch unsere privaten Unternehmer, die mit ihren eigenen Mitteln und mit ihrem eigenen Risiko das eine oder andere umsetzen und sehr viel Geld investieren, nicht im Stich lassen. Im gestern beschlossenen Budget ist in dem Sinn auch dem privaten Unternehmer genauso recht gegeben worden wie der Aufgabe der Holding. Das heißt, der Widerspruch ist nicht so groß, aber es tut halt manchmal ganz gut. (Bundesrätin Schicker: Die Ausdrucksweise ist nicht gut!) Die Ausdrucksweise, ja – Sie wissen ohnehin, es gibt in vielen Parteien verschiedene Menschen, und jeder geht den Weg des Erfolgs. Solange es dem Land dient, können Sie einiges tun.

Es hat mich jemand gefragt, ob ich mit meinem Kollegen Pröll in den letzten Tagen geredet habe. – Das habe ich nicht, weil er in dieser Frage nicht mein Ansprechpartner ist, sondern mein Ansprechpartner ist die Bundesregierung und der zuständige Verkehrsminister, der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler. Bei diesen zuständigen Stellen habe ich mich selbstverständlich gestern gemeldet. In diesem Fall ist es um die Straßentunnel und um den zweiten Ausbau gegangen. In der Sache Semmering-Basistunnel entscheidet momentan der VGH, eine Entscheidung steht für Juni an. Also es wäre kein Grund gewesen und kein Anliegen in diesem Fall, daß man dort momentan andere Gespräche führt.

Wenn Herr Bundesrat Gerstl vom Einfühlungsvermögen für Nachbarn von Josef Krainer Vater, so habe ich ihn verstanden, gesprochen hat und davon, wie früh er das schon gesehen hat, dann muß ich sagen, es ist auch gut, daß es dieses Zusammenwirken gerade mit unseren Nachbarn – das Thema heute war Grenzland – schon seit Jahren und Jahrzehnten in der Steiermark gibt, weil wir damit doch das eine oder andere auf einer Ebene klären können, die sehr nachbarschaftlich und auch sehr glaubwürdig ist.

Ich selbst darf nur sagen: Ich würde die Damen und Herren des Bundesrates ersuchen, wenn Sie Initiativen setzen wollen, wenn Sie Ideen haben oder wenn Sie das Gefühl haben, daß Sie uns irgendwo unterstützen können – ich kann wahrscheinlich in anderen Bundesländern wenig helfen, aber in der Steiermark kann ich das –, dann bin ich für jede Wortmeldung und für jede Initiative sehr dankbar. In diesem Sinne, Herr Präsident, meine Damen und Herren, war es gut, wieder einmal hier zu sein. Ich komme sicher wieder. Aller guten Dinge sind mindestens drei. (Beifall bei ÖVP, SPÖ sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Konecny gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

13.00

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsordnung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe um das Wort zur Geschäftsordnung gebeten, weil es mir notwendig erscheint, die Frage zu klären, wer den Bundesrat nach außen vertritt – sein Präsident und seine beiden Vizepräsidenten oder die FPÖ-Fraktion.


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Im Nationalrat wird heute bekanntlich eine dringliche Anfrage der FPÖ behandelt. Die FPÖ hat im Nationalrat mitgeteilt, daß sie darauf besteht, daß Verkehrsminister Einem, obwohl die Anfrage nicht an ihn gerichtet ist, auf der Regierungsbank Platz nimmt. Auf den Hinweis, daß gemäß der Tagesordnung im Bundesrat der Herr Verkehrsminister Vorlagen seines Ressorts zu vertreten hat, hat die FPÖ im Nationalrat mitgeteilt, daß sie auf die Anwesenheit von Minister Einem im Bundesrat verzichtet.

Ich halte das für eine unerhörte Vorgangsweise. Ich beantrage eine Unterbrechung der Sitzung und die Einberufung einer Präsidialkonferenz. Das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Bevor ich die Sitzung unterbreche, möchte ich fragen, ob zum Gegenstand der Beratung, der Erklärung der Frau Landeshauptmann, noch jemand das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung wunschgemäß zur Abhaltung einer Präsidialkonferenz auf eine halbe Stunde.

(Die Sitzung wird um 13.02 Uhr unterbrochen und um 13.33 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Gottfried Jaud: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung – um 13.33 Uhr – wieder auf.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Gottfried Jaud: Ich nehme auch die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

Ich gebe bekannt, daß die Äußerungen bezüglich Verzicht auf Anwesenheit von Minister Einem hier im Bundesrat auf der Grundlage des Stenographischen Protokolls des Nationalrates geprüft werden. Wenn dieses vorliegt, werde ich es bekanntgeben.

Ich möchte die nachfolgenden Redner bitten, ihre Ausführungen nach Möglichkeit kurz zu fassen, damit wir eine Kollision mit dem Nationalrat vermeiden. Außerdem möchte ich all jene, die in ihrer Partei etwas zu sagen haben, darum bitten, darauf aufmerksam zu machen, daß gleichzeitige Sitzungen von Bundesrat und Nationalrat nach Möglichkeit zu vermeiden sind. Da wir als Bundesrat unsere Termingestaltung schon seit langem festgelegt haben, wäre es gut, wenn sich in diesem Fall der Nationalrat nach unseren Terminen richten würde.

Als nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

13.35

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde der Bitte des Herrn Präsidenten entsprechen und mich kurz fassen, weil ohnehin von meinen Kollegen schon vieles ausgeführt worden ist.

Tatsache ist aber, daß das, was uns die Frau Ministerin heute hier präsentiert hat, ein kosmetisches Produkt ist. Es ist klar, daß es verkauft werden muß, schließlich haben wir Wahlkampf. Arbeitslosenzahlen, vor allem dann, wenn sie, insgesamt gesehen, eine leichte Tendenz nach unten haben, sind natürlich gut verkaufbar.

Trotz alledem möchte ich noch kurz anmerken, daß uns gerade betreffend den Bereich der Jugendarbeitslosigkeit immer wieder versichert wird, daß wir in Österreich die niedrigste Jugendarbeitslosenrate in der gesamten Europäischen Union haben. Das stimmt aber nicht!


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Wenn man sich nur die nackten Zahlen anschaut, dann möchte man es glauben. Tatsache ist aber, Frau Ministerin, daß von Ihnen viele Jugendliche einfach in Ausbildungsplätzen "geparkt" worden sind. Selbstverständlich wird Ihnen niemand widersprechen, wenn Sie sagen: Seien wir doch froh über jeden Jugendlichen, der irgendwo untergebracht ist!

Tatsache ist aber, daß die Lehrstellenlücke auch für diesen Sommer vorprogrammiert ist. Es stehen schon wieder 4 000 Lehrstellensuchende da, und die Zahl der Lehrstellen ist nicht mehr geworden, sondern im Prinzip gleich hoch geblieben. Sogar ÖGB-Präsident Verzetnitsch hat in einer Presseaussendung Anfang Mai davon gesprochen, daß er davon ausgeht, daß in nächster Zeit 1 000 Lehrstellen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und der Industrie wegfallen werden. Das vergrößert natürlich das Problem noch zusätzlich.

Das ist nicht nur unsere Meinung beziehungsweise zu dieser Erkenntnis kommen nicht nur wir, sondern auch das Wirtschaftsforschungsinstitut sieht dies so.

Ein weiteres Problem – ich kann nur hoffen, daß Sie sich schon darauf vorbereiten – stellen jene Lehrlinge dar, die Sie jetzt in Stiftungen untergebracht haben, denn diese werden danach dastehen und Arbeitsplätze suchen. Was werden Sie dann diesen Jugendlichen sagen? – Sie werden dann wahrscheinlich keinen Arbeitsplatz bekommen.

Auch Unternehmensgründungen werden immer nur groß angekündigt. Da heißt es: Das schaut ohnehin gut aus! Auch die Kollegen von der ÖVP haben sich heute an diesen Zug angehängt, weil man ihn nicht verpassen oder auf der Strecke bleiben will, denn die Arbeitspolitik verkauft vor allem die SPÖ. Damit Sie von der ÖVP unterwegs nicht verlorengehen, hängen Sie sich da an.

Auch bei den Unternehmensgründungen schaut die Situation nicht so hervorragend aus, wie Sie es behaupten. Den Bürokratiehürdenlauf zum Beispiel gibt es nach wie vor. Das "FORMAT" schrieb Anfang Mai in diesem Zusammenhang: Chefs in der Warteschlange, über staatliche Gründeroffensiven können sie nur lachen. Tausende Österreicher, die gerne ihre eigene Firma hätten, scheitern an Gesetzen und an der Bürokratie und an den Behörden. Alles wie gehabt, alles leere Versprechungen und in Sonntagsreden dargestellt.

Wir sind der Meinung ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Was hat das damit zu tun? (Rufe bei der SPÖ: Sehr viel!)

Sie müssen sich endlich einmal dazu aufraffen, echte Reformen durchzuführen. Eine wichtige Maßnahme wäre die Entlastung des Faktors Arbeit, bei dem bis jetzt noch nichts geschehen ist. Es wird immer nur angekündigt, aber weit und breit ist davon nichts zu sehen. Wenn Sie sich dazu durchringen könnten, dann wird man wahrscheinlich von einer Trendumkehr sprechen können. Jetzt ist es nicht so! Jetzt ist es reine Kosmetik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.40

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile es ihm.

13.40

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Zuerst muß ich folgendes sagen: Ich wußte nicht, daß Kollege Drochter die Diskussion zum NAP als Job-Börse für einige Regierungsmitglieder ansieht. Er meinte, Wolfgang Schüssel könnte sich – zusätzlich zu seiner Funktion als Außenminister – der Klein- und Mittelbetriebe annehmen. Dazu möchte ich ihm folgendes sagen: Die Klein- und Mittelbetriebe wären froh darüber, denn Wolfgang Schüssel versteht auch davon etwas, weil er sich nicht nur auf einer Schiene bewegt. Ob die OMV so glücklich wäre, wenn die Herren Klima, Ruttenstorfer und Einem wieder zur OMV zurückkämen, ist eine Sache, die noch ausdiskutiert werden sollte.

Auch die nächste Bemerkung sei gestattet: Manchmal habe ich den Eindruck, daß mit dem Begriff "Konservative" ein bisserl Schindluder getrieben wird. So hat Karl Drochter gemeint, die


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655. Sitzung / Seite 64

Konservativen wären die Bösen und die Sozialdemokraten die Alleinseligmachenden gewesen. – Schlag nach bei Bruno Aigner.

Im "Kurier" vom 20. März ist unter anderem zu lesen: Die SPÖ hat auf ihrem ureigensten Feld, im sozialen Bereich und im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, nachgelassen. Der "Kurier" schreibt auch, daß einer der Gründe der Niederlage in Kärnten die Präpotenz der Kärntner SPÖ sei. Aber Schwamm darüber, das wollte ich nur sagen, damit wir zum Thema kommen.

Daß Kollege Ledolter seine Position zum NAP von seiner Warte aus darstellt, ist durchaus gerechtfertigt, und ich würde mich nicht wundern, wenn nach mir Kollegin Giesinger auch noch das eine oder andere von Ihrer Position aus anmerkt. ÖGB-Vizepräsident Nürnberger hat eine Aussage in der "Presse" gemacht, die mit den Beschlüssen des ÖGB auch nicht konform geht, und zwar eine Aussage betreffend den 13. und 14. Monatsgehalt – das ganz kurz noch zu diesem Thema.

Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Über den Bericht, den die Frau Bundesministerin heute hier gegeben hat, können eigentlich wir alle, die wir in diesem Land Verantwortung für Sozialpolitik und Beschäftigungspolitik tragen, froh sein.

Die Vertreter der Oppositionsparteien, und zwar nicht nur diejenigen, die hier in dieser Kammer sitzen, sondern auch jene im Nationalrat, argumentieren im Bereich der Sozialpolitik und der Beschäftigungspolitik ausschließlich mit der Zahl der Arbeitslosen. Es ist überhaupt keine Frage, daß jeder Arbeitslose, den es gibt, einer zuviel ist und daß die Politik die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen hat, daß die Zahl der Arbeitslosen möglichst niedrig ist.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren von der Opposition! Ich lade Sie ein, nicht immer nur mit Halbwahrheiten zu operieren, sondern dann, wenn Sie schon sagen, daß die Zahl der Arbeitslosen bedauerlicherweise gestiegen ist, was nicht falsch ist, auch richtigerweise zu erwähnen, daß die Zahl der Beschäftigten in den letzten Monaten und Jahren genauso gestiegen ist. Ich würde Ihnen raten, nicht nur Ihre Parteipressedienste zu lesen, sondern auch jene Unterlagen zur Hand zu nehmen, die authentisch sind.

So gab es im März dieses Jahres 3 066 832 Beschäftigte, was im Vergleich zum 31. März des Vorjahres eine Zunahme um 33 239 Beschäftigte oder um 1,1 Prozent bedeutet. Das ist im Jahresvergleich ein Zuwachs von 15 249 Personen oder von 0,89 Prozent.

Oder: Die Beschäftigtenzahl im April des heurigen Jahres betrug 3 075 643. Im Vergleich zum 30. April des Vorjahres ist das ein Mehr um insgesamt 26 177 Personen beziehungsweise um 0,86 Prozent. Die Zahl der männlichen Arbeitskräfte stieg zum Stichtag um 9 626 Personen beziehungsweise um 0,55 Prozent, die der weiblichen um 16 551 Personen beziehungsweise um 1,26 Prozent.

Die Zahl der männlichen Arbeitskräfte hat sich im Vergleich zum Vorjahr in Oberösterreich, in der Steiermark und in Tirol am stärksten erhöht. Den größten Zuwachs an weiblichen Arbeitnehmern verzeichnete Niederösterreich, obwohl – das sage ich jetzt dazu – der Landeshauptmann von Niederösterreich keine Anleihe bei fremden Kulturen genommen hat und seine Sympathie zu den Damen nicht in der Weise signalisiert, daß er sich haremsgleich als einziger Mann mit einer großen Anzahl von Damen fotografieren läßt.

Es ist ein Unterschied, ob von etwas oder über etwas geredet wird, und wenn wir in der Regierung von Beschäftigung und von Arbeitsplatzsicherung reden, dann tun wir auch etwas dafür und reden nicht nur darüber. Das wollte ich einmal in aller Klarheit gesagt haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir müssen uns, Hohes Haus, dessen bewußt sein, daß auch die Zahl der geringfügig Beschäftigten gestiegen ist und daß das – Frau Ministerin, du hast es auch angesprochen – im Zusammenhang mit der Diskussion um die Sicherung unseres künftigen Sozialsystems sicherlich ein Punkt ist, den wir in Zukunft nicht vernachlässigen dürfen, weil nur Vollerwerbstätige volle Beiträge in die Sozialversicherung einzahlen.


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Was die Frage des Schwarzarbeitsgesetzes – nicht der Schattenwirtschaft oder der Schwarzbeschäftigten – und die Diskussion darüber betrifft, so meine ich, daß wir uns davon abwenden sollten, daß wir die Entweder-Oder-Position einnehmen. Gerade die Österreichische Volkspartei hat sich klar dazu bekannt, daß wir der organisierten Schattenwirtschaft und der Schwarzarbeit den Kampf ansagen werden, aber ich glaube, daß auch da – wie in vielen Feldern der Politik – die Frage der Verhältnismäßigkeit anzuwenden ist.

Bei aller Kritik, die es gibt, was AMS und all die Dinge, die immer wieder im Zusammenhang mit solchen Diskussionen hochkommen, betrifft, muß man sagen, daß von den 106 Dienststellen, die es österreichweit in der Arbeitsmarktverwaltung gibt, die meisten – das sage ich in aller Klarheit! – ihre Arbeit gut machen. Mir ist es allemal lieber, daß wir auch für Schwervermittelbare eine Nische haben, als wir würden alles dem freien Markt überlassen.

Was die sogenannten Fleißigen und Tüchtigen betrifft, so sind wir gerade im Zusammenhang mit der Diskussion um die Gewerkschaftsgründung am 1. Mai vor einem Jahr draufgekommen, daß Sie von den Freiheitlichen eher für die Schleißigen und Flüchtigen und weniger für die Fleißigen und Tüchtigen zuständig sind. Aber daß die Fleißigen und Tüchtigen dann keine Probleme haben und die Schwervermittelbaren auf Almosen angewiesen sind, kann auch nicht richtig sein.

Im großen und ganzen kann ich zum Bericht folgendes sagen: Die Richtung stimmt! Was die Länder daraus machen, ist Landessache. Ich darf hier sagen: Das Land Niederösterreich unter Landeshauptmann Pröll hat beispielsweise mit der Pröll-Prokop-Initiative und einigen anderen Ansätzen Gutes geleistet.

Es gibt halt einen Unterschied: Die einen versprechen den Kinderscheck und machen daraus einen Kinderschreck (Bundesrat Dr. Tremmel: Meinst du jetzt Frau Landeshauptmann Klasnic?), und die anderen reden nicht über Arbeitsplatzpolitik, sondern machen sie. – In diesem Sinn nehmen wir den Bericht und alle Vorlagen zur Kenntnis. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.49

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. Ich erteile es ihr.

13.49

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich halte es mit Ingeborg Bachmann, und zwar nicht nur in diesem Fall, sondern grundsätzlich: Die Wahrheit ist den Menschen, auch den Parlamentariern, zumutbar. Daher verspreche ich Ihnen nicht, mich in aller gebotenen Kürze zu artikulieren, und zwar genau deshalb, weil es zuvor einige Aussagen gab, die nicht nur korrigiert, sondern auch mit Fakten und Tatsachen konfrontiert gehören.

Im Sinne der politischen Kultur des Umgangs von Frauen in Parlamenten erspare ich mir die Aufzählung der Namen dieser Kolleginnen und reduziere mich auf die beiden Kollegen Bösch und d'Aron.

In Ihren Ausführungen betreffend die Nichtwirksamkeit des NAP und der beschäftigungspolitischen Maßnahmen des Bundes haben Sie verschwiegen, daß es in der Republik Österreich ein Bundesland gibt, in dem neuerdings ein Landeshauptmann regiert, dessen erste politische Tat und Leistung es war, explizit jenen Bereich der ohnehin schlecht verdienenden Menschen, sprich den Reinigungsdienst, zu privatisieren und damit auch Menschen zu entlassen.

Faktum ist, daß es ein Bundesland gibt, in dem es einen Landeshauptmann gibt, der zwar für Krankenanstalten nicht zuständig ist – aber um Zuständigkeiten kümmern wir uns nicht im Sinne der allumfassenden Machtausübung –, der aber das Krankenanstalten- und Gesundheitswesen privatisieren will. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch.  – Bundesrat Prähauser: In einer Jungfernrede unterbricht man nicht!) Wir wissen natürlich, daß eine Privatisierung der Krankenanstalten Punkt 1 bedeutet, daß das für die Patienten – unter Anführungszeichen – "billiger" wird, wir wissen Punkt 2, daß damit die Beschäftigungsrate "steigen" wird, und wir wissen


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Punkt 3 natürlich, daß damit auch die Löhne im Bereich der Krankenanstaltenbeschäftigten im Bundesland Kärnten "in die Höhe schnellen" werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.) Das wird wahrscheinlich das beschäftigungspolitische Konzept der FPÖ sein. (Bundesrat Ing. Scheuch: Die SPÖ war noch nie leistungsorientiert!)

Ich verweise darauf, daß die FPÖ ein grundsätzliches Problem nicht nur mit der Frage und dem Begriff der Beschäftigungspolitik hat, sondern auch grundsätzlich mit der Umsetzung von beschäftigungspolitischen Maßnahmen. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Sie hören doch hin. (Bundesrat Ing. Scheuch: Vor den Wahlen hätten Sie das sagen sollen!)

Dafür habe ich Gott sei Dank einen Zeugen, einen leibhaftigen und lebendigen Zeugen, Herr Kollege Scheuch weiß es, weil er damals in der ersten Phase des Kärntner Wahlkampfes an der Spitze der Haider-Bewegung stand und unter anderem auch für diese erste Scheckvariante mitverantwortlich war. (Ausrufe des Erstaunens bei SPÖ und ÖVP.) Mittlerweile haben wir die 13. Variante. Er weiß ganz genau, daß bei der ersten Scheckvariante – dafür gibt es Originale und Belege – von folgendem gesprochen wurde: Scheck bedeutet – ich komme dann noch darauf, was es tatsächlich bedeuten soll – unter anderem, daß wir uns 1 000 öffentlich Bedienstete ersparen! (Bundesrat Prähauser: Tausend Kindergärtnerinnen!)  – Wissen Sie, wer damit gemeint war? – Das waren 1 000 Kindergärtnerinnen und Kindergartenpädagoginnen! (Bundesrat Konecny: Bravo!) Natürlich hat die FPÖ richtigerweise das Papier sofort zur Seite gelegt, da auch die SPÖ und andere Parteien rechnen können. (Bundesrat Weilharter: Tausend Kindergärtnerinnen gibt es in Kärnten gar nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Wer nicht den Mut hat, sich ans Rednerpult zu stellen, dem gebe ich in demokratischer Kultur auch die Zeit für Zwischenrufe.

Zweitens: Faktum ist – da werden Sie nicht viel dazwischenbrüllen können, weil Ihr Parteivorsitzender heute nach wie vor dazu steht –, daß dieser Kinderbetreuungsscheck als Maßnahme zur Entlastung des Arbeitsmarktes eingeführt werden soll. Das heißt, Beschäftigungspolitik der FPÖ für Frauen bedeutet. Die "gewöhnliche" – unter Anführungszeichen –, die schlechtverdienende Frau, das gewöhnliche "Frauenvolk" – Zitat FPÖ – möge zu Hause bleiben, möge daheim bleiben (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch ), aber eine Haider-Schwester, eine Frau Riess-Passer und andere Frauen, die in den Parlamenten sitzen, haben das Privileg, politische Karriere und Laufbahn machen zu können. Der Rest der Frauen in der Republik Österreich möge daheim bleiben. (Bundesrat Ing. Scheuch: Sie auch! Das gilt für Sie auch! Sie sitzen auch da!) – Ja, ich verordne aber weder den Frauen noch den Kindern noch der österreichischen Bevölkerung eine Stillschweigeprämie und eine Daheimbleibeprämie! Das ist Ihr politisches Konzept und nicht unseres! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Das ist ja ein Wahnsinn! – Bundesrat Dr. Tremmel: Es ist unglaublich, wie Sie das interpretieren, wenn die armen Frauen zu Geld kommen sollen!)

Faktum aber ist – für diesen Hinweis bin ich dem Kollegen, der vor mir gesprochen hat, sehr dankbar –: Die Repräsentanten dieser Vereinigung einer Partei scheinen ihre lauten und österreichweit hörbaren Wortmeldungen bezüglich der Bezeichnung von Menschen, die keinen Job hatten, die arbeitslos waren, ganz vergessen zu haben. Vor vier Jahren noch, ja vor zwei Jahren noch haben Sie – nicht allein in diesem südlichen Kärntner Landtag, sondern österreichweit – die Gesellschaft in Fleißige, die einen Job und ein Einkommen haben, und in Faule, die Arbeitslosen und die Sozialschmarotzer, geteilt. Jetzt stellen Sie sich vor diese Gruppe hin und wollen dieser Gruppe gegenüber Mitleid heucheln und die erfolgreiche Konzeption der Bundesregierung in Frage stellen! (Bundesrätin Haunschmid: Unschuldig Arbeitslose waren damit nie gemeint!) Das glaubt Ihnen niemand – nicht einmal der Verzweifelte oder die Verzweifelte! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Bravo!)

Der allerletzte Punkt ist, daß natürlich gemäß Ihren Wortmeldungen der NAP und alle anderen Begleitmaßnahmen völlig ineffizient sind. Ihr Parteichef allerdings ist anderer Auffassung, denn in der vorwöchigen Landtagsrede, in seiner Wortmeldung nach der Regierungserklärung, hat Jörg Haider verkündet: Wir schließen uns dem erfolgreichen Konzept des NAP an. Das Land Kärnten wird natürlich alle NAP-Konzepte umsetzen (lebhafte ironische Heiterkeit des Bundesrates Windholz )  – daß er dabei die zwei Frauenstiftungen als seinen politischen Erfolg ver


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kauft und nicht als den der Bundesregierung, das gestehe ich ihm auch zu –, und er wird natürlich – man höre und staune! – die Kinderbetreuungseinrichtungen massiv ausbauen – wahrscheinlich deshalb, damit er diesen Kinderbetreuungsscheck nur eine kurze Zeit lang umsetzen muß, dann nimmt er ihn wieder zurück. (Bundesrätin Haunschmid: So ein Blödsinn!) Das ist Politik der sogenannten Freiheitlichen, ach nein, der wirklichen Freiheitlichen Partei.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Lassen Sie mich aber zum wesentlicheren Punkt kommen, nämlich zum NAP und zur Beschäftigungspolitik in Österreich. Nachdem Genosse Drochter zweimal halb zitiert und in Frage gestellt wurde (Bundesrätin Haunschmid: "Genosse" Drochter!), komme ich nicht umhin, zu sagen, daß die Tatsache, daß wir uns heute hier im Bundesrat und in Österreich und in Europa mit der Frage der Beschäftigungspolitik auseinandersetzen und dies zur zentralen Aufgabenstellung der europäischen Politik geworden ist, sehr wohl und ausschließlich sozialdemokratischer Herkunft und sozialdemokratischer Erfolg ist. (Bundesrat Hensler: Schon auch der ÖVP!)

Vorhin hat einer der Kollegen gemeint, daß Kreiskys Keynesianische Fiskalpolitik eine gnadenlose Schuldenpolitik gewesen sei. – Also ich würde mich da schon ein bißchen in acht nehmen! Diese Form der Politik war jedenfalls in Österreich, aber auch europaweit eine Meilensteinpolitik und keine Schuldenpolitik!

Zweitens: Nicht vergessen sollte auch werden – mag Ihnen diese Erinnerung auch noch so weh tun –, daß es einen Bundeskanzler gab, der Franz Vranitzky hieß, der sich unter teilweise lautem medialen Gelächter auch Ihres Parteivorsitzenden in der Frage der Beschäftigungspolitik damals schon für ein sehr starkes Lobbying auf europäischer Ebene eingesetzt hat.

Die Tradition dieser Politik in der SPÖ wird von der derzeitigen Bundesregierung erfolgreich fortgesetzt.

Das sind politische Pionierleistungen Österreichs auf europäischer Ebene, und ich glaube, da sollten auch Sie Veranlassung haben, sich im Namen der Republik Österreich eher stolz auf die Brust zu schlagen, als gegen diese erfolgreichen Maßnahmen aufzutreten. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Kollege Scheuch! Sie können sich dann ans Rednerpult stellen und Ihre Wortmeldung formulieren.

Nächster Punkt ist, daß diese Pionierleistung, die von manchen viel früher erkannt wurde – wie gesagt, damals sprachen andere noch von Sozialschmarotzern –, eine ganz konkrete politische Antwort auf eine äußerst beängstigende Konzentration des Kapitals auf dem freien Kapitalmarkt ist, das heißt eine Antwort auf diese Form der Kapitalvermehrung und -konzentration, die in erster Linie zu Lasten der Beschäftigten und auch zu Lasten des Anteils der Beschäftigten an der Kapitalverteilung geht. – Ich sehe das rote Licht, das tut mir sehr leid. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. )

Das Feindbild zu benennen, Herr Kollege Scheuch, fällt uns heute wahrscheinlich nicht mehr so leicht wie im vorigen Jahrhundert, aber ich denke, wir kommen dann überein, wenn wir dieses Feindbild ohne Gesicht "Götze Kapital" benennen. Ich denke auch, daß es richtig ist, daß die Kluft zwischen traditionellem betriebswirtschaftlichen Interesse, marktwirtschaftlichen Gegebenheiten und Volkswirtschaft immer größer wird.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen – auch von der FPÖ! Es ist heute politischer Trend – auch in meinem Bundesland Kärnten –, daß wir, um Budgets blindlings und nicht vernünftig zu sanieren, Gemeinwirtschaft ausschließlich mit betriebswirtschaftlichem Denken bemessen und damit auch – ich verweise nicht nur auf die Krankenanstalten – den Standard reduzieren. Blindes Anhängen der Theorie eines schlanken Staates bedeutet, daß sowohl auf der Seite der Privatwirtschaft als auch auf der Seite der Gemeinwirtschaft Arbeitslosigkeit produziert wird. Ich denke, daß die Bundesregierung in diesem Zusammenhang ein sehr wesentliches und sehr zukunftsorientiertes Konzept entwickelt hat. Erlauben Sie mir – gerade weil die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und weil auch die in der Folge zunehmende Armut in erster Linie weiblich sind –, kurz auf die Situation, die Lebenssituation, die Arbeitsmarktsituation und Lebensbedingungen von Frauen, von beschäftigten und nichtbeschäftigten Frauen einzugehen.


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Frauen sind der zeitgenössischen Liberalisierungs-, Flexibilisierungs-, Rationalisierungs-, Gewinnmaximierungsdoktrin ebenso unterworfen wie Männer. Es gibt aber einen einzigen traurigen oder bedenklichen Unterschied, nämlich daß Frauen davon in doppelter Weise betroffen sind, weil sie auch die ersten sind, die betroffen sind, wenn es darum geht, Arbeitsplätze abzubauen, wenn es darum geht, aus ganzer Beschäftigung teilweise Beschäftigung zu machen, wenn es darum geht, Lohndumping umzusetzen, und wenn es darum geht, sozialrechtliche Bestimmungen von einst zu umgehen.

Das heißt, wir brauchen diesen NAP, und es sind die Länder und die Kommunen aufgefordert, sich nicht gemütlich zurückzulehnen und auf Maßnahmen der Bundesregierung zu warten, und auch wir Ländervertreter sind aufgefordert, darauf zu achten und uns dafür einzusetzen, daß auch auf Länderebene diese territorialen und regionalen NAP-Konzepte umgesetzt werden.

Zu diesem Umsetzen von Maßnahmen für Frauenbeschäftigung gehört natürlich auch die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen. Nach wie vor sind Frauen zu 99,9 Prozent für ihre Familie verantwortlich, obwohl wir den Begriff "Partnerschaft" schon längst in der Verfassung verankert haben und dessen Bedeutung darüber hinausgehen muß. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist allerdings keine öffentliche Angelegenheit in dieser Republik Österreich. Sie ist eine öffentliche Angelegenheit, aber nur für die politisch Verantwortlichen, aber nicht für Unternehmen und Konzerne. Der Beweis dafür ist, daß keine einzige Maßnahme für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von einer privatwirtschaftlichen Interessenvertretung ins Leben gerufen wurde oder umgesetzt wird und daher der Staat und die Republik mit ihren Steuermitteln ausschließlich und exklusiv – eine traurige Exklusivität! – aufgefordert sind, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu setzen.

Ich verweise, weil ich dies nicht nur für einen Meilenstein, sondern für eine unwahrscheinlich dynamische Entwicklung halte, auf die auch in diesem Jahr zur Auszahlung kommende Kindergartenmilliarde. Als "Kindergartenmilliarde" ist es nach der Forderung von Johanna Dohnal benannt, in Wirklichkeit sind es – das wissen wir Frauen – 600 Millionen Schilling. (Bundesrätin Haunschmid: Wie der Tausender von der Ederer!) Wissen Sie, was das in diesem ganz kleinen und auch nicht reichen Bundesland Kärnten bedeutet hat? – Daß wir innerhalb von zweieinhalb Jahren 1 000 qualifizierte Betreuungseinrichtungsplätze für Kinder geschaffen haben! Rechnen Sie sich auch die dazugehörigen Beschäftigtenzahlen aus! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Beifall nur bei einer Fraktion!)

Letzter Punkt: Maßnahmen. Der Steuermitteleinsatz in der Höhe von 2,6 Milliarden Schilling in einem Bundesland mit einem Budget von 17 Milliarden Schilling – man vergleiche bitte: 2,6 Milliarden Schilling wären einzusetzen für einen den Frauen Kärntens in die Hand versprochenen Scheck; das mag Ihre politische Konzeption sein; ich führe es nicht weiter aus und kommentiere es nicht – ist keine Antwort auf die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und ich meine, partnerschaftliches Verhalten sollte auch männlichen Berufstätigen ermöglicht werden.

Punkt zwei: Ein solcher versprochener Scheck gibt keine Antwort auf die Frage: Wer beschäftigt mich, wenn ich sechs Jahre aus dem Job ausgestiegen bin? – Versuchen Sie das doch einmal in Ihrer eigenen politischen Karriere! Sie ziehen sich sechs Jahre aus Ihrer Partei zurück. Werden Sie wieder auf den Platz gestellt werden, den Sie verlassen haben? – Also ich gehe jede Wette ein, daß das nicht der Fall sein wird.

Ein weiterer Punkt ist die Frage: Wie friste ich als Frau oder auch als Mann als AlleinerzieherIn mein Dasein mit einem monatlichen Betrag in der Höhe von 5 700 S? Wie zahle ich davon die Heizung, den Strom, die Wohnung und vielleicht auch noch das, was ich zum Leben notwendig habe?

Letztlich gibt dieser Scheck auch keine Antwort auf die faktische Lohndiskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Daher, so denke ich, ist dieses Gender Mainstreaming – ich reduziere meine Ausführungen – ein revolutionärer Schritt, wenn er so umgesetzt wird – und zwar auf allen Ebenen in Österreich: auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene –, daß alle beschäftigungspolitischen Maßnahmen ernsthaft und nicht mit Augenzwinkern dahin gehend


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überprüft werden, in welcher Form Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit tatsächlich ermöglicht werden. Dort, wo sie nicht gegeben sind, haben gesonderte Programme Platz zu greifen.

Meine lange Rede soll als ein ehrliches, offenes Lob an die Frau Ministerin – auch an die Frauenministerin – verstanden werden, ich verbinde damit aber auch eine neue Bitte: Frau Ministerin! Wir – damit meine ich viele Frauen, nicht nur sozialdemokratische – werden Sie in Österreich dabei unterstützen, daß Sie dieses sehr erfolgreiche Konzept einer offensiven Beschäftigungspolitik für Frauen, nämlich die Frauenstiftungen, weiter ausbauen können und Ihnen dafür auch mehr finanzielle Möglichkeiten in die Hand gegeben werden. Diese Frauenstiftungen beweisen – das sage ich auch im Hinblick auf die Ausführungen meiner weiblichen Kollegin vorher, die gefragt hat, was die Frauen nach dieser Frauenstiftung machen; ich gebe ihr dann die Unterlagen beispielsweise zu Frauenstiftungen in der Steiermark und in Kärnten –, daß über 80 Prozent dieser Frauen schon während dieser Zeit in der Stiftung in Beschäftigung kommen und nachweislich heute noch beschäftigt sind. Daher ist das ein Erfolgskonzept.

Ich hoffe – das ist meine Erwartung nicht nur an die Industriellenvereinigung und die Handelskammer, sondern auch an die Kollegen und Kolleginnen der ÖVP, die richtigerweise Unternehmenspolitik vertreten –, daß mit diesen Maßnahmen des NAP durch die Bundesregierung, durch die Länder und die Kommunen vor allem eines stattfindet in Österreich: eine Veränderung des Bewußtseins von Unternehmern und des, wie ich meine, antiquierten Managerdenkens. Heute noch wird der Beschäftigte, die Beschäftigte mehrheitlich ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen, insbesondere des Bundesrates Ing. Scheuch. )  – Sie lachen. Sie haben in der letzten Sitzung vom Kostenfaktor Arbeitskraft gesprochen. Ich würde gerne von der Arbeitskraft als Kapital eines Betriebes sprechen. Wenn diese Bewußtseinsveränderung, diese Öffnung hin zu einem partnerschaftlichen Umgang von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch in der Praxis stattfindet, dann, so denke ich, wird der positive Rekord der geringen Arbeitslosenrate in Österreich auch weiterhin gute Zukunft haben.

Ich danke Ihnen von der FPÖ für die engagierte, mitredende Aufmerksamkeit und den anderen für ihre tatsächliche Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07

Präsident Gottfried Jaud: Eine weitere Wortmeldung liegt mir von Mag. Eduard Mainoni vor. Ich erteile ihm das Wort.

14.07

Bundesrat Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Die Frau Ministerin entschwindet, so glaube ich, gerade. Ich darf mich von Ihnen verabschieden. Es hat mich trotzdem sehr gefreut, Sie einmal persönlich kennenzulernen. Sie sind sehr sympathisch, aber leider Gottes muß ich in Ihrer Abwesenheit doch eine Reihe von Kritikpunkten anbringen, ich werde sie aber auch begründen.

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Die Erklärung der Frau Bundesministerin möchte ich eigentlich nicht weiter kommentieren, weil die Zahlen für sich sprechen. Es ist praktisch sinnlos, davon zu sprechen, daß in Österreich die Prozentsätze der Zahlen der Arbeitslosen geringer oder beinahe um die Hälfte geringer sind als in anderen europäischen Staaten, es ist sinnlos, davon zu reden, daß die Zahl der Beschäftigten in Österreich steigt. Da muß man genauso sagen: Was hat ein Arbeitsloser davon, daß die Beschäftigtenzahlen steigen?

Ich muß vor allem auch die Zahlen, die genannt werden, relativieren. Wenn wir hier von 4,5 Prozent Arbeitslosigkeit oder in absoluten Zahlen von 230 000 Arbeitslosen sprechen, so ist das eine statistische Zahl – die Frau Minister hat es ohnehin gesagt, daß es da unterschiedliche Ansätze gibt –, die mit der Realität eigentlich nichts zu tun hat. Leider Gottes! In der Realität sind nämlich noch viele andere Personen arbeitslos. Es sind nicht nur die hier offiziell statistisch erfaßten, es sind vor allem die verdeckten Arbeitslosen, es sind die entmutigten Arbeitslosen, und es sind vor allem auch jene, die unter Arbeitsentlastung fallen.


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Lassen Sie mich das ganz kurz ausführen. Wer sind die verdeckten Arbeitslosen, die nicht in die Statistik hineinfallen, aber trotzdem arbeitslos sind? – Es sind die Lehrstellensuchenden, es sind die in Schulung Befindlichen, es sind die Frühpensionisten, die arbeitslosen Karenzurlauber, die Sondernotstandshilfebezieher, die Sonderunterstützungsbezieher, die Bezieher von Pensionsvorschüssen und letztlich auch Arbeitslose, Herr Kollege, denen Leistungen gestrichen wurden. (Bundesrat Steinbichler: Sie können doch nicht Pensionisten zu den Arbeitslosen zählen!) Wissen Sie, wie hoch die Zahl dieser Personen ist, Herr Kollege? – Das sind 125 000 zusätzliche Arbeitslose, die nicht in die Statistik fallen.

Es gibt noch eine Gruppe, nämlich die Gruppe der Arbeitsmarktentlastenden, also jene Menschen, die vorzeitig in die Alterspension gehen, abzüglich der Frühpensionisten. Das sind wieder 185 000 Personen!

Meine Damen und Herren! Damit schaut die Statistik schon wieder ganz anders aus. Damit sind es nicht 4,5 Prozent, sondern es sind fast 11 Prozent realer Arbeitslosigkeit. Es ist schon richtig, daß man sagen kann, wir haben andere Ansätze als in der EU, aber es hilft keinem Arbeitslosen in Österreich, wie die Statistik ausschaut, denn jeder Arbeitslose in Österreich ist ein Arbeitsloser zuviel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich muß die Kritik auch an den Bundeskanzler selbst richten, denn im November 1998 hat er – Sie werden sich sicherlich alle daran erinnern – erklärt: Kein Lehrling soll im Herbst auf der Straße stehen! Das war eine Aussage, die in ihrer Klarheit eigentlich etwas unerwartet kam.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, schaut die Realität jedoch etwas anders aus. Die Realität ist die: Ziel der Kanzleroffensive war es, die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern, indem die jobsuchenden Lehrlinge in Kursen zwischengeparkt und dann nach und nach an den freien Markt weitergegeben werden. Es waren im vergangenen Jahr 3 500 Jugendliche, die nicht in Lehrstellen unterkamen und die in Lehrgängen und in diesen Schulungen, wie schon gesagt, untergebracht wurden. Es werden – das ist keine Weisheit von mir, sondern es ist der ÖGB-Bildungsexperte Gerhard Prager, der das sagt – von diesen 3 500 etwa 2 000 leer ausgehen.

Meine Damen und Herren! Diese Joboffensive II – vergangenes Jahr war es die Joboffensive I – wird weiter betrieben. Heuer sind es 14 000 Pflichtschüler, die sich bereits beim AMS auf die Suche nach einer Lehrstelle gemacht haben. Aber es sind nur 6 000 Betriebe, die einen Nachwuchsbedarf gemeldet haben. Das heißt, es sind wieder 4 000, die in Stiftungen und in Lehrgängen untergebracht werden und die man nachher auf freien Lehrplätzen unterzubringen versucht. Das heißt, es werden mit Herbst dieses Jahres 6 000 Jugendliche sein, die irgendwo untergebracht sind, nur nicht dort, wo sie auf Dauer werden arbeiten können.

Auch das ist leider Gottes ein Beispiel dafür, daß ein Konzept, das möglicherweise – ich will dem Herrn Bundeskanzler nichts unterstellen – gut gemeint war, jedenfalls nicht zum Ziel führt.

