Stenographisches Protokoll
3.
Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode
Donnerstag, 23. Jänner 2003
Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier
3. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 23. Jänner 2003
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 23. Jänner 2003: 9.00 –
15.12 Uhr
*****
Tagesordnung
1. Punkt: Bericht über den Antrag 6/A
der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Mag. Karl Schweitzer,
Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das
Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Richterdienstgesetz und das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979
geändert werden (Besoldungs-Novelle 2003)
2. Punkt: Bericht über den Antrag 10/A
der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Dr. Andreas Khol, Kolleginnen und
Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine
Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das
Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 –
SVÄG 2003)
3. Punkt: Wahl von Ausschüssen
4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der
Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird,
und Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des
Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (3/A)
5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der
Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das
Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (15/A)
6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten
MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz zum Schutz der Tiere (Bundes-Tierschutzgesetz – TSchG) (12/A)
7. Punkt: Erste Lesung: Antrag der
Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Hochschul-Taxengesetz 1972, das
Universitätsstudiengesetz 1997 und das Universitätsgesetz 2002
geändert wird (16/A)
8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der
Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das
Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (22/A)
*****
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 2 |
Inhalt
Personalien
Verhinderungen
................................................................................................. 9
Geschäftsbehandlung
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3
Z. 2 der Geschäftsordnung ........................................................................................... 10
Unterbrechungen der Sitzung ................................................................... 13, 14
Ausschüsse
Zuweisungen
........................................................................ 9, 59, 59, 72, 88, 95
3. Punkt: Wahl von Ausschüssen ..................................................................... 47
Verhandlungen
1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den
Antrag 6/A der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Mag. Karl
Schweitzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das
Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Richterdienstgesetz und das
Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert werden
(Besoldungs-Novelle 2003) (3 d. B.) .......................................................................................................... 10
Redner:
Fritz
Neugebauer ...................................................................................... 10
Otto
Pendl ................................................................................................ 11
Mag. Karl
Schweitzer ................................................................................ 13
Mag. Werner
Kogler ................................................................................. 15
Vizekanzlerin
Dr. Susanne Riess-Passer .................................................... 17
Dkfm. Dr. Günter
Stummvoll .................................................................... 20
Dr. Helene
Partik-Pablé ............................................................................. 21
Mag. Terezija
Stoisits ............................................................................... 23
Dr. Michael
Spindelegger ......................................................................... 25
Bundesminister
Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................... 27, 31
Dipl.-Ing. Maximilian
Hofmann ................................................................. 28
Jakob
Auer ............................................................................................... 29
Dr. Gabriela
Moser .................................................................................... 31
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija
Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausschreibung der
vakanten Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Jugendgerichtshofes –
Ablehnung 25, 33
Annahme ........................................................................................................ 32
2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den
Antrag 10/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Dr. Andreas Khol,
Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine
Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das
Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 –
SVÄG 2003) (4 d. B.) ...................................................................................................................... 33
Redner:
Karl
Donabauer ......................................................................................... 33
Mag. Christine
Lapp ................................................................................. 35
Sigisbert
Dolinschek ................................................................................. 37
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 3 |
Karl
Öllinger ............................................................................................. 39
Karl
Donabauer (tatsächliche
Berichtigung) ................................................. 41
Edeltraud
Lentsch ..................................................................................... 41
Dr. Helene
Partik-Pablé ............................................................................. 42
Sabine
Mandak ........................................................................................ 43
Ingrid
Turkovic-Wendl .............................................................................. 44
Staatssekretär
Dr. Reinhart Waneck .......................................................... 46
Mares
Rossmann ...................................................................................... 46
Annahme ........................................................................................................ 47
4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten
Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird,
und Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des
Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (3/A) .......................................................................................... 49
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 4 |
Redner:
Dr. Josef
Cap ............................................................................................ 49
Mag. Helmut
Kukacka .............................................................................. 51
Peter
Schieder .................................................................................... ..... 53
Herbert
Scheibner ..................................................................................... 55
Mag. Werner
Kogler ................................................................................. 57
Zuweisung des
Antrages 3/A an den Geschäftsordnungsausschuss .................... 59
5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten
Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz des
Nationalrats geändert werden (15/A) .................................................................. 59
Redner:
Mag. Werner
Kogler ................................................................................. 59
Zuweisung des
Antrages 15/A an den Geschäftsordnungsausschuss ................... 59
6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten
MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz zum Schutz der Tiere (Bundes-Tierschutzgesetz – TSchG) (12/A)
60
Redner:
MMag. Dr. Madeleine
Petrovic .................................................................. 60
Fritz
Grillitsch ........................................................................................... 61
Dr. Günther
Kräuter .................................................................................. 62
Klaus
Wittauer .......................................................................................... 64
Dr. Gabriela
Moser .................................................................................... 65
Maria
Rauch-Kallat ................................................................................... 66
Katharina
Pfeffer ....................................................................................... 67
Dipl.-Ing. Uwe
Scheuch ............................................................................. 68
Mag. Johann
Maier ................................................................................... 69
Staatssekretär
Dr. Reinhart Waneck .......................................................... 70
Dipl.-Ing. Wolfgang
Pirklhuber ................................................................. 71
Zuweisung des
Antrages 12/A an den Verfassungsausschuss ............................. 72
7. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten
Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Hochschul-Taxengesetz 1972, das
Universitätsstudiengesetz 1997 und das Universitätsgesetz 2002
geändert wird (16/A) ..................................................... 72
Redner:
Dr. Kurt
Grünewald ................................................................................... 72
Dr. Gertrude
Brinek .................................................................................. 74
DDr. Erwin
Niederwieser ........................................................................... 76
Mag. Dr. Magda
Bleckmann ..................................................................... 78
Dieter
Brosz .............................................................................................. 80
Josef
Broukal ........................................................................................... 82
Elisabeth Gehrer ................................................................................ 85, 88
Mag. Karl
Schweitzer ................................................................................ 87
DDr. Erwin
Niederwieser (tatsächliche
Berichtigung) .................................... 88
Zuweisung des Antrages 16/A an den Ausschuss für Wissenschaft und
Forschung 88
8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der
Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das
Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (22/A) ........................................................... 89
Redner:
Dr. Eva
Glawischnig ................................................................................. 89
Dr. Ulrike
Baumgartner-Gabitzer ............................................................... 90
Dr. Peter
Wittmann ................................................................................... 91
Dr. Reinhard
Eugen Bösch ........................................................................ 92
MMag. Dr. Madeleine
Petrovic .................................................................. 93
Mag. Elisabeth
Grossmann ....................................................................... 94
Zuweisung des Antrages 22/A an den Geschäftsordnungsausschuss ................... 95
Eingebracht wurden
Regierungsvorlage ......................................................................................... 9
2: Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – SVÄG 2003
Berichte .......................................................................................................... 9
III-1: Tätigkeitsbericht über das
Verwaltungsjahr 2001; Rechnungshof
III-2: Bundesrechnungsabschluss für das
Jahr 2001
III-3: Bericht gemäß Art. 1 § 8
Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2000 und 2001; Rechnungshof
III-4: Fünfundzwanzigster Bericht (1. Jänner
bis 31. Dezember 2001); Volksanwaltschaft
III-7: Bericht über die Lage der behinderten
Menschen in Österreich; Bundesregierung
III-8: Bericht des Akkreditierungsrates gemäß
§ 4 Abs. 9 UniAkkG, BGBl. I Nr. 168/1999 i.d.g.F. über die
Tätigkeit des Akkreditierungsrates im Jahre 2001; BM f. Bildung,
Wissenschaft und Kultur
III-9: Bericht des Fachhochschulrates gemäß
§ 6 Abs. 2 Z 7 FHStG über die Tätigkeit des Fachhochschulrates
im Jahre 2001; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 5 |
Anträge der Abgeordneten
Dr. Eva
Glawischnig,
Kolleginnen und Kollegen betreffend die dringend nötige Verbesserung der
Rahmenbedingungen für die Photovoltaiknutzung in Österreich durch Novellierung
des Ökostromgesetzes (28/A) (E)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend die
Einführung von Einwegpfändern oder Einwegabgaben zur Reduktion des
Verpackungsabfalls (29/A) (E)
Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird,
und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des
Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (30/A)
Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des
Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (31/A)
Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des
Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (32/A)
Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Fahrschulen
(Fahrschulgesetz – FschulG) erlassen, das Bundesgesetz über den
Führerschein (Führerscheingesetz 1997 – FSG 1997) (BGBl. I
Nr. 120/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) und das Kraftfahrwesen
(Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967) (BGBl. 1967/267 i.d.F.
BGBl. I Nr. 65/2002) geändert werden (33/A)
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn,
Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das
Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden (34/A)
Dr. Helene Partik-Pablé, Fritz Neugebauer,
Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Pensionsgesetz 1965 geändert wird (35/A)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Neukodifikation des zivilrechtlichen Konsumentenschutzrechtes –
„KSchG-NEU“ (36/A) (E)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einführung einer 2-Euro-Banknote
(37/A) (E)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (38/A)
Barbara Rosenkranz, Dr. Erwin Rasinger, Manfred Lackner,
Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (39/A)
Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und
Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2002, das Wasserrechtsgesetz 1959
und das Bundesluftreinhaltegesetz 2002 geändert werden (Gesetz über den
Nachbarschafts- und Umweltschutz bei landwirtschaftlichen Anlagen 2003)
(40/A)
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 6 |
Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und
Kollegen betreffend Ausschreibung der vakanten Stelle des Präsidenten/der
Präsidentin des Jugendgerichtshofes (41/A) (E)
Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und
Kollegen betreffend Schaffung eines Entwicklungs- und Sicherheitsraumes für
eine gentechnikfreie, nachhaltige Landwirtschaft (42/A) (E)
Anfragen der Abgeordneten
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend „Piercing und Tätowieren – Verordnung nach der GewO“ (16/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend
„Gebührenpflicht bei Mitarbeitermeldung im Sicherheitsgewerbe“ (17/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation
und Technologie betreffend „Fluggastrechte Neu (Ausgleichsleistungen) durch
EU-Verordnung“ (18/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend
„Sicherheit von Verbraucherdienstleistungen“ (19/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend
„Konsumentenschutz und Fremdwährungskredite“ (20/J)
Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend die „ehrenamtliche“ Verwendung eines Ministersekretärs als FPÖ-Bundespressesprecher (21/J)
Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Anmietung einer Suite im Radisson
SAS Palais Hotel (22/J)
Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister
für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Übersiedlung des Patentamtes
(23/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit betreffend Stand der
GATS-Verhandlungen v. a. aus ökologischer Sicht und fehlende Information und Debatte in der Öffentlichkeit (24/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen betreffend Zwischenfälle bei der Somatischen Gentherapie (25/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Erreichung des Kyoto-Ziels (26/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für
soziale Sicherheit und Generationen betreffend Entlassung von Beschautierärzten
in Niederösterreich und deren Konsequenzen für die Fleischsicherheit im
Interesse der KonsumentInnen (27/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation
und Technologie betreffend „Kosten ,Führerschein‘ nach dem
Budgetbegleitgesetz 2000“ (28/J)
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 7 |
Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Hilfe des Bundes für
strukturschwache Regionen der Kärntner Wirtschaft (29/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister
für Justiz betreffend Gewinnspiele – kein Ende in Sicht (30/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend „Herstellung und Handel mit
pyrotechnischen Artikeln“ (31/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend
„Feuerwerkskörper und Gesundheitsschäden“ (32/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend
„Sicherheit in der Zivilluftfahrt – Sicherheit auf kleinen Flugplätzen“ (33/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend
„soziale Situation von KrankenpflegerschülerInnen in Österreich“ (34/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Lärm in
Großdiskotheken etc. – Gesundheitliche Belastungen“ (35/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend
„Kosten ,Reisepass‘ nach dem Budgetbegleitgesetz 2000“ (36/J)
DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft betreffend bürgerfreundliche Abholzyklen bei der Sammlung von
Altkunststoffen (37/J)
Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Vollzug der Amtsgeschäfte seit 9. September 2002 (38/J)
Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und
Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend
Vollzug der Amtsgeschäfte seit 9. September 2002 (39/J)
Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend
Vollzug der Amtsgeschäfte seit 9. September 2002 (40/J)
Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister
für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Liberalisierungsangebote für das
Dienstleistungsabkommen der Welthandelsorganisation“ (41/J)
MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft betreffend die negativen Auswirkungen der Änderungen beim
dezentralen Zuckerrüben-Übernahmesystem (42/J)
MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend verkehrspolitisch kontraproduktive Entwicklungen im Zusammenhang
mit Zuckerrübentransporten (43/J)
Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bestellung von
Dr. Christian Romanoski zum Leiter der Abt. III/5 der Rechtssektion
des Innenministeriums (44/J)
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 8 |
Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend
Landesschulinspektorenbestellung (45/J)
Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend
Einladungskriterien für die ausstellenden Organisationen bei der Messe für
Beruf und Studium vom 16. bis 18. Oktober 2002 in Innsbruck (46/J)
Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Umsetzung des
Rundschreibens 22/2002 des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft
und Kultur zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern im
gesamten Bereich des BMBWK (47/J)
Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Weitergabe von
personenbezogenen Daten aus der Bildungsdokumentation (48/J)
Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin
für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Überprüfung der Hausordnungen
und Verhaltensvereinbarungen an Schulen nach pädagogischen Grundsätzen (49/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Codex-Unterkommission für Honig/Honigwein (50/J)
Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft betreffend Gleichstellung der Frauen im ländlichen Raum
(51/J)
MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Einleitung eines
EU-Vertragsverletzungsverfahrens wegen mangelhafter Umsetzung der
EU-Legehennen-Richtlinie (52/J)
MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und
Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend Mängel bei der Genehmigung, Durchführung und Kontrolle von
Tierversuchen (53/J)
MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und
Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Enthebung von FleischuntersuchungstierärztInnen in der Gemeinde
Unterstinkenbrunn (54/J)
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 9 |
Beginn der
Sitzung: 9 Uhr
Vorsitzende: Präsident
Dr. Andreas Khol, Zweiter
Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol:
Meine Damen und
Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie
alle sehr herzlich zur ersten Sitzung im neuen Jahr – und ich hoffe, dass
wir ein gutes Jahr vor uns haben.
Es freut mich
besonders, dass der Herr Präsident des Bundesrates sowie der Herr Bundesratsdirektor
unserer Debatte beiwohnen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Die Amtlichen
Protokolle der 1. und 2. Sitzung vom 20. Dezember 2002 sind in
der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben; sie gelten
daher als genehmigt.
Als verhindert
gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Huainigg und Mag. Lunacek.
Einlauf und
Zuweisungen
Präsident Dr. Andreas Khol:
Hinsichtlich der
eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß
§ 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte
Mitteilung.
Die
schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1. Schriftliche Anfragen: 16/J bis 20/J.
2. Regierungsvorlage:
Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – SVÄG 2003 (2 der
Beilagen).
B) Zuweisungen in dieser Sitzung:
zur Vorberatung:
Budgetausschuss:
Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2001 (III-2 der
Beilagen).
*****
Weiters sind seit der letzten Sitzung folgende Verhandlungsgegenstände
eingelangt:
Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 2001
(III-1 der Beilagen),
Bericht des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8
Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2000 und 2001 (III-3 der
Beilagen),
Fünfundzwanzigster Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis
31. Dezember 2001) (III-4 der Beilagen),
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 10 |
Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in
Österreich (III-7 der Beilagen),
Bericht des Akkreditierungsrates gemäß § 4 Abs. 9 UniAkkG,
BGBl. I Nr. 168/1999 i.d.g.F. über die Tätigkeit des
Akkreditierungsrates im Jahre 2001, vorgelegt von der Bundesministerin für
Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-8 der Beilagen),
Bericht des Fachhochschulrates gemäß § 6 Abs. 2 Z 7 FHStG
über die Tätigkeit des Fachhochschulrates im Jahre 2001, vorgelegt von
der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-9 der
Beilagen).
(Die Zuweisung kann erst nach erfolgter Wahl der Fachausschüsse
vorgenommen werden.)
*****
Redezeitbeschränkung
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wir gehen in die
Tagesordnung ein.
In der
Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten
erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart,
sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 133, SPÖ 119,
Freiheitliche und Grüne je 84 Minuten.
Wir kommen
sogleich zur Abstimmung.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches
Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
1. Punkt
Bericht des
Budgetausschusses über den Antrag 6/A der Abgeordneten Dr. Michael
Spindelegger, Mag. Karl Schweitzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das
Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984,
das Richterdienstgesetz und das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert
werden (Besoldungs-Novelle 2003) (3 der Beilagen)
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wir gelangen nun
zu Punkt 1 der Tagesordnung.
Auf eine mündliche
Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet
hat sich Herr Abgeordneter Neugebauer. Ich erteile es ihm.
9.02
Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Besoldungs-Novelle 2003 hat im Wesentlichen das Verhandlungsergebnis
der Besoldungsregelung für die Bediensteten des Bundes und für die Landeslehrer
per 1. Jänner 2003 zum Inhalt. Das Ergebnis ist bekannt: eine
Valorisierung der Bezüge um 2,1 Prozent. Die Gehälter werden um mindestens
30 € erhöht.
Es war uns in den
Verhandlungen wichtig, dass aus Gründen der Kaufkraftsicherung und aus sozialen
Aspekten gerade Bezieher niedriger Einkommen besonders berücksichtigt werden;
im Bundesdienst betrifft dies etwa knapp ein Drittel der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter.
Meine Damen und
Herren! Sechs Bundesländer warten auf die heutige Beschlussfassung, um in den
Länderparlamenten gleiche Regelungen für die Bediensteten in den Ländern und Gemeinden
beschließen zu können. Drei Bundesländer haben dies in einem Vorgriff bereits
getan.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 11 |
Ich rege daher an,
dass künftige Verhandlungen, wie wir das früher getan haben, auch mit autorisierten
Vertretern der Länder sowie des Städte- und Gemeindebundes auf Arbeitgeberseite
geführt werden, was vice versa hieße, dass auf der Arbeitnehmerseite zusätzlich
zur Gewerkschaft öffentlicher Dienst auch die Gewerkschaft der
Gemeindebediensteten einzuladen wäre.
Ich verweise auf
die Erläuternden Bemerkungen der heutigen Vorlage, in der auch die schriftliche
Vereinbarung mit der Bundesregierung niedergelegt ist und im dritten Absatz
darauf hingewiesen wird, dass die Besoldungsvereinbarung vom Oktober 2000
für das vergangene Jahr noch eines Nachschlages bedarf.
Gestern hat die
Statistik Austria – wie es übrigens in allen Ländern der Europäischen
Union erfolgt ist – um 12 Uhr die Inflationsrate für das vergangene
Jahr bekannt gegeben. Über die Differenz zwischen 0,8 und 1,8 Prozent
brauchen wir, so glaube ich, nicht lange zu reden. Wir haben mit der Frau
Vizekanzlerin – und dafür bedanke ich mich sehr herzlich – auf kurzem
Wege vereinbart, dass wir uns in allernächster Zeit wegen der technischen
Umsetzung dieses Vorhabens treffen werden.
Ich verweise auf
Artikel 5, in dem festgehalten ist, dass auf Grund der strukturellen Veränderungen,
auf Grund der Organisationsänderungen in den Ministerien Hunderte Planstellen
eingespart wurden und es nun natürlich zu neuen Bezeichnungen kommen wird. In
einem Abänderungsantrag ist eine einzige Planstelle zusätzlich ausgeschrieben;
dabei handelt es sich um den Exekutivplanposten des Stellvertreters des
Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, der Verwaltungsbeamter ist. Es
geht darum, dass das – etwa in Analogie zum Militär, wo der Generalmajor
ebenfalls eine A 1/7-Funktion innehat; beim Militär ist das eine
M-Bezeichnung – Platz greift. Das ist auf Grund der
Organisationsänderungen notwendig geworden.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich nütze diese Gelegenheit, ganz kurz darauf einzugehen,
dass – was ja beinahe selbstverständlich ist – immer dann, wenn es um
Budgetvorschauen, um neue Strukturierungen geht, naturgemäß die öffentlich
Bediensteten im Blickfeld des medialen Interesses stehen. Ich bedanke mich für
alle fundierten, seriösen Anregungen, die uns bei Reformen weiterhelfen, weise
aber auch darauf hin, dass wir mit Wortspenden konfrontiert sind, die geeignet
sind, Unsicherheit und Frustration in der Kollegenschaft aufkommen zu lassen.
Darauf können wir – ich sage das in aller Deutlichkeit – verzichten.
Es gibt Wortspender, die visionäre Szenarien zeichnen, ohne die Gegenwart
wirklich beschreiben zu können. Das ist – ich sage es wiederum in aller
Deutlichkeit – überflüssig.
Ich bedanke mich
explizit bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundes, der Länder und
Gemeinden für ihre hohe Sachkompetenz und für das Engagement, das sie im
Vollzug jener Bestimmungen, die wir ihnen auferlegen, aufbringen. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Das ist nicht nur
ein wichtiger Beitrag zur Stabilität unseres Rechtsstaates, sondern auch ein
wichtiger Parameter für den erfolgreichen Wirtschaftsstandort
Österreich. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
9.07
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Pendl. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.
9.07
Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau
Vizekanzler! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende
Gesetzesnovelle beinhaltet auch den Gehaltsabschluss 2003 für den öffentlichen
Dienst. Gestatten Sie mir eingangs, mich persönlich, aber auch im Namen meiner
Fraktion bei allen öffentlich Bediensteten, bei allen Kolleginnen und Kollegen
für ihre Leistungen und für ihren Einsatz für unsere Heimat und deren Bürger
sehr herzlich zu bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Zeit wird vieles als selbstverständlich betrachtet. Dabei denke ich etwa auch daran, wie wir hier im Hause die Leistungen der Mit-
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arbeiterinnen und Mitarbeiter der
Parlamentsdirektion oft als selbstverständlich erachten. Auch Ihnen, meine sehr
verehrten Damen und Herren hier im Hause, unseren persönlichen Dank für Ihre
Unterstützung und Ihr Engagement. (Allgemeiner Beifall.)
Ich glaube –
mein Vorredner hat ja bereits darauf hingewiesen –, dass der vorliegende
Gehaltsabschluss, auf Sozialpartnerebene ausverhandelt, sowohl im Interesse
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch im Interesse des Dienstgebers
Bund ein guter ist, auch wenn wir alle immer wieder mit Einsparungen
konfrontiert sind. Ich darf, wie mein Vorredner, darauf hinweisen, darum
ersuchen und dazu einladen, künftige Gehaltsrunden – wie das ja in der
Vergangenheit der Fall war – gemeinsam mit Vertretern der Länder, der
Städte und Gemeinden zu verhandeln.
Wichtig und
notwendig war es auch, dass dieser Gehaltsabschluss nicht nur einen Prozentsatz
von 2,1, sondern mit einer Erhöhung um mindestens 30 € auch eine soziale
Komponente beinhaltet. Gerade in diesem Zusammenhang werde ich noch auf einen
Bereich, und zwar einen, der im Dienstrecht angesiedelt ist, zu sprechen
kommen.
Es ist überhaupt
keine Frage, dass hier auch eine Regelung mitbehandelt wird, die im A-Schema
für alle eine Selbstverständlichkeit darstellt und auch im M-Schema eine solche
ist. Wir verstehen, dass nicht nur ein Wunsch der Exekutive – im konkreten
Fall: ein Wunsch der Bundesgendarmerie – dem zu Grunde liegt, um auch
eine Regelung für die Exekutive, nämlich jene im Bereich E 1/12,
umzusetzen.
Was ich nicht
verstehe – inhaltlich gibt es darüber ja überhaupt keine
Diskussion –, ist allerdings, dass man, obwohl man immer wieder von
„neuer Qualität des Umgangs miteinander“ und „neuer Politik“ hört und liest,
diesen Punkt im Wege eines Abänderungsantrages noch rasch vor der Ausschusssitzung
eingebracht hat.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang sage ich auch ganz
offen – wir haben das ja auch im Budgetausschuss ausführlich
diskutiert –, dass mich jene Fragen, die im Artikel 5 angesprochen
werden, doch nachdenklich stimmen. Und in diesem Zusammenhang erlaube ich mir,
folgende drei Fragen hier anzusprechen.
Erstens: Wenn man
in einer Gesetzesnovelle, nämlich im Gehaltsgesetz, einen Gehaltsabschluss
regelt, zu dem wir alle stehen und wo wir alle uns immer wieder bemühen, die
Kosten so effizient wie nur möglich zu gestalten, man aber im dienstrechtlichen
Teil derselben Novelle – auch wenn ich Ihre Argumente schon kenne, dass
Sektionen und Abteilungen eingespart worden sind – die Zahl der
Funktionsgruppen von acht auf neun anhebt, muss ich Sie schon fragen, meine
sehr geehrten Damen und Herren, ob das Tausende Kolleginnen und Kollegen im
öffentlichen Dienst verstehen werden.
Froh bin ich
darüber, dass ungefähr 30 Prozent der Kolleginnen und Kollegen von der
Regelung „mindestens 30 € mehr“ profitieren, aber, meine sehr geehrten
Damen und Herren: Was die Aufwertung in die Funktionsgruppe 9 anlangt, wo
man ohnehin schon bei den Höchstbezügen angesiedelt ist – und ich bin
wirklich nicht einer, der einem anderen etwas nicht vergönnen würde –,
überlasse ich es Ihrer Beurteilung, meine Damen und Herren, was sich jene
Kolleginnen und Kollegen, die 30 € mehr bekommen, denken werden, wenn
ohnehin schon gut Eingestufte ein Vielfaches dessen erhalten! (Beifall bei
der SPÖ.)
Dieser Artikel 5 wirft aber noch weitere Fragen auf. Es ist immer so gewesen – und es wird auch jetzt so sein, auch wenn es erst in einigen Wochen der Fall sein wird; ich weiß ja nicht, wie lange es dauern wird, bis wir eine neue Bundesregierung haben werden –, dass wir als eines der ersten Gesetzeswerke ein Bundesministeriengesetz hier im Nationalrat zu behandeln gehabt haben. Glaubt jemand, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die öffentlich Bediensteten und die Öffentlichkeit verstehen, dass überhaupt jemand versteht, warum heute hier im Bereich der Sektionen, wo es um Umbenennungen oder Umorganisationen geht, etwas geändert wird, wenn ohnehin in einigen Wochen wieder etwas anderes zur selben Materie in denselben betroffenen Sektionen beschlossen werden wird? Daher hätte man, wie ich meine,
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der Sache wirklich
einen guten Dienst erweisen können, wenn in einigen Wochen, eben im Rahmen
eines neuen Bundesministeriengesetzes, auch gleich diese Dinge mitbeschlossen
worden wären.
Und noch etwas,
meine sehr geehrten Damen und Herren: Da hat es einige Veränderungen gegeben –
das bekommen Sie aus der Diskussion nicht weg; ich möchte jetzt aber nicht ein
bestimmtes Ressort erwähnen, Sie alle wissen das ohnehin –, die sozusagen
medial begleitet wurden. Und genau diese Sektionen finden sich auch hier im
Artikel 5 wieder. Natürlich gibt es die Diskussion, dass Aktionen, die in
den letzten Wochen und Monaten gesetzt wurden, jetzt per Gesetzesbeschluss
ganz einfach legalisiert werden sollen. (Abg. Mag. Mainoni: Welches
Ministerium meinen Sie?) – Ihr wisst genau, um welche Sektionen es da
geht!
Ich meine, meine
sehr geehrten Damen und Herren: Im Interesse der Sache, im Interesse der
betroffenen Bediensteten, die ja auch keine Freude haben, wenn sie jetzt
sozusagen hin- und hergeschoben werden, aber auch für eine bessere
Nachvollziehbarkeit durch die Öffentlichkeit wäre es gut gewesen, wenn man
diesbezüglich diese wenigen Wochen zugewartet und so der neuen Regierung die
Möglichkeit gegeben hätte, dem Nationalrat ein ordentliches Bundesministeriengesetz
vorzulegen. – Wir von der SPÖ-Fraktion haben jedenfalls den Antrag eingebracht,
Artikel 5 einer getrennten Abstimmung zu unterziehen.
Jedenfalls meine
ich – und da bin ich ganz bei meinem Vorredner –, dass die öffentlich
Bediensteten nicht weiter verunsichert werden dürfen. Diese sind ein wichtiger
Teil und ein Garant für den ordentlichen Ablauf der Geschehnisse in unserer
Republik. Der öffentliche Dienst ist daher nicht wegzudenken.
Wir von der
SPÖ-Fraktion werden jedenfalls unseren Beitrag dazu leisten, dass das auch in
Zukunft so sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)
9.15
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zum Wort gelangt
Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Redezeit: 10 Minuten. (Von der
Galerie werden zahlreiche Flugblätter geworfen. – Einzelne Besucher der
Galerie halten Buchstaben in Richtung Sitzungssaal, die den Text „Atomfreies
Europa“ sowie „Greenpeace“ ergeben.)
Ich unterbreche die Sitzung und
ersuche die Mitarbeiter des Hauses, die Flugblätter zu entfernen! Ebenso
ersuche ich, die Demonstration auf der Galerie einzustellen, sonst lasse ich
diese räumen!
(Die Sitzung
wird für kurze Zeit unterbrochen.)
Präsident Dr. Andreas Khol:
Die Sitzung ist wieder aufgenommen.
Zum Wort gelangt
Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer spricht mit der auf der
Regierungsbank sitzenden Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer.) – Ich
bitte den Redner, das Wort zu ergreifen!
9.16
Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Etwas verwundert habe ich meinen beiden Vorrednern zugehört, die
einen unter diesen Voraussetzungen mehr als sozial gerechten Gehaltsabschluss
für die Beamten meiner Meinung nach nicht ausreichend gewürdigt haben, handelt
es sich doch hiebei um einen unter schwierigsten Bedingungen ausverhandelten
Gehaltsabschluss, der sozial sehr gerecht ist. 2,1 Prozent oder mindestens
30 € für jeden Bundesbediensteten zusätzlich ab 1. Jänner 2003
sind doch ein herzeigbares Ergebnis – ein mehr als herzeigbares Ergebnis,
weil es sich dabei noch dazu um eine äußerst sozial verträgliche Lösung
handelt. Einen solchen Abschluss in Zeiten der Budgetkonsolidierung zu
erzielen, kann als besonders gutes
Ergebnis bezeichnet werden, eines, das insbesondere dem Verhandlungsgeschick
der Frau Vizekanzlerin zu verdanken ist, und daher bedanke ich mich jetzt auch
ganz besonders bei Frau Vizekanzler Riess-Passer hiefür. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
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Zudem blieb völlig
unerwähnt, dass in diesen Tagen auch über die Inflationsabgeltung für das
vergangene Jahr verhandelt und auch das noch zustande kommen wird. Also ein
weiterer Erfolg, der für Beamte in den nächsten Tagen zu erwarten ist. (Abg.
Mag. Molterer – auf die
nach wie vor auf der Galerie demonstrierenden Besucher hinweisend –: Die
Demonstration ist noch nicht zu Ende!)
Mit diesem
Abschluss wird sichergestellt, dass etwa ein Drittel der Bundesbediensteten im
unteren Einkommensbereich – und darum geht es ja, und, Herr Kollege
Neugebauer, ich hätte mir schon gewünscht, dass das ein bisschen gewürdigt
wird; vom Kollegen Pendl habe ich das ohnehin weniger erwartet ... (Abg.
Scheibner – auf noch immer
demonstrierende Galeriebesucher weisend –: Was ist denn da oben? –
Abg. Dr. Partik-Pablé: Wann
wird das eingestellt? – Weitere Zwischenrufe.)
Präsident Dr. Andreas Khol:
Ich unterbreche die Sitzung, bis die
Galerie geräumt ist.
(Die Sitzung
wird für kurze Zeit unterbrochen. –
Die Demonstranten verlassen die Galerie.)
Präsident Dr. Andreas Khol:
Ich nehme die Sitzung wieder auf.
Herr Abgeordneter
Mag. Schweitzer, setzen Sie bitte fort.
Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Ich glaube, wichtig
ist es, festzustellen, dass im Zuge dieser Gehaltsverhandlungen erreicht werden
konnte, dass ein Drittel der Bundesbediensteten im unteren Einkommensbereich einen höheren Einkommenszuwachs als diese 2,1 Prozent
erwarten kann. Eine neue Qualität der Regierung, die wir in den letzten drei
Jahren hatten, war es, dass auf untere und mittlere Einkommensbezieher stets
besonders Rücksicht genommen wurde. Das ist die neue Qualität einer
Bundesregierung, die gezeigt hat, dass sie insgesamt zu Reformen fähig ist und
etwas in Österreich in Gang gesetzt hat, was lange Zeit nicht der Fall war,
nämlich dass Reformen in allen Bereichen
tatsächlich auf Schiene gesetzt wurden.
Für wichtig halte
ich es auch – das habe ich jedoch bei meinen Vorrednern vermisst –,
Frau Vizekanzler Riess-Passer insbesondere dafür zu danken, dass sie bei der
Verwaltungsreform innerhalb kürzester Zeit ein wirkliches Kernstück an
notwendiger Arbeit geleistet hat. Im Zusammenhang mit der Strukturreform
zwischen Bund und Ländern hat sie Projekte auf die Schiene gesetzt, die in
Hinkunft insbesondere budgetär besonders wirksam sein werden. Das gilt ebenso
für die Bereiche Verwaltungsanpassungen sowie Personaleinsparungen, wo die Frau
Vizekanzlerin bereits sehr, sehr viel auf Schiene gesetzt hat und was
budgetwirksam werden wird.
Es wurden bereits
mehr als 8 000 Beamte – ohne dass es zu Problemen gekommen
wäre – eingespart, was insgesamt einen Einsparungseffekt von mehr als
1 Milliarde € bringt. Das ist in Zeiten einer Budgetkonsolidierung
wahrlich ein gutes Stück Arbeit, und auch hiefür gebührt der Frau Vizekanzlerin
sowie allen, die dazu beigetragen haben, entsprechender Dank, meine sehr
geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Von meinen
Vorrednern hätte ich mir schon auch erwartet, dass sie darauf eingehen. Im
Bereich der Bund-Länder-Vereinbarungen wurden 79 Prozent aller Projekte
bereits erledigt; der Rest befindet sich in der Umsetzungsphase.
Im Bereich der
Gerichtsreform hat Bundesminister Böhmdorfer – gegen den Widerstand der
„Landesfürsten“, gegen den Widerstand von Lokalpolitikern, auch aus den
Regierungsparteien – bereits sehr, sehr viel umgesetzt. (Abg. Marizzi: Darum habt ihr bei der Wahl
auch so „gewonnen“!) Die Auflassung von 31 Gerichtsstandorten, die
nicht mehr zeitgemäß sind, ist tatsächlich geschehen, was zu wesentlichen
Einsparungen führt, Einsparungen, die dringend notwendig sind.
Insgesamt wurden auch in anderen Bereichen sehr, sehr viele effiziente Reformen umgesetzt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang etwa nur an das One-Stop/One-Shop-Prinzip, auch in
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Landesangelegenheiten, das von diesem Ministerium umgesetzt wurde. Sehr,
sehr erfolgreiche Reformjahre im Justizministerium also – auch wenn, Herr
Bundeskanzler, noch sehr viel an Arbeit vor uns liegt. Ich meine, es ist hoch
an der Zeit, mit dieser Arbeit zu beginnen beziehungsweise begonnene Arbeiten
fortzusetzen.
Ich greife jetzt
nur einige wesentliche Dinge heraus, die dringend erledigt werden müssen: Reform
des Dienstrechts, Reduktion der Zahl von Vertretungskörpern, weitere Reform der
Verwaltungseinheiten, eine Bundesstaatsreform und so weiter, also noch sehr
viele Dinge, die anstehen und einer Erledigung zugeführt werden müssen.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich sage das deshalb, da jetzt bereits Zeit genug
vertan wurde mit diesem Aneinander-Vorbeireden, das wir alle ja in den letzten
Tagen erlebt haben. Es wird Zeit, dass jene Kräfte, die zu Reformen bereit
sind – auch wenn diese Reformen nicht populär sind –, endlich damit
beginnen, diese fortzusetzen beziehungsweise, wenn sie noch nicht angefangen
wurden, endlich damit anzufangen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es hat
doch keinen Sinn, sich auf parteipolitische Standpunkte zurückzuziehen und dort
sozusagen in Versteinerung zu verharren, meine sehr geehrten Damen und Herren
von der SPÖ! Das ist jedoch Ihr Markenzeichen: Versteinerung, Unbeweglichkeit,
Reformunwilligkeit. Das sind die Markenzeichen der SPÖ (Beifall bei den
Freiheitlichen – Zwischenrufe bei der SPÖ), und das kann ein Land, das
auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein soll, nicht brauchen.
Sie von der SPÖ
haben keine Reformkraft, sind reformunwillig, reformunfähig – und das
haben Sie in den letzten Wochen zur Genüge bewiesen, meine sehr geehrten Damen
und Herren von der SPÖ. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie von
der SPÖ haben in den letzten Tagen mit der ÖVP zu verhandeln versucht. Das
Ergebnis war, dass Sie aneinander vorbeigeredet haben, weil Sie von der SPÖ nur
parteipolitische Interessen verfolgen.
Wer – wie es
Andreas Koller in der heutigen Ausgabe der „Salzburger Nachrichten“
formuliert – „vorsorglich Sprengsätze“ einbaut, „welche so platziert sind,
dass ihre Detonation“ dem Verhandlungspartner „angelastet werden kann“, dem
fehlt tatsächlich jeglicher Wille zu notwendigen Reformen. Dem fehlt die
Reformkraft, die dringend notwendig ist, wenn Österreich auch in Hinkunft
international wettbewerbsfähig sein soll.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren, die Zeit für taktische Spielchen ist vorbei!
Österreich braucht eine reformfähige Regierung! Es ist Zeit! Alle konstruktiven
Kräfte sind aufgerufen, der österreichischen Bevölkerung so rasch wie möglich
eine handlungsfähige Regierungsmannschaft zu präsentieren. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
9.25
Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter
Kogler. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 7 Minuten ein. – Bitte.
9.25
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Geschätzte Kolleginnen und
Kollegen! Nach dem Höhenflug des Kollegen Schweitzer – woher immer er
seine Motive dafür beziehen mag – möchte ich eher vom Boden der Realität
aus kurz die vorliegende Gesetzesvorlage betrachten. Zum Thema
Besoldungsreform wurde hier bereits vieles Richtige gesagt – das findet
auch unsere Zustimmung, das sei gleich einmal vorweg gesagt. Aber es hat
ohnehin lange genug gedauert, bis man sich auf ein paar – tatsächlich
begrüßenswerte – Punkte einigen konnte.
Kollege Schweitzer hat auch die Verwaltungsreform angesprochen; darauf möchte ich kurz eingehen. Meines Erachtens wird es auch bei den jetzt anstehenden Regierungsverhandlungen darauf ankommen, wer über Überschriften hinauskommt. Wenn Sie, Kollege Schweitzer, hier schon so glühende Appelle halten, so sollten Sie das aber vielleicht in Richtung jener Partei tun, die jetzt die relative Mehrheit hier im Hause besitzt – und nicht unbedingt an die SPÖ-Fraktion. Warum? Mich würde sehr interessieren – vielleicht kann ein Nachredner/eine Nachrednerin der ÖVP Auskunft darüber geben –, wie man sich das mit der Verwaltungsreform vorstellt. Das war
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ja immer wieder ein Schlagwort, aber
budgetär ist da von den Auswirkungen her relativ wenig nachvollziehbar.
In diesem
Zusammenhang greife ich einen Punkt heraus, der sich auch in diesem Gesetz wiederfindet:
die Landeslehrer. Die Grünen sind schon seit längerem dazu bereit, diese Sache
so anzugehen, endlich von dem Prinzip abzukommen, dass die Bundesländer
bestellen und der Bund mit seiner Kreditkarte sozusagen dafür zahlen soll. Ist
das ein sinnvolles Prinzip? (Abg. Mag. Schweitzer: Wer zahlt, schafft an!) – Jetzt richte ich
mich nicht mehr an Sie, Kollege Schweitzer, sondern an die Kolleginnen und
Kollegen von der ÖVP.
Ich meine, es ist
doch ein grundvernünftiges Prinzip einer jeden Verwaltungsreform, auch da
Ausgaben- und Aufgabenverantwortung in Übereinstimmung zu bringen. Reden wir
darüber einmal mit Ihren Landeshauptleuten! Mir ist es ein bisschen zuwider,
möchte ich fast sagen, dass immer wieder von Landeshauptleutekonferenzen, aber
auch bei den Verhandlungen um den Finanzausgleich im Besonderen die Phalanx der
ÖVP-Landeshauptleute derart dominiert, dass der Bund mit vielen seiner
Reformvorhaben überhaupt nicht weiterkommt.
Vielleicht können
auch Sie, Frau Vizekanzlerin, zu diesem Problembereich noch einmal Stellung
nehmen, denn das wäre ein lohnendes Thema, das man heute aus Anlass dieser
Gesetzesvorlage noch einmal debattieren könnte. Wir von den Grünen sind zu
solchen Schritten jedenfalls bereit. (Beifall bei den Grünen.)
Auf den bereits
erwähnten Artikel 5 möchte ich auch noch zu sprechen kommen. In der Tat
ist es so, dass dieser unsere Zustimmung nicht
finden kann. Warum? – Hiebei wird gesetzlich nachvollzogen, was auf
Verwaltungsebene sozusagen vorgemacht wurde: eine Reform der Einteilung der
Aufgaben in den Ministerien, wobei wir jedoch schon sehr das Gefühl haben, dass
es da weniger darum geht, effizientere Verwaltungsstrukturen zu schaffen,
sondern dass es – noch dazu mit großem Aufwand an externen
Beratern! – sehr oft darum geht beziehungsweise ging, dass Sie in
Wirklichkeit Menschen mit bestimmter Parteizugehörigkeit sozusagen an die
„richtige“ Stelle bekommen und „falsche Menschen“ – unter
Anführungszeichen – wegbekommen, wobei Menschen zum Teil mit dem „golden
handshake“ verabschiedet wurden, Menschen, deren Leistungen sich durchaus sehen
lassen können. Wo da das Prinzip der Einsparung geherrscht hat, müssen Sie
mir noch erklären, Frau Vizekanzlerin!
Meiner Meinung
nach ist es immer noch vernünftiger, jemanden, bevor man ihn mit
80 Prozent seiner Gage jahrelang spazieren gehen lässt, mit
50 Prozent der Arbeitszeit bei meinetwegen 80 Prozent
Gehaltsfortzahlung vernünftig einzusetzen. So unorganisiert kann die Republik
doch nicht sein, dass sich für diese an sich hoch qualifizierten Leute keine Verwendung mehr
findet! – Das haben Sie als „Verwaltungsreform“ zu verkaufen versucht!
Sonst ist da nicht viel erkennbar. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Wie gesagt: Mich
würde interessieren, wer das Match mit den Bundesländern aufnimmt. Das wollen
wir in den nächsten Wochen festmachen. In diesem Punkt kann ich mich den
Ausführungen des Kollegen Schweitzer anschließen, nämlich dass in diesem
Bereich jetzt endlich einmal etwas geschehen muss.
Ich darf
abschließend noch einen einzigen Punkt, der im Ausschuss zumindest für
erheblichen Aufklärungsbedarf gesorgt hat, erwähnen. Viele neue Abgeordnete,
die heute ihre erste Arbeitssitzung hier verbringen, werden sich vielleicht oder
sollten sich fragen, warum eigentlich für die Funktion und Verwendungsweise
eines einzigen Beamten ein Gesetz geändert werden muss. – Kommt Ihnen das
nicht komisch vor?
Ich gestehe zu, dass es manchmal notwendig ist, dass es solche Möglichkeiten gibt, weil es anders nicht geht. Aber in diesem Fall drängt sich schon der Verdacht auf, dass das auch in die Aktion, die wir in den letzten Jahren gerade im Ministerium von Minister Strasser kennen gelernt haben, fällt, dass es sich also um einschlägige Vorgangsweisen handelt – Vorgangsweisen, die gerade die F-Ministerien auch nach der Ausrufung der Neuwahl aufrechterhalten haben: Umfärben dort, wo es geht. In der neuen Legislaturperiode werden wir, auch im Rechnungshofaus-
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schuss, darüber reden müssen, ob das immer zum Besten der
Republik war. (Abg. Mag. Schweitzer: Die alte Rede!)
Diese
Gesetzesänderung – bezogen auf einen einzigen Beamten – wirft
zumindest Fragen auf, die im Ausschuss nicht beantwortet werden konnten. Ich
hoffe, dass Ihnen das heute besser gelingt als Kollegen Finz im
Ausschuss. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Abg.
Mag. Schweitzer: Eine alte Rede
und unausgeschlafen!)
9.31
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zum Wort gelangt
die Frau Vizekanzlerin. – Bitte.
9.31
Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler
Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes
Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben heute die Umsetzung des
Gehaltsabschlusses für das Jahr 2003 auf der Tagesordnung. Es ist von
meinen Vorrednern schon gesagt worden, dass die Vereinbarung, die wir am
29. Oktober 2002 mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst getroffen
haben, lautet: 2,1 Prozent Gehaltserhöhung, mindestens aber 30 €.
Die Zielsetzung – das war die Zielsetzung bei allen Gehaltsabschlüssen,
die ich in meiner Ressortverantwortung zu verhandeln hatte – dabei war,
insbesondere den Beziehern kleiner Einkommen Gerechtigkeit widerfahren zu
lassen. Das heißt, das ist ein Abschluss, der sozial gerecht und ausgewogen
ist.
Das war eine
Vorgabe, die wir auch schon im Jahre 2000, als wir für die Jahre 2001
und 2002 einen Abschluss verhandelten, vor Augen hatten. Wir haben gemeinsam
mit Herrn Staatssekretär Finz damals 500 S Fixbetrag und für das
Jahr 2002 eine Anhebung von 0,8 Prozent verhandelt, was bedeutet,
dass das untere Drittel der Einkommensbezieher im öffentlichen Dienst
begünstigt wurde. Das ist auch deswegen gerechtfertigt, weil wir da eine Schere
haben: Die Bezieher kleiner Einkommen im öffentlichen Dienst sind im Vergleich
zu Einkommensbeziehern in anderen Wirtschaftsbereichen benachteiligt, was
umgekehrt bei den höheren Einkommenskategorien nicht der Fall ist. Deswegen
haben wir dort auch Kürzungen in Kauf genommen. Das ist soziale Gerechtigkeit,
wie ich sie verstanden habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Ich möchte mich
insbesondere bei den Mitarbeitern meines Ressorts bedanken. Die Verhandlungen
waren, wie auch in der Öffentlichkeit mitzuverfolgen war, schwierig, sie waren
nicht einfach und haben viele Nächte in Anspruch genommen. Wir haben trotzdem
ein gutes Ergebnis erzielt, und das ist in erster Linie auch der hervorragenden
Vorbereitung und der Fachkompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines
Ressorts zu verdanken.