Wissen Sie, was Joboffensive I und II kosten? – 1,8 Milliarden Schilling – dafür, daß am Ende dieses Jahres 6 000 Jugendliche in irgendwelchen Lehrgängen sind, umgeschult werden und letztendlich wieder keine Möglichkeit haben, auf einen entsprechenden Arbeitsplatz zu kommen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Nun, Herr Kollege, kommt, mit einer breiten Werbung groß angekündigt, das NAP. (Rufe bei der SPÖ: Der NAP, der NAP!) Man habe für uns Freiheitliche schon Verständnis, daß nach diesen Fehlschlägen, die in der Vergangenheit von seiten der Regierung verursacht wurden, auch dieses NAP für uns nicht vertrauenserweckend ist, weil wir der Meinung sind, daß es die Arbeitslosigkeit in Österreich nicht wirklich senken kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Statistisch gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren – das ist natürlich ein Nebenaspekt der bevorstehenden Wahl am 3. Oktober –, wird durch dieses NAP die Arbeitslosenzahl gesenkt. (Ruf bei der SPÖ: Es heißt: der NAP!) Es kommt zu Umschulungen, Lehrgängen, zu Job-coaching, wie es so schön neudeutsch heißt, und so weiter. Faktum ist aber, daß in der Realität die Arbeitslosigkeit nicht sinken wird, sondern nur statistisch sinkt. In Wirklichkeit wird sie gleich bleiben, beziehungsweise wird sie im Herbst, so wie jedes Jahr, wieder steigen.


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So bewältigen Sie das Problem der Arbeitslosigkeit sicherlich nicht. Es gibt Alternativen, und wir Freiheitlichen haben bereits eindringlich darauf hingewiesen, wie eine echte Entlastung auf dem Arbeitsmarkt und wie eine echte Bekämpfung der Arbeitslosigkeit möglich wäre.

Nun lassen Sie mich aber zum eigentlichen Tagesordnungspunkt kommen, nachdem diese Aussprache interessanterweise in erster Linie dazu verwendet wurde, über den Kinderbetreuungsscheck zu sprechen. Das ist erfreulich – das muß ich dazusagen –, daß wir wieder einmal die Themenführerschaft übernommen haben. (Beifall, Heiterkeit und Bravorufe bei den Freiheitlichen.) Und wir werden den Kinderbetreuungsscheck, vorerst ein Pilotprojekt in Kärnten, wenn wir die Verantwortung tragen, in ganz Österreich verwirklichen. Das werden wir Ihnen beweisen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Deutsch-Griffen, nicht Kärnten! 49 Kinder!) In Deutsch-Griffen wird es bereits gemacht.

Nun aber zum Tagesordnungspunkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über soziale Sicherheit. Ich nehme an, daß Sie sich genauso wie ich genau die Unterlagen angesehen haben und sich auch der Tragweite bewußt sind, was diese Abkommen generell bedeuten.

Unter dem Titel "Abkommen über soziale Sicherheit" bezahlt der österreichische Staat an Nicht-EU-Länder – wohlgemerkt: an Nicht-EU-Länder! – jährlich rund 4 Milliarden Schilling und bekommt einen Pappenstiel dabei heraus. Ich nenne Ihnen einige Zahlen zur Veranschaulichung, denn 4 Milliarden mögen dem einen oder der anderen möglicherweise nicht so viel bedeuten.

Wir bezahlen jährlich nach Bosnien 194 Millionen Schilling für 7 570 Pensionen, nach Kroatien 310 Millionen für rund 10 000 Pensionen, in die Türkei 340 Millionen Schilling jährlich für 6 500 Pensionen und nach Serbien gar 630 Millionen für insgesamt 13 000 Pensionen, die Österreich zu zahlen hat. (Bundesrat Prähauser: Und was haben sie an Pensionsbeiträgen geleistet? – Bundesrätin Mag. Trunk: Sie können schon wieder nicht rechnen!)

Jetzt sage ich Ihnen, was zurückkommt, Frau Kollegin: Wir bekommen von Kroatien ganze 13 Millionen Schilling und von der Türkei ganze 151 000 S durch dieses Abkommen zurück. So, und das ist wieder keine Weisheit von mir als Freiheitlichem, sondern dem Handbuch der österreichischen Sozialversicherung 1999 entnommen. (Bundesrat Steinbichler: Das ist aber schwach! – Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Aber Sie wissen sicherlich, weil Sie sich immer zu Wort melden, warum diese Abkommen mit jenen Ländern, die ich zitiert habe, geschlossen wurden. Das hat historische Hintergründe. Bitte, wenn Sie es nicht wissen, ein kleiner Lehrgang, Frau Kollegin aus Kärnten! (Bundesrätin Mag. Trunk: Nein, danke!) Wissen Sie, warum das passiert ist? – In Zeiten der Hochkonjunktur hat Österreich sehr viele Gastarbeiter eingeladen, bei uns zu arbeiten. Wir haben ihnen alle sozialen Annehmlichkeiten versprochen, wie wir Österreicher sie selbst auch haben. Dazu stehen wir auch, und deshalb stimmen wir auch dem Abkommen, das mit der Republik Bosnien und Herzegowina abgeschlossen wurde, zu. Man muß zu seinen Versprechungen stehen.

Aber Gegenstand meiner Ausführungen ist das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, in einer Zeit der Arbeitslosigkeit mit Polen ein derartiges Abkommen zu schließen – das trifft auch wieder den Punkt, den wir vorher erörtert haben –, bedeutet, eine Einbahnstraße zu befahren, nämlich daß wir Österreicher nur zahlen und wir aus diesem Abkommen nur einen sehr geringen Nutzen ziehen.

Österreich ist gegenüber Polen schon einige Male in Vorleistung getreten. Wir haben Staatsschulden von Polen gestundet und schließlich zur Gänze erlassen. Und jetzt sollten die Österreicherinnen und Österreicher – es sind letztendlich die Steuerzahler – wieder für ein Abkommen in die Tasche greifen, dessen Abschluß aus unserer Sicht überhaupt nicht notwendig ist?

Die prognostizierten Kosten in der Höhe von 40 Millionen, wie Sie sicherlich auch gelesen haben werden, bis 2002 scheinen primär ein nicht allzu hoher Betrag zu sein, aber es ist leider Gottes


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nur die halbe Wahrheit, denn die Pensionen werden erst später schlagend, und dann steigen die Kosten exponentiell an. Dann werden es zig Millionen und Hunderte Millionen mehr werden.

Jetzt frage ich Sie alle ernstlich: Haben wir soviel Geld, uns diesen Luxus leisten zu können? Haben wir in unserem Land genügend soziale Sicherheit für unsere eigene Bevölkerung, daß wir soviel Geld nach Polen zahlen können? – Ich glaube, wir sollten zuerst einmal in unserem eigenen Land ansetzen und unseren bedürftigen Menschen helfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe vielmehr den Verdacht, daß dies eine Vorbereitungshandlung für einen baldigen Beitritt Polens zur Europäischen Union ist. Aber dann gnade uns Gott! Können Sie sich vorstellen, was es angesichts unserer Arbeitslosigkeit, angesichts der Tatsache, daß das Durchschnittseinkommen mit heutigem Tag in Polen 1 220 Zloty beträgt – das sind 4 640 S –, angesichts der Tatsache, daß die Mindestpension in Polen 1 500 S monatlich beträgt – Romano Prodi, der designierte Präsident der EU, hat es in seiner ersten Rede bereits angekündigt, er möchte es noch in seiner Periode durchbringen, daß die ersten mitgliedswerbenden Staaten auch tatsächlich Mitglieder werden –, bedeutet, wenn Polen innerhalb kurzer Zeit EU-Mitglied wird, können Sie sich vorstellen, welchen Druck das auf unseren Arbeitsmarkt bedeutet?

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden daher dem Antrag, keinen Einspruch zu diesem Abkommen zu erheben, sicherlich nicht Folge leisten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.19

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile ihr dieses.

14.19

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zu Beginn meiner Rede möchte ich zur Wortmeldung der Bundesratskollegin Trunk Stellung nehmen. Es hat mich sehr berührt, als sie gesagt hat, es ist eine Veränderung im Bewußtsein der Unternehmer, im Managerdenken notwendig.

Dazu möchte ich folgendes sagen: Es gibt schwarze Schafe bei den Arbeitnehmern und bei den Arbeitgebern. Schwarze Schafe gibt es überall, aber ich weise diesen Vorwurf auf das entschiedenste zurück. (Beifall bei der ÖVP.)

In Österreich gibt es zirka 92 Prozent Klein- und Mittelbetriebe. Es gibt sehr viele Betriebe, die mit den Arbeitnehmern zusammenarbeiten, bei denen es ein gegenseitiges Geben und Nehmen gibt. Das ist erforderlich, die Wirtschaft muß zusammenarbeiten. Es gibt viele Klein- und Kleinstbetriebe, die ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen behalten, auch wenn es ihnen sehr schlecht geht, in denen die Unternehmer im Endeffekt oft weniger verdienen und mit weniger auskommen müssen als die eigenen Angestellten. (Bundesrätin Haunschmid: Jawohl, sehr gut!) Daher weise ich Ihre Verallgemeinerung beziehungsweise überhaupt Ihren Redebeitrag auf das entschiedenste zurück! (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Ich würde Ihnen vorschlagen, einen Betrieb aus eigener Kraft mit eigenem Geld zu gründen und Mitarbeiter einzustellen, und dann möchte ich sehen, wie Sie Ihre persönliche Meinung ändern. – Das wollte ich vorab sagen.

Zum Bericht von Sozialministerin Hostasch zur europäischen Beschäftigungspolitik möchte ich auch noch zwei Dinge sagen. Ich persönlich bin der Meinung, daß die Schattenwirtschaft nicht durch das Schwarzarbeitsgesetz bekämpft werden kann, sondern nach meinen Erfahrungen nur durch die Schaffung von positiven Rahmenbedingungen für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ich betone: positive Rahmenbedingungen auch für die Arbeitnehmer, also für die gesamte Wirtschaft. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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Ergänzend möchte ich betonen, daß wir alle viel zu viele Steuern zahlen, und hier müßte unser erster Ansatz sein. Zwar wird die Steuerreform gewisse Steuererleichterungen bringen, aber es gehört nach meinem Dafürhalten der gesamte Staatshaushalt grundlegend und strukturell überdacht, und dann müssen dementsprechende Konsequenzen gezogen werden, sodaß die Rahmenbedingungen noch positiver werden, was letzten Endes allen nützt, der Bevölkerung und dem Staat. – Ich bin sehr froh, daß Sie, Herr Finanzminister, auch hier sind.

Zum von der Frau Sozialministerin angesprochenen lebensbegleitenden Lernen möchte ich folgendes sagen: Ich denke auch, daß das lebensbegleitende Lernen notwendig ist und in der Zukunft noch mehr intensiviert werden muß. Aber ich muß leider feststellen, daß Studenten und Arbeitnehmer diesbezüglich sehr viele Förderungen und Unterstützungen bekommen, aber Arbeitnehmer, die sich selbständig machen wollen, kaum Unterstützung oder Förderung erfahren.

Zum Beispiel müssen Arbeitnehmer, wenn sie die Meisterprüfung machen, aus eigener Tasche zwischen 10 000 und 100 000 S, je nach Gewerbe, bezahlen. Auch kleine Gewerbetreibende beziehungsweise selbständige Unternehmerinnen und Unternehmer müssen ihre eigene Weiterbildung selbst bezahlen. Hier fordere ich eine dementsprechende Änderung, denn auch für den selbständigen Bereich ist lebensbegleitendes Lernen notwendig; ich denke, daß die Frau Sozialministerin Hostasch auch dieser Meinung ist.

Ich ersuche Sie daher, hinsichtlich der Weiterbildung der Unternehmerinnen und Unternehmer initiativ zu werden, denn Sozialpolitik beinhaltet nach meiner Auffassung nicht nur die Arbeitnehmer-, sondern auch die Arbeitgeberseite.

Abschließend möchte ich nochmals erwähnen, daß mein Selbstverständnis von Sozialpolitik die gesamte Bevölkerung eines Staates umfaßt, also alle Menschen, die in unserem schönen Österreich wohnen, leben und arbeiten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor ich Herrn Bundesrat Präsident Gottfried Jaud das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, daß ich Würde und Anstand des Hauses nicht verletzt sehe, wenn sich die Herren angesichts der Temperaturen der Sakkos entledigen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP, SPÖ und der Freiheitlichen.)

Herr Präsident! Ich erteile Ihnen das Wort.

14.25

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Die Frau Bundesministerin hat bedauert, daß das Pfuschbekämpfungsgesetz hier im Hohen Haus noch nicht beschlossen wurde. Erlauben Sie mir, dazu zwei Beispiele aus der Praxis zu bringen, wie das Arbeitsinspektorat zum Zwecke der Pfuschbekämpfung kontrolliert.

Erstes Beispiel: Ein großes Hotel, neun Uhr abends, voller Betrieb, fünf Arbeitsinspektoren kommen, besetzen alle Ausgänge des Hotels mit Unterstützung der Gendarmerie. Die Arbeitsinspektoren dringen in das Hotel ein und sagen dem Geschäftsführer: Wir möchten Ihre ausländischen Arbeitskräfte dahin gehend kontrollieren, ob sie alle gemeldet sind. – Natürlich hat man während der Hauptbeschäftigungszeit dafür keine Zeit und weist das Arbeitsinspektorat aus dem Hause. Dafür wird der Besitzer natürlich sehr viel Strafe bezahlen.

Ein zweites Beispiel aus eigener Erfahrung: Ich habe in meinem Betrieb für eine Putzerin um Arbeitsgenehmigung angesucht. Diese Arbeitsgenehmigung wurde abgelehnt, zwei Tage später kommen zwei Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates zu mir in die Tischlerei. Klarerweise geht der Meister sofort hinaus und steckt den Spaltkeil in die Kreissäge, denn das ist notwendig, wenn der Arbeitsinspektor kommt. Die beiden geben mir dann zu verstehen, sie möchten nicht den Betrieb kontrollieren, sondern nur kontrollieren, ob alle meine Mitarbeiter entsprechend angemeldet sind.


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Darauf sage ich: Gut, gehen wir in das Büro, machen wir das gleich! – Dann sagt einer der beiden zu mir: Sie haben doch eine Putzerin. – Ja, freilich habe ich auch eine Putzerin. Sie ist im ersten Stock, ich bringe sie sofort herunter, antworte ich. – Sie haben aber zwei, wendet der Arbeitsinspektor ein. – Nein, zwei habe ich nicht, aber die eine hole ich, entgegne ich.

Man muß sich vorstellen, meine Wohnung liegt unmittelbar neben dem Betrieb. Ich gehe in den Zwischengang, und der Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates geht mir nach. Ich schaue nur verwundert zurück. Ich gehe durch eine weitere Tür, und wiederum folgt mir der Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates. Bei der nächsten Tür gebe ich ihm zu verstehen, daß ich diese Mitarbeiterin nun holen werde, und mache ihm vor seiner Nase die Türe zu. Ich habe sie aber nicht zugeschlagen, sondern sehr höflich geschlossen.

Ich hole also die Putzerin, bringe sie herunter, was etwa ein bis zwei Minuten gedauert hat, worauf der Arbeitsinspektor zu mir sagt: Und wo ist die zweite? – Ich antworte: Ich habe keine zweite Mitarbeiterin. – Ja, das können Sie nun leicht sagen, weil sie diese inzwischen haben verschwinden lassen. Darauf sage ich: Bitte schön, dann kommen Sie jetzt mit mir, ich kann sie ja nicht in einen Schrank einsperren! – Worauf mir der Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates sagt: Jetzt brauche ich nicht mehr nachzusehen, Sie haben das inzwischen bereits bereinigt.

Später erst habe ich von einem meiner Mitarbeiter erfahren, daß der Arbeitsinspektor zu seinem Kollegen sagte: Lauf hinter das Haus und schau, ob nicht jemand das Haus verläßt!

Ich muß Ihnen sagen, ich war äußerst konsterniert über dieses Verhalten, vor allem deshalb, weil in meinem Betrieb noch nie etwas Diesbezügliches vorgefallen ist.

Ich fragte dann den Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates: Dürfen Sie denn überhaupt Privatwohnungen betreten? – Worauf mir dieser den Ausweis zeigte und sagte: Bitte, lesen Sie hier! – Ich las: Bei begründetem Verdacht können auch Privaträume betreten werden. – Ich fragte: Wo ist denn bitte der begründete Verdacht? – Sie haben um eine Arbeitsgenehmigung angesucht, war seine Antwort.

So, meine Damen und Herren, kann man jedem Unternehmer eine Falle stellen: Er sucht an, ich genehmige nicht, ein, zwei Tage darauf kontrolliere ich ihn, und dann werde ich ihn vielleicht erwischen.

Dies nur zur Erklärung dafür, wie im Arbeitsinspektorat gearbeitet wird. Ich glaube und bin überzeugt, daß es gut ist, daß das neue Pfuschbekämpfungsgesetz nicht beschlossen wurde, denn mit diesem würden wahrscheinlich noch wesentlich rigorosere Praxen für das Arbeitsinspektorat eingeführt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Aufgrund meiner politischen Erfahrung muß ich aber sagen, ich bin davon überzeugt, daß es nicht böser Wille ist, sondern es ist eher das wirtschaftliche Unverständnis, das Unverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, das solche Gesetze hervorruft. Dort, wo in der politischen Entscheidung sozialistische Grundsätze überwiegen – sie unterscheiden sich nicht von kommunistischen, das ist für mich ein Grundsatz! –, verarmt die Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Payer: Das ist weit hergeholt! Österreich zählt zu den reichsten Staaten der Welt! Das ist eine Frechheit, was Sie da sagen! – Bundesrätin Haunschmid in Richtung SPÖ: Nein, das stimmt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der direkte politische Einfluß auf wirtschaftliche Vorgänge – dazu gehört auch die sogenannte aktive Arbeitsmarktpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren – hat bisher nur negative Ergebnisse für den Wohlstand der Bürger gebracht. Nur die Apparatschiks und Funktionäre haben einen Vorteil von solchen Vorgängen!

Maßgebliche internationale Wirtschaftsfachleute glauben, Europa kann die vorliegenden Probleme in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt nur mit revolutionären Veränderungen in den Griff bekommen. Mit kleinlichen kosmetischen Retuschen werden die Probleme – auch die Probleme auf dem Arbeitsmarkt – jedenfalls nicht gelöst werden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ob die Kammern dieser Aufgabe gerecht werden können, das wage ich zu bezweifeln. Nach meiner Auffassung wären wir in Österreich geradezu dazu prädestiniert, Vorreiter für eine Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa zu sein. Mein Appell an die Sozialdemokraten: Springen Sie über Ihren Schatten und hören Sie wenigstens auf die wirtschaftlich denkenden Funktionäre in Ihren Kreisen, anstatt immer wieder die alten gewerkschaftlichen Zöpfe zu fordern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In der ÖVP wird es uns sicher gelingen, die altertümlichen Sozialutopisten davon zu überzeugen, daß eine florierende Wirtschaft, die einen großen Freiraum braucht, die beste Voraussetzung für eine gute und zukunftsorientierte Sozialpolitik ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Doch, von Frau Kollegin Haunschmid. Ich erteile ihr das Wort. (Bundesrat Prähauser zu der ans Rednerpult tretenden Rednerin: Man versteht Sie viel besser, wenn Sie vorne stehen!)

14.33

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Alle, nicht nur mich, Herr Kollege! Es sind mehrere. (Bundesrat Prähauser: Es ist viel angenehmer, wenn ich Sie sehe, wenn Sie reden! Von hinten ist es lästig!)  – Sehr gut. Danke schön.

Herr Minister! Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil es einfach zuviel war, was einige Kollegen und Kolleginnen von sich gegeben haben. Ich bedanke mich bei Herrn Präsidenten Jaud und vor allem bei Frau Kollegin Giesinger, die mir wirklich aus dem Herzen gesprochen haben.

Aber ich möchte doch auf den Redebeitrag des Erstredners, des Herrn Kollegen Ledolter, zurückkommen. Kollege Ledolter! Ich muß mich in Beantwortung Ihrer Ausführungen zu Wort melden, sonst "erstickt" nämlich eine Kollegin von Ihnen; ich darf mich vielleicht auch als kleine Wirtin gegenüber einem Hotelier so nennen. Ich kann mir Teile Ihrer Aussage nur so erklären, daß anscheinend zwei Herzen in Ihrer Brust wohnen, Herr Kollege Leodolter: das eine des Hoteliers und das andere des Regionalpolitikers und Koalitionspartners dieser Regierung.

Herr Kollege Ledolter! Es wird von der Regierung und vor allem von der Finanz- und Wirtschaftspolitik alles getan, um den klein- und mittelständischen Unternehmen die Lust daran zu nehmen, Arbeitgeber zu sein. Es denkt auch bei der Steuerreform keiner nur im entferntesten daran, die Lohnnebenkosten zu senken, was gerade für die Erfolgsbilanz der Beschäftigungspolitik der Frau Ministerin Hostasch so wichtig wäre.

Herr Kollege! Auch Sie und Ihre sogenannte Wirtschaftspartei reden nur mehr von den Förderungen, und das tut mir besonders weh. Als Wirt müßten Sie aber – so wie alle unsere Kollegen – denken und sagen: Wir ersticken an dieser Förderungspolitik dieser Regierung! Diese Regierung sollte lieber darüber nachdenken – und dann entsprechend handeln –, wie sie der negativen Eigenkapitalquote der Unternehmer und speziell der klein- und mittelständischen Unternehmer, die in Summe der größte Arbeitgeber sind, den Kampf ansagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir begrüßen zwar die Förderungspolitik für die Lehrlinge, aber wir machen Sie darauf aufmerksam, wenn die Rahmenbedingungen für die Klein- und Mittelbetriebe nicht geändert werden und wenn vor allem die Arbeitszeitpolitik nicht geändert wird, dann können wir keine Lehrlinge mehr beschäftigen! Das wissen Sie genau. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. )

Das zweite, was mich zu meiner Wortmeldung veranlaßt hat, ist der Artikel von unserem Nationalrats- und Hotelierkollegen Helmut Peter im heutigen "WirtschaftsBlatt". Dieser Artikel sagt genau das aus, was vielleicht in gewissem Sinne auch für eine positive Beschäftigungsbilanz von Nutzen ist, nämlich – ich zitiere –: "Gut ausgebildetes österreichisches Personal wandert wegen schlechter Rahmenbedingungen ins Ausland ab." – Da könnte man sagen, dann haben wir eben ein paar Beschäftigungslose weniger, wenn sie ins Ausland abwandern.


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Ich bin aber der Ansicht von Helmut Peter, der hier unter anderem meint – ich zitiere –: "Schlecht ausgebildetes Personal, oft nur drei Tage vor Eröffnung eines Betriebes schnell eingeschult, kann den heimischen Tourismus in die Krise bringen!"– Weiter heißt es: "Die mangelnde Professionalität der Mitarbeiter sei meistens auf das Management zurückzuführen, das am falschen Platz spart. Die Jahresbetriebe planen die Aus- und Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu kurzfristig." – Zitatende.

Es müßte auch in Ihrem Sinne sein, im Sinne der Frau Ministerin und vor allem der sozialistischen Partei, wenn wir längere Saisonbeschäftigungszeiten einhalten könnten. Wir können es uns aber nicht leisten, meine Damen und Herren! Wir können uns keinen einzigen Tag leisten, an dem sich das Personal nicht rechnet! Wir können es uns nicht leisten, das Personal für eine sogenannte bessere Schulung früher einzustellen oder, wenn es zum Beispiel witterungsbedingt erforderlich wäre, wenn die Saison länger dauert, die Fünf-Monats-Grenze zu überschreiten. Wir, die Klein- und Mittelbetriebe, können es uns nicht leisten, in diesem Fall die vollen und nicht nur die aliquoten Anteile zahlen zu müssen! (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. ) Uns geht das nötige Eigenkapital ab, Herr Kollege! Ich sage das, weil Sie nur von Förderungen geredet haben.

Wenn ich Ihnen sage, daß 75 Prozent aller Fremdenverkehrsbetriebe eine negative Eigenkapitalquote aufweisen, dann müssen Sie zugeben, das ist nicht mehr weit von der Insolvenz entfernt. Ich meine, Eigenkapital wäre das mindeste, was wir bräuchten, um die Beschäftigungspolitik zu forcieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Die freiheitliche Wirtevertretung wird jetzt mit Hilfe unseres Parteiobmannes und aller Kollegen alles daran setzen, damit den Kollegen im Tauerngebiet geholfen wird, und versuchen, die Last ihrer Personalkosten zu mildern. All das sind Betriebe, die jetzt teilweise zusperren müssen oder einfach einen enormen Einbruch ihrer Umsätze haben. Wir müssen ihnen einfach helfen, damit sie jetzt nicht das Personal entlassen müssen. Wir müssen irgendeine Lösung finden, damit sie, wenn das Geschäft wieder floriert, wieder auf ihr Personal zurückgreifen können.

Das wäre, wie ich meine, eine Sache, die Frau Ministerin Hostasch jetzt in erster Linie am Herzen liegen sollte. Ich finde, da wäre ihr Einschreiten schon längst gefragt gewesen, vom ersten Tag an, statt uns nur von positiven Beschäftigungszahlen zu berichten, obwohl sich ein Großteil dieser sogenannten Beschäftigten nicht in der Wirtschaft, sondern nur in Fortbildungs- und Umschulungskursen bewegt. Da könnte sie einschreiten, statt ihre Beschäftigungspolitik hier so zu verherrlichen!

Ich verwahre mich aber vor allem gegen die Aussage: Unqualifizierte Mitarbeiter gehen eher in einfache Betriebe. – Ich zitiere: "Je mehr Sterne ein Betrieb aufweist, desto besser ausgebildet ist auch das Personal. Unqualifizierte Mitarbeiter gehen eher in einfache Betriebe oder in die Systemgastronomie." – Ich betone aber: 90 Prozent der 45 000 Fremdenverkehrsbetriebe sind solche "einfachen" Betriebe, meine Damen und Herren! Nur 10 Prozent davon sind Hotelierbetriebe.

Herr Kollege Ledolter! Daß Sie sich das dann vielleicht mit Förderungen leisten können als Hotelier, daß schon die geförderte ... (Bundesrat Ledolter: Informieren Sie sich, Frau Kollegin!)  – Ich meine nur, Sie reden von der Hoteliervereinigung, und wenn Sie vielleicht – ich weiß es nicht, ob Sie zur Österreichischen Hoteliervereinigung gehören ... (Bundesrat Ledolter: Sie wissen es nicht, ja eben! Worüber reden wir dann?!)  – Sie reden immer nur von Förderungen.

Wir können nicht von Förderungen leben, und wir wollen uns auch nicht vom Staat abhängig machen! Wir brauchen das nicht! Der Staat soll endlich zu der Einsicht kommen, daß er uns einfach nur das lassen muß, was wir uns redlich verdienen! Dann können wir nämlich auch Leute beschäftigen! Dann brauchen wir sie nicht abzuschieben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir brauchen nur die Umsetzung der schon seit Jahren eingebrachten Anträge der Freiheitlichen zur Entlastung und zur Stärkung der heimischen Betriebe, der heimischen Wirtschaft. Diese Anträge sind aber immer wieder von den Koalitionspartnern, von der SPÖ und vor allem


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655. Sitzung / Seite 77

auch von Ihnen als sogenannter Wirtschaftspartei, im Nationalrat und im Bundesrat abgelehnt worden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Glaubwürdigkeit der ÖVP, die für sich in Anspruch nimmt, die Interessen der Wirtschaft zu vertreten und damit unter anderem gegen die Arbeitslosigkeit anzukämpfen, und die Glaubwürdigkeit der Sozialistischen Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die beste Beschäftigungspolitik zu machen, sind damit nicht nur in Frage gestellt, meine Damen und Herren, sondern bereits völlig widerlegt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch ein kurzes Abschlußwort zu Ihnen, Frau Kollegin Trunk, denn ich bin der Meinung, daß ich mich auch dazu nicht der Stimme enthalten muß, sondern auch eine weibliche Kollegin mit Namen nennen darf. Frau Kollegin! Sie vergessen, daß rund 165 000 Österreicherinnen und Österreicher im Jahresdurchschnitt 1998 einen Arbeitsplatz im Gastronomiebereich fanden. Nicht weniger als 46 000 Personen waren in diesem Zeitraum auch selbständig beschäftigt, Frau Kollegin Trunk! Von diesen 46 000 Personen sind zirka 30 000 Frauen, und zu diesen kommen noch zirka 15 000 Frauen hinzu, die auch im ehelichen Betrieb beschäftigt sind.

Auch wenn Sie sagen, wir sind dagegen, daß die Frauen arbeiten, wissen doch viele, daß das nicht stimmt. Wir sind nicht dagegen! Mit unserem Kinderbetreuungsscheck sind wir schon gar nicht dagegen, sondern wir sind der Meinung, es ist der Frau die Entscheidung zu überlassen, ob sie, wenn sie ein Kind hat, arbeiten will oder nicht. Dieser Meinung sind wir.

Wir als Selbständige können das nicht entscheiden, wir müssen weitermachen. Und von Ihnen, von der Sozialistischen Partei, werden diese 10 Prozent, nämlich die selbständigen Frauen, einfach ausgegrenzt. Es wird einfach gesagt: Diese brauchen nichts, diese sollen weiterarbeiten! – Wenn das Ihre sozialdemokratische Politik ist, dann liegt noch ein weiter Weg vor uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.43

Präsident Gottfried Jaud: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmungen über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgen getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Koordination bei Bauarbeiten (Bauarbeitenkoordinationsgesetz – BauKG) geändert wird.


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 78

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Portugiesischen Republik über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden (1603 und 1832/NR sowie 5933 und 5941/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Horst Freiberger übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 79

Berichterstatter Horst Freiberger:
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Sonderbestimmungen für bestimmte Arbeitnehmer in Apotheken sind an die EU-Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung anzupassen. Ferner gelten derzeit die Bestimmungen des § 19a AZG für Anstaltsapotheken nur dann, wenn sie nicht in Krankenanstalten der Gebietskörperschaften eingerichtet sind.

Die Anpassung an die EU-Richtlinie soll unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Apothekenbetriebes und der Erfordernisse bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung sowie die Schaffung von arbeitszeitrechtlichen Regelungen für Apotheker in Anstaltsapotheken von Krankenanstalten der Gebietskörperschaften vorgenommen werden.

Mit dem gegenständlichen Beschluß wird folgendes möglich:

Zulassung von verlängertem Dienst durch Kollektivvertrag

Festsetzung von entsprechenden Ausgleichsruhezeiten

Aufnahme der Apotheker in Anstaltsapotheken als Gesundheitsberuf in das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz

Leistung von verlängerten Diensten.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Maria Grander. Ich erteile ihr dieses.

14.49

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit etwa zwei Jahren ist das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz in Kraft. Es wurde auch schon damals, vor zwei Jahren, wenn ich mich recht erinnere, sehr viel diskutiert und kritisiert. Sehr erschwerend hat sich damals, was das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz betroffen hat, sicherlich der Zusammenfall mit der leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung ausgewirkt.

Ich finde, wir haben in den Krankenhäusern einiges an Hürden geschafft. Grundsätzlich hat das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz sehr vieles in Bewegung gebracht. Es wurden Dienstformen neu überdacht und umgestaltet. Es sind persönliche Interessen von zusammenhängenden Diensten und zusammenhängender Freizeit zum Wohle des Patienten beziehungsweise der Klienten und Mitarbeiter aufgegeben worden.

Es kann also gesagt werden, daß zusammenhängende Wochenenddienste, die zum Beispiel am Samstag um 7 Uhr begonnen und am Montag um 7 Uhr früh geendet haben, der Vergangenheit angehören. Die Qualität der Arbeit für die Betreuung der Patienten oder Klienten konnte sicherlich gesteigert werden.

In der Gesamtorganisation des Krankenanstaltenbetriebes müssen sich einzelne Berufsgruppen sicherlich noch von ihren Interessenvertretungen zum Wohl der Gesamtorganisation trennen.

Die Dokumentation bezüglich der Dienstpläne und ihrer Nachvollziehbarkeit ließ den Verwaltungsaufwand steigen. Aber nur auf diese Weise kann die notwendige Forderung nach Personal bewiesen werden. Es sind dadurch bereits neue Planstellen geschaffen worden, und weitere werden notwendig sein.

Die Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat ist gestiegen. In Zusammenarbeit konnten viele dem Gesetz entsprechende Veränderungen durchgeführt werden.


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 80

Nun ist es zum ersten Mal notwendig, daß das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird. Durch diese Novelle zum Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz sollen auch Anstaltsapotheker in die Liste der Gesundheitsberufe aufgenommen werden, für die das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz Geltung hat. Diese Regelung betrifft daher nur jene wenigen Anstaltsapotheken, die durchgehend geöffnet sind. Für Anstaltsapotheken gelten derzeit die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes. Dieses Gesetz gilt jedoch nicht für Krankenanstalten von Gebietskörperschaften. Damit sollen einheitliche gesetzliche Arbeitsregelungen für alle Anstaltsapotheken unabhängig von der Rechtsform der Krankenanstalt geschaffen werden.

Bezüglich der Änderung der Wochenarbeitszeit – Durchrechnung von Sonntag auf Samstag bei Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern sowie pharmazeutischen Hilfskräften – ist festzuhalten, daß dies nur für das Personal in den Krankenanstalten gilt. Die gleiche Änderung beziehungsweise Möglichkeit sollte auch für Angestellte in den privaten Apotheken zulässig sein.

Unsere Fraktion gibt diesem Beschluß des Nationalrates die Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.52

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Grillenberger. Ich erteile es ihm.

14.52

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei dieser Gesetzesänderung, mit der das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden, geht es um eine Anpassung und um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Damit werden durchgehende Bereitschaftsdienste, die für den Betrieb einer Apotheke und für die medizinische Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendig sind, in zeitlich beschränktem Umfang zugelassen und gleichzeitig die notwendigen Ausgleichsruhezeiten festgelegt.

Es war ein Wunsch der Spitalserhalter und der betroffenen Dienstnehmer – der Ärzte, Apotheker und pharmazeutisch Beschäftigten –, nicht nur einen verlängerten Wochenenddienst im Ausmaß von bis zu 49 Stunden verrichten zu können, sondern auch einen verlängerten Dienst im selben Ausmaß, der am Vortag eines Feiertages am Vormittag beginnt und den Feiertag miteinbezieht. Dadurch ist ein Dienstwechsel am Feiertag nicht mehr notwendig. Von meiner Vorrednerin wurde in dieser Sache schon sehr viel gesagt. Aufgrund der neuen Regelung kann jetzt jede Woche mindestens ein verlängerter Dienst verrichtet werden.

Um eine regelmäßige Aufteilung der Nachtdienste und der verlängerten Dienste im Wochenzyklus zu erreichen, wird jetzt die Möglichkeit geschaffen, in Betriebsvereinbarungen und im Einvernehmen mit der Personalvertretung die Wochenenddefinition abweichend festzulegen. Dadurch zählt ein Teil des Wochenenddienstes bereits zur Arbeitszeit der nächsten Woche, und Überschreitungen der Höchstgrenze werden vermieden.

Meine Damen und Herren! Mit der Anpassung dieser Gesetzesvorlage wird ein weiterer Schritt zur Verbesserung der medizinischen Betreuung der Patienten gesetzt. Meine Fraktion wird der Vorlage die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.54

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

14.54

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden, ist nicht nur notwendig, sondern legt auch Zeugnis davon ab, wie "glaubwürdig" die Bundesregierung und in diesem Fall auch der Bundesgesetzgeber sind.


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 81

Schon 1995 wurde eine freiheitliche Anfrage eingebracht sowie auf die Problematik und den entsprechenden Regelungsbedarf aufmerksam gemacht. Die Antwort des Sozialministers auf diese Anfrage war damals sehr vielversprechend. Sie lautete, daß die diese Regelungen betreffende EU-Richtlinie bis Herbst 1996 umgesetzt würde und daß es zu einer Neuregelung der Höchstarbeitszeit käme. Mittlerweile sind drei Jahre ins Land gezogen. Nun liegt diese Materie endlich zur Beschlußfassung vor.

Meine Damen und Herren! Das ist sicherlich ein Wermutstropfen im Hinblick auf dieses Thema. Das kann aber aufgrund der Zusage des Sozialministers nach der Anfrage von 1995 auch so interpretiert werden, daß dies keine ehrliche Politik ist. Im weitesten Sinn bedeutet das auch ein Ignorieren des Parlaments, und es ist zumindest eine zeitlich begrenzte Kriminalisierung der Betroffenen mangels Regelung. Das stellt für uns selbstverständlich einen Wermutstropfen dar, meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dieser Materie aber trotzdem zustimmen. Lieber hätten wir das jedoch schon 1996 getan.

Meine Damen und Herren! Ich meine, in Hinkunft sollten von seiten der Regierung Zusagen, die dem Parlament gegeben werden, etwas ernster genommen werden. Sonst darf es Sie nicht wundern, daß der Bürger sehr wenig von der Politik hält. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.56

Präsident Gottfried Jaud: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Übereinkommen zwischen der Republik Österreich, der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, der Tschechischen Republik, der Republik Ungarn, der Republik Polen, der Republik Rumänien, der Slowakischen Republik und der Republik Slowenien vom 7. Februar 1998 zur Verlängerung des CEEPUS-Programmes (1624 und 1785/NR sowie 5942/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend den Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage (1642 und 1786/NR sowie 5943/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Übereinkommen zwischen der Republik Österreich, der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, der Tschechischen Republik, der Republik Ungarn, der Republik Polen, der Republik


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
655. Sitzung / Seite 82

Rumänien, der Slowakischen Republik und der Republik Slowenien vom 7. Februar 1998 zur Verlängerung des CEEPUS-Programmes sowie

ein Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage.

Die Berichterstattung über die Punkte 10 und 11 hat Herr Bundesrat Wilhelm Grissemann übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Wilhelm Grissemann: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich verlese den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Übereinkommen zwischen der Republik Österreich, der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, der Tschechischen Republik, der Republik Ungarn, der Republik Polen, der Republik Rumänien, der Slowakischen Republik und der Republik Slowenien vom 7. Februar 1998 zur Verlängerung des CEEPUS-Programmes.

Das CEEPUS-Programm, welches am 8. Dezember 1993 in Budapest für einen begrenzten Zeitraum von fünf Jahren unterzeichnet wurde, wird durch das vorliegende Übereinkommen bis zum 31. Dezember 2004 verlängert. Es hat die Förderung der akademischen Mobilität in Mitteleuropa zum Ziel.

Im Rahmen von CEEPUS werden Netzwerke zwischen Hochschuleinrichtungen in der Region mittels Stipendien gefördert. Die Abwicklung von CEEPUS erfolgt durch die Organisationen in den Mitgliedsländern. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzergänzend, enthält aber keine verfassungsändernde Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.


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655. Sitzung / Seite 83

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt ein Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend den Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage vor.

Ziel des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates ist es, die Fragen der vollen Anerkennung akademischer Grade und Studienabschlüsse unter Bedachtnahme auf neue Entwicklungen in einem neuen Notenwechsel systematisch zusammenzufassen sowie das Anerkennungsverfahren zu vereinfachen.

Es werden die Bedingungen festgelegt, unter denen akademische Grade und Studienabschlüsse zwischen beiden Vertragsstaaten als voll gleichwertig anerkannt werden können.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
655. Sitzung / Seite 84

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Herzlichen Dank für die beiden Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Trunk. – Bitte.

15.01

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Beide Regierungsvorlagen betreffen die Verlängerung der Kooperation und der entsprechenden Verträge der Republik Österreich mit den genannten Staaten.

Das bedeutet auf der einen Seite – gemäß dem Übereinkommen – eine Fortsetzung und Stärkung der akademischen Mobilität innerhalb Mitteleuropas, und das bedeutet selbstverständlich auch eine Intensivierung intellektueller, wissenschaftlicher Auseinandersetzung.

Gleichermaßen ermöglicht die Verlängerung des zweiten Vertrages, das heißt der Anerkennung der akademischen Grade und Qualifikationen zwischen Österreich und Italien, daß im Bereich der Aus- und Fortbildung sowie des Austausches wissenschaftlicher Arbeit eine Form der intellektuellen Grenzenlosigkeit geschaffen wird.

Erlauben Sie mir, als Kärntnerin zu sagen, daß speziell die zweite Vertragsverlängerung, nämlich die Kooperation zwischen Italien und der Republik Österreich zur Anerkennung der akademischen Grade, für unser Bundesland große Bedeutung hat.

Wir begrüßen daher die Verlängerung der beiden Übereinkommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Kollege Linzer, bitte.

15.03

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich in gebotener Kürze, in zwei, drei Sätzen sagen, wie wichtig diese Übereinkommen, vor allem auch das CEEPUS-Programm betreffend, sind.

Wir alle wissen, daß die Europäische Union durch Assoziierungsabkommen mit den beitrittswilligen Ländern und den Nachbarländern – diese Assoziierungsabkommen beinhalten das PHARE/TACIS-Übereinkommen, unter anderem auch CEEPUS und vieles andere – größte Anstrengungen unternimmt, um nicht nur die Infrastruktur dieser Länder zu verbessern, sondern mit ihnen auch das wissenschaftliche und technische Know-how zu teilen und sie Anteil an verschiedenen Forschungsprogrammen nehmen zu lassen, um den Niveauunterschied in verschiedenen Belangen sozusagen abzubauen und eine Erweiterung wirklich vorzubereiten.