Ich bedanke mich
auch bei der Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Wir haben immer sehr konfliktreich
verhandelt, wir haben manchen Umweg gewählt, der meines Erachtens nicht
notwendig gewesen wäre, aber da wir letztendlich zu einem Ergebnis gekommen
sind, hat es sich gelohnt. Ich meine, dass wir mit allen drei
Gehaltsabschlüssen, die wir in den vergangenen Jahren getätigt haben, für die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ein entsprechend
gutes Ergebnis erzielt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Wir müssen aber
auch ehrlich sein und sehen, dass für die Zukunft noch einige Aufgaben vor uns
liegen. Das Gehaltsschema des öffentlichen Dienstes ist, so wie es sich heute
darstellt, in weitesten Bereichen absolut unübersichtlich und kompliziert. Mit
den unendlich vielen Zulagen und Nebengebühren ist ein sehr kompliziertes
System geschaffen worden, das zu vielen Ungerechtigkeiten innerhalb des Systems
führt und das letztendlich auch leistungsfeindlich ist, weil es nicht
motivierend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist.
Die Umsetzung eines leistungsorientierten, modernen und motivierenden Gehaltsschemas ist daher, so glaube ich, eine entscheidende Aufgabe für die Zukunft. Wir haben die Grundlagenarbeit dafür geleistet. Das heißt, man muss jetzt nur mehr den politischen Willen haben, dieses auch umzusetzen, um damit auch die Mehrklassengesellschaft, die wir innerhalb des öffentlichen Dienstes haben, zu bereinigen. Wir haben Beamte nach dem alten Schema, wir haben Beamte nach dem neuen Schema, wir haben „Vertragsbedienstete alt“ und „Vertragsbediens-
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tete
neu“ – das ist ein Zustand, der in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten
ist –, und – und das ist die größte Ungerechtigkeit – wir haben
natürlich im Vergleich zur Privatwirtschaft sehr unterschiedliche Regelungen.
Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, indem wir für alle gleiche
Arbeitsbedingungen, Karrierechancen und auch Pensionsbedingungen erreichen, ist
die große Herausforderung, die über alle Parteigrenzen hinweg für die Zukunft
gesehen werden sollte.
Ein modernes
Angestelltenrecht für den öffentlichen Dienst war unsere Zielsetzung. Wir
haben, wie gesagt, die Vorarbeiten dafür geleistet. Darüber muss man jetzt
nicht mehr lange diskutieren und überlegen, sondern das kann man relativ rasch
umsetzen. Das hätte meines Erachtens den ganz großen Vorteil, dass wir eine
Durchlässigkeit zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst schaffen.
Wir haben derzeit die groteske Situation, dass nicht einmal ein Wechsel
zwischen Landesdienst und Bundesdienst möglich ist, weil die Regelungen derart
unterschiedlich sind, geschweige denn ein Wechsel in die Privatwirtschaft oder
umgekehrt. Ich glaube, dass beide Seiten davon enorm profitieren könnten. Die
Privatwirtschaft würde von den Kenntnissen, die jemand im öffentlichen Dienst
erworben hat, und von den Fähigkeiten, die er dann auch mitbringt, profitieren
und umgekehrt aber auch der öffentliche Dienst von Leuten, die in der Privatwirtschaft
tätig waren und die Probleme aus der Praxis kennen. Wenn jemand Anlagenerstellungen
in der Privatwirtschaft gemacht hat, dann wird er im öffentlichen Dienst ein
ganz anderes Verständnis für das Anlagenrecht mitbringen, als wenn er das immer
nur vom Schreibtisch aus gemacht hat. Ich halte diese Durchlässigkeit, diese
Flexibilität für ein Gebot der Zukunft.
Die Voraussetzung
dafür ist natürlich die Schaffung eines einheitlichen Pensionsrechts, das heißt
die Harmonisierung der Pensionssysteme in Österreich. Das gilt aber – das
betone ich besonders – nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern das
gilt für alle Sonderpensionsrechte, die wir in Österreich haben. Herr
Kollege Pendl! Da appelliere ich auch an Sie, weil Sie hier am Rednerpult immer
für soziale Gerechtigkeit eintreten. Ich würde mir wünschen, dass Sie das auch
einmal Ihren Eisenbahnergewerkschaftern sagen, wenn es um das
Eisenbahnerpensionsrecht geht. Das ist nämlich auch ein Thema, das wir in
diesem Zusammenhang mit berücksichtigen müssen. Das heißt, es geht um die
Abschaffung aller Sonderpensionsrechte und um die Schaffung eines einheitlichen
und gerechten Pensionssystems für alle Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Im Prinzip liegen
alle Vorschläge auf dem Tisch, auch hinsichtlich der Bundesstaatsreform. Sie
erlauben mir daher die persönliche Anmerkung, dass ich Konvente – so schön
es auch ist, solche Diskussionen zu führen –, die dann mehrere Jahre
diskutieren und tagen, nicht für unbedingt notwendig halte, weil wir die
Diskussion seit dreißig Jahren kennen. Wir wissen, was zu tun ist. Es ist eine
Frage des politischen Wollens. Da richtet sich mein Appell insbesondere auch an
die Länder. Wir haben das in der so genannten Achterrunde gesehen. Wir haben
ein Jahr lang mit den Ländern über Maßnahmen der Aufgaben- und
Verwaltungsreform verhandelt. Es muss daher zwingend auch die Bereitschaft der
Länder, der Landeshauptleute und der Landtage geben, in diesem Bereich über
neue Kompetenzverteilungen nicht nur nachzudenken, sondern sie auch umzusetzen,
und das heißt: Verzicht auf Kompetenzen auf Seiten der Länder, um die
Zielsetzung eines schlanken Staates entsprechend umsetzen zu können.
Wir haben nach wie
vor neun Bauordnungen in Österreich. Wir haben neun Jugendschutzgesetze. Das
sind Dinge, die man eigentlich niemandem vernünftig erklären kann, die bisher
an der Starrheit der Systeme gescheitert sind. Daher würde ich mir sehr
wünschen, dass all diese wunderbaren Ankündigungen, die ich jetzt im
Zusammenhang mit Regierungsverhandlungen höre, wo jeder eine enorme
Reformbereitschaft an den Tag legt, letztendlich auch zu Taten führen.
Die Aufgabenreformkommission mit Professor Raschauer und Rechnungshofpräsidenten Fiedler hat eine Reihe von Vorschlägen präsentiert. 70 Prozent davon haben wir umgesetzt. Das, was wir nicht umsetzen konnten, waren Materien, die eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erfordern. Daher richtet sich mein Appell auch an die sozialdemokratische Fraktion: Ich habe gehört, was Sie, Herr Dr. Gusenbauer, und viele Ihrer Kollegen in den letzten Wochen im Zusammenhang mit der Verwaltungs- und Staatsreform dargelegt haben. Dazu sage ich, die
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 19 |
Botschaft hör’ ich wohl, der Glaube fehlt mir noch ein bisschen. All
das waren Vorschläge, die wir schon seinerzeit auf dem Tisch gehabt haben und
für die wir damals Ihre Zustimmung und die Zustimmung Ihrer Fraktion nicht
erhalten haben. Wenn Sie inzwischen umgedacht haben, soll es mich freuen.
Der öffentliche
Dienst muss sich so wie jeder andere Bereich auf die Erfordernisse und Herausforderungen
einer modernen Arbeitswelt einstellen. Das heißt auch, dass wir im Bereich des
öffentlichen Dienstes Reorganisations- und Umstrukturierungsmaßnahmen umsetzen
müssen.
Wir haben im
Bereich der Zentralstellen des Bundes – das sage ich insbesondere zu
Ihnen, Herr Kollege Pendl, weil Sie das vorhin kritisiert haben – massive
Einsparungen erreicht: Wir haben 13 Sektionen, 54 Gruppen,
121 Abteilungen und 225 Referate eingespart. Das ist – wenn man
sich die Dinge im Detail anschaut, stellt man das fest – eine wesentliche
Einsparung und sind keine Mehrkosten; bei Ihnen hat es nämlich so geklungen,
als würde das mehr kosten. Ganz im Gegenteil: Wir haben hier entsprechende
Einsparungen erreicht.
Dass diese
Maßnahmen möglich waren, hat auch damit zu tun, dass wir unter Ausnützung der
neuen Technologien im Bereich von E-Government Vorbildwirkung in Europa haben.
Sie können seit Jänner – das wird Sie freuen, Herr Kollege
Niederwieser – Ihre Lohnsteuererklärung über das Internet abgeben. Das
spart Ihnen Zeit, und das spart der öffentlichen Verwaltung Zeit und Geld und
entspricht der Zielsetzung einer modernen und schlanken Verwaltung.
Die Einsparungen,
die wir damit im öffentlichen Dienst erzielen konnten, sind beträchtlich. Wir
hatten – Sie wissen das – uns die Zielsetzung vorgenommen,
15 000 öffentlich Bedienstete in der vergangenen Legislaturperiode
abzubauen. Wir haben, obwohl die Legislaturperiode nicht das ursprünglich
vorgesehene Ende gefunden hat, das Ziel – wenn wir vom Datum Ende des
vergangenen Jahres ausgehen – übererfüllt. Wir haben im Bereich des
öffentlichen Dienstes selbst, also in der Bundesverwaltung,
10 279 Bedienstete beziehungsweise Planstellen eingespart und durch
Ausgliederungen weitere 2 368, also wurden insgesamt
12 647 Planstellen eingespart. Darin enthalten – Herr Kollege
Kogler, das möchte ich an Ihre Adresse sagen – sind 801 Planstellen,
die auf Grund von Sozialplänen eingespart wurden.
Sie, Herr Kollege
Kogler, haben mich ja gefragt, wie man diese Einsparungen erklärt: Das kann man
mit dem kleinen Einmaleins erklären, Herr Kollege, und das mache ich auch sehr
gerne. Ich habe es schon mehrmals gemacht, aber anscheinend muss man es öfters
wiederholen.
Das ist ganz
einfach: Wenn ich eine Organisationseinheit auflöse – wir haben zum
Beispiel die Bundesstraßenverwaltung an die Länder übertragen –, dann habe
ich zwei Möglichkeiten: Der erste und wichtigste Schritt ist, dass ich schaue,
ob ich für diese Leute im Bundesdienst andere Verwendungsmöglichkeiten habe.
Wenn das nicht der Fall ist, dann habe ich wieder zwei Möglichkeiten: entweder
sie sitzen zu lassen und zu 100 Prozent weiterzubezahlen, obwohl ich für
diese Leute eigentlich keine Aufgabe mehr habe, oder sie mit 75 Prozent in
den Vorruhestand zu schicken und dadurch dem Steuerzahler Geld zu sparen. Ich
an Ihrer Stelle würde mir sehr schwer tun, einem Steuerzahler zu erklären,
warum man jemanden zu 100 Prozent weiterbezahlt, für den man eigentlich
keine Arbeit mehr hat. Das ist ein ganz einfaches Faktum; das kann eigentlich
jeder nachrechnen, der möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wir haben mit
diesen Maßnahmen den Anteil der Personalkosten am allgemeinen Haushalt –
das ist vielleicht die interessanteste Zahl in diesem Zusammenhang – von
20,5 Prozent im Jahr 2000 auf 19,7 Prozent im Jahr 2002
gesenkt, und das zeigt, dass wir eine effektive, dauerhafte und nachhaltige
Einsparung für das Budget in diesem Bereich erzielen konnten.
Der öffentliche Dienst ist, wie gesagt, ein Bereich, der ganz essentiell ist, weil er sozusagen die Visitenkarte auch des Staates gegenüber dem Bürger ist. Ich habe den öffentlichen Dienst immer als Servicestelle für den Bürger gesehen, für den Bürger, den man auch als Kunden betrachten muss, der das Recht hat, die bestmögliche Leistung zu erhalten, und zwar möglichst kostengünstig, möglichst rasch und möglichst effizient. Das ist eine gemeinsame Zielsetzung, die, so glaube ich, über alle Parteigrenzen hinweg Gültigkeit haben sollte. Ich würde mir sehr
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 20 |
wünschen, dass die kommende Regierung diesen Weg fortsetzt. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
9.44
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Die Redezeit wird wunschgemäß auf
8 Minuten eingestellt. – Bitte.
9.44
Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Lassen Sie mich zunächst, nachdem es sich gerade in der Rednerfolge
ergeben hat, dass ich nach der Frau Vizekanzlerin hier zum Rednerpult gehen
konnte, Ihnen, Frau Vizekanzlerin, meine persönliche, aber auch die
Wertschätzung des ÖVP-Parlamentsklubs zum Ausdruck bringen. Es könnte durchaus
sein – niemand von uns weiß, wie lange die Regierungssondierungen oder Regierungsverhandlungen
noch dauern –, dass der heutige Auftritt hier im Hohen Haus Ihr letzter
Auftritt hier im Hohen Haus war.
Ich möchte daher
die Gelegenheit ergreifen, Ihnen Folgendes zu sagen: Frau Vizekanzlerin! Wir
haben Ihre persönliche Leistung, Ihren persönlichen Einsatz, Ihre
Zielstrebigkeit, Ihre durchaus auch charmante Nichtvermeidung von Konflikten (Heiterkeit
und Beifall bei der ÖVP), aber immer verbunden mit dem Ziel, am Schluss
solle ein Konsens und eine gute Lösung herauskommen, immer unglaublich
geschätzt. Sie wissen es genauso: Es gibt wahrscheinlich viele Menschen in
diesem Land, die es bedauern, dass Sie aus dieser Regierungsfunktion ausscheiden.
Wir respektieren diese Entscheidung. Ich hoffe auch sehr, dass das, was Sie in
Ihren Schlussworten gesagt haben, nämlich dass es der nächsten Regierung
gelingen möge, eine große Bundesstaatsreform durchzuführen, tatsächlich
eintritt. Solange das nicht gelingt, so lange ist das, was Sie zustande
gebracht haben, nämlich die Verwaltungsreform unter Ihrer Federführung, das
größte Reformprojekt im Verwaltungsbereich in der Geschichte der Zweiten
Republik. Und dafür gebührt Ihnen unsere Wertschätzung, Frau Vizekanzlerin! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich sage noch
dazu: Jeder, der künftig für diesen Bereich politische Verantwortung zu übernehmen
und zu tragen hat, wird letztlich an Ihrer Performance gemessen werden, Frau
Vizekanzlerin! Und die Latte liegt hoch.
Meine Damen und
Herren! Ich möchte das heutige Thema Gehaltsabschluss – ich bin meinen
beiden Vorrednern Werner Kogler und Karl Schweitzer sehr dankbar – ein
bisschen dazu nützen, in einer Zeit von Sondierungsgesprächen, in einer Zeit,
in der wir fast jeden zweiten Tag in den Medien vom öffentlichen Dienst, von
der Bundesstaatsreform, von den Beamten lesen, ein paar grundsätzliche
Ausführungen zu diesem Thema zu machen. Dafür gibt es einen Grund, meine Damen
und Herren: Als jemanden, der aus der Wirtschaft kommt, in der der Grundsatz
gilt: Das wichtigste Kapital sind unsere Mitarbeiter!, schmerzt es mich schon,
wenn ich bei Durchsicht der medialen Berichterstattung den Eindruck gewinne,
die Beamten seien der klassische Prügelknabe, sie seien jene, denen man
Amtskappel- und Ärmelschonermentalität vorwirft.
Meine Damen und
Herren! Das ist nicht die richtige Einstellung jenem Kapital gegenüber, das
auch im öffentlichen Dienst das wichtigste Kapital ist, nämlich die Qualität
der Mitarbeiter in diesem Bereich. Ich als jemand, der aus der Wirtschaft
kommt, möchte ganz bewusst darauf hinweisen, welche Beziehung zwischen
öffentlichem Dienst, öffentlicher Verwaltung und den notwendigen Strategien zur
Sicherung und Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich mit
Blickrichtung Österreich 2010 besteht.
Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich eines sagen: Die Erfahrung meines langen Berufslebens
ist, dass die Qualität eines Wirtschaftsstandortes in hohem Maße auch von der
Qualität der öffentlichen Verwaltung bestimmt wird. Wirtschaftsstandort
bedeutet Arbeitsplätze, Einkommenschancen und soziale Sicherheit. Die Qualität
der öffentlichen Verwaltung, die Qualität des Bildungssystems und die Qualität
der Infrastruktur entscheiden in hohem Maße auch über die Qualität und
Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes.
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Wir sollten daher,
meine Damen und Herren, mit Pauschalurteilen sehr vorsichtig sein und folgende
Erfahrung aus der Wirtschaft mitnehmen: In der Wirtschaft gilt die Erfahrung:
Du kannst erfolgreiche Reformen nur mit
den Betroffenen und nicht gegen die
Betroffenen durchführen. Veränderungswille kann nicht verordnet werden,
Veränderungswille muss gemeinsam erlebt und gemeinsam gestaltet werden, meine
Damen und Herren! Dieser Grundsatz sollte auch für alle Reformen im
öffentlichen Dienst gelten.
Meine Erfahrung
ist, dass es im öffentlichen Dienst Hunderttausende öffentlich Bedienstete
gibt, die durchaus bereit sind,
an Reformen mitzuarbeiten, die sich selbst oft täglich darüber ärgern, welch
unsinnige Tätigkeiten sie auf Grund unserer Gesetzeslage durchführen müssen.
Wenn Sie die Zeitungen lesen, dann werden Sie wahrscheinlich jeden Tag
Beispiele finden, die geeignet sind, an uns die Herausforderung zu richten:
Wir müssen diese Gesetzeslage in der kommenden Legislaturperiode ändern.
Überall dort, wo
es um die Optimierung von Verwaltungsabläufen geht, wo es um die Vermeidung
von Doppel- und Dreifachgleisigkeiten geht, wo es darum geht, unnötige
Bürokratien abzubauen, steht nicht der Abbau von Dienststellen im Vordergrund,
sondern steht im Vordergrund, unseren Bürgern das Leben zu erleichtern –
mit weniger Papierkrieg, mit weniger Behördenwegen.
Meine Damen und
Herren! Ich bin heute noch – ich sage das ganz offen; Fritz Neugebauer
weiß es – ein bisschen stolz darauf, dass ich vor Jahren daran mitwirken
durfte, eine Standortpartnerschaft zwischen Wirtschaftskammer und Gewerkschaft
öffentlicher Dienst ins Leben zu rufen. Diese Achse öffentlicher Dienst und
Wirtschaftskammer ist für das Land, so glaube ich, sehr wichtig.
Lassen Sie mich
auch noch Folgendes sagen: Wenn wir von der Österreichischen Volkspartei im
Zuge des Alpbach-Prozesses gesagt haben, wir wollen eine längerfristige
Perspektive, Österreich 2010, und unsere drei großen strategischen Ziele
der Wirtschaftspolitik angeführt haben, die da sind: erstens die Stabilität im Staatshaushalt,
zweitens eine Entlastung der Bürger und der Betriebe und drittens Investitionen
in die Zukunft, so muss man auch sagen, dass der öffentliche Dienst in allen
drei Bereichen eine wichtige Funktion wahrzunehmen hat, meine Damen und Herren!
Das sollte heute
eigentlich meine Botschaft sein. Meine Botschaft sollte sein, dass wir alles,
was wir hier diskutieren, unter dem Gesichtspunkt diskutieren sollten, dass wir
ein wertvolles Gut auch im öffentlichen Dienst haben, dass wir mit den
Betroffenen diese Reformen diskutieren, dass wir aber, wenn wir Spielraum für
die Entlastung der Bürger und der Betriebe, Stichwort: Steuerreform, und für
Investitionen in die Zukunft haben wollen, sehr wohl eine Verwaltung brauchen,
die kostengünstiger, die effizienter und die schlanker ist. Alles, was heute in
der Wirtschaft unter dem Titel „Management of Change“ rangiert, ist auch für
die öffentliche Verwaltung notwendig.
Die Welt ändert
sich rasant. Es gibt ständig neue Veränderungen in der Arbeitswelt, und diese
Veränderungen können am öffentlichen Dienst nicht vorbeigehen. Wir sind
aufgefordert, die gesetzlichen Weichen so zu stellen, dass diese Partnerschaft
zwischen öffentlichem Dienst und Wirtschaft – Wirtschaftsstandort heißt
Einkommenschancen und soziale Sicherheit – auch tatsächlich umgesetzt
wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
9.51
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau
Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Redezeit: wunschgemäß 7 Minuten. –
Bitte.
9.52
Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Mehrere Vorredner haben schon auf die soziale Komponente dieses Gehaltsabschlusses hingewiesen, nämlich darauf, dass 30 € Fixbetrag vereinbart worden sind. Ich möchte Ihnen sagen, dass wir Freiheitlichen für eine Verstärkung dieser sozialen Komponente gewesen wären, dass wir diesen Gehaltsabschluss überhaupt auf einen Fixbetrag abstellen wollten, weil
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uns das für die vielen
Bundesbediensteten, die ein wirklich sehr geringes Einkommen haben, gerechter
erschienen wäre.
Man liest in den
Zeitungen ja immer nur von den hohen Gehältern der Sektionschefs und eventuell
der Ministerialräte, aber dass es Tausende Beamte gibt, die ein Gehalt von
12 000 bis 15 000, 16 000 S haben, davon redet niemand. In
diesem Bereich wäre es ganz besonders notwendig gewesen, die Bezüge durch
einen Sockelbetrag überproportional zu erhöhen. Leider war die Gewerkschaft
dagegen. Offensichtlich vertritt die Gewerkschaft doch die Interessen der
Beamten mit höherem Verdienst, und das gibt uns schon sehr zu denken. In
Wirklichkeit müssten wir alle dafür Sorge tragen, dass die Bezieher niedriger
Einkommen angleichende Bezugserhöhungen erhalten und die Bezieher hoher
Einkommen nicht noch mehr bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich bedauere in
diesem Zusammenhang auch, dass es nicht gelungen ist, ein eigenes Gesetz für
die Exekutivbeamten umzusetzen. Die Frau Vizekanzlerin hat sich enorm bemüht,
die Exekutivbeamten aus dem allgemeinen Beamtenschema herauszunehmen, denn man
kann die Dienst- und Arbeitsverrichtung eines Finanzbeamten oder eines
allgemeinen Verwaltungsbeamten ganz einfach nicht vergleichen mit jener eines
Exekutivbeamten, der in seinem Beruf ungeheure Gefahren zu gewärtigen hat. Aber
die Gewerkschaft war auch in diesem Fall dagegen. Ich denke, da ist ein
Umdenken dringend erforderlich.
Wir müssen unsere
Beamten motivieren. Meiner Meinung nach bringt nicht nur ein höheres Gehalt
Motivation. Das auch, aber es ist auch notwendig, die Beamten durch
entsprechende Reformen in ihrem Bereich zu motivieren. Jedermann, auch mein
Vorredner, der Koalitionsverhandler und Sondierungsgesprächsteilnehmer,
wirklich jeder redet von den notwendigen Reformschritten in Österreich. Seit
Jahrzehnten wird über eine Staatsreform in Österreich diskutiert. Das heißt,
das Vorhaben ist nicht neu, nur hapert es immer wieder an der Durchführung,
nämlich zum einen daran, dass die ÖVP ihre Länderfürsten nicht dazu bewegen
kann, etwas von ihrer Macht abzutreten, und zum anderen daran, dass die SPÖ den
Gewerkschaftsbund, die Arbeiterkammer nicht dazu bewegen kann, endlich
Reformvorhaben zu akzeptieren.
Wir erleben ja zum
Beispiel bei der Pensionsreform, wie versteinert die Mitglieder des Gewerkschaftsbundes
agieren. Offensichtlich hat der Gewerkschaftsbund, die Funktionäre oder die
Spitzenfunktionäre, überhaupt keine Perspektive, wie man die Herausforderungen
der modernen Zeit zu bewältigen hat. Da haben Sie eine sehr wertvolle und
wichtige Aufgabe in Ihren Reihen zu erfüllen, meine Damen und Herren von der
SPÖ!
Der Zweite
Nationalratspräsident Fischer zum Beispiel sagt, große Schritte seien bei der
Staatsreform notwendig, das sanfte Drehen an einigen Schrauben unserer Verfassung
reiche nicht mehr aus. Ich gebe ihm Recht, sage aber, dass es auch an Ihnen von
der Sozialdemokratischen Partei liegt, Druck dahin gehend zu machen, dass
dieses Schrauben an den nötigen Instrumenten auch wirklich effektvoll
geschieht, weil sonst wieder nichts weitergeht, wie das eben in der
Vergangenheit der Fall war, ausgenommen die Zeit der freiheitlichen
Regierungsbeteiligung.
Herr Abgeordneter
Stummvoll hat die großen Verdienste der Frau Vizekanzlerin bereits hervorgehoben,
und wie die Freiheitliche Partei über Reformschritte denkt, das hat die Frau
Vizekanzlerin während ihrer gesamten Funktionszeit auch wirklich verkörpert.
Wir haben wichtige Reformschritte in Angriff genommen.
Erwähnt worden ist
der harte Kampf mit den Beamten. Wir erinnern uns alle: In den Medien ist von
tage- und nächtelangen Gesprächen berichtet worden. Es war sicher ein sehr
harter Kampf, der da geführt werden musste, und die Frau Vizekanzlerin hat
diesen Kampf aufgenommen – zum Wohl eines modernen Staates, zum Wohl auch
der Österreicher.
Wir haben in unserer Regierungsverantwortung dazu beigetragen, dass es eine Verwaltungsreform gibt, dass es eine Verbesserung der Balance zwischen Bürger und Staat gibt – zugunsten der Bürger. Wir haben auch einen weiteren Schritt gesetzt in der Entpragmatisierung. In allen
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freiheitlich besetzten Ministerien hat es
einen Pragmatisierungsstopp gegeben, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das
alles war sehr schwierig durchzusetzen.
Es hat
Kommissionen gegeben, eigene Staatssekretäre für eine Reform des Staates, in
Wirklichkeit hat sich aber nichts Wesentliches geändert, weil sich diese
Machtblöcke innerhalb der ÖVP, innerhalb der SPÖ immer sehr stark durchgesetzt
haben.
In der
Vergangenheit hat sich ein erfreulicher Umdenkprozess ergeben, nämlich: Frau
Minister Gehrer hat ursprünglich gesagt, es gäbe keine Änderung bei den
Landesschulräten. Schon im Jahr 1993 hat unser damaliger
Landesparteiobmann und jetziger Landeshauptmann Haider gesagt, die Bezirks-
und Landesschulräte sollten die Länder übernehmen. Darauf folgte wütender
Protest. Frau Dr. Riess-Passer hat im Jahr 2000 gesagt, die
Landesschulräte sollten ersatzlos gestrichen werden. Dazu ist dann auch noch
die Kritik des Rechnungshofes gekommen. Im Juni 2000 hat sich Frau Minister
Gehrer noch gegen die Abschaffung der Landesschulräte ausgesprochen. –
Jetzt, am 17. Jänner 2003, hat die Frau Minister die Abschaffung der
Landesschulräte gefordert und eben gemeint, dass man diese Institution besser,
effektvoller regeln kann.
Das ist etwas, das
schon Beachtung verdient, und dieses Umdenken ist auch notwendig, meine sehr
geehrten Damen und Herren!
Es gibt ein
dringendes Bedürfnis, diese Staatsreform durchzuführen, aber dazu gehört Mut,
dazu gehört auch die Bereitschaft, Machtverzicht zu leisten. Ich appelliere
insbesondere an die Länder sowie an die Arbeiterkammer und den
Gewerkschaftsbund: Das ist unbedingt notwendig, damit Österreich ein moderner
Staat ist, wie ihn andere europäische Länder schon lange verwirklicht haben. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
9.59
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau
Abgeordnete Mag. Stoisits. Ich schalte ihr die Uhr wunschgemäß auf
7 Minuten. – Bitte.
10.00
Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Dobro jutro, gospod
predsednik! (Abg. Mag. Schweitzer: Übersetzen, bitte!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Kolleginnen und
Kollegen! Kollege Kogler, der Vorredner aus meiner Partei, der die Position
der grünen Fraktion zu dieser Besoldungs-Novelle klargelegt hat, hat deutlich
gemacht, dass die Grünen ihre Zustimmung zur Gehaltserhöhung für die öffentlich
Bediensteten in Österreich geben werden, und hat auch Kritik dahin gehend
geäußert, dass es an grundsätzlichen Überlegungen mangelt.
Ich möchte dem
hinzufügen, dass das, was wir in den letzten zweieinhalb Jahren, seit dem Antritt
der blau-schwarzen Regierung, im Zusammenhang damit, wie mit den menschlichen
Ressourcen, mit den Arbeitskapazitäten von Beamtinnen und Beamten in
Österreich umgegangen wird, erlebt haben, wohl eine einzigartige Situation ist.
Unter dem Titel
„Verwaltungsreform“, „Verwaltungsmanagement“ wurde innerhalb der österreichischen
Beamtenschaft zum Teil ein Klima erzeugt (Abg.
Mag. Molterer: Ausgezeichnet!),
das man, so meine ich, am besten mit dem Wort „Gesamtmobbing gegenüber
Beamtinnen und Beamten“ umschreiben könnte.
Der Herr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, der ja besonders viel Erfahrung darin hat, wie es ist, wenn man ein Ressort leitet, weiß bestimmt, wie wichtig es ist, dass man im Haus Beamte hat, die Erfahrung haben, die lange Zeit dieselben Positionen innehaben, die sich kraft dieser Erfahrung auch ein Wissen angeeignet haben, das für die Politik – jetzt im engeren Sinn –, aber vor allem für die österreichische Bevölkerung, für die die Verwaltung ja da ist, von unschätzbarem Wert ist. Was ich aber aus den einzelnen Ressorts und ganz speziell aus jenen, zu denen ich ein besonderes Naheverhältnis habe – jetzt durch meine Arbeit hier, aber auch durch meine Arbeit früher als öffentlich Bedienstete –, Stichwort: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und kulturelle Angelegenheiten, Stichwort: Innenministerium, höre, das,
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muss ich sagen, spottet jeder Beschreibung im Umgang zwischen Dienstgeber,
sprich Chef oder Arbeitgeber, und seinen Mitarbeitern. Da wurde gefuhrwerkt im
Umgang mit Einzelnen und deren persönlichem Umfeld und deren persönlichem
Schicksal, und dazu kann ich nur sagen: gänzlich verantwortungslos – im Einzelnen,
im Persönlichen!
Generell
betrachtet: Wenn man Menschen mit 55 oder knapp 60 – das gesetzliche
Pensionsalter für Beamtinnen und Beamte liegt, wie Sie wissen, bei 65 –
aus ihren Positionen drängt, somit ihr Wissen, ihre Kapazitäten verschwendet, was
bedeutet das für jene, für die sie ihre Arbeit machen, nämlich für die
österreichische Bevölkerung? Aus politisch eindeutig durchsichtigen
Motiven – man macht sich nicht einmal die Mühe, etwas zu kaschieren oder
etwas zu verdecken – werden Leute auf die Straße gesetzt. (Beifall bei
den Grünen.) Auf der
anderen Seite senden genau jene, die die 55-jährigen Beamtinnen und Beamten
wider deren Willen nach Hause schicken, Signale in die Öffentlichkeit aus:
Abschaffung der Frühpensionen!
Es ist
ungeheuerlich, was in Österreich geschieht im Zusammenhang mit
Frühpensionierungen, mit Menschen, die 40 Jahre lang gearbeitet haben,
seit ihrem 14. Lebensjahr, und dann auf Grund auch ihrer körperlichen
Konstitution ihren im wahrsten Sinne des Wortes wohlverdienten Ruhestand
antreten möchten, weil sie sich 40 Jahre lang zwar nicht im Geist, aber
von den Jahren her darauf vorbereitet haben.
Das ist ein
Widerspruch, und ich hätte gerne, dass nicht die Frau Vizekanzlerin allein,
sondern dass die jeweiligen Ressortchefs, die alle einen Namen und ein Gesicht
haben, Gehrer, Strasser, Molterer, Schüssel, einmal dazu Stellung nehmen, was
sich diesbezüglich im öffentlichen Dienst in den letzten Monaten abgespielt
hat. Das interessiert mich als Bürgerin, als Abgeordnete und auch als
Beamtin. – Erster Teil.
Zweiter Teil,
meine sehr geehrten Damen und Herren: Es gab im Zusammenhang mit dem
öffentlichen Dienst in den letzten Monaten etwas, was geradezu eine Groteske
ist. Man ging nämlich daran, einen Gerichtshof, nämlich den Jugendgerichtshof
Wien, der weltweit, bis nach Japan und in die Vereinigten Staaten, ein
Vorzeigemodell für den Umgang mit Jugendkriminalität geworden ist, aus
völliger Willkür, ohne eine tatsächliche sachliche Begründung, auszuradieren,
abzuschaffen. Es gibt ihn nicht mehr, sagt Minister Böhmdorfer! – Das
umzusetzen, ist ihm auf Grund gesetzlicher Bestimmungen nicht gelungen. Es gibt den Jugendgerichtshof Wien immer noch!
Es gibt ihn. Er
ist zwar räumlich umgesiedelt worden – ich habe diese Umsiedelungsaktion aus
sachlichen Gründen, weil es eben um das Netzwerk der pflegschafts- und
bezirksgerichtlichen strafrechtlichen Zuständigkeit geht, immer heftig
kritisiert; es zeigen sich jetzt auch schon die Probleme, die dadurch
entstanden sind –, aber noch ist der Jugendgerichtshof existent, aber er
ist seit 1. Jänner dieses Jahres führungslos, denn der Präsident ist mit
65 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand übergetreten. Herr Minister
Böhmdorfer denkt jedoch nicht daran – das hat er der Öffentlichkeit
mitgeteilt –, diese vakante Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des
Jugendgerichtshofes auszuschreiben.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich erinnere Sie an Folgendes: Der Präsident des
Verfassungsgerichtshofes ist ebenfalls mit Jahresende in den Ruhestand getreten.
Sein Nachfolger wurde von genau dieser Regierung bereits im Oktober bestellt,
um Kontinuität zu wahren, um keine Lücken in der Führung des Gerichtshofes
entstehen zu lassen. Der Jugendgerichtshof hingegen ist seit 1. Jänner
führungslos. Es fehlt – und das ist mein Hauptargument dafür, dass das ein
Schaden für die Rechtsprechung ist – eine Arbeitskraft, es fehlt ein
Richter oder eine Richterin, der oder die ja auch in der Rechtsprechung tätig
werden könnte.
Sie müssen nämlich
wissen, dass der Jugendgerichtshof keine Einheit ist, wo es um Hunderte von
Posten geht, sondern dass er eine kleine, kompakte, schlagkräftige Einheit ist,
wo jede Arbeitskraft und jeder Arbeitsplatz notwendig sind. Das ist aber nicht
mehr der Fall auf Grund der Tatsache, dass es noch nicht einmal eine
Ausschreibung für den Posten des Präsidenten des Jungendgerichtshofes gibt,
geschweige denn ein Prozedere, wann dieser Posten nachbesetzt wird.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 25 |
Deshalb möchte ich
Ihnen folgenden Antrag nahe bringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Ausschreibung der vakanten Stelle des Präsidenten/der Präsidentin
des Jugendgerichtshofes
Der Nationalrat wolle beschließen:
Der Bundesminister für Justiz möge umgehend die zur Ernennung des
Präsidenten/der Präsidentin des Jugendgerichtshofes notwendigen Schritte
setzen und dem Nationalrat darüber berichten.
*****
Die Ernennung des Präsidenten/der Präsidentin bedeutet, dass in der
Rechtsprechung, in der Verwaltung die speziellen Aufgaben, die ein
Präsident/eine Präsidentin dort hat, auch wahrgenommen werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es gibt Stellvertreter, die die Geschäfte führen,
Frau Abgeordnete! Das sollten Sie wissen!) Die Frage der Stellvertretung
ist davon völlig unberührt. Den Stellvertreter des Präsidenten, den
Vizepräsidenten, hat es vorher gegeben und gibt es auch jetzt. Es gibt Urlaube,
es gibt Situationen, die immer einer Stellvertretung bedürfen. Jetzt geht es um
eine Position, die es nicht mehr gibt, wodurch die Kontinuität fahrlässig aufs
Spiel gesetzt wird.
Das ist, um die Absicht von Minister Böhmdorfer auch kundzutun, ein
weiterer Schritt in der Zerschlagung eines Meilensteines in der
justizpolitischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte in Österreich, denn das
ist der Jugendgerichtshof Wien. Das werden wir nicht dulden, und wir werden
auch nicht zulassen, dass es dazu kommt. Deshalb bitte ich Sie, diesem
Entschließungsantrag beizutreten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
10.09
Präsident Dr. Andreas Khol: Der Antrag von Frau Abgeordneter
Mag. Stoisits betreffend Ausschreibung der vakanten Stelle des
Präsidenten/der Präsidentin des Jugendgerichtshofes ist genügend unterstützt
und steht daher mit zur Verhandlung.
Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger.
Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.
10.10
Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Frau Bundesministerin!
Geschätzte Damen und Herren! Zunächst möchte ich folgenden Antrag einbringen:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Mag. Schweitzer und
Kollegen zum Initiativantrag 6/A der Abgeordneten Dr. Michael
Spindelegger, Mag. Karl Schweitzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz
1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Richterdienstgesetz und das
Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert werden (Besoldungs-Novelle 2003), in
der Fassung des Ausschussberichtes des Budgetausschusses (3 der Beilagen)
Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:
Der im Titel bezeichnete Initiativantrag (6/A) in der Fassung des
Ausschussberichtes (3 d.B.) wird wie folgt geändert:
In Artikel I wird in Ziffer 49d in Abs. 7 der Ausdruck
„§ 67“ durch den Ausdruck „§ 76“ ersetzt.
*****
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 26 |
Es handelt sich
dabei um einen Tippfehler. Ich bitte die Damen und Herren des Hauses, diesem
Abänderungsantrag zuzustimmen.
Meine Damen und
Herren! Ich möchte in meiner Rede kurz auf einige Fragen eingehen, die heute
erläutert wurden. Frau Kollegin Stoisits hat versucht, in ihren Ausführungen
sämtliche Fragen der allgemeinen Verwaltung, deren Behandlung ansteht, zu
beleuchten. Das traue ich mir in den wenigen Minuten, die mir jetzt zur
Verfügung stehen, nicht zu. Ich glaube außerdem, dass es jetzt, bevor die Regierungsverhandlungen
beginnen, auch nicht sinnvoll ist, da schon die endgültigen Linien zu
skizzieren. Viele der Probleme, die sie erwähnt hat, sind ernsthafte Probleme,
und darauf werden wir uns natürlich einstellen müssen.
Ich möchte zu dem
zurückkehren, was heute Gegenstand der Beschlussfassung ist, nämlich zum
Verhandlungsergebnis zwischen dem Bund und dem öffentlichen Dienst. Ich möchte,
da das alles nicht in einem Klima verlaufen ist, das von vornherein auf Konsens
ausgerichtet war, zunächst einmal den Unterschied zwischen den Verhandlungen,
die es da gegeben hat, und dem, was sich in anderen Ländern Europas abspielt,
markieren.
Ich finde, dass
die Verhandlungen in Österreich zwischen dem Bund, vertreten durch die Frau
Vizekanzlerin, und der Gewerkschaft öffentlicher Dienst durchaus hart waren und
über viele Phasen hinweg auch in der Öffentlichkeit durchaus in einer Dimension
geführt wurden, bei der klar war, dass jeder ganz bewusst seinen Standpunkt
klar vertritt. Aber sie waren im Unterschied zu Deutschland darauf gerichtet,
dass es ein Ergebnis gibt. Ich glaube, diese Zielstrebigkeit –
das müssen wir heute auch anerkennen – und dieses
Verantwortungsbewusstsein auf beiden Seiten haben diesen Abschluss mit
2,1 Prozent ermöglicht.
Das ist ein
Abschluss, der für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes durchaus eine
Dimension darstellt, die sie spüren, der aber auf der anderen Seite für den
Bund mit 205 Millionen € zwar keine Kleinigkeit ist, aber doch verkraftbar
erscheint.
Ich möchte daher
beiden Partnern – sowohl der Frau Vizekanzlerin als auch dem Chef der Gewerkschaft
öffentlicher Dienst – für ihr Verantwortungsbewusstsein, aber auch für
ihre Zielstrebigkeit und ihre Konsensbereitschaft durchaus danken. Ich darf
auch namens meiner Fraktion sagen, dass das wirklich vorbildhafte,
ergebnisorientierte Verhandlungen waren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg.
Scheibner.)
Einen zweiten
Punkt möchte ich anschneiden, der heute auch vielfach kritisiert wurde, nämlich
die Änderungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes.
Meine Damen und
Herren! Wir haben in unserer staatlichen Verwaltung ein System, das all diese
Fragen bis ins Detail regelt. Das ist nichts Neues. Wenn es jetzt um eine
bestimmte Position im Innenministerium geht, bei der alles Mögliche
hineingeheimnist wird, dann ersuche ich Sie: Nehmen Sie es so, wie es im Gesetz
steht und wie es gemeint ist! Es soll mit dieser Änderung eine zeitlich
begrenzte Funktion geben, die es auch einem Exekutivbeamten ermöglicht, in eine
solche Führungsposition aufzurücken. Das halte ich für gut und für sinnvoll,
denn wir wollen in den Ministerien nicht nur Beamte der allgemeinen Verwaltung
in Führungspositionen sehen, sondern durchaus auch Exekutivbeamte, die von der
Praxis kommend im Ministerium eine solche Führungsposition ausüben. – Das
ist damit gemeint, und ich glaube, dem kann man durchaus zustimmen.
Zum Dritten möchte
ich noch auf einen Punkt eingehen, den die Frau Vizekanzlerin angesprochen
hat, nämlich zum geplanten Österreich-Konvent. Dazu habe ich eine andere
Meinung als Sie, Frau Vizekanzlerin. Ich glaube, es erfordert eine breite
Mehrheit in diesem Haus, wenn man etwas am Bundesstaat ändern will. Es
erfordert darüber hinaus auch einen breiten Konsens, und ein breiter Konsens
kann nur dann erzielt werden, wenn alle in Dialogbereitschaft an einem Tisch
sitzen.
Daher halte ich den Vorschlag, den Herr Präsident Khol gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesrates gemacht hat, nämlich, dass man einen Österreich-Konvent ins Leben rufen soll, bei dem all die – auch juristisch diffizilen – Fragen einmal erörtert werden und von allen Part-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 27 |
nern Vorschläge auf den Tisch gelegt
werden sollen, für sehr sinnvoll, denn ich glaube, dass dann, wenn wir etwas in
dieser Richtung ändern wollen, alle Partner mit am Tisch sitzen müssen. Daher
begrüßen wir das auch, und ich finde, dass es ein guter Anfang ist –
denken Sie an den Europa-Konvent! –, wenn wir auch in Österreich einen solchen
Konvent ins Leben rufen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Scheibner
und Mag. Mainoni.)
Meine Damen und
Herren! Ich denke, dass das heute vorliegende Gesetzeswerk, das wir beschließen
sollen, durchaus auf eine breite Zustimmung stoßen wird. Ich finde, dass das
auch ein guter Anfang für diese Legislaturperiode ist. Es gab ausreichende gute
Verhandlungen dazu, und es gibt ein Ergebnis, das sich durchaus sehen lassen
kann. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
10.15
Präsident Dr. Andreas Khol:
Der
Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Mag. Schweitzer
und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Zum Wort gelangt
Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.
10.15
Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau
Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Da Frau Abgeordnete
Stoisits beziehungsweise die Grünen einen Entschließungsantrag in Bezug auf den
Jugendgerichtshof eingebracht haben, möchte ich dazu kurz Stellung nehmen.
Der
Jugendgerichtshof besteht aus elf Richtern auf Landesgerichtsebene und fünf
Richtern auf Bezirksgerichtsebene, ist damit praktisch unser kleinstes Gericht
und hat eine historische Bedeutung gehabt. Diese hat er in den letzten Jahren
mit der zunehmenden Modernisierung der Jugendgerichtsbarkeit weitestgehend
verloren.
Die Übersiedlung
des Jugendgerichtshofes ist dadurch bedingt gewesen – und nach wie vor dadurch
bedingt und begründet –, dass im Bereich des Jugendgerichtshofes durch
Überbelag gesetzwidrige, menschenrechtswidrige Zellen entstanden sind. Das hat
der Präsident des Jugendgerichtshofes mitzuverantworten, das ist auch in die
öffentliche Diskussion eingegangen und ist allgemein bekannt.
Aus diesem Grunde
musste davon Gebrauch gemacht werden, dass es frei werdende Räumlichkeiten im
Landesgericht für Strafsachen Wien gab, die nun dazu verwendet werden, dass die
Richter dorthin übersiedelt werden. Mit den Richtern, Frau Abgeordnete Stoisits,
ist im Gegensatz zu Ihrer Darstellung das gesamte so genannte Netzwerk
übersiedelt worden. Alle haben dort die gleichen Einrichtungen, die sie bisher
zur Verfügung hatten.
Auch die
Staatsanwaltschaft und die Jugendgerichtshilfe sind mit übersiedelt. Die
Jugendlichen haben die gleichen Arbeitsmöglichkeiten, sie haben sogar bessere
Ausbildungsmöglichkeiten. Ihre Verwahrung erfolgt völlig getrennt von der
Verwahrung der Erwachsenen. (Die Abgeordneten Parnigoni und Reheis:
Stimmt nicht!) – Das ist richtig!
Dass natürlich
unter Umständen ein Jugendlicher, begleitet von einem Justizwachebeamten, an
einem Erwachsenen vorbeigeführt wird, ist keine unzulässige
Vorgangsweise. Eine solche Begegnung ist nicht unzulässig. Das ist an sich
physikalisch unvermeidlich. Das ist das gesamte Problem, und das wird von Ihnen
falsch dargestellt. (Widerspruch bei der SPÖ.)
Ich bitte um
Verständnis dafür, dass diese richtige Übersiedlungsmaßnahme nicht geändert
wird, dass davon nicht abgegangen wird.