Wir von der Österreichischen Volkspartei begrüßen, daß das CEEPUS-Programm, in dem eine entsprechende Mobilität der Akademiker vorgesehen ist, verschiedene Austauschprogramme zwischen den Akademikern sozusagen zwischen hüben und drüben ermöglicht und finanziert. Meine Fraktion wird diesen Beschlüssen gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Übereinkommen zwischen der Republik Österreich, der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, der Tschechischen Republik, der Republik Ungarn, der Republik Polen, der Republik Rumänien, der Slowakischen Republik und der Republik Slowenien vom 7. Februar 1998 zur Verlängerung des CEEPUS-Programmes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend den Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (1573 und 1827/NR sowie 5944/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wilfing übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, daß die Zusammenarbeit zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen derzeit im Rahmen der Nachbarschaftshilfe weitgehend ohne ausdrückliche Regelung erfolgt.

Ziel des gegenständlichen Staatsvertrages ist die Schaffung eines völkerrechtlichen Rahmens für eine gegenseitige Hilfeleistung.


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 85

Da der vorliegende Staatsvertrag auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich.

Die in Artikel 3 Abs. 1 und in Artikel 8 Abs. 1 und 2 enthaltenen Bestimmungen des gegenständlichen Staatsvertrages sind zudem verfassungsändernd und bedürfen daher gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Grundgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. den im Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 8 Abs. 1 und 2 des gegenständlichen Staatsvertrages enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Thumpser. – Bitte.

15.09

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für Österreich ist es erforderlich, mit seinen Nachbarstaaten – und nicht nur mit diesen, wie die Katastrophe von Galtür leider bewiesen hat – auch in bezug auf humanitäre Hilfe zusammenzuarbeiten. Bis jetzt ist diese Zusammenarbeit zwischen Österreich und der Tschechischen Republik ohne Regelung und auch ohne gesetzlichen Rahmen erfolgt. Durch diesen Vertrag werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, möglichst rasch und unbürokratisch Hilfe leisten zu können.

Dieser Vertrag ist umso wichtiger, als die Katastrophenhilfe wegen der Entscheidung der Tschechischen Republik im Hinblick auf das Atomkraftwerk Temelin leider einen besonderen Stellenwert bekommt. Gerade wegen dieser Entscheidung Prags ist eine Intensivierung der Zusammenarbeit anzustreben, und es ist deshalb ein verstärktes und vertraglich geregeltes Abkommen notwendig.

Es muß an dieser Stelle nicht extra erwähnt werden, daß uns eine Tschechische Republik ohne Atomkraftwerke wesentlich lieber wäre und daß es nach wie vor unser Bestreben sein muß, daß der Ausstieg aus der Atomenergie auch seitens Prags vollzogen wird. Denn gerade in diesem Bereich kommt auch die europäische Dimension zum Tragen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann nicht sein, daß dieses Kraftwerk eine rein nationalstaatliche Angelegenheit der Tschechischen Republik ist. Denn das Risiko tragen wir zumindest genauso.

Ich hoffe nicht – ich bin auch überzeugt davon, daß es nicht eintreffen wird –, daß wir dieses Gesetz, dieses Katastrophenschutz-Übereinkommen dann brauchen, wenn uns das AKW in Temelin Probleme bereitet. Ich bin sicher, daß alles Mögliche unternommen wird, um dies nicht geschehen zu lassen.

Trotzdem ist Nachbarschaftshilfe ein Gebot der Stunde. Nachbarschaftshilfe inkludiert – wie es der Ausdruck schon in sich hat – Gegenseitigkeit. So, wie wir einander in innerstaatlichen Ka


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655. Sitzung / Seite 86

tastrophenfällen gegenseitig Hilfestellungen geben, wie wir uns gegenseitig helfen und wie eine Region der anderen hilft, darf in diesem Fall auch eine Staatsgrenze kein Hindernis sein. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Katastrophen der letzten Jahre – davon gab es in unserer Region leider genug – erinnern. Keine Region in Österreich wäre selbst in der Lage, sich vollständig zu helfen. Immer wieder waren es zu einem Großteil die Freiwilligenorganisationen wie Feuerwehr, Samariterbund oder Rotes Kreuz, die diese Hilfestellungen in Katastrophenfällen geleistet haben und auch über Bezirks- und Ländergrenzen hinaus tätig geworden sind.

Genauso, wie dies innerstaatlich möglich ist, soll es nun mit unserem Nachbarn, der Tschechischen Republik, geregelt werden. Wir werden aus diesem Grund der Vorlage unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ram. – Bitte.

15.12

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachbarschaftshilfe ist etwas, was jeder von uns braucht. Jeder – wir haben auch sehr viele Gemeindepolitiker hier – weiß, wie wichtig es ist, Nachbarschaftshilfe zu leisten, im Großen und im Kleinen. Über das Große sprechen wir heute, nämlich über die Nachbarschaftshilfe zwischen zwei europäischen Staaten, zwischen zwei angrenzenden Ländern.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das einzige Problem an dieser Sache ist, daß diese Nachbarschaftshilfe im Katastrophenfall vorkommt. Wir sprechen über Nachbarschaftshilfe im Katastrophenfall. Da kann man es – Kollege Thumpser hat das schon erwähnt – selbstverständlich nicht bleibenlassen, vom Kraftwerk Temelin zu sprechen. Die Entscheidung der Tschechischen Republik, das Kraftwerk Temelin weiterzubauen, ist für mich ein einziger Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es kann nicht angehen, daß eine junge europäische Demokratie in die Europäische Union aufgenommen werden möchte, die positiven Errungenschaften dieser Union nutzen möchte, sich aber gleichzeitig vor den Nachbarn, vor den Sorgen ihrer unmittelbaren Nachbarn verschließt. Wir alle wissen, was ein Kraftwerk Temelin für uns bedeuten würde. Ich selbst komme aus Niederösterreich, und ich kann Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, versichern, daß in unserer Region die Angst vor einem Unglücksfall in diesem Kraftwerk enorm groß ist.

Unsere Aufgabe als österreichische Politiker ist es, auch hier entschieden Stellung zu nehmen und in der Europäischen Union darauf zu dringen, daß Tschechien nicht aufgenommen wird, wenn es bei diesem Kraftwerk nicht zu einer Mitsprache und zu einer Einbindung der anderen europäischen Staaten, insbesondere der Nachbarstaaten, kommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen Punkt sollte man nicht unerwähnt lassen, wenn es zu einer Diskussion über die Tschechische Republik kommt: Das sind die Beneš-Dekrete. Mein Kollege Paul Tremmel hat schon erwähnt, inwiefern die Beneš-Dekrete menschenverachtend sind. Diese menschenverachtenden Beneš-Dekrete sind immer noch Gesetz, sie stellen immer noch einen Teil der Gesetzeslage in der Tschechischen Republik dar.

Liebe Freunde! Eines ist noch zu sagen – wir haben es schon erwähnt –: Tschechien darf nicht in die Europäische Union aufgenommen werden, wenn es nicht bereit ist, im Zusammenhang mit dem Kraftwerk Temelin mit den Nachbarstaaten zusammenzuarbeiten. Tschechien darf aber ebenfalls nicht aufgenommen werden, wenn die Beneš-Dekrete bestehenbleiben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 87

15.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Vizepräsident Weiss. – Bitte.

15.15

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es bedarf natürlich keiner weiteren Erörterung, daß der Abschluß eines solchen Übereinkommens mit einem Nachbarland nachhaltig zu begrüßen ist. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es wünschenswert wäre, solche Übereinkommen mit allen Nachbarländern Österreichs zu haben. Mit der Schweiz beispielsweise besteht ein solches Übereinkommen noch nicht. Es ist in Verhandlung, aber noch nicht unterzeichnet, und ich möchte hier den Anlaß wahrnehmen, um zu bitten, diese Verhandlungen zügig abzuschließen.

Wir haben in diesem Lawinenwinter – und erst recht jetzt wieder im Zusammenhang mit der Hochwassersituation – gesehen, wie wichtig grenzüberschreitende flexible Hilfestellung ist. Sie wird auch unbürokratisch gewährt. Es gibt aber doch immer wieder Zweifelsfälle, insbesondere dann, wenn die Katastrophen – Gott sei Dank – nicht so spektakulär wie in Galtür sind. Da gibt es immer wieder Haare, die in der Suppe schwimmend gesehen werden. Weil zum Beispiel eine formal notwendige Bewilligung für eine Außenlandung nicht vorliegt, führt das in der Praxis häufig zu unverständlichen Verzögerungen des Einsatzes ausländischer Hubschrauber.

Ich erinnere daran, daß der Tiroler Landtag bereits vor zwei Jahren darauf hingewiesen hat, daß hinsichtlich der grenzüberschreitenden Flugrettung und Hubschrauberbergung zwischen Italien und der Schweiz ein sehr enges, sehr gut ausgebautes Netz und entsprechende Zusammenarbeit bestehen und daß dies zwischen Österreich und Italien beziehungsweise Österreich und der Schweiz nachahmenswert wäre. Ich möchte auch an diesen Gesichtspunkt und an dieses Anliegen des Tiroler Landtages erinnern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluß regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, weshalb dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes bedarf.

Überdies enthält er in dessen Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 8 Abs. 1 und 2 verfassungsändernde Bestimmungen, die gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den im Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 8 Abs. 1 und 2 des vorliegenden Beschlusses enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.


Bundesrat
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Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz (PStG) geändert wird (1014/A und 1828/NR sowie 5945/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wilfing übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, daß nach der derzeit geltenden Rechtslage totgeborene Kinder in Österreich keinen Vornamen erhalten. Dieser Umstand stellt für Eltern oft eine große psychische Belastung dar.

Mit der gegenständlichen Novelle soll eine weitgehende beurkundungsrechtliche Gleichbehandlung mit lebend geborenen Kindern erreicht werden, sodaß auf Wunsch der Eltern (bei unehelichen Kindern der Mutter) ein Name und die Religionszugehörigkeit für das Kind im Sterbebuch eingetragen werden.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe (Akademien-Studiengesetz 1999 – AStG) (1755 und 1794/NR sowie 5932 und 5946/BR der Beilagen)


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15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird (1795/NR sowie 5947/BR der Beilagen)

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1756 und 1796/NR sowie 5948/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe,

ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 14 bis 16 hat Herr Bundesrat Steinbichler übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Leopold Steinbichler: Frau Ministerin! Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe, Akademien-Studiengesetz 1999.

Wesentliche Zielsetzungen des vorliegenden Gesetzesbeschlusses sind:

Gesetzliche Festlegung der Unterrichtsordnung der Berufspädagogischen Akademien, der Pädagogischen Akademien, der Pädagogischen Institute, der Land- und forstwirtschaftlichen Berufspädagogischen Akademie sowie des Land- und forstwirtschaftlichen Berufspädagogischen Institutes

Schaffung hochschulmäßiger Strukturen

Ausbau der Eigenständigkeit hinsichtlich der Gestaltung der Studien an den Akademien sowie der Evaluierung und Weiterentwicklung der Studien

Weitgehende Übertragung von Entscheidungen an die Akademien im Rahmen der Autonomie

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluß beruht auf einem Antrag des Unterrichtsausschusses des Nationalrates, den dieser gemäß § 27 Abs. 1 GOG-NR in inhaltlichem Zusammenhang mit der dort verhandelten Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe (Akademien-Studiengesetz 1999) gestellt hat.

Die in dem Bundesgesetz über die Studien an Akademien genannten Akademien sollen einer wissenschaftlich fundierten und praxisorientierten Berufsausbildung auf Hochschulniveau dienen


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und die Strukturen der Akademien "hochschulmäßig" gestaltet werden. Bei diesen Akademien wird es sich somit um hochschulähnliche Einrichtungen handeln.

Im Zusammenhang mit der hochschulähnlichen Organisation der Akademien sollen die Studierenden dieser Akademien durch den vorliegenden Gesetzesbeschluß in den Vertretungsverbund der Österreichischen Hochschülerschaft – und zwar mit allen Rechten und Pflichten – aufgenommen und eine Vertretung der Studierenden an den Akademien etabliert werden.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Drittens bringe ich den Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird.

Die vorgesehene gesetzliche Regelung über die Gestaltung der Studien an den Akademien hat auch Auswirkungen auf die Regelungen des Schulorganisationsgesetzes. Um einer weiteren (organisatorischen) hochschulorientierten Entwicklung der Akademien nicht vorzugreifen, beschränkt sich der gegenständliche Gesetzesbeschluß zum Schulorganisationsgesetz ausschließlich auf jene Bestimmungen, die in untrennbarem Zusammenhang mit dem geplanten Akademien-Studiengesetz 1999 stehen. Die Systematik des Teils C (Anstalten der Lehrerbildung und Erzieherbildung) des Schulorganisationsgesetzes wird ebenfalls an die geänderten Anforderungen angepaßt.

Bei der Einrichtung von Versuchen an Akademien ist die Evaluierungs- und Planungskommission zu befassen und muß diese im Sinne einer abgestimmten Vorgangsweise des Entwicklungsprozesses positiv Stellung nehmen.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

15.26

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! An sich wollte ich ursprünglich nur zur Änderung des Hochschülerschaftsgesetzes 1998 Stellung nehmen. Bei näherer Sicht der Dinge – so wurde mir bald klar – ist das allerdings nicht möglich, ohne auch auf das heute zugleich vorliegende Akademien-Studiengesetz 1999 einzugehen. Denn in Wirklichkeit ist es die grundsätzliche Kritik an diesem Gesetz, die uns auch zur Ablehnung der ihm bloß Rechnung tragenden Novellierung des ÖH-Gesetzes veranlaßt; ist diese Änderung doch allein durch jenes Vorhaben bedingt.

So ist im Akademien-Studiengesetz die Zielbestimmung verankert, daß die genannten Einrichtungen einer wissenschaftlich fundierten und praxisorientierten Berufsausbildung auf Hochschulniveau dienen und die Strukturen der Akademien hochschulmäßig gestaltet werden sollen – was immer das heißen mag. So gesehen lag es freilich nahe, im Zusammenhang mit der hochschulähnlichen Organisation der Akademien und der Hochschulen für pädagogische Berufe die an ihnen Studierenden in den Verband der ÖH als gesetzliche Interessenvertretung aufzunehmen und daher eine entsprechende Repräsentanz der Studierenden an den Akademien zu schaffen.

Aber gerade an diesem Ausgangspunkt der Novelle muß die Kritik ansetzen; haben wir doch im Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom zuständigen Fachreferenten des Ressorts gehört, daß die wahre, grundlegende politische Entscheidung darüber bisher noch gar


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nicht getroffen worden ist, ob die Akademien letztendlich tatsächlich echten Hochschul- oder gar Universitätsstatus erlangen sollen.

Dagegen sprechen schon zwei Umstände, einerseits die Beibehaltung der Zweigleisigkeit der Lehrerausbildung an staatlichen wie auch an konfessionellen Akademien und andererseits die Zusammensetzung ihrer die personalpolitischen Entscheidungen prägenden Kuratorien rein nach dem Parteienproporz, was einer Hochschule absolut unwürdig ist. Bestenfalls eine gewisse Weichenstellung in die Richtung hin zur Hochschule ist somit vorgenommen worden. Allerdings ist dies eine Weichenstellung, die nach meiner Überzeugung ohnehin in die falsche Richtung führt.

Das deutet sich schon in der erwähnten Zielbestimmung im Akademien-Studiengesetz an. Sie ist – selbst wenn man, anders als ich, das Ziel bejaht – sachlich verfehlt, ja geradezu in sich widersprüchlich. Damit meine ich nicht so sehr die doppelte Intention, daß Akademien sowohl einer wissenschaftlich fundierten als auch einer praxisorientierten Ausbildung dienen sollen. Denn Theorie und Praxis sind kein absoluter Gegensatz, und sie sollten es auch nicht sein. Sie befruchten und inspirieren sich wechselseitig und müssen auch systematisch miteinander vermittelt werden.

Gerne verweise ich in diesem Sinn auf die heute leider schon vergessenen goldenen Worte des berühmten Philosophen Immanuel Kant, daß es allzu vordergründig wäre, davon zu reden, daß eine bestimmte Theorie für die Praxis nicht tauge. Wäre das nämlich so, dann müßte man mit Kant den Befund treffen, daß eine solche Theorie vielmehr nicht hinreichend theoretisch ist.

Weit mehr stört hingegen, daß von einer "Berufsausbildung" auf Hochschulniveau gesprochen wird. Das freilich ist ein innerer Bruch. Bewußt hatte das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz für das universitäre Bildungsziel den Begriff der "wissenschaftlichen Berufsvorbildung" gewählt. Ich betone sowohl "wissenschaftlich" als auch "Vorbildung". Mit guten Gründen haben wir Universitätslehrer darum gekämpft, daß dieser wohlerwogene Begriff auch im Universitäts-Studiengesetz beibehalten worden ist, war doch auch bereits der Begriff der "wissenschaftlichen Berufsaus bildung" in einen Entwurf zu diesem Gesetz eingeflossen. Ich lasse offen, ob das bloß begriffliche Unschärfe und Nachlässigkeit oder aber ein Versuch zwar schleichender, aber gezielter Aushöhlung des universitären Bildungszieles war.

Daß ein gewisses Mißtrauen in dieser Hinsicht durchaus angebracht war, zeigte sich spätestens im Sommer 1997, als der damals noch relativ neue Wissenschaftsminister Dr. Einem die Forderung erhob, das Studium der Rechtswissenschaften – historisch betrachtet eines der klassischen der frühen europäischen Universitäten –, wenn nicht sogar einzelne Zweige des Medizinstudiums auf Fachhochschulen zu verlagern.

Mit anderen Worten: Berufsausbildung, und zwar selbst auf höchstem Niveau, kann es meines Erachtens nur an Akademien oder Fachhochschulen herkömmlicher Art geben. Wissenschaftliche Berufsvorbildung hingegen muß Universitäten oder Hochschulen mit gleichem Rang vorbehalten bleiben.

Man verstehe mich nicht falsch! Mir geht es weder um professoralen Bildungsdünkel noch um die leidige, wenngleich für die Berufspraxis durchaus bedeutsame Frage, welcher Studienabschluß die A-, besser die A1-wertige Einstufung rechtfertigt. Vielmehr kommt es meines Erachtens auf das je angestrebte Bildungsziel einer echten Hochschule an.

Ist aber die politische Grundentscheidung nicht gefallen – zumindest keine ehrliche Entscheidung, also keine solche durch die Hintertür, keine der vollendeten Tatsachen oder gar der Salamitaktik –, ob sich die Akademien in der Endstufe wirklich zu echten Hochschulen wandeln sollen, dürfen auch keine Folgeregelungen beschlossen werden, die zuvor ebendieser bis heute nicht getroffenen Grundsatzentscheidung bedürften. Ich wünsche sie mir nicht in dieser Hinsicht, nicht in diese Richtung, das habe ich schon klar bekundet. Aber sie ist nun einmal bisher überhaupt noch nicht gefallen.


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Müssen denn Pflichtschullehrer einen echten Hochschulabschluß haben, genauso wie AHS-Lehrer, die auf ein Studium zur wissenschaftlichen Berufsvorbildung vorzubereiten haben? – Nach alldem geht es meines Erachtens nicht an, zwar diese – von mir durchaus nicht gewünschte – bildungspolitische Grundsatzentscheidung nicht zu treffen, aber solche Studiengänge einzurichten und Organisationsstrukturen zu schaffen, die einzig und allein dann sinnvoll und legitim wären, hätte man sich bereits verpflichtend dazu entschlossen, alle Akademien auf die Ebene echter Hochschulen, das heißt von Universitäten, anzuheben.

Oder geht es etwa gar nicht um eine qualitative Anhebung der Akademien, sondern eher um eine Relativierung und indirekte Senkung des fachlichen Niveaus der derzeit anerkannten Hochschulen? Was bedeutet in diesem Zusammenhang die sprachlich recht schwammige und sachlich äußerst fragwürdige Wendung einer "hochschulmäßigen Gestaltung von Strukturen"? Was sind zudem "hochschulähnliche Einrichtungen"? – Entweder ist eine Bildungsanstalt eine echte Hochschule, oder sie ist es eben nicht. Ein bißchen hochschulisch schwanger, aber doch nicht ganz kann eine solche Einrichtung doch nicht sein!

Erstaunlich scheint auch zu sein, daß sich für diese Fragen zwar der Unterrichtsausschuß und das Bundesministerium für Unterricht und Kultur verantwortlich fühlen, offenbar aber nicht der insofern dafür mitzuständige Wissenschaftsminister und der entsprechende Ausschuß im Parlament.

Mangels einer verbindlichen Grundentscheidung – sie wäre in der Tat eine politische Weichenstellung –, die alle Akademien endgültig als Einrichtungen auf Hochschulebene definiert, lehnen wir Freiheitlichen es daher ab, Folgeregelungen zuzustimmen, die eine solche bis heute nicht getroffene Grundentscheidung sachlogisch voraussetzen. Da wir bildungspolitisch auch einer entsprechenden Egalisierung von Akademien und echten Hochschulen nicht zustimmen, fällt uns die Ablehnung von Gesetzesvorhaben, die der Anpassung an eine solche sachwidrige Gleichstellung dienen, umso leichter.

Wir stimmen daher keiner Vorlage zu, die der von mir aufgedeckten bildungspolitischen Nivellierung Vorschub leistet. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hager. – Bitte.

15.35

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Ausgangssituation, die zur Schaffung der vorliegenden Gesetze geführt hat, besteht darin, daß es für Akademien bisher keine gesetzliche Regelung ihrer inneren Ordnung gegeben hat. Das Studienrecht an den Akademien war bisher durch eine Vielzahl von Erlässen des Unterrichtsministeriums geregelt.

Mit diesem Gesetz wird nun die Absicht verfolgt, den lehrerbildenden Akademien im Studienrecht eine hochschulartige Struktur zu ermöglichen, ihnen wesentlich mehr Freiheit bei der Gestaltung der Studien zu geben. Eine weitgehende Dezentralisierung durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen in die Autonomie der Akademien wird dies ermöglichen. Damit werden die Pädagogischen Akademien zu Hochschulen für pädagogische Berufe weiterentwickelt, und das Ausbildungsniveau soll auf einen internationalen Standard angehoben werden.

Ich bin davon überzeugt, daß es hoch an der Zeit war, die unterschiedliche Ausbildung von Pflichtschullehrern an den PÄDAKs und der AHS-Lehrer an den Universitäten zu beseitigen. Sie entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen. Die gleichwertige Ausbildung aller Lehrer auf Hochschulniveau ist eine Notwendigkeit. Denn wir alle, so glaube ich, wollen eines, nämlich daß wir bestqualifizierte Lehrer für unsere Kinder haben.

Innerhalb von acht Jahren werden nun hochschulische Einrichtungen für die Ausbildung der Pflichtschullehrer geschaffen. Mit diesem Gesetz wird an den PÄDAKs ein Universitäts- und Hochschulstandard erreicht. Die Studienabschlüsse an diesen Akademien werden akademische


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Grade beinhalten, die international anerkannt werden. Damit soll gewährleistet werden, daß den Absolventen auch innerhalb der Europäischen Union eine Anstellung erleichtert wird. Es wird der Diplomanerkennungsrichtlinie der EU Rechnung getragen, die uns bestimmte Anforderungen in der Lehrerbildung aufträgt.

Durch Kooperationsmöglichkeiten auf universitärer Ebene wird die gleichwertige Anrechnung von Studien an den Universitäten und Akademien möglich werden. Das Zusammenwirken von Lehre und Forschung ist sicherzustellen, und die Forschungsmöglichkeiten der Akademien sollen erleichtert und dadurch verstärkt werden.

Das vorliegende Gesetz ist praktisch ein Überleitungsgesetz. Das wichtigste Instrument dieses Überleitungsgesetzes ist die im § 2 genannte Planungs- und Evaluierungskommission. Sie soll nämlich sicherstellen, daß innerhalb der Frist von acht Jahren die Weiterentwicklung konkret geplant, koordiniert und evaluiert wird.

Dieses Gesetz leitet einen Entwicklungsprozeß ein, der innerhalb der kommenden acht Jahre die vollakademische Ausbildung der Pflichtschullehrer behutsam herbeiführen wird. Denn es wäre allein schon organisatorisch nicht möglich, in einer Hau-ruck-Aktion von heute auf morgen alle PÄDAKs in Hochschulen umzuwandeln. Die Änderungen für die Lehrenden und Studierenden werden alle vor große Herausforderungen stellen. Es werden Habilitationen, Weiter- und Höherqualifikationen notwendig sein, die einfach eine gewisse Zeit erfordern. Ebenso wird auch die Erarbeitung eines neuen Dienst- und Besoldungsrechtes Zeit beanspruchen.

Weiters – das möchte ich abschließend erwähnen – erhalten die Akademien eigene Studentenvertreter, die in das System der Österreichischen Hochschülerschaft eingebunden sind.

Meine Fraktion wird diesen Vorlagen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in der Debatte weitergehen, darf ich vorschlagen, daß wir die vier Luster abdrehen, weil sie den Raum zusätzlich aufheizen. Ich hoffe, daß es Ihnen recht ist. Es wird noch immer hell genug sein, um lesen und ähnliches mehr tun zu können.

Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pühringer. – Bitte.

15.39

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich auf das Akademien-Studiengesetz beziehen, werde aber nicht auf die Inhalte und die detaillierten Zielsetzungen eingehen. Das hat mein Vorredner schon ausführlich getan. Dies ist außerdem in unseren Unterlagen nachzulesen. Ich möchte zwei grundsätzliche Gedanken dazu anmerken. (Beifall des – in Richtung der verlöschenden Luster blickenden – Bundesrates Mag. Gudenus. )

Der erste Gedanke bezieht sich darauf, daß der Zielparagraph der österreichischen Schule mündige Bürger, mündige Menschen will. Mündigkeit kann aber nicht bis zur Großjährigkeit aufgeschoben werden. Das heißt, Mündigkeit kann nicht plötzlich in einem bestimmten Alter einsetzen, sondern Mündigkeit erfordert einen schrittweisen Prozeß, der schon in der Familie, in der familiären Sozialisation beginnt oder beginnen sollte und dann in der Schule fortgesetzt wird.

Mündigkeit als Anspruch des Bildungsprozesses setzt aber autonom handelnde Lehrer voraus. Dafür ist, so denke ich, das Prinzip der Universität jedenfalls – ich möchte es so ausdrücken – geeigneter als die derzeitigen Bedingungen des Schulorganisationsgesetzes, denen die Pädagogischen Akademien derzeit noch unterliegen. Das Prinzip der Universität ist die Verknüpfung von Forschung und Lehre, im äußersten Fall von Lehre unter Beteiligung von Forschung, und dadurch ist auch der Leistungsstandard sehr hoch. Diese hohe Latte ist, so glaube ich, für die Weiterentwicklung der Lehrerbildung zur Pädagogischen Hochschule unverzichtbar.


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Die Steigerung der Autonomie der Lehrerbildungseinrichtungen steht im Dienste der Autonomie des Lehrers, und diese wiederum im Dienste der Autonomie des Schülers und damit eines mündigen Menschen. Wenn durch diese Weiterentwicklung auch formal – da betone ich ausdrücklich "formal" – der internationale Standard erreicht wird, dann ist das eine positive und sicherlich sehr willkommene Beigabe.

Meine zweite Überlegung aus meiner Sicht als Standesvertreterin im Pflichtschulbereich betrifft das Thema der Finanzierung dieser künftigen Lehrergeneration. Denn dazu hat es im Nationalrat einige Äußerungen – zum Teil konträre Anmerkungen – gegeben. Die eine war: Warum werden Lehrer, die in der allgemeinbildenden Pflichtschule und in der Unterstufe der AHS dieselbe Altersgruppe von Schülern und nach demselben Lehrplan unterrichten, unterschiedlich bezahlt? – Ich kann dieser Überlegung durchaus etwas abgewinnen. (Beifall des Bundesrates Payer. )

Eine weitere Überlegung, die eigentlich dagegenspricht, hat ein Abgeordneter folgendermaßen ausgedrückt: Das können wir uns sowieso nicht leisten. – Er hat damit die besoldungsrechtliche Gleichstellung als logische Folge dieser Ausbildung gemeint. Meint er damit, daß es deshalb zu keiner Weiterentwicklung kommen darf und daß es deshalb einen Stillstand geben muß? Was ist dagegen einzuwenden, wenn künftig bei Vergleichbarkeit der Ausbildungshöhe dadurch die gleiche Bezahlung durch gleiche Leistung erreicht wird? – Das wäre aus meiner Sicht sicherlich ein erwünschter und positiver Nebeneffekt. Ich denke, wir könnten es uns leisten. Lassen wir doch die Statistiker den Rechenstift spitzen!

Im Bereich der allgemeinbildenden Pflichtschulen in Oberösterreich sind derzeit 50 Prozent der Lehrer zwischen 40 und 50 Jahre alt. Diese Lehrer werden in zehn Jahren zwischen 50 und 60 sein, und dann wird – im Gegensatz zu den unmittelbar nächsten Jahren – jährlich eine große Zahl von Pensionierungen einsetzen, Pensionierungen von sogenannten teuren Lehrern, die wiederum einen großen Einstellungsbedarf von jungen, kostengünstigeren Lehrern bedingen wird. Kostengünstiger werden sie, so glaube ich, auch dann sein, wenn es zu einem neuen Besoldungssystem kommen wird – ich sage das einmal optimistisch, davon ist schon die Rede –, einem Besoldungssystem, bei dem es höhere Anfangsbezüge und eine flacher verlaufende Kurve geben wird.

Der Finanzminister darf eben in den bevorstehenden Jahren des Schülerrückgangs – das kann man bereits genau berechnen, denn diese Geburtenzahlen gibt es schon; das sind keine Prognosen, sondern man weiß genau, welche Auswirkungen es auf die Schülerzahlen und damit auf die Lehrerposten haben wird – nicht mit Kürzungen der Personalkosten reagieren, sondern muß vorausschauend und zeitgerecht budgetär Vorsorge für diese Entwicklung treffen. Lehrer sollen durchaus nach dem Niveau ihrer Ausbildung und nach dem Gewicht ihrer Leistung bezahlt werden.

Mit diesen Überlegungen werden wir uns im Laufe dieses Entwicklungszeitraumes auch auseinandersetzen. Der erste Schritt, der die Weiterentwicklung der Pädagogischen Akademien einleitet, wird mit der Beschlußfassung zu diesem Gesetz gesetzt, für das ich mich auch bei unserer Ministerin herzlich bedanke.

Ich darf ankündigen, daß meine Fraktion gegen dieses Gesetz keinen Einwand erheben wird. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte.

15.45

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich möchte eines unmißverständlich klarstellen: Dieses Akademien-Studiengesetz ist kein Gesetz, mit dem eine gleiche Lehrerausbildung für Lehrer an AHS und Lehrer an Pflichtschulen erreicht werden soll.


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Es ist ein Gesetz, mit dem eine Weiterentwicklung der Pädagogischen Akademien zu Pädagogischen Hochschulen erreicht werden soll.

Es gibt sehr wohl Unterschiede zwischen Hochschulen und Universitäten, und es gibt sehr wohl Merkmale, an denen eine hochschulartige Ausbildung erkannt wird. Es gibt eine Diplomanerkennungsrichtlinie der Europäischen Union – das ist die Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 –, in der klar festgehalten wird, daß eine bestimmte Bildungshöhe aus der inneren Struktur erkennbar sein muß, zum Beispiel aus der Lehrfreiheit, der Verbindung von Forschung und Lehre, Lernfreiheit, pädagogischen Autonomie, Studierendenvertretung als Körperschaft des öffentlichen Rechts – um nur einige Merkmale zu nennen.

Wenn Hochschulen und Universitäten automatisch dasselbe wären, dann frage ich mich, warum die bisherigen Hochschulen für Musik oder die bisherigen Hochschulen für Kunst unbedingt zu Universitäten ernannt werden mußten. Sie waren vom Level her eben nicht dasselbe, sondern es ist richtig, daß an den Hochschulen, daß an den Fachhochschulen eine auf wissenschaftlicher Basis fundierte, praxisorientierte Berufsausbildung geleistet wird, daß aber an den Universitäten sehr wohl eine wissenschaftliche Berufsvorbildung geleistet wird, weil die Ausbildung an einer Universität nicht direkt auf Berufsfelder hin orientiert ist. Ich denke, daß man diese Unterschiede sehr wohl sehen muß.

Meine Damen und Herren! Das Akademien-Studiengesetz bildet einen Lückenschluß in den gesamten Bemühungen, dem Schulbereich, den verschiedenen Schulen in Österreich mehr Autonomie und mehr Selbständigkeit zu geben. Wir haben die Autonomie und die Selbständigkeit an den Pflichtschulen und an den Bundesschulen umgesetzt. Die Akademien haben noch gefehlt. Das war die erste Zielsetzung für dieses Gesetz.

Die zweite Zielsetzung ist es, daß wir in der Europäischen Union nachweisen können, daß durch die Möglichkeit der Eigenbestimmung auch diese hochschulartige Organisation gewährleistet ist. Wir haben in Verhandlungen mit der Europäischen Union sehr wohl erreicht, daß die Diplome der Pädagogischen Akademien adäquat der Ausbildung an Pädagogischen Hochschulen für Pflichtschullehrer im EU-Bereich anerkannt werden.

Es waren dafür zwei Bedingungen gestellt. Die eine Bedingung war, daß eine Durchstiegsmöglichkeit der Lehrer und Lehrerinnen aus dem Pflichtschulbereich in ein Hochschulstudium gegeben ist. Das haben wir mit dem Universitätsstudiengesetz erreicht, indem eine Ausbildung an der Pädagogischen Akademie bei einem Weiterstudium in einschlägigen Bereichen als erster Studienabschnitt anerkannt wird. Die zweite Bedingung war die hochschulähnliche Organisationsform, die in den Richtlinien der Diplomanerkennungsrichtlinie genau festgehalten ist. Dies haben wir ebenfalls erfüllt.

Der dritte Beweggrund für dieses Gesetz ist es, den Pädagogischen Akademien den Auftrag zu geben, an der Weiterentwicklung zu Pädagogischen Hochschulen zu arbeiten, und zwar mit einer Kommission, die wir einsetzen. Wir haben auch ein genaues Ziel und einen Zeitraum festgehalten, und wir wollen eine geordnete Überführung. Wir wollen also kein Management by Chaos – daß man einfach sagt: So, jetzt seid ihr Hochschulen! –, sondern wir wollen eine geordnete Überführung, in der wir uns zuerst die gesetzliche Grundlage überlegen und zweitens die Rahmenbedingungen schaffen, nämlich sowohl im Besoldungsbereich als auch in allen anderen Bereichen, die dafür notwendig sind.

Ich erinnere zum Beispiel an den Organisationsgrad. Wir haben 14 Pädagogische Akademien, vier Berufspädagogische Akademien, 62 Einrichtungen der Lehrer-Aus- und -weiterbildung. Man wird wohl zu einer – wie es auf Neuhochdeutsch heißt – "Clusterbildung", das heißt, zu einem Zusammenarbeitsmodell kommen müssen. Diese Möglichkeit ist ebenfalls in diesem Gesetz grundgelegt: daß diese Zusammenarbeitsmodelle erprobt und verwirklicht werden sollen.

Außerdem müssen wir mit den kirchlichen Akademien, mit dem Konkordat in eine Diskussion eintreten. Denn ich halte es nicht für eine Zweigleisigkeit, daß wir staatliche Akademien und kirchliche Akademien haben – diese sind übrigens sehr gut –, sondern wir müssen durch einen


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Zusatz zum Konkordat gewährleisten, daß auch dann, wenn diese Akademien Hochschulen sind, die Förderung im Ausmaß der Personalressourcen-Zurverfügungstellung gegeben ist.

Wir sind also an der Arbeit, die gesetzliche Grundlage für Hochschulen für pädagogische Berufe vorzubereiten und daneben sämtliche Rahmenbedingungen zu verhandeln, sodaß eine geordnete Überführung der Pädagogischen Akademien in Hochschulen in spätestens acht Jahren gewährleistet sein wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.5


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1

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse getrennt durchgeführt wird.

Die erste Abstimmung führen wir durch über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (1058/A und 1797/NR sowie 5949/BR der Beilagen)

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1752 und 1798/NR sowie 5950/BR der Beilagen)

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird (1753 und 1799/NR sowie 5951/BR der Beilagen)

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (1754 und 1800/NR sowie 5952/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 bis 20 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird, sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 17 bis 20 hat Herr Bundesrat Keuschnigg übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Georg Keuschnigg: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich darf die Berichterstattung für die Tagesordnungspunkte 17 bis 20 übernehmen.

Zu Punkt 17: Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates wurde als Initiativantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Höchtl, Dr. Antoni und Genossen am 21. April 1999 im Nationalrat eingebracht.

Wesentliche Ziele des vorliegenden Antrages sind:

Schaffung der Möglichkeit für die Länder, für den Fall der Verhinderung von Schulleitern von den Bestimmungen des LDG abweichende Regelungen zu treffen.

Gleichstellung der Leiter von berufspraktischen Schulveranstaltungen mit denen von mehrtägigen Schulveranstaltungen mit Nächtigung.

Aufhebung der Deckelung insoweit, als die Verwaltung von Lehrmittelsammlungen an den Schulen künftig flexibler gehandhabt werden kann.


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Lehrverpflichtungsregelung der für noch nicht schulreife Kinder zusätzlich eingesetzten Lehrer in jenen Fällen, in denen die Grundstufe I gemeinsam geführt wird.

Weiters Ersatz der bisherigen Zählung der Vorschulgruppen als Klassen für die Leiter-Lehrverpflichtung durch eine Bestimmung, die die Lehrverpflichtung auf eine Anzahl von noch nicht schulreifen Kindern abstellt.

Bemessung der Verminderung der Leiterlehrverpflichtung von Volksschulen, an denen dauernd Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden, nach der Anzahl der in der Schule unterrichteten Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Einführung einer Verminderung der Lehrverpflichtung für Lehrer, die zur Erfüllung der Aufgaben der Sonderpädagogischen Zentren herangezogen werden.

Inhaltliche Anpassung der Aufzählung und Bezeichnung beziehungsweise Erweiterung der Lehrmittelsammlungen (Kustodiate) an Polytechnischen Schulen.

Inhaltliche Anpassung der disziplinarrechtlichen Bestimmungen des LDG an die im BDG vorgenommenen Änderungen.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. März 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Als nächstes folgt zum Tagesordnungspunkt 18 der Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates zum Schulunterrichtsgesetz hat die Einführung einer Diplom- oder Abschlußarbeit im Rahmen der Reife- und Diplomprüfung zum Schwerpunkt.

Aus diesem Anlaß heraus ist beabsichtigt, die Paragraphen betreffend die Reife- und Diplomprüfung, die Diplomprüfung und die Abschlußprüfung (künftig: abschließende Prüfungen) neu zu fassen. Eine der wesentlichen Zielsetzungen ist die Verlegung der abschließenden Prüfungen möglichst gegen das Ende des Unterrichtsjahres, wodurch mehr Zeit für die Unterrichtsarbeit verbleiben soll. Dies bedingt jedoch ein höheres Maß an Flexibilität an der Schule, was die Zusammensetzung der Prüfungskommission und die Ablauforganisation der abschließenden Prüfung anlangt. Um insbesondere eine Beeinträchtigung des Schulbetriebes während der Prüfungszeit hintanzuhalten, sowie weiters um es auch Schulleitern und Abteilungsvorständen zu ermöglichen, als externe Experten die Vorsitzführung von Prüfungskommissionen an anderen Schulen zu übernehmen, ist vorgesehen, daß nicht mehr Schulleiter und Abteilungsvorstand Mitglieder der Prüfungskommission sind, sondern daß der Schulleiter oder der jeweils zuständige Abteilungsvorstand Mitglied der Prüfungskommission ist. Diese Flexibilisierung ermöglicht insbesondere an größeren Schulen eine Reduktion des Prüfungsgeschehens auf einen relativ kurzen Zeitraum am Ende des Unterrichtsjahres, da mehrere Prüfungskommissionen nebeneinander die abschließenden Prüfungen abnehmen können.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 19 folgt der Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird.

Der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates zum Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige hat die Einführung einer Diplom- oder Abschlußarbeit im Rahmen der Reife- und Diplomprüfung zum Schwerpunkt.


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Aus diesem Anlaß heraus ist beabsichtigt, die Paragraphen betreffend die Reife- und Diplomprüfung, die Diplomprüfung und die Abschlußprüfung (künftig: abschließende Prüfungen) trotz weitgehender Beibehaltung der Regelungsinhalte mit dem primären Ziel der möglichst weitgehenden Übereinstimmung mit den entsprechenden Paragraphen des Schulunterrichtsgesetzes neu zu fassen.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 20 folgt der Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird.

Die im Rahmen der abschließenden Prüfungen an Höheren Lehranstalten, Aufbaulehrgängen und Kollegs vorgesehenen Diplomarbeiten sowie Abschlußarbeiten an den technischen, gewerblichen und kunstgewerblichen Fachschulen sollen durch Novellen des Schulunterrichtsgesetzes sowie des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige gesetzlich verankert werden.

Die Diplomarbeit ist hinsichtlich des qualitativen und quantitativen Betreuungsumfanges naturgemäß aufwendiger als die Abschlußarbeit.

Mit der vorliegenden Novelle soll die Abgeltung der genannten, durch die Prüfer zu erbringenden Leistungen geregelt werden.

Auf Grund der geänderten Inkrafttretenstermine für die Novellen des Schulunterrichtsgesetzes und des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige sind auch die Inkrafttretenstermine für das vorliegende Bundesgesetz entsprechend anzupassen.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist als erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

16.00

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Problem am Schulunterrichtsgesetz stellt sich für uns gleich am Beginn betreffend die Klausurprüfungen bei der Reifeprüfung, denn es ist überhaupt nicht konkretisiert, wie das eigentlich funktionieren soll. Hier steht, daß eine Klausurarbeit auch in Form einer eigenständigen Arbeit mehrerer Prüfungskandidaten gemeinsam erledigt werden kann. Genau darin besteht das große Problem, denn es ist nirgends erläutert, wie das kontrolliert werden soll, und die Gefahr, daß dann nur ein oder zwei Kandidaten arbeiten und sich die anderen zurücklehnen und partizipieren, ist dabei sehr groß.

Letzteres wäre nicht nur ungerecht, sondern birgt auch die große Gefahr in sich, daß bei solchen Gruppenklausurarbeiten Arbeiten mit relativ ähnlichen Themen quasi – unter Anführungszeichen – "in Auftrag" gegeben werden. Ich habe es jetzt schon an verschiedenen Schulen erlebt, daß es bei den Fachbereichsarbeiten große Probleme gibt, weil es eine nicht geringe Anzahl von Lehrern gibt, die sich dieser Mehrleistung nicht unterziehen wollen, auch wenn diese bezahlt wird. Das ist natürlich relativ problematisch, weil die Themen dann möglicherweise sehr ähnlich sind und man – ich stelle jetzt den schlimmsten Fall in den Raum – ähnliche Arbeiten quasi im Internet abrufen kann. Ähnliches kennen wir schon im Zusammenhang mit den Aufnahmsprüfungen an den berufsbildenden höheren Schulen, bei welchen die Prüfungsfragen


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schon fast gehandelt worden sind. Ich glaube, man muß noch intensiv darüber nachdenken, wie dies zu bewerkstelligen ist.

Die Kosten sind zwar beziffert, aber Sie gehen von Annahmen aus. Ich meine, daß das Besoldungssystem transparent und für jeden nachvollziehbar sein muß. In Ihrem Budget kommt es ohnehin schon zu einer Kostenexplosion, was auch Herrn Finanzminister Edlinger bereits zu einer kritischen Bemerkung veranlaßt hat. Die Lehrer sollen sehr wohl angemessen bezahlt werden, aber die Abgeltung sollte – wie gesagt – transparent sein.

Frau Ministerin! Grundsätzlich möchte ich Ihnen sagen: All diese Novellierungen – das ist nicht die erste – ziehen eine Nivellierung nach unten nach sich. Jetzt geht es darum, daß Aufsteigen mit "Nicht genügend" möglich ist und die Schulstufe auch mit "Nicht genügend" dann als abgeschlossen gilt, wenn man im betreffenden Pflichtgegenstand vorher ein "Befriedigend" gehabt hat. – Wir halten das für leistungsfeindlich. Das geht wieder in Richtung Nivellierung nach unten, und daher hat eine Reifeprüfung nicht mehr die Qualität, die sie eigentlich haben soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher muß ich anmerken, daß diese Novellierung ein Stückwerk ist, wie wir es schon gewöhnt sind: Immer wieder wird irgendwo ein Stück abgezwackt, und anderswo wird ein Stück dazugegeben. Im Prinzip brauchen wir ein ordentlich reformiertes Bildungskonzept und nicht einen Fleckerlteppich, der jetzt immer wieder das Resultat ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leichtfried. – Bitte.

16.05

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ende der sechziger Jahre begann in Europa eine der größten Bildungsoffensiven der Geschichte. Ziel war es und ist es – wie ich behaupten möchte – heute noch immer, eine dauerhafte Hebung des Bildungsniveaus breiter Bevölkerungsschichten zu erreichen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. ) Bitte? (Bundesrätin Mühlwerth: Das geht aber grundsätzlich daneben!) Das ist Ihre Meinung, aber nicht meine! Sie waren zuerst an der Reihe, jetzt bin ich dran!

Bildung vermittelt für das Leben in einer Demokratie unverzichtbare Fähigkeiten wie Selbst- und Mitbestimmung sowie Verantwortung für das Gemeinwohl. Ich behaupte, daß in Österreich in dieser Richtung hervorragende Bildungsarbeit geleistet wurde. Ich stelle diese Aussage ganz bewußt an den Beginn meiner Wortmeldung, auch im Hinblick auf den Zwischenruf der Kollegin Mühlwerth, weil ich das Gefühl habe, daß zeitweilig der Wille, zeitgemäße Anpassungen vorzunehmen und unser hervorragendes Bildungssystem entsprechend abzusichern, nicht vorhanden ist.

Ich begrüße die heute zu beschließenden Änderungen wie zum Beispiel die Einführung einer Diplom- und Abschlußarbeit im Rahmen der Reife- und Diplomprüfung. Diese Abschlußarbeit sollte in Form einer Projektarbeit erfolgen, und ich stelle fest, daß das grundsätzlich nicht neu ist, denn solche Projektarbeiten werden sowohl im berufsbildenden Schulwesen als auch im allgemeinbildenden Schulwesen – Sie selbst haben vorher gerade die Fachbereichsarbeiten erwähnt – bereits durchgeführt. Ich selbst war jahrelang Betreuer für solche Fachbereichsarbeiten, und ich kann mich der Auffassung, daß Gefahren bestehen, wie sie Kollegin Mühlwerth vorgezeichnet hat, überhaupt nicht anschließen. Ich glaube, daß genau das Gegenteil der Fall ist: Bei diesen Fachbereichsarbeiten wird selbständiges, fächerübergreifendes und häufig auch praxisbezogenes Erarbeiten von Themen und Inhalten geübt und durchgeführt. Dies bringt sowohl dem Schüler als auch dem Lehrer sehr viel. Natürlich ist damit ein großer Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. ) Die Kontrolle, die Sie ansprechen, ist insofern gegeben, als gegenwärtig jeder Kandidat im Anschluß an diese Fachbereichsarbeit eine entsprechende mündliche Prüfung abzulegen hat, und selbstverständlich wird kein Kandidat mündlich eine positive Leistung hervorbringen, wenn er diese Arbeit von jemand anderem anfertigen ließ.


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Ich bin der Meinung, daß dabei vor allem auch die Teamfähigkeit gefördert wird, welche im Berufsleben vor allem auch in Zukunft von sehr großer Bedeutung sein wird. Daher kann ich diese Einführung nur begrüßen.

Auch die Kosten wurden angesprochen: Natürlich kostet das etwas, und ich bin auch der Meinung, daß die Kosten transparent sein müssen. Ich bin aber auch der Meinung, daß Bildung eben Geld kostet und wir, wenn wir ein entsprechendes Bildungssystem haben wollen, in dieses auch investieren müssen.

Auch das Aufsteigen mit einem "Nicht genügend" wurde angesprochen: Auch das ist nichts Neues. Das Antreten zu einer Abschlußprüfung mit "Nicht genügend" ist nichts Neues; dieses "Nicht genügend" muß jetzt auch während der Reifeprüfung beziehungsweise Abschlußprüfung durch eine entsprechende Jahresprüfung kompensiert werden.

Ich möchte jetzt noch zwei Bemerkungen zum Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz machen, werde mich aber wirklich ganz kurz halten, weil Kollege Payer dann noch einiges dazu sagen wird: Grundsätzlich ist festzuhalten, daß sehr viele positive und gute Neuerungen in dieser Gesetzesänderung enthalten sind. Ich möchte erstens erwähnen, daß nun den Landesschulräten die Möglichkeit gegeben wird, von der starren Regelung nach dem Dienstalterprinzip bei der Vergabe der Leitervertretung abgehen zu können. Es war bisher sehr häufig der Fall, daß der Dienstälteste diese Leitervertretung nicht durchführen wollte und unter Umständen auch nicht konnte, weil er bestimmte Defizite etwa im Administrationsbereich hatte. Daher begrüße ich es sehr, daß hier eine Veränderung vorgenommen wird.

Zwei Sätze noch zur Aufhebung der Deckelung der Absetzstunden-Höchstzahl für die Kustodiate. Ich begrüße diese Regelung. Ein Wermutstropfen dabei ist, daß für die allgemeinen Absetzstunden – also etwa für die Korrektur von Heften – die Deckelung mit vier Stunden geblieben ist. Ich meine, es wäre auch der Überlegung wert, ob man den Schulen nicht auch diesbezüglich größere Flexibilität gewähren sollte.

Insgesamt begrüßen wir diese Veränderungen und werden dagegen keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

16.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pühringer. – Bitte.

16.10

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich wähle nur einen ganz kurzen Ausschnitt aus dem LDG für meine Wortmeldung, einerseits um nicht all das zu bringen, was sicherlich die Redner nach mir zum Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz noch anmerken werden, andererseits aber um aufzuzeigen, daß wir es uns nicht so einfach machen dürfen, uns zurückzulehnen und zu sagen: Wir sind dagegen! Wir regeln im Dienstrecht der Lehrer nichts, weil wir uns etwas ganz anderes vorstellen.

Wir haben vor gut einem Jahr im Bundesrat Neuerungen im Schulorganisationsgesetz und im Schulunterrichtsgesetz beschlossen. Den Begriff "wir" muß ich natürlich auf die ÖVP und die Sozialdemokratische Partei eingrenzen, denn es war ein Mehrheitsbeschluß. Diese Neuerungen haben Änderungen im Schuleingangsbereich gebracht, unter anderem die Möglichkeit, schulpflichtige, aber noch nicht schulreife Kinder und solche, die im Laufe des ersten Schuljahres in die Vorschulstufe abgestuft werden, integrativ in der ersten Schulstufe mitzubetreuen. Das erfordert natürlich eine Neuorganisation des Lehrereinsatzes, ähnlich wie wir das von der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf kennen. Es ist daher nur folgerichtig, wenn wir nun im LDG auch die dienstrechtliche Anpassung vornehmen, sowohl für die betroffenen Lehrer als auch für die Leiter, auf die wahrscheinlich Kollege Saller eingehen wird, der selbst Leiter im Pflichtschulbereich ist.


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Eine weitere wichtige dienstrechtliche Anpassung im LDG, die ich erwähnen möchte und auf die wir in Oberösterreich schon sehr lange beziehungsweise dringend warten, wird für den Bereich der Sonderpädagogischen Zentren vorgenommen. Es gibt in Oberösterreich Bezirke, in denen es wahrscheinlich aufgrund der wirklich vorbildlichen Entwicklung bei der Integration von Kindern mit sonderpädagischem Förderbedarf keine Sonderschule mehr gibt. Sonderschulen wurde ursprünglich die Aufgabe eines SPZ überantwortet, das heißt, sie wurden für die Beratung der Eltern von behinderten Kindern, welche schulische Betreuung für ihr Kind die beste ist, sowie auch für die Betreuung der Lehrer, die im sonderpädagogischen Bereich eingesetzt werden, verantwortlich gemacht. Diese Aufgabe haben bei Fehlen einer Sonderschule in einem Bezirk die Bezirksschulräte übernommen, die zur Erfüllung dieser Aufgaben wiederum Lehrer heranziehen. Eine Berücksichtigung des Zeitaufwandes dieser Lehrer, also eine entsprechende dienstrechtliche Regelung, fehlt aber bisher noch. Ich meine, daß es für uns selbstverständlich sein muß, daß wir Lehrern, wenn wir ihnen neue Aufgaben durch das Schulorganisationsgesetz und durch das Schulunterrichtsgesetz zuordnen, auch die dienstrechtlichen Regelungen nicht verweigern dürfen.

Meine Fraktion wird jedenfalls gegen das vorliegende Gesetz keinen Einwand erheben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

16.14

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! "Schule ist eine Funktion der Gesellschaft." – Diese Aussage eines ehemaligen Unterrichtsministers findet, so glaube ich, die Zustimmung aller hier im Hause vertretenen Fraktionen.

Wenn man diese Aussage bejaht, dann passen die vielen kleinen Gesetzesbestimmungen und die viele kleinen Änderungen, die wir heute vornehmen, gut in diesen Rahmen.

Die Veränderungen im vorliegenden Schulpaket betreffen auf den ersten Blick nur einen Teil der Schulpartner, nämlich die Lehrer. Diese Veränderungen haben aber natürlich auch ihre Auswirkungen auf Schüler und Eltern. Denn Zufriedenheit bei den Lehrern beeinflußt das Schulklima in besonderer Art und Weise, und ein gutes Schulklima ist Voraussetzung für den Lernerfolg.

Da meine beiden Vorredner – Kollegin Pühringer und Kollege Leichtfried – sehr dezidiert fast alle betroffenen Passagen angesprochen haben, möchte ich auf weitere Ausführungen verzichten. Ich komme daher schon zu meinem Abschlußsatz und sage: Wir alle wünschen uns Schulen, in die Schüler, Lehrer und Eltern gerne gehen. Die heute zu beschließenden Schulgesetze sind ein weiterer Ansatzpunkt, diesem Wunsche näherzutreten. Meine Fraktion wird daher sehr gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

16.16

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Da ich jetzt das erste Mal hier rede, darf ich zuerst allen Damen und Herren des Hauses "Grüß Gott" sagen und sie um eine gute Zusammenarbeit im Sinne der Umsetzung der Länderinteressen ersuchen! (Allgemeiner Beifall.)

Es sind schon mehrere Punkte angesprochen worden. Daher darf ich mich sehr kurz halten, wahrscheinlich zur Freude der anwesenden Damen und Herren. Punkt 17 LDG enthält drei Veränderungen, die ich noch einmal als besonders positiv herausstreichen will.


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Erstens: Aufhebung der Deckelung der Kustodiate. Das ist eine besonders wichtige Sache und betrifft in erster Linie Hauptschulen und Polytechnische Schulen. Wir wissen, daß es 1997 gravierende Änderungen im Polytechnischen Schultyp gab: Es wurden eine Kürzung der Realfächer und dafür viele wesentliche Erweiterungen im technischen, wirtschaftlichen und kaufmännischen Bereich vorgenommen. Daher ist der Arbeitseinsatz massiv gestiegen, und man sollte man den Gesamttopf durchaus autonom aufteilen können. Daher ist das sehr zu begrüßen. Ähnlich ist es in der Hauptschule. Schulprofile wurden entwickelt, und es gibt Schwerpunktschulen. Es ist also zu vielen Veränderungen gekommen, und daher ist es meiner Meinung nach besser, wenn Kustodiate schulautonom verändert und bestimmte Dinge selbst gestaltet werden.

Der zweite Punkt ist die Veränderung der finanziellen Vergütung für Lehrer bei Schulveranstaltungen: Bei Sportwochen, Schullandwochen oder Wien-Wochen gibt es finanzielle Vergütungen. Bis jetzt hängt die Vergütung von der Anzahl der Nächtigungen ab. Auch das wird sich ändern. – Bei der Organisation und Durchführung von berufspraktischen Tagen ist die vor allem die Berufsorientierung besonders wichtig. Diese Thematik ist heute schon mehrmals angeschnitten worden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem die besondere Motivation der Lehrer. Die sogenannte Schnupperlehre ist ein ganz wichtige Sache. Diese bedarf in der Vorbereitung eines umfassenden Aufwandes, unter anderem sind ganztägige Betreuung und Kontakte mit Betrieben vonnöten. Daher ist es, so glaube ich, wichtig, daß auch dafür eine entsprechende finanzielle Abgeltung erfolgt.

Der dritte Punkt betrifft die Vertretung des Leiters. Ich möchte das aus folgendem Grund noch einmal erwähnen: Der Salzburger Landtag hat vor zwei Jahren einen Beschluß gefaßt und das Ersuchen an den Bund gerichtet, das zu ändern, und ich bin nun in der glücklichen Lage, nach genau zwei Jahren hier wieder zum selben Thema zu sprechen wie vor zwei Jahren im Salzburger Landtag. Die Bemühungen haben Früchte getragen, und das bedeutet Gott sei Dank: Schluß mit der zwanghaften Bestellung von Schulleiter-Stellvertretern! Bis jetzt war das ein Automatikum.

Für ein gutes Schulklima und eine gut funktionierende Schulpartnerschaft ist jedoch eine kooperative Zusammenarbeit des Vertreters mit dem Leiter und den Lehrern notwendig. Das geht nicht anders, und daher müssen einerseits die kontinuierliche Weiterarbeit zum Wohle der Schüler in der Schule und andererseits die Zusammenarbeit zwischen Direktor, dessen Vertreter und den Lehrern sichergestellt sein. Diese Zusammenarbeit muß stimmen.

Daher ist es zu begrüßen, daß diese Automatik abgeschafft worden ist und daß die Vertretung in Abstimmung zwischen Schulleiter, Lehrern und so weiter festgelegt wird. Wir hoffen, daß das in den Ländern so gelöst wird und die Schulausführungsgesetze in diesem Sinne erstellt, durchgeführt und beschlossen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte.

16.20

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesräte! Die angesprochenen Klausurarbeiten, die nun auch von mehreren gemacht werden können, sind eine moderne Form, Prüfungen abzunehmen. Wir reden immer wieder davon, daß die Jugendlichen in der Schule neben dem Wissen auch Kompetenzen und Fähigkeiten – sogenannte "soft skills" – erlernen sollen. – Bei Projektarbeiten kann man zeigen, wie man zusammenarbeitet und im Team arbeitet, wie man Gespräche führt und Konflikte löst und wie man ein Projektteam leitet. Wir werden selbstverständlich Durchführungsbestimmungen erlassen, wie diese gemeinsamen Klausurarbeiten zu bewerten sind; das ist selbstverständlich!

Ein Wort noch zu der Feststellung, die immer wieder getroffen wird, daß es im Schulbereich eine Kostenexplosion gibt. – Ich meine: Entweder ist uns Bildung etwas wert, oder sie ist uns nichts wert. (Beifall des Bundesrates Mag. Leichtfried. ) Und wenn uns Bildung etwas wert ist, dann müssen wir auch erkennen, daß die Lehrer und Lehrerinnen der wichtigste Teil der Schule


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sind. Lehrer und Lehrerinnen kosten allerdings Geld. Deswegen sind auch 80 Prozent meines Bildungsbudgets Personalkosten, und darauf bin ich stolz! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Außerdem bin ich froh, daß es uns gelungen ist, in den letzten Jahren zusätzlich 5,5 Milliarden Schilling für diese Personalkosten im Budget zu haben, damit wir tatsächlich allen Schülern und Schülerinnen mit gut qualifizierten Lehrern die besten Möglichkeiten bieten können.

Ich glaube, daß mit diesen Gesetzen, die wir heute beschließen, kein "Fleckerlteppich" gemacht wird, sondern die Umsetzung von wichtigen schulpolitischen Impulsen in den Gesetzesmaterien logisch fortgeführt wird. – Ich danke dem Bundesrat jedenfalls für die Unterstützung in diesen Bereichen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Daher ist die Debatte geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Die erste Abstimmung, die wir durchführen, betrifft den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

21. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über kulturelle Zusammenarbeit (1705 und 1792/NR sowie 5953/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über kulturelle Zusammenarbeit.

Ich bitte Herrn Bundesrat Keuschnigg, den Bericht zu erstatten.

Berichterstatter Georg Keuschnigg: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Das neue österreichisch-russische Kulturabkommen soll einerseits geeignete Zusammenarbeitsbereiche festlegen und andererseits den Durchführungsmechanismus einer Gemischten Kommission einsetzen, die in periodischen Abständen zusammentritt und mehrjährige Arbeitsprogramme festlegt. Im Verhältnis zur Russischen Föderation wäre es erfahrungsgemäß von Vorteil, wenn die Festlegung und Abwicklung konkreter Zusammenarbeits- und Austauschprojekte des Kulturbereichs im Rahmen von mehrjährigen Arbeitsprogrammen vorgenommen werden kann, die sich ihrerseits auf ein Kulturabkommen gründen.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Grissemann. – Bitte.

16.28

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zum Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über kulturelle Zusammenarbeit.

Bilaterale Kulturabkommen dieser Art waren noch vor zehn Jahren eine ideale Möglichkeit, auf relativ unkomplizierte Art den sogenannten Eisernen Vorhang aufgrund erleichterter Bedingungen wenigstens geistig zu überwinden. Aufgrund der enormen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in den sogenannten Reformstaaten ist dieser Aspekt natürlich jetzt weggefallen. Trotzdem: Wir Freiheitlichen sind der Meinung, daß das uns vorliegende Kulturabkommen mit


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der Russischen Föderation ein hervorragendes Instrument zur Verbesserung der Beziehungen und zur Festigung des gegenseitigen Verstehens darstellt.

Die in Artikel 17 vorgesehene Gemischte Kommission ist natürlich gefordert, dieses Papier auch mit Leben zu erfüllen. Dafür sind regelmäßige Treffen notwendig und nicht, wie im Vertrag vorgesehen, zumindest alle drei Jahre.

Hohes Haus! In Artikel 13 des vorliegenden Vertrages legt fest – ich darf zitieren –: "Die Vertragsparteien ermutigen zur Entwicklung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Tourismus als wichtiges Mittel, um die kulturellen Werte des jeweils anderen Landes kennenzulernen." – Meine Damen und Herren! Somit ist auch eine wirtschaftliche Komponente dieses Vertrages klar gegeben, und dem Organisationstalent in bezug auf Kulturreisen in beide Richtungen sind keine Grenzen gesetzt.

Meine Damen und Herren! Mögen sich die Erwartungen erfüllen, die man in diesen Vertrag setzt, und möge sich das gegenseitige Verständnis im Sinne einer guten Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit vertiefen!

Wir Freiheitlichen werden dem Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, beitreten. (Allgemeiner Beifall.)

16.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

22. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Eisenbahndurchgangsverkehr des österreichisch-ungarischen Industrieparks in der Umgebung der Stadt Szentgotthárd samt Beilage (1572 und 1817/NR sowie 5954/BR der Beilagen)

23. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend das Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union samt Schlußakte, Gemeinsamer Erklärung und Anlage (1634 und 1818/NR sowie 5955/BR der Beilagen)


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24. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die Durchführung des Artikels 41 Absatz 2 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) samt Verbalnote (1691 und 1819/NR sowie 5956/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 22 bis 24 der Tagesordnung, über welche die Debatte wieder unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Eisenbahndurchgangsverkehr des österreichisch-ungarischen Industrieparks in der Umgebung der Stadt Szentgotthárd samt Beilage,

das Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union samt Schlußakte, Gemeinsamer Erklärung und Anlage sowie

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die Durchführung des Artikels 41 Absatz 2 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes samt Verbalnote.

Die Berichterstattung zu den Punkten 22 bis 24 hat Herr Bundesrat Ledolter übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Johann Ledolter: Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen nunmehr den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Eisenbahndurchgangsverkehr des österreichisch-ungarischen Industrieparks in der Umgebung der Stadt Szentgotthárd samt Beilage zur Kenntnis bringen.

Das Projekt eines grenzüberschreitenden österreichisch/ungarischen Industrie- und Wirtschaftsparks (Businesspark), welcher insgesamt 241,13 Hektar (93,93 Hektar in Österreich, 147,20 Hektar in Ungarn) umfassen soll, der im Endausbau 1 859 Arbeitsplätze bieten soll und für den Gesamtinvestitionen in der Höhe von 794,21 Millionen Schilling (460,03 Millionen Schilling in Österreich, 334,18 Millionen Schilling in Ungarn) vorgesehen sind, ist schon seit Beginn dieses Jahrzehntes ein wichtiges Ziel der grenzüberschreitenden regionalen Kooperationspolitik. Sowohl im Programmplanungsdokument des Burgenlandes für die EU-Förderung als Ziel-1-Gebiet als auch in den zwischen Österreich und Ungarn vereinbarten INTERREG-II/PHARE-CBC-Programmen der EU ist der Standort mit höchster Priorität versehen worden und als solcher genehmigt.

Die für die Errichtung des Businessparks auf österreichischem Gebiet zuständige Businesspark Heiligenkreuz GmbH hat sich entschlossen, einen Teil der anfallenden Warentransporte zum und vom bereits errichteten Lyocell-Faserwerk über die Schiene abzuwickeln und hat zu diesem Zweck eine Anschlußbahn von diesem Werk zur österreichisch/ungarischen Staatsgrenze errichtet, die auf ungarischem Gebiet weiterführt und an das öffentliche ungarische Eisenbahnnetz anschließt.

Mit dem vorliegenden Abkommen wird ein Anschluß des Lyocell-Faserwerks an das österreichische öffentliche Eisenbahnnetz über ungarisches Staatsgebiet ohne bürokratische Hemmnisse möglich, da fingiert wird, daß die Eisenbahngüterbeförderung, obwohl sie auch auf ungarischem


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Staatsgebiet erfolgt, keine internationale, sondern eine rein österreichische Güterbeförderung ist. Daher werden

grundsätzlich keine Grenzabfertigungskontrollen durchgeführt und

die beförderten Güter von ungarischen Zöllen, Einfuhrumsatzsteuern, sonstigen Abgaben und Gebühren sowie von wirtschaftlichen Ein-, Aus- und Durchfuhrverboten und -beschränkungen befreit.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten betreffend einen Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 zur Kenntnis bringen, der sich auf das Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union samt Schlußakte, Gemeinsamer Erklärung und Anlage bezieht.

Am 16. Dezember 1991 haben die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten und die Republik San Marino in Brüssel das Abkommen über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion unterzeichnet. Da das Abkommen Materien regelt, die teils in die Kompetenz der Gemeinschaft, teils in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen (sogenanntes gemischtes Abkommen), sind die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallenden Bereiche von diesen zu ratifizieren.

Mit dem Abkommen soll die Republik San Marino in das Zollgebiet der Gemeinschaft einbezogen und die Zusammenarbeit verstärkt werden. Da die Republik San Marino für die Gemeinschaft ein Drittland ist, waren die Beziehungen bislang nur durch einseitigen Beschluß der Gemeinschaft sowie durch das 1939 geschlossene Abkommen zwischen Italien und San Marino geregelt.

Zur Überbrückung der Zeit bis zum Inkrafttreten dieses Abkommens wurde am 27. November 1992 in Brüssel ein Interimsabkommen über den Handel und eine Zollunion unterzeichnet, das am 1. Dezember 1992 in Kraft getreten ist.

Da das Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino vom 16. Dezember 1991 vor der letzten Erweiterung der Europäischen Union unterzeichnet wurde, sich das Ratifikationsverfahren für dieses Abkommen in der Folge als besonders langwierig erwies (im letzten Mitgliedstaat der Zwölfergemeinschaft wurde das erforderliche Verfahren erst am 26. März 1997 abgeschlossen) und es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, war die Aushandlung eines Protokolls erforderlich, um die Ausdehnung des Abkommens auf die neuen Mitgliedstaaten Österreich, Finnland und Schweden zu ermöglichen.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung der Vertragsinhalte in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.


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Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da in Titel II und III des Abkommens Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen (Umweltbereich, Fremdenverkehr, Kultur, soziale Sicherheit), geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich. Gemäß Artikel 10 Abs. 3 B-VG wurde den Ländern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Der Nationalrat hat beschlossen, daß gemäß Artikel 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die gemäß Artikel 2 des Protokolls dem Protokoll beigefügte finnische und schwedische Sprachfassung des Abkommens zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt und das Protokoll hinsichtlich seiner dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen und spanischen Sprachfassung dadurch kundzumachen ist, daß es zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Des weiteren darf ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die Durchführung des Artikels 41 Absatz 2 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) samt Verbalnote zur Kenntnis bringen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Am 26. Juli 1995 wurde das Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) unterzeichnet. Österreich war bei den Verhandlungen über den Konventionstext im zweiten Halbjahr 1994 unter deutschem EU-Vorsitz als Beobachter und sodann unter französischer Präsidentschaft als Vollmitglied beteiligt. Das Übereinkommen ist am 1. Oktober 1998 in Kraft getreten (BGBl. III Nr. 123/1998).

Ziel von Europol ist es, gemäß Artikel 2 des Europol-Übereinkommens, die Zusammenarbeit der für die Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus, des illegalen Drogenhandels und sonstiger schwerwiegender Formen der internationalen Kriminalität zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu verbessern.

Um den Informationsfluß und die allgemeine Koordination zwischen den nationalen Stellen und Europol zu unterstützen, entsenden die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 Europol-Übereinkommen nationale Verbindungsbeamte.

Während die Privilegien und Immunitäten der Europol und ihrer Bediensteten im "Protokoll über die Privilegien und Immunitäten von Europol und seiner Organe" festgelegt werden, sind dort keine Regelungen betreffend die Verbindungsbeamten, die nicht als Organe von Europol tätig werden, getroffen.

Gemäß Artikel 41 Abs. 2 Europol-Übereinkommen werden die Niederlande mit den Mitgliedstaaten jeweils gleichlautende bilaterale Abkommen über den Status der nationalen Verbindungsbeamten und ihrer Familienangehörigen in den Niederlanden abschließen. Gemäß Artikel 45 Abs. 4 nimmt Europol seine Tätigkeit erst dann auf, wenn unter anderem die gegenständlichen Abkommen mit allen Mitgliedstaaten in Kraft getreten sind.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
655. Sitzung / Seite 110

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ernest Windholz das Wort. – Bitte.

16.44

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Hochgeschätzter Herr Vizepräsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Punkt 24 betrifft das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande im Zusammenhang mit der Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes – sprich: Europol.

Europol selbst ist natürlich zu begrüßen, denn es ist die internationale Antwort auf die internationale Kriminalität in Form der vermehrten, besseren Zusammenarbeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung und Verhütung des Terrorismus, des internationalen Drogenhandels, des Schlepperunwesens und sonstiger schwerwiegender Formen der internationalen Kriminalität.

Allerdings werden in diesem Abkommen betreffend Europol zusätzlich auch Privilegien und Immunitäten geregelt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbst bei größter Phantasie kann ich wirklich keine Gründe erblicken, mit denen diese Privilegien und diese Immunitäten zu rechtfertigen sind. Dabei geht es auch um den Personenkreis. Bis jetzt gab es Regelungen für die Europol-Beamten selbst, jetzt sollen aber auch Regelungen für die sogenannten Verbindungsbeamten und deren Familienmitglieder, die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt leben und die die niederländische Staatsangehörigkeit nicht besitzen, getroffen werden. Es wird jene Immunität gewährt, wie sie durch das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 Mitgliedern des diplomatischen Personals gewährt wird.

Hier in diesem Hause haben wir bereits bei der Europol-Debatte am 2. Juli darauf hingewiesen. – Ich zitiere Innenminister Mag. Schlögl, der damals sagte: "Ich werde mich im Rahmen unserer EU-Präsidentschaft dafür einsetzen, daß alle Immunitäten von EU-Beamten abgeschafft werden, weil ich nicht einsehe, daß man diese Immunitäten wirklich braucht. Ich glaube, daß für die Handlungen der EU-Beamten die Immunität in dieser Form nicht notwendig ist." – Ich glaube, diese Aussagen kann man nur doppelt unterstreichen.

Nach unserer EU-Präsidentschaft muß man jedoch die Feststellung treffen, daß sich diesbezüglich überhaupt nichts geändert hat. Ganz im Gegenteil: Jetzt wird noch zusätzlich auf einen weiteren Personenkreis ausgeweitet. Ich möchte damit nicht sagen, daß sich der Innenminister nicht dafür eingesetzt hat. Ich möchte aber klar und dezidiert feststellen, daß, auch wenn er sich eingesetzt haben sollte, überhaupt nichts dabei herausgekommen ist und es – im Gegenteil – zu einer Ausweitung kommt.

Ich glaube, daß man dem öffentlichen Dienst mit solchen Privilegien insgesamt alles andere als einen guten Dienst erweist, denn die Bürgerinnen und Bürger unserer Republik ärgern sich zu Recht über solche Zustände oder – besser gesagt – über solche Mißstände. Die Freiheitlichen werden daher mit Sicherheit solch neuen Privilegien die Zustimmung verweigern. Solche Privilegien dürfen nicht erweitert oder ausgebaut, sondern müssen eingeschränkt, abgebaut und wenn möglich zur Gänze abgeschafft werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Erhard Meier das Wort. – Bitte.

16.47

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Bundesrat! Ich möchte ganz kurz zu diesen drei Gesetzesvorlagen Stellung nehmen.

Zum ersten geht es um das Abkommen, in dem eine Berechtigung für grenzüberschreitende österreichische Transporte bei Szentgotthárd durch Ungarn erteilt wird, wobei auf ungarischem Gebiet keine Waren zugeladen oder entladen werden und keine Personen ein- und aussteigen dürfen. Es handelt sich also um einen Verkehr unter Bahnverschluß. Im allgemeinen werden keine Grenzkontrollen durchgeführt, es könnten aber Kontrollen in Szentgotthárd durchgeführt werden.

Auch wenn dies nicht als internationaler Gütertransport gilt, sind die Rechtsvorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter und die Bedingungen bezüglich Verwendung entsprechender Fahrzeuge einzuhalten. Die ungarischen Eisenbahnen stellen die Einrichtungen für einen sicheren Betrieb gegen Entgelt zur Verfügung. Die Abgeltung irgendwelcher Schäden ist in Artikel 3 des Abkommens geregelt. Dieses enthält auch Regelungen betreffend das Dienstverhältnis der jeweiligen Bediensteten.

Da im Bereich Heiligenkreuz ein Wirtschafts- und Industriepark errichtet werden soll, der aus Kostengründen keinen innerösterreichischen Schienenanschluß erhalten kann, ist die Mitbenützung von ungarischen Eisenbahnanlagen sozusagen als Korridorverkehr die beste und wirtschaftlichste Lösung für Österreich, welche der wirtschaftlichen Entwicklung im Burgenland – vor allem im Bereich Heiligenkreuz – zugute kommt und nach den INTERREG-II/PHARE-CBC-Programmen der EU für das Projekt eines grenzüberschreitenden Businessparks dient.

Ich nehme an, daß Herr Bundesrat Payer als burgenländischer Bundesrat noch genauer dazu Stellung nehmen wird. Dieses Abkommen ist daher zu befürworten und wird von der sozialdemokratischen Fraktion des Bundesrates sehr positiv zur Kenntnis genommen und befürwortet.

Das zweite Abkommen betrifft die Zusammenarbeit und Zollunion zwischen der EWG und der Republik San Marino. Dieses Abkommen ist aufgrund der EU-Erweiterung durch Finnland, Schweden und Österreich notwendig geworden; es war eine Anpassung durch diese Staaten erforderlich.

Wir wissen, daß die Republik San Marino, obwohl sie für die Gemeinschaft ein Drittland ist, engstens wirtschaftlich mit Italien verbunden war und ist, daß eine Zollunion bereits mit der EWG – jetzt EU – bestanden hat und daß diese Zollunion logischerweise wegen der langwierigen Ratifizierungsverfahren – die letzte Ratifizierung mit den zwölf EU-Staaten fand erst 1997 statt – durch ein Interimsabkommen bereits 1992 in Kraft getreten ist.

Die Republik Österreich tritt nun innerhalb der EU dem ursprünglichen Stammabkommen bei, welches eine Zollunion vorsieht und die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet fördert. Da es sich aufgrund der Realsituation eher um eine rechtliche Grundlagenbestätigung handelt, ist jede Diskussion fast müßig. Daher beschränke ich mich darauf zu sagen, daß der Bundesrat diesem Abkommen zustimmen möge.

Der dritte Beschluß betrifft das Europol-Übereinkommen zwischen den Niederlanden und Österreich. "Europol" ist das Europäische Polizeiamt, das seinen Sitz in den Niederlanden hat. Aufgrund von Artikel K.3 und Artikel 41 Abs. 2 des EU-Vertrages kam es zur Errichtung von Europol zur zentralen Datensammlung, zum Austausch von Informationen und zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität, des Terrorismus und des Drogenhandels. Dabei wurde aus gewissen Gründen der Schutz der Europol-Beamten notwendig, sodaß damals vorgeschlagen und beschlossen wurde, diesen Beamten gewisse Privilegien und Immunitäten wie im Ausland tätigen Diplomaten zuzuerkennen.


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Ich glaube, daß es bei der laufenden Diskussion nicht um die wichtige Einrichtung von Europol geht, sondern um jene Verbindungsbeamte, die diplomatenähnlichen Status erhalten sollen. Hiebei werden meiner Ansicht nach von manchen die sogenannten Privilegien überstrapaziert. Denn es ist dazu anzumerken, daß die vorgesehene Immunität nicht Zivilklagen seitens Dritter auf Schadenersatz, zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall, oder die Straf- und Zivilgerichtsbarkeit betreffend Handlungen, die nicht in der Erfüllung der Arbeitspflichten gesetzt wurden, betrifft.

Ich habe mir die sogenannten Privilegien im Detail angeschaut. Es würde zu weit führen, sie im einzelnen anzuführen. Ich möchte nur einige für diese Beamten notwendige Regelungen, die mit jenen für diplomatisches Personal vergleichbar sind, beispielhaft anführen: So besteht zum Beispiel die Regelung betreffend kostenlose Visa für Einreise und Aufenthalt. – Das scheint mir kein übermäßig großes Privileg zu sein! Weiters geht es um die Befreiung von der Einholung von Arbeitsgenehmigungen für Familienmitglieder, wenn diese dort Arbeiten annehmen. Es geht um die Unverletzlichkeit des Archivs dieser Beamten. Es geht um den erforderlichen Schutz und die Sicherheit für diese Beamten und deren Familien. Es geht um die freie Kommunikation zu amtlichen Zwecken, es dürfen also Codes verwendet oder versiegeltes Kuriergepäck wie bei Diplomaten versandt werden. Und es geht auch um einen Identitätsausweis gegenüber den Behörden des Gastgeberstaates.

Ich meine, daß all diese sogenannten Privilegien keine übermäßigen Privilegien, sondern einfach Notwendigkeiten sind. Auf meine Frage im Ausschuß, wie viele Beamte davon betroffen sein werden, erhielt ich die Antwort: zwei. Wir reden hier also von zwei Beamten, die das betrifft!

Abschließend möchte ich sagen, daß es mir viel wichtiger erscheint, daß die internationale Kriminalität, darunter auch die Kriminalität innerhalb der EU, die länderübergreifende Auswirkungen hat, international und EU-weit und vor allem erfolgreich bekämpft wird und werden muß. Deshalb wird die sozialdemokratische Fraktion gegen dieses vorliegende Abkommen keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

16.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer das Wort. – Bitte.

16.55

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich mit meinen Ausführungen durchaus den Ausführungen meines Vorredners anschließen.

Meine Fraktion wird allen drei Gesetzesbeschlüssen die Zustimmung erteilen.

Erstens sind wir natürlich der Meinung, daß die Einbeziehung San Marinos in das Zollgebiet der Europäischen Union absolut gerechtfertigt ist, um hier nicht eine Enklave entstehen zu lassen.

Zum zweiten ist meine Fraktion der Meinung, daß Europol nur dann funktionieren kann, wenn den Beamten von Europol und insbesondere den von den Nationen entsandten Verbindungsbeamten entsprechende Rahmenbedingungen beziehungsweise Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die auch persönliche Rechte beinhalten, damit diese Beamten einen völlig freien Rücken haben und wirklich optimale Arbeit geleistet werden kann. Es ist nun einmal nicht dasselbe, wenn jemand bei Europol arbeitet – wie in diesem Fall als Verbindungsbeamter – oder andere Beamte diplomatischen Status in der Europäischen Union haben. Denn das Amt des Verbindungsbeamten ist besonders schwierig, gefahrvoll und verantwortungsvoll. Wir sind uns, so glaube ich, alle einig, daß diesbezüglich großer Handlungsbedarf gegeben ist. Wir sind sehr froh, wenn diese Verbindungsbeamten mit dem Europol-Polizeiamt voll in die Arbeit einsteigen, wobei die Aktivität bereits besteht. Meine Fraktion ist der Meinung, daß es zweifellos notwendig ist, den Beamten den Rücken zu stärken, die – wie gesagt – unter sehr gefahrvollen Bedingungen arbeiten werden, und auch deren Familien gewisse Vorrechte zu gewähren.


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Letztlich ist es mir als Burgenländer ein Bedürfnis, festzustellen, daß das Abkommen mit Ungarn betreffend den Eisenbahnverkehr im Raum Szentgotthárd und Heiligenkreuz unter Einräumung einer Sonderstellung hinsichtlich unbürokratischer Maßnahmen, Zollfreiheit et cetera völlig zu Recht geschlossen wird. Denn es handelt sich beiderseits der Grenzen um eine Region, die sehr wirtschaftsstrukturschwach ist. Sie hatte ursprünglich eine rein bäuerliche Struktur, es besteht großer Nachholbedarf. Nun wurde der Wirtschaftsstandort beziehungswiese Businesspark Heiligenkreuz – Szentgotthárd gegründet, der Leitbetrieb Lyocell läuft und wurde von der EU nunmehr doch genehmigt, nachdem Vorbehalte zurückgezogen worden waren.

Zugegebenermaßen ist noch nicht all das entstanden, was ursprünglich beabsichtigt war. Aber der gute Weg ist vorgezeichnet, und es sollen weitere Betriebe zu diesem Leitbetrieb hinzukommen. Daher ist unter anderem eine notwendige infrastrukturelle Maßnahme der Eisenbahnanschluß dieses Businessparks an das österreichische Netz. Leider ist das im Moment nicht anders möglich als über ungarisches Gebiet. Deswegen wurden diese Erleichterungen im Abkommen vereinbart. Rein von wirtschaftlicher Seite ist das absolut zu begrüßen.