Es wäre außerdem
sinnlos, jetzt einen Präsidenten zu bestellen, da es der gemeinsame Koalitionswille
ist, diesen Gerichtshof als Organisationseinheit aufzulösen. Ich möchte meinen
allfälligen Nachfolger als Justizminister in dieser Frage natürlich nicht
präjudizieren. Aber es ist ein Akt der Fairness, den Jugendgerichtshof vorläufig
von seinem Vizepräsidenten führen zu lassen. Das ist auch richtig, und ich
bitte um Verständnis dafür.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 28 |
Dieser Antrag der
Grünen bringt nichts. Er ist meiner Meinung nach polemisch und
unrichtig. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
10.19
Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort
gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Wunschgemäß stelle
ich die Uhr auf 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
10.19
Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr
Bundesminister! Hohes Haus, Sie gestatten mir, dass ich ganz kurz auf die
Ausführungen meiner Vorrednerin, Frau Kollegin Stoisits, eingehe, die hier
davon sprach, „wie mit den menschlichen Ressourcen umgegangen wird“, die
gemeint hat, dass es ein „Gesamtmobbing gegenüber Beamtinnen und Beamten“ gebe,
und sie hat erklärt, dass „gefuhrwerkt“ werde, und hat Ausdrücke verwendet,
die ich in ihrer Fülle gar nicht wiederholen will. Beamte würden angeblich
gegen ihren Willen auf die Straße gesetzt.
Frau Abgeordnete,
Sie haben versucht, hier ein Schreckensbild darzustellen. Das ist eine Wahrnehmung,
die Sie möglicherweise sehr selektiv gewonnen haben, die sich aber für mich
nicht bestätigt.
Tatsache ist, dass
der Abbau von Beamten, wie ich meine, sozial sehr verträglich und einvernehmlich
erfolgt ist. – Das sind meine Wahrnehmungen. Ich stelle fest, dass es den
Grünen offensichtlich um eine Beibehaltung des gesamten bestehenden Systems
geht, ohne den Willen zur Veränderung, also um eine Erstarrung.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Nun komme ich zur Umsetzung des Ergebnisses der Verhandlungen
zwischen Bund und der Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Ich darf hierzu der
Vizekanzlerin meinen Glückwunsch aussprechen, weil mit dieser Form eine sehr
soziale Regelung gelungen ist. Es sind davon immerhin
286 000 öffentlich Bedienstete betroffen.
Der Beschluss, den
wir heute fassen, wird rückwirkend Gültigkeit haben, nämlich mit 1. Jänner
dieses Jahres.
Es wurde schon
erwähnt, dass ein Sockelbetrag beziehungsweise ein Betrag von mindestens
30 € für die Bezieher der unteren Einkommen vorgesehen ist; und zwar für
all jene Personen, die unter der Bezugsgrenze von 1 765 € liegen.
Dies ist besonders gerecht, wie ich meine, und es wäre für die Freiheitlichen
auch durchaus vorstellbar gewesen, diesen Fixbetrag auf eine größere Zahl von
Beziehern auszudehnen. Auf jeden Fall erhalten die erwähnten Einkommensbezieher
einen höheren Betrag beziehungsweise einen höheren Anteil als 2,1 Prozent.
Noch offen ist die
Inflationsabgeltung für das Jahr 2002, wobei – sofern ich richtig
informiert bin – eine Abgeltung für 2002 in der Höhe von 0,8 Prozent
bereits erfolgt ist. Die Teuerungsrate liegt nun vor, und es wird diesbezüglich
entsprechende weitere Gespräche betreffend Einmalabgeltung geben.
Was die
Teuerungsrate anlangt, so lässt sich sagen, dass wir im europäischen Vergleich
unter dem Durchschnitt der Teuerung liegen. Der europäische Durchschnitt liegt
bei 2,2 Prozent.
Es ist dies, wie
ich meine, eine neue Qualität bei der Umsetzung dieser Besoldungsregelung, so
wie es viele neue Qualitäten im Laufe der vergangenen Periode dieser
Regierungszeit von Blau und Schwarz gegeben hat. Dabei geht es aber um Reformen,
die nicht abgeschlossen sind, sondern einer Fortführung bedürfen.
Es wurde bereits
erwähnt, dass im Zuge der Verwaltungsreform eine Einsparung von rund
1 Milliarde Schilling erzielt werden konnte. Es ist aber notwendig, diese
Reformen weiter voranzutreiben. Die Bundesstaatsreform wurde bereits
angesprochen. Es wurde auch ein Appell an die Länder gerichtet, Bereitschaft
zur Umsetzung zu zeigen, Bereitschaft zu signalisieren und diese
Bundesstaatsreform in Angriff zu nehmen.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 29 |
Eine Reform
bedeutet aber prinzipiell Veränderungen, und das heißt, dass man grundsätzlich
Gesprächsbereitschaft zeigen muss, um über eine seriöse Diskussion zu
bestmöglichen Lösungen für das Land und für seine Bürger zu kommen. Es ist
wenig dienlich, mit Schlagworten zu argumentieren und sinnvolle Maßnahmen zu
verteufeln, nämlich hier mit einer Verteufelung des politischen Mitbewerbers
beziehungsweise der Regierungsparteien anzutreten. Ein Einzementieren macht in
diesem Falle wenig Sinn.
Es ist schon von
meinen Vorrednern das Thema angesprochen worden, einen Österreich-Konvent
einzurichten. Das bringt aber wenig, wenn man keine Gesprächsbereitschaft
signalisiert, sondern sich mit Fixstandpunkten einzementiert.
Lassen Sie mich
ein Beispiel anführen – dies ist an die sozialistische Fraktion dieses
Hohen Hauses gerichtet –: Wenn Sie von der SPÖ immer davon sprechen, dass
eine unabdingbare Voraussetzung für Ihre Regierungsbeteilung beispielsweise die
Abschaffung der Studiengebühr ist, dann sollten Sie den Bürgern aber auch die
Wahrheit sagen. Wer nämlich im Wahlkampf Ihre Internetseite beobachtet hat, der
konnte feststellen, was Sie im Schilde führen. Sie verteufeln unsere
Maßnahmen, nämlich die Einführung der Studiengebühr, die sich positiv ausgewirkt
hat, aber gleichzeitig sagen Sie der Bevölkerung nicht –
aber es war auf der Internetseite nachzulesen, die Sie dann rasch wieder
entfernt haben –, dass Sie für eine Abschaffung der Kinderbeihilfe
für Studentinnen und Studenten sind! Jeder kann sich ausrechnen, dass dies ein
Vielfaches der Studiengebühr ausmacht. (Widerspruch der Abgeordneten Binder
und Heinisch-Hosek.) – Das war Ihre Zukunftsplattform, Frau
Kollegin, da Sie es offenbar in Abrede stellen. Es waren auch die Namen der
Mitwirkenden dieser Zukunftsplattform im Internet ersichtlich.
Es wurde heute
bereits die wichtige Achse zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft
angesprochen.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Eine Reorganisation, eine Neustrukturierung der öffentlichen
Verwaltung, ein Bürokratieabbau ist eine Notwendigkeit für die Wirtschaft
dieses Landes, und zwar einerseits zur Sicherung der bestehenden, aber
andererseits vor allem auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, um den
Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft im internationalen Wettbewerb
gerecht werden zu können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
10.26
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr
Abgeordneter Jakob Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung:
6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
10.26
Abgeordneter
Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Frau
Vizekanzlerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs auf
den Beitrag des Kollegen Kogler eingehen. – Ja, es ist tatsächlich
interessant, was alles zu ändern ist, wenn auf eine Führungsfunktion jemand
berufen wird, der aus der Praxis des Exekutivdienstes kommt.
Meine Damen und
Herren! Wir beklagen uns über die Bürokratie, über die Gesetzesproblematik. Da
wäre es wohl einmal notwendig, hier gewisse Änderungen vorzunehmen. Wir sollten
doch froh sein, wenn es die Chance gibt, dass erfahrene Leute aus der Praxis
auch in Führungsfunktionen Positionen erhalten, um auch diese Praxis mit
einzubringen.
Meine Damen und
Herren! Wenn ein Jurist auf eine derartige Leiterstelle berufen wird, dann ist
das kein Problem. Da frage ich mich: Was soll das? Da ist Änderungsbedarf
gegeben! Ich gestehe, Herr Kollege Kogler, einem Bundesminister schon auch zu,
eine effiziente Struktur zu schaffen, ja das ist sogar selbstverständlich! Das
ist ja letztlich seine Aufgabe, meine Damen und Herren, und Herr Bundesminister
Strasser ist dieser Aufgabe nachgekommen.
Bemerkenswert – davon spricht aber niemand – ist auch Folgendes: 56 Führungsfunktionen wurden neu besetzt, 55 im Einvernehmen, und nur eine einzige steht unter öffentlicher Kritik, obwohl dies nicht mehr kostet, obwohl sich in der Besoldung nichts ändert. Dem Kollegen, der
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 30 |
sich da betroffen fühlt,
steht ja der Rechtsweg offen. Eine Berufung ist möglich. Ich bin gespannt,
welche Gründe dagegen angeführt werden.
Ich halte es für
wichtig, dass ein Bundesminister so wie ein Firmenchef die Führungsebenen so
besetzt, dass diese Personen sein Vertrauen haben, dass er sicher ist, dass
eine effiziente Struktur gegeben ist, dass neue Strukturen angegangen und
Reformen umgesetzt werden – nicht mehr und nicht weniger, meine Damen und
Herren. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Ich gestehe – und das soll auch klar gesagt werden –, die
Frau Vizekanzlerin hat durchaus erfolgreich Reformen umgesetzt. Dafür ist ihr
zu danken, aber auch der zuständigen Personalvertretung, Herrn Kollegen
Neugebauer. Aber beiden wird in Zukunft etwas fehlen, nämlich das erfolgreiche
Visavis. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Natürlich, der Standort bestimmt den Standpunkt. Eigentlich ist es ja
verwunderlich, wie die öffentlich Bediensteten, die großartige Arbeit leisten,
die vielen Aufgaben immer bewältigen – in Anbetracht der
Gesetzesmaschinerie, der Gesetzesflut in Österreich. Ich finde, wir sollten
durchaus auch einmal im eigenen Haus darüber nachdenken, die Gesetze lesbarer
und einfacher zu gestalten und vielleicht auch zurückhaltender in der
Beschlussfassung zu sein. Dem Bürger auf der einen Seite zu sagen, ein
Bürokratieabbau ist nötig, und eine Eindämmung der Gesetzesflut zu fordern,
aber wenn es Sie selber betrifft, zu schreien: Da muss ein Gesetz her!, das
wird nicht funktionieren, meine Damen und Herren!
Liebe Kollegin
Partik-Pablé! Ich bedauere es, dass Sie von den Landeshauptmännern als von
„Landesfürsten“ gesprochen haben. Ich glaube, Kollege Schweitzer sprach davon,
dass es ein Match gegen die Bundesländer gebe. – Ich halte nichts von
derartigen Formulierungen. Wir sollten versuchen, gemeinsam mit
den Bundesländern und den Landeshauptleuten vernünftige Regelungen zustande zu
bringen!
Ich nenne Ihnen
ein Beispiel: Oberösterreich hat ein neues Gehaltssystem. Dort hat es gravierende
Änderungen im Einvernehmen mit der Personalvertretung gegeben: Alle
Landesbediensteten sind nunmehr in einem Schema, es gibt keine Differenzierung
mehr in Beamte, VB, Angestellte oder Arbeiter. Damit wird gleicher Lohn bei
gleicher Aufgabe sichergestellt. Dienstpostenbewertungen gibt es in Hinkunft
nicht nur für die Beamten, sondern auch für die Vertragsbediensteten. Die
Zulagen wurden reduziert: Es gibt nur mehr eine Gehaltszulage
sowie die Nebengebühren wie Überstunden- und Gefahrenzulage – sonst
nichts, meine Damen und Herren! Entscheidend ist auch, dass es deutlich
flachere Gehaltskurven, höhere Einstiegsbezüge und dafür am Ende der Laufbahn
auch eine dementsprechende Absenkung der Endbezüge gibt.
Meine Damen und
Herren! Landeshauptmann-Stellvertreter Hiesl hat gemeinsam mit der Personalvertretung
eine neue Besoldungsreform, ein Gehaltssystem umgesetzt, das vielleicht auch
auf die Bundesebene übertragbar wäre.
Genauso ist es
auch bei der Pensionsreform, meine Damen und Herren! Da sollte man vielleicht
auch die positiven Beispiele aus den Bundesländern heranziehen und das Beste
daraus übernehmen, anstatt gegen die Bundesländer zu polemisieren oder den
Gemeinden und den Bundesländern zuzurufen, sie hätten so und so viele,
Zigtausende Beamte, Angestellte und so weiter abzubauen. Man muss die Gemeinden
das Sparen nicht lehren – die sind es von jeher gewohnt, meine Damen und
Herren! Das sei hier einmal klargestellt.
Lassen Sie mich
abschließend noch Folgendes anmerken: Es wurde von der Frau Vizekanzlerin
darauf hingewiesen, dass der öffentliche Dienst die Visitenkarte des Staates
sei. Daher sei es auch notwendig, eine vernünftige Besoldung zu haben. Diese
Gehaltsnovelle entspricht dieser Anforderung, und diese Visitenkarte des
österreichischen Staates, nämlich der öffentliche Dienst, ist mehr als
herzeigbar! Dafür sei allen herzlich gedankt. (Beifall bei der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 31 |
10.32
Präsident Dr. Andreas Khol:
Als letzte Rednerin
dazu ist derzeit Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort gemeldet. Freiwillige
Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.
10.32
Abgeordnete Dr. Gabriela Moser
(Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine
Damen und Herren und, ganz besonders, meine neuen Kolleginnen und Kollegen! Sie
wissen gar nicht, dass es wesentlich ist, über zwei Punkte hier noch eine Klarstellung
vorzunehmen:
Erstens: Herr
Minister Böhmdorfer, beim Jugendgerichtshof geht es nicht um die Frage der Überbelegung,
sondern es geht um den Fortbestand einer bewährten Institution
in der Strafvollziehung. (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Wenn es um die
Überbelegung ginge, dann müssten Sie ohnedies neuen Raum schaffen. Ihre
Gefangenentransfers führen ja wieder dazu, dass Gefangene von der Josefstadt
zurück in die Rüdengasse kommen. Das ist sozusagen ein Austausch der
Überbelegung. Insofern stimmt Ihre Argumentation hinten und vorne nicht.
Ich weiß auch
nicht, inwieweit es stimmt, dass an dem Gebäudekomplex in der Rüdengasse ein
gewisser Herr Dritter Nationalratspräsident Prinzhorn Interesse hat. Das ist in
den Medien nachzulesen und sollte einmal klargestellt werden.
Die zweite
Klarstellung betrifft Artikel 5 des heute zur Abstimmung vorliegenden
Kompendiums. Dieser Artikel 5 ist mehr oder weniger die Legitimierung und
die Legalisierung einer vor allem von Seiten der Freiheitlichen vorgenommenen
Personalrochade zu ihren Gunsten. Es wurde in den Sektionen blau
eingefärbt. – Zwei Beispiele – ich entnehme sie aus meinem eigenen
Arbeitsbereich –:
Herr
Bundesminister Böhmdorfer, Sie haben einen bewährten Sektionschef, der sich in
KonsumentInnenfragen ausgezeichnet auskennt (Abg. Mag. Mainoni: Fixieren Sie nicht uns! –
Abg. Scheibner: Mich dürfen Sie da
nicht ...!), mit der „Aktion 55“ in die Wüste geschickt. Jetzt
müssen Sie hier per Artikel 5, betreffend Änderung des
Beamten-Dienstrechtsgesetzes, die Agenden dieser Sektion III neu
formulieren, und Sie haben jetzt als für Konsumentenschutzangelegenheiten
zuständigen Sektionschef einen Herrn, der sich vielleicht bei Budgetfragen und
im Bereich Bauten auskennt, aber nicht im Konsumentenbereich.
Das zweite
Beispiel: Herr Minister Haupt! Sie haben die Sektion IX einfach aufgelöst,
um für einen ehemaligen freiheitlichen Gemeinderat eine Sektionschef-Stelle zu
erhalten, und haben damit das Aufgabengebiet „Lebensmittelsicherheit“ in die
Agenden der Sektion VII, in den Gesundheitsökonomiebereich geschoben. Das
passt inhaltlich hinten und vorne nicht zusammen, und wir haben vor allem
angesichts des Problemkreises, der im Hinblick auf die Europäische Union
existiert, in unserem Ministerium keine Ansprechpartner mehr. (Beifall bei den Grünen.)
Meine Kolleginnen
und Kollegen vor allem vom Bauernbund, die Sie sehr zahlreich heute als neue
Abgeordnete hier an einer entscheidenden Sitzung teilnehmen, bitte halten Sie
sich vor Augen, wofür Sie heute stimmen: für etwas, was die alte Regierung,
Schwarz-Blau, personalpolitisch völlig verfahren hat! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis.)
10.35
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort hat sich
nunmehr Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer gemeldet. Ich erteile es ihm.
10.35
Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter
Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und
Herren des Hohen Hauses! Angesichts dieser beharrlichen Realitätsverweigerung,
Frau Abgeordnete (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser, die auf eine von ihr in die Höhe gehaltene schriftliche
Unterlage verweist), muss ich mich noch einmal – ganz kurz, ich
verspreche es – zu Wort melden.
Jedem
Landesgericht ist zwingend eine Justizanstalt angeschlossen. Das gilt auch für
den Jugendgerichtshof. Die Zellen des Jugendgerichtshofes haben nur acht
Quadratmeter Größe. Nach der Anti-Folter-Konvention dürfen darin nicht zwei
Gefangene untergebracht werden.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 32 |
Genau dieser Fall
ist eingetreten, weil wir für die jungen Erwachsenen die Privilegien des
Jugendstrafrechtes modernerweise erweitert haben. Bitte nehmen Sie das endlich
zur Kenntnis!
Deshalb haben wir
angemessene, moderne, zeitgemäße Unterbringungsmöglichkeiten für die
Jugendlichen und für die jungen Erwachsenen suchen müssen. Diese haben wir in
der Justizanstalt Josefstadt im so genannten Trakt E und im Trakt D
gefunden und entsprechend umgebaut. Dort werden jetzt 160 Jugendliche und
junge Erwachsene getrennt von Erwachsenen im Strafvollzug untergebracht. Jetzt
haben wir endlich menschenrechtskonforme Unterbringungsmöglichkeiten.
Warum ist Ihnen
diese Erkenntnis nicht die Bereitschaft wert, diese Tatsache auch zuzugestehen? –
Das ist das eine.
Was das Engagement
der Richter des Jugendgerichtshofes anbelangt, so ist dieses meines Erachtens
steigerungsfähig. Wir haben sehr wenige Diversionsfälle in Wien, es gibt viel
mehr im restlichen Gebiet der Bundesländer. Ich könnte Ihnen diesbezüglich
jetzt auch noch viele andere Dinge nennen, aber ich will Ihre Zeit nicht zu
sehr in Anspruch nehmen.
Eines betone ich
nochmals: Das gesamte Netzwerk ist mit übersiedelt, die Jugendgerichtshilfe
sogar in das Gebäude selbst; sie ist also jetzt näher bei der
Jugendgerichtsbarkeit, als sie es jemals war. Es gibt an dieser ganzen Aktion
wirklich keine berechtigte, sachliche Kritik. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des
Abg. Dr. Schüssel.)
10.38
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zum Wort ist dazu
niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Der Herr
Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.
Wir gelangen zur Abstimmung
über den Gesetzentwurf in 3 der Beilagen.
Hiezu hat Herr
Abgeordneter Pendl ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich Artikel 5
des Gesetzentwurfes gestellt.
Ferner haben die
Abgeordneten Dr. Spindelegger, Mag. Schweitzer, Kolleginnen und
Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Korrektur eines
Tippfehlers zum Inhalt hat.
Ich werde zunächst
über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und
schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des
Gesetzentwurfes unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages
abstimmen lassen.
Wir gelangen
nunmehr zur getrennten Abstimmung über Artikel 5 in der Fassung des Ausschussberichtes.
Ich ersuche jene
Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das
ist die Mehrheit. Angenommen.
Ich lasse nunmehr
über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt
Titel und Eingang in 3 der Beilagen unter Berücksichtigung des
Abänderungsantrages der Abgeordneten Spindelegger, Schweitzer, Kolleginnen und
Kollegen abstimmen.
Ich ersuche jene
Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein diesbezügliches
Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen
sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf
eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum einstimmig
angenommen.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 33 |
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der
Abgeordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Ausschreibung der vakanten Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des
Jugendgerichtshofes.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.
2. Punkt
Bericht des
Budgetausschusses über den Antrag 10/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek,
Dr. Andreas Khol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche
Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert
werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – SVÄG 2003)
(4 der Beilagen)
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wir gelangen
nunmehr zum 2. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche
Berichterstattung wurde verzichtet.
Zum Wort gemeldet
ist als erster Redner Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung:
10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
10.40
Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Hohes Haus! Bei den Gesprächen zur Bildung einer neuen
Bundesregierung geht es vor allem darum, das Erreichte, nämlich all das, was
wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten aufgebaut und geschaffen haben, zu
festigen und zu sichern und auch für die Zukunft zu erhalten.
Um diese großen
und wichtigen Ziele zu erreichen, brauchen wir eine klare Ausrichtung, brauchen
wir Mut und in vielen Bereichen der Politik, der Wirtschaft und auch unseres
Lebens einfach einen neuen Zugang. Vieles, was uns wertvoll ist, ist kritisch
zu hinterfragen, sehr vieles zu überdenken und neu zu ordnen. Es geht einfach
darum, Stabilität zu sichern, den Wirtschaftsstandort zu festigen, denn nur
dann können wir auch morgen mit einer guten Beschäftigung rechnen und nur dann
bleibt die Ertragslage des Staates in Ordnung. Nur so können wir auch den
erworbenen Wohlstand halten und die Zukunft positiv gestalten.
In den
Sachbereichen geht es um die Staatsfinanzen. Es muss jedem klar sein, dass wir
auf Dauer nicht mehr ausgeben können, als die Volkswirtschaft letzten Endes
erwirtschaftet. Das geht auch privat nicht, das hält keiner aus. Unser Ziel
ist: Wir wollen, so gut es geht, keine neuen Schulden machen. Wir haben genug
Arbeit aus der Vergangenheit zu bewältigen.
Es geht, wie heute
schon aus mehreren Beiträgen zu hören war, um die öffentliche Verwaltung, um
eine so genannte Bundesstaatsreform. Die Bundesverfassung des Jahres 1920
ist auf Grund der vielen Novellen heute nicht mehr in allen Bereichen
verständlich und auch effizient. Darüber muss eine Diskussion stattfinden, die
viel Kultur, aber auch viel Fachwissen braucht. Es geht um die Frage, wie die
Aufgabenteilung zwischen den Gebietskörperschaften in Zukunft sein wird.
Es geht auch um
Sicherheitspolitik, um die zivile und um die militärische Sicherheit unseres
Landes. Da kann man ohne weiteres unterschiedlicher Meinung sein. Wer sich
heute die Weltpolitik anschaut, der muss wissen, dass es da keinen Spielraum
gibt. Da ist Ernsthaftigkeit gefordert. Da geht es nicht darum, das eine oder
andere durchsetzen oder verhindern zu wollen, nein, es geht um Sicherheit für
uns alle und in jeder Situation! (Beifall bei der ÖVP.)
Es geht auch
darum, dass wir uns auf Entwicklungen und Prozesse vorbereiten, die wir vielleicht
gar nicht ahnen können – so etwas hat es auf dieser Welt bereits gegeben.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 34 |
Es geht darüber
hinaus um Bildungspolitik, darum, den neuen Anforderungen in der Arbeitswelt zu
entsprechen, um die Notwendigkeit, im Wettbewerb zu bestehen, und es geht um
Chancengleichheit.
In dieser
Diskussion geht es natürlich auch um den Sozial- und den Gesundheitsbereich.
Dabei ist es vor allem wichtig, dass wir auf fundamentale Veränderungen Bezug
nehmen.
Hohes Haus! Meine
Damen und Herren! Ist uns klar, dass die Lebenserwartung seit dem
Jahre 1970 um sieben Jahre gestiegen ist, seit dem Jahr 1990 um
weitere zwei Jahre? Man könnte sagen, dass das eine Frohbotschaft ist; sie
macht aber Maßnahmen erforderlich.
Es geht um eine
bessere Ausbildung, es geht, dadurch bedingt, um einen späteren Eintritt ins
Berufsleben, es geht um eine dadurch erfolgte Verkürzung der Lebensarbeitszeit.
Das müssen wir sehr klar sehen: Wir haben seit dem Jahr 1970 durch die
bessere Ausbildung und den späteren Eintritt ins Berufsleben sowie durch den
früheren Übertritt ins Pensionsalter sieben Jahre an Lebensarbeitszeit
verloren. Es geht auch um die Verlängerung der Versorgungszeit.
Darauf sind
Antworten gefragt! Wer sich damit beschäftigen will, dem kann ich eine
Statistik aus dem Hauptverband empfehlen. Ich ziehe für einen Vergleich das
Jahr 1970 und das Jahr 2001 heran: Im Jahr 1970 erfolgte der
Pensionseintritt der Frauen im Alter von 61 Jahren, die Versorgungszeit
betrug 15 Jahre. Im Jahr 2001 erfolgte der Eintritt der Frauen in die
Pension mit 57 Jahren, und die Versorgungszeit betrug 26 Jahre. Bei
den Männern erfolgte im Jahr 1970 der Eintritt in die Pension mit
62 Jahren, die Versorgungszeit betrug 13 Jahre. Heute erfolgt der
Eintritt mit 58,7 Jahren, und die Versorgungszeit beträgt 20 Jahre.
Es ist einfach
notwendig, dass wir diesbezüglich klare Entscheidungen treffen, um auch die
Glaubwürdigkeit zu sichern. Es geht darum, den Generationenvertrag zu erhalten.
Sehr viele junge Leute fragen uns, wie wir denn überhaupt denken und ob wir
nicht doch schon auch an sie denken, an die, die die Beiträge zu zahlen haben
werden und die auf Grund der demographischen Entwicklung immer weniger werden,
und an das Verhältnis von diesen zu denjenigen, denen wir die Leistung sichern
müssen – auch in fünf Jahren, auch in zehn Jahren.
Ich denke, dass
wir gerade daran klar erkennen müssen, dass das staatliche System allein auf
Dauer nicht mehr ausreichen wird. Wir werden ein duales System brauchen, also
auch eine Privatvorsorge, wo natürlich Sicherheit geboten werden muss. Und es
geht auch darum, neue Wege zu finden. Wir haben das in der vergangenen
Gesetzgebungsperiode getan, nämlich durch die Schaffung der
Mitarbeitervorsorge, eines beispielgebenden sozialpolitischen Projektes für
ganz Europa, für alle unsere Mitbewerber. (Beifall bei der ÖVP.)
Das war die Arbeit
dieser Regierung, und das war eine besondere Leistung der letzten Gesetzgebungsperiode.
Wir haben in den
vergangenen Jahren laufend Pensionsreformen beraten. Ich erinnere mich, dass
die Sozialminister auf der Regierungsbank, wo immer sie auch herkamen, sagten:
Das ist eine ganz entscheidende Reform, und es ist nach menschlichem Ermessen
die letzte in den nächsten zehn oder 15 Jahren. – So lautete die
Mitteilung des Jahres 1995, die Mitteilung des Jahres 1997 und auch
jene des Jahres 2000.
Es waren schon
maßgebliche Reformen, sie waren nur zu wenig weit reichend und zu wenig tief
greifend. Deshalb sind weitere Maßnahmen wichtig, so etwa die Anhebung des
gesetzlichen Pensionsalters. Nicht gleich sagen: Da fallen Leute in die soziale
Krise! – Es geht einfach darum, das Mindestalter für die vorzeitige
Alterspension bei langer Versicherungsdauer anzuheben, um das Ganze
finanzierbar zu halten. Es geht natürlich auch darum, begleitende Maßnahmen
auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, Aus- und Weiterbildung zu sichern. Ich denke,
dass das ganz wichtig ist.
Denken wir in diesem Zusammenhang bitte auch daran, dass Menschen oft im Berufsleben bleiben wollen! Wir müssen ihnen die Möglichkeit dazu bieten. Wir dürfen auf Dauer auf diese Ressource der Erfahrung, der Mitarbeit, der Lebensweisheit nicht verzichten! – Das sind
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 35 |
Fragen, die im Rahmen der nächsten Pensionsreform
auch zu berücksichtigen sind. (Beifall bei der ÖVP.)
Es geht uns darum,
ein einheitliches System mit gleichen Durchrechnungszeiträumen, womöglich auch
mit der Ausrichtung auf einen Lebensdurchrechnungszeitraum, zu schaffen.
Es geht mir
weiters darum, den Invaliditätsbegriff für alle Berufsgruppen gleichzuschalten.
Meine Damen und
Herren! Ich kann niemandem erklären, dass es in den unterschiedlichen Berufsgruppen
auch unterschiedliche Zugangsbestimmungen zur Invaliditäts- oder Erwerbsunfähigkeitspension
gibt. Krank ist krank! Wenn jemand krank ist, dann muss man das verstehen und
muss ihm auch die Möglichkeit bieten, das Sozialsystem – in diesem Fall
das Alterssicherungssystem – anzusprechen. – Das sind
Grundausrichtungen, die wir vorzunehmen haben.
Wir alle wissen,
dass die Europäische Union den Deutschen große Vorgaben macht und sie
diszipliniert und den Franzosen einiges vorgibt, was ihre Gesamtbudgetpolitik
betrifft. Uns hat man die höfliche Mitteilung gemacht, dass wir endlich
darangehen müssen, unser Pensionssystem den europäischen Normen anzupassen.
Wir sind da weit vorne. Das gönne ich jedem, aber ich darf die Frage stellen, ob
wir das auf Dauer so lassen können. Die klare Antwort lautet: Nein! Wir müssen
vielmehr mit Augenmaß, mit Mut und mit Engagement, aber auch mit Sachkenntnis
diese Dinge verändern. Dazu sind wir alle aufgefordert – egal, woher wir
kommen, und egal, wo wir stehen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe!
Heute liegt ein
Gesetzesantrag vor, den Ausgleichszulagenrichtsatz, nämlich jenen für Ehepaare,
um 7,3 Prozent anzuheben. Er beträgt somit das Eineinhalbfache des
Einzelrichtsatzes. Damit haben wir erreicht, dass die Armutsschwelle
überschritten ist, dass wir auch diesen Menschen eine gediegene
Grundversorgung geben.
In diesem
Zusammenhang möchte ich auch einmahnen, dass in Folge die Anrechnungsbestimmungen
beim fiktiven Ausgedinge, das über alle Systeme wirkt, neu zu überdenken sind.
Es geht darum, dass wir den 227 000 Ausgleichszulagenbeziehern –
das sind 8 Prozent der Pensionisten in Österreich – auch da eine
neue Basis geben, vor allem jenen 37 000 Ehepaaren, die quer durch
alle Systeme Ausgleichszulagenbezieher sind.
Ich denke, dass
dieser Gesetzesantrag der sozialen Symmetrie und Gerechtigkeit voll entspricht,
finanzierbar ist – wir brauchen etwa 25 Millionen €
dafür –, dass er die Glaubwürdigkeit des Systems vielleicht doch etwas
stärkt und vielleicht auch die Berechenbarkeit etwas sachlicher erscheinen
lässt. (Beifall bei der ÖVP.)
10.51
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau
Abgeordnete Mag. Lapp. Die Redezeit wird wunschgemäß auf 10 Minuten
eingestellt. – Bitte.
10.51
Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mein Vorredner
hat unter anderem über die großen Herausforderungen an die nächste Bundesregierung
gesprochen. Erstaunlich und auch irgendwie bezeichnend war meiner Meinung nach
dabei, dass er die Situation, die es derzeit auf dem Arbeitsmarkt gibt, nur in
einigen Nebensätzen erwähnt und der Arbeitslosigkeit und der Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit nur ein paar Sätze gewidmet hat.
Es ist doch das
Wichtigste in einer Gesellschaft einer westlichen Industrienation, wie
Österreich eine ist, dass Beschäftigung gesichert wird. Auch von Seiten der
EU-Kommission wird darauf hingewiesen, dass beschäftigungssichernde Maßnahmen
ein wesentliches Instrument zur Armutsbekämpfung sind.
Wir
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehen Folgendes als oberstes Ziel:
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Schaffung von Arbeitsplätzen, Arbeitsplätze,
die ein Auskommen bringen.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 36 |
Uns liegt heute
hier ein Antrag vor, mit dem der Ausgleichsrichtsatz erhöht wird, und zwar für
Ehepaare von 900 € auf 965 €. Das ist eine wichtige Maßnahme zur
Armutsbekämpfung.
Hinsichtlich der
Armutsbekämpfung liegt Österreich im europäischen Vergleich sehr gut. Bei uns
sind etwa 13 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen – das sind
immer noch zu viele. Das Ranking in der Europäischen Union sieht folgendermaßen
aus: Der Anteil reicht von 8 Prozent, wie in Dänemark, bis zu
23 Prozent in Portugal.
Österreich steht
also gut da, und die sozialen Maßnahmen, die es in unserem Land gibt, wirken
sehr gut. Durch den Erhalt von Transferleistungen kann die Armutsgefährdung um
die Hälfte gesenkt werden. Die Transferleistungen sind ein wichtiger Beitrag
zur Verringerung der Armutsgefährdung.
Zum Erbe der
blau-schwarzen Bundesregierung, die in den letzten Jahren gewirkt hat, die im
Bereich des sozialen Systems – jetzt möchte ich es einmal eher dezent
formulieren – eher schläfrig gewesen ist und bei sehr vielen Fragen
Sozialabbau betrieben hat, gehört zum Beispiel aber auch Folgendes: Wer
bekommt eine Ausgleichszulage, wer bekommt diese Erhöhung, diesen
Richtsatz? – Jene Leute, die in Beschäftigung waren, die eine Pension
bekommen. Was aber ist mit jenen Frauen, die keine eigenständige
Alterssicherung vorweisen können, die ohne eigene Alterssicherung sind, weil
sie nicht im Beruf gestanden sind, und dann im Alter der Armut gegenüberstehen?
Eine wesentliche Maßnahme dagegen ist, dass eine aktive Beschäftigungspolitik
für Frauen gemacht wird.
Auch in diesem
Zusammenhang war die bisherige Bundesregierung sehr säumig, und sie wartet
jetzt auf mit den Keulen „Pensionsreform“, „Reform des
Gesundheitssystems“. – All das sind reine Drohungen!
Meine Damen und
Herren! Natürlich muss man für den Bereich der sozialen Sicherungssysteme,
aber auch für jenen der Staatsfinanzen immer wieder Überlegungen in Richtung
Adaptierung anstellen, darauf schauen, dass die Maßnahmen treffsicher sind,
dass sie jenen Menschen helfen, die es brauchen, dass sich der Staat die
diesbezüglichen Ausgaben leisten kann und die Menschen, die den budgetären
Haushalt dieses Staates bestreiten, dazu in der Lage sind. Diese Fragen müssen
gelöst werden.
In diesem
Zusammenhang gibt es einen sehr großen Vorwurf der Europäischen Kommission,
nämlich dass es keine weit reichende Analyse von konkreten Herausforderungen
und keine Evaluation von Maßnahmen gibt. Es gab also bisher keine einzige
Überprüfung dahin gehend, wie es zu schaffen ist, dass Frauen in den
Arbeitsmarkt eingegliedert werden, um dann eine eigenständige Alterssicherung
zu haben.
Ich weiß, von
Seiten der ÖVP und der FPÖ wird dann immer das Kindergeld angeführt, das meiner
Meinung nach für Frauen jedoch eher einen Gang in die andere Richtung
darstellt. Das Kindergeld wurde hier schon oft diskutiert, und meiner Meinung
nach stellt es keine Aktivität in Richtung besserer Beschäftigungspolitik für
Frauen in unserem Land dar.
Die Kritik der
Europäischen Kommission, dass es keine weit reichende Analyse und keine
Evaluation von Maßnahmen gibt, muss man auch im Bereich der Behinderten-Milliarde
in Bezug auf die vergangenen Jahre relevieren. So gab es im
Dezember 2000 32 000 arbeitslose behinderte Menschen in
unserem Land, während es im Dezember 2002 schon 34 000 waren. Ich
weiß schon, das ist in Bezug auf über 300 000 arbeitlose Menschen in
unserem Land nur ein kleines Segment, und es ist klar, dass es wesentlich und
wichtig ist, sich allgemein umzuschauen und dafür zu sorgen, dass überall
dort, wo dies erforderlich ist, Maßnahmen gesetzt werden, aber auch das darf
nicht vergessen werden.
Sie, Herr Kollege
Donabauer, haben davon gesprochen, dass der Wirtschaftsstandort gesichert
werden muss. Meiner Meinung nach kann der Wirtschaftsstandort eines Landes
jedoch nur dann gesichert werden, wenn Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn
die Produktivität der Wirtschaft steigt – keinesfalls dann, wenn
Arbeitsplätze abgebaut werden.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 37 |
Auch von Seiten
des Rechnungshofes gab es Kritik in Richtung Evaluation von Maßnahmen in Bezug
auf die Behinderten-Milliarde. Es kam die Kritik, dass nicht geschaut wurde, was
mit den Geldern passiert ist und für wie viele Menschen dann konkret Arbeit
geschaffen wurde.
Wir haben
steigende Arbeitslosenzahlen, auch bei den behinderten Menschen, und es ist
meiner Meinung nach eine große Herausforderung für die Bundesregierung, sich
darüber Gedanken zu machen, was im „Europäischen Jahr der behinderten
Menschen 2003“ für die Beschäftigung von behinderten Menschen getan werden
kann. Auch dazu gibt es keinerlei Vorschläge und Überlegungen, es wird immer
wieder nur mit der großen Schere gedroht, mit der Einschnitte durchgeführt
werden. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung! (Beifall bei der
SPÖ.)
Die Einschätzung
der EU-Kommission geht dahin, dass man sich von Seiten der Bundesregierung,
die in den letzten Jahren tätig war, sozusagen auf Vorhandenes verlässt, dass
man einfach die bestehenden Maßnahmen hernimmt, dass man aber keinerlei
Überlegungen dahin gehend anstellt, wie man längerfristige Strukturreformen
durchführen kann, dass man sich Trends und auch Ursachen nicht genau anschaut.
Es gibt also im Bereich Armutsbekämpfung wenig klare Ziele und Schritte.
Eine wesentliche
Anforderung an die nächste Bundesregierung wird es sein, diese Schläfrigkeit zu
beenden, das Erbe der blau-schwarzen Bundesregierung, die jetzt noch tätig ist,
umzuwandeln, sodass soziale Belange wieder einen sehr hohen Stellenwert
gewinnen, und dafür zu sorgen, dass sie auch finanziell leistbar sind und vor
allem zugunsten der Menschen wirken.
Meine Damen und
Herren! Der Stellenwert der sozialen Belange ist eine wesentliche Grundlage
dafür, wie man in einem Staat leben kann. Einer der Gründe dafür, dass die
Lebensqualität in Österreich so hervorragend ist, ist der Umstand, dass die
sozialen Belange im Mittelpunkt unserer Politik gestanden sind. (Beifall bei
der SPÖ.)
Ich halte es auch
für wichtig, dass die Gespräche über diese Belange, die alle Österreicherinnen
und Österreicher betreffen, ernsthaft geführt werden, dass sie so geführt
werden, dass man den Verhandlungspartnerinnen und Verhandlungspartnern zuhört und
nicht immer nur die eigene Schere sozusagen im Hosensack hat und diese immer
wieder herausnimmt. Es ist wesentlich und wichtig, zu einem Konsens zu kommen,
der für die Österreicherinnen und Österreicher wirkt. Ich kann Ihnen sagen,
meine Damen und Herren: Wir SozialdemokratInnen sind dazu bereit! (Beifall
bei der SPÖ.)
10.59
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr
Abgeordneter Dolinschek. Auch ihm sind 10 Minuten Redezeit
einzustellen. – Bitte.
11.00
Abgeordneter Sigisbert Dolinschek
(Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus!
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Lapp von der Sozialdemokratischen
Partei hat gemeint, dass diese Bundesregierung sozialpolitisch schläfrig und
säumig war. – Frau Kollegin Lapp, die Materie, die wir heute hier
behandeln, das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003, fußt auf dem
Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Die
Europäische Kommission hat die Daten zur Armutsgefährdung im Jahr 1998
erstellt. 1998 war eine ganz andere Regierung im Amt, und meines Wissens hat
die letzten 30 Jahre vor 1998 jeweils ein sozialdemokratischer
Sozialminister die Geschäfte in diesem Bereich in Österreich geführt. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
1998 wurde die
Armutsgefährdungsschwelle für einen Ein-Personen-Haushalt mit
124 000 S pro Jahr und für einen Zwei-Personen-Haushalt mit
186 000 S pro Jahr, also dem Eineinhalbfachen, festgelegt. Diese
Bundesregierung reagiert jetzt. Bisher betrug der Ausgleichszulagenrichtsatz
630,92 € für Alleinstehende, in Zukunft wird er 643,54 € betragen,
und jener für Ehepaare wird um ein Vielfaches jenes Betrags, um den der
Richtsatz für Alleinstehende erhöht wird, angehoben. (Präsident Dr. Fischer
übernimmt den Vorsitz.)
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 38 |
Die
Armutsgefährdung von Ehepaaren zu vermeiden und hintanzuhalten ist Sinn und
Zweck dieser Gesetzesnovelle. Der Richtsatz für Ehepaare wird mit
1. Jänner 2003 auf das Eineinhalbfache jenes von Alleinstehenden
angehoben und beträgt damit 946,60 €. Dazu kommt, dass auf Grund der
Erhöhung der Verbraucherpreise auch noch eine Erhöhung erfolgt, sodass der
Richtsatz daher jetzt 965,53 € beträgt.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Das bedeutet – und das ist sehr wesentlich –, dass dieser
Satz gegenüber 2002 um 7,3 Prozent erhöht wird. Ich denke, das ist ein
wesentlicher Schritt zur Hintanhaltung der Armutsgefährdung.
Herr Kollege
Donabauer hat vorhin gemeint, dass wir wesentlich zur Sicherung des Pensionssystems
in Österreich beitragen müssen. Ich glaube, dass sich jeder Einzelne, der hier
im Hohen Haus sitzt, dessen bewusst ist und sein Bestes dafür tun wird, dass
die Pensionen in Österreich gesichert sind.
Ich meine, dass
gerade in den vergangenen Jahren unter der Regierung von Blau-Schwarz die
Pensionsanpassungen – auch die letzte Pensionsanpassung, die mit
1. Jänner 2003 stattgefunden hat – richtig waren, indem man
Sockelbeträge vorgesehen hat. Hohe Pensionen wurden um Sockelbeträge erhöht.
Die Einkommensgrenze liegt bei 1 900 € pro Monat, und das ergibt eine
Pensionserhöhung um 38 €. Und jeder, der eine höhere Pension erhält,
bekommt auch nur 38 € im Monat an Pensionserhöhung.
Ich glaube, dass
es wichtig ist, dass die niedrigen Pensionen erhöht werden, denn die Lebenshaltungskosten,
vor allem jene des täglichen Lebens, sind für alle Menschen gleich.
Es ist dies ein
wesentlicher Schritt, der von Sozialminister Haupt gesetzt wurde. Wir sind
immer dafür eingetreten, dass Pensionen vor allem im oberen Bereich mit
Sockelbeträgen erhöht werden.
Es ist auch angeklungen,
dass das gegenwärtige Pensionssystem eher ungerecht ist. Ich empfinde das auch
so. Das gegenwärtige österreichische Pensionssystem ist ungerecht: Es gibt auf
der einen Seite Pensionsversicherte, die einen Durchrechnungszeitraum von
15 Jahren haben, auf der anderen Seite gibt es ein System, wonach die
Pension nach dem letzten Bezug ausbezahlt wird, weiters gibt es
Pensionsversicherte, die ihre Pension nach 36,5 Jahren bekommen, so wie
die Eisenbahner, und welche, die höhere Pensionsbeiträge haben, andere hingegen
haben niedrigere Pensionsbeiträge – also ein ganzes Konvolut
unterschiedlicher Bestimmungen.
Wir sind immer
dafür eingetreten, dass es zu einer Harmonisierung der verschiedenen Pensionssysteme
kommt, dass vor allem die Pensionen langfristig gesichert werden und dass die
verschiedenen Pensionssysteme in Österreich vereinheitlicht werden. Dazu gibt
es verschiedene Vorgangsweisen. Die Pensionsreformkommission hat verschiedene
Sachen ausgearbeitet. Ich meine, dass wir die Harmonisierung der verschiedenen
Pensionssysteme rascher als geplant angehen müssen. Pensionsprivilegien gehören
durchforstet.
Ich muss Ihnen
sagen, jemand, der ASVG-versichert ist, ein Arbeiter oder ein Angestellter,
45 Versicherungsjahre auf dem Buckel hat und 60 Jahre alt ist, wird
es nicht verstehen, wenn man ihm sagt, er solle noch länger arbeiten, wenn es
im Gegensatz dazu Begünstigte gibt, wie im öffentlichen Dienst, wie bei den
Österreichischen Bundesbahnen oder bei der Post, die heute zwischen dem 50. und
dem 60. Lebensjahr in Pension gehen können, nur weil das den Staat
billiger kommt, was ich jedoch bezweifle, vor allem in vielen Bereichen, wo die
Menschen länger in der Arbeit gehalten werden sollten, aber gesund in der
Arbeit gehalten werden sollten. Dort sollten wir einmal ansetzen, dass dort das
Regelpensionsalter erreicht wird. Und dann wird es auch jener, der schon
45 Versicherungsjahre auf dem Buckel hat, verstehen, wenn das Pensionsantrittsalter
ansteigt. Jemandem, der 45 Versicherungsjahre hat und das
60. Lebensjahr erreicht hat, dem soll man jetzt sagen, er solle bis
65 Jahre arbeiten? – Das wird niemand, das wird kein Arbeiter in der
Privatwirtschaft verstehen!
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 39 |
Geschätzte Damen
und Herren! Es ist aber zweifellos so, dass Handlungsbedarf in die Richtung
gegeben ist, ältere Menschen, egal in welchen Bereichen, länger gesund zu
beschäftigen. Das ist der wesentliche Schritt für die Zukunft, daran müssen wir
arbeiten – alle sollten daran arbeiten! (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
11.06
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist
Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung:
7 Minuten. – Bitte.
11.07
Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege
Donabauer hat die Gelegenheit dazu genützt, allgemein so etwas wie die
Vorstellungen der Österreichischen Volkspartei zu einer Pensionsreform
darzustellen. Da muss ich sie jetzt natürlich auch dazu nützen, dazu etwas zu
sagen.
Vorweg eine
Bemerkung zu dem, was wir heute beschließen: Nachdem die niedrigen Pensionen
bei Ausgleichszulagenempfängern schon Gegenstand von Erörterungen nicht nur auf
europäischer Ebene, sondern auch im Armutskapitel des österreichischen
Sozialberichtes waren, war es klar, dass eher früher als später – und es
ist relativ spät geworden – Anpassungsbedarf gegeben ist, weil diese
Personengruppen tatsächlich als arm zu gelten haben und über Jahre unter der
Armutsschwelle lagen – mit vollem Wissen der Politiker. Es ist daher
durchaus zu begrüßen, dass hier angepasst wurde.
Lassen Sie mich
aber jetzt ganz allgemein auf das Pensionssystem und die weiteren notwendigen
Anpassungen eingehen.
Herr Kollege
Donabauer! Sie haben von der gestiegenen Lebenserwartung gesprochen. – Das
stimmt, darüber freuen wir alle uns, und wir können auch stolz darauf sein,
dass auch die Politik einen bescheidenen Beitrag dazu geleistet hat, dass die
Gesundheitspolitik, die Wirtschaftspolitik in Österreich, einem sehr hoch
entwickelten Land, und natürlich auch die Sozialpolitik das geschafft haben.
Aber die Lebenserwartung ist nicht für alle gleich.
Ich erinnere mich
an jene Studie, die ich schon ein paar Mal zitiert habe und die die einzige
ist, in der in Österreich die unterschiedliche Lebenserwartung von bestimmten
Berufsgruppen untersucht wurde. Und genau deshalb, weil diese Studie zu sehr
bedrückenden Resultaten gekommen ist, ist sie nie diskutiert worden.
Diese Studie
stammt aus den sechziger Jahren, und aus ihr geht zum Beispiel hervor, dass
Schweißer, damals in den sechziger Jahren, eine durchschnittliche
Lebenserwartung von 62 bis 63 Jahren hatten. Inzwischen werden die
Schweißer auch schon älter, und die Arbeitsbedingungen sind besser.
Aber stellen Sie
sich Folgendes vor: Es gab – und ich vermute, es gibt sie nach wie
vor – Berufsgruppen, die eine geringere Lebenserwartung hatten. Die
Schweißer hatten in den sechziger Jahren eine Lebenserwartung, bei der sie im
Durchschnitt – nicht im Einzelfall – zwar Beiträge in das
Pensionssystem – so wie jeder andere auch – einbezahlen mussten, aber
im Durchschnitt keine Pension daraus zu erwarten hatten.
Ich finde es schon
bedrückend, dass wir hier über eine Pensionsreform diskutieren, ohne dass wir
die entsprechenden Grundlagen dazu – wie hat sich die Lebenserwartung in
den unterschiedlichen Bereichen entwickelt? – tatsächlich zur Basis
unserer Diskussion machen. (Beifall bei den Grünen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schauen wir uns das an! In der Schweiz, die auch nicht das meistentwickelte Sozialsystem hat, gibt es zumindest Untersuchungen, aus denen hervorgeht, dass es nach wie vor – das betrifft die Schweiz, und ich denke, wahrscheinlich auch Österreich – je nachdem, welche Arbeit und Tätigkeiten man verrichtet, eine sehr unterschiedlich hohe Lebenserwartung gibt. Ich meine, bei einer Beschlussfassung über ein Pensionssystem und bei der Neugestaltung eines Pensionssystems wäre dies genauso zu berücksichti-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 40 |
gen
wie etwa der Umstand, dass manche mit 14 oder 15 Jahren – mit
15 Jahren inzwischen, aber früher war es mit 14 – in das Erwerbsleben
einsteigen und bis 60 arbeiten müssen, damit sie eine vorzeitige Alterspension
erhalten, während andere doch das Glück – ich spreche hier nicht von einem
Privileg – haben, erst später einsteigen und hart arbeiten zu müssen.
Arbeit, unabhängig
davon, ob manuell oder geistig, bedeutet natürlich für alle auch Abnützung,
auch wenn sie hoffentlich vielen auch Freude bereitet. Aber es macht einen
Unterschied, ob man 30 Jahre arbeiten muss und Beiträge zahlt oder ob man
45 oder 50 Jahre arbeiten muss und Beiträge zahlt. Und es macht einen
Unterschied, in welcher Tätigkeit das geschieht.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Das, was bei den Anforderungen an ein Pensionssystem
noch zu erwähnen ist, ist der Umstand – und dieser ist nicht gering zu
bewerten –, dass die Pensionseinkommen, Herr Abgeordneter Donabauer,
leider in ihrer Unterschiedlichkeit teilweise noch extremer sind als die
Erwerbseinkommen. Ich habe hier die Lohnsteuerstatistik aus dem Jahr 2000
vor mir. – Es sind auch Ungenauigkeiten darin enthalten, weil wir leider
keine sehr guten Daten vor allem in den Problembereichen haben, die ich vorhin
schon angesprochen habe. Dazu gibt es überhaupt keine Daten und keine
Untersuchungen. – In dieser Lohnsteuerstatistik werden zwei Millionen
Pensionisten – Personen – angeführt. Von diesen zwei Millionen
Pensionisten erhält der oberste Teil, ein Prozent – das sind zirka
20 000 Personen –, mit rund 30 Milliarden Schilling oder
2,2 Milliarden € rund 7,4 Prozent der gesamten Pensionssumme. Ein
Prozent erhält 7,4 Prozent der gesamten
Pensionssumme, während der unterste Teil – ich kann es nicht anders
aufgliedern –, das sind 500 000 Personen, also jene Personen mit
einem Pensionseinkommen bis maximal 10 000 S brutto, mit
25 Milliarden Schilling – also weniger – nur
6,1 Prozent der gesamten Pensionssumme erhält. 500 000 Personen
erhalten weniger als 20 000 Personen! (Zwischenruf
des Abg. Donabauer.)
Ich mache keine
Vorwürfe. Ich stelle fest, ich halte fest: Zur Neugestaltung eines Pensionssystems
braucht es auch so etwas wie soziale Gerechtigkeit. Das ist eine Anforderung,
die wir Grünen an ein Pensionssystem stellen. (Beifall bei den Grünen.)
Herr Abgeordneter
Donabauer! Ich habe Sie unter anderen Umständen auch schon anders reden gehört.
Sie haben heute die Vorzüge beziehungsweise die Notwendigkeit des Ausbaus der
zweiten oder dritten Säule – duale Pensionsvorsorge, haben Sie
gesagt – angepriesen. Bereitet es Ihnen nicht auch Sorge, dass es gerade
in der zweiten oder dritten Säule, wenn man die letzten Jahre betrachtet, zu wesentlich
größerer Unsicherheit – sogar zu Verlusten –, was die
Vorsorge, was das angesparte Kapital betrifft, gekommen ist, als das jemals in
einem staatlichen Pensionssystem – und sei es noch so problematisch
ausgestaltet – der Fall sein kann?
Ich bringe Ihnen
ein Beispiel. In der Ausgabe des „Falter“ von voriger Woche – das habe ich
mir gemerkt, weil ich das schon beeindruckend finde – erzählte der auch
Ihnen bekannte Pensionsexperte Professor Marin, er habe vor drei
Jahren 70 000 € für eine private Pensionsvorsorge in einen
ziemlich sicheren Fonds einbezahlt. Inzwischen seien aus seinen
70 000 € 43 000 € oder 47 000 € geworden. Der
Verlust war also beträchtlich. Und er sagte bei dieser Gelegenheit, so unsicher
könne ein staatliches Pensionssystem gar nicht gemacht werden, als es die
private Pensionsvorsorge tatsächlich schon sei.
Wenn wir den
Menschen in Österreich die Probleme, die es auch bei einem öffentlichen Pensionssystem
in Bezug auf soziale Gerechtigkeit und in Bezug auf dessen Finanzierbarkeit
gibt, ehrlich darstellen wollen, dann doch nicht mit dem Effekt, Herr Kollege
Donabauer, dass wir sie ganz bewusst in eine wesentlich unsichere
Pensionsvorsorge – auch noch mit staatlichen Stützungen! – hineintreiben.
Es ist das gute
Recht eines jeden und einer jeder, auch private Pensionsvorsorge zu betreiben.
Aber ich erinnere Sie daran – und das bildet auch schon den Abschluss
meiner Erörterung –, dass wir Abgeordnete hier alle in eine Pensionskasse
einbezahlen. Schauen Sie sich den Pensionsertrag der Pensionskassen für das
Jahr 2001 an, wie viel von Ihren Einzahlungen im Jahr 2001 in Ihrer
Pensionskasse übrig geblieben sind! Nichts! Kein Groschen! Sie wissen das!
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 41 |
Wenn wir ehrlich
darüber diskutieren und die Dinge offen auf den Tisch legen, dann müssen wir
sagen: Ja, wir haben Probleme in verschiedenster Form in den Pensionssystemen,
nämlich was die eigenständige Altersvorsorge für Frauen und was die soziale
Gerechtigkeit betrifft, auch was ein späteres Pensionsantrittsalter betrifft.
Ja! Aber wir müssen die Dinge so offen auf den Tisch legen, dass wir auch die
Probleme dabei sehen. Wir dürfen nicht die falschen Schlussfolgerungen ziehen,
die lauten würden: Leute, schließt eine private Pensionsvorsorge in Ergänzung
zur öffentlichen ab, und dann ist das Problem gelöst!
Herr Kollege
Donabauer! Mitnichten! Das wissen Sie und das wissen hoffentlich wir alle, wenn
wir darangehen, dass wir die Probleme einer öffentlichen Altersversorgung
ehrlich diskutieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
11.18
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Lentsch! Sind Sie
so großzügig und lassen Sie Ihren Kollegen vor?
Herr Abgeordneter
Donabauer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort
gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.
11.18
Abgeordneter
Karl Donabauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Kollege
Öllinger hat mir unterstellt, ich würde die Menschen in eine unsichere
Vorsorge hineintreiben. – Das stimmt nicht.
Ich habe
gesagt – und darauf bestehe ich –, dass ich für ein duales
System – mit einer Grundversorgung aus dem staatlichen System und mit
einem dualen Vorsorgeelement mit optimaler Sicherheit – eintrete. Sie
können das im Stenographischen Protokoll nachlesen.
Mit optimaler
Sicherheit! Infolgedessen ist diese Ihre Darstellung unrichtig und hat mit
meiner Darstellung, die ich Ihnen nun richtig vorgetragen habe, nichts zu tun. (Beifall
bei der ÖVP.)
11.19
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau
Abgeordnete Lentsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. –
Bitte.
11.19
Abgeordnete
Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir
schlagen mit diesem Antrag vor, den Richtsatz für die Ausgleichszulage von
Ehepaaren zu erhöhen – das haben wir heute schon öfters gehört –, und
zwar insgesamt um 7,3 Prozent auf nunmehr 965,53 €. Eine derartige
Erhöhung hat es in den letzten zehn Jahren nicht gegeben. Diese Erhöhung wird
auch die Kaufkraft dieser Ehepaare enorm stärken. Bei Alleinstehenden wird der
Richtsatz nicht erhöht, da wir in Österreich mit 643,54 € international
ohnehin schon sehr hoch liegen.
Geschätzte Damen
und Herren! Diese Erhöhung wird nicht nur die 37 000 Betroffenen
freuen, diese Erhöhung zeigt auch, dass diese Bundesregierung ihre soziale
Verantwortung sehr ernst nimmt und dass der Slogan „soziale Kälte durch diese
Bundesregierung“, der ja sicher nur Wahlkampfrhetorik war, total ins Leere
geht. (Beifall bei der ÖVP.) Mittlerweile ist natürlich auch klar, dass
wir sehr viel für jene tun, die sich nicht selbst helfen können und die unsere
Hilfe brauchen.
Aber wir haben
etwas gegen Ungerechtigkeit, und wir haben etwas gegen „soziale Trittbrettfahrer“.
Deswegen können die Österreicherinnen und Österreicher auch vollkommen sicher
sein: Unter unserem Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel werden die
anstehenden Reformen zur Pension sehr fair und sehr sozial ablaufen. Mehr noch:
Wir streben eigentlich keine Pensionsreform an, sondern wir streben eine
Arbeitsmarktreform an. Wir wollen nicht, dass die
Österreicherinnen und Österreicher weniger Pension
erhalten, sondern wir wollen schlicht und einfach, dass die Österreicherinnen
und Österreicher länger arbeiten, und zwar so lange, wie es gesetzlich
verankert ist. (Beifall bei der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 42 |
Natürlich müssen
wir dafür sorgen, dass diese Menschen auch ihre Jobs behalten. Das ist klar,
das ist uns allen voll und ganz bewusst. Wir werden diese Arbeitskräfte bis zum
Jahr 2010 dringend brauchen.
Geschätzte Damen
und Herren! Daher sieht die von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel vorgegebene
Aktion „60 plus“ auch eine Senkung der Lohnnebenkosten für diese
Altersgruppe um 10 Prozent vor. Weitere Maßnahmen werden und müssen
natürlich noch folgen.
Reformen sind
notwendig, um unser Pensionssystem nachhaltig zu sichern. Schließlich sollen
unsere Kinder, wenn schon keine stattliche Pension, so wenigstens eine
staatliche Pension erhalten. Je länger wir diese Reformen aufschieben, umso
schmerzlicher werden diese Einschnitte werden. Das sollte hier jedem bewusst
sein.
Abschließend
möchte ich noch sagen, dass ich mich freue, dass dieser Antrag im Budgetausschuss
die Zustimmung aller vier Parteien erhalten hat. (Beifall bei der ÖVP.)
11.23
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete
Dr. Partik-Pablé. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. –
Bitte, Frau Abgeordnete.
11.23
Abgeordnete
Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen
und Herren! Frau Abgeordnete Lapp hat ja ein wahres Gewitter an Vorwürfen auf
die schwarz-blaue Bundesregierung im Sozialbereich losgelassen. „Schläfrig“
sei die Bundesregierung gewesen, mangelndes Engagement habe sie im
Sozialbereich gezeigt. – Das ist ja alles paradox, Frau Abgeordnete, denn
im Handumdrehen haben Sie gesagt, dass Österreich im Sozialbereich gut dasteht,
und haben das auch noch mit einer EU-Studie untermauert.
Frau Abgeordnete!
Sie sollten endlich einmal mit diesen ständigen Schuldzuweisungen aufhören. (Beifall
bei den Freiheitlichen.) Es ist doch nicht möglich, dass Sie vergessen
haben (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp), mit welchem
Schuldenstand diese schwarz-blaue Bundesregierung belastet war. Hätten wir
weiterhin das Geld so ausgegeben wie Sie in der sozialistischen Ära, dann
hätten wir jetzt neben Frankreich und Deutschland den blauen Brief von der EU
bekommen. (Ruf bei den Freiheitlichen: So schaut es aus!) Das müssen Sie
doch auch einmal bedenken! Es ist doch lächerlich, immer nur zu fordern, ohne
irgendwann einmal einen Bedeckungsvorschlag vorzulegen. (Abg. Mag. Schweitzer –
in Richtung der Abg. Mag. Lapp –: Das ist eine „Sozialdemokratin“!)
Noch etwas, Frau
Abgeordnete Lapp! Sie bemängeln die mangelnde Altersvorsorge für Frauen. Ich
werde Ihnen etwas sagen: Auch in diesem Bereich vermisse ich den Reformgeist
der SPÖ und habe ihn Jahre hindurch vermisst. Im Jahre 1986 war ich selbst
Leiter einer freiheitlichen Arbeitsgruppe zur Pensionsreform. Damals schon habe
ich Sozialminister Dallinger vorgeschlagen, das Drei-Säulen-Modell mit einer
Vorlaufzeit von zwanzig Jahren einzuführen. 1986! Wir hätten bereits jetzt
dieses Pensionsmodell, ein modernes Pensionsmodell, die Vorlaufzeit wäre fast
abgelaufen, und die Österreicher müssten nicht mehr um ihre Pensionen zittern,
wie sie es jetzt auf Grund dieses sozialdemokratischen Erbes, Frau Abgeordnete
Lapp, tun müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Sie kündigen
Aktivitäten an. Sie sagen, Sie werden die Schläfrigkeit umwandeln und so
weiter. – Also vor Ihren Aktivitäten, Frau Abgeordnete Lapp, fürchte ich
mich – und die behinderten Menschen in Österreich auch. Unter dem Titel
„Verbesserung des Pflegegeldes“ wollen Sie den Behinderten das Verfügungsrecht
über das Pflegegeld, das ihnen gesetzlich zusteht, nehmen. (Abg. Mag. Schweitzer:
Das ist ja unglaublich! Das ist wirklich unglaublich!)
Frau Bures! Unter
dem komplizierten Titel „Integrierte Gesamtreform der Pflegevorsorge“ wollen
Sie kaltblütig den Behinderten die freie Verfügungsmacht über das Pflegegeld
nehmen. Das ist nicht nur meine Ansicht, sondern es hat sich ja schon eine
Plattform gegen Ihre Anschläge gegründet, Frau Abgeordnete.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 43 |
Sie wollen zum
Beispiel eine arbeits- und sozialrechtliche Absicherung der Pflegenden. –
Na gut, schön, aber nicht auf Kosten des Pflegegeldes! (Beifall
bei den Freiheitlichen.) Das Pflegegeld ist seinerzeit geschaffen worden,
damit es den Behinderten besser geht, und zwar sollten die Behinderten und ihre
Familienangehörigen oder ihre Betreuer bestimmen, wie sie sich das Leben
erleichtern und verbessern können. All die Behinderten, Behindertenvereine et
cetera brauchen Ihre Maßnahmen, mit denen Sie diesbezüglich Eingriffe vornehmen
wollen, nicht, Frau Abgeordnete Lapp! Das möchte ich Ihnen hier wirklich ganz
deutlich sagen.
Aber dieses
ständige Zugreifenwollen auf das Pflegegeld durch die Sozialdemokratie ist ja
schon Geschichte. (Abg. Mag. Wurm: Wer hat es
eingeführt?) – Schütteln Sie nicht den Kopf! Lesen Sie lieber die
alten Pressedienste! – Der frühere Wiener Vizebürgermeister Mayr, der
jetzige Finanzstadtrat Rieder – wissen Sie, was die gefordert
haben? – Sie haben anstelle des Pflegegeldes für die Behinderten nur
Sachleistungen und einen Pflegescheck – also nicht das Pflegegeld zur freien
Verfügung der Behinderten – gefordert. Das haben Ihre sozialdemokratischen
Freunde immer gefordert, und Sie liegen auf derselben Linie!
Ich kann mich
erinnern, es hat im Parlament auch eine Debatte darüber gegeben. Ich glaube,
Frau Reitsamer war damals Sozialsprecherin. Da wollten Sie mit dem Geld der
Behinderten Frauenarbeitsplätze schaffen, indem Sie gesagt haben, die
Behinderten müssen mit ihrem Pflegegeld Sachleistungen, nämlich Arbeitsplätze
einkaufen. Schaffen Sie Arbeitsplätze für Frauen – ich bin wirklich
dafür –, aber nicht auf Kosten der Behinderten, Frau
Abgeordnete! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das, was Sie machen, ist
wirklich eine Weichenstellung in die falsche Richtung.
Ich bin der
Meinung, dass die Behinderten das Pflegegeld, das sie sich durch zwanzig Jahre
erstritten haben, weiterhin zur freien Verfügung bekommen sollen, und nicht,
dass sozialdemokratische Eingriffe in das Pflegegeld gefördert werden sollen. (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Das haben die Sozialdemokraten
eingeführt!)
11.29
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete
Mandak. – Bitte.
11.29
Abgeordnete
Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Hohes Haus! Kurz vorab eine Stellungnahme zum Pflegegeld
beziehungsweise zur Idee, die im Raum steht, es durch Leistungsschecks zu
ersetzen. Dazu kommt auch von unserer Seite ein ganz klares Nein! Wir bitten
Sie wirklich, zu bedenken, dass das eine Entmündigung all jener ist, die
leistungsberechtigt sind. So kann man mit Menschen nicht umgehen. (Beifall
bei den Grünen.)
Uns ist
klar – und das fordern wir ebenso ein –, dass das Pflegegeld
reformiert werden muss, und zwar sowohl was die Höhe betrifft, damit auch
tatsächlich die Leistungen bezahlt werden können, die zu erbringen sind, als
auch den Bereich der Krankheitsbilder betreffend, der damit abgedeckt werden
kann. Als Stichwort möchte ich hier den Begriff der Altersdemenz nennen. Es ist
derzeit ein Riesenproblem in der Betreuung alter Menschen, dass der mit dem
Krankheitsbild der Altersdemenz verbundene Aufwand nicht mit dem Pflegegeld
refundiert wird. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben.
Der eigentliche
Punkt des vorliegenden Antrages ist aber der, dass die Ausgleichszulagenrichtsätze
für Ehepaare erhöht werden sollen, um, wie es in der Begründung des Antrages
heißt, die Armutsgefährdung hintanzuhalten. Das heißt, die betroffenen Menschen
sollen nicht Gefahr laufen, arm zu werden. – Gut. Wenn Sie Armut so
definieren, dass die Betroffenen eine Wohnung haben, etwas zu essen und
anzuziehen haben, dann kann man tatsächlich zu zweit mit diesen 965 €
überleben. Arm sein heißt aber darüber hinaus, am größten Teil des sozialen und
kulturellen Lebens nicht teilnehmen zu können. Das heißt, keine Freundin,
keinen Freund zum Essen einladen zu können. Das heißt, nicht ins Kino oder
einmal auf den Fußballplatz gehen zu können, und das heißt, auch nicht ins
Kaffeehaus gehen zu können, um einen „Kleinen Braunen“ zu trinken, damit man
dort die Zeitungen lesen kann, die man sich nicht kaufen kann, weil sie zu
teuer sind.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 44 |
Auch das sind ganz
klare Zeichen von Armut, und es muss uns klar sein, dass diese Probleme von
Armut mit Beträgen wie jenen, um die es heute hier geht, nicht zu lösen sind. (Beifall
bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Posch.)
Österreich ist
eines der reichsten Länder der Welt, auch wenn die Budgetdiskussion der letzten
Jahre dahin gegangen ist, uns das vergessen zu lassen. Es ist eine Tatsache: Es
ist in Österreich für alle genug da. Es ist eine Frage der Umverteilung, und
wir haben die politische Verantwortung, dafür einzutreten, dass diese
Umverteilung in einem besseren Maß stattfindet als bisher. Ich meine, dass
diese siebenprozentige Erhöhung kein Grund dafür ist, stolz hier zu stehen und
zu sagen: Wir erhöhen um sieben Prozent!, weil die Summen, um die es hier geht,
noch immer beschämend sind. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg.
Mag. Posch.)
Wenn man sich das
genau anschaut, dann sieht man, dass diese 965 € ja aufgeschlüsselt sind,
und zwar in 643 € für den Mann, der den Pensionsanspruch hat, und in
322 € für seine Ehefrau, die keinen Anspruch auf Pension hat. Werte
Kolleginnen und Kollegen – speziell von der ÖVP und FPÖ! Ich bin im
Vorarlberger Landtag von Ihren Parteifreundinnen und -freunden heftigst attackiert
worden, als ich immer wieder das Recht von Frauen auf Erwerbstätigkeit und
damit unter anderem ihre finanzielle Unabhängigkeit eingefordert habe.
Wortreich ist mir dann immer versichert worden, wie hoch die Bedeutung der
Hausfrau ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das stimmt ja auch!) – Ja, aber beim Geld hört die
Anerkennung offenbar auf, denn ganze 320 € sind Ihnen, Frau Kollegin
Partik-Pablé, diese Hausfrauen wert, die das getan haben, was Sie immer so
wortreich loben und anerkennen, nämlich sich um die Erziehung ihrer Kinder, das
Wohlergehen ihres Mannes und den Haushalt zu kümmern.
Sie werden mir
zustimmen, wenn ich sage, dass die heutige Anpassung der Ausgleichszulagenrichtsätze
nur eine kleine Sofortmaßnahme ist. Ich persönlich stimme ihr – das kann
ich Ihnen versichern – mit Zähneknirschen zu. Ich erwarte, dass sich alle
in diesem Parlament darüber einig sind, dass wir dringend eine Grundpension für
alle brauchen, nicht zuletzt deshalb, weil jede Frau – egal, ob sie
erwerbstätig oder Hausfrau war – ein Recht auf eine menschenwürdige
Absicherung im Alter hat. (Beifall bei den Grünen.)
Es ist eine
vordringliche Aufgabe der kommenden Regierung, egal, wie diese aussehen wird,
dafür Sorge zu tragen, dass hier eine Änderung stattfindet. Der Bundeskanzler
hat gestern zwar gemeint: Wer mit uns verhandeln will, darf keine Bedingungen
stellen!, aber ich sage Ihnen: Hier ist eine der Bedingungen, die gestellt
werden müssen, die meiner Meinung nach von allen hier gestellt
werden müsste, wenn sie verantwortungsvolle Politik machen wollen, nämlich die
Einführung einer Alterspension für jede Frau, unabhängig davon, ob sie
erwerbstätig war oder nicht. – Das ist eine Bedingung, an der künftig
keine Koalition vorbeigehen kann und darf, ganz gleich wie sie zusammengesetzt
ist. – Danke. (Anhaltender Beifall bei den Grünen.)
11.35
Präsident Dr. Heinz Fischer: Alle, die
zum ersten Mal am Rednerpult sind, bekommen eine „Applauszulage“.
Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Turkovic-Wendl. – Bitte, Frau
Abgeordnete.
11.36
Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (ÖVP)
(mit Beifall begrüßt): Ich danke dafür. – Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es drängt
mich, ein paar persönliche Worte an den Beginn meiner Rede zu stellen, ein paar
Worte über etwas, das mir sehr viel bedeutet. Vor, ich würde sagen, fast einem
knappen halben Jahrhundert habe ich als junge Sportlerin die Möglichkeit
gehabt, etwas für Österreich zu tun, und zwar durch sportliche Erfolge. Es war
dies eine Zeit, in der Österreich – ich habe das als Kind, als
Jugendliche, ich war damals 15, gespürt – im Ausland wenig gegolten hat.
Die Siege von Toni Sailer waren etwas, wo man gespürt hat: Man schaut wieder
auf Österreich.
So sehr man als Sportler auch auf seine eigene Leistung konzentriert ist: Wird es heute gut gehen und am nächsten Tag?, so sehr spürt man auch diese Beachtung von Seiten des Auslandes. Das ist etwas, was mich eigentlich mein ganzes Leben lang begleitet: dass Österreich
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im Ausland anerkannt wird und dass wir hier, im
Inland, auf unsere Leistungen, auf unsere Menschen stolz sein können. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Daher ist es für
mich schön, dass ich heute mit einer Gesetzesnovelle einsteige, die etwas
Positives bringt. Ich möchte hier die Zahlen, die von meinen Vorrednern bereits
mehrmals ausgesprochen worden sind, nicht wiederholen, aber das Positive
bleibt. 965,53 € beträgt der neue Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare.
37 000 Menschen werden davon profitieren, und das bedeutet Mehrkosten
von 25 Millionen €.
Der Sieg hat viele
Väter – wir wissen das; da will sich jeder dranhängen –, aber die
Niederlage ist dann ein Waisenkind. Nachdem in letzter Zeit verschiedenste
Persönlichkeiten behauptet haben, Urheber dieser Gesetzesinitiative zu sein,
muss ich klarstellen, wer wirklich der Initiator dieser sozialpolitisch so
wichtigen Neuregelung ist, nämlich Stefan Knafl, der Bundesobmann des
Österreichischen Seniorenbundes. Er hat bereits vor den Beratungen über die
Pensionsanpassung 2002 mit Bundesminister Herbert Haupt und
Staatssekretär Alfred Finz diesen Vorschlag erhoben. Das Präsidium des
Österreichischen Seniorenrates hat diesem Vorschlag zugestimmt, allerdings kam
es 2002 noch nicht zur parlamentarischen Beschlussfassung.
Bei den
Verhandlungen über die Pensionsanpassung 2003 zwischen der Regierung und
dem Bundesobmann Knafl sowie dem Obmann des Österreichischen Seniorenringes
Dr. Paul Tremmel wurde Einvernehmen darüber erzielt, dass in der ersten
Sitzung des neu gewählten Nationalrates diese Gesetzesinitiative eingebracht
wird, und über diese beraten wir heute und stimmen wir heute ab.
Der
Österreichischen Volkspartei als Familienpartei ist es ein Anliegen, diese
Maßnahmen zu unterstützen und auch zu verwirklichen. Ich möchte allen danken,
die positiv mitgewirkt haben, so der ÖVP und FPÖ als Antragsteller und vor
allem auch jenen, die bereit sind, diesem Antrag zuzustimmen.
Werte Kolleginnen
und Kollegen! Jetzt wird es noch einmal persönlich. – Ich wurde von Bundeskanzler
Dr. Schüssel gefragt, ob ich für die ÖVP die Anliegen der Senioren im
Parlament vertreten will. Seit zehn Jahren beschäftigte mich dieses Thema im
Rahmen meiner Fernsehtätigkeit. Und etwas schmerzt mich wirklich tief in der
Seele: das Image der Senioren. Die gewaltige Veränderung, die sich in dieser
immer größer werdenden Gruppe unserer Gesellschaft vollzieht, ist in allen
Bereichen unseres Lebens spürbar. Wenn man vor 30 Jahren den Senioren
einen wohlverdienten Ruhestand gewünscht hat, so hat das zwar schon bedeutet,
dass man ihre Leistungen, ihre Arbeit anerkannt und gewürdigt hat, aber es war
auch ein absolutes Abschieben in den Stillhaltezustand, etwa nach dem Motto:
Das war’s dann für euch – seid dankbar, seid zufrieden, und bitte haltet
jetzt den Mund!
Wenn es heute 60-
oder 65-jährige Menschen gibt, bei denen man viel eher das Gefühl hat, dass für
sie ein neuer, spannender Lebensabschnitt beginnt, als dass ihr aktives Leben
zu Ende geht, dann sollten wir diese neue Seniorenrealität auch für unsere
Gesellschaft, für unser Land nutzen. Durch medizinische Erkenntnisse und
soziale Fortschritte haben sie Jahre dazugewonnen, und sie zählen sich auch zu
einer „gewonnenen Generation“. Ich glaube – und ich weiß es von mir; ich
bin da mitten drinnen –, dass wir diese jungen Alten für Aktivitäten, für
Probleme, die mit den Veränderungen einhergehen werden, brauchen werden, zum
Beispiel für die Pflege der ganz Alten. Die Finanzierung unseres
Gesundheitssystems wird auch von der Eigeninitiative abhängen, davon, wie
jeder Einzelne von uns alt und älter wird.
Ich stehe in
diesem Prozess – ich habe es schon gesagt –, und ich möchte
erreichen, dass die Senioren Österreichs nicht nur den Ruf haben,
Entscheidendes in der Vergangenheit geleistet zu haben, sondern auch, dass man
in Gegenwart und Zukunft auf sie und auf ihre Leistungen nicht verzichten
können wird. Ich werde mich für die Etablierung dieses neuen Selbstverständnisses
der Senioren einsetzen, und ich freue mich sehr auf diese Herausforderung.
Abschließend möchte ich noch zur Reform der Pensionsanpassung Stellung nehmen und den Standpunkt des Österreichischen Seniorenbundes vermitteln, der die Beseitigung der unver-
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ständlichen Formulierung der Nettopensionsanpassung
verlangt. Mit dem Seniorenbund ersuche ich um eine Neuformulierung, die für
jeden Bürger verständlich ist und die Wertsicherung verbürgt. – Ich danke
Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
11.42
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt
Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte.
11.43
Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr
geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, es ist das meiste zu dieser
Gesetzesvorlage, zur Änderung des Sozialversicherungsgesetzes, bereits gesagt
worden. Ich darf im Folgenden daher nur ganz kurz zusammenfassen.
Es ist auch sehr
viel über die Pensionen insgesamt ausgeführt worden, und ich darf vielleicht
daran erinnern, dass von der Hinaufsetzung des Ausgleichszulagenrichtsatzes
nicht nur die derzeit davon Betroffenen profitieren, sondern insgesamt mehr
Personen: Statt bisher 30 000 Menschen sind es auf Grund der
Erhöhung in Hinkunft 37 000.
Weil hier die
unterschiedlichen Pensionssysteme angesprochen worden sind, möchte ich dazu
doch feststellen, dass das Gesagte in den oberen Bereichen durchaus zutreffen
mag, in den unteren Einkommensbereichen hingegen ganz und gar nicht. Wenn man
sich nämlich ansieht, wie viele von diesem Richtsatz betroffen sind, stellt man
fest, dass von diesen 37 000 Betroffenen 25 000 dem ASVG
zugehören, 3 000 dem GSVG und 9 000 dem BSVG. Wenn Sie das ins richtige
Verhältnis setzen, sehen Sie, dass gerade auch die kleinen Pensionen keineswegs
wesentlich über den ASVG-Pensionen liegen und in den unteren Bereichen durchaus
Ausgewogenheit besteht.
Insgesamt
profitieren also jetzt um mehr als 23 Prozent mehr Personen von dieser
Veränderung des Ausgleichszulagenrichtsatzes.
Ich darf
hinzufügen – und das auch im Namen meines Ministers, der sich für seine
Abwesenheit entschuldigt, weil heute und morgen die Tagung der Sozialminister
in Griechenland stattfindet, die damit das „Jahr der Behinderten“ beginnen
wollen –: Es ist immer ein Anliegen freiheitlicher Politik gewesen,
Ausgleichszulagen überdurchschnittlich zu erhöhen. Wenn Sie zurückdenken –
es wurde schon erwähnt –: Die letzte Erhöhung hat im Jahr 1994
stattgefunden. In den Jahren 1994 bis 2000 hat keine einzige Erhöhung
stattgefunden! Das heißt, oberstes freiheitliches Anliegen auch in dieser
Regierung war es immer, Hilfe für Menschen, die es auf Grund ihrer
Lebensumstände schwer haben, anzubieten.
Vielleicht darf
ich aber abschließend noch hinzufügen: Sie wissen, dass die Ausgleichszulage
tatsächlich nur die Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und dem
Richtsatz ausmacht. Hier ist, glaube ich, in nächster Zeit doch auch eine
Initiative zu ergreifen, um den Richtsatz zu erhöhen, was zu einer weiteren
Verbesserung des Systems führen würde. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
11.46
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau
Abgeordnete Rossmann. – Bitte.
11.46
Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche) (mit Beifall
begrüßt): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich möchte in dieser Diskussion doch auch daran
erinnern – es wird nämlich oft darauf vergessen –, dass es sehr wohl
auch eine Gefährdung der Bauern und der Selbständigen durch Armut gibt. Die
Armutsgefährdung der Selbständigen und auch die Armutsgefährdung der Bauern
ist aber ein Thema, das einfach weggewischt wird.
Selbständig gewesen zu sein heißt noch lange nicht, dass man dann einem ruhigen Lebensabend entgegensehen kann, heißt noch lange nicht, dass man sorgenfrei sein kann, und heißt noch lange nicht, dass man nicht armutsgefährdet sein kann. Die Zahlen beweisen es ganz klar:
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 47 |
Wir haben gehört, dass immerhin knapp
20 000 Selbständige und 53 000 Bauern Ausgleichszulagenbezieher
sind.
Besonders tragisch
stellt sich die Situation bei den selbständigen und bäuerlichen Ehepaaren dar.
Auch da sind es einmal mehr vorwiegend Frauen, die ihr Leben lang gearbeitet
haben, die davon betroffen sind. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass Frauen
bei Selbständigen und Bauern erst seit 1969 überhaupt die Möglichkeit haben,
voll versichert zu sein. Das heißt, all jene, die vor 1969 noch nicht
versichert waren, sind vielfach auch jetzt in der Situation, keinerlei
Pensionsanspruch erworben zu haben. Man konnte mit Hunderttausenden Schilling
Pensionszeiten nachkaufen, aber oft war die wirtschaftliche Lage derart, dass
man auch dies nicht konnte. Man schätzt, dass jetzt ungefähr 3 000
selbständige Ehepaare und 10 000 bäuerliche Ehepaare
Ausgleichszulagenbezieher sind.
Ich sage auch
dazu: Es musste erst ein freiheitlicher Sozialminister kommen, um erstmals seit
neun Jahren – erstmals seit neun Jahren! – eine außertourliche
Erhöhung dieses Ausgleichszulagenrichtsatzes zu bewirken! (Beifall bei den
Freiheitlichen.) Da muss man sich schon fragen: Wo waren die diversen
Frauenministerinnen, wo waren die diversen sozialdemokratischen Sozialminister
in der Zeit seit 1994, die dafür gesorgt hätten, dass es zu einer
außertourlichen Ausgleichszulage kommt? Diese Frage stelle ich der gesamten
sozialdemokratischen Fraktion auch im Hinblick auf diverse Fraueninitiativen.
Wieso wurde das nie weiter vorangetragen, als Sie in der Regierung waren, als
Sie den Sozialminister gestellt haben, als Sie für das Frauenministerium
verantwortlich waren?
Einmal mehr freut
es mich, dass unser Sozialminister Herbert Haupt sich so sehr der Armutsbekämpfung
angenommen hat. Ich möchte nur daran erinnern, dass mit dem Kindergeld, mit der
Familienhospizkarenz, mit der Freifahrt für Internatsschüler, mit der Freifahrt
für Lehrlinge, mit der Behindertenmilliarde viele Beiträge zur Armutsbekämpfung
geleistet wurden.
Abschließend: Wir
Freiheitlichen sind auch in Zukunft der Garant dafür, dass an dieser Politik,
an der Sozialpolitik des Bundesministers Herbert Haupt, festgehalten wird.
Herbert Haupt hat auch die Wege in der Armutsbekämpfung vorgegeben, und wir
werden diese Wege weiterhin gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
11.50
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zum Wort ist dazu
niemand mehr gemeldet. Daher schließe ich die Debatte.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Zu diesem Zweck bitte
ich höflichst, die Plätze einzunehmen.
Wir stimmen ab
über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 4 der Beilagen.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die dieser Vorlage in zweiter Lesung ihre Zustimmung erteilen,
um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist in zweiter Lesung
einstimmig angenommen.
Wir kommen daher
sogleich zur dritten Lesung.
Ich darf darum
bitten, dass jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung
erteilen, dies bekunden. – Ich stelle fest, dass die Vorlage auch in
dritter Lesung einstimmig angenommen wurde.
Damit haben wir
den 2. Punkt der Tagesordnung erledigt.
3. Punkt
Wahl von Ausschüssen
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir kommen zum
3. Punkt, nämlich zur Wahl von Ausschüssen.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 48 |
Es liegt mir dazu
ein gemeinsamer Vorschlag aller vier Fraktionen vor, der zum Inhalt hat:
Der Nationalrat
möge durch Beschluss folgende Ausschüsse einsetzen:
Ausschuss für
Arbeit und Soziales,
Außenpolitischer
Ausschuss,
Bautenausschuss,
Familienausschuss,
Finanzausschuss,
Geschäftsordnungsausschuss,
Gesundheitsausschuss,
Gleichbehandlungsausschuss,
Industrieausschuss,
Ausschuss für
innere Angelegenheiten,
Justizausschuss,
Kulturausschuss,
Landesverteidigungsausschuss,
Ausschuss für
Land- und Forstwirtschaft,
Ausschuss für
Menschenrechte,
Ausschuss für
Petitionen und Bürgerinitiativen,
Rechnungshofausschuss,
Ausschuss für
Sportangelegenheiten,
Umweltausschuss,
Unterrichtsausschuss,
Verfassungsausschuss,
Verkehrsausschuss,
Wirtschaftsausschuss
sowie
Ausschuss für
Wissenschaft und Forschung.
Das ist die Liste
der Ausschüsse, die von allen Fraktionen gemeinsam vorgeschlagen wird. Darüber
hat das Hohe Haus zu befinden.
Ich darf darum
bitten, dass jene Damen und Herren, die mit der Einrichtung der genannten Ausschüsse
einverstanden sind, dies durch ein Zeichen der Zustimmung genehmigen. –
Der Vorschlag zur Einsetzung dieser Ausschüsse ist einstimmig angenommen.
Nach § 32 Abs. 1 der Geschäftsordnung setzt der Nationalrat auch die Zahl der Mitglieder beziehungsweise der Ersatzmitglieder der einzelnen Ausschüsse fest. Die Mitglieder und Ersatzmitglieder werden sodann auf die parlamentarischen Klubs im Verhältnis der Zahl der
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 49 |
ihnen angehörenden Abgeordneten nach den in
§ 30 der Geschäftsordnung festgehaltenen Grundsätzen verteilt.
Die Klubs haben
dann die auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder dem
Präsidenten namhaft zu machen, und diese gelten mit dieser Namhaftmachung als
gewählt.
Nach Beratung in
der Präsidialkonferenz ist für die erwähnten Ausschüsse folgende Anzahl von
Mitgliedern und Ersatzmitgliedern einvernehmlich vorgeschlagen worden, deren
Aufteilung auf die einzelnen Fraktionen nach d’Hondt errechnet wurde:
Es soll der
Geschäftsordnungsausschuss aus je 13 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern
bestehen. Davon entfallen je sechs Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die
Österreichische Volkspartei, je fünf Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die Sozialdemokratische Partei, jeweils ein
Mitglied und ein Ersatzmitglied auf die Freiheitlichen und auf die Grünen.
Für die anderen vorhin genannten Ausschüsse sind jeweils
26 Mitglieder und Ersatzmitglieder vorgeschlagen. Demnach entfallen je
zwölf Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, je zehn Mitglieder und
Ersatzmitglieder auf die SPÖ, jeweils zwei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder
auf die Freiheitlichen beziehungsweise auf die Grünen.
Auch dazu ist ein Beschluss des Nationalrates notwendig.
Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen vorgeschlagenen Zahlen für
die Mitglieder und Ersatzmitglieder der einzelnen Ausschüsse zustimmen, um ein
Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist vom Nationalrat einstimmig so beschlossen.
Ich darf nun bitten, dass die Klubs die Namen der von ihnen jeweils
vorgeschlagenen Mitglieder beziehungsweise Ersatzmitglieder schriftlich bekannt
geben. Diese gelten damit als gewählt und werden auch im Stenographischen Protokoll
angeführt. (Zum Zeitpunkt der Drucklegung
waren noch nicht alle Listen verfügbar; s. Anhang.)
Somit ist der 3. Punkt der Tagesordnung erledigt.
4. Punkt
Erste Lesung:
Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend
ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert
wird, und Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des
Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (3/A)
Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt
der Tagesordnung.
Wir gehen in die
Debatte ein.
Der
Erstantragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Cap, erhält als erster Redner das
Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.
11.56
Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus!
Es begleitet uns schon seit langem eine sehr grundsätzliche Diskussion über die
Frage der Rechte der Minderheitsfraktionen hier im Hohen Haus, darüber, wie
sie im Rahmen der parlamentarischen Tätigkeit ihre Kontrollaufgabe optimal
erfüllen können. Unabhängig davon, dass selbst unsere Fraktion in der
Vergangenheit phasenweise unterschiedliche Auffassungen zu diesem Thema
hatte – ich denke vor allem an die Zeit, als es noch die Koalition der Sozialdemokraten mit der ÖVP gegeben
hat, und an die vielen Diskussionen, die es gab, als man eine neue
Geschäftsordnung hier im Haus beschlossen hat –, auch unabhängig davon,
wie die berühmten Gespräche zwischen den Parteien zur Bildung einer neuen
Regierung ausgehen mögen, ist, glaube ich, gerade jetzt der richtige Zeitpunkt,
um sich in Bezug auf diese Frage einmal grundsätzlich zu finden, um die Rechte
der Minderheitsfraktionen zu stärken.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 50 |
Daher haben wir
einen Antrag eingebracht, der künftig die Möglichkeit bieten soll, dass ein
Untersuchungsausschuss nicht wie bisher nur durch einen Mehrheitsbeschluss,
sondern bereits durch ein Verlangen von einem Drittel der Abgeordneten
eingesetzt werden kann; wobei ich hinzufüge, dass wir, sollte der Fall
eintreten, dass es hier in diesem Haus zu einer Regierungsmehrheit kommt, wonach
die Minderheit nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten zur Verfügung hätte,
wahrscheinlich hinsichtlich des Quorums eine Änderung durchführen müssten, denn
sonst wäre das keine Stärkung der Minderheitsfraktionen. Jedenfalls wäre es
notwendig, dass man grundsätzlich vom Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses
abrückt.
Weiters beinhaltet
dieser Antrag, dass nur ein Untersuchungsausschuss auf Grund eines Verlangens
laufen und es nicht gleichzeitig zwei geben kann und dass man auch eine
zeitliche Beschränkung vorsieht, nämlich dahin gehend, dass innerhalb von
18 Monaten nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses im Plenum über
die Tätigkeit berichtet wird.
Das sind klare
Regelungen. Da kann man nicht den Vorwurf machen, dass damit, wie es meistens
von den Mehrheitsfraktionen oder Regierungsfraktionen geäußert wird, den Minderheitsfraktionen
Destruktionsinstrumentarien oder „Kriminalisierungsinstrumentarien“ –
unter Anführungszeichen – überantwortet werden. Mit diesen Bestimmungen
wird eine klare Ordnung vorgegeben und eine parlamentarische Balance, eine
Ausgewogenheit zwischen Regierungsfraktionen und Opposition hergestellt, die,
glaube ich, wirklich die Rechte der Minderheitsfraktionen weiter stärkt.
Bei dieser
Gelegenheit möchte ich sagen – weil wir heute wiederum zwei zusätzliche
Anträge einbringen, die im Rahmen der Reform der parlamentarischen Arbeit einen
Stellenwert haben –, dass es sich lohnen würde, eine Grundsatzdiskussion
über die Frage der Öffentlichkeit hier zu führen. Das heißt, es geht um die
Möglichkeit, dass wir ähnlich wie in anderen Parlamenten in Europa festlegen
könnten, dass eine permanente Übertragung der Debatten hier im Plenum auf einem Fernsehkanal stattfinden könnte.
Es ist zu überlegen, die Arbeit in den Ausschüssen transparenter zu gestalten,
indem man den Medien die grundsätzliche Möglichkeit einräumt, den
Ausschusssitzungen beizuwohnen und über unsere Tätigkeit in den Ausschüssen
berichten zu können.
Ich glaube, dass
das mit Sicherheit auch die Arbeit in den Wahlkreisen erleichtern würde, denn
wie oft bekommt man die Frage gestellt: Was machen Sie derzeit? Wo sind Sie
gerade tätig? Was sind gerade Ihre Schwerpunkte? Hier ist ein Zusammenhang
damit gegeben, inwieweit die Wählerinnen und Wähler Zugang zu den Informationen
über die Tätigkeit der von ihnen gewählten Abgeordneten haben.