Wir Burgenländer – ich bin nicht unmittelbar aus diesem Gebiet, sondern aus dem Gebiet etwas nördlich davon – müssen solidarisch sein. Ich konzediere, daß es sich dort um ein Gebiet handelt, das unter großer Arbeitslosigkeit leidet, und daher müssen wir alle zusammenarbeiten. Ich lade Sie ein, diesem Abkommen zuzustimmen, das für diese Region sozusagen lebensnotwendig ist, weil dadurch verkehrsinfrastrukturmäßig etwas geschieht. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

16.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile ihm das Wort.

16.59

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Kollege Linzer möchte auch ich als Burgenländer meine Wortmeldung auf dieses Abkommen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn beschränken.

Durch seine Lage an der EU-Außengrenze und den Status eines Ziel-1-Gebietes erfuhr gerade das Burgenland in den letzten Jahren starke Veränderungen durch politische und wirtschaftliche Entwicklungen und durch Entscheidungen im europäischen Raum.

Ich hatte schon öfters Gelegenheit, über die positiven Auswirkungen des Ziel-1-Status zu sprechen. Neue Anforderungen an das Burgenland ergeben sich aus den geänderten Rahmenbedingungen, vor allem durch das Beitrittsansuchen Ungarns an die EU. Das Burgenland bietet aufgrund seiner räumlichen Lage enorme Entwicklungspotentiale und Standortvorteile im internationalen Wettbewerb, deren Realisierung eine Veränderung der Verkehrssituation erfordert.

Im Straßenverkehr weist das Burgenland zwar eine gute innere Erschließung auf, das Fehlen wichtiger internationaler Anbindungen reduziert allerdings die Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandortes Burgenland. Das Burgenland verfügt zum Beispiel über keinen direkten Anschluß an das internationale Flugnetz. Der Schienenverkehr verfügt über keine direkten Anbindungen des Burgenlandes an die europäischen Wirtschaftszentren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß ich vor acht Jahren hier im Hohen Haus berichtete, wie kompliziert es wäre, wenn ich mit der Eisenbahn aus dem mittleren Burgenland nach Wien fahren würde. Das hätte damals bei einer Entfernung von 90 Kilometern über den Korridor – über Sopron – eine Fahrzeit von viereinhalb Stunden bedeutet. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wo? Ödenburg?)

In der Zwischenzeit hat sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs selbstverständlich allerhand geändert. Ebenso ist das Burgenland nicht hochrangig an die westungarischen Wirtschaftszentren angebunden.

Ich habe hier versucht, einige Gründe anzuführen, die dazu beigetragen haben, daß meinem Bundesland eine zweite Ziel-1-Periode vom Jahr 2000 bis 2006 mit Förderungen in der Höhe


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von 3,5 Milliarden Schilling zugesprochen wurde. Schon in der ersten Periode, die heuer ausläuft – da gab es Zuschüsse in der Höhe von 2,5 Milliarden Schilling, und wenn man die Umwegrentabilität dazurechnet, sind insgesamt rund 14 Milliarden Schilling investiert worden –, ist das Projekt eines grenzüberschreitenden österreichisch-ungarischen Industrie- und Wirtschaftsparkes Heiligenkreuz-Szentgotthárd entstanden.

Dieser Wirtschaftspark umfaßt 240 Hektar, davon liegen zirka 93 Hektar in Österreich und 147 Hektar in Ungarn. Im Endausbau – so ist es geplant – soll es 1 800 Arbeitsplätze geben. Ich gebe zu, daß wir von diesem Ziel noch sehr weit entfernt sind, aber die zweite Ziel-1-Periode wird uns helfen, diesen armen Landesteil aufzurüsten. Die Gesamtinvestitionen haben bisher 800 Millionen Schilling betragen.

Mit dem vorliegenden Abkommen wird ein Anschluß des Lyocell-Faserwerks an das öffentliche österreichische Eisenbahnnetz über ungarisches Staatsgebiet ohne bürokratische Hemmnisse möglich gemacht. Weiters trägt dieses Abkommen auch dem verkehrspolitischen Interesse Rechnung, mehr Transporte auf die Schiene zu bringen.

Meine Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, daß durch die zweite Ziel-1-Periode regionale wirtschaftlichen Disparitäten in meinem Bundesland ausgeglichen werden. Das heutige Abkommen ist dazu ein kleiner, aber wichtiger Baustein. Meine Fraktion wird daher keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Eisenbahndurchgangsverkehr des österreichisch-ungarischen Industrieparks in der Umgebung der Stadt Szentgotthárd samt Beilage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betref-fend das Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union samt Schlußakte, Gemeinsamer Erklärung und Anlage.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen, die Zustimmung erteilt.


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Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. Mai 1999 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die Durchführung des Artikels 41 Absatz 2 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) samt Verbalnote.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

25. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend Wiener Übereinkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken samt Anlage;

Änderungen des Wiener Übereinkommens über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken (1973) angenommen von der Versammlung am 1. Oktober 1985 (1683/NR sowie 5957/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 25. Punkt der Tagesordnung: Wiener Übereinkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken samt Anlage;

Änderungen des Wiener Übereinkommens über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken (1973) angenommen von der Versammlung am 1. Oktober 1985.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Ulrike Haunschmid: Frau Ministerin! Herr Präsident! Meine Kollegen und Kolleginnen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Wiener Übereinkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken samt Anlage.

Mit dem am 12. Juni 1973 in Wien unterzeichneten Abkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken, geändert am 1. Oktober 1985, wurde eine internationale Klassifikation der Bildbestandteile von Marken für die Vertragsparteien des Abkommens geschaffen. Die genannten Vertragsparteien bilden einen besonderen Verband innerhalb der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums. Österreich hat im Hinblick auf seinen hohen Standard und die ständige Verbesserung der Bildmarkenprüfung großes Interesse an einer gestaltenden Mitarbeit bei der Weiterentwicklung der Klassifikation im Rahmen dieses Verbandes.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates sieht eine Ratifizierung des Abkommens in der am 1. Oktober 1985 geänderten Fassung vor.

Die deutschsprachige Übersetzung des Übereinkommens enthält in Artikel 13 Abs. 1 einen Druckfehler, und zwar soll es statt "für die ersten fünf Jahre" "für die ersten fünf Länder" lauten. Die Urschrift dieses Abkommens ist in englischer und französischer Sprache verbindlich. Die vorliegende deutschsprachige Übersetzung der Klassifikation in ihrer vierten Auflage ist eine nichtamtliche Übersetzung, die vom Österreichischen Patentamt erstellt wurde, da von seiten des Internationalen Büros der Weltorganisation für Geistiges Eigentum kein amtlicher Text einer deutschsprachigen Übersetzung der vierten Auflage der Klassifikation erstellt und veröffentlicht wurde. Daher ist für die Gültigkeit dieses Abkommens die deutschsprachige Übersetzung nicht von Relevanz.


Bundesrat
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Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden beziehungsweise -ergänzenden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Weiters hat der Nationalrat gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG beschlossen, daß die französische Fassung insgesamt und von der englischen Fassung die Anlage "Internationale Klassifikation der Bildbestandteile von Marken" und deren Übersetzung ins Deutsche durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Österreichischen Patentamt kundgemacht werden.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile Herrn Bundesrat Mag. Walter Scherb das Wort. – Bitte.

17.10

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung erteilen, weil sie inhaltlich für Österreich nur Vorteile bringt, unter anderem eine Erleichterung bei der Durchführung von Ähnlichkeitsprüfungen von Marken und Bildmarken.

Ich muß dieses Gesetz oder dieses Übereinkommen aber leider wieder zum Anlaß nehmen, um den Gesetzwerdungsprozeß in Österreich zu kritisieren. Die Geschichte dieses Wiener Übereinkommens ist eine bemerkenswerte Sache. Am 12. August 1996, also vor fast drei Jahren, wurde dieses Übereinkommen dem Nationalrat zur Behandlung zugeleitet. In der damals ersten Regierungsvorlage stand in den Erläuterungen, daß eine Ratifikation dieses Übereinkommens sehr rasch durchgeführt werden sollte und dringlich sei, damit wir an der Weiterentwicklung der Bildklassifikation teilnehmen können, vor allem aber, um Sitz und Stimme im Sachverständigenausschuß des eingerichteten besonderen Verbandes zu haben.

Am 2. Oktober 1996 erfolgte die Zuweisung an den Wirtschaftsausschuß. Im März 1997 stand das Übereinkommen auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses, wurde aber von dort wieder abgesetzt. Dann vergingen neun Monate, bis das Thema im Jänner 1998 abermals auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses stand. Aber es wurde neuerlich vertagt. Danach dauerte es wieder länger als ein Jahr, bis die Regierungsvorlage im März 1999 neuerlich im Nationalrat einlangte. Daraufhin wurde sie in einem dringlichen oder schnellen Verfahren, in einem verkürzten Verfahren vom Nationalrat ohne Vorlage im Wirtschaftsausschuß beschlossen.

Leider trifft das Sprichwort "Gut Ding braucht Weile" auf dieses Gesetz nicht zu. Es hat zwar eine Weile gebraucht, war dann aber nur ein mittelmäßiges Ding, weil – wie in der Berichterstattung erläutert wurde – im deutschen Text sogar Übersetzungsfehler, die eigentlich nicht einmal in der Hauptschule passieren dürften, vorhanden waren. Es dauert in Österreich daher gute drei Jahre, einem als dringlich eingestuften Anliegen, das eigentlich nur Vorteile mit sich bringt, zu einer obendrein noch mangelhaften Realisierung zu verhelfen.

Ein weiterer Kritikpunkt, den ich anbringen möchte, ist folgender: Im Vorblatt heißt es auf Seite 17, daß durch die Ratifikation des Abkommens dem Bund keine zusätzlichen Kosten entstehen. Auf Seite 10, in Artikel 7 der Vorlage, steht jedoch, daß die Kosten jeder Delegation von


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der Regierung, die sie entsandt hat, getragen werden. Es entstehen also doch irgendwelche Kosten. Ich halte das daher für sehr ungenau und mangelhaft ausgeführt.

Zusammenfassend möchte ich noch einmal feststellen, daß wir dieser Gesetzesvorlage zustimmen. Aber wir fordern zum wiederholten Male die Regierung und im Parlament die anderen Parteien auf, den Gesetzwerdungsprozeß besser, effizienter und schneller zu gestalten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

26. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Einholung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen (1757 und 1772/NR sowie 5958/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Einholung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen.

Die Berichtstattung hat Herr Bundesrat Alfred Schöls übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Alfred Schöls: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Einholung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen bringen.

Der EU-Vertrag (in der Fassung des Vertrages vom Amsterdam) räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, im Rahmen der Dritten Säule durch Abgabe von entsprechenden Erklärungen die Zuständigkeiten des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu begründen. Zusätzlich haben sich einige Mitgliedstaaten, darunter Österreich, vorbehalten, die innerstaatlichen letztinstanzlichen Gerichte im Sinne des Artikels 177 EGV (Artikel 234 EGVn) zur Einholung von Vorabentscheidungen in diesem Bereich zu verpflichten. Analoge Regelungen finden sich auch in anderen Verträgen, die im Rahmen der Dritten Säule abgeschlossen wurden. Zu ihrer innerstaatlichen Geltung und Anwendbarkeit bedarf die Vorlageverpflichtung dieser Gerichte einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage.

Durch den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates soll eine bundesweit einheitliche Grundlage für die Verpflichtung der letztinstanzlichen Gerichte im Sinne des Artikel 177 EGV (Artikel 234 EGVn) zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH geschaffen werden.


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Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt daher nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

27. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird (1773/NR sowie 5959/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen jetzt zum 27. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird.

Die Berichterstattung hat wiederum Herr Bundesrat Alfred Schöls übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Alfred Schöls: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird, bringen.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates beruht auf einem Antrag des Verfassungsausschusses des Nationalrates, den dieser gemäß § 27 Abs. 1 GOG-NR in inhaltlichem Zusammenhang mit dem dort verhandelten Antrag (1064/A) der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird, gestellt hat.

Ziel des Beschlusses ist die Ermöglichung der selbständigen Stimmabgabe durch blinde oder stark sehbehinderte Personen bei Nationalratswahlen.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser gemeldet. Ich erteile es ihm.

17.18

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Wir behandeln jetzt einen Fünfparteienantrag. Es kommt selten genug vor, daß so etwas passiert. Man sollte sich darüber im besonderen auch freuen können und die Hoffnung in zukünftige Anträge dieser Art setzen, wenngleich die Novellierung der Nationalrats-Wahlordnung heute nur ein kleiner Schritt ist, um den Wahlablauf unbürokratischer zu gestalten und darauf auszurichten, daß wieder mehr Menschen von ihrem demokratischen Recht, geheim an einer Wahl teilzunehmen, Gebrauch machen können.


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Im einzelnen behandeln wir heute eine Erleichterung für schwer sehbehinderte oder blinde Menschen. Man kann sich das gar nicht vorstellen, wieviel Zeit vergehen mußte, bis es zu diesem heutigen Gesetzesvorschlag gekommen ist. Man weiß, wie einfach solche Dinge manchmal zu handhaben wären. Mit einfachen Schablonen ist es nun möglich, daß Nichtsehende oder schwer Sehbehinderte von ihrem demokratischen Wahlrecht der geheimen Wahl Gebrauch machen können. Diese Angelegenheit kostet 2 Millionen Schilling, und es ist meiner Ansicht nach gerechtfertigt, dieses Geld im Sinne des Ausbaus unserer Demokratie einzusetzen.

Es sollte aber nicht damit sein Bewenden haben, daß dies nur bei Europawahlen oder Nationalratswahlen durchzuführen ist. Auch die Länder sollten sich darüber Gedanken machen, wie das für Wahlgänge zu Landtagen oder auf der Gemeindeebene bei der Wahl der Bürgermeister umzusetzen wäre.

Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um noch einen Punkt anzusprechen, von dem es mir persönlich nicht plausibel zu sein scheint, daß es sich damit so verhält. Wir wissen, daß es für Menschen, die kurz vor Wahlgängen krank werden, längere Zeit im Krankenhaus oder auf Erholung sind, die Möglichkeit gibt, mit einer Wahlkarte zu wählen. Wir wissen aber auch, daß Wahlkarten aus organisatorischen Gründen selbstverständlich nicht unbegrenzt angefordert werden können. Der Erfahrung nach ist meistens der Donnerstag vor dem Wahlsonntag der letzte Tag, an dem eine Wahlkarte beantragt werden kann.

Es kann nun der groteske Fall eintreten, daß Männer und Frauen, Wählerinnen und Wähler, die am Freitag nachts oder am Samstag in ein Krankenhaus eingeliefert werden, am Sonntag zuschauen müssen, wenn die Wahlkommissionen kommen und diejenigen ihre Stimme abgeben können, die rechtzeitig von ihrer Krankheit wußten und die Chance hatten, Wahlkarten zu besorgen.

Ich meine, man sollte sich Gedanken darüber machen, daß man allen die Möglichkeit gibt, von ihrem demokratischen Recht, wählen zu können, Gebrauch zu machen. Ich schlage hier etwas vor, das aus meiner Sicht ganz einfach wäre. Dafür möchte ich selbstverständlich auch eine Fünfparteieninitiative erreichen. Ich möchte nicht, daß sich dann einzelne hinstellen und sagen: Wir haben etwas erfunden! – Ich meine, das Gesamte sollte uns die Kraft und das Zeug dazu geben, das umzusetzen. Ich stelle mir das ganz einfach vor, gebe aber zu, daß ich mir im einzelnen darüber noch nicht sehr den Kopf zerbrochen habe.

Es könnte aus meiner Sicht einfach so ablaufen. Wir kennen die mobilen Wahlkommissionen (Bundesrat Dr. Tremmel: Die fliegenden!), die am Vormittag des Wahltages Altersheime und Krankenhäuser aufsuchen. Ich halte es für möglich, daß diese Kommissionen erst nachmittags zu den Wählerinnen und Wähler in die diversen Krankenhäuser oder Sanatorien gehen. Den Vormittag könnte man dazu nutzen, mit den Familien der betreffenden Personen abzuklären, warum jemand, wenn er wählen möchte, nicht kommen kann – weil er, obwohl im Wählerverzeichnis eingetragen, im Krankenhaus ist.

Es müßte aus meiner Sicht administrativ machbar sein, daß nicht jene Menschen, die kurz vor einem Wahlgang krank geworden sind – aber nicht so krank, daß sie zum Wählen nicht in der Lage sind –, vom demokratischen Recht des Wählens ausgeschlossen werden. Ich denke, wenn wir auch das noch bewerkstelligen können, dann haben wir im Sinne der Demokratie wieder ein Stück gemeinsamen Weges beschritten, auf den wir aus demokratiepolitischer Sicht letzten Endes stolz sein können.

Meine Fraktion wird den heutigen Antrag unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

17.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer das Wort. – Bitte.

17.23

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Beschluß des Nationalrates ermöglicht eine


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selbständige Stimmabgabe für blinde und stark sehbehinderte Personen. Diesbezüglich hat Kollege Prähauser bereits gesprochen. Gestatten Sie mir, daß ich zum Wahlrecht an und für sich ein paar Anmerkungen mache.

Zum einen stößt es mir als Gemeindewahlleiter einer Gemeinde mit 12 000 Einwohnern erheblich auf, daß wir die Wahllokale zwar um 17 Uhr schließen, aber erst um 22 Uhr mit der Stimmenauszählung beginnen dürfen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Bei der Europawahl!) Es kann doch nicht so sein, daß wir von Wahl zu Wahl die Wahlzeiten ändern sollen! Der Bürger hat ein Anrecht darauf, daß er weiß, daß er zu einer gewissen Zeit in seiner Gemeinde die Stimme abgeben kann, und das soll auch so bleiben. In meiner Gemeinde ist dies die Zeit von 7 bis 17 Uhr. Ich denke nicht daran, die Wahlzeit zu ändern. Denn wir können sonst nicht davon ausgehen, daß wir den Bürger zur Wahl bringen. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir reden immer davon, daß die Wahlbeteiligung sinkt. Wenn wir auch noch von Wahl zu Wahl die Wahlzeiten ändern, wird die Wahlbeteiligung noch mehr sinken. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!)

Da ich als Bürgermeister einer Grenzlandgemeinde an der Grenze zu Deutschland – sprich: zu Bayern – spreche, muß ich die Frage festhalten, ob es in Österreich andere Bürger gibt. Denn die Bayern schließen zwar die Wahllokale erst um 21 Uhr, fangen aber sofort mit der Stimmenauszählung an, sodaß es ohne weiters sein kann, daß eine kleine Gemeinde um bereits 21.30 Uhr das Endergebnis hat und dieses dann auch weitergibt. Ich weiß nicht, ob dadurch der Wert ein Portugiesen in bezug auf seine Stimmabgabe geschmälert oder ob er daher ein anderes Stimmverhalten an den Tag legen wird. Daß dies nur in Österreich der Fall sein kann, das kann mir, so glaube ich, niemand erklären. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!)

Ein nächster Punkt, der der ÖVP-Fraktion schon lange am Herzen liegt, ist die Einführung der Briefwahl bei Landtags- und Gemeindevertretungswahlen. (Bundesrat Dr. d′Aron: Bravo!) Es geht nicht an, daß ich, wenn am gleichen Tag Landtags- und Gemeinderatswahlen sind, mit einer Wahlkarte im jeweiligen Bundesland zwar meine Stimme für die Landtagswahl, nicht aber für die Gemeinderatswahl abgeben kann.

Ein konkreter Fall: Am 7. März waren im Bundesland Salzburg Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen. Eine Krankenschwester hatte im Landeskrankenhaus in Salzburg Dienst zu versehen. Sie konnte zwar bei der besonderen Wahlkommission für die Landtagswahl ihre Stimme abgeben, aber den Bürgermeister und die Gemeindevertretung konnte sie nicht wählen. Ich halte das nicht für gerechtfertigt, und ich kündige heute schon an, daß die ÖVP-Bundesratsfraktion einen diesbezüglichen Antrag einbringen wird, daß bei Landtags- und Gemeindevertretungswahlen in Hinkunft auch die Briefwahl durchgeführt werden wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu dem vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates darf ich sagen, daß sich die ÖVP-Fraktion dem Antrag des Berichterstatters anschließen und gegen diesen Gesetzesbeschluß keinen Einwand erheben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

17.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm das Wort. – Bitte.

17.27

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die vorliegende Novellierung der Nationalrats-Wahlordnung geht auf einen von allen Parteien beschlossenen Selbständigen Antrag des Verfassungsausschusses des Nationalrates zurück. Diesem ebenso erfreulichen wie leider allzu seltenen eigenständigen Rechtsschöpfungsakt unseres Nationalrates werden wir gerne zustimmen, und das umso mehr, als das Ziel, blinden oder stark sehbehinderten Personen auch bei den Nationalratswahlen die selbständige Stimmabgabe zu ermöglichen, uneingeschränkt zu bejahen ist. Dieses Ziel soll durch die verpflichtende Beistellung von Stimmzettelschablonen erreicht werden.


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Gewiß bleibt neben dieser Neuerung auch die schon bisher vorgesehene Unterstützung blinder oder stark sehbehinderter Wahlberechtigter durch Personen ihres Vertrauens in der Wahlzelle aufrecht. Zweifellos werden sich zumindest ältere Betroffene zunächst eher dieser als der neugeschaffenen Möglichkeit bedienen. Das soll auch an sich nicht in Frage gestellt werden.

Dennoch bin ich davon überzeugt, daß sich die zusätzlich eingeräumte, neue Form der Stimmabgabe zunehmend durchsetzen wird, trägt sie doch zum einen zu einer verbesserten Wahrung des Wahlgeheimnisses für den geschützten Personenkreis bei und fördert sie zum anderen in einem so wesentlichen Punkt der autonomen Willensbildung die Selbständigkeit dieser physisch beeinträchtigten Menschen. Alles, was ihnen die Ausübung ihrer Rechte erleichtert, ist von der Intention her, sie nichtbehinderten Personen möglichst gleichzustellen, nicht nur verfassungsgesetzlich geboten, sondern es ist für sie auch, insofern es sie konkret von der Hilfe Dritter unabhängig macht, eine Befreiung von der damit bisher zwangsläufig verbundenen Mediatisierung.

Als weiterer Schritt zur personalen Autonomie der Betroffenen ist diese Neuerung nicht zuletzt vom Grundprinzip freiheitlicher Selbstbestimmung – also vom zentralen politischen Leitgedanken meiner Fraktion – her voll zu begrüßen.

Einen Wermutstropfen bildet dabei lediglich der Sachverhalt, daß es offenbar nicht gelungen ist, die angesprochene Modalität der Stimmabgabe auch Auslandsösterreichern beziehungsweise zum Wahltermin im Ausland weilenden Österreichern zugute kommen zu lassen. Das war nach der Information, die wir im Ausschuß dazu erhalten haben, weder technisch noch fiskalisch umsetzbar. Es behandelt sie aber dann den übrigen Wählern nicht gleich.

Zuletzt bedauern wir schließlich, daß die vorliegende Änderung der Nationalrats-Wahlordnung nicht zum Anlaß genommen worden ist, die von uns bereits seit geraumer Zeit geforderte Möglichkeit der Briefwahl und des Wählens auf Depot zu schaffen. Aber dies wird mein dazu fach-lich berufener Kollege Dr. Tremmel noch näher ausführen.

Diese unerfüllten Anliegen werden uns Freiheitliche aber nicht daran hindern, dieser Vorlage als einem Schritt auf dem Weg zu mehr persönlicher wie auch politischer Selbstbestimmung vorbehaltlos zuzustimmen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel das Wort. – Bitte.

17.30

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich sehe eine sehr breite Vertretungsbefugnis, die Sie hier haben. Es sei mir erlaubt, da die zuständigen Beamten da sitzen – Herr Ministerialrat Berger und Herr Oberrat Stein –, auch einen Dank an die Beamtenschaft dahin gehend auszusprechen. Wir meinen heute, daß wir damit eine bürokratische Vereinfachung geschaffen haben. Leider ist es nicht ganz so. Es ist hingegen so – das kann ich als beamteter Wahlleiter der Stadt Graz sagen –, daß immer wieder durch entsprechende Erlässe des Bundesministeriums für Inneres auch Erleichterungen geschaffen werden. – Das ist das eine, was ich sagen möchte.

Zum anderen darf ich Sie, meine Damen und Herren, und vor allem dich, lieber Ludwig (Bundesrat Bieringer deutet militärisch Haltung an)  – du braucht nicht habtacht zu stehen, du bist karenziert (Heiterkeit), ich meine, vom Bundesheer bist du karenziert –, daran erinnern, daß wir in der letzten Ausschußberatung unter anderem einen Antrag – noch dazu einen solchen der ÖVP – vertagt haben, der sich mit der Briefwahl befaßt. Ich kann die Welt nicht mehr ganz verstehen: Es wird einerseits angekündigt, daß ein solcher Antrag eingebracht wird – und am Vortag ist genau der gleiche Antrag vertagt worden!

Darüber hinaus halte ich fest, daß hier unter den einzelnen Fraktionen schon lange Einhelligkeit und Einstimmigkeit über den Modus der Briefwahl und auch über das Wählen auf Depot herrscht. Das heißt, ich fordere eine Wahlkarte an, kann sofort bei der zuständigen Wahlbehörde wählen, und die Stimme wird am Wahlsonntag ausgezählt. Das ist das Wählen auf Depot,


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das ist verfassungsmäßig überhaupt nichts Neues. Diese Regelung gibt es bereits in Deutschland.

Ich mahne hier auch ein – und richte diese Mahnung an den zuständigen Minister beziehungsweise an das zuständige Ministerium –, daß Vorschläge, die schon lange diskutiert worden und völlig außer Streit gestanden sind, in eine solche Novellierung selbstverständlich miteinfließen sollten.

Die andere Erleichterung, die Stefan Prähauser gefordert hat, ist ein bißchen schwierig durchzuführen. Denn Wahlkarten werden bis Donnerstag, 13 Uhr, ausgegeben. Warum wird das so gehandhabt? – Weil das im Wählerverzeichnis, das an die einzelnen Sprengelwahlbehörden weitergereicht wird, vermerkt werden muß. Auch wenn ich das elektronisch mache, muß ich es irgendwo vermerken. Also wäre die wesentlich bessere Lösung diejenige, daß ich heute mit Wahlkarten wähle.

Was den Wahlschluß bei der EU-Wahl betrifft – auch das ist angesprochen worden –, so muß ich auf § 66 der Europa-Wahlordnung verweisen, der das imperativ vorsieht. Das Ministerium hat diese Interpretation geliefert. Meine Damen und Herren! Gescheitert – das darf ich ebenfalls sagen, um den täglichen Ablauf darzustellen – ist eine einheitlich verkürzte Wahlzeit auch daran, daß sich die einzelnen Großbereiche – ob Wien, Linz, Graz oder sonst einer; wir haben von Graz aus versucht, die Wahlzeit kürzer anzusetzen – letztlich nicht einigen konnten. Damit hat auch das Ministerium letztlich das Recht verloren. Es mußte darauf hinweisen, daß erst um 22 Uhr mit der Auszählung zu beginnen ist.

Aber wenn man dann darüber einen Artikel liest – es stimmt, daß sich nicht alle EU-Staaten an den Wahlschluß um 22 Uhr halten; dazu könnte man die verschiedenen Zeiten dartun –, merkt man, daß es an der Zeit wäre – das ist ein Rat an das zuständige Ministerium –, über Brüssel eine einheitliche Regelung einzuführen. Denn diese Leute wollen gewählt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit dem Zentralismus, der in dieser Hinsicht gehandhabt wird und dessen Regelung wir quasi in Musterschülerfunktion erfüllen – während sich die anderen nicht daran halten –, sind wir zuerst die Musterschüler, werden wir aber letztlich die Leute vergrämen, und dadurch wird die Wahlbeteiligung sinken. Ich fürchte – und hoffe, daß es nicht eintritt –, daß sie unter 50 Prozent sinkt; dann sind wir auch noch lächerlich. Das sollten wir vermeiden!

Ergo dessen wäre ein Ersuchen direkt nach Brüssel zu richten, daß § 66 der Wahlordnung geändert wird, um der Demokratie zum Recht zu verhelfen, damit der wahlmüde Bürger – das ist auch einer der Gründe, die zu dieser Wahlmüdigkeit beitragen – wieder sagt: Eigentlich zerbrechen sich die politisch tätigen Menschen diesbezüglich richtigerweise auch den Kopf. – Soviel zum Schluß als meine Anregung.

Darüber hinaus werden wir, weil das Wahlrecht durch diese Schablone vereinfacht wird – Kollege Böhm hat es schon ausgeführt –, unsere Zustimmung gerne geben und keinen Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Im Einvernehmen mit dem Herrn Präsidenten möchte ich zum Gegenstand der heutigen Sitzungsunterbrechung kurz eine Mitteilung machen.

Es wurde in einer Wortmeldung davon ausgegangen, daß der Klubobmann der Freiheitlichen Partei im Nationalrat namens des Bundesrates eine Erklärung hinsichtlich der Anwesenheit des Herrn Verkehrsministers abgegeben habe. Eine Überprüfung hat ergeben, daß eine solche Wortmeldung weder vom ihm noch von einer anderen Person, weder in der Präsidialkonferenz des Nationalrates noch in der Plenarsitzung des Nationalrates erfolgt ist, sodaß der Präsidialkonferenz des Bundesrates weitere Veranlassungen entbehrlich erscheinen.

28. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird (Staatsdruckereigesetz-Novelle 1999) (1630 und 1771/NR sowie 5960/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 28. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird (Staatsdruckereigesetz-Novelle 1999).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Alfred Schöls übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Alfred Schöls: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird (Staatsdruckereigesetz-Novelle 1999), bringen.

Mit dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates werden die rechtlichen Voraussetzungen für die Abspaltung und Veräußerung des Wert- und Sicherheitsdruckes geschaffen.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile es ihm.

17.39

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gemäß Staatsdruckereigesetz 1996 wurde der Wirtschaftskörper Österreichische Staatsdruckerei per 1. Jänner 1997 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Dies folgte dem allgemeinen Trend, den wir in Österreich bei Staatsunternehmen haben. Die Aktien sollen nach diesem Bundesgesetz zunächst im Eigentum des Bundes stehen.

Insbesondere hat diese Gesellschaft nach dem Gesetzestext die Aufgaben erhalten, Druckprodukte für die Bundesdienststellen herzustellen sowie die Drucklegung und den Vertrieb des Bundesgesetzblattes und von Protokollen des Nationalrates und des Bundesrates durchzuführen. Die Preise sind nach kaufmännischen Grundsätzen festzusetzen – ich zitiere den Gesetzestext –, wobei die Tarife für Veröffentlichungen im Amtsblatt zur "Wiener Zeitung" – das ist dann auch ein Bestandteil der Produktpalette der Gesellschaft – unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen festgesetzt werden.


Bundesrat
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In diesem Zusammenhang stellte sich bereits in der Vergangenheit die Frage, warum für Stellen des Bundes – zum Beispiel auch für das Parlament – de facto gesetzlich ein Kontrahierungszwang von Aufträgen für die Staatsdruckerei auferlegt wurde und die Preisfeststellung nicht vor Vertragsabschluß in Form einer Ausschreibung erfolgen darf, wie das in der Wirtschaft üblicherweise der Fall ist. Diese Frage ist vor allem im Hinblick darauf zu stellen, da es auch zu einer Abspaltung der "Wiener Zeitung" kam, welche 1998 ins Firmenbuch eingetragen wurde.

Dies ist jedoch umso bemerkenswerter, als der Gleichheitssatz und das Recht auf Erwerbsfreiheit von anderen Unternehmen, und zwar Druckereien, zu berücksichtigen ist. Ist denn die Staatsdruckerei über jeden Fehler erhaben und somit in ihrer Qualität besser als andere Druckereien einzustufen, sodaß dieser Kontrahierungszwang, der gesetzlich auferlegt wurde, gerechtfertigt ist?

Das ist einfach beantwortet. Am 22. April 1999 erfolgte durch den Bundeskanzler der Republik Österreich die Beantwortung einer freiheitlichen Anfrage betreffend Kundmachung des Mineralrohstoffgesetzes. Darin stellte der Bundeskanzler die Fehlleistungen der Österreichischen Staatsdruckerei AG dar, da eine falsche Kundmachung durch die Staatsdruckerei erfolgte und eine neuerliche Kundmachung notwendig wurde.

Nun ist es nicht so, daß wir Freiheitlichen von einer grundsätzlichen Fehlerfreiheit einer Behörde, einer Institution oder eines Unternehmens ausgehen. Fehler können überall passieren. (Ruf bei der ÖVP: Aber?!) Aber es stellt sich in diesem Zusammenhang immer deutlicher die Frage, warum gerade die Staatsdruckerei eine bevorzugte Stellung im Wettbewerb haben muß.

Wenn darüber hinaus in der vorliegenden Staatsdruckereigesetz-Novelle von einer Übertragung von Aufgaben der Österreichischen Staatsdruckerei AG, welche ihren Firmenwortlaut nunmehr in "Printmedia Austria AG" geändert haben will, an eine GesmbH ausgegangen werden kann, stellt sich immer mehr die Frage, warum noch irgendwelche Bevorzugungen der Staatsdruckerei gegeben sein sollen und nicht endlich entsprechende Ausschreibungen an die Wirtschaft gestattet werden dürfen. Da hat es auch die ÖIAG als Eigentümer leicht, einen Betrieb zu sanieren, wenn die Auftragslage immer garantiert ist. Denn es ist viel schwieriger, einen Betrieb über die Einnahmen zu sanieren, als einfach die Kosten herunterzustreichen und pro Abteilung einen Mitarbeiter wegzustreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es zeigt natürlich von einem gewissen Wirtschaftsverständnis der Bundesregierung, wenn Monopolstellungen für bestimmte Bereiche gesetzlich festgeschrieben werden. Wir stellen uns daher die Frage, warum seitens der ÖVP – die mich während meiner Rede schon ein paarmal mit Zwischenrufen bedacht hat – einer derartigen Novelle und Vorgangsweise überhaupt zugestimmt werden kann. Diese Vorgangsweise widerspricht darüber hinaus auch den EU-Bestrebungen in Richtung Verbesserung und Förderung des Wettbewerbes.

Herr Bundesminister! Ich frage Sie daher: Können Sie sich wirklich zu einer Vorgangsweise bekennen, wonach Monopolstellungen für gewisse Wirtschaftsbereiche zu Lasten anderer Betriebe derselben Branche gesetzlich festgeschrieben werden? Ist das tatsächlich Ihr Wirtschaftsverständnis als Finanzminister, der doch ein Interesse daran haben muß, daß die Wirtschaft in Österreich floriert, um entsprechende Steuereinnahmen zu gewährleisten? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny  – auf den verzögert einsetzenden Beifall Bezug nehmend –: Sie sollten Zeichen setzen!)

Die Freiheitlichen sehen primär die privaten Unternehmen als Träger der österreichischen Wirtschaft und bekennen sich zum Wettbewerb – offenbar auch Sie, Herr Konecny, wenn Sie diesen Zwischenruf machen. (Bundesrat Konecny: Mit Ihnen gerne!)

Aus diesen Gründen und unter Bezugnahme auf meine Ausführungen werden die Freiheitlichen der vorliegenden Novelle nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 125

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. (Ruf bei den Freiheitlichen: Und der Herr Minister?)

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

29. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957 geändert wird (1670 und 1812/NR sowie 5961/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 29. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Johann Kraml: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates hat folgende Ziele zum Inhalt:

Vereinfachung durch Anknüpfung der Gebührenpflicht ausschließlich an die behördliche Erledigung. Hinsichtlich der Visagebühren Anpassung an zwingende Regelungen der Schengener Übereinkommen.

Entrichtung der Gebühr auch auf andere Weise als durch Verwendung von Stempelmarken.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile es ihm.

17.46

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe in meiner vorangegangenen Rede zu einem Gesetz Stellung genommen und habe Sie, Herr Bundesminister, gefragt, ob Ihr Wirtschaftsverständnis tatsächlich dem entspricht, was im Staatsdruckereigesetz steht. Wir sind hier im Hohen Haus, es geht um eine Diskussion. Ich werde auch im Zusammenhang mit dem Gebührengesetz diverse Fragen aufwerfen und würde es einem demokratischen Verständnis des Finanzministers zuordnen und entsprechend finden, wenn zu unseren Ausführungen doch in irgendeiner Weise Stellung bezogen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Gebührengesetz 1957 soll nunmehr durch eine neuerliche Novelle und unter Bezugnahme auf das Schengener Übereinkommen novelliert werden. Das betrifft selbstverständlich den Bereich Reisedokumente. Auf der anderen Seite sollen den Gebührenpflichtigen gegenüber Vereinfachungen hinsichtlich der Gebührenentrichtung, und zwar durch die Möglichkeit der Bezahlung mit Eurochequekarte mit Bankomatfunktion oder mit Kreditkarte, gewährt werden. – So weit, so gut.


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Wenn man allerdings die konkreten Details der Novelle sowie das bestehende Gebührengesetz betrachtet, dann muß man sagen, es stellt sich ein ganz anderes Bild dar. Da fragt man sich, welchen Sinn eine Gebühr grundsätzlich hat oder, besser gesagt, aus welchem Titel sie sich begründet. Eine Gebühr soll aus finanzrechtlicher Sicht primär die behördlichen Aufwendungen, welche nach dem Gebot der Sparsamkeit zu betrachten sind, abgelten – im Gegensatz zur Steuer.

Genau das ist in der vorliegenden Novelle wiederum nicht erfolgt. Wie wollen Sie zum Beispiel einem Gebührenpflichtigen erklären, daß die Ausstellung eines gewöhnlichen Reisepasses einen Betrag in der Höhe von 490 S ausmacht, wohingegen bei der Ausstellung eines in der Wertigkeit geringerwertigen Dokuments, nämlich des Führerscheins, welcher sicherlich geringere behördliche Aufwendungen verursacht, ein Betrag in der Höhe von 660 S – also Reisepaß 490, Führerschein 660 – fällig wird?

Weiters stellt sich die Frage, welche Kosten im Zusammenhang mit der vorliegenden Novelle überhaupt entstehen. Im Vorblatt zu den Erläuterungen wird ausgeführt, daß der Entwurf weitgehend aufkommensneutral ist. Sicherlich wird es zu einer Einsparung bei den Druck- und Vertriebskosten für die Stempelmarken kommen. Auf der anderen Seite müssen jedoch zwangsläufig durch die Einführung der Eurochequekarte und der Kreditkarte Mehraufwendungen erwachsen. Nun stellt sich die Frage, wer zum Beispiel die Kosten für die Aufstellung von POS-Geräten tragen wird. Aus der Wirtschaft weiß man, daß diese Kosten nur teilweise von Kreditkartenfirmen übernommen werden. Herr Bundesminister! Ich frage Sie daher: Wie hoch sind die diesbezüglichen Kosten?

Herr Bundesminister! Sie sind – das wissen Sie – gemäß § 14 Abs. 1 sowie gemäß § 14 Abs. 5 Bundeshaushaltsgesetz verpflichtet, die finanziellen Folgen einer derartigen Novelle zahlenmäßig darzustellen und zu quantifizieren. Eines ist klar: Die Unzeitgemäßheit des österreichischen Gebührenrechtes wird durch diese Novelle im wesentlichen nur prolongiert.

Etwas, was von der Wirtschaft, die zum Teil der ÖVP nahesteht, vorgebracht wird, ist folgendes: Zeugnisgebühren, Darlehens- oder Kreditvertragsgebühren entbehren letztlich einer sinnvollen Grundlage für eine Gebühr. Das sind selbstverständlich auch gesetzliche Tatbestände, welche letztlich nicht zu einer Wirtschaftsförderung führen. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Es wäre daher höchst an der Zeit, für Österreich ein modernes Gebührenrecht einzuführen, das nicht nur vom Wunsch des Finanzministers, möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, getragen werden soll, sondern vielmehr die EU-Entwicklungen, die Interessen der Wirtschaft und die unmittelbar dem Staat erwachsenden Aufwendungen ohne Berücksichtigung nicht wirklich zurechenbarer Gemeinkosten beinhalten soll.

Aus all diesen Gründen wird seitens der freiheitlichen Fraktion der vorliegenden Novelle keine Zustimmung erteilt und auch die Aufforderung ausgesprochen, das bestehende Flickwerk im Gebührenrecht – das Gebührengesetz 1957 wurde immer wieder fortgeschrieben – durch eine solide Neufassung des Gebührengesetzes zu beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.51

Präsident Gottfried Jaud: Als nächste ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

17.51

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute auch die Änderung des Gebührengesetzes 1957 auf unserer Tagesordnung. Es sind also 42 Jahre her, seit das Gebührengesetz in seiner Struktur entstand.

Die heutige kleine Änderung ist auch ein Beispiel dafür, wie schwerfällig und schwierig es in Österreich ist, Gesetze der heutigen Zeit anzupassen und grundlegend zu ändern. Ich sehe auch dies als eine Aufgabe des Gesetzgebers an, nämlich Gesetze so zu gestalten, daß sie erstens verständlich lesbar sind, daß sie zweitens in der Praxis durchführbar sind und daß


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drittens eine Kostenberechnung für den Staat, die Länder und Gemeinden sowie für die Wirtschaft und Bevölkerung erfolgt!