Es würde unsere
Arbeit erleichtern, wenn der Journalismus mehr Möglichkeiten bekäme, seine
Informationsarbeit zu verbessern, natürlich verbunden mit einer kritischen
Reflexion. Es ist ja nicht damit gemeint, dass das eine so genannte
Hofberichterstattung sein sollte. Vielleicht gibt es Einzelne, die diesen
Wunsch hegen, aber uns geht es darum, dass hier mehr Öffentlichkeit gegeben
ist, womit man die Arbeit der Abgeordneten in einem ganz entscheidenden Ausmaß
erleichtern könnte.
Genauso ist es mit
der Fragestunde. Man könnte sich auch Gedanken darüber machen, wie man die
Fragestunde qualitativ verbessern kann. Das wäre in diesem Gesamtpaket, neben
dieser Änderung hinsichtlich der Möglichkeit, einen Untersuchungsausschuss
einzusetzen, ein ganz wesentlicher Aspekt.
Die jetzige Praxis ist ja die: Man bringt eine schriftliche Anfrage in dieser Fragestunde ein, welche dann vom betreffenden Regierungsmitglied meistens schriftlich nicht beantwortet wird. Dann stellt man eine mündliche Zusatzfrage, und dann geht das gleiche Spiel wieder von vorne los. Ich denke, man könnte diese Fragestunde lebendiger gestalten, wie das meines Wissens in manch anderen Ländern der Fall ist, nämlich indem man auch ohne diesen Prozess der Vorbereitung Fragen stellen kann und spontaner dazu geantwortet werden muss, indem durchaus auch tagespolitische Ereignisse mit einbezogen werden können – auch das natürlich mit einer
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 51 |
entsprechenden Fernsehöffentlichkeit. All das würde ein lebendigeres
Parlament schaffen und die Arbeit des Parlaments volksnäher gestalten.
Es ist ja
niemandem damit gedient, wenn es hier zu einer Distanz kommt, unter anderem
auch wegen mangelnder Information und mangelnder Öffentlichkeit, zu einer
Distanz zwischen den Wählerinnen und Wählern und denen, die gewählt wurden.
Hier etwas zu machen kann ja eigentlich nur in unserem Interesse, im Sinne der
Stärkung des Parlamentarismus sein. Und das würde im weitesten Sinne auch eine
Stärkung für die Oppositionsfraktionen bedeuten, weil sie damit auch einen
gerechteren Zugang hätten – in der Aufteilung ist es zwar leider ein
bissel abhängig von den Mehrheitsverhältnissen, aber trotzdem –, denn
selbstverständlich haben Regierungsfraktionen und Regierungsparteien mit der Präsenz
in einer Regierung, mit dem Ausfüllen von Regierungsfunktionen ganz andere
Möglichkeiten, Öffentlichkeit für ihre politischen Ziele zu schaffen. Es ist
natürlich für Oppositionsfraktionen viel schwieriger, sich auch entsprechend zu
Wort melden zu können.
Ich denke, dass
damit in einem gewissen Sinne alle Parteien profitieren würden, vor allem aber
der Parlamentarismus insgesamt, dass damit das Parlament volksnäher und auch
die Identifikation mit der Tätigkeit der Abgeordneten größer würde. Dann obliegt
es nur mehr den jeweiligen Inhalten der Politik der Abgeordneten, ob sie mit
den Vorstellungen der Wähler übereinstimmen, aber das wird dann am Wahltag
entschieden, das ist eine ganz andere Frage.
Ob man vielleicht
sogar noch weiter geht und über eine Reform des Wahlrechts nachdenkt, ist ein
anderes Thema, das wir mit Sicherheit bei einer anderen Gelegenheit verhandeln
und diskutieren können.
Abschließend also:
Unser Anliegen ist es, die Rechte der Minderheitsfraktionen zu stärken und die
Einsetzung von Untersuchungsausschüssen unter den von mir skizzierten Regeln zu
ermöglichen. Zum Beispiel wäre gleich die Frage der Beschaffung dieser
Kriegsflugzeuge ein ganz konkreter Ansatz, diese neue Regelung zu erproben,
wonach dann spätestens nach 18 Monaten ein entsprechender Bericht
vorzulegen wäre. Aber es gäbe auch andere Gelegenheiten.
Weil die
Abgeordneten der FPÖ gerade so lächeln, wie wenn die Regierungsarbeit schon weiterginge –
Sie werden das ja besser wissen, möglicherweise wird das eh so sein –: Erinnern
Sie sich an Ihre Oppositionszeit, wo Sie ganz andere Töne gepflogen haben! Ich
gehe wirklich davon aus, dass Sie gerade jetzt unsere Initiative unterstützen
könnten. Vielleicht sind Sie wieder in Opposition, denken Sie daran! Irgendwann
wird der Zeitpunkt kommen, dafür wird zumindest der Wähler sorgen, wenn Sie
nicht unter die statistische Wahrnehmungsgrenze hinuntersinken sollten.
Jedenfalls meine
ich, es könnte hier eine Mehrheit dafür geben, dass man die Minderheitsrechte
der Oppositionsparteien stärkt, und die Zeit wäre reif dafür. Ich werbe um die
Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.)
12.05
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Mag. Kukacka. Er hat das Wort. Freiwillige
Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. (Abg.
Mag. Schweitzer: Wenn du nicht
polemisieren kannst, bist du schwach, Cap!)
12.06
Abgeordneter
Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus!
Meine Damen und Herren! Grundsätzlich sind wir als Volkspartei
selbstverständlich bereit, über all die Probleme und Fragen zu diskutieren, die
Kollege Cap hier angeschnitten hat. Selbstverständlich ist es sinnvoll und
notwendig, über all die parlamentarischen Verfahren zu sprechen, inwieweit wir
sie verständlicher und bürgernäher machen können. Das muss immer ein Anliegen
aller parlamentarischen Parteien sein. Das ist auch unser Anliegen. Wir
verschließen uns einer solchen Diskussion in der kommenden Legislaturperiode
ganz sicher nicht.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 52 |
Aber wir müssen
auch ein bisschen bei den Daten und Fakten bleiben. Grundsätzlich besteht seit
Jahrzehnten die Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Seit mehr als
13 Jahren sind die Beratungen im Untersuchungsausschuss sogar
medienöffentlich, alle Befragungen werden im Beisein der Öffentlichkeit und der
Medien durchgeführt. 1997 wurde sogar eine eigene Verfahrensordnung für
Untersuchungsausschüsse im Einvernehmen mit den Grünen und der SPÖ installiert,
und diese Verfahrensordnung hat sich in den letzten zwei Jahren im
Untersuchungsausschuss betreffend „Euroteam“ wirklich sehr bewährt, hat ihre
Praktikabilität und ihre Wirksamkeit nachgewiesen, hat diesen Test hervorragend
bestanden.
Wenn ich dem
Kollegen Cap heute zugehört habe, konnte ich feststellen, dass die SPÖ hier
offensichtlich einen Wechsel in ihrer Argumentation vorgenommen hat, denn in
den neunziger Jahren hat sich die SPÖ gegen die Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht noch heftig gewehrt und auch
noch verhindert. Damals waren die Sozialdemokraten in der Regierung, waren
stärkste Partei, trugen Regierungsverantwortung und haben – möglicherweise
deshalb – die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht
eindeutig abgelehnt.
In der letzten
Legislaturperiode waren die Sozialdemokraten Oppositionspartei und haben auf
einmal ihre Liebe zu Minderheitsrechten entdeckt und wollen nun dieses Recht
auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch Minderheiten geben. Jetzt,
nach dieser Wahl, sind sie zweitstärkste Partei und bringen wieder diesen
Antrag ein.
Meine Damen und Herren!
Ich stelle fest, glaubwürdig und überzeugend ist für mich diese Linie nicht,
denn als Regierungspartei Minderheitsrechte abzulehnen, als Minderheitspartei
aber dafür einzutreten, das ist nicht gerade überzeugend, sondern das riecht
ein bisschen nach parteipolitischem Opportunismus. (Beifall bei der ÖVP.)
Nicht der
grundsätzliche Standpunkt, sondern offenbar die jeweilige parteipolitische
Position, Ihr Standort bestimmt diese Linie. (Abg. Dr. Cap: Was will
die ÖVP?) Und das halten wir im Hinblick auf Grundfragen des
Parlamentarismus und der Geschäftsordnung des Nationalrates ehrlich gesagt
wirklich nicht für zielführend und auch nicht für überzeugend. (Abg. Dr. Cap: Und was will die ÖVP jetzt?)
Wir sehen, was den
Untersuchungsausschuss betrifft, keinen Anlass, unsere Position zu ändern,
meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.) Wir bleiben bei unserer
Linie, die wir auch in den letzten zehn Jahren vertreten haben, und das mit
guten Argumenten, denn ein Minderheitsrecht für Untersuchungsausschüsse ist in
den europäischen Parlamenten weithin unbekannt. Die einzige Ausnahme ist die
Bundesrepublik Deutschland, aber selbst das angebliche Minderheitsrecht im
Deutschen Bundestag ist nur theoretisch, denn dort werden die Untersuchungsaufträge
und die Einsetzung der Untersuchungsausschüsse im Regelfall einvernehmlich
festgelegt.
Außerdem kennt das
deutsche Verfassungsrecht die im österreichischen Recht unbekannte Organanklage
gegen verantwortliche Organe des Parlaments. Und wenn man schon das deutsche Beispiel
heranzieht, dann müsste man wahrscheinlich auch über diese Frage diskutieren.
Im Übrigen ist das
österreichische Parlament bei der Ausstattung mit Minderheitsrechten in Europa
durchaus führend. So hat zum Beispiel der Deutsche Bundestag keine Möglichkeit,
Rechnungshof-Sonderprüfungen durchzuführen.
Meine Damen und
Herren! Gerade der „Euroteam“-Untersuchungsausschuss hat bewiesen, dass sich
die neue Verfahrensordnung bewährt hat und dass Minderheitsrechte sehr ernst genommen
werden. Der Verfahrensanwalt war die ganze Zeit präsent und hat auch bei
strittigen Fragen, in Sachen, in denen sich die Parteien nicht einig waren,
objektiv und parteiunabhängig Auskunft gegeben und die Geschäftsordnung
entsprechend interpretiert. Auch wenn es der jeweiligen Mehrheit –
manchmal auch uns – nicht gepasst hat, hat sie das zur Kenntnis genommen.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 53 |
Die
Regierungsparteien haben sogar Oppositionsanträgen auf Zurverfügungstellung von
zusätzlichen Budgetmitteln im Budget zugestimmt. Dazu kommt noch, dass
selbstverständlich jeder Partei unabhängig von ihrer Stärke die gleiche
Fragezeit eingeräumt wurde.
Meine Damen und
Herren! Mängel und Defizite im Untersuchungsausschuss gab es meiner Meinung
nach nicht auf Grund geschäftsordnungsmäßiger Probleme oder mangelnder Minderheitsrechte,
sondern vielmehr gab es sie – so habe ich das empfunden – auf Grund
mangelnder politischer Moral mancher Ausschussmitglieder, auf Grund des Mangels
an persönlicher Verantwortung und an Haltung, was man seiner Aufgabe und
seiner Rolle als Mitglied eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses
schuldig ist.
Ich frage Sie,
Herr Kollege Cap: Wie würden Sie etwa das Verhalten Ihres Justizsprechers
beurteilen? – Er ist von Ihrer Partei in den Untersuchungsausschuss
entsandt worden, obwohl er Rechtsvertreter für eine Firma war, die Teil des
Untersuchungsgegenstands „Euroteam“ war, nämlich für das „bfi Wien-Euroteam“.
Er hat sogar den Geschäftsführer dieses Unternehmens, der im Übrigen demnächst
angeklagt wird, als parlamentarischen Mitarbeiter beschäftigt.
Meine Damen und
Herren! Es ist unverständlich, dass Kollege Jarolim sein persönliches Naheverhältnis
zur Zentralfigur dieses Falles im Ausschuss mit keinem Wort erwähnt hat,
sondern es offenbar zu verschleiern versucht hat, bis man es im Untersuchungsausschuss
aufgedeckt hat. (Beifall bei der
ÖVP.)
Er hat zu keinem
Zeitpunkt eine politische Unvereinbarkeit zwischen seiner Rolle als Untersuchungsausschussmitglied
und seiner Rolle als Betroffener, der persönlich in diesen Fall verwickelt war,
gespürt. Das
ist ein Fall mangelnder
politischer Moral, meine Damen und Herren! Der SPÖ-Justizsprecher hätte
sich nie in diesen Untersuchungsausschuss nominieren lassen dürfen. Daran
hat es gemangelt, der Mangel bestand nicht im Hinblick auf
institutionelle Probleme!
Doch Ähnliches
gilt bedauerlicherweise auch für den Grün-Abgeordneten Karl Öllinger. Der
Untersuchungsausschuss hat nämlich aufgedeckt, dass Lukas Wurz Gründungsobmann
und bis heute Vorstandsmitglied des gewaltbereiten, linksradikalen „TATblattes“
ist. Er wurde auch vom Untersuchungsausschuss kritisch unter die Lupe genommen.
Lukas Wurz ist aber auch Angestellter des Grünen Klubs. Wurz ist der
Sozialreferent im Grünen Klub. Wurz ist darüber hinaus ein bedeutender und
wichtiger Mitarbeiter und Vertrauter des Abgeordneten Öllinger.
Abgeordneter
Öllinger hätte selbstverständlich wegen politischer Befangenheit die Konsequenz
ziehen müssen und den Untersuchungsausschuss wegen Unvereinbarkeit –
zumindest in diesem einen Fall! – verlassen müssen. (Abg. Dr. Cap: Zur Sache!) Aber er hat es nicht getan
und damit gezeigt, dass manche Abgeordnete politische Moral und hohe politische
Maßstäbe nur dann gelten lassen, wenn sie nicht selbst davon betroffen sind. (Abg. Dr. Cap: Thema verfehlt!)
Meine Damen und
Herren! Nur dann, wenn diese parteipolitisch motivierten Haltungen und Einstellungen
geändert werden, können auch die Objektivität und die Glaubwürdigkeit der Untersuchungsausschüsse
verbessert werden. Gerade das halten wir in dieser Frage für eine ganz wichtige
Aufgabe, die wir auch in der nächsten Legislaturperiode angehen sollten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Wo sind Ihre Flügerl? Der Heiligenschein liegt noch auf dem Rednerpult!)
12.15
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als Nächster zu
Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.
12.15
Abgeordneter
Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Der öffentliche Bereich und vor allem die obersten
Organe werden sehr oft verklärt gesehen. Es ist aber auch so, dass manchmal
dieselben Verhaltensweisen, dasselbe simple Schema so angewendet wird wie im
privaten Bereich.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 54 |
Die Einstellung
der parlamentarischen Fraktionen zum Minderheitsrecht auf Einsetzung eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist sicherlich durch die Frage
geprägt, ob man sich eher als potentieller Untersuchter oder primär als
Untersucher sieht.
Ich weiß aus der
langen Zeit der Regierungsverantwortung meiner Partei – Kollege Kukacka
hat uns zu Recht daran erinnert, welche Haltung wir eingenommen haben, genauso
wie er zu Unrecht Dinge hier heute gebracht hat, die nicht in diese Debatte
gehören und die eigentlich nur unterstreichen, dass er manchmal die Dinge eher
zu klein sieht, als dass er die Größe von Vorhaben erkennt –, dass man von
der Regierungsbank aus Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen
nicht immer in erster Linie als Glanzlichter der Demokratie sieht, sondern
meistens mehr als politische Störmanöver, als unzulässige Stimmungsmache, als
Blockierung und Behinderung der Arbeit der Regierung.
Aber ich weiß auch
aus der Oppositionszeit meiner Partei, dass das manchmal sogar die Gründe dafür
gewesen sind, warum man solche Anträge gestellt hat. In der Mehrheit der Fälle
war es aber nicht so. In der Mehrheit der Fälle war es die Sorge, dass etwas
nicht in Ordnung ist, war es die Sorge, dass etwas aufgeklärt gehört.
Meine Damen und
Herren! Auch wir haben in der Vergangenheit dazu manchmal eine andere Haltung
eingenommen, aber wir haben aus den eigenen Fehlern gelernt. Herr Kollege
Kukacka! Wir alle sollten lernen – sowohl aus den Fehlern der anderen als
auch aus den Fehlern, die wir selbst gemacht haben.
Wir bekennen uns
heute zum Minderheitsrecht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, und
wir tun das zu einem Zeitpunkt, zu dem wir nicht geprägt sind vom Sein, das wir
hier haben, zu dem wir nicht wissen, ob wir in Kürze in der Regierung oder
weiterhin auf der Oppositionsbank sein werden. Auch bekennen wir uns
gleichzeitig zu Regelungen, die sicherstellen werden, dass es keinen Missbrauch
dieses Minderheitsrechtes gibt, dass es keine Untersuchungsausschuss-Schwemme
gibt, die schon durch den bloßen Zeitaufwand die Arbeit von Ministerien oder
von Ministern stilllegt. Das Recht auf Einsetzung solcher Ausschüsse, das
Recht, sie zu verlangen und sie durchzusetzen, muss auch einer
Opposition zustehen!
In einem Punkt
wird unser Antrag sicherlich noch zu diskutieren und zu ändern sein. In einem
Punkt könnte er zum Beispiel bei einer schwarz-roten Koalition nicht
demokratisch genug sein, nämlich was die Zahl der Antragsteller betrifft. Wenn
„ein Drittel“ bleibt und es Schwarz-Rot gibt, dann hätte die Opposition nicht
ein Drittel, und dann wäre das sicherlich keine faire Vorgangsweise. Gerade
dann, wenn eine Regierungsmehrheit sehr groß ist und vielleicht sogar eine Verfassungsmehrheit
besteht, sind die Oppositionsrechte und die Kontrollrechte besonders wichtig.
Für diese Fälle
müsste es Vorsorgen geben, um das Recht zu erhalten, und in diesem Punkt ist
auch die Bereitschaft da, unseren Antrag diesbezüglich abzuändern. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Meine Damen und
Herren! Der nationale Parlamentarismus erlebt derzeit – und wir müssen das
offen zugeben – keine Hochblüte. Immer mehr Dinge werden global und nicht
national entschieden. Wir haben zu Recht viele Dinge der Europäischen Union
übertragen. Von nationalen Parlamentsrechten ist viel zum EU-Rat und zum
Europäischen Parlament gegangen. Allerdings wanderte dabei viel zu wenig an
Rechten zum Europäischen Parlament. Außerdem haben die Parlamente auch in ihrer
Funktion als Partner der Regierung an Bedeutung verloren – nicht deshalb,
weil die Regierungen nicht partnerschaftlich agieren wollen, sondern deswegen,
weil auch die staatliche Ebene schwächer geworden ist. Dies geschah aber nicht
bloß durch Einigungsprozesse und durch internationale Einrichtungen, sondern
durch die neue Kraft der Konzerne, der Firmen, der Fonds, von
Aktionärsgruppen, deren Partner auch in der Bewältigung kritischer Fragen meist
nicht mehr Parlamente, ob national, regional oder international, sind, sondern
öffentlichkeitswirksam auftretende NGOs, die ihre Anliegen im Gegensatz zu
diesen Konzernen in der Öffentlichkeit darlegen.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 55 |
Aber nicht nur in
Österreich, sondern überall in Europa und auch darüber hinaus müssen sich die
Parlamente, muss sich der Parlamentarismus erst in seiner neuen Rolle in dieser
Zeit der Einigung und in dieser Zeit der Globalisierung finden. Es besteht die
Notwendigkeit, neue internationale und regionale Zusammenarbeitsformen,
Gedankenaustauschformen der Parlamente zu finden, die parlamentarische
Diplomatie weiter zu entwickeln, die Bürger wieder stärker mit einzubeziehen,
Allianzen mit NGOs auf nationaler Ebene zu schließen.
Dass in jedem Land die parlamentarischen Rechte ausgebaut werden, ist
auch ein Punkt, der notwendig ist. Das muss selbst dann geschehen, wenn es
mühsam und zeitraubend ist. Wie oft im Leben geht auch das nicht mit einem
großen Wurf, sondern nur als Summe von so genannten Kleinigkeiten. In Österreich
gibt es diese Kleinigkeiten, und das sind Bereiche, in welchen aber gerade in
den letzten Jahren der Parlamentarismus stark ausgedünnt wurde.
Wir sollten uns Folgendes vornehmen, meine Damen und Herren: Es soll
keine radikalen Eingriffe in das Begutachtungsrecht durch Setzung von
kürzesten Fristen für die Begutachtung mehr geben, und es sollte natürlich auch
keine Umgehung des Begutachtungsrechtes mehr geben.
Es sollten natürlich auch einer Regierungsfraktion alle Rechte zustehen,
aber sie sollte diese sehr sparsam nutzen. Es sollte keine exzessive Nutzung
von Oppositionsrechten durch Regierungsfraktionen geben, wie zum Beispiel
Verlangen auf Sondersitzungen, Dringliche Anfragen, Anträge auf Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen et cetera, denn in Österreich ist es so wie in allen
Demokratien, wo die Wurzel des Parlamentarismus im 19. Jahrhundert liegt:
Da ist ohnedies eine große Menge an Rechten der Regierungsmitglieder und der
Minister auch im Parlament vorhanden, wie zum Beispiel Wortmeldungen, Redezeit
et cetera. Es hat die Regierung ohnedies auch im parlamentarischen Getriebe
schon von vornherein einen Bonus, sodass es notwendig ist, das dadurch
auszugleichen, dass Regierungsfraktionen ihre parlamentarischen Rechte nicht
so nutzen, dass sie Oppositionsrechte damit ausschließen.
Wir sollten vereinbaren, dass Ausschüsse einberufen werden, wenn es
Gesetzesvorlagen gibt, und zwar auch dann, wenn es nur Anträge sind, und nicht
nur dann, wenn es Regierungsvorlagen sind, wie es manchmal geschehen ist. Wir
sollten nicht mehr zulassen, dass die Behandlung von Gesetzesanträgen
permanent vertagt wird und dadurch Oppositionsanträge nicht einmal behandelt
werden können – abgelehnt können sie ohnehin werden. Wir sollten nicht
zulassen, dass die Öffentlichkeit von Expertenhearings in Ausschüssen
ausgeschlossen wird. Wir sollten für öffentliche Ausschusssitzungen sein.
Außerdem sollten wir, wo doch ohnedies der Arbeitsaufwand des Parlaments
durch die Übertragung von Agenden an die EU zurückgegangen ist, darauf achten,
dass dem Plenum nicht noch Dinge weggenommen werden, weil man unbedingt eine
Enderledigung im Ausschuss erzwingen oder EU-Debatten nicht hier im Plenum
führen will, sondern nur im Hauptausschuss selbst. Wir sollten darüber hinaus
schauen, dass wir uns nicht mehr der Ladung von Auskunftspersonen verweigern.
Meine Damen und Herren! Die Regierung selbst sollte dazu beitragen, dass
die Kontrolle ihrer Arbeit möglich ist. Es sollten Anfragen ordentlich und
nicht oberflächlich beantwortet werden, wie es gerade in den letzten Jahren
sehr oft der Fall war.
Meine Damen und Herren! Es gibt viele Dinge, wo wir im eigenen Bereich
Sachen verbessern könnten, wenn wir nur wollten. Aber wollen muss es die
Mehrheit in diesem Hohen Haus, und da ist vor allem die Regierungsfraktion
gefordert. Sie muss hier wollen und dazu bereit sein. Aber die Bereitschaft
muss von allen mitgetragen werden. Meine Fraktion ist dazu bereit. (Beifall
bei der SPÖ.)
12.25
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist
Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.
12.25
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass Herr Abgeordneter Schieder jetzt hier – ich nehme an bezie-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 56 |
hungsweise hoffe, dass das nicht nur seine
persönliche Meinung ist, sondern auch die Meinung der Mehrheit seiner
Fraktion – ein bisschen das Bild zurechtgerückt hat, das man gewinnen
konnte, wenn man dem Klubobmann Cap sehr genau zugehört hat – was wir alle
hier natürlich getan haben –, und vor allem, wenn man den Antrag gelesen
hat, so wie er hier vorliegt.
Meine Damen und
Herren! Ich glaube – und da gebe ich allen meinen Vorrednern Recht, die
das erwähnt haben –, dass es selbstverständlich wichtig und notwendig ist,
die Rechte der Parlamentarier innerhalb des Parlaments, aber auch gegenüber der
Bundesregierung immer auf ihre Effizienz und auf ihre Machbarkeit hin zu
überprüfen und, wenn es geht, auch permanent weiterzuentwickeln.
Aber das sollte
von einem möglichst objektiven Standpunkt aus geschehen und nicht von dem
Standpunkt: Was nützt mir und meiner eigenen Fraktion am besten? Wenn die
erforderliche Zahl für den Beschluss der Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses mit einem Drittel der Abgeordneten festgelegt wurde,
dann muss ich sagen: Das lässt bei mir schon den Verdacht aufkommen, dass
zumindest in diesem Bereich ein bisschen der Gedanke „Was nützt es meiner
Fraktion?“ im Vordergrund gestanden ist und nicht die Überlegung „Was nützt der
Minderheit, was nützt einer möglichen Opposition hier im österreichischen
Parlament?“.
Ich sehe die
vorliegenden Anträge – auch den Antrag der Grünen – als Anregung,
sich intensiv mit der Weiterentwicklung der Geschäftsordnung und der Rechte des
Parlaments zu beschäftigen. Ich glaube, dass es noch über viele andere Dinge
mehr wert sein wird, hier im Parlament zu diskutieren, so zum Beispiel über die
Gestaltung der Tagesordnung. Es wäre, glaube ich, spannend, viel öfter als
bisher zu aktuellen Themen wirkliche Grundsatzdebatten zu einer prominenten Zeit
hier im Parlament führen zu können. In vielen anderen Parlamenten sind es die
spannenden Zeiten, die spannenden Ereignisse und Augenblicke, wenn das
Parlament über aktuelle innenpolitische, aber auch außenpolitische Ereignisse
diskutiert, sich eine Meinung bilden und durchaus auch Beschlüsse fassen kann.
Es ist aber
natürlich nicht nur die Frage zu beachten: Was kann das Parlament, was steht in
der Geschäftsordnung?, sondern auch die Frage zu untersuchen: Wie nützen die
Abgeordneten die ihnen zustehenden Rechte? Das ist wohl auch ein bisschen an
das Selbstverständnis der Abgeordneten zu richten. Gerade bei sensiblen Dingen
wie etwa bei Untersuchungsausschüssen ist natürlich auch immer zu fragen: Wie
kann der Missbrauch von derart sensiblen Einrichtungen beziehungsweise
parlamentarischen Instrumentarien verhindert werden?
Ich glaube aber,
dass man darüber hinaus gehen sollte: dass man – und das ist hier schon angeklungen –
nicht nur die Geschäftsordnung des Nationalrates im engeren Sinn einer Evaluierung
und Weiterentwicklung unterziehen sollte, sondern dass wir auch gefordert sind,
Österreichs gesamtes Verfassungsgefüge einmal zu diskutieren, uns anzusehen
und an die neuen Gegebenheiten anzupassen.
Dabei sind
folgende Fragen zu beachten: Welche Kompetenzen haben wir denn an die Europäische
Union abgegeben? Wie sehen wir uns hier als Gesetzgeber? Wie sehen wir uns bei
der Mitwirkung an der „Gesetzgebung“ – unter Anführungszeichen – in
der Europäischen Union? Wie ist das Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und
Gemeinden? Wie kann man Probleme angehen und möglicherweise auch beheben, was
den Missbrauch einer Zweidrittelmehrheit hier im Parlament betrifft? Das ist
etwas, was der Verfassungsgerichtshof bereits moniert hat. Sie wissen, dass das
über viele Jahre geschehen ist. Wir haben das auch schon oft kritisiert.
Manchmal hörte man auch ein bisschen Selbstkritik bei jenen, die das damals
gemacht haben. Wir wissen, dass unser Verfassungsgefüge nicht danach
ausgerichtet ist, dass hier im Parlament eine Regierung über eine
Zweidrittelmehrheit verfügt. Mit dieser Zweidrittelmehrheit kann jede
Kontrollbefugnis des Verfassungsgerichtshofes de facto ausgeschaltet oder zumindest
sehr stark vermindert werden. Auch das sind Dinge, die diskutiert gehören.
Natürlich kann man
immer, Herr Abgeordneter Cap, über das Wahlrecht nachdenken. Aber auch da
sollten wir die Eigeninteressen, die Interessen der eigenen politischen Kraft
und Fraktion hintanstellen und auf einem objektiven, auf einem allgemeinen
Standpunkt diskutieren.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 57 |
Ich glaube nicht,
dass all die Ideen, die hier eingebracht worden sind, an diesem Standard zu
messen sind, wenn es darum geht, hier in Österreich ein Mehrheitswahlrecht
einzuführen, damit die großen Fraktionen möglichst noch größer werden, auch wenn
es dem Wählerwillen nicht zu 100 Prozent entspricht, und kleine Fraktionen
wesentlich weniger proportional hier im Parlament vertreten sind.
Wenn wir uns dazu
finden, all diese Punkte objektiv, offensiv, ehrlich, dynamisch zu diskutieren,
dann wäre das sicherlich nicht nur im Sinne des Parlamentarismus, sondern auch
der Republik Österreich, und es wäre vielleicht einzigartig, wenn man solche
Dinge unabhängig von ideologischen und parteipolitischen Scheuklappen
behandeln könnte. In der Vergangenheit war dies schwierig, aber man soll die
Hoffnung auf Besserung nie aufgeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
12.31
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter
Mag. Kogler. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.
12.31
Abgeordneter
Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Geschätzter Kollege Schweitzer – Entschuldigung: Kollege
Scheibner. Ich habe Schwierigkeiten mit der Klubobmannfrage gehabt. Ich darf da
anknüpfen. Ich möchte mich auf die Fragen der Aufwertung des Parlamentarismus
beschränken, denn im engeren Sinn geht es dann wieder um die
Untersuchungsausschüsse.
Ich möchte auch in
Richtung SPÖ sagen: Jeder darf irgendwann einmal gescheiter werden. Herr
Kollege Kukacka, ich verstehe nicht, warum Sie plötzlich glauben, mit der
Position der jetzigen Mehrheitsfraktion die Weisheit sozusagen mit auf die
Reise bekommen zu haben, denn das ist auch keine Kunst, wie Sie es angelegt
haben. Jeder darf gescheiter werden! – Verständigen wir uns darauf.
Aufwertung
Parlamentarismus: Die Frage der Öffentlichkeit des Plenums einerseits und jene
der ständigen Öffentlichkeit der Ausschüsse andererseits hielte ich für sehr
wichtig. Wir würden uns in der Präsidiale die Festlegung sehr vieler
eigenartiger Redezeitregelungen, die wir hier dann zu beschließen haben,
ersparen, die oft dadurch zustande kommen, dass das Fernsehen um 13 Uhr
aussteigt. Umgekehrt formuliert: Es gibt auch viele vernünftige Gründe, dass
die Wählerinnen und Wähler dem Treiben hier ständig zuschauen können, wenn Sie
das so formuliert haben wollen. Dagegen ist nichts einzuwenden, das sollte auf
die Reise gebracht werden.
Mindestens so
wichtig allerdings ist die Frage der Öffentlichkeit von Ausschüssen. Da haben
wir schon mehrmals den Vorschlag gemacht, einfach das Prinzip umzudrehen.
Grundsätzlich sollen die Ausschüsse öffentlich sein. Selbstverständlich wird
es, wenn besondere Gründe vorliegen, dass entweder Vertraulichkeit oder
Nichtöffentlichkeit – das ist nicht immer dasselbe – herzustellen
ist, so beschlossen, aber grundsätzlich sind die Beratungen öffentlich und
haben Öffentlichkeit und Journalisten Zugang. Das würde gerade die
Kontrollfunktionen, die auch in den Ausschüssen zum Teil geleistet werden,
mindestens aber in den einschlägig dazu berufenen, nämlich im
Rechnungshofausschuss und im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses, eindeutig
in eine bessere Position bringen.
Jetzt komme ich zur Anregung des Kollegen Cap. Ich finde auch, dass wir die Fragestunde in der Form, wie wir sie jetzt abhalten, entweder abschaffen oder verbessern sollten. Die Fragestunde wird interessanterweise im Fernsehen schon immer pflichtgemäß übertragen, so, als ob das eine Verfassungsbestimmung wäre. Es ist wirklich eigenartig, da wird dem Fernsehzuseher suggeriert, dass es sich um eine mündliche Anfrage handelt. In Wahrheit muss man diese – Sie alle wissen es – in ganz satter Frist vorher abliefern, und der Minister weiß, was er zu sagen hat. Der mögliche Gag besteht darin, ob die Zusatzfrage mehr oder weniger originell oder kreativ gestaltet werden kann – dann freut es meistens auch den Minister mehr; Sie kennen das ja, Herr Kollege Scheibner. Aber den anderen Teil sollten wir schleunigst verbessern. Es hätte
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 58 |
auch seinen
Sinn, aktuelle, dann aber auch relativ spontan geführte Debatten, beschränkt
auf diese Stunde – diese sollten nicht ewig dauern –, hier
durchzuführen.
Das könnten wir
alles in dieses Paket hineinnehmen. Es spricht gar nichts dagegen, die Anträge
Cap auf der einen Seite und jenen unserer Fraktion auf der anderen Seite, den
wir ja gleich im heute zu konstituierenden Geschäftsordnungsausschuss
einbringen werden, unter diesen Aspekten zu verhandeln.
Jetzt komme ich
zum Untersuchungsausschuss an sich. Da ist ja an Begründung nicht mehr viel
hinzuzufügen, außer auf ein Argument einzugehen, das Kollege Kukacka gebracht
und Präsident Khol der APA am 15. dieses Monats mitgeteilt hat, und zwar
bezieht er sich da auf die Bundesrepublik Deutschland mit dem Argument, nur
dort würde überhaupt so etwas Ähnliches wie ein Minderheitsrecht hinsichtlich
der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses existieren, und verweist darauf,
dass es so etwas wie eine Organklage im deutschen Grundgesetz gebe.
Das ist richtig,
Artikel 93 normiert das dort. Worum geht es da? – Da geht es darum,
dass auch Organe der Republik, mithin Funktionäre des Parlaments, also
Ausschussvorsitzende – um die würde es hier ja gehen – oder selbst
die Präsidenten des Nationalrates, ihrerseits noch einer Bewertungsinstanz
ausgesetzt sind. In unserer Verfassung wäre das dann der Verfassungsgerichtshof.
Ja wenn Kollege
Khol meint, dass das im Kontext nützlich und notwendig ist, dann kann man
darüber reden. Daran soll es nicht scheitern. Herr Kukacka, das war allerdings
das einzige Argument, das übrig geblieben ist, dass wir das nicht hätten. Ja
dann schauen wir uns das gemeinsam an, das macht auch Sinn. Warum soll es keine
Bestimmung geben, die die Präsidiale davon befreit, zum Beispiel ständig
festzustellen, ob ein Ausschussvorsitzender richtig oder falsch gehandelt
hat – sie kann ohnehin nicht eingreifen –, und die vorsieht, wenn
eine entsprechende Anregung oder Klage in schwereren Fällen dem
Verfassungsgerichtshof vorliegt, dass darüber befunden wird, und zwar in Form
einer Feststellung; nicht mehr, denn auch der Verfassungsgerichtshof kann das
parlamentarische Prozedere nicht im Nachhinein aufheben.
Aber wenn das die
einzige Begründung dafür ist, dass wir die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen
nicht als Minderheitsrecht verankern sollten, dann werden wir darüber reden,
und zwar ganz geschwind. Ich freue mich auf die diesbezüglichen Verhandlungen
im Geschäftsordnungsausschuss. An dem wird es sicher nicht scheitern. Da
stehen Sie bei uns vor offenen Türen und, wie ich annehme, auch bei der SPÖ. (Abg.
Dr. Cap: Kukacka ist schon schwach!)
Letzter Punkt:
Herr Kollege Kukacka, wenn Sie hier davon sprechen, dass die Grundrechte
gewahrt werden müssten, dann muss ich dem entgegenhalten: Das muss ja wohl auch
der Fall sein, wenn die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses so wie bis
jetzt einer Mehrheit obliegt. Soll dann nicht die Grundrechtslage
gelten? – Na selbstverständlich!
Es ist in diesem
Zusammenhang auch ein bisschen eigenartig, um nicht zu sagen eigentlich unseriös,
Kollegen Öllinger hier in die Debatte mit hereinzunehmen als jemanden, der im
Zuge des „Euroteam“-Untersuchungsausschusses nicht korrekt gehandelt hätte. Ich
finde dies deshalb mindestens unseriös, weil Sie genau wissen, dass dieser
Untersuchungsausschuss ohne den Kollegen Öllinger und seine Recherchearbeiten
ja überhaupt nicht ... (Abg. Mag. Kukacka: Unvereinbar!) –
Ja wenn das unvereinbar ist, dass die Aufdecker schon selber im Ausschuss
sitzen, dann kann ich Ihnen wirklich nicht helfen. Dann ist ja auch wieder
klar, was von Ihrer Mehrheit hier zu erwarten ist. (Beifall bei den Grünen.)
In Wahrheit haben Sie doch bewiesen, dass Sie einen Untersuchungsausschuss, der ja nicht zufällig den Titel „Euroteam“ trägt, mit Ihrer Mehrheit im Ausschuss ganz woanders hingetrieben haben, als der ursprüngliche Untersuchungsgegenstand war. Das war doch das Problem! Und jetzt wollen Sie sich hier herstellen und sich vor der Minderheit fürchten. Schauen Sie einmal,
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 59 |
dass Sie Ihre Mehrheit nicht
missbrauchen! (Abg. Dr. Cap: Wie wahr! Wie wahr!) Das wäre
viel gescheiter. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Dann könnten wir
uns wieder ohne diese Predigten besser darüber verständigen, was wirklich der
Aufwertung des Parlamentarismus dient. – Vielen Dank. (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
12.39
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Kollege Kogler, Sie können gleich
in der Nähe des Rednerpultes bleiben, denn diese Debatte ist geschlossen.
Den Antrag 3/A
weise ich dem Geschäftsordnungsausschuss zu.
5. Punkt
Erste Lesung:
Antrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz
des Nationalrats geändert werden (15/A)
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir kommen zum
nächsten Punkt der Tagesordnung.
Wir gehen in die
Debatte ein.
Zu Wort gelangt
der Begründer, Herr Abgeordneter Kogler. – Bitte.
12.39
Abgeordneter
Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Ich kann
meine Ausführungen jetzt tatsächlich kurz halten und die Gelegenheit dazu
benützen, um auf einen Unterschied hinzuweisen, wodurch sich der Antrag Cap
vom Antrag Kogler, den wir jetzt sozusagen diskutieren, unterscheidet.
Der Antrag der SPÖ
zielt darauf ab, dass dieses Minderheitsquorum genau bei einem Drittel der
Abgeordneten liegen soll. Bei uns ist es hingegen so, dass wir das ähnlich wie
bei anderen Bestimmungen, die Minderheitsrechte in Kontrollfragen betreffen,
jeder Fraktion im Hause zugestehen. Das braucht natürlich eine Begrenzung, um
einen Missbrauch hintanzuhalten, das ist völlig logisch. Deshalb findet sich in
unserem Antrag auch der Hinweis darauf, dass ein zweites diesbezügliches
Verlangen, was es ja dann nach diesem Geschäftsordnungsvorschlag wäre,
unzulässig ist, solange das erste nicht behandelt wurde.
Also vereinfacht:
Solange der Untersuchungsausschuss nicht beendet ist, darf nach dieser Passage
ein zweites Verlangen gar nicht gestellt werden. – Diese
Selbstbeschränkung, die sinnvoll ist, ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass
der Opposition nicht daran gelegen ist, das Ganze überbordend zu gestalten.
Ich darf noch
hinzufügen, dass auch die SPÖ diese Passage in ihrem Antrag hat. Der einzige
Unterschied, der nunmehr bleibt, ist die Frage: Darf es ein Drittel der
Abgeordneten oder darf es auch eine Fraktion sein? Aber – Herr Kollege
Cap, Sie haben vorhin selbst darauf hingewiesen – wenn ohnehin einem
Missbrauch der Riegel vorgeschoben wird, ist es wirklich kein Problem, es auch
einer Fraktionsstärke anheim zu stellen, ob sie dieses eine Mal dieses Recht
beansprucht oder auch nicht. Kollege Kukacka! Es ist im Übrigen ohnehin ein
jeder schlecht beraten, der einen Untersuchungsausschuss will, wenn er dann
dort nichts zusammenbringt. Aber mit diesem Problem müssen Sie sich noch einmal
beschäftigen. (Beifall bei den Grünen.)
12.41
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Ich danke Herrn Abgeordnetem Kogler
für die Begründung des Antrages 15/A.
Wortmeldungen
liegen dazu nicht vor. Daher weise ich diesen Antrag 15/A dem
Geschäftsordnungsausschuss zur Vorberatung zu.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 60 |
6. Punkt
Erste Lesung:
Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und
Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zum Schutz der Tiere
(Bundes-Tierschutzgesetz – TSchG) (12/A)
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir kommen zum
6. Punkt der Tagesordnung.
Wir gehen in die
Debatte ein.
Zu Wort gelangt
die Erstantragstellerin, und das ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic.
Maximale Redezeit: 10 Minuten, freiwillige Redezeitbeschränkung:
7 Minuten. – Bitte.
12.42
Abgeordnete
MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Hohes Haus! Die Debatte um die Verbesserung der Tierschutzstandards
in Österreich zieht sich jetzt viele Jahre auch durch den Nationalrat, wiewohl
es bislang kaum eine Zuständigkeit auf Bundesebene in Sachen Tierrecht,
Tierschutz gibt. Es gibt einzelne Bereiche, was das Strafrecht betrifft, was
Tierversuche betrifft, wo es Bundesnormen gibt, aber beim „ganz normalen Tierschutz“ –
unter Anführungszeichen –, das heißt beim Umgang mit landwirtschaftlichen
Nutztieren, bei der Behandlung von Haustieren, gibt es bislang keine
Bundeszuständigkeit.
Das wurde seit
geraumer Zeit nicht nur von der österreichischen Tierschutzbewegung massiv
kritisiert, sondern das wird immer öfter auch von der Europäischen Union mit
scharfen Worten kritisiert. Österreich, vor allem was die landwirtschaftliche
Nutztierhaltung betrifft, hat heftige Kritik von Seiten der EU einstecken
müssen, und es ist nach wie vor so, dass ich das Gefühl habe, man nimmt das auf
die leichte Schulter.
Jetzt gab es schon
vor mehr als fünf Jahren ein Tierschutz-Volksbegehren in Österreich, ein
Volksbegehren, das einen erstaunlich hohen Zuspruch hatte, aber mit dem seither
in diesem Hohen Haus, muss ich sagen, wirklich übel verfahren wurde. Es gab
eine Fülle von Sitzungen – ich kann gar nicht sagen, wie
viele Sitzungen es im Unterausschuss des Verfassungsausschusses schon dazu
gab –, bei denen eigentlich in der Sache nichts
weitergegangen ist. Und es ist so, dass in dieser Frage eigentlich einzig und
allein die ÖVP immer blockiert hat.
Wenige Tage vor
der letzten Nationalratswahl hat dann der Herr Bundeskanzler aufhorchen lassen,
hat verkündet, dass er, dass die ÖVP jetzt auch für ein bundeseinheitliches
Tierschutzrecht sei. Wir haben diese Botschaft gehört. Ich habe mir persönlich
gedacht: Eine lang überfällige Entscheidung! – Was sich allerdings
seither getan hat, das lässt mich schon wieder zweifeln, wie ernst denn die
Vorsätze sind.
Es gibt jetzt von
den Grünen einen ausformulierten Antrag, der eingebracht ist. Es ist eigentlich
ein Antrag, der eine koordinierte Arbeit der österreichischen
Tierschutzbewegung ist. Wir haben mehr oder minder nur die Dienstleistung
übernommen, diesen Antrag hier im Parlament einzubringen. Meiner Einschätzung
nach ist es ein Antrag mit sehr viel Augenmaß. Es gab durchaus Stimmen in der
Tierschutzbewegung, die sich noch mehr hätten vorstellen können, etwa die
Verankerung von subjektiven Rechten für Tiere. Ich persönlich glaube auch, dass
die Entwicklung in diese Richtung gehen wird. Aber es ist bei diesem Antrag
ein Mittelweg gewählt worden, ein, wie ich meine, sehr guter Weg. Und es kommt
eben wirklich auf die inhaltlichen Standards an, die jetzt zu diskutieren sind.
Es gibt einen Antrag der ÖVP, der jetzt einmal eine bloße Verfassungskorrektur darstellt: Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, auch Bundesnormen in dieser Angelegenheit zu erlassen. Das sagt in der Sache noch gar nichts, denn wie wir alle wissen, sind die inhaltlichen Standards, was das Niveau des Tierschutzes betrifft, die Vorschriften, insbesondere was die landwirtschaftliche Nutztierhaltung betrifft, sehr, sehr unterschiedlich. Wir sehen, dass sich die Länder, wo es kaum, wenig Massentierhaltung gibt – das ist im äußersten Westen der Fall, in Vorarlberg, Tirol, das ist aber natürlich auch in der Bundeshauptstadt Wien der Fall –, eher strenge Normen leisten. Sie können es auch. Dort, wo die großen Tierhaltungsbetriebe sind, die
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 61 |
wenigen Betriebe,
die man leider wirklich als Tierfabriken bezeichnen muss, hat sich die
Gesetzgebung nach einer schlechten Realität gerichtet. Und das ist ein Zustand,
der so nicht länger erträglich ist. Es nützt daher nichts, nur die
verfassungsrechtlichen Kompetenzen zu ändern, sondern wir müssen über diese
Inhalte reden.
Nun liegt ein Vorschlag
der ÖVP für die Abhaltung einer Enquete auf dem Tisch – ich sage, spät,
aber wenigstens doch einmal. Allerdings schon von diesem Vorschlag her, muss
ich sagen, fehlt mir jetzt der Glaube, wie weit man wirklich willens ist, ein
neues, ein modernes Gesetz zu machen, das den EU-Standards und den Forderungen
der Tierschutzbewegung entspricht. Denn normalerweise war es bei derartigen
Enqueten Usance, dass man sich im Vorfeld zusammensetzt und sagt, wer dabei zu
Wort kommen sollte, wer von der Sache her etwas einzubringen hat und wen wir
unbedingt berücksichtigen müssen. Hier war es eigentlich eine Vorgabe, die von
Ihnen kam, und ich glaube, es wäre ein schlechter Start in das Projekt eines
bundeseinheitlichen, und zwar wirklich guten Tierschutzgesetzes, wenn wir nicht
im Vorfeld versuchten, ein sinnvolles Programm für solch eine Enquete
festzulegen. Das hieße wohl auch, die Opposition und in dieser Frage wohl auch
unbedingt die österreichische Tierschutzbewegung zu Wort kommen zu lassen.