Ein kleines Stück auf dem Weg, Gesetze der heutigen Zeit anzupassen, sind wir jedoch weitergekommen. So ist es nun ab 1. Juli 1999 möglich, verschiedene Gebühren anstatt in Stempelmarken entweder bar oder mit der Eurochequekarte oder mit der Kreditkarte zu bezahlen. Ebenso sind die vorgenommenen Pauschalierungen ab 1. Jänner 2000 in den vorher angeführten Zahlungsmitteln möglich. Die Pauschalierungen bedeuten letzten Endes auch eine kleine Verwaltungsvereinfachung, und das ist ebenfalls ein Dienst am Bürger.

Erwähnen möchte ich, daß es aufgrund der Initiative der ÖVP nun möglich ist, daß auch schriftliche Rechtsauskünfte von den bisherigen Kosten in der Höhe von 180 S befreit werden. Somit sind die schriftlichen Rechtsauskünfte den mündlichen und denjenigen im Internet gleichgestellt.

Weiters ist es ein Erfolg der ÖVP, daß beim Mopedführerschein für jene, die jünger als 16 Jahre sind, die Gebühr von ursprünglich 690 S, wie in der Regierungsvorlage vorgeschlagen, auf 410 S verringert worden ist.

Allerdings kann diese heutige Änderung des Gebührengesetzes nur ein kleiner Anfang sein. Ich denke, verschiedene Vorschläge von Volksanwältin Korosec im Bericht der Volksanwaltschaft 1998 sollten schon bald in einem neuen Gebührengesetz ihren Niederschlag finden – so zum Beispiel ein strukturelles Überdenken des gesamten Gebührengesetzes; auch wenn das schwierig sein wird. Immerhin sind im Jahre 1998 10 Milliarden Schilling an Gebühren eingenommen worden.

Abschließend möchte ich bemerken, daß wir von der ÖVP-Fraktion diesem Gesetz unsere Zustimmung erteilen, da doch verschiedene Vereinfachungen und positive Änderungen für die Bevölkerung enthalten sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.54

Präsident Gottfried Jaud: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Grillenberger. Ich erteile es ihm.

17.54

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit der Änderung des Gebührengesetzes wurde ein kleiner, aber ein richtiger und erster Schritt für bürgernahe Verwaltung gesetzt, wie ich glaube. Schon im Finanzausschuß – das wurde von der Vorrednerin erwähnt – hat auch Frau Volksanwältin Korosec darauf hingewiesen, daß eine Änderung des Gebührengesetzes schon ein langjähriger Wunsch in dieser Richtung seitens der Volksanwaltschaft ist.

Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß Stempelmarken nicht zeitgemäß sind und schon gar nicht mehr in das nächste Jahrtausend gehören. Es besteht die Absicht, bis zur endgültigen Einführung des Euro – bis zum Jahr 2002 – eine weitere Verwaltungsreform, die die Stempelmarke zur Gänze abzuschaffen hat, durchzuführen.

In der heute zu beschließenden Reform sehe ich durchaus einen Schritt in die richtige Richtung, und ich sehe darin auch etwas Positives. Es ist für die Bürgerinnen und Bürger sicherlich begrüßenswert, daß alle Gebühren, die bisher für Anfragen und Auskünfte zu entrichten waren, wegfallen, sodaß damit der Zugang zu den Informationen, wie schon die Vorrednerin erwähnt hat, erleichtert wird. Weiters finde ich es gut, daß verschiedene Gebühren und Abgaben als pauschalierte Beträge ausgewiesen werden und oft nur ein einziger Betrag an Gebühren zu bezahlen ist.

Darüber hinaus wird die Möglichkeit geschaffen, auch alle anderen bei einer Behörde anfallenden festen Gebühren, wie ebenfalls schon festgestellt wurde, mit 1. Juli 1999 anstatt in Stempelmarken durch Bezahlung oder durch Verwendung einer Eurochequekarte mit Bankomatfunktion oder mit Kreditkarte zu entrichten. Ferner sind die technischen beziehungsweise organisatorischen Gegebenheiten bei den jeweiligen Behörden zuzulassen. Ich bedauere es ein wenig –


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das wurde im Finanzausschuß auch erwähnt –, daß es nicht möglich ist, mit Zahlscheinen zu bezahlen.

Damit ist für den Bürger die Verwaltung sicherlicher transparenter und übersichtlicher gewor-den. Es kann nachvollzogen werden, wieviel etwas kostet und daß die Gebühren ab 1. Jänner 2000 nicht mehr in Form von Stempelmarken zu bezahlen sind. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Das ist an dieser Novelle sehr begrüßenswert.

Wir werden dieser Novelle daher die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.57

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger. Ich erteile es ihm.

17.57

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal feststellen, daß die Novellierung des Gebührenge-setzes keine Gebührenreform darstellt, sondern daß dies ein Schritt der Verwaltungsreform ist. Es gibt bestimmte Veränderungen, die, wie ich glaube, im Interesse der Bürger, aber auch der Behörden liegen.

Es geht darum, daß Bezahlungen von Gebühren nicht durch eine in der Tat historisch begründete, aber nicht besonders moderne Form der Kommunikation zwischen zwei Partnern – der eine bekommt eine Leistung, und der andere bezahlt dafür – erfolgen. Daß im Zeitalter anderer Kommunikationsmöglichkeiten in Hinblick auf Geldverkehr nicht mehr Marken geklebt werden müssen, soll letztendlich auch im Gebührenrecht vorgesehen werden.

Die Kernpunkte dieser Novelle sind die schrittweise Abschaffung der Stempelmarken – nicht, wie ich in einer Zeitung gelesen habe, die schrittweise Abschaffung der Stempelgebühren, sondern der Stempelmarken – und eine andere Form der Einhebung. Diese kann durch Barzahlung, durch Kreditkarten oder durch Bankomatkarten erfolgen. Die Voraussetzung dafür ist, daß die entsprechende Behörde in der Übergangszeit über die jeweiligen technischen und organisatorischen Voraussetzungen verfügt.

Ein bißchen wundert mich der eine oder andere Debattenbeitrag, weil der Bundesrat meiner Auffassung nach die Länderkammer ist. In Gesprächen mit den österreichischen Bundesländern war es im Zusammenhang mit dem Gebührengesetz eine der wesentlichen Forderungen der Länder – diese ist massiv von nahezu allen vertreten worden, die sich beeilt haben, darauf hinzuweisen –, daß die Bundesverwaltungsabgaben seit 1983 nicht erhöht und auch keine Indexanpassungen vorgenommen worden sind. Daher wird von den Ländern, denen die Bundesverwaltungsabgabe in jenen Fällen zusteht, in denen sie auch den Aufwand der Verwaltungshandlung zu tragen haben, vehement eine Erhöhung der Bundesverwaltungsabgaben ge-fordert.

Wir haben dem Wunsch der Bundesländer nicht Rechnung getragen. Ich möchte aber doch meinen, daß mit Ausnahme der Bundesländer Wien und Burgenland sämtliche andere in den Gesprächen mit dem Herrn Staatssekretär diesen Faktor als Manko dieses legistischen Werkes betrachtet haben. (Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!) Ich möchte dies dem Bundesrat als Länderkammer artig zur Kenntnis bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.00

Präsident Gottfried Jaud: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.


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Stenographisches Protokoll
655. Sitzung / Seite 129

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

30. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Mai 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen samt Protokoll (1675 und 1813/NR sowie 5962/BR der Beilagen)


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655. Sitzung / Seite 130

Präsident Gottfried Jaud:
Wir gelangen nunmehr zum 30. Punkt der Tagesordnung: Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen samt Protokoll.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Grillenberger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses.

Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde unter anderem auch die Verpflichtung übernommen, dem multilateralen Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen beizutreten.

Durch das Stammübereinkommen werden die in bilateralen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung enthaltenen Bestimmungen über Verständigungsverfahren ergänzt. Im Bereich der Europäischen Union wird eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen, Gewinnberichtigungsprobleme in einem im Übereinkommen näher geregelten verbindlichen Schlichtungsverfahren innerhalb eines vorgegebenen zeitlichen Rahmens einer Lösung zuzuführen.

Das Stammübereinkommen ist anzuwenden, wenn aufgrund von Verrechnungspreiskorrekturen zwischen verbundenen Unternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Doppelbesteuerung droht oder bereits eingetreten ist. Der sachliche Anwendungsbereich umfaßt die Steuern vom Einkommen. Die für die Durchführung des Verfahrens zuständigen Behörden werden taxativ aufgezählt.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden beziehungsweise verfassungsergänzenden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Weiters hat der Nationalrat gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG beschlossen, daß alle authentischen Sprachfassungen dieses Übereinkommens durch die Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kundgemacht werden.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Gottfried Jaud: Ich bedanke mich für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich bisher niemand.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist das nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist offenbar auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.  

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

31. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Kurt Scheuch und Kollegen betreffend dringliche Maßnahmen zur Vermeidung von Nachteilen für die Kärntner Wirtschaft infolge der Brandkatastrophe im Tauerntunnel [117/A(E)-BR/99]

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zum 31. Punkt der Tagesordnung: Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Scheuch und Kollegen betreffend dringliche Maßnahmen zur Vermeidung von Nachteilen für die Kärntner Wirtschaft infolge der Brandkatastrophe im Tauerntunnel, der gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung ohne Vorberatung im Ausschuß auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt wurde.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Scheuch. Ich erteile es ihm.

18.06

Bundesrat Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche, Kärnten): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hochgeschätzter Bundesrat! Sehr geehrter Herr Präsident! Als wir via Äther die Schreckensmeldung des brennenden Tauerntunnels vernommen haben, betraf unsere ganze Sorge wohl die Verunglückten, die Verletzten, die Toten und deren Familien. Unsere Sorge betraf aber auch die Rettungsmannschaften, welche in den Tunnel eindrangen, um dort nach Überlebenden zu suchen und diese wieder ans Tageslicht zu führen.

Meine Damen und Herren! Wir waren geschockt, daß – das muß man hier natürlich auch sagen – zumindest eine Teilschuld von politischer Seite vorliegt. Es hat letztendlich auch mit politischem Versagen zu tun, daß es zu dieser Katastrophe gekommen ist!

Es soll hier und heute aber keine Schuldzuweisung getroffen werden. Die Debatte, wer letztendlich daran schuld hat, soll im Nationalrat abgehandelt werden. Ich glaube, der Bundesrat tut sehr gut daran – das zeichnet ihn auch als föderalistische Landeskammer aus –, wirklich helfend einzugreifen und Lösungsansätze zu bieten, und zwar vor allem in schnellen Maßnahmen. Deswegen besteht auch Dringlichkeit, und deswegen wurde dieser Antrag gestellt.

Es geht vor allem um zwei Berufsgruppen: Einerseits geht es um die Pendler und Berufsreisenden, die natürlich durch die andere Streckenführung vielerlei Nachteile in Kauf nehmen müssen. – Im Antrag werden unsere Wünsche genau dargestellt. Man könnte diese natürlich auch noch erweitern, dieser Antrag soll aber eine schnelle Hilfe darstellen und bewirken.


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Andererseits geht es natürlich um den Fremdenverkehr. Ich weiß nicht, ob es den meisten von Ihnen bekannt ist, daß Kärnten von 600 000 deutschen Bundesbürgern bereist wird. Davon benutzen 80 Prozent diese wichtige Nord-Süd-Verbindung. Daher meine ich, daß auch diese Sofortmaßnahme, wie sie in unserem Antrag dargestellt ist, angebracht ist. Deswegen stellten wir Freiheitlichen folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ing. Kurt Scheuch und Kollegen betreffend dringliche Maßnahmen zur Vermeidung von Nachteilen für die Kärntner Wirtschaft infolge der Brandkatastrophe im Tauerntunnel

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, raschest Maßnahmen zu setzen, die folgendes sicherstellen:

1. Zusätzlich zur von der ÖSAG geplanten Verlängerung der Gültigkeit von Zeit- und Wertkarten für die Benützung des Katschberg- wie des Tauerntunnels um die Dauer der Tunnelsperre sind den Zeitkartenbesitzern die während der Dauer der Sperre entstehenden finanziellen Mehraufwendungen (andere Mauten, Bahnverladungen) auf unbürokratischem Wege abzugelten.

2. Den Kärntner Urlaubsgästen sind Kompensationszahlungen für die durch die Tunnelsperre entstandenen finanziellen Mehraufwendungen durch längere Anreisezeiten (Mautersatz, Bahntransportkosten) zu gewähren.

3. Die effiziente und nachhaltige Information der Straßenbenützer über die alternativen Anreisemöglichkeiten durch die Österreich-Werbung."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zeigen Sie sich hier solidarisch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie Kärnten in diesem Fall nicht im Stich! Auch Kärnten würde Ihnen bei einem solchen Vorfall zu Hilfe eilen! – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.10

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber. Ich erteile es ihm.

18.10

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Das flammende Inferno vom Samstag hat wiederum die Doppelbödigkeit, mit der Landeshauptmann Haider agiert, aufgezeigt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Am Vormittag ging der F-Obmann zum Tunnelunglück noch in Opposition, am Nachmittag war er dann der Regierungschef.

Der Tauerntunnel – neben der Brennerautobahn die wichtigste Nord-Süd-Verbindung – braucht sofort eine zweite Röhre, ohne Junktim mit der LKW-Maut. Die LKW-Maut – das Road-pricing – soll aus Kärntner Sicht im europäischen Gleichschritt eingeführt werden. Dann sind auch der Katschberg- und der Herzogbergtunnel zur Umsetzung zu bringen und auszubauen.

Nicht nur Kanzler Klima und Verkehrsminister Einem sind für die Katastrophe verantwortlich, sondern auch die Kärntner Straßenbaureferenten, die seit Jahrzehnten von der F gestellt werden und Regierungsverantwortung getragen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch.  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich bitte um ein bißchen Ruhe!


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Der damalige Verkehrsreferent Grasser hat sich im Sommer 1997 auf die Seite der Tunnelgegner in Zederhaus geschlagen. (Zwischenrufe.) Landeshauptmannstellvertreter Reichhold – einmal Verkehrsreferent, einmal Nationalrat, einmal EU-Abgeordneter, dann Vizepräsident der Landwirtschaftskammer, dann wieder Nationalrat und jetzt wieder Asphaltcowboy von Kärnten als Straßenbaureferent (Beifall bei der ÖVP) – wird jetzt wohl während der Dauer der Sperre seine Bewährungsprobe für unser Bundesland abgeben müssen; und seine Versäumnisse bezüglich des Gräberntunnels wird er auch eingestehen müssen! (Bundesrat Dr. Böhm: Aber Zederhaus ist schon Salzburg!)

Hoher Bundesrat! Wir müssen verhindern, daß Kärnten vom internationalen Autobahnnetz abgeschnitten wird. Es muß alles getan werden, um die Folgen für Kärnten so gering wie möglich zu halten. Es muß alles getan werden, damit der Kärnten-Urlaub auch von der Anreise her attraktiv ist. Am morgigen Feiertag, lieber Bundesrat Scheuch, wird sich zum ersten Mal zeigen, ob Haider und Reichhold neben dem Kinderscheck auch noch ein Herz für die Lebensadern der Kärntner Wirtschaft haben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Stimmen Sie mit!)

Liebe Freunde von der SPÖ! Auf die Dauer wird es halt auch nicht gehen, daß wir die SPÖ-Eisenbahn pro Jahr mit 60 Milliarden Schilling finanzieren und für die Sicherheit der Straßen kein Geld haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, mittels geeigneter Maßnahmen zu verhindern, daß große Teile der Alpenregion während der Zeit der Sperre des Tauerntunnels durch Ausweichrouten des Alpenstraßentransits in Mitleidenschaft gezogen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.14

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile es ihm.

18.14

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Dieses Unglück im Tauerntunnel ist eine große Tragik. Unser Mitgefühl richtet sich an die Betroffenen, Angehörigen und Verletzten. Es ist bedauerlich, daß es solche Unglücksfälle gibt und geben kann. Leider gibt es sie in den verschiedensten Sparten unseres Lebens, und eine Sparte davon ist zweifellos der Straßenverkehr. Sie kennen die Zahlen der Todesfälle und der Verletzten auf Österreichs Straßen, auch jene der einzelnen Bundesländer, und natürlich gehören auch die Tunnelunfälle dazu.

Ich möchte zu Beginn überhaupt nichts verniedlichen oder verteidigen, denn ich meine, daß man, wenn es um menschliches Leben und um die Verletzung von Menschen geht, keine rein parteipolitische Brille tragen darf. Daher möchte ich vorschlagen, daß diese Debatte in der Hinsicht geführt wird, daß man sich, so wie man überall Verbesserungen braucht, für die Zukunft auch um die Verbesserung der Unfallverhütung – von Haushalts- bis zu Flugzeugunfällen – bemüht.

Meine Damen und Herren! Sie konnten jetzt folgendes sehen: Die FPÖ verlangt eine dringliche Nationalratssitzung. Dort werden der Bundeskanzler und der Verkehrsminister beschuldigt. Hier hat Herr Bundesrat Gruber ein paar Worte über Landeshauptmann Haider gesagt. Dagegen ha-ben Sie sich natürlich sofort gewehrt! Glauben Sie wirklich, daß ein politischer Mandatar – sei er nun im Land oder im Bund – wissentlich und absichtlich Regelungen trifft, durch welche solche Unfälle herbeigeführt werden? – Meine Damen und Herren! Man könnte genauso gut sagen: Die Verkehrszeichen sind schlecht gestanden. Man hätte nicht im Tunnel sperren müssen. Angeblich gab es rund 20 Vorankündigungen zu dieser Verkehrstragödie.

Meine Damen und Herren! Ich möchte von der Frage der reinen politischen Verantwortung, die es zweifellos auch immer geben muß, auf den Vorfall und auf das Menschliche zurückkommen. Ich meine, daß es Bemühungen geben muß, solche Gefahren, wo immer sie drohen, so klein wie möglich zu halten, denn ausschließen werden wir sie wahrscheinlich nicht können. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich
möchte einen Entschließungsantrag der Bundesräte Konecny, Bieringer und Genossen zum Entschließungsantrag 117/A(E)-BR/99 einbringen. Österreichs Tunnel sind ihrem Standard nach gewiß nicht schlechter als andere Tunnels. Es mag natürlich Variationen von älteren und neuen Tunneln geben. Das Hauptproblem ist allerdings zweifellos, daß viele der österreichischen Tunnels nur eine Röhre haben. Aber, meine Damen und Herren, als man zum Beispiel den Plabutschtunnel – um einen steirischen zu nennen – baute, war man froh, diesen bewältigen zu können. Natürlich hätte schon längst mit der zweiten Röhre begonnen werden müssen, und das gleiche gilt für den Gleinalmtunnel, für den Pyhrntunnel und auch für eine ganze Reihe anderer Tunnels. Wahrscheinlich trägt ein solches Unglück dazu bei, daß man jetzt doch rascher als bisher daran geht, den Bau dieser zweiten Tunnelröhren in Angriff zu nehmen, vor allem dort, wo sich dieses Unglück ereignet hat. Ich kann mir vorstellen, daß auch die Gelder aufzutreiben sind. Denn man muß auch den wirtschaftlichen Schaden, der in dieser Diskussion auch bereits angeschnitten wurde, ins Kalkül ziehen, der entsteht, wenn ein solcher Tunnel gesperrt ist.

Ich möchte von dieser Stelle aus auch allen Einsatzkräften und den vielen freiwilligen Helfern aller Organisationen Dank für das aussprechen, was sie nach diesem großen Unglück geleistet haben.

Außerdem möchte ich auch dazu auffordern, zu überlegen, welche Tunnel nun sicherer ausgebaut werden sollen. Aber auch wenn ein Tunnel zwei Röhren hat, meine Damen und Herren, sind wir dann machtlos, wenn Menschen Verkehrsregeln überschreiten. Ich fahre sehr oft durch den Gleinalmtunnel nach Graz. Wenn ich die 80-Stundenkilometer-Beschränkung einhalte, kommt es des öfteren vor – wobei ich jetzt nicht verallgemeinern will –, daß ein dicker Brummer so knapp hinter mir fährt, daß ich fast Gas geben möchte, damit er mir nicht hinten auffährt. Ich fürchte zum Beispiel immer, daß es in einem solchen Tunnel einen Reifenplatzer oder ein ähnliches Gebrechen geben könnte, das unter Umständen zu einem solchen Unfall führt. Ich meine, daß uns die zweiten Tunnelröhren allein nicht aller Gefahren entheben, wobei die Gefahr natürlich größer ist, wenn es in einem Tunnel Gegenverkehr gibt.

Ich möchte zum Entschließungsantrag der FPÖ sagen: Sie haben natürlich nur von Kärntner Seite gesprochen. Allerdings betrifft das ebenso den Lungau, wahrscheinlich auch das obere Murtal, Kollege Weilharter, und vielleicht auch den nördlichen Teil Salzburgs. Auch das müßte man berücksichtigen, wenn man bereit ist, Hilfe zu geben.

Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie man den Entgang an Urlaubern tatsächlich entschädigen kann, wie man diesen Entgang messen kann, welche Summen da involviert sind und wie man die finanziert. Ich glaube, darüber müßte man mit der ÖSAG reden, die ohnedies ausgegliedert ist. Auf diese hat nicht unbedingt die Politik Einfluß, das müssen wir auch dazu sagen.

Ich glaube, daß auch entsprechende Begleitmaßnahmen beachtet werden sollten. Denn wo fließt denn jetzt der Verkehr? – Er fließt durch den eintunneligen Felbertauerntunnel oder über die Ennstaltrasse. Den Steirern brauche ich nicht zu sagen, welche Verkehrsprobleme wir jetzt schon haben. Dort ringen wir schon seit 25 Jahren um eine Lösung. Ich meine, daß anläßlich dieses Falles auch das Gesamtkonzept beachtet werden müßte.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer und Genossen betreffend Maßnahmenkatalog angesichts der Brandkatastrophe im Tauerntunnel, eingebracht im Zuge der Debatte über den 31. Tagesordnungspunkt betreffend Entschließungsantrag 117/A(E)-BR/99

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, alle notwendigen Maßnahmen umgehend in Angriff zu nehmen, die sicherstellen, daß es möglichst rasch zu einer Realisierung


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der zweiten Tunnelröhre im Tauern- und Katschbergtunnel kommt. Hiefür ist die Einführung der fahrleistungsabhängigen Maut für Lastkraftwagen unerläßlich.

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden weiters ersucht, sicherzustellen, daß der Verkehrssicherheit absolute Priorität sowohl im Hinblick auf den finanziellen Mittelbedarf als auch im Hinblick auf die unabdingbare Notwendigkeit verstärkter Kontrollmaßnahmen auf der Straße eingeräumt wird. In diesem Sinne wäre eine umgehende Prüfung zu veranlassen, welche zusätzlichen Verkehrsregelungen – insbesondere auch im Bereich der Gefahrguttransporte – zur Gewährleistung beziehungsweise weiteren Verbesserung der Verkehrssicherheit auf den österreichischen Tunnelstraßenstrecken sowie den durch die beiden Tunnelkatastrophen (Montblanc und Tauern) hinkünftig vermehrt in Anspruch genommenen Ausweichrouten (zum Beispiel Brenner) erforderlich sind. Insbesondere wären Maßnahmen zu setzen, wie sie Frankreich für den Fréjus-Tunnel getroffen hat, wie zum Beispiel verpflichtende Begleitung für Gefahrentransporte.

Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr und der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten werden ersucht, den Bundesrat über das Ergebnis der hinsichtlich der Eisenbahntunnel beziehungsweise Straßentunnel durchgeführten Überprüfung und gegebenenfalls über andere sicherheitsrelevante Probleme zu berichten.

Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird weiters ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß die notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Situation sowie die auf europäischer Ebene zur Verbesserung der Sicherheit von Tunneln in Europa erforderlichen Maßnahmen bei der nächsten Tagung des EU-Verkehrsministerrates am 17./18. Juni 1999 erörtert werden.

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden insbesondere ersucht, durch geeignete Maßnahmen zur Unterstützung jener österreichischen Fremdenverkehrsregionen, die durch die Sperre des Tauerntunnels nur erschwert erreichbar sind, bei der Bewältigung dieser schwierigen Situation zu helfen. Weiters werden die Mitglieder der Bundesregierung ersucht, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß große Teile der österreichischen Alpenregion während der Zeit der Sperre des Tauerntunnels durch Ausweichrouten des Alpenstraßentransits in Mitleidenschaft gezogen werden."

*****

Dies ist der Text des Entschließungsantrages. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.24

Präsident Gottfried Jaud: Der von den Bundesräten Konecny, Bieringer und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Maßnahmenkatalog angesichts der Brandkatastrophe im Tauerntunnel ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile es ihr.

18.24

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein sicheres Land ist ein schönes Urlaubsland. – Das war eine Feststellung der Freiheitlichen und eine Forderung der freiheitlichen Initiative schon vor langer Zeit, als man daran ging, Einsparungen bei der Exekutive vorzunehmen.

Sicherheit hat Vorrang für die schönsten Wochen des Jahres. – Auch das ist Tourismuswerbung für Österreich. Die Sicherheit sollte ein fixer Punkt in der Österreich-Werbung sein. Die Bewahrung dieses Image sollte Priorität haben. Aber wie immer hatte man auch für diese damaligen Vorschläge nur ein Lächeln über. Nun hat dieses Sichersein allerdings einen Kratzer abbekommen. Wir haben die Lawinenkatastrophe von Galtür noch unmittelbar im Kopf, und auch die Murenkatastrophe in den westlichen Gebieten beschäftigt uns nach wie vor.

Die Österreich-Werbung redet jedoch davon, daß die Gäste schnell vergessen, sie redet von Aufbruchsstimmung, und davon, daß das Wetter paßt und sich alle für einen Tourismussommer


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rüsten. Unsere Österreich-Werbung versteht es meisterlich, mit tollen Zukunftsprognosen über die Medien den Tag vor dem Abend zu loben. Es werden die besten Ergebnisse der letzten Jahre prognostiziert, und es wird total vergessen, daß gerade der Reisemarkt nie ein berechenbares Fixgeschäft, sondern eine sehr sensible Angelegenheit ist.

Meine Damen und Herren! Fest steht, daß von seiten der Regierung alles daran gesetzt wurde, diese Katastrophe zu einem Politikum werden zu lassen. Fest steht, daß wir Österreicher es über die Medien genial verstehen, unser wunderbares Land als für den Tourismus untauglich hinzustellen! Man muß sich das nur anschauen: "In Österreich Tunnels fährt jetzt immer die Angst mit." "Nach dem Tunnel-Inferno drohen nun ein Verkehrschaos und ein Chaossommer auf den Straßen in den Süden." – Meine Damen und Herren! Dem Gastwirt, der jetzt davon betroffen ist, dem jetzt die Gäste ausbleiben, und vor allem auch dem Touristen ist dieser Schlagabtausch in der Politik völlig egal. Denn da geht es jetzt darum, wie der Gastwirt finanziell überleben kann und wie der Tourist am schnellsten und sichersten wieder in das von ihm so gelobte Urlaubsland kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dem Touristen ist es egal, ob der Landeshauptmann von Salzburg oder Kanzler Klima zuerst von einer zweiten Röhre gesprochen hat. Ihm ist es egal, ob irgend jemand den Landeshauptmann von Kärnten – wie Sie bemerkt haben – kritisiert. Ich glaube, daß es wichtig war, daß unser Landeshauptmann Dr. Haider es als prioritär empfunden hat, sofort an den Unglücksort zu eilen und Maßnahmen zu setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, Sie haben seine Worte überhört. Hier ist jetzt der Mensch gefragt und nicht die Partei! – Das waren seine Worte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht jetzt um meine Kollegen unter den Wirten draußen, und es geht um die Gäste, die jetzt alle so unbehelligt und schnell wie möglich in den Urlaubsort kommen wollen. Dabei stelle ich die kritische Frage: Wo bleibt der Krisenstab der Österreich-Werbung? – Die Österreich-Werbung bringt es zustande, ihre Leistungen zu rechtfertigen. Da wurde mitten im Hochsommer vor zwei Jahren eine Hotline – eine sündteure Hotline in Deutschland – eingerichtet, um schnell noch die Umsätze hinaufzutreiben. Nun finden Sie es aber nicht der Mühe wert, sofort eine Hotline einzurichten, um die Touristen zu informieren, wie sie am schnellsten und besten in ihr Urlaubsland kommen können.

Ich übe auch scharfe Kritik am Leiter der Österreich-Werbung, Herrn Dr. Höferer, der sich mit Bundespräsidenten Klestil auf dem Weg nach Tokio befindet, anstatt einen Krisenstab der Österreich-Werbung einzuberufen und Tag und Nacht vor Ort zu sein, um dafür zu sorgen, daß dem Tourismusland Österreich das zukommt, was ihm gebührt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher ist es nur zu verständlich, daß wieder die Proporzherrschaft von ÖVP und SPÖ Oberhand bekommt. Ich muß hier schon folgendes sagen: Es ist nur verständlich, daß von einem zweiten Österreich-Werbeleiter gesprochen wird! Denn wenn der eine nicht taugt, dann muß ein zweiter dazu gesetzt werden! Anscheinend ist das so! Ich meine, daß das, was wir hier machen, ein Trauerspiel ist! (Bundesrat Konecny: Haben Sie gesagt: Jetzt zählt der Mensch?) Ich widerspreche nicht: Es geht um die Menschen. Ich glaube, daß der Einsatz der Kräfte aller angesagt ist. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Lieber Herr Kollege Steinbichler! Es ist jetzt der Einsatz unser aller Kräfte angesagt. Auf jeden Fall ist es aber nicht notwendig, daß wir mit teurem Geld einen zweiten Österreich-Werbeleiter einsetzen. Wenn Sie jetzt sagen: Wir brauchen Geld für den Tunnel, und wenn Minister Edlinger deutlich sagt – das war in den "Oberösterreichischen Nachrichten" zu lesen –, daß jetzt sofort die LKW-Maut eingeführt werden müsse, – wenn es diese schon gäbe, wäre es nicht zu dieser Katastrophe gekommen, denn dann wäre schon längst eine zweite Röhre gebaut worden –, dann sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: All das ist zweitrangig, denn dann müßte man auch darüber nachdenken, ob es sinnvoller wäre, die Summe der Gehälter für einen zweiten Österreich-Werbeleiter für den Straßenbau einzusetzen.


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Ich schließe mit einem Zitat aus den "Oberösterreichischen Nachrichten": Die politische Sofortreaktion, offenbar in Österreich eine unabwendbare Notwendigkeit, war nur eines: Sie waren zum Erbrechen. – Dem gebe ich völlig recht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.31

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Saller. Ich erteile es ihm.

18.31

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wohne zirka 25 Kilometer vom Unfallsort und Unglücksort entfernt, ich komme also aus dieser Region und konnte mich am Tag des Unglücks, am 29. Mai, vor Ort informieren und mir die tragische Unfallstelle anschauen. Der niveaulose Streit um Zuständigkeiten und politische Verantwortung für die Brandkatastrophe an und für sich ist allerdings fast nicht zu überbieten. Das löst keine Probleme und hilft uns nicht weiter. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte daher als einer, der aus dieser Region kommt, sechs dringende Maßnahmen ins Gespräch bringen. Ein Großteil davon wird dann im Entschließungsantrag beschlossen werden, ich möchte aber den Maßnahmenkatalog von meiner Warte aus in sechs Punkten noch einmal präzisieren.

Erstens: Es ergeht auch von Salzburg aus der klare Appell, möglichst rasch eine verschärfte Verordnung für Gefahrenguttransporte zu erlassen und auch Kontrollen zu gewährleisten. Gefahrenguttransporte müssen besser gekennzeichnet, angemeldet und begleitet werden. In weitere Folge soll es natürlich über unser Land hinaus auch entsprechende EU-weite Regelungen geben.

Zweitens: Salzburg bekräftigt die Forderung nach sofortiger Aufnahme der Vorbereitungsarbeiten für die Errichtung der zweiten Tunnelröhre. Wir wissen, daß im Jahre 1991 – das ist auch nicht zu leugnen – das Geld dafür bereitgestanden ist und der Bau an und für sich vorgesehen war. Dieser ist allerdings im Endeffekt am Protest lokaler Umweltschützer gescheitert. (Bundesrat Mag. Gudenus: Gescheitert auch an großen Politikern, die dann umgefallen sind!)

Man muß natürlich anfügen, daß sich Unfälle nie ganz vermeiden lassen, ob es nun eine oder zwei Röhren gibt. Der Bau einer zweiten Röhre ist kein Allheilmittel zur Verhinderung solcher Katastrophen. Allerdings wird die Gefahr natürlich stark gesenkt.

Bereits im Oktober 1998 war in den Salzburger Zeitungen zu lesen: "Sensationell! Landeshauptmann forciert zweite Tunnelröhren." – Das Ganze hat sich bereits im vergangenen Herbst auch in der Öffentlichkeit und in der Presse abgespielt und nicht erst jetzt anläßlich dieses tragischen Unglücks. Ich stelle jetzt nur fest, daß die Initiativen von Salzburg bereits im vergangenen Jahr angekündigt und betrieben worden sind.

Auch in der Betroffenheit der Katastrophe darf natürlich bei der Diskussion um den Bau der zweiten Tunnelröhre nicht auf die Anrainer vergessen werden. Dieses Problem muß natürlich auch im Rahmen des Gesamtpakets abgehandelt werden. Sicherheit hat absolute Priorität. Daneben müssen wir aber ebenso auf die Sorgen der Anrainer Rücksicht nehmen und brauchen daher auch die dringend nötigen baulichen Begleitmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung, speziell in Flachau, St. Michael und Zederhaus. Auch das muß berücksichtigt werden, und wir erwarten uns diesbezüglich von Minister Einem ein klares Bekenntnis.

Drittens: Die ÖBB werden aufgefordert, ein Maximum an Kapazität sowohl für die Urlauber als auch für die Gütertransporte zur Verfügung zu stellen. Es gibt seitens des Ministers bereits Zusagen, daß entsprechende Maßnahmen gerade im Gasteinertal bereits verstärkt werden beziehungsweise in unmittelbar nächster Zeit vorgesehen sind. Insbesondere die Schienenverbindung Böckstein – Mallnitz ist natürlich optimal zu nützen.

Viertens: Salzburg unterstützt eine touristische Informationskampagne. Es ist zu befürchten, daß es gravierende wirtschaftliche Auswirkungen geben wird. Wir können das momentan noch nicht


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richtig abschätzen. Jedenfalls sind aber unterstützende Maßnahmen unerläßlich. Die Wirtschaftsabteilung in unserem Lande arbeitet bereits an einem Konzept.

Fünftens: Salzburg wird mit den angrenzenden Bundesländern rasch an einer großräumigen Verkehrsregelung arbeiten. Es wurden bereits Vorsorgemaßnahmen getroffen, vor einigen Tagen hat in Salzburg bereits eine Regierungssitzung stattgefunden, in welcher einstimmig beschlossen wurde, daß entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

Sechstens: Sicherheit geht vor Wartezeit. Wir dürfen, wenn wir jetzt von der zweiten Tunnelröhre reden, nicht glauben, daß wir diese dann schon nächstes oder übernächstes Jahr haben. Es wird noch zu Verzögerungen von einem bis zu zwei Jahren kommen, bis überhaupt gebaut wird, und dann wird der Bau – nach ersten Schätzungen – wahrscheinlich zirka vier Jahre dauern. Das heißt, wir haben diese eine Röhre weiterhin, und Sicherheit geht vor Wartezeit.

Ich glaube, das ist ein Paket, das dringend bearbeitet werden muß; es findet im Entschließungsantrag auch seinen Niederschlag.

Lassen Sie mich abschließend noch sagen, daß man die vorbildliche Arbeit der Einsatzorganisationen im Zuge dieses Katastrophenfalles auch würdigen muß. 90 Prozent der Einsatzkräfte, die an den Hilfsmaßnahmen nach dem Unfall beteiligt sind oder waren, arbeiten ehrenamtlich und sind bestens ausgebildet. Auch ihnen muß man einmal von dieser Stelle aus öffentlich danken! (Beifall bei der ÖVP.)

18.37

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. Ich erteile es ihr.

18.37

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, daß in erster Linie den Opfern und deren Angehörigen und Hinterbliebe-nen unser aller Mitgefühl ausgesprochen werden sollte und muß. Ich meine, daß manche Kolleginnen und Kollegen ein Mindestmaß pietätvollen Gefühls an den Tag legen sollten: Wenn von Mitgefühl gesprochen wird, dann möge man manchmal auch schweigen und dieses Gefühl in sich tragen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Tun Sie das!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn diese Katastrophe und dieses Unglück in einigen Wortmeldungen der Vorredner und der Vorrednerin die Assoziationskette bei der Suche nach Schuldigen so weitläufig werden ließ, daß letztlich auch die Österreich-Werbung mitverantwortlich gemacht werden kann, dann sollte man meiner Meinung nach diese Assoziationskette bei der Suche nach den Schuldigen ganz einfach ausklinken und die Suche nach Schuldigen hintanstellen. Wir alle wissen, daß, wenn etwas passiert, jede Forderung nach Sicherheit, nach mehr Sicherheit und nach allen Sicherheitsnetzen, die unser so unsicheres Leben schützen sollen, gerechtfertigt ist. Aber bei aller Vernunft wissen wir auch, daß wir per Verordnung mit keinem Gesetz und keiner Maßnahme Unfälle in Wirklichkeit verhindern können. Daher meine ich, daß wir uns zu einem Konsens finden können, nämlich daß solche Katastrophen Anlaß dazu sind, nachzudenken und auch zu handeln, aber mit Vernunft und nicht mit unbedachtem Aktionismus.

Als Vertreterin des Landes Kärnten – wobei ich auch sagen möchte, daß nicht nur das Land Kärnten davon betroffen ist, denn die Opfer stammen nicht nur beziehungsweise vorwiegend nicht aus Kärnten, und von den Opfern spreche ich in erster Linie – fühle ich mich an eine einstimmige Beschlußfassung einer Resolution der Kärntner Landesregierung gebunden, die ich Ihnen dann zur Kenntnis bringen darf. Ich fühle und sehe diese Resolution der Kärntner Landesregierung – beschlossen mit den Stimmen aller drei Parteien – im SPÖ-Antrag vollinhaltlich vertreten. Daher werde ich diesem SPÖ-Antrag natürlich meine Zustimmung geben.

Ich möchte aber – das sei erlaubt – zwei Fragen im Zusammenhang mit dem FPÖ-Antrag aufwerfen. Mag sein, daß Sie in der Straßenbaugeschichte des Landes noch nicht so involviert sind. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Als eine, die neun Jahre im Kärntner Land


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tag war, als eine, die im Karawankentunnel-Untersuchungsausschuß war und auch lange Zeit im Straßenverkehrsausschuß aktiv mitgearbeitet hat, und zwar immer mit Ihren Referenten, weiß ich allerdings – das müssen Sie auch wissen –, daß vor 14 Tagen der offizielle Vertreter des Landes Kärnten, nämlich der Chef der Straßenbauabteilung Dr. Ribitsch, vom Landeshauptmann Jörg Haider als Vertreter in der ÖSAG abgesetzt und durch einen FPÖ-Politiker ersetzt wurde. Das mag Jörg Haider zustehen, und daher würde ich sagen ... (Bundesrat Ing. Scheuch: Er ist kein Funktionär! Das ist eine Lüge!) Si e kennen ihn offensichtlich nicht einmal, im Gegensatz zu mir! Auf diesem Niveau bin ich nicht bereit, mit Ihnen zu parlieren.

Zu Punkt eins: Der Vertreter des Landes Kärnten, ein FPÖ-Mann – das ist mir auch recht –, möge seine Interessen und die Interessen des Landes Kärnten im Bereich der ÖSAG im Aufsichtsrat wahrnehmen und die Forderungen gemäß Punkt eins Ihres Antrages als Vertreter des Landes Kärnten im Bereich der ÖSAG stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Punkt drei: Ohne jetzt explizit und genau recherchiert zu haben, ist mir nicht nur als Touristin, sondern auch als Konsumentin von Informationen mittlerweile bekannt geworden, daß sowohl inländische als auch ausländische Touristen sehr wohl erstens über allfällige andere Möglichkeiten der Anreise informiert und zweitens vor entsprechenden Problemen gewarnt werden. Daher meine ich, daß Punkt drei derzeit auch durch Unterstützung der Medien, insbesondere auch durch Ö3, sehr wohl entsprochen wird.

Nun aber zu einem sehr prekären Punkt: Sie fordern in Punkt zwei, ohne zu benennen, wer jetzt – außer dem Steuerzahler natürlich – die Kosten zu tragen hat, quasi Regreßansprüche für Gäste aus anderen Ländern ein. Wer das bezahlen soll, ist mir nicht klar! Denn letztlich geht es dabei nicht um einen Minister oder irgendein Budget, sondern genau um jene österreichischen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen, vor die Sie sich immer so mächtig hinstellen! Ich sehe wenig Phantasie darin, Entschädigungszahlungen an Touristen vorzunehmen, wenngleich ich diesen auch eine angenehmere Anreise wünschen würde. Ich glaube, das gibt es in anderen Staaten und Ländern auch nicht. Ich habe eigentlich noch nie gehört, daß man, wenn man irgendwo Urlaub macht und sich ein Unfall ereignet und es eine Umleitung gibt, vom Hotel aus zum Beispiel an das Amt der Kärntner Landesregierung oder an eine Abteilung der Bundesregierung in irgendeiner Form Regreßansprüche stellen kann. Ich denke, dieser Punkt zwei ist nicht wohldurchdacht. Außerdem ist die Basis einer Finanzierung nicht gegeben.

Daher meine ich, daß auch die FPÖ-Fraktion dem Antrag der SPÖ nähertreten sollte. Wenn Sie die einstimmige Resolution der Kärntner Landesregierung nicht kennen, dann möchte ich Sie damit bekanntmachen und darf sie in aller Kürze verlesen:

"Resolution der Kärntner Landesregierung. Aufgrund des tragischen Unfalles im Tauerntunnel wurde am 29. Mai 1999 eine außerordentliche Sitzung des Kollegiums der Kärntner Landesregierung anberaumt. ...

Es wird daher der Antrag gestellt, die Kärntner Landesregierung wolle beschließen:

Erstens: Die Bundesregierung wird aufgefordert, für die Finanzierung und den raschen Ausbau des Tauern- und Katschbergtunnels sowie für den Vollausbau der A2-Südautobahn im Packabschnitt und des Gräberntunnels Sorge zu tragen.

Zweitens: Es sollen alle Möglichkeiten überprüft und ausgeschöpft werden, bis zum Ausbau des Katschberg- und Tauerntunnels den Lkw-Gefahrgutverkehr so gering als möglich zu halten und den unvermeidbaren Lkw-Verkehr sicher umzuleiten.

Drittens: Es sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Sicherheitsstandards in den Straßentunnels entsprechend dem Stand der Technik zu gewährleisten und den Einsatzkräften für ihre Tätigkeit die notwendigen Ausrüstungen zu sichern.

Viertens: Die Bundesregierung wird aufgefordert, die ASFINAG zu veranlassen, die Autobahnstrecken im Bereich des Landes Kärnten mit den für die Gefahrguttransporte erforderlichen Kontrollplätzen zu versehen und die Organe der öffentlichen Sicherheit mit ausreichendem Per


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sonal und Gerät auszustatten, um eine sichere Begleitung und Kontrolle von Gefahrguttransporten zu jeder Tages- und Nachtzeit zu gewährleisten."

Ich denke, diese Resolution der Kärntner Landesregierung macht Sinn, und ich denke, daß sie inhaltlich im SPÖ-Antrag vollinhaltlich vertreten ist. (Beifall bei der SPÖ.)

18.45

Präsident Gottfried Jaud: Ich erteile Herrn Bundesrat Scheuch für das Wort "Lüge" einen Ordnungsruf.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich nun Herr Bundesrat Ing. Scheuch zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, daß eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken.

Ich erteile nun Herrn Bundesrat Ing. Scheuch das Wort. – Bitte.

18.46

Bundesrat Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche, Kärnten): Ich entschuldige mich für das Wort "Lüge"!

Ich möchte aber berichtigen, daß Herr Direktor Pichler weder einer politischen Fraktion angehört noch ein politisches Amt ausübt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Darf ich weitersprechen? (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Weiters möchte ich berichtigen, daß Dr. Jörg Haider diesen Mann gar nicht bestellen kann, weil es sich hiebei um einen Beschluß der Landesregierung handelt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.47

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Eduard Mainoni. Ich erteile es ihm.

18.47

Bundesrat Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts dieser Katastrophe – man bedenke bitte, daß die letzten Leichen noch nicht einmal aus dem Tunnel geborgen wurden! – sind so manche Argumente, die hier gefallen sind, geradezu abenteuerlich und hanebüchen. Man kann doch in dieser Situation nicht sagen: Wir junktimieren das mit einem Kinderbetreuungsscheck beziehungsweise ähnlichen Themen, die wieder zu behandeln sind. Wir haben es da mit anderen Dingen zu tun. Verstehen Sie nicht, worum es hier wirklich geht? – Daß man jetzt wieder parteipolitisches Kleingeld in Verbindung mit dem Kinderbetreuungsscheck und lauter ähnlichen hanebüchenen Junktimierungen herausholen will, ist geradezu lächerlich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Dazu, daß so manchem Bundesrat auch die Geographie etwas durcheinandergerät und er behauptet, daß sich ein freiheitliches Landesregierungsmitglied in Kärnten mit Zederhausern solidarisiert hätte, möchte ich eine Berichtigung bringen: Zederhaus liegt ganz tief im Bundesland Salzburg, nämlich im Lungau! – Das nur zur kurzen Berichtigung.

Als Salzburger Bundesrat darf ich dem Hohen Bundesrat ganz kurz die politische Konstellation in Salzburg zur Kenntnis bringen: Es waren SPÖ und ÖVP, die in ihr Regierungsübereinkommen anläßlich dieser neuen Legislaturperiode aufgenommen haben, daß eine zweite Tunnelröhre kommt, und auch wir Freiheitlichen, die wir zwar durch diese sogenannte modernste Verfassung von einer zukünftigen Regierungsbeteiligung ausgeschlossen wurden, haben vorsorglich bereits durch unsere Landesräte erklärt, daß wir selbstverständlich auch dieser Errichtung der zweiten Tunnelröhre zustimmen. (Zwischenrufe.)


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Nun passen Sie aber auf! Minister Einem hat, angesprochen auf die finanzielle Beteiligung des Bundes, folgendes gesagt: Vom Bund gibt es keinen Groschen. (Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Auch Sie, verehrte Genossen, kennen den Hintergrund: Es ist eine 37 Millionen Schilling teure ÖBB-Werbung des Herrn Ministers gelaufen, die leider Gottes überhaupt nicht gegriffen hat. Das heißt: Die Auswirkungen für die ÖBB waren bedauernswerterweise nicht so, wie sie hätten sein sollen. Daher ist natürlich die Argumentation, daß man eventuell aus dem Verkehrsministerium Mittel für eine zweite Tunnelröhre gibt, nicht angebracht.

Die Kritik trifft Herrn Verkehrsminister Einem, und ich sage Ihnen auch, warum: Es gibt kein Krisenmanagement! Meine Damen und Herren Bundesräte der Sozialdemokratie! Sie kennen sicherlich den sozialistischen Abgeordneten Herrn Johann – Jackie – Maier. Vor dieser Katastrophe, aber nach der Montblanc-Katastrophe hat er – auch das muß man ihm zugestehen – in weitsichtiger Weise eine Anfrage gestellt, wie es denn in Österreich mit den Tunneln aussehe. Im Zusammenhang mit dem Inferno hat er in einer Anfrage zuerst einmal darauf hingewiesen, daß sowohl der Tauern- und Katschbergtunnel sowie der Arlbergtunnel von Einsatzkräften und Sicherheitsexperten als besonders problematisch angesehen wurden. (Bundesrat Konecny: An wen war diese Anfrage?) – Das war eine parlamentarische Anfrage. Er sitzt drüben im Nationalrat. Ich nehme an, daß es sehr wohl das Ministerium sein wird, das davon betroffen ist. (Bundesrat Konecny: Schauen Sie doch nach, an wen diese Anfrage gerichtet war! Das steht doch drauf!) Jetzt gehe ich aber weiter, Herr Klubobmann Konecny! (Bundesrat Konecny: Sagen Sie doch, an wen diese Anfrage gestellt wurde!) Wir gehen jetzt weiter! Der ehemalige SPÖ-Abgeordnete Harald Hofmann ... (Bundesrat Konecny: Die Anfrage war also nicht an den Verkehrsminister?) – Schauen Sie in Ihren Unterlagen nach, dann werden Sie es sehen!

Am 7. April hat der ehemalige SPÖ-Abgeordnete Harald Hofmann – auch Abgeordneten Hofmann werden Sie kennen, Herr Konecny! – wortwörtlich folgendes ausgeführt ... (Bundesrat Konecny: Er hat diese Anfrage nicht an den Verkehrsminister, sondern an den Wirtschaftsminister gestellt! Die Verknüpfung ist falsch! Das ist eine sachliche Unwahrheit!) Auch wenn Sie jetzt laut reden, wird das, was Sie sagen, Herr Klubobmann, nicht viel gescheiter! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Konecny. ) Ihren ehemaligen SPÖ-Abgeordneten Harald Hofmann werden Sie aber kennen, nicht? – Schon! Gut! Ja – Gut! Dann machen wir da weiter!

Am 7. April hat er – in Anspielung auf das, was im Montblanc-Tunnel passiert ist – wortwörtlich ausgeführt: Wenn so etwas hier passieren würde, dann müßte man eigentlich sagen, all jene, die das bisher erfolgreich verhindert haben, werden moralisch an den Toten mitverantwortlich. – Nicht wir Freiheitlichen haben das gesagt, sondern der ehemalige Abgeordnete der Sozialdemokraten Harald Hofmann.

Es sind noch weitere Pannen passiert, bevor es schließlich zur Katastrophe kommen mußte. Am 1. 9. 1998 ist das Gefahrengutbeförderungsgesetz in Kraft gesetzt und sind die aufgrund der bisherigen Rechtsgrundlage erlassenen Verordnungen – unter anderem die Straßentunnelverordnung – wegen angeblicher EU-Rechtswidrigkeit außer Kraft gesetzt worden. Wissen Sie, was das bedeutet hat? – Das hat bedeutet, daß ab diesem Zeitpunkt, ab 1. 9. 1998, Gefahrengüter ohne Voranmeldung und ohne Begleitfahrzeuge Tunnels passieren können! – Das ist eine weitere Panne, die leider Gottes geschehen ist.

Es gibt noch eine weitere Panne des Herrn Verkehrsministers Einem. Die französischen Amtskollegen haben angesichts des Infernos im Montblanc-Tunnel sofort eine Sonderverordnung erlassen. Wieso hat Minister Einem keine Sonderverordnung für Österreich erlassen, damit so etwas nicht passiert, meine Damen und Herren? – Gen Himmel zu blicken macht das Ganze jetzt auch nicht ungeschehen! Ich möchte nur darauf hinweisen, daß hier das Krisenmanagement eindeutig gefehlt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, unser Antrag zielt eindeutig darauf ab, daß jetzt geholfen werden muß. Und es muß vor allem sehr rasch und effizient geholfen werden!


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Sie alle wissen, daß es auch einen sogenannten nicht quantifizierbaren Schaden gibt. Ich erinnere nicht nur an die Katastrophe im Zusammenhang mit dem Montblanc-Tunnel, sondern auch an die Katastrophe von Galtür, anläßlich welcher die deutsche Presse bereits geschrieben hat: Die Ösis sind Dösis. – Man muß auch den Hintergrund kennen: Es sind natürlich auch andere Kräfte im Spiel, die Österreich als Fremdenverkehrsland madig machen wollen, und dabei nimmt man gerne jede Gelegenheit wahr. – Genau das sind nicht quantifizierbare Schäden, die an Österreich passieren, deshalb müssen wir uns jetzt einfach positiv darstellen.

Im Zusammenhang mit dem Tauerntunnel wird die deutsche Presse wahrscheinlich auch wieder ihre negativen Meldungen bringen. Deshalb brauchen wir jetzt Hilfe, damit Urlauber, die nach Österreich und insbesondere nach Kärnten kommen wollen, erstens, ohne Schaden zu nehmen, an ihr Ferienziel kommen und zweitens dabei keinen finanziellen Nachteil haben. Vor allem müssen wir die im Antrag genannten Vorschläge bewerben. Wir müssen uns in der Welt als Fremdenverkehrsland darstellen, das gastfreundlich ist und das eventuelle Schäden von unseren Gästen, die wir herzlich hier in Österreich willkommen heißen, abwendet und die finanziellen Nachteile auf jeden Fall ausgleicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb ersuche ich Sie, unserem Entschließungsantrag beizutreten. Ich glaube, das ist das Signal, das man bewerben kann. Damit können wir uns in der Öffentlichkeit und vor allem im Ausland als ordentliches, vernünftiges und gastfreundliches Fremdenverkehrsland darstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.54

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile es ihm.

18.54

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Ich möchte heute eine Behauptung aufstellen, die von Ihrer Seite schwierig zu widerlegen sein wird:

Egal, ob Lassing ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Mainoni. ) – Herr Kollege! Hören Sie zu! Damals waren Sie nämlich noch nicht im Bundesrat! Sie reden von etwas, was Sie nicht kennen können! – Egal, ob es um Lassing, Galtür oder den Tauerntunnel geht: Sie versuchen auf mieseste Art und Weise politisches Kleingeld daraus zu machen! Ich kann verstehen, daß Sie jetzt in dieser Phase der Vorwahlzeit wieder krampfhaft versuchen, diese tragische Katastrophe politisch zu mißbrauchen! Ich finde das aber schändlich! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hier gibt es nicht nur die medialen Besserwisser, die nach jeder Katastrophe sofort auf den Plan treten und sofort eine Stunde später wissen, was gemacht werden hätte müssen, um das zu verhindern, auch die Opposition hat die Chance, Verbesserungsvorschläge zu machen. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sind gefordert, mit praktikablen, brauchbaren und umsetzbaren Vorschlägen zu agieren und nicht mit billigen Entschließungsanträgen, wie Sie heute einen eingebracht haben. Denn sehr viel Fleisch spüre ich bei diesem Antrag nicht! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich sage noch etwas dazu: Was mir ganz wesentlich bei manchen Debattenrednern aufgefallen ist, war, daß eigentlich das Beileid und das Mitgefühl für die Opfer und für die Angehörigen gefehlt haben beziehungsweise deutlicher zum Ausdruck kommen hätte müssen. Ich denke, diesen hat unser Mitgefühl an erster Stelle zu gelten, und an zweiter Stelle den Einsatzkräften, die ihr Leben riskiert haben, die – ohne zu fragen, was sie dafür bekommen – in den Tunnel gegangen sind und zu helfen versucht haben: der Polizei, der Feuerwehr, der Rettung, der Bergrettung, allen freiwilligen Helfern.

Ich möchte jetzt noch etwas einwenden, damit man sieht, daß das Prinzip der Bürgergesellschaft der ÖVP seine volle Berechtigung hat, das auf die Freiwilligkeit der Hilfsorganisationen in


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den Gemeinden draußen verweist, die 24 Stunden lang, also rund um die Uhr, einsatzbereit sind, wenn sich irgendwo eine Katastrophe ereignet.

Ich sage Ihnen noch etwas, weil immer wieder Gesetze gefordert werden: Das Wundergesetz, das Katastrophen in Zukunft verhindert, wird es nicht einmal in Kärnten geben! Denn so lange sich auf der Welt etwas bewegt, so lange wird es leider immer wieder ein Malheur geben. Ich glaube, mit dieser Realität und diesem Realismus sollte man in politische Diskussionen gehen. Denn es ist zu billig, nur wieder zu versuchen, politisches Kleingeld zu bekommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. )

All jenen, die glauben, daß wir jetzt mit einem Gesetz, das die Gefahrengutregelung regelt, die Probleme in den Griff bekommen, darf ich folgendes ins Stammbuch schreiben: Setzen wir doch dort an, wo es Möglichkeiten gibt, die Zahl der Gefahrenguttransporte zu minimieren beziehungsweise diese zu verhindern! Ich frage jetzt alle hier anwesenden Kolleginnen und Kollegen, wer zu Hause hinsichtlich des Energieverbrauchs, etwa beim Hausbau betreffend seiner Haushaltsheizung, darüber nachgedacht hat, ob er den Weg der Bequemlichkeit und des Komforts geht und eine Öl- oder Gasheizung installiert hat, und wer sich Gedanken über nachwachsende Rohstoffe, über Solarenergie, über Windenergie, über Wasserkraft gemacht hat. – Da fängt nämlich die Glaubwürdigkeit an! Hinauszugehen und zu fordern – das ist keine Lösung! Vielmehr sollte jeder in seinem machbaren Bereich sofort die ersten Schritte setzen. (Bundesrat Dr. Bösch: Sagen Sie das der Bundesregierung, Herr Kollege!) Wir sollten endlich das Prinzip des Handelns statt des Forderns eingehen. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie sind ja in der Regierung!) Das ist auch eine große Forderung an die Opposition.

Ein letzter Satz sei mir noch gestattet, weil von Frau Kollegin Haunschmid sogar die Österreich Werbung zu den Schuldigen hinzugezählt wurde und die Gastfreundschaft von meinem Vorredner angesprochen wurde. Ich war jetzt vier Tage in Schottland, und dort hat mich ganz besonders begeistert, mit welcher Überzeugung, wie traditionsbewußt und mit welchem Stolz die Schotten von ihrem Land sprechen. Ich fürchte, daß die Früchte der FPÖ-Politik in unserem Land schön langsam aufgehen. Denn es kann geschehen, daß, wenn man ständig über das eigene Land schimpft – wir haben es heute bei der Beschäftigungspolitik gehört – und ständig eine diesbezügliche Mißstimmung verbreitet, das die eigenen Leute schön langsam glauben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. )

Geschätzte Damen und Herren! Ich denke, Realismus in den Forderungen ist vonnöten. Ich bin davon überzeugt, daß wir mit reiner realistischen Herangehensweise etwas bewegen können. Mit gegenseitigen Beschuldigungen werden wir hingegen nichts erreichen. Ich bitte die Opposition, das auch zu berücksichtigen. (Bundesrat Ing. Scheuch: Wollen Sie den Kärntnern helfen oder nicht?) Herr Kollege Keuschnigg! (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist Bundesrat Scheuch!) Dann bleiben wir bei Scheuch. – Herr Kollege Scheuch! Sie sollten sich eine Gewohnheit schnellstens aneignen: Wenn Sie nicht lernen zuzuhören, dann werden Sie ständig ein lauter, schlechter Politiker bleiben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.00

Präsident Gottfried Jaud: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner. Ich erteile es ihm.

18.59

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Da ich die vorangegangene Diskussion nicht gehört habe, bitte ich für den Fall um Vergebung, daß ich etwas wiederhole oder manches sage, was Sie gar nicht wünschen. Mir ist gesagt worden, Sie möchten eine kurze Stellungnahme zu Road-pricing und den letzten Entwicklungen hören.

Ich darf Ihnen zunächst folgendes sagen: Ich habe drüben im Hohen Haus erklärt (Bundesrat Dr. Böhm: In welchem?)  – ich habe "drüben im Hohen Haus" gesagt; jetzt bin ich im anderen Teil des Hohen Hauses, da ist meiner Ansicht nach lokal festzuhalten –, daß es nach dem Vorfall im Tauerntunnel das Falscheste wäre, würden wir jetzt die Diskussion so führen, als ob eine zweite Tunnelröhre a priori alles verhindert hätte. Das kann nicht das Alibi der Diskussion sein,


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sondern ... (Bundesrätin Haunschmid: Das hat auch niemand von uns gesagt!) Ich wiederhole, was ich drüben gesagt habe, damit Sie – falls Sie mich dann beißen oder streicheln – wissen, was ich gesagt habe.

Ich habe gesagt: Man muß auch die Courage haben, zu sagen, daß am Anfang dieses Unfalls entsetzliches menschliches Fehlverhalten steht. Wir hatten erst vor wenigen Wochen in diesem Tunnel eine Übung, wie vorher fast jeden Monat, zum Teil zweimal. Immer wurde gesagt – es gab auch voriges Jahr einen Unfall mit zwei Toten, ohne daß etwas explodierte –, daß eines völlig klar ist: Wenn einmal ein Unfall mit einem Gefahrengütertransport à la Montblanc passiert, sind alle Übungen für ... – Daher ist zu sagen: Am Anfang standen menschliche Probleme.

Zum zweiten wissen wir, daß die Wahrscheinlichkeit, einen Unfall unter freiem Himmel zu haben, auf Österreichs Autobahnen dreimal so groß ist wie in einem Tunnel und daß die Gefahr in einem Tunnel selbst wiederum zwei Drittel so groß ist, wenn es keinen Gegenverkehr gibt. Wenn man das weiß, dann muß man folgenden Schluß ziehen: Tunnels sind in Österreich im Prinzip außerordentlich sicher, auch im internationalen Vergleich.

Das ist keine "Werbesendung". An dem Tunnel hat man gesehen, daß alle technischen Einrichtungen in einer unglaublichen Hitzehölle funktioniert haben. Kann es nicht möglich sein, bei aller Betroffenheit über Dramen und bei all dem Notwendigen, was man sich jetzt an den Kopf wirft, daß international gesagt wird – das kann ich Ihnen an Briefen und Anrufen bestätigen –: Es ist eine Leistung, daß eine Lüftung unter einer Belastung von 1 300 Grad funktioniert hat und daß bis zum Schluß die Löschanlagen, die Druckwasserleitungen funktioniert haben; auch wenn im ORF-Fernsehen Herr Broukal etwas anderes behauptet hat – was wirklich fahrlässig ist!

Nächster Punkt: Ich muß festhalten, daß die Videokameras funktioniert haben. Man kann im nachhinein selbstverständlich darüber diskutieren – daran hat früher keiner gedacht –, daß es bei derartiger Rauchentwicklung vielleicht klug wäre, auf dem Boden blinkende Fluchtsignale zu geben. Aber wenn die Betondecke bei 1 300 Grad sofort bröselt und spritzt, wäre das wahrscheinlich auch nicht zielführend.

Man lernt natürlich nie aus, was Gefahren betrifft. Aber wir haben gesehen, daß die Sicherheitseinrichtungen in dem Tunnel, obwohl er 1975 in Betrieb gegangen ist, erstaunlich gut funktioniert haben. Es ist aus Gefahrengutgründen zu einem Mega-Unfall gekommen ist – ich füge hinzu, ich war sehr betroffen, als ich dort war, nicht probeweise in den Tunnel ging, sondern mich mit den dortigen Hilfskräften zusammensetzte und mir einer sagte: Herr Minister! Trauen Sie sich, zu sagen, daß wir entsetzt waren, als wir immer wieder gesehen haben, daß in dieser 30er Zone die Lastwagen mit 70 Stundenkilometern hineindonnern! – Jetzt weiß Gott wen als Schuldigen zu bezeichnen, ist daher wirklich weit hergeholt.

Daher muß eine erste Konsequenz sein: Wir wollen sichere Tunnels, und wir werden auch weiterhin auf Sicherheit achten. Wir haben nach dem Montblanc-Unfall, ohne Aufforderung von Dritten, in der ASFINAG eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der wir jeden in unserer Verwaltung stehenden Tunnel einem zusätzlichen Sicherheits-Check mit Extraübungen unterzogen haben. Ein Bericht darüber wird Ihnen zum Sommer vorliegen. Wir erwarten bis Juli das Upgrading, dieses Bench-marking jedes Tunnels.

Dabei haben wir gesehen, daß wir mit unseren internen Richtlinien im internationalen Vergleich ganz vorne liegen, daß es sehr wohl ein Problem gibt und daß es wahrscheinlich anders gewesen wäre, hätten wir – das ist kein Vorwurf; ich halte noch einmal fest, daß Sie von mir keine Schuldzuweisungen hören werden – bei solchen Gefahrengütern vorne und hinten Begleitfahrzeuge gehabt, denn dann wäre das vielleicht nicht passiert. Okay, das ist ein Punkt. Man muß auch aus solchen Dingen lernen. Das ist wieder die Diskussion. Das stand soeben zur Begutachtung, und es wurde negativ begutachtet. Das muß ich zum Schutz des Kollegen Einem sagen.

Was wir zweitens aus diesem Vorfall lernen, ist folgendes: Dort, wo die Verkehrsdichte rascher wächst, sollte man sich nicht dauernd politisch fürchten. Ich erinnere noch einmal daran, daß ich erst wenige Wochen Minister gewesen war, als ich im Land Salzburg auftrat und dort vor


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Bürgermeistern und anderen sagte: Ich möchte die zweite Röhre haben! – Alle dort Vertretenen, einschließlich der Landes-Spitzeninstanzen, haben meinen Rücktritt gefordert. So fühle ich mich daher gut vertreten.

Noch vor wenigen Wochen, bis vor der Salzburger Wahl, waren sowohl die Kärntner als auch die Salzburger Seite gegen den Ausbau der zweiten Röhre. Das ist schade. Es wurde nach der Wahl geändert. Auch in Kärnten hat sich die Stimmungslage gedreht – einverstanden! (Bundesrat Ing. Scheuch: Da haben sich auch die Verhältnisse geändert!) Entschuldigen Sie: Herr Grasser war voriges Jahr derjenige, der in einer Aussendung sagte, daß sie nicht gebaut werden darf, weil Kärnten keine Transithölle werden darf. Unterstellen Sie uns nichts! (Oh!-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny  – in Richtung Bundesrat Ing. Scheuch –: Fällt Ihnen dazu nichts ein? – Weitere Zwischenrufe.)

Ich möchte Sie aber der Fairneß halber auch weiter informieren, weil heute die Steiermark und Kärnten hier mit zur Diskussion stehen. Zur Frage Kärnten: Vorgestern war Herr Landeshauptmannstellvertreter Reichhold bei mir, und wir haben fixiert, daß die ASFINAG bereit ist, eine Vorfinanzierung des Landes für den Gräberntunnel zu akzeptieren, um eine zweite Tunnelröhre zu bauen. Wir hatten das mit Reichhold schon vorher vereinbart gehabt, nur hat das zuständige Landesamt vergessen, uns das auch schriftlich zu bestätigen. Das wird jetzt nachgeholt. Der Zinsendienst wird übernommen, wir können den Gräberntunnel vorziehen.

Wir haben aber gleichzeitig deutlich gemacht, daß dies alles nur geht, wenn auch die Kärntner Landesregierung ihre bis jetzt apodiktische Ablehnung des Road-pricings aufhebt und wenn wir die Zusage erhalten – um das hier offen zu sagen –, daß wir uns, so wie auch in der Steiermark, über ein paar Mautstellen und über prinzipielle Fragen unterhalten. Dazu dient ein Begutachtungsverfahren.

Jetzt zur Steiermark: Auch die Steiermark hat das Road-pricing einstimmig abgelehnt. Ich habe mit der Frau Landeshauptmann und mit anderen in den letzten Wochen Gespräche geführt. Eigentlich sollte das die ASFINAG tun, aber da mischt sich eben der Minister ein. Wir haben klargestellt, daß dem steirischen Wunsch nach einem einheitlichen Road-pricing-Satz – und ohne Unterschiede je nach Höhen- und Tiefenlagen – Rechnung getragen wird. Auch dem zweiten Wunsch, der Südverlegung der Mautstelle Wundschuh, wird Rechnung getragen.

In der Frage der Stelle Laßnitz bin ich nicht flexibel. Man kann nicht wegen zwei Frächtern und Stronach ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Die aktuelle Situation: Die Frau Landeshauptmann war heute hier und hat das Road-pricing abgelehnt!) Ich darf Ihnen als verantwortlicher Minister für Wirtschaft das als meinen Informationsstand nennen.

Folgendes zum Plabutsch: Ich selbst habe, unabhängig von meinem dauernden Drängen in bezug auf den Tauerntunnel, durch meine praktische Tätigkeit bewiesen, daß ich immer gesagt habe: Wenn die Verkehrsbelastung hoch ist, brauche ich bei einem Tunnel zwei Röhren. Das hat dazu geführt, daß wir im Herzogbergtunnel den Bau der zweiten Röhre vorbereiten, daß in Selzthal die zweite Röhre gebaut wird und daß wir Plabutsch und Amberg in Angriff nehmen.

Immer habe ich aber gesagt, daß die ASFINAG keine Möglichkeit sieht, Vergabeverfahren zu unterschreiben, wenn sie nicht die Finanzierungshorizonte auf zwei Jahre hat. Die ASFINAG ist eine Aktiengesellschaft, wie Sie wissen, in der sich der Mehrheitseigentümer "brausen" kann, wenn sie den Plabutschtunnel nicht vergibt und wenn sie sagt: Wenn mir für 2002 keine Finanzquellen versprochen sind, kann ich es aus betriebswirtschaftlicher Verantwortung nicht tun.

Daher gehe ich von folgendem aus – das sage ich noch einmal –: Beide Häuser des Hohen Hauses haben das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz in seiner derzeitigen Fassung beschlossen, in der Road-pricing für PKW und LKW vorgesehen ist. Die zwischenzeitliche Aufhebung des § 1 Abs. 2 durch den Verfassungsgerichtshof wird im Haus gerade mittels einer Novelle saniert.

Es ist völlig klar, daß wir übereinstimmend die Auffassung vertreten – auch mit den Ländern, wenn es nicht um emotionelle Positionen geht –, daß, wenn Österreich das Road-pricing ein


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führt, dies nur in einem mit dem System in Deutschland gleichen oder vergleichbaren System und zweitens zum gleichen Zeitpunkt durchgeführt werden kann. Die Deutschen haben in ihrer Regierungserklärung gesagt, daß sie es mit 1. Jänner 2002 einführen wollen. Daher ist es höchst dringend, daß wir zum selben Zeitpunkt hinkommen.

Dabei gibt es folgendes Problem: Regierung und Sozialpartner – einige erinnern sich nicht mehr daran; damals war ich noch in der Sozialpartnerriege tätig – haben sich auf das Transroute-System geeinigt, weil es, wie in allen anderen europäischen Ländern, eine etwa 80prozentige Erfassung des Verkehrs sicherstellt und zweitens eine halbautomatische oder auch händische Regelung zuläßt. Das war, als man noch an Road-pricing für PKW dachte, durchaus vernünftig. Heute sagt jeder, daß das Unsinn ist.

Daher werden wir in der EU über das Europaparlament und jetzt am Rande des Gipfeltreffens in Köln – das ist eine Zusage der österreichischen Vertreter – hoffentlich auch bei den Verkehrsministern einen Vorstoß machen, daß die EU die verbindliche Verwendung bereits bestehender Automatiksysteme bei LKWs zuläßt. Bei LKW-Automatiksystemen rede ich jetzt nicht von GPS; diejenigen, die das fordern, sollten zunächst zweimal fragen, was sie damit anstellen. Aber es gibt rationale, bereits bestehende Systeme. Dabei denke ich an das Infrarotsystem, das in Graz entwickelt wurde und mit dem wir in ganz Ostasien den Markt beherrschen. In Österreich aber dürfen wir es nicht vorschreiben. Ich denke auch an das in Österreich entwickelte System von Alcatel. Wir könnten es einführen.

Hoher Bundesrat! Es muß zumutbar sein, daß einer, der mit einem LKW, der zwischen 1 und 4 Millionen Schilling kostet, 1 000 bis 3 000 S für ein "Onboard unit"-System ausgibt. Dann haben wir plötzlich ein automatisches Mautsystem, das rasch umsetzbar ist und nicht mit riesigen Personalkosten belastet wird.

Wir wollen im Bundesstraßenfinanzierungsgesetz die Mautregelung für PKWs schlicht und einfach entfernen, weil wir glauben, daß sich die Vignettenregelung weit besser bewährt hat und von der fahrenden Bevölkerung akzeptiert ist, die Zweckbindung sichergestellt ist und das Lückenschlußprogramm dadurch ebenfalls gewährleistet ist. Daher darf ich klarstellen: Road-pricing heißt jetzt, daß wir es gemeinsam zu jenem Zeitpunkt einführen wollen, zu dem die Deutschen darauf umsteigen, mit einem gleichen oder ähnlichen System, das Kompatibilität sicherstellt.

Drittens ist die Zweckwidmung der Mittel sichergestellt. Durch den Vorstoß für zwingende Automatisierung soll sichergestellt werden, daß eine einfachere Durchführung, ein höherer Nettoertrag und damit auch eine raschere Alternativenfinanzierung möglich ist. Ich sage Ihnen: Bei allen Tunnels, bei denen das erhöhte Verkehrsaufkommen einfach befürchten läßt, daß es immer wieder zu denselben Effekten – wie Staus und Co. – kommt, müssen wir uns die Zweiröhrenvariante überlegen. Ich bitte aber, zu verstehen, daß nicht jeder Tunnel zweiröhrig sein muß. Das hängt von der vorhersehbaren Verkehrsdichte im jeweiligen Raum ab.

Hoher Bundesrat! Ich hoffe, daß ich meine Position klargemacht habe, und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.11

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm

19.11

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Es fällt mir nicht leicht, hier herauszugehen. Ich gehöre nämlich zu jenen Politikern, die Katastrophen, noch dazu Katastrophen mit so verheerendem Ausmaß – mit einem kurzen Satz gesagt –, nicht dazu verwenden wollen, politisches Kleingeld zu sammeln. Wir haben Beispiele dafür, wie das gemacht wird, in der Vergangenheit öfters erlebt. Aber Herr Kollege Scheuch hat mich dazu provoziert, hier das Wort zu ergreifen, denn ich meine, daß man die Aussagen und die Meinung, die er hier vertritt, einfach nicht unwidersprochen lassen darf.


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Ich war – da bin ich, so glaube ich, in diesem Raum der einzige – am Sonntag im Tunnel anwesend, als Bundeskanzler Klima dort die Katastrophe begutachtete. Wir waren 800 Meter weit im Tunnel drinnen. Ich habe die Ausmaße der Katastrophe und die Auswirkungen mit eigenen Augen gesehen und mir lebhaft ausmalen können, welches Leid diese Menschen dort aushalten mußten und welche Todesangst dort geherrscht haben muß.

Ich vermisse aber – bei aller Tragik – auch den Hinweis darauf, daß dort eine Kette von menschlichem Versagen mit zum Auslöser dieser Katastrophe wurde. Man kann heute in den Zeitungen lesen – da jetzt anscheinend immer klarer wird, wie der Vorgang dieser Katastrophe rekonstruiert werden kann –, daß es dort eine Reihe von menschlichen Fehlüberlegungen gab, daß Autofahrer zu knipsen begannen, daß Insassen von PKWs Koffer umpackten, daß man glaubte, im Auto sitzen bleiben und abwarten zu können, bis sich das wieder beruhigt hat, und daß erst, nachdem nach gut einer Viertelstunde die erste Explosion stattgefunden hatte, für viele dort der Ernst der Lage augenscheinlich wurde.

Man hat auch vergessen, darüber zu reden oder ins Kalkül zu ziehen, daß es auf der Straße selbstverständlich so ist, daß sich jeder entsprechend verhalten soll. Wir alle wissen: Wer hinten auffährt, ist in erster Linie zur Verantwortung zu ziehen. Das war kein Minister, das war kein Bundeskanzler, das war kein Landesregierungsmitglied – das war auch in dieser Hinsicht menschliches Versagen!

Ich möchte hier nicht anklagen, sondern nur darum bitten, dies bei aller Traurigkeit nicht zu vergessen.

Ich möchte, da ich aus Salzburg komme, dem Hohen Bundesrat auch mitteilen, wie es dazu gekommen ist, daß der Tauerntunnel und der Katschbergtunnel keine zweite Röhre haben. Es scheint vergessen worden zu sein, daß es 1988 gerade die FPÖ war, die zusammen mit den Grünen in einer ganz eigenartigen Konstellation dafür Sorge trug, daß diese zweite Röhre auf keinen Fall gebaut werden würde. Da waren die Grünen aus Gründen ihrer ökologischen Sichtweise noch zu verstehen, und da war es die Argumentation der Freiheitlichen – diese ist im Landespolitischen Komitee niedergeschrieben –: Wir sind nicht das Durchhaus für Nordeuropa und lehnen daher im Interesse der betroffenen, an der Tauern Autobahn wohnenden Bevölkerung, aber auch, was dann Kärnten betrifft, einen weiteren Ausbau zu einer schnellfahrenden Autobahn ab. – Man hat dann auf eine italienische Variante südlich des Brenner verwiesen: So etwas wollen wir auf keinen Fall.

Diese Diskussion, die ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen 1989 in Salzburg stattgefunden hatte, führte tatsächlich dazu, daß es letztendlich diesen zwei kleinen Parteien gelang, die Bevölkerung entsprechend aufzuwiegeln. Das war bei 21 Gemeinden, die an die Autobahn angrenzen, nicht schwierig. Dort wurde in schlimmsten Zahlen formuliert, was auf uns zukommt, und letztendlich wurde der Druck so groß, daß sich die Landesregierung einvernehmlich mit den anderen Oppositionsparteien darauf einigte, auf den Ausbau des Tunnels zu verzichten. (Bundesrat Dr. Tremmel: Also, ihr wart auch dagegen!)

Der Bund hat uns mitgeteilt, daß, wenn wir das bereitgestellte Geld nicht annehmen wollen, daran für Bauvorhaben in Kärnten bereits großes Interesse besteht. Der Ausbau des Kärntner Tunnelnetzes wurde dann mit jenen Geldern finanziert, die in Salzburg, im Lungau, nicht zum Tragen kamen. Wir wußten, als wir uns damals im Vorfeld der Landtagswahl der augenscheinlichen Mehrheit beugten, daß 20 Jahre lang nicht mehr das Geld vorhanden sein wird, um diesen Tunnel so auszubauen, wie wir uns das vorgestellt hätten.

Meine Damen und Herren! Ich darf auch sagen, daß ich, wenn ich den heutigen Antrag der Freiheitlichen lese, eigentlich nur feststellen kann, daß man darin nach dem Floriani-Prinzip, aber umgekehrt, vorgeht: Alles für Kärnten, der Rest ist nichts. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß es auch in anderen Ländern Urlauber gibt. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß sich der Tunnel im Lungau befindet – mit dem Pongau in Verbundenheit –, daß auch die Pendler sowie die Wirtschaft des Lungaus arg betroffen sein werden und daß sie die einzige Verbindung letztendlich nicht mehr nutzen können.


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 147

Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß die FPÖ meint, wenn man Gästen Kosten erstatten sollte, weil sie schwierige Anreisen auf sich zu nehmen haben, daß sie auch meint, diejenigen, die nach Slowenien, Kroatien und so weiter durchfahren und dann in den Süden entfleuchen, miteinzuschließen – außer sie bleiben zwei Nächte in Kärnten, dann lasse ich sie das berechnen. Das schaue ich mir an, wie das geht, meine Damen und Herren! Das ist nichts anderes als billige Effekthascherei, die zu nichts führt, die nicht zu beziffern ist und von der vor allem niemand weiß, wie man es zahlen soll, meine Damen und Herren! Gerade Sie, die Sie sich über die Wirtschaft so viele Gedanken machen, müssen wissen, daß man Geld nicht einfach nachdrucken kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch behaupten, daß der einröhrige Tunnel nicht schuld am Niedergang der Kärntner Fremdenverkehrsbetriebe ist. Sie selbst wissen, was dazu geführt hat und was den Niedergang des Kärntner Fremdenverkehrs letztendlich zu verantworten hat. Fragen Sie die Deutschen, fragen Sie die Holländer, fragen Sie die Belgier, warum sie nicht mehr so gerne nach Kärnten fahren! Gehen Sie in sich, dann werden Sie in Zukunft auch Lösungen angehen können, die den Kärntnern letztendlich wieder dazu verhelfen, daß ihr Land zum Urlaubsland Nummer eins in Österreich wird! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Was mich am Sonntag, als ich die Katastrophe im Fernsehen verfolgen mußte, besonders störte, war der Auftritt des Herrn Haider, Ihres Parteivorsitzenden, der mit dem Hubschrauber einflog und dort große Sorge mimte. Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Hubschrauber zur Rettung anderer Betroffener und zur Herbeiführung von Rettung besser eingesetzt gewesen wäre. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. )

Herr Kollege Bösch! Das einzige, was Haider erreicht hat, war ein Fernsehauftritt, der ihm im nachhinein nachteilig ausgelegt wird. Ich habe am Sonntag erfahren dürfen, daß die Menschen, die dort gerackert und unter Einsatz ihres Lebens gearbeitet haben, sehr enttäuscht waren, daß Haider nach dem Blitzlichtgewitter wieder abgedampft ist. Sie haben sich nur darüber gewundert, daß er im Fernsehen siebenmal mit demselben Sager gekommen ist. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie hatten eine Regierungssitzung in Kärnten!) Aber das ist ein anderes Kapitel. Meine Damen und Herren! Am selben Tag war Schlögl im Tunnel drinnen. Man hätte auch hineingehen können, wenn man das wirklich gewollt hätte. Ich sage, der Hubschrauber wäre anders besser einzusetzen gewesen.

Herr Mainoni, Herr Kollege aus Salzburg! Wir wissen, daß der Lungau in Salzburg ist. Ob das Ihr Vorsitzender auch wußte, weiß ich nicht. Ich glaube, er hat erst dort festgestellt, daß er nicht auf Kärntner Hoheitsgebiet ist. Sonst würde ich mir seine Geschäftigkeit dort nicht erklären können.

Meine Damen und Herren! Was, glauben Sie, würde Haider sagen, wäre diese fürchterliche Katastrophe auf der Kärntner Seite des Karawankentunnels geschehen, Landeshauptmann Häupl wäre hinuntergefahren und hätte sich vor Ort als erster informiert? – Die Wortfolge kann ich mir ausmalen, meine Damen und Herren! Daher glaube ich, daß hier Besonnenheit voranzustellen ist, damit in Zukunft wirklich das bearbeitet wird, was notwendig ist, und nicht Kleingeld auf Kosten solch fürchterlich Betroffener gemacht wird.