Mein Appell: Starten
Sie diese Debatte nicht mit einem neuerlichen Affront, sondern nehmen Sie die
Angelegenheit jetzt ernst und machen Sie eine parlamentarische Enquete, die den
Namen Tierschutz auch verdient! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten
der SPÖ.)
12.49
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Grillitsch. Die Uhr ist auf 10 Minuten gestellt. –
Bitte.
12.49
Abgeordneter
Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich hier einmal ein klares
Bekenntnis zum umfassenden Tierschutz ablegen. Dieser umfassende Tierschutz
beruht, wie ich meine, in Österreich auf einem wirklich breiten
gesellschaftlichen Konsens. Ich sage aber auch dazu, bei diesem breiten gesellschaftlichen
Konsens muss auch Konsens darüber bestehen, dass jene, die Aufgaben im Interesse
der Gesellschaft übernehmen, bei der Erfüllung dieser Aufgaben Unterstützung
finden. Wir haben bereits jetzt hohe Tierschutzstandards, wir haben in
Österreich ein europaweit gesehen vorbildliches Niveau. Wir haben eine sehr
ambitionierte Tierschutzpolitik auf Landesebene betrieben, und wir haben eine
konsequente Weiterentwicklung des Tierschutzes in Österreich auf Basis der
Artikel-15a-Vereinbarungen.
Meine geschätzten
Kolleginnen und Kollegen! Aber dieses hohe Tierschutzniveau erfordert natürlich
auch begleitende Maßnahmen für jene, die dieses Standards zu erfüllen haben.
Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft muss
sichergestellt werden. Tierschutzstandards werden heute – das wissen
wir – als Qualitäts- und Auswahlkriterien beim Kauf von Lebensmitteln
herangezogen, und daher ist auch eine klare Gütesiegel-Strategie in Österreich
erforderlich. Wir brauchen entsprechende Instrumente zur Förderung des
Tierschutzes, etwa in Form einer Investitionsförderung für besonders
tierfreundliche Haltungsformen.
Meine Damen und
Herren! Das klare Ziel dieses österreichischen Tierschutzgesetzes erfordert
ganz einfach die Allianz zwischen Bauern und Konsumenten, und diese Allianz
müssen wir festigen. Wir brauchen dieses Konsumentenvertrauen in hohe Qualität
österreichischer Lebensmittel. Dabei ist natürlich dieser umfassende
Tierschutz erforderlich. Das steht außer Frage. Die landwirtschaftliche
Nutztierhaltung muss darin beinhaltet sein, ebenso die Haltung von Tieren zu
Demonstrationszwecken, zum Beispiel Zirkusse und Tierparks, aber auch Heimtiere
und Haustiere.
Die Diskussion zum Tierschutz muss aber natürlich auch im europäischen Blickwinkel gesehen werden. Es kann nicht nur eine nationale Frage sein, und ich bin sehr froh, Frau Dr. Petrovic, dass Sie gesagt haben, dass auch europäische Standards mit zu berücksichtigen sind. Genau in diese Richtung müssen wir dieses Tierschutzgesetz auch auslegen. Der Beitrittstermin ist
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 62 |
festgelegt, und auch im
Bereich Tierschutz müssen wir jetzt die Weichen für ein optimales Gelingen der
Erweiterung stellen.
Daher sage ich:
einheitliche europäische Standards, Sicherheit, dass nur dem EU-Standard entsprechende
Lebensmittel angeboten werden, Wahrung des Konsumentenvertrauens. Es darf zu
keiner Verunsicherung betreffend Qualität der Lebensmittel kommen, auch wenn es
Übergangsfristen bei Tierschutzbestimmungen gibt. Wir möchten daher wirklich
mit einer starken einheitlichen Stimme in Europa dafür eintreten. (Beifall
bei der ÖVP.)
Sehr geehrte
Kolleginnen und Kollegen! Uns allen ist bewusst, und vor allem auch der
Landwirtschaft ist bewusst, Landwirtschaft und Tierschutz sind unabdingbar
miteinander verbunden. Man kann nahezu sagen, sie bilden eine
Schicksalsgemeinschaft. Es ist wirklich sinnvoll, das Gemeinsame über das
Trennende zu stellen – gleichgültig, ob wir mit Tieren oder für Tiere
arbeiten – und die gemeinsamen Interessen von Tierschützern, Bauern und
Konsumenten hervorzuheben. In diesem österreichischen Tierschutzgesetz soll
dies artikuliert werden.
Daher begrüße ich
sehr diesen Initiativantrag der ÖVP, auch wenn Sie meinen, dass es zu spät ist.
Es ist nie zu spät! Ich bin sehr froh und dem Herrn Bundeskanzler dankbar, dass
er diese Initiative auch für die heimische Landwirtschaft ergriffen hat –
gerade angesichts der Erweiterung. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Ziel muss daher
die Verankerung der Gesetzgebung im Bereich des Tierschutzes auf Bundesebene
für Heimtiere, Nutztiere und Tiere zu Demonstrationszwecken sein. Daher bitte
ich Sie auch, es kann keine Frage sein, wer bei dieser Enquete dabei ist oder
wer nicht dabei ist. Ich glaube, das sollten wir noch ausdiskutieren. Das wird
nicht das Problem sein. Aber wir sollten diesen Antrag auf Abhaltung dieser
Enquete unterstützen, und daher der Appell an alle Fraktionen, sinnvoll und
maßvoll ein österreichisches Bundes-Tierschutzgesetz zu schaffen. – Danke.
(Beifall bei der ÖVP.)
12.54
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Dr. Kräuter. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. –
Bitte.
12.54
Abgeordneter
Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Einige Ansätze und Ausführungen des
Vorredners möchte ich durchaus positiv bewerten. Es ist wirklich einige
Hoffnung berechtigt, dass man endlich zu einem Ergebnis kommt, denn beim Thema
Tierschutz hat die Politik in der letzten Legislaturperiode kläglich versagt.
Die rechtliche Organisation und die Verwaltung in diesem Bereich sind ja in
Wirklichkeit in einem beschämenden Zustand: 11 Landesgesetze,
35 Verordnungen – oder sind es schon mehr? – und mehr als
600 Paragraphen.
Meine Damen und
Herren! Woran ist eigentlich ein modernes, bundeseinheitliches Tierschutzgesetz
gescheitert? – Allein die Vorstellung, dass man Landeshauptleuten
Kompetenzen wegnimmt, war in der letzten Legislaturperiode geradezu obszön.
Oder eine einflussreiche Lobby in der Landwirtschaft hat gemeint, ökonomisch
sei das alles unmöglich. Es ist gnadenlos verhindert worden, ich kann als
Obmann im zuständigen Ausschuss ein Lied davon singen. Es ist die Reform
blockiert, jeglicher Fortschritt verhindert worden. Es gibt auch keinen
Grund – es ist allgemein bekannt –, nicht zu sagen, wer dafür
verantwortlich ist: Es ist die ÖVP, die in der Vergangenheit jede Reform in
diesem Bereich blockiert hat.
Aber – jetzt sozusagen von der Peitsche zum Zuckerbrot – die Erklärungen des Bundeskanzlers und von Landeshauptleuten, dass das falsch war und dass man diesbezüglich eine Reform durchführen möchte, sind natürlich eine große Chance, dass man in dieser Sachfrage vorankommt, bei der es in Wirklichkeit um Lebewesen und nicht um Dinge geht. Es ist auch eine Chance für das Parlament, einmal der Bevölkerung zu beweisen, dass man etwas zustande bringt, und zwar etwas, das vor 10 Jahren schon 330 000 Menschen in einer Kampagne einer Tageszeitung gefordert haben. Bekanntlich haben im Jahr 1996 460 000 Österreicherinnen und Österreicher ein Volksbegehren in diese Richtung unterstützt. Die Tierschutzorganisationen
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engagieren sich seit vielen Jahren mit allergrößtem Einsatz. Insgesamt geht es
auch darum, eine Rechtszersplitterung zu bereinigen, Kompetenzen
zusammenzufassen und den Sparsamkeitsgedanken in den Vordergrund zu stellen.
Aber ich glaube,
dass einige Bedingungen einfach erfüllt sein müssen, damit wir auch tatsächlich
zu einem Ergebnis kommen. Erstens muss offen, fair und mit gutem Willen von
allen Beteiligten daran gearbeitet werden. Meine Damen und Herren! Wenn ich
mir den Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete anschaue, dann
muss ich fragen: Ist es wirklich fair, meine Damen und Herren von der ÖVP, den
Termin zu bestimmen, den Ablauf festzulegen? Ist es wirklich fair, den anderen
Fraktionen den Antrag sozusagen einen Tag vor den parlamentarischen Beratungen
dieser ersten Lesung gewissermaßen auf den Tisch zu knallen? – Es ist noch
ein gewisser Spielraum, um gemeinsame Gesinnung zu beweisen. Ich möchte dringend
an Sie appellieren, so wesentliche Dinge wie solch eine Enquete im Vorhinein
abzustimmen.
Seit
20. Dezember 2002 liegen einschlägige Anträge im Parlament. Meine
Damen und Herren! Ich glaube, wir könnten auch sofort beginnen, die
verfassungsrechtliche Seite zu klären. Wir müssen nicht ein halbes Jahr nach
der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zuwarten, gewissermaßen von vor der
Nationalratswahl bis Mitte April 2003. Es gibt überhaupt keinen Grund,
formalrechtliche Dinge nicht schon jetzt abzuklären. Vielleicht – Frau
Kollegin Rauch-Kallat ist sicher dazu legitimiert – könnten wir uns im
Rahmen dieser ersten Lesung darauf verständigen, dass wir formale Grundsätze
bereits im Vorhinein klären, denn bei der Enquete wird es in erster Linie um
inhaltliche Belange gehen.
Was wichtig sein
wird – egal, wie immer eine Koalition ausschauen wird –, ist, dass
dann alle der Versuchung widerstehen müssen, bestimmte Dinge mit der
Tierschutzmaterie zu paktieren. Es dürfen in dieser Angelegenheit die
Oppositionsparteien, wer immer das sein wird, nicht Opposition um der
Opposition willen betreiben. Auch das ist sehr wichtig. Ich möchte dafür
plädieren, dass gewissermaßen ein koalitionsfreier Raum entsteht und sich alle
unabhängig von anderen politischen Dingen und Konstellationen auf diese Sache
konzentrieren.
Ich glaube, wir
sollten auch die Öffentlichkeit zulassen, das ist heute bereits diskutiert
worden. Das wäre ganz wichtig. Es gibt hier nichts zu verbergen, wir können die
Tierschutzmaterie durchaus vor den Augen der Öffentlichkeit abhandeln. Ich
glaube, ein gewisses Tempo ist auch notwendig. Es müsste doch möglich sein,
noch vor dem Sommer ein Bundes-Tierschutzgesetz zu beschließen. Ich glaube,
wenn sich alle konzentrieren und bemühen, könnten wir der Bevölkerung
gegenübertreten und sagen: Wir haben gemeinsam etwas zustande gebracht, wir
haben noch vor dem Sommer 2003 ein Bundes-Tierschutzgesetz geschaffen.
Die SPÖ wird sehr
ambitioniert und sehr engagiert an diesem Thema arbeiten. Wir haben das
entsprechende Fachwissen, die entsprechenden Experten.
Ich möchte noch
einen Punkt kurz ansprechen. Es gibt auch einen SPÖ-Entschließungsantrag in
Richtung eines bundeseinheitlichen Rahmengesetzes für die Fischerei. Das hat
auch viel mit Tierschutz zu tun, denn mehr als 410 000 Österreicher
zählen sich zu den Anglern. Meine Damen und Herren! Es ist absurd und
lächerlich, dass in den einzelnen Bundesländern beispielsweise verschiedene
Prüfungen abverlangt werden oder dass es bürokratische Hürden gibt, wenn jemand
aus Wien in Kärnten fischen möchte, oder dass der Umgang mit den Lebewesen in
Vorarlberg ein anderer sein soll als in Niederösterreich oder etwa in der
Steiermark. Der Österreichische Fischereibeirat und die Spitzenbeamten warten
auf grünes Licht seitens der Politik und sind auch bereit, in diese Richtung
etwas zu machen.
Meine Damen und
Herren! Abschließend zum Bundes-Tierschutzgesetz: Die SPÖ und die Grünen sind
seit vielen Jahren zu dieser Reform bereit. Die ÖVP ist es seit einem
Vierteljahr, die FPÖ auch. Machen wir es doch endlich! Machen wir es kompetent,
rasch und gemeinsam! (Beifall bei der SPÖ.)
13.00
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 64 |
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Wittauer. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.
13.00
Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident!
Herr Staatssekretär! Es ist begrüßenswert, dass alle Fraktionen des Hohen
Hauses ein einheitliches Tierschutzgesetz wollen. Wir Freiheitlichen kämpfen
schon sehr lange für dieses Tierschutzgesetz. Seit 1994 hat unser Minister Haupt
immer wieder auf diese Missstände hingewiesen. Wir alle wissen, warum es
gescheitert ist, und wir haben auch in den Ländern immer dafür gekämpft, dass
dieses Gesetz kommen soll.
Meine Damen und
Herren! Tierschutz ist eine schwierige Materie. Wir sind uns darüber einig,
dass Tiere keine Sache sind. Wir Freiheitlichen fordern schon lange eine
länderübergreifende Regelung, weil nicht einzusehen ist, dass es neun
verschiedene Landes-Tierschutzgesetze gibt. Ich darf Sie etwa an die
Unterschiede in den gesetzlichen Vorschriften zwischen Westen und Osten in
Bezug auf die Hühnerhaltung erinnern.
Für uns selbst ist
dies natürlich ein sensibler Bereich, gerade was die Landwirtschaft betrifft.
Deshalb muss gerade auf diesen Bereich in besonderem Maße geachtet werden, denn
es sollen nicht existenzbedrohende Zustände für die Bauern daraus entstehen.
Deshalb ist es auch wichtig, dass im Antrag der Grünen betreffend ein solches
Bundes-Tierschutzgesetz in dessen § 4 ausführlich auf diese Thematik
eingegangen wird, nämlich auf die Abgeltung beziehungsweise die Förderung von
Tierschutz – ich würde das in diesem Zusammenhang mit Umweltschutz
gleichsetzen –, damit den Bauern daraus kein Schaden entsteht, da es hier
doch um eine Angelegenheit im Interesse der Gesellschaft geht.
Es gäbe da
vielleicht noch zusätzliche Vorschläge, weil vieles von
außerlandwirtschaftlichen Einkommen – gerade bei den
Nebenerwerbsbauern – mit in die Landwirtschaft fließt, wie etwa, dass man
steuerliche Erleichterungen bei der Einkommensteuer oder bei anderen Dingen
gewährt, um Investitionen in Tierschutz, in artengerechte Haltung von Tieren
abzugelten und zusätzliche Anreize zu schaffen.
Ich halte es
grundsätzlich für traurig, dass der Tierschutz in unserer Gesellschaft keine
Selbstverständlichkeit ist, sondern dass es dafür einer verfassungsrechtlichen
Regelung bedarf.
In Bezug auf
Erziehung – ob in Kindergärten oder Schulen – sollte man den
Tierschutz als Unterrichtsgegenstand einrichten, damit nicht nur Maßnahmen
gesetzt werden, sondern dieses Thema auch in der Bildung unserer Kinder und
unserer Jugend ernst genommen wird, denn gerade bei der Jugend fängt der
Tierschutz an. Ich glaube, das wäre auch eine wesentliche Sache.
Den Schutz unserer
Tiere in der Bundesverfassung zu verankern, findet von uns allen Zustimmung.
Bewusste Tierquälerei gehört aufs Schärfste verfolgt und bestraft. Dazu gehört
auch das tierquälerische Töten – da bin ich selbst sehr dahinter –
von Tieren wie zum Beispiel beim Schächten.
Die Verleihung
eines Tierschutzsiegels für Betriebe, deren Tierhaltung nach dem Tiergerechtheitsindex
erfolgt, halte ich persönlich für eine gute Idee. Das könnte man auch in der
Vermarktung gegenüber den Konsumenten gut hinüberbringen.
Es gibt ein paar
Dinge, die ich ablehne. Wenn ich mir im Antrag § 31, „Befugnisse der Überwachungsorgane“,
Punkt 1 ansehe, dann stört mich das ein bisschen, weil bei diesen Bestimmungen
der Schutz nicht gegeben ist. Im Punkt 2 heißt es:
„2. zur
Verhütung drohender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
a) die in Z 1 genannten Grundstücke, Gebäude und Anlagen außerhalb
der Geschäfts- und Betriebszeiten zu betreten, b) Wohnräume des
Auskunftspflichtigen zu betreten“.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 65 |
Das ist eine
Maßnahme, die meiner Meinung nach zu weit geht. Da möchte ich die Grünen schon
daran erinnern, dass sie immer den Überwachungsstaat abgelehnt haben. In diesen
Bereichen sollte man mehr Sensibilität zeigen, und diese Punkte gehören auch
gemeinsam erörtert, nämlich dahin gehend, ob man da nicht auch eine andere
Regelung treffen könnte, die trotzdem effizient genug ist, um den Tierschutz zu
gewährleisten.
Über die
Einsetzung eines unabhängigen Tieranwaltes muss man natürlich auch reden. Grundsätzlich:
Tieranwalt ja, aber was die Frage betrifft, ob er weisungsfrei sein sollte, so
glaube ich, dass das nicht unbedingt eine Verbesserung bringen würde.
Meine Damen und
Herren! Ich möchte gerade Sie von den Grünen für Ihre intensive Arbeit loben,
weil es wichtig ist, dass sich im Bereich Tierschutz jede Fraktion darum
bemüht, dass etwas weitergeht. Ich lade Sie dazu ein, dass wir Freiheitlichen
gemeinsam mit allen Fraktionen dieses Tierschutzgesetz so schnell wie möglich
nicht nur erarbeiten, sondern schlussendlich auch beschließen. (Beifall bei
den Freiheitlichen.)
13.05
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau
Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung:
5 Minuten. – Bitte.
13.05
Abgeordnete Dr. Gabriela Moser
(Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! „So
schnell wie möglich“ – diese Worte gebrauchte mein Vorredner am Schluss
seiner Ausführungen. Dazu darf ich festhalten: An uns soll es nicht liegen,
dass im Bereich Tierschutz, der bereits seit mehreren Legislaturperioden immer
wieder hier diskutiert wird, endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. An uns
soll es nicht liegen! (Präsident Dipl.‑Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)
Ich brauche nur
darauf zu verweisen, seit wann hiezu Anträge unsererseits vorliegen, wie intensiv
dieses Thema bereits in Unterausschüssen beraten worden ist, dass es im Prinzip
von allen ExpertInnen bereits sehr praktikable Vorschläge dazu gibt, dass diese
auf dem Tisch liegen und im Prinzip nur mehr endverhandelt werden müssten.
Ich sehe in dieser
Schleife, die jetzt wieder mittels einer Enquete eingezogen wird, möglicherweise
eine Verzögerungstaktik, zumal dies gar nicht mehr notwendig ist: Wir wissen,
die 460 000 Menschen, die das Volksbegehren unterzeichnet haben, sind
dafür; wir wissen, die Bauernschaft der ÖVP ist dafür; Herr Präsident, wir
wissen auch, dass die FPÖ diesbezüglich mit uns an einem Strang zieht; und
selbstverständlich arbeitet die SPÖ schon seit längerem mit uns an dieser
Angelegenheit. Ich frage mich daher, wieso es noch diese vielen Enqueteschleifen
gibt!
Es ist klar, wir
wollen einen sinnvollen, einen zielführenden Tierschutz. Wir wollen höhere Standards.
Wir wollen eine Vereinheitlichung anstreben. Wir wollen diese Allianz zwischen
KonsumentInnen und Bauern, weil gerade die Qualität des Produktes, des
Lebensmittels, des Fleisches ein Argument im Verkaufsbereich ist. Dass die
Qualität besser ist, wenn die Tiere angstfrei leben, das brauch ich, so glaube ich, Ihnen nicht
zu erzählen.
Insofern verstehe
ich diese leichte Verzögerungstaktik in keiner Weise. Wir könnten schon längst
an die Ausschussarbeit herangehen; wir könnten schon längst die Endtexte
redigieren, aber ich fürchte, dass etwas wahr wird, was meine Kollegin Fekter
von der ÖVP in einer Meldung am 21. November artikulierte. Sie hat
nämlich bei einer Bezirksversammlung in Vöcklabruck, in Breitenschützing, vor
Landwirten auf eine Frage nach der bundesweiten Vereinheitlichung des
Tierschutzes wörtlich geantwortet: Das werde nicht so heiß gegessen wie
gekocht. Die Bauern sollten sich daher keine Sorgen machen, schließlich sei man
jetzt im Wahlkampf.
Das war die Formulierung von Kollegin Fekter laut einer APA-Pressemeldung. Ich hoffe nicht, dass das jetzt eintrifft. Momentan ist sie, soviel ich sehen kann, nicht im Saal, aber ich denke eher, dass das Wort von Herrn Kollegen Grillitsch gilt, der sich dafür ausgesprochen hat, dass dieses Gesetz so schnell wie möglich geschaffen wird. Auch mein Vorredner hat darauf hin-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 66 |
gewiesen, dass wir es rasch
brauchen. Es geht also darum, dass das eingehalten wird und dass vor allem auch
unser Anlauf in Richtung Tieranwaltschaft ernst genommen wird.
Es soll nicht nach
wie vor so weitergehen, dass nur ein Verstoß oder eine
Tierquälerei von 5 000 zur Anzeige kommt. Diesbezüglich gibt es eine hohe
Dunkelziffer, die belegt, dass es im Bereich der Tierquälerei von Elend und
Qual nur so strotzt. Wir brauchen kompetente Menschen, die die Stimme der
Tiere bilden, denn das muss der Vergangenheit angehören. Dafür, dass es
möglichst schnell so weit sein soll, werden wir gerne sorgen, und dazu soll
auch diese erste Lesung etwas beitragen.
Wie gesagt,
wichtig ist, den Vollzugsnotstand möglichst schnell abzuschaffen, die
Anwaltschaft voranzutreiben und die Allianz mit der aufgeschlossenen
Landwirtschaft zu pflegen und gedeihlich zu einem Ende zu bringen. –
Danke. (Beifall bei den Grünen.)
13.09
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Rauch-Kallat. – Bitte.
13.09
Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär!
Hohes Haus! Wir haben heute eine große Diskussion anlässlich einer ersten
Lesung zu einem Bundes-Tierschutzgesetz in einer Situation, in der die
Österreichische Volkspartei nach heftigen Diskussionen in den letzten
Jahren – das kann man durchaus so sagen – und nach einer Einigung,
die Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im vergangenen Herbst mit den
Landeshauptleuten erreichen konnte, eine Verfassungsänderung im Tierschutz
vornehmen wird, weil dies ein großes Anliegen vieler Menschen im Lande ist.
Ich muss dazu
sagen, dass ich in den Diskussionen immer wieder festgehalten habe, dass es
darum geht, Tiere möglichst wirksam zu schützen, und dass es dabei nicht
erheblich ist, ob das in der Landeskompetenz oder in der Bundeskompetenz
geschieht. Aber es ist zum Teil der Opposition gelungen, sichtbar zu machen,
beziehungsweise hat sie versucht, sichtbar zu machen, dass es auch an der
Kompetenz liegt.
Wir haben in
dieser Frage vor allem jetzt durch die Veränderungen in der Europäischen Union
eine wesentlich andere Situation als noch vor wenigen Jahren. Auf Grund einer
ÖVP-Initiative ist das Thema Tierschutz überhaupt in die Europäische Union
eingebracht worden. Es war auch so, dass Österreich im Bereich des Tierschutzes
in den letzten Jahren und Jahrzehnten alles andere als inaktiv war. Ich darf
darauf verweisen, dass am Beginn der neunziger Jahre bereits eine
Artikel-15a-Vereinbarung zum Schutz von Nutztieren in der Landwirtschaft
wesentliche Verbesserungen gebracht hat und diese Österreich innerhalb der Europäischen
Union, obwohl wir damals noch gar nicht Mitglied der Europäischen Union waren,
einen besonderen Platz eingebracht hat. Diese Vereinbarung ist seit 1995 in
Kraft und umfasst die Haltungsbedingungen, die Bewegungsmöglichkeiten, die
Boden- und Käfigbeschaffenheit, das Stallklima und die Betreuungsintensität für
Rinder, Schweine und Geflügel.
Wir haben darüber
hinaus einige Jahre später auch in einer Artikel-15a-Vereinbarung, um bundeseinheitliche
Standards zu schaffen – das war letztendlich das Anliegen –,
Verbesserungen für den außerlandwirtschaftlichen Bereich erreicht, und zwar
sowohl für die Heimtierhaltung, also für Hunde, Vögel, Kleinnager,
Schildkröten, als auch für die Haltung in Tierhandlungen und durch die
Zoorichtlinie in der EU auch für die Haltung in Zoos. Da gibt es
Mindeststandards, die schon österreichweit, also bundeseinheitlich, gelten und
die ebenfalls im Rahmen eines Artikel-15a-Vertrages festgehalten wurden.
Es gab auch entsprechende Verbesserungen beziehungsweise Initiativen im Bereich der Haltung von Kampfhunden – jeweils bezogen auf den Anlassfall. Es gab eine Verschärfung im § 89 des Strafgesetzbuches, und mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2000 wurde ein eigener Unterausschuss des Verfassungsausschusses eingesetzt. Wir haben eine Verschärfung der Strafen für Tierquälerei umgesetzt, was auf eine Initiative von Georg Schwarzenberger und Abgeordnetem Grollitsch aus der FPÖ zurückgeht. Wir haben insbesondere auch im Bereich
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 67 |
der Tierversuche europaweit Vorbildwirkung erzielt und haben uns auch
immer wieder bemüht, ein Bundesgesetz betreffend den Tierschutz, nämlich das
Tiertransportgesetz, laufend weiterzuentwickeln und zu verbessern. Vor allem
im Bereich Eisenbahn und Luft – für den Bereich Straße gibt es dies
bereits – versuchen wir, entsprechende Verbesserungen herbeizuführen.
Wir haben aber vor
allem – das ist, glaube ich, ganz wesentlich – auf Grund einer
Initiative von Bundeskanzler – damals Außenminister – Wolfgang
Schüssel gemeinsam mit Italien 1997 die Aufnahme des Tierschutzes in den
Rechtsbestand der Europäischen Union erreicht, und mit dem Amsterdamer Vertrag
gibt es nunmehr ein Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der
Tiere. Damit ist auch die Materie des Tierschutzes im Primärrecht der Europäischen
Union verankert.
Gerade angesichts
der Erweiterung der Europäischen Union um jene Länder, die vor allem in der
Landwirtschaft und damit natürlich auch im landwirtschaftlichen Tierschutz noch
einen großen Nachholbedarf haben, ist es wichtig, dass diese Initiative in der
Europäischen Union greifen wird. Daher ist es auch ein Anliegen des
Bundeskanzlers gewesen, unsere Bundesländer davon zu überzeugen, einer
Verfassungsänderung zuzustimmen, damit europäische Initiativen oder
europäische Rahmenrichtlinien in Österreich rascher umgesetzt werden können.
Wir haben das auch
entsprechend präsentiert, und wir haben in der ersten Sitzung des Nationalrates
im Dezember einen Initiativantrag eingebracht und haben heute auch einen Antrag
auf Abhaltung einer Enquete im April vor uns liegen. Wie ich den Wortmeldungen
der Kollegen aus den anderen Fraktionen entnehme, gibt es noch den Wunsch nach
Veränderungen im Formalablauf. Ich kann nur darauf verweisen, dass wir
jederzeit bereit sind, auf fraktioneller Ebene oder auf Klubdirektoren-Ebene
diese formalen Wünsche zu berücksichtigen beziehungsweise uns zu einigen, damit
in der Enquete die Sache und die Thematik fair behandelt werden können, sodass
wir sehr bald zu einem Entwurf kommen können, der hoffentlich dann – das
war immer meine Sorge – nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern das
größte gemeinsame Vielfache sein wird. (Beifall bei der ÖVP.)
13.16
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Pfeffer. – Bitte.
13.17
Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch Tiere haben Rechte!
Rufen wir uns in Erinnerung: 1996 wurde das Tierschutz-Volksbegehren von knapp
einer halben Million, genau 459 096 Personen, unterzeichnet.
Inzwischen sind volle sechs Jahre vergangen, aber das Problem ist immer noch
das gleiche.
Wir haben in
Österreich nach wie vor kein einheitliches Bundes-Tierschutzgesetz, und ich
muss da den Ball wieder an die ÖVP weitergeben: Sie, meine Damen und Herren von
der ÖVP, konnten sich dazu nicht entschließen und haben es immer wieder
geschafft, zu verzögern und zu verhindern! – Aber wenige Tage vor der
Nationalratswahl hat dann die ÖVP plötzlich die Liebe zum Tier entdeckt. Die
Gründe dafür liegen natürlich auf der Hand: Dieses sensible Thema, meine Damen
und Herren, welches viele Menschen berührt und beschäftigt, ist nicht zu
unterschätzen. Sicher bin ich mir aber trotzdem noch nicht, ob Ihnen der
Tierschutz ein ernstes Anliegen sein wird, denn schon längst wäre da
Handlungsbedarf gegeben gewesen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. –
Abg. Grillitsch: Tagtäglich ist uns der Tierschutz ein ernstes
Anliegen!)
Wir von der SPÖ
kämpfen schon seit Jahren für ein einheitliches Bundes-Tierschutzgesetz.
(Abg. Grillitsch: Bei unserer tagtäglichen Arbeit ist uns der
Tierschutz ein Anliegen!) Auch jetzt zu Beginn der neuen
Gesetzgebungsperiode (Abg. Mag. Schweitzer: Wo hast du
gekämpft?) – an allen Fronten, Herr Kollege Schweitzer – haben wir
wiederum einen Antrag eingebracht, damit es endlich eine gemeinsame
österreichweite gültige Regelung und Lösung gibt. Ich bin daher sehr gespannt
und sehr neugierig, ob die ÖVP ihr Wahlversprechen einlöst.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 68 |
Eines möchte ich
aber auch hier deponieren: Wenn es tatsächlich zu einem einheitlichen Bundes-Tierschutzgesetz
kommt, dann muss es zu den modernsten und strengsten Regelungen zählen. Mit
einer Alibiaktion werden wir uns nicht zufrieden geben. Ein einheitliches
Bundes-Tierschutzgesetz muss eine spürbare Verbesserung für alle Tiere bringen,
meine Damen und Herren!
Ich kann mich noch
sehr gut an die Verhandlungen im Ausschuss erinnern, als ein Kollege von der
ÖVP gemeint hat, wir sollten abwarten, damit die Bundesländer Verbesserungen
einbringen können. Diese Meinung teile ich auch. – Ich möchte hier erfreut
und voller Stolz berichten, dass es in meinem Bundesland Burgenland gelungen
ist, alle vier Parteien für ein einheitliches Bundes-Tierschutzgesetz zu
gewinnen. Dies geschah noch unter dem damaligen Klubobmann der ÖVP Burgenland
Franz Glaser, unserem jetzigen Nationalratskollegen. Sehr lobenswert, lieber
Kollege Glaser!
Ich hoffe und
wünsche mir, dass du auch hier im Hohen Haus trotz des Gegenwindes deiner
Parteifreunde standhältst und deine Stimme mit mir gemeinsam für ein
einheitliches Bundes-Tierschutzgesetz erhebst. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren! Nur so können wir unserem gemeinsamen Ziel einen Schritt näher kommen.
Nützen wir daher die Gelegenheit und tun wir endlich etwas für unsere
vierbeinigen Freunde! (Beifall bei der SPÖ.)
13.21
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr
Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.
13.21
Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete
des Hohen Hauses! Ich darf zuerst einmal als sehr junger Abgeordneter, als
jemand, der das erste Mal hier heraußen steht, meine Verwunderung zum Ausdruck
bringen, meine Verwunderung darüber, mit welchem Konsens SPÖ, ÖVP, die Grünen
und zum Teil auch meine eigenen Leute bereit sind, gemeinsam für den Tierschutz
zu kämpfen. Ich muss sagen, ich wundere mich auch über die SPÖ, denn sie kämpft
erst seit zwei Jahren sehr intensiv für dieses Tierschutzgesetz (Widerspruch
bei der SPÖ), obwohl doch die letzten 30 Jahre Möglichkeit genug
geboten hätten, in diesem Bereich etwas zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich kann mich den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen
Wittauer, nur anschließen: Die FPÖ war immer ein Proponent des Tierschutzes.
Gerade von Minister Haupt – Frau Kollegin Rauch-Kallat hat es bereits
ausgeführt – und seinem Ressort sind sehr viele Initiativen ausgegangen.
Sie haben bereits die schärferen Strafbestimmungen erwähnt. Ich möchte das aber
noch erweitern: Es war auch eine freiheitliche Initiative unter Minister Reichhold,
auf Grund deren erstmalig Labestationen und Tränkestationen für Transporte
eingeführt wurden, womit maßgeblich dazu beigetragen wurde, dass bei Tiertransporten
für die einzelnen Tiere eine Verbesserung erreicht werden konnte. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Da ich gerade bei der Replik auf meine Vorredner bin, muss ich sagen:
Herr Kollege Grillitsch kommt selbst aus dem Bauernstand. Er hat gemeint –
wie haben Sie gesagt? –: „Es ist nie zu spät!“ – Herr Kollege! Dieses
Wort werden Sie noch öfter brauchen, wenn Sie in Zukunft etwas verändern
wollen, denn es wird wirklich dringend notwendig sein, Veränderungen
herbeizuführen.
Herr Kollege Dr. Kräuter hat sich über elf Gesetze,
35 Verordnungen und mehrere hundert Paragraphen beschwert. – Herr
Kollege! Ich möchte Ihnen Folgendes mitteilen: Ich glaube, dass diese
Verordnungen, Gesetze und Paragraphen zumindest der Garant dafür sind, dass wir
in Österreich – momentan auf Länderebene, künftig vielleicht auch auf
Bundesebene – sehr gute, sehr ausführliche Gesetze für den Tierschutz
haben, die für die Tiere wirklich ein hohes Maß an Schutz gewährleisten, und
dass diese Materie in unseren Bundesländern sicherlich bis jetzt sehr gut
behandelt wurde.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 69 |
Das Beispiel der Legehühner wurde erwähnt. Es stimmt, dass es
Bundesländer gibt, in denen bereits jetzt darüber abgestimmt und beschlossen
wurde, dass es im Jahre 2004 beziehungsweise im Jahr 2006 – je
nach Bundesland unterschiedlich – zu einem Verbot von Legehühnern und
Legebatterien kommen soll.
Ich möchte aber hier auch zu bedenken geben, dass man für den
Bauernstand – es sind nun einmal Bäuerinnen und Bauern, die diese
Legebatterien betreiben – Rechtssicherheit gewährleisten muss. Ich halte
es für sehr kritisch und auch für sehr problematisch, solchen Betrieben –
in Kärnten haben wir einen solchen Betrieb, dessen Betreiber vor zwei Jahren
vom Land mehr als 10 Millionen Schilling an Förderung, an öffentlicher
Unterstützung für Erneuerungen seines landwirtschaftlichen Betriebes bekommen
hat – mitzuteilen, dass sie in zwei Jahren ohne Übergangsfrist, ohne
finanziellen Ausgleich geschlossen werden sollen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ und von der grünen
Fraktion! Ich gebe schon zu bedenken, dass man da vorsichtig handeln und nicht
Existenzen aufs Spiel setzen sollte – auch wenn es nur 20 oder
30 Betriebe in Kärnten sind. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Bauer das
Recht hat, seinen Betrieb fortzuführen, und dass er auch das Recht hat, auf
Grund seiner Investitionen sicher weiterzuleben. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Sehr oft wurde heute schon der Schulterschluss zwischen Konsumenten und
Bauern angesprochen. Es ist ganz klar, dass das einer der wichtigsten
Schulterschlüsse ist, die wir brauchen, aber man sollte sich als
Konsument – wir alle sind auch Konsumenten und nicht nur Parlamentarier –
auch dessen bewusst sein, dass man selbst die höchste Entscheidungsgewalt
innehat, wenn es darum geht, für Verbesserungen im Tierschutz zu sorgen.
Nehmen wir uns doch selbst an der Nase! Es gibt genaue Untersuchungen,
die belegen, dass 80 Prozent der Konsumenten und der Käufer zu Eiern aus
der Käfighaltung greifen und nicht zu Eiern aus der Bodenhaltung und aus der
naturnahen Haltung. Das heißt, die Politik kann maximal Rahmenbedingungen
schaffen, um da etwas zu verändern. Es liegt an uns, an den Konsumenten, dass
wir bereit sind, für diese Produkte mehr zu bezahlen, dass wir bereit sind,
Initiativen zu setzen, um das zu fördern und unseren Bauernstand zu
erhalten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
13.25
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Mag. Maier. – Bitte.
13.26
Abgeordneter Mag. Johann Maier
(SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich glaube, wenn man das Thema Tierschutz diskutiert, dann
sollte man das Thema ernsthaft diskutieren und keine Realitätsverweigerung
betreiben – eine Realitätsverweigerung, die einige der Vorredner aber
bereits betrieben haben.
Ich möchte im
Detail auf diese Punkte eingehen. Ich tue mir als Salzburger Abgeordneter
relativ leicht, hier zu argumentieren, weil Salzburg das erste und einzige Bundesland
ist, in dem der Tierschutz in der Landesverfassung verankert wurde. Es gibt
seit 20. März 2002 eine Staatszielbestimmung, um die Wahrung der
Würde des Tieres als Mitgeschöpf sicherzustellen. Jetzt wissen Sie ganz genau,
dass es sich dabei um kein Grundrecht handelt, sondern um eine Orientierung für
die Verwaltung, um eine Selbstbindung für die Landeslegislative.
Ich persönlich
sehe das als einen ersten Schritt. Ich glaube, dass weitere Schritte folgen
müssen. Wir Sozialdemokraten werden darin auch bestätigt, wie etwa gestern von
Kommissar Fischler im Rahmen der Diskussion um die Agrarreform.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Teile der Agrarreform beinhalten auch den Tierschutz. Tierschutz ist im Rahmen der Europäischen Union, im Rahmen dieser Agrarreform zu einer Zielbestimmung geworden. Zahlungen an Bauern sollen unter anderem von der Einhaltung von Tierschutzstandards abhängig gemacht werden. Ich halte fest: Die sozialdemokra-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 70 |
tische Fraktion bekennt sich dazu! (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Grillitsch: Zu
welchen Standards?)
Ich komme nun auf
Kollegen Grillitsch zu sprechen, der zwar noch nicht lange im Parlament ist,
aber meint, er müsse mit Zwischenrufen glänzen. Ich glaube, ich habe Sie auch
nicht unterbrochen, Kollege Grillitsch! Sie sind ein junger Abgeordneter.
Vielleicht können Sie den Standard dieses Hauses heben, dann würde ich Sie aber
ersuchen, von Zwischenrufen Abstand zu nehmen. (Abg. Dr. Bleckmann: Ist Ihnen das unangenehm?)
Kollege Grillitsch
hat gemeint, es gebe einen gesellschaftlichen Konsens zum Tierschutz. Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein allgemeiner Konsens. Wir haben
nämlich, was Österreich generell betrifft, kein hohes Niveau des Tierschutzes,
und auf Grund von Artikel-15a-B-VG-Vereinbarungen ist das hohe Tierschutzniveau
in Österreich nicht gesichert. Beispiele gefällig? – Verdacht auf
Tierquälereien bei einem Schweinemastbetrieb in Oberösterreich. (Abg. Jakob Auer: Bei welchem?) In dieser Frage
hat sich Landesrat Achatz engagiert. Und jetzt sage ich es hier ganz konkret (Abg.
Jakob Auer: Bei welchem?): Ich
habe parlamentarische Anfragen gestellt. Was hat mir Ihr Bundesminister
Molterer mitgeteilt? – Er hat mitgeteilt, dass aus datenschutzrechtlichen
Gründen keine Auskunft erteilt werden könne. (Abg. Mag. Schweitzer: Also nichts!)
Kollege
Schweitzer! Aber dein Minister hat eine sehr konkrete Antwort gegeben (Abg.
Mag. Schweitzer: So sind wir es
gewohnt!): Im Zuge dieses Lokalaugenscheines hat der Amtstierarzt unter
Berufung auf die Bestimmungen des oberösterreichischen Tierschutzgesetzes zehn
Schweine schmerzlos getötet und deren Sektion beantragt und so weiter.
„Vier Pfoten“ und
andere Tierschutzorganisationen haben sich in dieser Frage engagiert und die
Defizite, die genau im Bereich der Veterinärverwaltung liegen, aufgezeigt, und
darüber müssen wir auch reden.
Werter Kollege
Grillitsch! Sie haben gemeint, Tierschutz müsse im europäischen Kontext gesehen
werden. Dem stimme ich zu: Wir brauchen auf europäischer Ebene einheitliche
Standards. – Aber: Wir haben sie bereits, meine sehr verehrten Damen und
Herren, nur werden sie von den Bundesländern nicht eingehalten!
Beispiele
gefällig? – Total aktuell: Die Europäische Kommission hat gegen
Österreich, Belgien, Griechenland, Italien und Portugal die zweite Stufe des
Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet, weil diese Länder es offenbar
verabsäumt haben, die 1999 verabschiedete Richtlinie zur Festlegung von
Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen umzusetzen.
Weiteres Beispiel:
Eine Klage gegen Österreich, weil Österreich die Richtlinie zum Schutz von
Tieren in Zoos nicht umgesetzt hat.
Ich meine, meine
sehr geehrten Damen und Herren, wenn man das Problem Tierschutz ernsthaft
diskutiert, dann darf man keine Realitätsverweigerung betreiben. Man muss die
Probleme sehen, die insbesondere im Bereich der Landesverwaltungen liegen. Wir
Sozialdemokraten stehen für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, und wir
werden uns aktiv und inhaltlich einbringen. (Beifall bei der SPÖ und den
Grünen.)
13.31
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr
Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte, Herr Staatssekretär.
13.31
Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr
geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es steht mir vielleicht nicht zu, aber
ich darf doch folgende Bemerkung machen, nachdem ich die Ehre hatte, hier fast
drei Jahre lang tätig zu sein: Ich empfinde intelligente Zwischenrufe in Debatten nicht als störend, sondern
ich meine, sie beleben die parlamentarische Diskussion. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der övp.)
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 71 |
Es ist auch keine
Realitätsverweigerung, wenn man sagt, dass wir kein bundeseinheitliches
Tierschutzgesetz haben; ebenso wenig haben wir ein bundeseinheitliches
Jugendschutzgesetz.
Was ist die
Crux? – Die Crux ist, dass rechtlich die Nutztiere im
Landwirtschaftsministerium angesiedelt sind, alle anderen Tiere im
Innenministerium, dass aber die fachliche Kompetenz eigentlich ins
Gesundheitsressort gehört. In diesem Sinne kann ich hier massiv zum Ausdruck
bringen, dass sowohl Minister Haupt als auch ich einem entsprechenden Ansinnen
sehr offen gegenüberstehen.
Wir dürfen aber
auch die europäische Dimension, die hier angeschnitten wurde, nicht vergessen.
Es ist der österreichischen Bundesregierung sehr wohl gelungen, Tierschutzrecht
in die Agrarverhandlungen der EU einzubringen und auch wichtige Argumente
vorzubringen.
Das Wichtigste
sowohl für einen Human- als auch für einen Tiermediziner ist die Achtung vor
dem Leben. Daher kann ich Ihnen von dieser Stelle aus die grundsätzliche
Unterstützung für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz bekunden. Auch die
Frage einer Tieranwaltschaft ist etwas Ernstes, Diskussionswürdiges. Das war
auch immer Bestandteil der freiheitlichen Politik, wie Sie vielleicht wissen.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wer die Menschen liebt, der liebt auch Tiere, und
umgekehrt. Ich stehe daher auf Grund der heutigen Diskussion einer möglichen
Vier-Parteien-Einigung im Sinne eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes
durchaus optimistisch gegenüber. – Danke. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
13.33
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.
13.34
Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Debatte heute zeigt, dass die Forderungen seitens der Grünen, die
über ein Jahrzehnt hindurch massiv erhoben wurden – nicht nur hier in
Österreich, sondern europaweit –, offensichtlich endlich auf Gehör
gestoßen sind, auf Anerkennung gestoßen sind und dass endlich die Bereitschaft
besteht, diesen Dialog aufzunehmen, nämlich den Dialog für einen Tierschutz,
der den Konsumenten am Herzen liegt und der auch der bäuerlichen Landwirtschaft
am Herzen liegen müsste, was leider in der Vergangenheit offensichtlich nicht
immer der Fall war.
Insofern werte ich
Ihre Stellungnahme (in Richtung ÖVP)
hier und heute als einen entsprechenden Kurswechsel, den wir sicherlich auch
zur Kenntnis nehmen werden. Wir werden auch genau darauf schauen, ob Sie
wirklich bei der Sache sind und ernsthaft die Chance nutzen, mit dieser Debatte zu einem bundeseinheitlichen
Tierschutzgesetz endlich Mankos in der Qualitätssicherung unserer Lebensmittel
in Österreich zu beheben und einer Lösung zuzuführen.
Ich möchte ein
Beispiel nennen. Herr Kollege Grillitsch, Sie haben die Gütesiegel-Strategie angesprochen.
Das AMA-Gütesiegel hat nach wie vor keine tierschutzrelevanten Standards in
seinem Regulativ, außer dass bei Eiern die Käfighaltung der Hühner verboten
ist. Abgesehen davon geht das schon formal gar nicht, weil jedes Bundesland ein
anderes Tierschutzgesetz hat. Somit kann auch die AMA keinen einheitlichen
österreichischen Tierschutzstandard für dieses Gütesiegel entwickeln. –
Sie sehen, dass gerade aus bäuerlicher Sicht ein einheitliches Gesetz
überfällig ist. (Beifall bei den Grünen.)
Ein Wort auch zu
der Frage, wer was in diese Agrardebatte eingeworfen hat. – Das ist ganz
klar: Kommissar Fischler hat von Beginn an in seinen Vorschlägen einheitliche
europäische Umweltschutz- und Tierschutzstandards gefordert, und das im
Gleichklang mit den Grünen in Europa, im Gleichklang mit vielen NGOs, Tierschutzorganisationen
und so weiter. Nicht Sie, Herr Grillitsch, haben das eingefordert, sondern der
Landwirtschaftskommissar hat das in den vielen Debatten, die er in Europa geführt hat, eingesehen – und zu
Recht eingesehen, meine Damen und Herren!
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 72 |
Eines auch zu den
begleitenden Maßnahmen, die Sie angesprochen haben: Ohne Zweifel haben wir in
der letzten Legislaturperiode ein Abstockungsprogramm für die
Intensivtierhaltung gefordert, damit eben diese Betriebe zurückgeführt werden
auf ein bäuerliches Maß. In diesem Zusammenhang haben wir bisher nur ein
Kopfschütteln Ihrerseits vermerken können.
Oder: die Frage
der Käfighaltung. Das wird die Nagelprobe für Sie werden. Frau Kollegin
Rauch-Kallat hat gesagt, das größte gemeinsame Vielfache wäre die Strategie,
die Sie hier verfolgen werden. Ich bin sehr gespannt, ob Sie das durchhalten,
denn das würde bedeuten, endlich ernsthaft darüber zu diskutieren, im Bereich
der Legehennenhaltung aus der Käfighaltung auszusteigen. Das ist keine
tiergerechte Haltung, das ist keine konsumentenorientierte landwirtschaftliche
Erzeugung. Es wäre jetzt wirklich an der Zeit, das auslaufen zu lassen, Kollege
Grillitsch, und ich möchte sagen, wir sind bereit, über die Termine und die
Möglichkeiten, die es gibt, zu diskutieren.
Eines ist sicher:
Die ausgestalteten Käfige sind nicht die Lösung, weil die Hühner dann, wenn sie
mehr Platz haben, nämlich unter noch mehr Stress stehen und der so genannte
Crowding-Effekt wegfällt. In den Käfigen, wo sie eng aneinander gereiht sitzen,
können sie gar keine Aggressionen entwickeln, und daher gibt es dort weniger
Kannibalismus als in ausgestalteten Käfigen. – Aber das ist eine
Fachdebatte, die wir in der Enquete führen werden.
Was diese Enquete
betrifft, meine Damen und Herren, so nehme ich Ihre Signale ernst. Sie haben
gesagt, es werde noch darüber gesprochen werden und Sie seien in Bezug auf die
Referenten, in Bezug auf den Ablauf et cetera gesprächsbereit. Ich halte es für
dringend geboten, dass auch Tierschutzexperten, die mit Nutztieren arbeiten, die
mit Nutztieren relevante Forschung betreiben, dass solche Fachexperten geladen
werden. Ich habe bisher aus den Vorschlägen für Einleitungsreferate Derartiges
nicht ersehen können, aber ich bin sicher, wir werden in der Diskussion zu
einer Lösung kommen.
Abschließend ganz
kurz noch zu der Frage der Informationspolitik auf Ihrer Seite: Kollege
Grillitsch, bitte sorgen Sie dafür, dass in Fragen des Tierschutzes in den
Agrarmedien österreichweit endlich ein positiver Diskussionsstil Einkehr
findet! Hören Sie auf mit dieser Vernaderung von grünen Tierschützerinnen und
Tierschützern! (Beifall bei den Grünen.) Ich kann Ihnen zahlreiche
Beispiele nachweisen, die im letzten Nationalratswahlkampf gerade von Ihrer
Seite in Ihren Medien herangezogen wurden. Stellen Sie das ab, es ist höchst an
der Zeit, Kollege Grillitsch! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten
der SPÖ.)
13.39
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Ich weise
den Antrag 12/A dem Verfassungsausschuss zu.
7. Punkt
Erste Lesung:
Antrag der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Taxengesetz 1972, das
Universitätsstudiengesetz 1997 und das Universitätsgesetz 2002
geändert wird (16/A)
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nun kommen wir zum 7. Punkt der Tagesordnung.
Wir gehen in
die Debatte ein.
Das Wort erhält zunächst der Antragsteller. Es ist dies Herr
Abgeordneter Dr. Grünewald. Ihre Redezeit ist freiwillig auf
7 Minuten begrenzt. – Bitte.
13.39
Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe mir immer gedacht, dass Gespräche, Sondierungen oder Verhandlungen primär darauf beruhen sollten, Gedanken auszutauschen, Argumente aus-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 73 |
zutauschen, von Behauptungen herunterzusteigen und
zu Argumenten zu kommen. Diese Argumente möchte ich bei den Studiengebühren
noch einmal anführen, und zwar mit der Kritik, dass sie letztlich dürftig sind.
Ich unterstelle
Ihnen damit sogar etwas Positives, Sie wissen nämlich um die Dürftigkeit der
Argumente, beißen sich aber an diesen Gedanken und Ideen fest. An dieser Stelle
erlaube ich mir zu sagen: Gedanken haben zwischen den Zähnen nichts zu suchen,
sie sollten an anderen Orten angesiedelt sein, dann kann man reden.
Ich habe Herrn
Khol einmal beim Bergsteigen beobachtet, da war er in Bewegung. Jetzt, in der
Mühe der Ebene und der Verhandlungen, sehe ich keine Bewegung. Ich sehe nur
Beharren auf Dogmen, aber keinen Dialog. (Beifall bei den Grünen.)
Es grenzt auch
wirklich an absolute Schönfärberei, wenn nun behauptet wird, Studierende und
deren Eltern hätten die Studiengebühren angenommen. – Angenommen haben sie
nichts, sie haben abgegeben, Geld abgegeben, und das nicht wenig.
Die Österreicher
haben es – wie Sie das sagen – auch angenommen und somit den Regierungskurs
bestätigt, dass sie die höchsten Steuern der Zweiten Republik zahlen, dass sie
Ambulanzgebühren zahlen. Das haben sie alles angenommen. Aber warum haben sie
es angenommen, Frau Minister? – Weil ihnen keine andere Wahl blieb! Daraus
eine Bestätigung des Regierungskurses abzuleiten, finde ich schon arrogant.
Diese Wette würde ich schon gewinnen, dass dem nicht so ist. (Beifall bei
den Grünen.)
Wenn Menschen
keine Wahl haben, dann helfen ihnen auch Argumente nichts, und auch der
Widerstand hat nichts geholfen, weil Sie nicht darauf gehört haben. Das war
also kein fairer Kampf.
Die Güte der
Argumente ist auch nicht gestiegen, als man gesagt hat: Was nichts kostet, ist
nichts wert! – So ist es nämlich nicht. Ich möchte es Ihnen ersparen,
darüber nachzudenken, aber es gibt sicher Werte, die in Geld nicht zu messen
sind.
Ich gebe gerne zu,
wenn Sie es unbedingt hören wollen, dass es größere Katastrophen geben mag als
Studiengebühren – das macht sie aber nicht fairer, das macht sie nicht
sinnvoller. Sagen Sie mir: Wie wollen Sie Ihre kühnen Ziele – eine
Verdoppelung der AkademikerInnenquote, eine deutliche Anhebung der Anzahl von
Forscherinnen und Forschern pro tausend Erwerbstätige – erreichen, wenn
Sie Latten einziehen, wenn Sie Barrieren aufbauen? Zu glauben, dass durch
Studiengebühren mehr Leute studieren werden, ist ja absurd.
Schauen wir uns
einmal die Statistiken an! Es stimmt schon, dass die Zahl der Erstsemestrigen
etwas gestiegen ist. Aber zuerst einmal ist die Zahl der Studierenden um
20 Prozent gesunken. Im Wintersemester 2001/2002 ist die Zahl der
Erstinskribenten um 14 Prozent gesunken. Wenn sie jetzt um 10 Prozent
steigt, so bleibt – man braucht kein Mathematiker zu sein, um das
subtrahieren zu können – immer noch ein Minus von 4 Prozent. –
Es ist dies also zwar ein kleiner Erfolg, aber kein riesiger.
Es wurden auch
immer Unwahrheiten verbreitet, die man hier nicht Lügen nennen darf, das ist
mir schon klar. Es ist bekannt und errechnet, dass Studierende nach ihrem
Einstieg ins Berufsleben durch die Steuerprogression 90 Prozent aller
Leistungen, die der Staat in sie investiert hat, diesem über ihre Steuern
zurückzahlen. Schüssel hat gemeint, Studierende kosten pro Kopf so viel. Ich
darf Ihnen sagen, dass seit 1970 die Kosten pro Studierenden, gemessen am BIP,
um 60 Prozent gesunken sind. Das ist die Wahrheit. Billiger als
Studierende sind lediglich Volksschülerinnen und Volksschüler. Alle anderen
Schüler kosten pro Kopf mehr als Studierende. Auch das wurde immer wieder
falsch dargestellt, und das gefällt mir nicht.
Es war das tolle Wort „Abfederung dieser Belastungen“ in Ihrem Munde. Was ist die Wahrheit? Der Anteil der Studienbeihilfen-EmpfängerInnen ist von ehemals 12 Prozent auf 14 Prozent gestiegen. Das ist einer der niedrigsten Werte in den OECD-Staaten. Ich habe die Zahlen hier. Sollten Sie versuchen, sie zu widerlegen, lege ich Ihnen Ihre Statistik aus dem Ministerium vor.
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Man muss nur
dividieren können und die anderen Grundrechnungsarten beherrschen, um das zu
beweisen.
Wissen Sie, welche
Auswirkungen nicht eruiert worden sind – daher fehlt auch der Bericht zur
sozialen Lage der Studierenden seit 1999; er ist überfällig –? Es wurde
nie berichtet, dass Österreich mit bereits 74 Prozent neben dem Studium
arbeitenden Studierenden den Spitzenwert unter allen OECD-Staaten aufweist. (Abg. Ellmauer:
Bravo!) Da war Ihre Regierung Spitze. Bravo, sagen Sie! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ellmauer.) Sie glauben, dass das
Studium schneller absolviert werden kann, wenn 74 Prozent der Studierenden
nebenher arbeiten? Ich weiß schon, Praxisbezug, aber dann lamentieren Sie bitte
nicht, dass Studierende bei uns länger brauchen, darum würde ich schon bitten.
Karl Kraus hat einmal gesagt, besonders schwierig werde es mit Leuten, die
keine neuen und guten Ideen haben und diese dann noch zu erklären versuchen.
Ich würde bitten,
noch einmal auf die Studiengebühren zurückzukommen. Es mag größere Katastrophen
geben, aber eine Regierung nur daran zu messen, ob die Katastrophen größer oder
kleiner sind, bringt uns Österreicher auch nicht an die Spitze. Man muss
Studiengebühren im Kontext der gesamten Uni-Reform sehen, und was diese
betrifft, so wissen Sie, dass die Mehrheit aller Betroffenen gegen Ihre Pläne
opponiert. Und da sind nicht nur die Dümmsten, da sind nicht nur
Fundamentalisten und Betonierer dahinter, sondern durchaus anerkannte internationale
Spitzenwissenschaftler.
Ich möchte Sie bitten:
Hören wir auf, uns gegenseitig Kronzeugen um die Ohren zu hauen, sondern
versuchen wir wirklich in einen Dialog einzutreten! Wenn die Güte der Argumente
hier einen Wert und nicht nur Macht hat, dann, denke ich, hat man gute Chancen,
auch einen vernünftigen Dialog zu führen. – Danke. (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.46
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Dr. Brinek. – Bitte.
13.47
Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren
Kolleginnen und Kollegen! Vor allem lieber geschätzter Kollege Grünewald!
Dialog und Wertschätzung der Argumente sind eingefordert worden. Gerne trete
ich in den Dialog ein und lese Ihren Antrag ganz genau. Wenn man diesem folgt,
muss man sagen, dass die Österreicherinnen und Österreicher demnächst mit
ungefähr 145 Millionen € zur Kassa gebeten werden. Das ist das Geld,
das nach Entfall der Studienbeiträge nach dem Hochschul-Taxengesetz den
Universitäten fehlt. Ihr Antrag lautet dahin gehend, dass das den Universitäten
aus Budgetmitteln zur Verfügung gestellt werden müsse.
Ich frage
mich – wenn das Budget 100 Prozent beträgt –: Wo nehmen Sie es
denn weg? Woher nehmen Sie ungefähr 2 Milliarden Schilling, um sie den
Universitäten zu geben? Oder wollen Sie sagen, die Universitäten könnten auf
diese 2 Milliarden Schilling verzichten? – Ich sage das nicht, denn
ich kenne die Universitäten, sie brauchen das Geld. (Abg. Dr. Grünewald:
Das ist ja die Akademikerrate!) Also: Nehmen Sie es den Familien weg, dem
Arbeitsmarkt, dem Kapitel Soziales? Wem nehmen Sie diese 2 Milliarden
Schilling weg? (Abg. Öllinger: Die Arbeitslosenversicherung zahlt ja schon dafür!)
Weiters möchte ich
Folgendes feststellen. Mittlerweile arbeitet die Statistik und arbeiten auch
die Forschungsinstitute mit Zahlen von Studierenden – wenn es um
Studierende geht – mit Studienaktivität und
Studierenden ohne Studienaktivität. Über diese Differenzierung bin ich sehr
froh, denn somit ist belegt, dass die Zahl der Studierenden mit
Studienaktivität gleich geblieben ist, dass die Zahl der Studienabschlüsse
gestiegen ist und dass die Zahl derer, die Prüfungen ablegen, ebenfalls im
Steigen begriffen ist.
Ich weiß, und Sie wissen das auch, Herr Kollege, weil Sie aktiv im Universitätsleben lehrend und forschend tätig sind: Kein Universitätslehrer, keine Universitätslehrerin wird bestätigen, dass weniger Studierende in den Hörsälen sitzen, dass weniger Studierende ihre Seminararbei-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 75 |
ten beurteilt haben wollen oder dass weniger
Studierende ihre Forschungsgespräche abhalten wollen. Das heißt, die Arbeit ist
gleich geblieben, die Zahl der aktiv Studierenden ist gleich geblieben; sie
steigt sogar – worüber ich mich sehr freue –, und zwar nicht um
10 Prozent, sondern um 12,5 Prozent, wenn ich die Statistiken genau
lese. Bei den Anfängerinnen und Anfängern an der WU ist sogar eine Steigerung
um 20 Prozent zu verzeichnen. – Das sind eigentlich recht erfreuliche
Zahlen.
Jetzt haben Sie
gesagt: Studienbeiträge sind keine Katastrophe. – Natürlich würde ich auch
gerne mit vollen Säcken an die Universitäten gehen und sagen: Ein Wunder hat
sich ereignet, wir können auf sämtliche Einsparungen und
Budgetkonsolidierungsmaßnahmen verzichten. – Das ist aber nicht der Fall!
Sie müssen sonst anderen Budgetkapiteln, anderen Budgetsektoren erklären, woher
Sie das Geld nehmen.
Weitere
Bestätigung des Weges, der von der Regierung – ich sage jetzt
zuständigkeitshalber Gehrer-Grasser, nämlich zuständig für Wissenschaft und
Finanzen – eingeleitet und umgesetzt wurde: Die Studienbeihilfen sind
erhöht worden. Und wir liegen mit etwa 20 Prozent der genehmigten Anträge
nicht so schlecht. Wenn Sie überlegen, dass das höchste Stipendium
7 272 € pro Jahr ausmacht, dann müssen Sie zugeben, das ist keine
kleine Summe. Wenn Sie diesen Betrag einer einfachen Angestellten, einem
einfachen Arbeiter vor Augen führen, dann ernten Sie Erstaunen. Denn: Das ist
eine sehr solide soziale Absicherung.
Sagen Sie bitte
auch dazu, dass eine Familie mit zwei studierenden Kindern, die ihr Studium
nicht am Wohnort absolvieren, bei einem monatlichen Haushaltseinkommen der
Eltern von etwa – ich sage es noch in Schilling – 60 000 S
noch Studienzuschüsse bekommt. Nennen Sie bitte diese Zahlen, berücksichtigen
Sie auch diese Relationen!
Das heißt, ich
werde nur bestätigt, wenn die eben fertig werdende Studie zur sozialen Lage der
Studierenden zu einem guten Resümee kommt.
Ich zitiere im
Folgenden aus der „Presse“, wo Sie es auch lesen konnten:
„Demnach hat sich
in den vergangenen Jahren der Hochschulzugang im Hinblick auf die soziale
Herkunft der Studenten nicht verändert. Auch die Einführung der Studienbeiträge
im Oktober 2001 hat keine Auswirkungen ergeben.“ (Abg. Dr. Grünewald: Es soll sich verbessern!)
Es zeigen sich
keine Veränderungen, Herr Kollege und geschätzte Damen und Herren! Sie haben ja
behauptet, dass sich die Lage verschlechtert hätte. Sie haben Szenarien
entwickelt, die alles andere als erfreulich waren. Ich bin schon froh, wenn die
Bedingungen sich nicht verschlechtert haben und wenn wir – ich erkenne
Ihre Bereitschaft – an einer Verbesserung arbeiten.
Woran müssen wir
arbeiten, meiner Ansicht nach? – Einerseits: Wir wissen, der typische
Studierende, die typische Studierende ist nicht die achtzehnjährige Maturantin,
sondern der Berufstätige. Daher die hohe Quote an Berufstätigen.
Ebenso gilt: Unter
dieser Regierung, unter Frau Ministerin Gehrer, ist erstmals die Zahl der
weiblichen Studierenden, die ihr Studium abschließen, gestiegen. Und Frauen
bilden auch die Mehrheit der Gesamtpopulation der Studierenden.
Ich bin sehr froh
darüber, dass die weiblichen Studierenden mehr geworden sind. Und ich lade Sie
ein: Lassen Sie uns doch bitte daran arbeiten, dass weibliche Studierende
untypische Studienfächer wählen, Naturwissenschaft, Technik. Wir wissen, diese
Fächer sind auch mit der Option auf guten Berufserfolg ausgestattet.
Alles in allem, meine geschätzten Damen und Herren: Die Studienbeiträge sind akzeptiert. Sie haben all die sozialen Härten nicht bewirkt, die Sie herbeireden wollten. Wir haben eine Zunahme bei der Zahl der Erstinskribierten. Woran wir arbeiten müssen, ist eine stärkere Motivation für Mädchen, atypische Studien zu wählen, und die so genannten bildungsfernen Schichten
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auch noch stärker dazu zu bewegen, sich einem akademischen Studium
zu widmen. (Abg. Dr. Grünewald:
Wie?)
Das ist eine sehr komplexe Aufgabe. Das ist in einer Fun- und
Spaßgesellschaft eine schwierige Aufgabe, weil die Leistung, sich einige Zeit
dieser Disziplinierung zu unterwerfen, vielleicht nicht ganz so einfach zu
erbringen ist und der Gewinn des Studiums erst später sichtbar wird. Wir
brauchen sicher einen langen Atem.
Wir liegen auch – und das ist richtig zu stellen – im
Verhältnis zu Ländern wie etwa Bayern, Baden-Württemberg oder der Schweiz mit
der Akademikerquote nicht so schlecht, wie Sie es darstellen wollen. Wir sind,
gemessen an der Einwohnerzahl, besser! Wenn Sie unsere Zahlen mit den
amerikanischen Zahlen vergleichen, dann trifft es natürlich zu, dass diese
höher sind. (Abg. Dr. Grünewald:
Nein, bitte! Mit Schweden, Skandinavien!) Was aber Vergleiche mit amerikanischen Zahlen betrifft, so würde
ich bereits bei Highschool-Abschlüssen vorsichtig sein. Nicht jeder Abschluss
einer amerikanischen Highschool ist mit unserer Matura gleichzusetzen.
Ich komme zum Schluss. Ich meine, die künftige Generation, genauso wie
die jetzt im Berufsleben stehende, hat allen Grund, an der Budgetstabilität zu
arbeiten. Wenn wir den jungen Studierenden diese Einschätzung vorenthalten,
wenn wir sie nicht motivieren, an der Umsetzung, an dieser Praxis zu arbeiten,
dann führen wir sie sehenden Auges in eine ungewisse Zukunft.
Diese Ministerin beziehungsweise die jetzige Regierung – und ich
hoffe, jede Regierung sieht
das ebenso – kann der jungen Generation nicht zumuten, in eine unsichere
Zukunft zu gehen. Nur gemeinsam, unter Abwägung und Wertschätzung aller Argumente, Herr Kollege
Grünewald, werden wir diese Budgetstabilität bei sozialer Ausgewogenheit und
bei Berücksichtigung der Bedürfnisse von Universitäten und Hochschulen (Abg.
Dr. Grünewald: Ich bitte
darum!) bewerkstelligen können. Ich lade Sie alle dazu ein. – Danke
schön. (Beifall bei der ÖVP.)
13.55
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. –
Bitte.
13.55
Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werden die
Studiengebühren jetzt abgeschafft oder nicht? – Das ist zweifellos eine
der spannenden Fragen in diesen Tagen. Faktum ist, dass unsere
69 Abgeordneten und die 17 Kollegen der grünen Fraktion nicht
ausreichen werden, um einen Mehrheitsbeschluss für die Abschaffung
herbeizuführen.
Bundeskanzler Schüssel, der ja den Auftrag zu einer Regierungsbildung
hat, hat gestern erklärt, er akzeptiert keine Bedingungen. Das wird schwierig,
denn die einzige Partei, die sich nach unserer Beobachtung bedingungslos der
ÖVP auszuliefern bereit ist, sind die Freiheitlichen. Aber Knittelfeld kann
sich jeden Tag wiederholen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Mein Gott, er kann es nicht lassen!)
Wir Sozialdemokraten hingegen haben ein klares Programm für einen
offenen Zugang zur Bildung ohne Barrieren, und auch wir haben eine
Verpflichtung unseren 1,8 Millionen Wählerinnen und Wählern gegenüber. Und
es gehört wohl zu den Binsenweisheiten jeder Verhandlung, dass sie nur dann zu
einem Ergebnis führen kann, wenn beide Teile bereit sind, Schritte aufeinander
zuzugehen. Den Auftrag zur Regierungsbildung hat allerdings die Österreichische
Volkspartei vom Herrn Bundespräsidenten bekommen, und sie wird zunächst einmal erklären müssen, welche Schritte
sie zu gehen bereit ist.
Ich bin aber nicht hier herausgekommen, um Ihnen unsere Schmerzgrenzen zu erklären. Das wäre in dieser Phase sicherlich nicht klug. Aber ich kann Ihnen erläutern, weshalb wir nach wie
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vor der festen Überzeugung sind, dass
Studiengebühren nicht der
richtige Weg sind, um die Akademikerquote in Österreich zu steigern.
Es hat auch
niemand behauptet – auch von Seiten der FPÖ oder der ÖVP hat das niemand
behauptet –, dass Studiengebühren eine bildungspolitische Zielsetzung
hätten. Sie sind ausschließlich ein Weg zu zusätzlichen Einnahmen, und sie
führen nicht ... (Abg. Dr. Partik-Pablé:
Ich kann mich erinnern, Sie haben Studiengebühren bejaht! – Abg. Jakob Auer: Das war Ihre Forderung! –
Abg. Mag. Schweitzer: Was hat
zu deinem Sinneswandel geführt? Zur Sache! Zur Sache!)
Kollege Auer! Ich
habe diese Zitate nicht mitgenommen, um sie ausführlich darzulegen. Aber wenn
wir von Zitaten reden, dann darf ich Ihnen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich weiß noch genau, was
Sie gesagt haben!) zwei vorlesen, die vielleicht noch nicht hier am Pult
zitiert worden sind.
Da hat es einmal
die Aussage des Kollegen Amon gegeben, nachzulesen in der APA
vom 22. September 2000: „Er, Amon, hätte ,größte Probleme‘, einer derartigen ,Gscheiterl-Steuer‘ ... “ – zum Stopfen von
Budgetlöchern – „zuzustimmen.“ – (Rufe bei der SPÖ: Hört,
hört!) – Das hat ja recht gut geklungen.
Und Bundeskanzler
Schüssel selbst ist auch zitierbar, was die Studiengebühren anlangt. Im
„Kurier“ vom 27. Mai 2000 heißt es:
„Und so beteuert
der Kanzler, dass sich die Regierung Studiengebühren ,nicht vorgenommen’ habe
und plädiert für den ,Aufstieg durch Bildung‘. Auch er stamme aus bescheidenen
Verhältnissen. Meine Mutter war Handarbeitslehrerin, meine Großmutter Hausmeisterin.“ –
Zitat Schüssel im Jahr 2000.
Gestern wurde die
Inflationsrate des Jahres 2002 präsentiert: 1,8 Prozent, ein guter
Wert. Was der ORF aber bis jetzt weder in der „ZiB 1“ noch in der
„ZiB 2“, noch in der „ZiB 3“ dargestellt hat, darf ich Ihnen aus der
APA zitieren, wo das Statistische Zentralamt beziehungsweise die Statistik
Austria darüber berichtet hat. Ich zitiere:
„Als größter
,Preistreiber‘ erwiesen sich die im Herbst 2001 eingeführten Studiengebühren, die
den Bereich ,Erziehung und Unterricht‘ um 21,9 Prozent verteuerten.“ – Zitatende.
21,9 Prozent –
das ist jener Wert, um den sich die Ausgaben des einzelnen Haushaltes für
Bildung durch die Einführung der Studiengebühren erhöht haben! Wenn angesichts
dessen noch jemand behauptet, das sei etwas, was man in der Brieftasche oder am
Konto nicht spüre, dann irrt er.
Mit der konkreten
Gruppe der Berufstätigen und den Zahlen der Studierenden wird sich mein Kollege
Broukal noch ausgiebig beschäftigen. Diese Zahlen gehören auch einmal ins
rechte Licht gerückt.
Aber ich möchte
Ihnen, Frau Bundesministerin, aus einem Brief zitieren, den Sie auch kennen
müssen, weil Sie ihn ebenfalls – wie alle Wissenschaftssprecher –
bekommen haben. Eine Dissertantin schreibt Folgendes – ich zitiere –:
„Ich zahlte in diesem
Semester meinen Studienbeitrag, doch weder meine Erstbetreuerin,“ Prof.
Sowieso, „noch mein Zweitbetreuer,“ Prof. Sowieso, „halten in diesem Semester
ein DissertantInnenseminar ab, weil diese aus Einsparungsgründen auf ein
Semester pro Studienjahr reduziert wurden. Da ich noch in der alten
Studienordnung bin, muss ich auch keine zusätzlichen Lehrveranstaltungen
besuchen. Das heißt also, dass ich in diesem Semester Studienbeitrag zahle,
ohne die für mich vorgesehenen Lehrveranstaltungen besuchen zu können“ –
weil sie schlichtweg nicht stattfinden! (Abg. Dr. Brinek: Sie
kann aber schreiben!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Studentin kann zu Hause schreiben und zahlt dafür an der Uni einen Studienbeitrag. Das ist aber ein „liebes“ Argument, Kollegin Brinek. So dürfen Sie,
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 78 |
bitte, wirklich nicht argumentieren, wenn Sie immer betonen, es
ginge auch um die Leistungen der Universität, die diese zu erbringen habe.
Die Studiengebühren sind aber nur ein Teil und ein
Punkt von all dem, was im Universitätsbereich derzeit Schwächen zeigt. Auch
das Universitätsgesetz 2002 zeigt schon seine ersten Schwächen, bevor noch die
Implementierung richtig begonnen hat. Wir haben immer davor gewarnt, der Gruppe
der ordentlichen Professoren eine absolute Mehrheit in den Gremien zu geben.
Eine Wissensorganisation kann so nicht geführt werden! Die Professoren sind
es – ich sage deswegen so ungern „Professorinnen und Professoren“, weil
die Herren Professoren nahezu 97 Prozent aller
Professoren-Posten innehaben –, die mit ihrer Mehrheit über die neuen
Stärken im Gründungskonvent entscheiden. Sie entscheiden auch darüber, wie die
neuen Leitungsorgane der Universität, nämlich die Universitätsräte, ausschauen.
Bei dieser Entscheidungsstruktur ist es kein Wunder, dass die Universitätsräte
in der Mehrzahl männlich sind. Es gibt Ausnahmen wie die Uni Wien und die Uni
Salzburg, aber sonst sieht es ziemlich triste aus. In Wien sind es bei vier
Räten zwei Frauen und zwei Männer, in Salzburg sind es bei drei Räten ein Mann
und zwei Frauen, an der Medizinischen Fakultät Wien sind es bei zwei Räten ein
Mann und eine Frau, an der Technischen Universität sind es bei zwei Räten zwei
Männer, an der Uni Graz sind es bei vier Räten vier Männer, an der Medizin Graz
sind es bei vier Räten vier Männer, an der Kunstuni Graz sind es bei drei Räten
drei Männer, und an der Uni Klagenfurt sind es bei drei Räten drei Männer.
Frau Bundesministerin! Wenn Sie behaupten, dass Ihnen das nicht auch
Unbehagen bereitet, dann würde ich mich sehr in Ihnen täuschen. Wir von der SPÖ
können nur von dieser Stelle aus all jene in den Gründungskonventen, die damit
zu tun haben, auffordern, bei den restlichen Bestellungen diesen Zustand
schleunigst zu ändern.
Es ist aber auch die fehlende Finanzausstattung der Universitäten zu
kritisieren – und da sind wir wieder bei den Einnahmen aus den
Studiengebühren – sowie das verkorkste Dienstrecht und die Abschaffung der
Mitbestimmung.
Wir alle haben in den letzten Tagen einen wissenschaftspolitischen
Appell der Bundeskonferenz der Universitätsprofessorinnen und
Universitätsprofessoren zugeschickt bekommen, einer Einrichtung, die an sich
diesem Universitätsgesetz positiv gegenüber gestanden ist, die diese Reform
unterstützt hat, und darin heißt es:
„Beim Universitätsgesetz 2002 besteht darüber hinaus in manchen und zum
Teil wesentlichen Punkten ein dringender Novellierungsbedarf.“
Das schreiben die Professoren, die diese Reform immer begrüßt haben!
Daher kann man nicht einfach sagen, es sei alles in Ordnung, es bestehe kein
Reformbedarf. Ich glaube, dass man sich das in der Frühphase wirklich noch
einmal genau wird ansehen müssen, ehe die Schienen falsch gelegt werden.
Es geht uns um die Funktionsfähigkeit der Universitäten. Wir wollen eine
Organisationsform, die die Universitäten befähigt, auch in Zukunft zu bestehen.
Darum geht es! Dazu gehört der freie Zugang zu den Universitäten, dazu gehört
eine Organisation, die der Wissensgesellschaft angepasst ist, und dazu gehört
Partizipation. An diesen unseren Grundsätzen werden wir festhalten. Wir werden
unsere Grundsätze bildungspolitisch einzubringen versuchen. Ob wir das in
Zukunft in der Rolle der Opposition oder als Regierung tun werden, das werden
die nächsten 14 Tage oder drei Wochen oder möglicherweise drei Monate
zeigen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)
14.05
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Dr. Bleckmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. –
Bitte.
14.05
Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren! Zu der Zeit, als ich studiert habe – das
ist noch nicht so lange
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her –, waren an der betriebswirtschaftlichen
Fakultät die Hörsäle übervoll, sie waren zum Bersten voll. Es gab damals den
Streik bei den Pharmazeuten, weil zu wenige Laborplätze vorhanden waren und
die Kollegen zwei bis drei Jahre warten mussten, bis sie einen Laborplatz
bekommen haben. Das war unter einer SPÖ-Regierung.
Die Frage, die
Kollege Niederwieser hier aufgeworfen hat, nämlich, ob es die Studiengebühren
weiter geben wird oder nicht, kann ich ihm leicht beantworten: Wenn es zu einer
schwarz-blauen Koalition kommt, dann wird es dabei bleiben, denn wir sehen sie
als eine sinnvolle Maßnahme an. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Sollte es aber zu
einer großen Koalition kommen, dann stellt sich für mich die Frage nach Ihrem
großen, klar deklarierten Programm, denn ich sehe es ja jetzt schon
aufgeweicht, wenn Ihre Kollegin Burgstaller, die im Sondierungsteam sitzt,
inzwischen bereits sagt, sie könnte sich einen Kompromiss zwischen ÖVP und SPÖ
vorstellen: etwa ein Darlehensmodell, eine Befreiung von Studiengebühren für
sozial Schwache, aber dafür höhere Gebühren für selbstverschuldete Langzeitstudenten. –
So Frau Burgstaller im Originalton.
Das ist bereits
die aufgeweichte Linie der SPÖ, wie sie sich die Studiengebühren doch vorstellen
und gleichzeitig auch ihr Wahlversprechen einhalten kann. – Wir
Freiheitliche bleiben bei unserem Programm, und wir stehen zu unseren Punkten! (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Wenn Kollege
Grünewald sagt, den Menschen ... (Abg. Eder: Ihr habt ja bei der
Wahl auch „super“ abgeschnitten mit eurem Programm!) Wie bitte? (Abg. Eder: Ihr habt „super“ abgeschnitten!) – Dazu komme ich noch.
Wenn Kollege
Grünewald sagt, den Menschen bliebe keine Wahl, dann muss ich sagen: Wir wissen
alle, dass die Wahl sehr wohl gegeben ist und auch immer wieder ansteht. Das
letzte Wahlergebnis hat weder den Grünen noch den Freiheitlichen gefallen, dazu
muss man auch stehen, aber die Wahlen haben stattgefunden und – auch das
ist unbestritten – der Regierungskurs wurde bestätigt, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Dieser Realität müssen sich auch die Grünen stellen. Anscheinend
war das Thema „Studiengebühren“ doch nicht ganz das richtige Programm, denn
sonst hätte das Ergebnis anders ausgesehen.
Sie alle wissen,
dass ein Student den Staat Österreich jährlich 12 350 € kostet, und
der Studierende selbst zahlt nur 6 Prozent der tatsächlichen Kosten. Wir
wissen auch, dass allein ein Kindergartenplatz in Österreich mehr Geld kostet
als das, was Studierende monatlich für ihren Studienplatz zu zahlen haben. Ich
meine, dass die Studiengebühr wirklich verlangt werden kann für die Leistung,
die man erhält, nämlich 12 350 €, die für jeden einzelnen Studenten
ausgegeben werden.
Wir haben ja damit
auch einige Effekte erzielt: Erstens wird die Studiendauer verkürzt werden. Das
ist wichtig, denn wir brauchen in einem europäischen Wettbewerb, dass unsere
Absolventen einigermaßen jung sind, wenn sie in den Arbeitsprozess eintreten.
Es sollen im EU-Wettbewerb nicht 27-jährige mit 23-jährigen konkurrieren
müssen, denn das wird auch in Zukunft für die österreichischen Absolventen
schwierig sein.
Der zweite Effekt,
der sich ergeben hat, ist, dass die Absolventenzahlen sehr wohl gestiegen sind.
Das ist auf jeden Fall auch ein wichtiger Punkt. Im Jahre 2002 hatten wir
um 16 700 Absolventen mehr. Damit ist die Zahl der Absolventen um
7,9 Prozent gestiegen. Erfreulich ist auch, dass der Anteil der Frauen um
50 Prozent zugenommen hat.
All das Geld, das
damit eingenommen wird, kommt dann direkt über die Universitätsmilliarde den
Universitäten zugute, und das ist auch ein wichtiger Effekt. Es würde mich
schon interessieren, wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, sich
die Finanzierung sonst vorstellen würden, wenn dieses Geld nicht eingehoben
würde. Wo sind denn Ihre guten Ideen, wie das Geld sonst aufgebracht werden
könnte?
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 80 |
Es werden diese
Gelder beziehungsweise es wird diese Universitätsmilliarde jetzt für Strukturmaßnahmen,
die wichtig sind, aber auch für den Lehr- und Studienbetrieb eingesetzt. Es ist
wirklich wichtig, dass die Studienbeiträge in den Universitäten verbleiben.
Meine Damen und
Herren! Andererseits muss man festhalten, in letzter Zeit ist die Zahl der Anträge
auf Studienförderung gestiegen. Es ist unserer Meinung nach wichtig, dass
niemand auf Grund seiner finanziellen Situation vom Studium ausgeschlossen
wird, aber es ist auch wichtig, dass niemand nur zum Schein
inskribiert. Aber genau das ist vorher passiert. Das beweist auch Ihre
Begründung, in der Sie schreiben, dass es 45 000 Studierende weniger
gibt als im letzten Semester vor der Einführung der Studiengebühren. Es sind ja
genau all die Scheininskribenten dadurch weggefallen. Das halte ich auch für
einen sehr wichtigen Effekt.
Es kann daher
nicht so sein, dass wir sagen: Die neue Idee, die es für die Universitäten
gibt, ist, dass alles so bleibt, wie es ist – so wie Sie von den Grünen
oder von der SPÖ sich das vielleicht vorstellen. Wenn wir neue Ideen für
Österreich brauchen und wollen, dann heißt das eben auch, Reformen
durchzuführen und etwas zu verändern – und dafür stehen wir Freiheitliche!
(Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg.
Mag. Schweitzer: Zitiere den
Niederwieser!)
14.10
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Die
Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.
14.11
Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr
geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerin, Frau Bleckmann, hat gesagt, die
Wahl sei weder für die Freiheitlichen noch für die Grünen erfolgreich
ausgegangen. – Nun, so unzufrieden sind wir eigentlich nicht. Ich gebe
aber zu: Wenn wir das erreicht hätten, was Sie verloren haben, dann ginge es
uns noch viel besser! (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni. – Abg. Nürnberger –
in Richtung des Abg.
Mag. Mainoni, auf den Redner weisend –: Da hat er Recht, das musst du
zugeben!) – Aber dazu haben wir ja noch Zeit. (Abg. Mag. Schweitzer: Dieter,
das war dein bester Schmäh, seit du im Haus bist!)
Was jedoch
inhaltlich interessanter war, das waren die Ausführungen von Frau Kollegin
Brinek. Sie bewundere ich bis zu einem gewissen Grad immer wieder dafür, dass
sie Maßnahmen, wie in diesem Fall die Studiengebühren, in Summe dann so
darstellt, als sei dadurch alles besser geworden, bis
hin zur sozialen Lage, die sich dadurch auch noch verbessert hätte. – Da
frage ich mich: Wenn man die Studiengebühren verdoppeln würde, ginge es den
Studierenden dann zweimal so gut? (Abg.
Dr. Brinek: Zuhören!) –
Das wird es wohl nicht sein.
Was man sich aber
reell anschauen kann, ist: Wie waren die Entwicklungen danach? – Soweit
ich es richtig mitbekommen habe, nennt Bundeskanzler Schüssel die Verdoppelung
der AkademikerInnenquote als eines der wesentlichen Ziele der Politik für die
nächsten Jahre. Da ist ihm meiner Meinung nach zuzustimmen, denn wenn man sich
die österreichischen Zahlen anschaut, dann muss man feststellen, dass
Österreich eine Studierendenquote, eine AkademikerInnenquote hat, die einfach
bei weitem unterdurchschnittlich ist; das wissen Sie genauso gut wie
ich. – Dazu haben Sie auch gesagt, wir liegen ja gar nicht schlecht
gegenüber anderen Ländern wie etwa Baden-Württemberg. Welches Land
Baden-Württemberg in der EU ist, ist mir nicht klar. Wenn wir uns mit
Deutschland vergleichen, dann müssen wir feststellen, dass die
AkademikerInnenquote dort auch höher ist als in Österreich.
Wenn Sie sich die
Studienanfängerquoten laut OECD-Bericht ansehen, dann werden Sie sehen, dass
der Durchschnittswert in der OECD 45 Prozent im Altersjahrgang beträgt,
der österreichische Wert bei 33 Prozent liegt und Spitzenwerte wie in
Finnland bei 71 Prozent liegen. Da brauche ich mich gar nicht auf meine
eigenen Zahlen zu beziehen, sondern da brauche ich nur auf die OECD-Zahlen zu
verweisen, um zu zeigen, wie die Daten wirklich aussehen.
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Die Einführung der
Studiengebühren hat dazu geführt, dass wir nachher um 45 000 Studierende
weniger hatten. (Abg. Dr. Brinek:
Am Papier! Aktiv Studierende!) Das werden Sie ja wohl
zugestehen. – Jetzt feiern Sie es als einen riesigen Erfolg, dass es
danach einen Wiederanstieg gegeben hat. – Nun, bis zu einem gewissen Grad
kann man es in den Kurven immer wieder beobachten, dass sich, wenn es einen
sehr starken Rückgang gibt, dieser Trend durchaus auch wieder umkehren kann.
Sie aber bezeichnen das als einen Erfolg!
Ich verstehe
jedenfalls eines nicht: Wenn diese Zielsetzung, mehr Studierende haben zu
wollen, ernst gemeint ist, dann verstehe ich es nicht ganz, dass man
45 000 Studierende weniger als Erfolg verkaufen will! Es wird schwer
funktionieren, auf diese Weise die Quoten wirklich anzuheben. (Abg. Dr. Brinek: Es geht um die aktiv Studierenden ...!)
Weil immer von den
Scheininskribenten gesprochen wird, muss man diesbezüglich auch einmal
Folgendes sagen: Die Vorteile, die es für solche einmal gegeben hat, sind ja
sukzessive abgebaut worden. Was ist denn davon übrig geblieben? – Ein
verbilligtes Essen in der Mensa, vielleicht ein verbilligter Eintritt in die
Museen. Dafür zahlt man pro Semester in etwa 15 € als Beitrag an die
ÖH – das kann man dann gegeneinander aufrechnen, um zu sehen, was übrig
bleibt. Wo sind denn diese Benefits, von denen Sie immer reden, als hätte es
sie noch gegeben? Wo sind die Freifahrten? – All das ist abgeschafft
worden! Sie reden hier also von Scheininskribenten, denen es offensichtlich
Spaß macht, zweimal im Jahr mit dem Zahlschein zur Bank zu gehen, um
einzuzahlen, weil das offenbar ein Gesellschaftsspiel ist. Von diesen gab es
nicht mehr viele, und das wird man auch erkennen müssen. – Ein paar wird
es schon gegeben haben, da gebe ich Ihnen Recht, irgendwelche Dinge werden
schon dafür gesprochen haben.
Aber wenn Sie
erklären wollen, dass 45 000 Studierende in Bausch und Bogen
Scheininskribenten waren, dass Ihnen all jene, die über lange Zeiträume
studiert haben, die es sich einfach nicht leisten konnten, neben ihrem Job, neben
ihrer Arbeit ein Vollzeitstudium zu betreiben, und genau die, die sich dann
überlegt haben, ob diese 5 000 S im Halbjahr noch zumutbar sind,
nichts wert sind (Abg. Dr. Brinek:
Stimmt ja nicht!) – und das bringen Sie zum Ausdruck, wenn Sie
diese Zahlen nennen und dabei von dem „Erfolg“ des Rückgangs sprechen (Abg. Dr. Brinek: Interpretieren Sie die Zahlen!) –, dann kann ich
nur sagen: Unser Zugang dazu ist ein anderer! (Beifall bei den Grünen.)
Mir geht es beim
Studium nicht in erster Linie darum, dass man in Höchstgeschwindigkeit studiert
und nach vier Jahren mit seinem abgeschlossenen Studium aus der Uni
herauskommt. Da gibt es auch noch andere Werte und andere Wertigkeiten. Wenn
jemand sagt, ich möchte neben meiner Arbeit in einem gewissen Ausmaß studieren,
dann hat das für mich einen Wert. Angesichts dessen, was Sie mit diesen
Studierenden gemacht haben – dieses Argument kommt jetzt auch wieder, dass
man die Langzeitstudierenden belasten soll –, muss man sich doch einmal
die Frage stellen: Wodurch kommt das zustande? – In der Regel nicht
dadurch, dass es besonderen Spaß macht, 15 Jahre an der Uni zu sein,
sondern dadurch, dass einfach die Rahmenbedingungen so sind.
Kollege Grünewald
hat vorher davon gesprochen, dass es 74 Prozent seien, die in Österreich
arbeiten müssten, um damit irgendwie ihr Studium finanzieren zu können. (Abg. Dr. Brinek: Nicht „arbeiten müssen“, „arbeiten“!) – Oder
„arbeiten“; nicht arbeiten müssen, aber arbeiten. – Unter diesen
74 Prozent wird ein relativ großer Anteil von Studierenden sein, die
Einschränkungen beim Studium, bei der Studienzeit vornehmen müssen, und auf
diese wurde auch nicht Rücksicht genommen.
Sie haben noch eine Zahl genannt, die mir auch bemerkenswert erscheint – das kommt immer wieder –: Bis zu einem Haushaltseinkommen von 60 000 S gibt es Stipendien. – Ich gehe einmal davon aus, dass das durchschnittliche österreichische Haushaltseinkommen unter 60 000 S liegt. (Abg. Dr. Brinek: ... zwei Studierende!) Wenn ich mir das jetzt ansehe, dann müsste das ja, wenn es durch diese neue Maßnahme zu solch einer Verbesserung gekommen ist, zu einem Explodieren der Stipendien und der Stipendienzahlen geführt haben. Tatsächlich kam es zu einem Anstieg von 12 auf 14 Prozent, also zu einer zweiprozentigen Steigerung. – Also irgendetwas kann bei diesen Zahlen so auch nicht stimmen. Wäre es nämlich so, wie Sie es
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 82 |
darstellen, dann gäbe es ja auch kaum einen Nettoeffekt für das Budget: Wenn
die Stipendien so ausgeweitet worden sind, dass das alles abgefedert ist, dann
kann nicht viel übrig geblieben sein. (Abg.
Dr. Brinek: Sie vermischen da
einige Dinge!)
Was mir
abschließend auch noch wichtig ist, ist folgende Frage: Wenn man die Zahl der
Studierenden wirklich verdoppeln will, dann wird es dazu nicht nur Maßnahmen
an den Universitäten brauchen. Wir wissen, dass wir in Österreich an höheren
Schulen Abgängerquoten haben, die weit unter jenen der Vergleichsländer liegen.
Die ÖVP nennt als eines ihrer Ziele auch, einen möglichst hohen Anteil von
Jugendlichen in der dualen Ausbildung, der Lehrlingsausbildung, zu belassen,
nämlich 40 Prozent, eine Zahl, die es in keinem anderen OECD-Land auch nur
ansatzweise gibt. Diese beiden Ziele fallen ein bisschen auseinander: Auf der
einen Seite sollen möglichst viele keine höhere Bildung haben und dual
ausgebildet werden, und auf der anderen Seite sollen die Studierendenquoten
verdoppelt werden. Woher sollen diese Studierenden denn kommen? Wenn sich das
rechnerisch ausgehen soll (Abg. Dr. Brinek: Schauen Sie die Bildungsstatistik an!), bleiben eigentlich
nur mehr diejenigen, die aus berufsbildenden Schulen, aus höheren Schulen
kommen, übrig, die dann offenbar nicht direkt in den Beruf gehen, sondern
studieren sollen. Ob das das Ziel ist, weiß ich auch nicht wirklich. (Abg.
Dr. Brinek: Berufsreifeprüfung!
Lesen Sie die Bildungsstatistik!)