Meine Damen und Herren! Ich halte es für gut, daß auch der Herr Wirtschaftsminister jetzt klar sagt: Road-pricing ist eine Lösung der Zukunft. Die Mittel sind zweckgebunden zu verwenden, das ist keine Frage. Ich behaupte aber jetzt: Auch bis es zur entsprechenden Entlastung durch die zugesagten neuen Tunnelröhren kommt, sollten Gefahrenguttransporte über die Eisenbahn geradezu verlangt werden. Dafür ist kein Schilling zu schade, der dort investiert wird, bis wir in der Lage sind, die Straße wieder so zu benutzen, daß die Benutzer nicht in fürchterliche Situationen kommen und letztendlich in eine Situation wie die bedauernswerten Menschen in diesem Tunnel gelangen.

Meine Fraktion wird den Antrag der Freiheitlichen selbstverständlich nicht unterstützen, aber den gemeinsamen Antrag mit der ÖVP befürworten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.21


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
655. Sitzung / Seite 148

Präsident Gottfried Jaud:
Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

19.21

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was der Herr Bundesminister und soeben auch Herr Kollege Prähauser zum relativen Zugewinn bei Baumaßnahmen gesagt hat, ist völlig zu unterstreichen. Wir haben auch hier das Phänomen, daß an sich gute Vorschriften wenig kontrolliert werden, ein Problem verursachen und daß dann die Vorschrift statt der Kontrolle verschärft wird. Wir haben das schon häufig diskutiert.

Wir alle wissen aus eigener Wahrnehmung, wie oft man bei vorschriftsmäßigem Fahrverhalten in einem Tunnel von leistungsstarken "Brummis" von hinten bedrängt wird. Manche Leute fühlen sich geradezu genötigt und geraten in Streß; das ist mitunter auch eine Ursache für Unfälle. Wir wissen von Autobahnstrecken mit Tunnels ohne Gegenverkehr, daß es dort zu waghalsigen und auch Unfälle verursachenden Überholmanövern kommt, und dergleichen mehr. Man wird beides tun müssen, aber man sollte sich vor der Annahme hüten, daß man ein Patentrezept hätte. Auch Ausbaumaßnahmen sind kein solches Rezept, wenn es beim Fahrverhalten keine Besserung gibt. Dazu trägt nur entsprechende Kontrolle bei. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bin dem Herrn Bundesminister auch sehr dankbar dafür, wie er als Adressat eines wesentlichen Teils der Entschließung – nämlich der Baumaßnahmen und deren Finanzierungsmöglichkeit sowie der Aussagen zum Road-pricing, wenn ich das vereinfachend so benennen darf – dies versteht, nämlich daß es bei der bisher von Österreich im Einvernehmen mit den Ländern eingenommenen Haltung bleibt, daß wir diese Maßnahme an sich als richtig ansehen, aber aus vielfältigen Gründen diese nur gemeinsam mit unserem leistungs- und verkehrsstärksten Nachbarn, Deutschland, zeitlich und nach Möglichkeit auch technisch einführen können und wollen. Diese Feststellung halte ich vor dem Hintergrund der Entschließung für außerordentlich wichtig.

Die Formulierung, daß für die in Aussicht genommenen Baumaßnahmen das Road-pricing unerläßlich sei, kann auch aus unserer Sicht nicht anders verstanden werden, als der Adressat diese Willensäußerung verstanden hat. Es kann insbesondere dann nicht anders verstanden werden, wenn man am Vormittag die Frau Landeshauptmann der Steiermark zu diesem Thema gehört hat – sie hat ganz klare Worte dazu gesprochen – und wenn man weiß, worin die sehr einmütige Haltung der Länder zu diesem Thema besteht.

Daher bin ich für die Klarstellung dankbar, daß es bei der Kontinuität der bisherigen Haltung bleibt (Beifall bei der ÖVP), daß es unerläßlich ist, dies selbstverständlich nicht für sich allein und geradezu als Selbstzweck dieses Antrages zu sehen, sondern daß es im Zusammenhang gesehen werden muß. Ich verstehe die Intention, daß man sagt: Das eine ist eine wichtige Voraussetzung dafür, das andere finanzieren zu können. Das mag durchaus Sinn machen. Es wäre jedoch nicht zu vertreten, würde es so verstanden werden – der zuständige Minister hat es explizit nicht so verstanden –, daß damit die Forderung verbunden wäre, das Road-pricing ungeachtet der auch heute hier formulierten und von uns geteilten Bedenken einführen zu wollen.

Ich teile auch voll und ganz die von der Frau Landeshauptmann dargelegte Auffassung, daß man zwischen bereits vergabereifen und projektierten Bauvorhaben – genannt wurde von ihr naheliegenderweise der Plabutschtunnel, sie hat aber auch darauf hingewiesen, daß das selbstverständlich auch für die anderen Länder gilt, und von unserer Warte aus kann ich das nur voll bestätigen – und dieser Entschließung hier kein Junktim herstellen kann. Man kann das Problem Tauerntunnel und die Probleme bei bereits bestehenden Projekten, die vergabereif sind, nicht junktimieren.

Daher bleibt es aus meiner Sicht bei dem, was die Frau Landeshauptmann gesagt hat – wir wollen hier auch nichts anderes formulieren –, nämlich daß eine Junktimierung von bereits vorhandenen Projekten mit dem Road-pricing selbstverständlich nicht Gegenstand dieser Entschließung sein kann. Der Herr Bundesminister hat das auch nicht so verstanden. Alles andere wäre eine Art Mißbrauch der Situation, die wir nach diesem Unglück vorfinden.


Bundesrat
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Ich möchte nur anmerken, daß der Ausbau der Tauernstrecke selbstverständlich nicht das einzige Problem ist, das wir mit Autobahntunnels mit Gegenverkehr haben. Ich verstehe die Entschließung auch nicht so, daß die anderen Vorhaben ausgeschlossen wären. Wir setzen eben aus gegebenem Anlaß einen bestimmten Akzent. Das gleiche gilt für das Anliegen, für schwer erreichbare Gebiete – Fremdenverkehrsgebiete – entsprechende Hilfestellung zu prüfen.

Kärnten ist als Land, das durch die Sperre der Tauern Autobahn stark betroffen ist, in einer schwierigen Situation. Es ist nicht das einzige Fremdenverkehrsgebiet, das durch höhere Gewalt heuer vor einer schwierigen Situation steht. Ich erinnere an Galtür, aber ich erinnere auch daran, daß bei uns ein zugegebenermaßen kleineres Gebiet als Kärnten, nämlich das Brandnertal, ein ausgesprochenes Fremdenverkehrsgebiet, nicht nur schwer erreichbar, sondern wegen des Abgangs einer Mure auf absehbare Zeit im normalen PKW-Verkehr überhaupt nicht erreichbar ist.

Ich vertraue auch in diesem Punkt auf das Augenmaß des Herrn Wirtschaftsministers, den Akzent, den wir hier heute setzen, nicht so zu verstehen, daß alle anderen, die ähnliche Probleme haben, ausgeschlossen wären. Er hat das schon bisher nicht so gemacht, und wir brauchen auch in diesem Punkt eine Gesamtbetrachtung. Unter dieser Prämisse kann auch ich dem Antrag die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.27

Präsident Gottfried Jaud: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. (Bundesrat Dr. d′Aron: Doch!)

Ich erteile Herrn Dr. d′Aron das Wort. – Bitte.

19.28

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die Diskussion, die hier geführt wird, gehört wieder einmal auf standfestere Beine gesetzt. Man muß es ein bißchen verkehrswissenschaftlich sehen, worum es hier geht. Denn so läßt sich auch erklären, daß der Antrag, der seitens der SPÖ und der ÖVP nunmehr vorliegt, eigentlich ins Leere geht und im Gesamtzusammenhang auch so nicht betrachtet werden kann.

Ich möchte in Erinnerung rufen, daß es Verkehrsträger und Verkehrsunternehmen gibt. Bei den Verkehrsträgern haben wir Straße, Schiene, Luft, Wasser und Rohr. Die Verkehrsunternehmen wiederum betreiben den Verkehr auf diesen Verkehrsträgern. Es gibt selbstverständlich Stärken und Schwächen jedes Verkehrsträgers genauso wie Stärken und Schwächen jedes Verkehrsunternehmens.

Wenn Sie zum Beispiel in Ihrem Antrag pauschal fordern, daß der gefährliche Verkehr auf die Schiene kommen soll, so ist das ein frommer Wunsch. (Bundesrat Dr. Böhm: Nicht realisierbar!) Denn wie Sie wissen, ist der Schienenverkehr zur Bewältigung der Massenverkehrsströme da, nicht aber zur Feinverteilung. Sie werden also die Straße auf jeden Fall brauchen, um die Feinverteilung im Güterverkehr in Österreich durchführen zu können. Daher ist das meiner Ansicht nach ein sogenannter Schnellschuß.

Auf der Route Tauerntunnel täglich 26-Tonner ... (Bundesrat Meier: Also Sie sind nicht für die Verlagerung auf die Schiene, wo es geht?) – Lassen Sie mich das zuerst einmal ausführen, Herr Kollege! Würden Sie mich ausreden lassen? (Bundesrat Meier: Ja! Ich frage nur!)

Beim Tauerntunnel: 26 000 Fahrzeuge, an Spitzentagen sogar 60 000 Fahrzeuge – vor dem Unfall. Nunmehr ist es erforderlich, sich zu überlegen, was man tun kann, wenn eine solche Situation eintritt, und wie man reagiert. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Da gibt es – wenn man von oben her anfängt – erstens die Frage, was die Bundesregierung machen soll. Es gibt deutliche Versäumnisse der Bundesregierung, die es mit sich gebracht haben, daß wir kein Ministerium, keinen Ressortleiter haben, der für Verkehr in Österreich zuständig ist. Denn da gibt es auf der einen Seite einen Wirtschaftsminister, der die Straße forciert, und auf der anderen Seite einen Verkehrsminister – das ist ein völlig falscher Ausdruck,


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655. Sitzung / Seite 150

er ist kein Verkehrsminister in dem Sinn –, der für die Schiene und auf der anderen Seite wieder für die Straßenverkehrsordnung da ist. Darüber hinaus gibt es weitere Minister, die zuständig sind und mitsprechen. Das heißt, daß es zu keiner koordinierten Verkehrspolitik der Regierungskoalition kommen kann. Das ist mir klar, und so ist auch das zu verstehen, was sich hier im Hohen Haus die ganze Zeit abspielt.

Wenn die ÖBB in einer raschen Aktion darauf reagieren und den Verkehr auf der Tauernschleuse intensivieren beziehungsweise neue Intervalle nach Klagenfurt und Villach durchführen und zusätzliche Mobilitätsangebote machen, so ist das sicherlich ein großer Schritt und ein Schritt in die richtige Richtung. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen in Österreich zu einer koordinierten Verkehrspolitik finden! Da hilft es eben nichts, daß die SPÖ der ÖVP – dem Wirtschaftsminister, der für die ÖSAG zuständig ist – die Schuld zuschiebt und auf der anderen Seite wiederum die ÖVP der SPÖ – dem Verkehrsminister – sagt: Das mit der StVO war nicht ganz gescheit und hat daran mitgewirkt, diesen Tunnelunfall zu verursachen.

Wir müssen das Bewußtsein dafür schaffen, daß Leute auch bereit sind, umzusteigen. Die Freiheitlichen haben mit ihrem Entschließungsantrag etwas gemacht, wovon wir uns eigentlich erwartet hätten – wir haben das vorbesprochen –, daß Sie mit glühendem Herzen für dieses Land Österreich unserem Entschließungsantrag zustimmen und sagen: Ja, das ist gescheit, das machen wir! (Bundesrat Meier: Ist ja nur für Kärnten!) Wir haben nämlich als Freiheitliche nicht das gemacht, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen.

Wir haben konkrete Forderungen gestellt, um etwas zu verbessern, damit sich etwas tut: Verlängerung der Gültigkeit von Zeit- und Wertkarten für die Benützung des Katschberg- sowie auch des Tauerntunnels – wo steht, daß das nur für die Kärntner ist? – Weiters steht, daß für die Kärntner Urlaubsgäste, weil selbstverständlich vor allem diese betroffen sind, entsprechende Kompensationszahlungen vorzunehmen sind. Auch steht drinnen: für alle österreichischen Urlauber, aber nicht, wie in der Rede eines meiner Vorredner erwähnt wurde – und zwar hat das Herr Bundesrat Prähauser getan –, daß wir eine entsprechende Information im Ausland wollen. Wir möchten, daß die Österreich Werbung, daß die Institutionen, die in Österreich für Touristik tätig sind, auch für dieses Land, für unser Österreich, tätig werden. Das ist doch nichts Schlechtes, das muß doch nicht von Ihnen abgelehnt werden, wenn wir als freiheitliche Bundesräte uns hier für dieses Land Österreich exponieren und konkrete Maßnahmen ergreifen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was kommt dazu von Ihnen? Was sind Ihre Wortmeldungen in dem Zusammenhang? – Ich bin einigermaßen enttäuscht, weil Sie die Parteipolitik vor das Wohl unseres Landes gestellt haben. (Bundesrat Ing. Gruber: Das sagen Sie?) Lieber Ing. Gruber! Die Zuordnung der politischen Schuldigkeiten – Sie erwähnen, daß der Landeshauptmann von Kärnten für den Tunnel in Salzburg zuständig sein soll; Zahlen kommen völlig falsch: der Verkehrsminister stellt 60 Milliarden Schilling pro Jahr für die Schiene zur Verfügung; ich weiß nicht, woher Sie das haben – ist völlig falsch.

Kollege Steinbichler spricht vom miesesten Kleingeld, bekennt sich aber nicht dazu, daß unser Antrag im Sinne des Wohles dieses Landes ist (Beifall bei den Freiheitlichen), sondern stellt Schottland vor Österreich!

Bundesrat Saller erzählt, daß 1998 überlegt wurde, eine zweite Tunnelröhre zu bauen: Wir wissen doch, wie die Vergangenheit, nämlich die ursprüngliche Planung ausgesehen hat! Ich darf in diesem Zusammenhang auch erwähnen und in Erinnerung rufen, daß damals, bei der Planung des Tunnels, die Freiheitlichen gar nicht in der Salzburger Landesregierung waren.

Frau Mag. Trunk hält eine Rede, in der sie eine Privatperson, die kein Politiker ist und keine Immunität genießt, hier im Hohen Haus anschüttet, was zu einer sachlichen Richtigstellung führt! (Ruf bei der ÖVP: Das hat sie noch nie getan!)

Ich möchte nunmehr konkret auf den Antrag der SPÖ – dem die ÖVP zustimmen wird, wie wir vernehmen können – eingehen. Selbstverständlich wollen alle die zweite Tunnelröhre! Aber jetzt durch die Hintertür das Road-pricing hineinzuschmuggeln, ohne auf Einsparungen in diesem


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Land einzugehen, das ist kühn. (Bundesrat Prähauser: Das sagt ein Eisenbahner? – Ich bin platt!) Herr Kollege! Sie haben mir vorher nicht zugehört. (Bundesrat
Konecny: Das sagt ein Eisenbahner!) Haben Sie nicht gehört, was ich über die Hauptströme des Verkehrs und über die Güterfeinverteilung erzählt habe? – Sie haben offenbar keine Ahnung von Verkehrswissenschaft, das muß ich hier sagen. (Bundesrat Konecny: Sie sind hier weder ein Beurteilungsorgan für alle anderen Redner noch ein Prüfungsorgan für Ihre eigenen Ausführungen!)

Die Ausführungen, wonach dieser Entschließungsantrag dem Kärntner Antrag entspricht, stimmen überhaupt nicht. Wir hatten im Kärntner Antrag den Ausbau der A 2 enthalten. Dieser ist hier nicht enthalten.

Wenn Sie etwas "verkaufen", was längst beschlossen ist – der EU-Verkehrsministerrat am 17. und 18. Juni soll die Sicherheit von Tunnels auf europäischer Ebene erörtern –, bitte, was soll das? Etwas, was ohnehin stattfinden wird, sollen wir noch zusätzlich beschließen?

Wenn Sie im letzten Absatz relativ vage ausführen, was Sie alles für die Unterstützung der Fremdenverkehrsregion zu tun gedenken, muß ich sagen, daß das eine schwache Ansage ist. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. ) Orientieren Sie sich bitte an unseren konkreten Überlegungen, die wir für Österreich und für Kärnten haben wollen! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Prähauser: Nur für Kärnten!)

Ich fordere Sie auf, daß Sie unserem Entschließungsantrag, der mit dem Herzen für unser Land gemacht wurde (Bundesrat Prähauser: Für Kärnten!)  – für die Einnahmen, für die Touristenströme, für die bestmögliche Information unserer Urlaubsgäste –, Ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Maier. – Bitte.

19.37

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Dr. d'Aron, der sich sehr bemüht, wenngleich putzig in die Schlacht geworfen hat, zu reden, ist geradezu ein Vergnügen. Ich verstehe, daß Sie den Entschließungsantrag, den Ihre Fraktion hier eingebracht hat, bewerben müssen. Aber lassen Sie mich ein paar Worte dazu sagen. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Zunächst einmal bin ich bei Frau Mag. Trunk: Jede Katastrophe, die zu Menschenopfern führt, ist zu beklagen und schmerzhaft. Ich glaube, da geht es uns allen gleich, und das geht über alle Parteigrenzen hinaus. Aber als ich von der Katastrophe in den Nachrichten hörte und als deren Ausmaß noch nicht ganz bekannt war, dachte ich mir: Jetzt bin ich neugierig, wer seitens der Politik als erster in Aktion tritt!

Nach meiner Wahrnehmung war es zunächst einmal der zuständige Landeshauptmann. Dagegen ist nichts einzuwenden. Dann hat sich plötzlich der Innenminister in dem Tunnel getummelt und hat sich dort angeblich sogar 150 Meter in Richtung Brandherd vorgerobbt. Dann kam der Landeshauptmann von Kärnten. Er hatte den Parteitag verlassen – denn gewählt war er schon, da war es ohnehin Wurscht; das Parteivolk konnte dort bleiben, weil die Pflicht getan war –, und er schaute sich das dort an. (Bundesrat Dr. Böhm: Hätte er bleiben sollen?)

Er hat Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu ermuntert, diesen Antrag zu stellen, und Sie haben diese Pflicht getan.

Ich sage Ihnen jetzt, was ich von einem Landeshauptmann erwartet hätte, der in einem Land, das vom Tourismus lebt und das diese Katastrophe sehr stark zu spüren bekommen könnte, Verantwortung trägt.

Natürlich ist es sehr medienwirksam, eingeflogen zu werden und dort auch Sorgen zu äußern, aber ich erwarte mir doch, Möglichkeiten und Lösungen aufgezeigt zu bekommen, durch die


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diese Gefahr auch tatsächlich hintangehalten werden kann. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie haben geglaubt, mit diesem Entschließungsantrag solche zu formulieren, haben sich dabei aber als ahnungslos erwiesen. Denn wenn Sie nur ein wenig logisch denken könnten, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß, wenn nur durch die Österreich Werbung Information vermittelt wird, diese den kommenden Gast zu einem Zeitpunkt erreicht, zu dem dieser schon längst abgefahren und irgendwo auf dem Weg ist oder anders gebucht hat und so weiter. Sie beklagen in Ihrem Antrag aufgrund eines Presseartikels, daß irgendwelche Umbuchungen gemacht werden. Glauben Sie wirklich, daß Sie – allein aus logistischer Sicht – die Fremdenverkehrswerbung soweit bringen, daß die Umbuchungen hintangehalten werden können? (Bundesrat Dr. Bösch: Suchen Sie die besseren Argumente!)

Ich sage Ihnen eines: Ich erwarte mir von diesem Landeshauptmann, der angeblich ach so verantwortungsbewußt ist, daß er ganz einfach so vorgeht wie ein privater Unternehmer. Ein privater Unternehmer, der einen Schaden in seinem Unternehmen hat, holt sich einen Professionisten und fragt diesen einmal: Wie kann ich den Schaden sanieren? – Wenn Sie einen derartigen Professionisten gefragt hätten – ich nenne gar keinen Namen; Sie brauchen nur mit einem Kärntner Bauunternehmer zu reden (Bundesrätin Haunschmid: Haselsteiner!)  –, dann hätte Ihnen dieser gesagt, daß der Tunnel in drei Wochen sanierbar ist (Bundesrat Ing. Scheuch: Der ist aber schon noch in Salzburg, oder?), und die ganze Verkehrsmalaise, die sich abzeichnet, hätte es in drei Wochen nicht mehr gegeben.

Somit brauchen Sie diesen Antrag gar nicht zu stellen, Sie brauchen nur etwas zu unternehmen und Ihrem Parteifreund Haider endlich zu sagen, was zu tun ist. Daß Sie ihm aber wahrscheinlich Rückendeckung geben, ist für mich völlig klar. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Dr. d'Aron sagt hier als großer Sprecher der Österreichischen Bundesbahnen großartige Dinge. Ich sage Ihnen – es ist leider Gottes nicht mitgeschnitten worden –: Ich habe 1974 den damaligen Verkehrsminister Lanc gehört, als er erklärt hat, der Schwerpunkt der kommenden Verkehrspolitik müsse in der Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene bestehen – das war 1974. (Bundesrat Dr. Böhm: Ist ja auch richtig!) Ich habe 1986/87 einen Verkehrsminister Streicher erlebt, der dann plötzlich den "Austrotakt" erfunden hat und die leeren Waggons – allerdings Personenwaggons – durch Österreich flitzen ließ: egal, die Güter spielten jetzt keine Rolle mehr. Die Österreichischen Bundesbahnen, die in Wirklichkeit von sich aus einiges tun hätten können, haben immer zugesehen und haben sich nur darüber gewundert, daß nichts funktioniert.

Wenn Sie so reden, wie Sie dies gerade getan haben, dann sprechen Sie wie ein Blinder von der Farbe. Was immer Sie heute auch probieren – sei es der Einsatz von Containern oder das Zusammenstellen von Blockzügen im Güterverkehr –, Sie werden nie in der Zeit, in der die Wirtschaft es verlangt, den Empfänger erreichen, weil das nicht geht. Wenn Sie sich heute die Organisation der Österreichischen Bundesbahnen ansehen, dann müssen Sie feststellen, daß diese leider Gottes, was den logistischen Aspekt betrifft, die heimische Wirtschaft behindert. Weil diese sich aber nicht behindern läßt, wird mit LKWs auf der Straße gefahren. Daß man jetzt glaubt, mit Road-pricing quasi zu einer Art Kostenwahrheit zu gelangen – eine typisch sozialdemokratische Idee (Bundesrat Konecny: Die der Herr Wirtschaftsminister teilt!)  –, läuft letztlich auf nichts anderes hinaus als auf die Behinderung der Wirtschaft. Wenn man diesen Weg im Gleichklang mit anderen Ländern in Europa geht, dann kann man sicherlich dafür sein. Wir werden aber nicht dafür sein, wenn dies nicht im Gleichklang mit anderen europäischen Staaten geschieht.

Nochmals, Herr Dr. d'Aron – nur damit Sie Bescheid wissen –: Ich glaube, der gegenständliche Antrag, der von Ihnen eingebracht wurde, sollte nur dahin gehend abgeändert werden, daß es raschest ein Bauunternehmen geben muß, das innerhalb der nächsten, sagen wir einmal – aus heutiger Sicht –, vier Wochen den Tunnel saniert. Damit wäre das Problem für die Tourismuswirtschaft in Kärnten gelöst. (Beifall bei der ÖVP.)

19.44


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 153

Präsident Gottfried Jaud:
Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile es ihm.

19.44

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob es günstig ist, daß wir unsere Diskussion unter Ausschluß der Öffentlichkeit abführen, oder ob es gut gewesen wäre, wenn so mancher zuhören hätte können. Denn ein bißchen enttäuscht bin ich schon von manchen Darstellungen, die gerade von Kollegen der Freiheitlichen gekommen sind. Ich kann nicht umhin, das zu sagen, denn ich glaube, daß man ein Unglück wie dieses und wie viele andere eigentlich in einem anderen Licht sehen müßte.

Es hat sich in den letzten Monaten gezeigt, daß kein Land, kein Bundesland und auch keine Gemeinde von Unglücken verschont ist. Einmal ist es ein Grubenunglück, ein anderes Mal ist es ein Lawinenunglück, wieder ein anderes Mal ist es das Tunnelunglück oder auch ein Hochwasser. Wo immer man hinsieht, gibt es betroffene Menschen, die auf einmal vor einer Situation stehen, in die wir uns als Außenstehende nur am Rande hineindenken können.

Ich glaube, daß wir alle gut beraten wären – vor allem auch die Presse sowie der Rundfunk und das Fernsehen –, wenn wir uns um eine sachlichere Berichterstattung bemühen würden, wenn nicht nur nach Sensationen gesucht würde, wenn nicht nur behauptet würde, die Leitung hätte nicht funktioniert – im Gegenteil, sie hat funktioniert, wie dann bestätigt worden ist –, sondern wenn vielleicht ein bißchen mehr herausgehoben würde, daß die Sicherheitsvorkehrungen auch der Betreiber in Ordnung waren. Das kann nämlich auch passieren, daß etwas funktioniert, und das ist doch gar nicht so schlecht, dies auch zu sagen.

Vor allem könnte auch ein bißchen mehr herausgestellt werden, daß es Hilfskräfte gegeben hat, angefangen – wie schon gesagt – von der Feuerwehr bis hin zum Roten Kreuz und zum Samariterbund und so weiter. Auch die fallweisen Einsätze des Bundesheeres wären hier zu nennen und natürlich auch die Exekutive, die hervorragende Arbeit geleistet hat. Auch das hätte man mehr herausstellen können, denn das Risiko, das diese Menschen eingegangen sind, ganz gleich bei welchem Zwischenfall, ist sehr groß.

Es gibt sogar Leute, die sich frei nehmen – zum Beispiel Urlaub oder Zeitausgleich –, um sich hier zur Verfügung zu stellen und zu helfen. Das muß man alles dazusagen (Beifall bei den Freiheitlichen), und ich sehe nicht ein, daß eigentlich nur das Schlechte in den Vordergrund gestellt und das andere im Hintergrund belassen wird.

Ich glaube, an dieser Stelle sollte man noch etwas dazusagen, nämlich daß es unglaublich wichtig ist, daß diese Hilfskräfte auch entsprechend ausgerüstet sind. Das sind Dinge, denen man in der Zukunft auch von seiten der Gemeinden und der Länder große Bedeutung beimessen wird müssen.

Eines möchte ich noch sagen, und es ist auch schon gesagt worden: Die zweite Tunnelröhre hätte es gegeben, wenn es nicht Einsprüche gegeben hätte, wenn es nicht ein paar gegeben hätte, die es anders wollten. Damit müssen wir leben. Das ist unser Problem. Eines aber steht fest: Eine 100prozentige Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird es nie geben. Es gibt aber eine Sicherheit, die wir uns selbst schaffen können – dies ist ein Punkt, bei dem sich vielleicht jeder von uns da oder dort an der Nase nehmen müßte –, und zwar dadurch, daß wir im Straßenverkehr selbst mehr zur Sicherheit beitragen und auch andere darauf hinweisen. Wenn man, so wie wir, oft auf der Autobahn unterwegs ist, wenn man sieht, wie manche LKW-Fahrer – und auch PKW-Fahrer – unterwegs sind, dann ist es sehr berechtigt, dies in dieser Form festzuhalten.

Eines sollte man als Lehre aus dem Ganzen ziehen: Was not tut, ist, weniger zu meckern, sondern sich vielmehr zusammenzusetzen und zu versuchen, Lösungen herbeizuführen. Ich weiß aus eigener Erfahrung von verschiedensten Einsätzen, die wir im eigenen Bereich, vor allem im Hochwasserbereich, gehabt haben, mit welcher Verzweiflung die Leute reagieren, wenn das


Bundesrat
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655. Sitzung / Seite 154

Wasser auf einmal in ihrer Wohnung steht, und wie froh sie sind, daß jemand da ist, der noch hilft, etwas auf den Dachboden zu räumen oder jemanden zu bergen. Da müßten wir zusammenhelfen! Es sollte weniger das Parteipolitische in den Vordergrund gerückt werden, sondern es müßte mehr um das andere gehen, nämlich darum, der Sache zu dienen. – Das möchte ich dazu gesagt haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. )

19.48

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Konecny  – in Richtung Bundesrat Dr. Tremmel –: Haben Sie die aufmunternden Zurufe Ihrer Fraktion gehört?)

19.49

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Konecny! Ich hatte am Vormittag, als unser Entschließungsantrag hier eingebracht wurde, eigentlich die Hoffnung, daß sich die Bundesländervertretung, der Bundesrat in dieser Frage auf eine Linie einigen können würde. (Bundesrat Freiberger: Das ist schwer!)

Ich war bei einem Teil der Redner enttäuscht – ich sage das auch – über die Art und Weise, in der hier persönliche Angriffe und Unterstellungen getätigt wurden und die politische Verantwortlichkeit ausgetauscht wurde.

Kollege Gstöttner, mein Vorredner, hat mir eigentlich aus der Seele gesprochen. Ich war selbst einmal in Schärding und habe dort das Hochwasser erlebt, und ich habe gesehen, wie auf einmal alle Leute zusammengeholfen haben. Das habe ich mir von dieser Initiative – Ing. Scheuch hat das am Anfang sehr temperiert eingebracht – erwartet. Nun gut, dann ist es zum Abgleichen dieser Anträge gekommen. Ich könnte Ihnen entgegenhalten, daß viele der Dinge, die Sie darin aufgenommen haben, bereits erfüllt sind – in vorauseilendem Gehorsam, könnte man sagen. Ich erinnere hier – ich sage das mit einiger Betroffenheit, weil wir das heute schon einmal zum Gegenstand hatten – an die Briefwahl, die gestern abgesetzt worden ist, und heute sind alle der Meinung, wir sollten das machen. Hier habe ich mir gedacht, vielleicht geht es politisch einmal ein bißchen anders: Es muß nicht erst etwas passieren, damit etwas passiert, sondern der Bundesrat setzt hier eine gemeinsame Initiative.

Diese Erwartung habe ich als Naivling gehabt, Herr Kollege Konecny, aber es hat sich schon die Sitzung so entwickelt, daß Skandalrufe gefallen sind. (Bundesrat Prähauser: Herr Kollege Tremmel! Es kann doch nicht sein, daß wir, wenn es nur um ein Land, nämlich Kärnten, geht, dieses bevorzugen!) Es wäre auch sehr schön gewesen, wenn eine Entschuldigung ausgesprochen worden wäre, wenn sich das Dargestellte als nicht richtig erweist. Tatsächlich hat es sich aber so entwickelt, daß sich die Koalition auf einmal wiedergefunden hat.

Wir haben aber ein bißchen mehr Verantwortung als nur jene für eine Koalition oder für eine Regierung: Wir sind die Bundesländervertretung. Ich gebe durchaus zu, daß ich heute tief beeindruckt war, als Frau Landeshauptmann Klasnic hier die Dinge und Probleme sehr ordentlich abgehandelt und von ihrer Warte aus dargelegt hat.

Ich glaube, es ist einfach unfair, nicht nur aus Respekt vor den Opfern – Bedauern empfindet wohl jeder von uns –, in bezug auf diese Problematik Unterstellungen zu wagen. Daß das geschehen ist, hat mich getroffen.

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir erwartet, daß wir hier zu einer gemeinsamen Entschließung des Bundesrates gekommen wären. Wir haben das wirklich gutgemeint. Worauf wir abzielten, war eine schnelle Hilfe. Es ist verständlich, daß Kollege Kurt Scheuch dabei Kärnten ins Zentrum stellt, denn dieses Bundesland ist natürlich am meisten betroffen. Aber es hätte überhaupt nichts verschlagen – meine Fraktion wird hier zustimmen –, wenn wir das in allen betroffenen Bereichen gemacht hätten. (Bundesrat Dr. Böhm: Selbstverständlich! Das sehen wir genauso!) Nein! Es kommt ein weiterer Entschließungsantrag, offensichtlich nur, um dieser Opposition in keinem Falle recht zu geben. Glauben Sie mir: In dieser Angelegenheit spreche ich nicht als Opposition, sondern ich spreche als Bundesrat eines Bundeslandes, der die große Hoffnung hatte, daß es hier zu einer gemeinsamen Initiative des Bundesrates für die Opfer, für


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die Betroffenen und auch im Sinne der Aufwertung des Bundesrates gekommen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.53

Präsident Gottfried Jaud: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Entschließungsantrag 117/A(E) der Bundesräte Ing. Kurt Scheuch und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenminderheit.

Damit ist dieser Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Kurt Scheuch und Kollegen abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Konecny, Bieringer und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmenkatalog angesichts der Brandkatastrophe im Tauerntunnel vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmenkatalog angesichts der Brandkatastrophe im Tauerntunnel ist daher angenommen. (E.162)

32. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1999

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zum 32. Punkt der Tagesordnung: Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1999.

Mit 1. Juli 1999 geht der Vorsitz des Bundesrates auf das Bundesland Vorarlberg über. Zum Vorsitz berufen ist gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsandte Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Jürgen Weiss.

Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsidenten

Präsident Gottfried Jaud: Ich gehe daher nunmehr in den Wahlvorgang selbst ein.

Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wird die Durchführung der Wahl mittels Stimmzettel gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates. Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Frau Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach lautet.


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Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, Frau Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach, ob sie die Wahl annimmt.

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Ich danke vielmals für das Vertrauen, das bekundet wurde, und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

Präsident Gottfried Jaud: Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates. Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer lautet.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen .

Ich frage den Gewählten, Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer, ob er die Wahl annimmt.

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich herzlich für das Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Schriftführer

Präsident Gottfried Jaud: Wir kommen nun zur Wahl der beiden Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesrätinnen Hedda Kainz und Ilse Giesinger für das zweite Halbjahr 1999 zu Schriftführerinnen des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Einwand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Vorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen. – Frau Bundesrätin Hedda Kainz.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Ich bedanke mich für diese Beauftragung und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

Präsident Gottfried Jaud: Frau Bundesrätin Ilse Giesinger.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Ich nehme die Wahl gerne an und bedanke mich für Ihr Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Ordner

Präsident Gottfried Jaud: Wir kommen nunmehr zur Wahl der drei Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesräte Engelbert Schaufler, Erhard Meier und Engelbert Weilharter für das zweite Halbjahr 1999 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Einwand wird nicht erhoben.


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Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen. – Herr Bundesrat Engelbert Schaufler.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Ich danke für das Vertrauen und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

Präsident Gottfried Jaud: Herr Bundesrat Erhard Meier.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Ich danke und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

Präsident Gottfried Jaud: Herr Bundesrat Engelbert Weilharter.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Ich bedanke mich für die Zustimmung und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

Präsident Gottfried Jaud: Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 1616/J bis 1619/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 1. Juli 1999, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 29. Juni 1999, ab 14 Uhr vorgesehen. (Einige Bundesräte haben sich von ihren Sitzen erhoben und schicken sich an, den Saal zu verlassen.)

Auch in Theatern oder bei Konzerten ist es sehr unhöflich, den Zuschauerraum zu verlassen, bevor die Schauspieler die Bühne verlassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Schlußansprache des Präsidenten

Präsident Gottfried Jaud: Sehr verehrte Vizepräsidenten! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich kenne auch ich das Sprichwort "Hintennach schreit die Urschl". Erlauben Sie mir aber dennoch ein paar Sätze zum Abschluß meiner nun mehr als zehnjährigen Tätigkeit im Bundesrat.

Als Resümee möchte ich nur vorweg einmal sagen: Ich bereue einige Zustimmungen meinerseits zu Gesetzen, die ich besser abgelehnt hätte; ich bereue aber keine von mir getätigten Ablehnungen von Gesetzen.

Wir Parlamentarier tragen eine hohe Verantwortung für das Wohlergehen der Bürger in unserem Lande. Gut funktionierende Regierungen gibt es praktisch in jedem Land. Basis für eine gute Entwicklung in Frieden und Wohlstand ist aber das frei gewählte Parlament mit seinen unabhängigen Abgeordneten.


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Warum sage ich das? – Weil das Parlament allmählich zu einer Abstimmungsmaschinerie für die Regierungsvorschläge zu verkümmern droht. Dies ist im Bundesrat und im Nationalrat gleichermaßen festzustellen. Seit Jahren wird diese Entwicklung von Berufenen und Unberufenen beklagt, geändert hat sich jedoch bis zum heutigen Tag nichts.

Wie sieht die Gesetzgebung in der Praxis aus? – Die ausgezeichneten Beamten – wenn ich von den ausgezeichneten Beamten Österreichs spreche, dann meine ich das auch so; ich meine dies weder zynisch noch sonst in einem anderen als dem eigentlichen Sinn, sondern ich stelle damit einfach fest, daß Österreich ganz ausgezeichnete Beamte hat – der Ministerien entwerfen auf Wunsch der verschiedenen Bevölkerungsgruppen Gesetze. Diese werden dann von den verschiedenen Interessengruppen begutachtet und nach Korrektur oder Nichtkorrektur im Ministerrat beschlossen. Diese Regierungsvorlagen gelangen dann ins Parlament. Am Beginn meiner parlamentarischen Tätigkeit sagte ich einmal zu einem Abgeordneten des Nationalrates, daß mir ein Gesetz nicht gefallen würde. Er antwortete mir folgendes: Wenn die Sozialpartner dem Gesetz zugestimmt haben, dann brauchst du dir den Kopf darüber nicht mehr zu zerbrechen. – Die Abstimmung im Parlament läuft also nach dem Motto ab: Was die Regierung beschlossen hat, wird Gesetz.

Wie sieht nun die praktische Anwendung der Gesetze aus? – Ausgezeichnete österreichische Beamte – nicht ganz die gleichen Beamten, die auch die Gesetze entworfen haben – kontrollieren dann die Einhaltung der Gesetze. Wenn sich dann der Bürger, weil er verschiedene gesetzliche Vorschriften als praxisfremd und in manchen Fällen sogar als unnötig betrachten muß, darüber aufregt, dann sagen die ausgezeichneten österreichischen Beamten – allerdings nicht jene, die die Gesetze entworfen haben, sondern jene, die für die Überwachung zuständig sind –, daß sie – nämlich die Bürger, die sich beschweren – sich bei den Abgeordneten beklagen sollen, denn sie haben ja diese Gesetze beschlossen.

Eine parlamentarische Entwicklung, bei der die Regierung ein deutliches Übergewicht erhält, gefährdet unsere demokratischen Grundsätze. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.) Es ist dies übrigens eine Entwicklung, die nicht nur bei uns in Österreich zu beobachten ist, sondern die, wie bei der letzten Parlamentspräsidentenkonferenz in Lissabon einhellig festgestellt wurde, in ganz Europa parallel läuft. Eine Begründung für diese Entwicklung wird teilweise auch darin gesehen, daß die Herausforderungen der Globalisierung durch die Parlamente offenbar noch nicht bewältigt worden sind. Als typisches Beispiel sind für mich die Abstimmungsvorgänge bei den Bundesratsausschüssen am vergangenen Montag zu sehen (Bundesrat Dr. Tremmel: Richtig!): Alle Regierungsvorlagen, also die Vorschläge der Regierung, wurden zustimmend zur Kenntnis genommen (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es! Ja!), während die eigenen Anliegen, also Anliegen, die die Bundesräte selbst eingebracht haben, entweder zurückgezogen oder vertagt wurden.

Aus Sicht eines Außenstehenden könnte daraus durchaus der Schluß gezogen werden, daß all jene Vorlagen, die von der Regierung eingebracht werden, vernünftig und gescheit sind, während all jene Anträge, die von Mitgliedern des Bundesrates selbst eingebracht wurden, unvernünftig sind. Da brauchen wir uns dann nicht zu wundern, wenn in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, die Abgeordneten seien überflüssig.

Wir Parlamentarier sind die einzigen, die für Gesetzesbeschlüsse zuständig sind, und auch die einzigen, die für den Beschluß der Gesetze verantwortlich sind. Nicht die Partei, nicht der Klub, jeder einzelne von uns ist seinem Gewissen und dem Bürger verantwortlich. Vielleicht nehmen wir ab und zu diese Verantwortung etwas zu leicht. Es war für mich nicht immer leicht, aber es war für mich eine ehrenvolle Aufgabe, zehn Jahre lang im österreichischen Parlament im Bundesrat, wie ich glaube, mein Bestes zu geben, jedenfalls das Beste, das ich geben konnte.

Mein Dank gilt nun im besonderen der guten Zusammenarbeit und der konstruktiven Mitarbeit bei der Präsidialkonferenz. Namentlich bedanke ich mich bei Vizepräsidentin Haselbach, bei Vizepräsidenten Weiss und bei den Fraktionsvorsitzenden Bieringer, Konecny und Dr. Bösch.


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Ganz besonders bedanke ich mich aber auch für die ausgezeichnete Arbeit des Bundesratsdienstes, an dessen Spitze Dr. Labuda, unser Bundesratsdirektor, steht.

Meine politische Erfahrung im Parlament muß ich als äußerst positiv bezeichnen. Ich war ja vorher schon in der Gemeinde. Das hervorragende Funktionieren des Parlamentes versetzte und versetzt mich heute noch immer in positives Erstaunen.

Ich danke zum Abschluß noch allen Kolleginnen und Kollegen für die gute Zusammenarbeit und wünsche Ihnen hier im Parlament alles Gute für Ihre Zukunft. – Ich danke Ihnen. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

Es ist ein sehr schönes Bild, stehenden Applaus zu bekommen. – Danke schön.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.08 Uhr

Berichtigung

In der 654. Sitzung des Bundesrates soll es auf Seite 4 bei den Tagesordnungspunkten 4 bis 6 bei Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer statt Seite "72" richtig Seite "73" heißen.