Wenn Sie von der
sozialen Lage der Studierenden in Österreich reden – ich darf Sie bei
dieser Gelegenheit nochmals darauf hinweisen, dass der Bericht zur sozialen
Lage ein bisschen überfällig ist; vielleicht können Sie da etwas tun, damit
wir nicht noch ein paar Jahre darauf warten müssen –, dann möchte ich
Ihnen Folgendes sagen: Was die Situation im Schulsystem betrifft, so wissen
Sie – ich verweise hiezu auf die PISA-Studie –, dass Österreich dafür
gerügt wurde, dass die sozialen Verhältnisse ganz ausschlaggebend für
Bildungskarrieren und Bildungschancen in diesem Land sind, dass es kaum ein
anderes Land gibt – es wurden in diesem Zusammenhang Österreich und
Deutschland genannt –, wo die soziale Schicht der Eltern, das Einkommen
der Eltern sowie die kulturellen Bedürfnisse und die kulturelle Beteiligung der
Eltern so ausschlaggebend für den Erfolgsweg, den Bildungserfolgsweg der Kinder
sind. (Abg. Dr. Brinek: Was
fällt Ihnen dazu ein? – Gar nichts!)
Natürlich hat
das Folgewirkungen auf das Studium, denn wenn diese Kinder schon früher aus der
Schule aussteigen, dann kommen sie gar nicht mehr in die Situation, überhaupt
studieren zu können, weil sie keine Matura, keine Zutrittsberechtigung zur Uni
haben. (Abg. Dr. Brinek: Was
fällt Ihnen dazu ein?)
Daher bedarf es,
um die Studierendenzahlen zu erhöhen, eines Maßnahmenpakets an den Universitäten
und der Förderung bildungsferner Schichten von Beginn weg an den Schulen. (Abg.
Dr. Brinek: So ist es! Welche
Vorschläge?) Das ist etwas, was die Grünen in den nächsten Jahren noch mit
allem Nachdruck einbringen werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg.
Dr. Brinek: Keine Vorschläge!)
14.18
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Broukal. – Bitte.
14.18
Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass man bei der ersten Rede auch ein
wenig abseits der Tagesordnung sprechen darf, und ich möchte das im Folgenden
kurz tun.
Ich bin diesem Haus seit vielen Jahrzehnten verbunden, vermutlich länger als die meisten von Ihnen. Thomas Ortner war so freundlich, im ORF-Archiv nachzusehen: Am 27. Mai 1977 war ich zum ersten Mal dort oben hinter diesem Glaskobel, der immer noch so unbequem ist wie damals, und hatte das Vergnügen und die Ehre, einer Plenarsitzung beizuwohnen. Und weil ich als junger Redakteur bei der „Zeit im Bild 2“ anfangen musste, hatte ich das Vergnügen, sehr viel länger als die Kollegen von der „Zeit im Bild 1“, die zu Mittag schon mit den OTs der Großkaliber zufrieden waren, und auch das Vergnügen, länger hier zu sein als die Kollegen von den
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Tageszeitungen, die dann auch um 15 Uhr
Redaktionsschluss hatten; an Katastrophentagen natürlich nicht.
Bei der „Zeit im
Bild 2“ hatte man damals – und das mögen viele von Ihnen auch nicht
glauben – die feste Ansicht, dass 20 Minuten
Parlamentsberichterstattung pro Plenartag das Interesse der Österreicherinnen
und Österreicher treffen würden. Das war für denjenigen, der einen Tag lang
mitgeschrieben hat, keine leichte Arbeit, aber es vermittelte den Sehern und
Seherinnen des ORF ein viel besseres Bild von der Arbeit dieses Hohen Hauses,
als es heute in den Kurzbeiträgen der „Zeit im Bild 1“ und der „Zeit im
Bild 2“ gegeben wird. Mag sein, dass sich die Interessen der Menschen
tatsächlich so verändert haben, dass man das heute den Leuten nicht mehr
zumuten kann. Damals konnte man es, und ich sage Ihnen: Es waren vergnügliche,
wenn auch anstrengende Tage hier im Hohen Haus, und ich habe Redner reden
gehört, an deren rhetorische Qualitäten ich mich heute noch mit Bewunderung
erinnere.
Ich freue mich
jedenfalls auf meine neue Arbeit hier. Ich kenne ja viele von Ihnen von meinem
alten Job her, und ich möchte mir die Gesprächsbasis, die ich mir als
ORF-Mitarbeiter und Moderator mit Ihnen aufgebaut habe, erhalten, auch wenn Sie
in anderen Teilen des Hauses sitzen als ich.
Das Leben eines
Abgeordneten hat ja viel mit dem Leben eines Journalisten gemein – ich
glaube, das kann ich jetzt schon sagen –: Es wird einem erstens nicht
alles freiwillig gesagt, man wird zweitens im Kreis herumgeschickt, und man
muss drittens froh sein, wenigstens hinter vorgehaltener Hand das eine oder
andere doch noch „gesteckt“ zu bekommen. (Rufe
bei der ÖVP: Das ist bei der SPÖ so! – Was ist das für ein Klub?) – Nun
ja, das ist so, oder? Geht es Ihnen besser? Dann komme ich zu Ihnen
recherchieren! (Weitere Zwischenrufe bei
der ÖVP.) – Also wer immer sagt, er weiß alles, an den werde ich mich
gerne wenden. Ich mache es mir auf diese Weise auch einfacher.
Meine ersten
Erfahrungen hier sind aber ohnedies nicht so schlecht. Ich habe mir gedacht,
ich schaue einmal, was passiert, wenn ich im Wirtschaftsministerium anrufe und
sage: „Grüß Gott“ – vor drei Monaten hätte ich noch gesagt: „Broukal,
ORF“, jetzt sage ich: „Broukal,
SPÖ“ –, „ich hätte gerne diese Zahlen.“ – Also das war nicht sehr von
Erfolg gekrönt. (Ruf bei der ÖVP: Früher
hat er es leichter bekommen!)
Besser ging es
mir, muss ich sagen, im Finanzministerium, wo Herr Kollege Winkler sagt:
Selbstverständlich!, und ein paar Stunden später hatte ich die
Powerpoint-Präsentation, die die Herren Finz und Grasser vor ein paar Tagen
gehalten haben, auf meinem Laptop und konnte sie in einem Vortrag verwenden,
wofür ich mich sehr herzlich bedanke. (Demonstrativer Beifall sowie Bravo-
und Super-Rufe bei der ÖVP.)
Man sieht, oft ist
die Welt nicht so, wie man sie sich auf den ersten Blick vorstellt:
Unterstützung dort, wo man sie nicht erwartet – und dort, wo man glaubt,
offene Türen einzurennen, Beton, gegen den man klatscht. Aber man lernt jeden
Tag dazu, und ich habe jetzt gelernt: Von Ihnen bekomme ich in Zukunft alles,
was ich mir selbst nicht errecherchieren kann.
Es scheint in Österreich durchaus Privatwissen der staatlichen Verwaltung zu geben – damit komme ich jetzt langsam zu meinem Thema –, und ich muss sagen: Das unterscheidet meine neue Arbeit auch nicht so sehr von der alten. So wie man als Journalist natürlich oft sehr gute Beziehungen braucht, um Unterlagen zu bekommen, die mit Steuergeld angefertigt wurden und Verwaltungs- und Herrschaftswissen gegenüber den Untertanen dieses Landes bilden, so ist es nun auch als Abgeordneter. Ich denke etwa nur daran, dass es angeblich eine Umfrage über die Studiengebühren gibt, deren Ergebnisse die Frau Ministerin exklusiv hortet. (Abg. Dr. Brinek: Nein, ...!) Sie sagt uns ausgewählterweise, was sie uns davon sagen will, aber die Bitte des Klubs etwa der SPÖ, diese Umfrage in ihrer Gesamtheit präsentiert zu bekommen, damit man sich auch ein eigenes Bild machen kann – wie viele Befragte?, wie lauteten die Fragen genau? –, diese Bitte ist bis heute nicht erfüllt worden. Sollte ich offene Türen eingelaufen sein, freue ich mich sehr herzlich. Meine E-Mail-Adresse lautet: jb@netway.at. (Heiterkeit und Beifall
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 84 |
bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber.) – Aber bitte müllen Sie mich nicht zu! Nur
wichtige Dinge, bitte!
Damit bin ich beim
Thema. (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt erst? Das ist ja
unglaublich!) – Herr Schweitzer! Ich habe vorher gefragt, ob ich darf,
und der Herr Präsident hätte es sicher keine Sekunde länger zugelassen, als er
es für angemessen hielt. Ich bedanke mich sehr herzlich beim Herrn Präsidenten.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Abg.
Mag. Schweitzer.) Den Rest
macht euch dann bitte intern aus.
Meine Damen und
Herren! Wir haben Stillschweigen vereinbart über den Inhalt der Sondierungsgespräche
der letzten Woche auch zum Thema Bildung. (Abg.
Mag. Schweitzer: Herr Broukal!
Der Herr Präsident hat sein Hörgerät nicht eingeschaltet! –
Heiterkeit.) – Herr Schweitzer! – Herr Präsident, das würde,
glaube ich, nach einer Richtigstellung verlangen. Lassen Sie mich bitte jetzt
nicht im Stich!
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Sie sind herzlich eingeladen, mit Ihrer Rede fortzufahren und zur Sache
zu kommen. Dafür wäre ich Ihnen dankbar. (Heiterkeit
und Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Abgeordneter Josef Broukal (fortsetzend): Also
unterschätzen Sie Herrn Prinzhorn nicht! (Abg.
Dr. Partik-Pablé: Würden Sie
bitte jetzt ...!) – Davor habe ich mich auch immer gefürchtet:
vor den Zwischenrufen der FPÖ. Aber ich habe mir gesagt: Jetzt kann es nur
weniger arg sein, weil es nicht mehr 52, sondern nur noch 18 Zwischenrufer
sind (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ
und den Grünen sowie Heiterkeit bei der ÖVP), und das ist richtig: Es ist
erträglich! Ich danke Ihnen, es ist eine Verbesserung. (Beifall bei der SPÖ
und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wir haben
Stillschweigen vereinbart über das, was SPÖ und ÖVP auch in Sachen Bildung in
der letzten Woche gesprochen haben, und das will ich achten – allerdings
nicht mehr, als unser Gegenüber, Frau Minister Gehrer, das geachtet hat: Sie
hat in den Zeitungen immer so ein bisschen begleitend darüber berichtet, wie
diese Sache vor sich ging. Sie hat Recht, wenn Sie gesagt hat, dass wir uns in
der Frage der Studiengebühren nicht bewegt haben: Wir sind bei unserem Nein
geblieben, vermutlich aus den gleichen Gründen, die auch Frau Gehrer noch im
Jahr 2000 lange Zeit dazu bewogen haben, nein zu Studiengebühren zu
sagen – noch zwei Tage bevor dann angeblich auf Wunsch der FPÖ doch
schwarz-blaue Politik daraus geworden ist.
Allerdings: Wir
haben in diesen Verhandlungen – und mehr konnte man, so glaube ich, beim
ersten „Beschnuppern“ von uns auch nicht erwarten – anerkannt, dass der
Staat aus den Studiengebühren 130 Millionen € lukriert, die man so
leicht nicht wird ersetzen können. Ich glaube, das war Bewegung.
Wir haben uns,
verglichen mit der Haltung der ÖVP-Verhandler, da eigentlich sehr bewegt.
Sie – das möchte ich schon sagen – haben sich in dieser Frage
überhaupt nicht bewegt! Wäre ich auf der anderen Seite des Tisches gesessen,
dann hätte ich gewusst, wohin ich mich bewegen würde, ohne meinen Grundsatz
aufzugeben, denn selbst wenn man Studiengebühren braucht und haben will: Ein
bisschen intelligenter und ein bisschen gerechter könnte es dabei schon
zugehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Das
möchte ich Ihnen, bevor Sie sagen, dass es nicht stimmt, anhand von drei
Beispielen vor Augen führen, und Sie sagen nachher, ob es stimmt oder nicht.
Punkt 1: Sie kennen das so gut wie ich: Wenn jemand berufstätig oder Alleinerzieherin ist oder aus welchem anderen Grund auch immer des Lebens oder des gewählten Lebensstils mit dem Studium nur langsam weiterkommt, dann zahlt er dennoch jedes halbe Jahr die volle Studiengebühr. Das wäre ohne jede Mühe gerechter zu gestalten, etwa indem man – ausländische Beispiele gibt es dafür – von Berufstätigen nur die halbe Gebühr verlangt. Oder: Ja, es gibt auch Leute, die so viel Geld verdienen, dass sie kein Stipendium bekommen, aber trotzdem langsam studieren, und die auch die volle Gebühr zahlen (Abg. Mag. Schweitzer: Schrecklich! – Abg. Dr. Bleckmann: Sie verdienen so viel, dass sie kein Stipendium bekommen!), und es gibt aus-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 85 |
ländische
Beispiele, die zeigen, dass man auch in diesem Fall bei der Gebühr eben einfach
weniger verlangt, weil sie länger bezahlt wird, sodass der Grundsatz „eine
Gesamtsumme für ein Studium“ gewahrt wird.
Punkt 2:
Immer wieder kommt es vor, dass Studierende einfach ein halbes Jahr verlieren,
und zwar – Frau Dr. Brinek, das steht ja außer Zweifel – deshalb
verlieren, weil die Universität es in einzelnen Fällen nicht schafft, sie
optimal zu betreuen. (Abg. Steibl: Das
wird verbessert!) Wir kennen die Beispiele, die es dafür gibt:
Wir haben im
„Kurier“ vor ein paar Monaten das Foto der Tombola-Maschine gesehen, die darüber
entscheidet, ob jemand einen Laborplatz bekommt. Wir wissen, dass der Rektor
der Universität Wien den Professoren mit Gebührenentzug droht, wenn sie nicht
so rechtzeitig Zeugnisse ausstellen, dass ein nahtloser Fortgang des Studiums
gewährleistet ist. – Das brauche nicht ich zu erfinden, sondern das lese
ich in der Zeitung und sehe es, so wie Sie.
In all diesen
Fällen wird jedenfalls für versäumte Studienzeit die Studiengebühr eingehoben.
Auch da wäre Bewegung am Platz.
Punkt 3: Die
Studiengebühr wird von Kleinverdienern nicht verlangt, das stimmt, aber wer
auch nur einen Euro über der Stipendiengrenze liegt, zahlt voll. Ab dieser
Grenze herrscht die majestätische Ungleichheit eines mangelhaften Gesetzes.
Wäre ich auf der ÖVP-Seite dieser Verhandlungsrunden gesessen, ich hätte
Vorschläge präsentiert, die präziser berücksichtigen, wer sich was leisten
kann. Das würde viele entlasten, und es würde jene stärker für das Studium zur
Kasse bitten, für die 720 € kein Opfer sind. Aber bei den Gesprächen mit
der ÖVP hat es auch in diesem Punkt keine Bewegung gegeben.
All diese Dinge,
die man, wie ich glaube, im Rahmen des Bestehenden ändern könnte, ändern aber
nichts daran, dass wir aus vielen Gründen glauben, dass die Studiengebühren
eine Barriere sind, die wir lieber heute als morgen abschaffen wollen. –
Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
14.29
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Abgeordnete zu Wort gemeldet hat sich Frau Ministerin Gehrer. –
Bitte.
14.29
Abgeordnete Elisabeth Gehrer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus!
Wir haben gerade die erste Rede des Herrn Kollegen Broukal gehört (Ruf bei der ÖVP: Die Jungfernrede!),
die Jungfernrede. (Abg. Nürnberger: War
doch gut, nicht?) Ich bin am Gang von einem Journalisten gefragt worden,
was ich zu Herrn Broukal sage, ich würde ihn doch aus den Verhandlungen kennen,
und ich habe gesagt: Ich finde ihn moderat. – Ich ändere meine Meinung. Zu
„moderat“ gehört nämlich, dass man sich auch bemüht, die Tatsachen
wiederzugeben, und das gehört auch zu einem Journalisten. (Beifall bei der
ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Unwissend
war er!)
Mir vorzuwerfen,
ich hätte aus Sondierungen berichtet, stellt einen Höhepunkt an Unehrlichkeit
dar! Und um zu wissen, dass Sie für die Abschaffung der Studiengebühren sind,
dafür brauche ich keine Sondierungen, denn das steht jeden Tag in der Zeitung! (Beifall
bei der ÖVP.)
Sie brauchen sich
auch nicht den Kopf darüber zu zerbrechen (Abg.
Ing. Gartlehner: Sie sind zu
lehrerhaft!), was wir hätten sagen sollen. Ich nehme nämlich an, dass Sie
etwas nicht gehört haben: dass wir in den Gesprächen – und jetzt berichte
ich aus
den Gesprächen – auch gesagt haben: Wir müssen einige
Verbesserungen anbringen, wir müssen bei Härtefällen nachdenken, und wir müssen
uns auch überlegen, ob wir bei berufstätigen Studierenden vielleicht einige
Änderungen machen müssen. – Das sind Weiterentwicklungen, die vernünftig
und richtig sind.
Ich meine aber, dass die grundlegenden Überlegungen und die grundlegenden Weichenstellungen im Bildungsbereich der letzten Jahre eine ganz klare Zielsetzung verfolgt haben: mehr Autonomie und Selbständigkeit, ein gesicherter Finanzierungsrahmen, Leistungsvereinbarungen, Qualitätssicherung. Und das haben wir in allen Bereichen konsequent umgesetzt. Das
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 86 |
haben wir im Bereich der Schulen umgesetzt.
Wir haben den Ländern mehr Kompetenz gegeben, den Schulen mehr Kompetenz
gegeben, mehr Selbständigkeit, mehr Autonomie. Wir haben Aufgaben an die
Landesschulräte übertragen.
In diesem
Zusammenhang möchte ich gleich ein Missverständnis aufklären: Die Diskussion
betreffend Landesschulräte dreht sich darum, ob wir die Kollegien der
Landesschulräte, die Kollegien der Bezirksschulräte noch brauchen und welche
Position der Präsident haben soll. Was ich für meine Bundesschulen in den
Ländern aber sicher brauche, das ist ein regionaler Bildungsmanager, der auch
pädagogische Erfahrungen hat, und das ist eine Schulverwaltung. Es geht also
nicht um die Behörde, sondern es geht um die politischen Einrichtungen. Ich
glaube, wir sollten uns wirklich ernsthaft fragen, ob wir diese politischen
Einrichtungen noch brauchen.
Meine Damen und
Herren! Wir haben diese Strategie auch im Universitätsbereich zielorientiert
umgesetzt. Das neue Universitätsgesetz wird akzeptiert, die Umsetzung läuft,
die Gründungskonvente sind gewählt. Die einzelnen Kuratoriumsmitglieder des
Universitätenkuratoriums werden jetzt benannt, die Universitätsräte werden
benannt. Das wird bis 31. Jänner abgeschlossen, und die planmäßige
Umsetzung erfolgt.
Ich habe wirklich
eine sehr große Bitte an alle, die in diesem Bereich Verantwortung tragen:
Unterstützen wir die Universitäten bei der zielorientierten Umsetzung! Machen
wir eine begleitende Evaluierung! Es ist sicher richtig, dass man sich in
manchen Bereichen fragen wird: Was muss man vielleicht in drei, vier Jahren
wieder verändern? Das ist bei allen Gesetzen so. Aber: Helfen wir bei der
Umsetzung, machen wir eine begleitende Evaluierung, und fragen wir dann: Was
können wir noch besser machen?
Nun zur Frage der
Studiengebühren: Es wird hier vom Rednerpult aus immer wieder gesagt, die
Ministerin habe sie eigentlich nicht haben wollen, der Herr Bundeskanzler habe
sie eigentlich auch nicht haben wollen. Wir könnten uns in diesem Zusammenhang
sehr viele Zitate vorwerfen. Ich könnte jetzt aufzeigen, wer von den Grünen
einmal gesagt hat, er könne sie sich eigentlich schon vorstellen, Herr Kollege
Van der Bellen. (Abg. Mag. Posch:
Ihren eigenen Standpunkt werden Sie nicht vergessen haben, Frau Minister!)
Ich könnte auch
aufzeigen, wer von den Roten gesagt hat, man könnte den Widerstand dagegen
eigentlich einmal aufgeben oder man könnte die Studiengebühren unter gewissen
Bedingungen akzeptieren. Ich sage Ihnen Folgendes: Es gibt Entwicklungen, die
einfach einen anderen Standpunkt beleuchten und die dann zu einer anderen
Schlussfolgerung führen. Wir haben diese Entwicklung durchgemacht. Wir haben
zuerst gesagt: Wir wollen einmal Studienbeiträge – das kann jeder von
Ihnen von mir nachlesen (Abg. Mag. Posch: Was haben Sie gesagt, Frau
Minister?) – für die studierenden Pensionisten, für die Älteren und
für die Langzeitstudierenden. Aber das geht, ich habe Ihnen das schon oft
erklärt, aus Gleichheitsprinzipien nicht. Deswegen haben wir uns schlussendlich
dazu durchgerungen und gesagt: Wir führen die Studienbeiträge ein – wir
stehen dazu! –, wir wollen aber all jenen, die Unterstützung brauchen,
Unterstützung geben. Und ich sage Ihnen: Es funktioniert! (Beifall bei der
ÖVP sowie des Abg. Dr. Böhmdorfer.)
Wir haben
199 526 Studierende – mehr als in Bayern und in der Schweiz.
40 781 Studierende erhalten insgesamt 156 Millionen € an
Studienförderungen. Jene, die eine Studienförderung erhalten, erhalten den
Studienbeitrag rückerstattet. Und 70 Prozent der ordentlichen Studierenden
sind in der Regelstudienzeit. Das bedeutet, die Universitäten bieten den
Studierenden selbstverständlich ein gutes Angebot, die Jugendlichen können
selbstverständlich in der Regelzeit studieren. Natürlich gibt es einige
Härtefälle, natürlich gibt es die berufstätigen Studierenden, die eben nicht
in der Regelstudienzeit sind.
Ein großes Danke
an die Universitäten, die auch mit den Geldern, die wir ihnen aus den
Studienbeiträgen geben, sehr verantwortlich umgehen.
109 Millionen Schilling sind eingesetzt worden zur Verbesserung des
Studienangebotes, sind eingesetzt worden, damit die Regelstudienzeit
eingehalten werden kann.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 87 |
Nun noch zu der
Aussage, dass ich einen Bericht nicht herausgeben würde. Wer mich kennt, der
weiß: Wer im Ministerium etwas anfragt, erhält eine Auskunft, erhält die
Unterlagen.
Alle vier Jahre
wird ein Bericht zur sozialen Lage der Studierenden gemacht. Der letzte Bericht
ist im Jahr 1999 von mir freiwillig dem Parlament vorgelegt worden. Der
nächste Bericht ist im März 2003 – alle vier Jahre! – fertig und
wird dann selbstverständlich auch dem Parlament zur Verfügung gestellt. Nur:
Der Bericht wurde im Herbst in Auftrag gegeben, 3 300 Studierende
wurden befragt. Ich habe eine erste Auswertung erhalten. Das wird vom IHS unter
Herrn Dr. Felderer gemacht, und man kommt zu dem Ergebnis, dass die
Studiengebühren keine nachteilige Auswirkung auf die Herkunft der Studierenden
haben. Es ist genauso wie vorher.
Natürlich können
wir sagen, dass wir da etwas verbessern wollen, das ist okay – dann reden
wir darüber. Aber ich stelle nachdrücklich fest: Die Studienbeiträge sind keine
Barriere fürs Studium! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Wer in Österreich
studieren will und dafür die notwendigen Voraussetzungen hat, der kann
studieren!
Ich bitte die
Oppositionsparteien wirklich, nicht immer wieder einen Schritt zurück zu
machen, sondern mit uns gemeinsam für die Jugend Schritte in die Zukunft zu
setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
14.37
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Mag. Schweitzer. Die Redezeit wird wunschgemäß auf 5 Minuten
eingestellt. – Bitte.
14.37
Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Frau Bundesministerin Gehrer hat vollkommen Recht, wenn sie meint, man könnte
noch einige Zitate aus den Reihen der Oppositionsparteien bringen, um zu
zeigen, dass hier nicht immer eine klare Linie gegangen wurde. – Herr
Kollege Van der Bellen, Schwamm drüber!
Aber ich glaube,
eines sollte und muss man in dieser Debatte doch aufzeigen – vor allem
habe ich größtes Interesse daran, zu wissen, Herr Kollege Broukal, wie Sie in
Ihrem alten Metier zu Werke gegangen wären, hätten Sie über das, was ich jetzt
noch aufzeigen werde, zu berichten gehabt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Da gibt es den
Kollegen Niederwieser, der sich jetzt – wahrscheinlich auch deshalb, weil
er bereits weiß, was jetzt kommt (Abg.
Dr. Niederwieser: Nein, ich
weiß das bei dir nie!) – aus dem Saal verabschieden will – nein,
er setzt sich doch wieder –, der im Jahre 1999, als er noch Mitglied
einer Regierungspartei war, hier und auch in Pressekonferenzen Studiengebühren
das Wort geredet hat. – DDr. Erwin Niederwieser! Er wurde dann auf
Grund des Wählerwillens auf die Oppositionsbank verbannt und hat wunschgemäß
eine andere Linie vertreten, nämlich gegen die Einführung der
Studiengebühren, und hat sich wieder eloquent – wie Kollege Broukal
auch – zu Wort gemeldet. Dann gab es wieder Wahlen – die Verhältnisse
haben sich verschoben, und die SPÖ sieht wieder oder sah wieder, je nachdem,
von welchem Datum man gerade spricht, die Möglichkeit, in die Regierung zu
kommen.
Und Kollege
Niederwieser – Kollege Broukal, das für die Berichterstattung, die wir uns
vorstellen, für den Fall, dass Sie noch im alten Metier tätig wären – gab
am 11. Dezember 2002 eine Pressekonferenz, bei der DDr. Erwin
Niederwieser sagte: Die Abschaffung der Studiengebühren stellt für die SPÖ
überhaupt keine Bedingung dar. (Abg.
Dr. Niederwieser: Das ist kein
wörtliches Zitat von mir! Das ist überhaupt kein Zitat!) – Das ist das
Zitat Erwin Niederwieser. „Keine Bedingung“. Er kann sich durchaus vorstellen,
dass es auch bei einer SPÖ-Regierungsbeteiligung weiterhin Studiengebühren
gibt.
Also: einmal so, dann anders, am 11. Dezember wieder so, und heute, am 23. Jänner, wieder anders. (Abg. Dr. Petrovic: Manche werden klüger ...!) – Erwin Niederwieser! Es hängt offen-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 88 |
sichtlich davon
ab, wo sich die SPÖ gerade befindet! (Beifall bei den Freiheitlichen.) –
Ob in Regierungsverantwortung, in Opposition, in der Hoffnung,
Regierungsverantwortung übernehmen zu können, oder in der Erkenntnis, die
Chance verspielt zu haben, davon hängt der Standpunkt des Erwin Niederwieser
zum Thema Studiengebühren ab.
Ich denke, diese
Linie wird von niemandem wirklich goutiert, und deshalb erachte ich es als
wirklich wichtig, dass viele erkennen, dass die SPÖ nicht bereit ist,
Verantwortung zu tragen, sondern nur jene Meinung äußert, die parteipolitisch gerade
für gut befunden wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
14.41
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort
gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die entsprechenden Bestimmungen der
Geschäftsordnung. – Bitte. (Abg.
Mag. Schweitzer – in
Richtung des Abg. Broukal –: Jetzt habe ich vergessen, zu fragen, wie Sie
berichten würden, würden Sie noch berichten!)
14.41
Abgeordneter
DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Geschätzte Kolleginnen und
Kollegen! Ich muss zwei Dinge berichtigen. Zum einen hat die Frau
Bundesministerin gesagt, dass 70 Prozent der Studierenden in der
Regelstudienzeit abschließen. – Laut den uns zur Verfügung stehenden
Statistiken des Ministeriums liegt der Anteil der Studienabschlüsse in der
gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststudienzeit bei 7 Prozent, nicht bei
70 Prozent! – Da haben Sie eine Null dazugegeben.
Zum anderen zu den
Ausführungen des Kollegen Schweitzer. Kollege Schweitzer hat mich wörtlich
zitiert und gesagt: Niederwieser ist für – wie hat es geheißen? ... (Abg. Mag. Schweitzer: Das werden Sie ja wissen!) – Eben, ich kenne
das Zitat nicht, weil es nicht von mir ist.
Er hat gesagt (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ja ein Redebeitrag!), dass ich für den
Verzicht auf die Forderung der Abschaffung der Studiengebühren eintrete. –
Diese Behauptung ist nachweislich unrichtig.
Dieses Interview
ist wörtlich wiedergegeben. Ich habe gesagt: Wenn eine Partei vier Forderungen
hat und alle vier als unabdingbar bezeichnet, dann wird es keine Verhandlungen
geben, daher wird es irgendwo Abstriche geben. – Wo das sein wird, habe
ich nie festgestellt.
Ich habe
keineswegs von den Studiengebühren Abstand genommen (Abg. Mag. Schweitzer:
Eine tatsächliche Bestätigung!) und habe heute hier auch ausdrücklich
begründet (Abg. Mag. Mainoni: Jetzt ist aber dann Ruhe!),
weshalb wir das für den falschen Weg halten. (Beifall bei der SPÖ.)
14.42
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Abgeordnete zu Wort gemeldet
ist Frau Bundesminister Gehrer. – Bitte.
14.42
Abgeordnete
Elisabeth Gehrer (ÖVP): Sehr geehrte Damen und
Herren! Ich möchte Folgendes feststellen: Laut einer derzeit gemachten Umfrage
sind 70 Prozent der jetzt Studierenden innerhalb der Regelstudienzeit. –
Das war meine Aussage. Nicht die Studienabschlüsse, sondern 70 Prozent der
derzeit an den Universitäten Studierenden sind innerhalb der Regelstudienzeit.
(Beifall bei der ÖVP.)
14.43
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr
gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Ich weise
den Antrag 16/A dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung zu.
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 89 |
8. Punkt
Erste Lesung:
Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und
Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und
das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (22/A)
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Schließlich gelangen wir zum
8. Punkt der Tagesordnung.
Wir gehen in die
Debatte ein.
Das Wort erhält zunächst
die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.
14.44
Abgeordnete
Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Nach der Debatte über die Studiengebühren zurück zur
Geschäftsordnung und zur Bundesverfassung. Heute Vormittag war sehr oft die
Rede von Minderheitenrechten, von Rechten des Parlaments, sogar von Rechten
der Tiere – ich möchte nun auf andere Rechte zu sprechen kommen, nämlich
auf die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Es geht dabei um einen Antrag
hinsichtlich des Weitergeltens von Volksbegehren über eine Legislaturperiode
hinaus. Es ist das im Wesentlichen ein Antrag, der darauf ausgerichtet ist, die
direktdemokratischen Instrumente, die wir in der Bundesverfassung haben, zu
stärken und aufzuwerten.
Ich möchte dazu
ein paar allgemeine politische Bemerkungen machen, ein paar allgemeine Gedanken
und dann ein paar besondere Argumente bringen.
Die allgemeinen
Bemerkungen: Seit 1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union, und
damit hat sich einiges verschoben: Viele Kompetenzen sind von Österreich nach
Brüssel abgewandert, von der nationalen Ebene auf die europäische Ebene, haben
dort aber keine voll demokratisierte Europäische Union vorgefunden. Und im
Grunde sind wir jetzt bei zwei ganz wichtigen Projekten schon sehr stark im
Rückstand, nämlich auf der einen Seite, was die Demokratisierung der
Europäischen Union betrifft und auch da die Rechte der Bürgerinnen und Bürger,
auf der anderen Seite auch hinsichtlich der Aufwertung von direktdemokratischen
Mitsprachemöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern in der österreichischen
Bundesverfassung. Diese Diskussion wäre aber bei einer allfälligen Debatte über
die Bundesstaatsreform sehr wichtig, wobei es meiner Meinung nach nicht nur
darum geht, die Rechte zwischen den Ebenen – zwischen Bund, Ländern und
Gemeinden; dem Gebühren-Einheben, Steuern-Einheben – zu diskutieren,
sondern auch die Frage: Wo können Bürgerinnen und Bürger mehr mitreden und
auch direkt mehr beeinflussen und gestalten?
Die besonderen
Argumente, was das Weitergelten von Volksbegehren betrifft, sind sehr nachvollziehbar
und liegen auf dem Tisch. Es ist einfach nicht einzusehen, warum ausgerechnet
ein Volksbegehren, das wenige Monate oder wenige Wochen vor dem plötzlichen Zusammenbrechen
einer Regierung eingebracht wurde, keine Behandlung im Nationalrat erfahren
soll, andere jedoch schon. Das ist eine große Ungleichbehandlung.
Diese Handhabung
beruht auf keiner expliziten Gesetzesbestimmung, sondern auf einem Umkehrschluss
des Geschäftsordnungs-Paragraphen 46 Absatz 4, nämlich dem so
genannten Diskontinuitätsprinzip – das ist ein sehr schwieriges Wort.
Diesen Schluss leitet man davon ab, dass Anträge von Abgeordneten in der
nächsten Legislaturperiode ja unter Umständen nicht mehr behandelt werden
könnten, weil diese Abgeordneten nicht mehr im Nationalrat vertreten sind. Das
Volk allerdings, das Volk ist unveränderlich, das Volk ist immer da.
Warum man diesen Diskontinuitätsgrundsatz – das ist wirklich ein schwieriges Wort –, dieses Prinzip auch auf die Volksbegehren überträgt, ist eigentlich nicht nachvollziehbar, es ist ungerecht. Es ist mit einem sehr großen Aufwand, auch einem sehr großen finanziellen Aufwand für viele Bürgerinnen und Bürger, die sich um solch ein Volksbegehren bemühen, verbunden – denken wir an das Tierschutz-Volksbegehren, an das Gentechnik-Volksbegehren, an das Frauen-Volksbegehren. Und dann scheitert es daran, dass vielleicht plötzlich eine Regierung
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 90 |
nicht mehr weiterarbeiten kann oder dass das Volksbegehren erst
kurz vor Ablauf einer Legislaturperiode zustande gekommen ist, sodass es nicht
mehr behandelt wird. Nicht einmal die Diskussion im Nationalrat über dieses
Begehren ist dann mehr möglich!
Der Verfall von
Volksbegehren macht auch deshalb wenig Sinn, weil ein Volksbegehren eines der
wenigen direktdemokratischen Instrumente ist, die wir überhaupt in der
Bundesverfassung haben und die ohnehin nicht stark ausgeprägt sind. Andere
Staaten machen das mit sehr viel mehr Mut – ob das jetzt die Schweiz ist oder
auch Deutschland, wo intensiv diskutiert wird, wie man Volksbegehren stärken
kann, wie man eine intensivere Behandlung im Nationalrat oder Bundestag in
irgendeiner Form auch erzwingen kann. Auch wir in Österreich haben das in der
letzten Legislaturperiode sehr ausführlich diskutiert.
Dies soll
zumindest ein erster Schritt sein – man kann dann über Weiteres
nachdenken, aber zumindest das sollte garantiert sein. Angesichts sehr, sehr
großer Anstrengungen von BürgerInnen, wobei sie sich sehr viele Gedanken über
Inhalte gemacht haben, dafür Unterschriften gesammelt haben, dafür
letztendlich auch sehr viel Zeit und Engagement aufgewendet haben, ist es das
Mindeste, was wir tun können, dass wir Volksbegehren über den Beginn der
nächsten Gesetzgebungsperiode hinweg gelten lassen und dann diskutieren.
Noch ein letzter
Punkt in diesem Zusammenhang: Es hat ja in der Regierungskoalition zwischen ÖVP
und FPÖ sehr wohl auch eine Debatte darüber gegeben, wie das mit einer
zwingenden Volksabstimmung ab einer bestimmten numerischen Hürde bei
Volksbegehren sei. Wir haben das mit etwas Skepsis kommentiert, und ich möchte
das noch einmal begründen und einen anderen Vorschlag machen.
Natürlich hängt
die Zahl der UnterzeichnerInnen sehr stark auch davon ab, welche öffentliche
Resonanz ein Volksbegehren hat, wie viele Medienpartner sich finden. Und wir
wollen nicht, dass es dann zu einer Unterscheidung zwischen guten und
schlechten Volksbegehren kommt, weil manche Inhalte sehr viel schwieriger,
andere sehr viel leichter zu vermitteln sind. Es sollen alle Volksbegehren eine
gute und ernsthafte Behandlung im Nationalrat erfahren, und man soll hier nicht
auf Grund einer gewissen Summe differenzieren.
Es wäre wichtig,
alle Volksbegehren einer ernsthafteren Behandlung zuzuführen, und da kann man
sich über viele Wege Gedanken machen, über vieles nachdenken. – Das wäre
zumindest einmal ein erster Schritt. Und in diesem Sinne hoffe ich, dass dieser
Antrag im Ausschuss die Zustimmung finden wird. – Danke. (Beifall bei
den Grünen.)
14.49
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort
gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.
14.50
Abgeordnete
Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wir haben einen Antrag der Grünen zur ersten Lesung
vorliegen, und eine erste Lesung bietet Gelegenheit, sich ein paar Gedanken zu
einem Vorbringen, einem Antrag zu machen – und das möchte auch ich hier
tun.
Ich verstehe den
Antrag der Grünen so, dass die politische Intention dahin geht, sicherzustellen,
dass Volksbegehren im Nationalrat grundsätzlich behandelt werden. Dem kann ich
durchaus etwas abgewinnen, dem stehe ich positiv gegenüber. Es ist in der
abgelaufenen Legislaturperiode tatsächlich teilweise zu einer nicht zufrieden
stellenden Behandlung von Volksbegehren gekommen. Daher kann ich
nachvollziehen, dass zweifellos ein gewisses Nachdenken darüber notwendig ist.
Ob jedoch der vorliegende Antrag der Grünen – der Abgeordneten
Dr. Petrovic, Dr. Glawischnig, Brosz, Freundinnen und Freunde –
die beste Möglichkeit ist, diesem politischen Wunsch und diesen politischen
Überlegungen nachzukommen, das sehe ich etwas kritisch und ziehe ich auch ein
wenig in Zweifel.
Ich ziehe das auch deswegen in Zweifel, weil von Ihnen, Frau Kollegin, das Diskontinuitätsprinzip angesprochen wurde, also der Grundsatz, dass Vorlagen, die am Ende einer Gesetz-
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 91 |
gebungsperiode
nicht erledigt wurden, verfallen. Das hat zum einem historische Gründe, das hat
aber auch sachliche Gründe. Diese sachlichen oder inhaltlichen Gründe sind
natürlich darin begründet, dass der Nationalrat alle vier Jahre neu gewählt
wird, neu zusammengesetzt wird, neue Mandatare kommen, neue Mehrheiten da sind
und der Nationalrat eigentlich auch beginnen sollte, sich neu zu gestalten.
Dieses Prinzip als solches halte ich für richtig, das sollte auch weiter
festgeschrieben werden.
Das politische
Anliegen, dass Volksbegehren anders behandelt werden, weil ja dahinter nicht
nur politische Anträge von Mandataren, sondern auch Anträge von Bürgerinnen und
Bürgern, von Wahlberechtigten stehen, ist natürlich gerechtfertigt. Das werden
wir auch tun, weil die Wahlberechtigten ja letztlich eine politische Diskussion
im Nationalrat und auch eine Antwort vom Nationalrat haben wollen.
Es ist jetzt schon
so, dass die Geschäftsordnung auch andere Behandlungen von Volksbegehren
kennt, wie zum Beispiel den Vorrang vor übrigen Anträgen und Gegenständen im
Nationalrat. Die Volkspartei wird sich damit auseinander setzen und wird sich dem
auch stellen. Unser Präsident, der Erste Nationalratspräsident Dr. Andreas
Khol, und auch Bundesratspräsident Hösele haben, wie Sie vielleicht verfolgt
haben, eine meiner Meinung nach richtige und gute Initiative gestartet, indem
sie angeregt haben, einen Österreich-Verfassungskonvent in Form einer
Enquete-Kommission durchzuführen. Ich denke, dass wir dieses inhaltliche
Anliegen dort diskutieren werden, dort diskutieren sollten und auch einer
hoffentlich zufrieden stellenden Antwort zuführen werden. – Danke. (Beifall
bei der ÖVP.)
14.53
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Dr. Wittmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. –
Bitte.
14.53
Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der
Antrag der Grünen, der hier zur Debatte steht, deckt sich eigentlich mit der
Meinung der SPÖ zu diesem Thema. Ich glaube nicht, dass es zeitgemäß ist, dass
Volksbegehren mit dem Ende einer Legislaturperiode beendet sein sollen. Das
ist insbesondere dann nicht richtig, wenn man in vielen Bereichen die
Instrumentarien der direkten Demokratie verstärken will und ein Instrumentarium
hat, das eigentlich von allen Bevölkerungsteilen angenommen und von vielen
Bevölkerungsteilen aktiv unterstützt wird. Es ist auch dann nicht richtig, wenn
es letztlich nicht von jenen Leuten behandelt wird, die dafür gewählt wurden,
damit sie diese Begehren auch behandeln.
Was kann ein
Bürger dafür, dass die Nationalräte oder der Nationalrat säumig sind? Was kann
ein Bürger dafür, der sich für eine Sache einsetzt, dass nur deswegen,
weil – aus welchen Gründen immer – eine Regierung implodiert, so wie
die Letzte, sein nach wie vor berechtigtes Anliegen nicht behandelt wird? –
Er kann nicht damit rechnen, dass sich die politische Situation unter den
gewählten Abgeordneten so verändert, dass die Legislaturperiode verkürzt wird
und damit sein Anliegen, das er berechtigt für diese Legislaturperiode
behandelt haben wollte, nicht mehr behandelt werden kann. Es ist weder seine
Schuld noch im Sinne der Demokratie, dass dieses Begehren nicht mehr behandelt
wird. Es zeigt sich somit, dass wir in diesem Falle mit den berechtigten Sorgen
der Bürger nicht adäquat umgehen.
Ich glaube, man sollte
die Bereitschaft, Staatsreformen anzugehen beziehungsweise gewisse
Veränderungen im Staatsgefüge durchzuführen auch dazu nützen, diese Fehler in
der derzeitigen Geschäftsordnung zu beseitigen. Meiner Meinung nach ist das
ein Fehler, denn es ändern sich zwar die Abgeordneten, aber es ändert sich
nicht das Anliegen und schon gar nicht die Bevölkerung, die dieses Anliegen
behandelt haben will. Nur weil sich die Personen im Nationalrat ändern,
verändert sich aber nicht die Position der Bevölkerung zu diesem Anliegen,
insbesondere jener Leute nicht, die aktiv dafür eingetreten sind.
Man sollte auch den Kostenfaktor berücksichtigen, der bei einer derartigen Mobilisierung von Menschen bei der Abwicklung eines Volksbegehrens entsteht. Diese Kosten sind praktisch in den Sand gesetzt, sobald eine neue Legislaturperiode beginnt. Diese neue Legislaturperiode
Nationalrat, XXII.GP | 3. Sitzung / Seite 92 |
hängt ja nicht von denjenigen ab, die dieses Anliegen
sozusagen behandelt haben wollen, sondern von uns Abgeordneten. Die Säumigkeit
dann zum Nachteil der Bürger fortzuführen, das ist, so glaube ich, der falsche
Weg. Es wäre ein Leichtes, diesen Missstand abzustellen.
Ich denke, wir
sind uns ziemlich einig darin, dass das ein Punkt ist, der in einer
Staatsreform, in einer Bundesstaatsreform beziehungsweise in einem
Demokratiepaket verankert werden muss, weil es ja jetzt schon wenige
Instrumentarien der direkten Demokratie gibt. Die Instrumentarien, die wir hier
haben, sollten wir auch entsprechend erst nehmen und den Bürger nicht davon
abhängig machen, ob dieselben Personen in der nächsten Legislaturperiode hier
im Nationalrat sitzen, oder ob andere Abgeordnete sein Anliegen zu behandeln
haben.
Auf alle Fälle
will der Bürger sein Anliegen behandelt haben. Dem einzelnen Bürger, der sich
für ein besonderes Anliegen engagiert, ist ziemlich egal, wer es behandelt. Er
erwartet von seinen gewählten Vertretern, dass sie sich mit diesem Problem
auseinander setzen. Das muss auch über eine Legislaturperiode hinweg möglich
sein, denn auch da gibt es gewählte Vertreter. Das kann nicht davon abhängig
sein, welche Personen hier im Nationalrat sitzen.
Daher ist das
Ganze ein Anliegen, das von unserer Seite völlig unterstützt wird. Ich glaube,
dass man dieses Anliegen noch ausdehnen könnte. Uns von der SPÖ geht es noch zu
wenig weit, weil wir wollen, dass dieses Anliegen auf parlamentarische
Bürgerinitiativen, die einen ähnlichen Background haben, ausgedehnt wird.
Deswegen sollte man hier auch gleich eine Regelung für Bürgerinitiativen
schaffen.
Ich habe schon bei
meiner Vorrednerin Bereitschaft gesehen, dass zumindest darüber geredet wird.
Ich glaube, dass es im Gesamtkontext einer umfassenden Demokratiereform, im
Gesamtkontext einer umfassenden Staatsreform notwendig wäre, diese Schritte zu
setzen, weil sie das Vertrauen der Bevölkerung in die gewählten Mandatare und
in die Behandlung ihrer Anliegen stärken würden. (Beifall bei der SPÖ.)
14.59
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Dr. Bösch. – Bitte.
14.59
Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir
Freiheitlichen treten prinzipiell für eine Stärkung der direkten Demokratie
ein. Wir stehen deshalb diesem Antrag von Seiten der Grünen auch grundsätzlich
positiv gegenüber. Schade ist aus unserer Sicht, dass von Seiten der
Oppositionsparteien immer nur punktuelle Vorschläge in Bezug auf die Reform der
Demokratie und in Bezug auf die Reform der Republik gemacht werden und weniger
das Große und Ganze gesehen wird. Vor allem schade ist, dass von Seiten der SPÖ
immer nur diese punktuellen Vorschläge gemacht werden, obwohl die Regierung
zwischen ÖVP und FPÖ in der letzten Legislaturperiode in diesem Bereiche
umfassende Vorschläge gemacht hat.
Ich erinnere an
unser Demokratiepaket, in welchem ja auch für Volksbegehren bereits eine
15 Prozent-Klausel für eine verpflichtende Volksabstimmung vorgesehen war.
Ich erinnere an die Vorschläge für eine neue bundesstaatliche
Kompetenzverteilung, an die Stärkung der Verfassungsautonomie der Länder, an
die Briefwahl, an die Bundesratsreform und an die gesamten Reformvorschläge
der bisherigen Regierung.
Herr Kollege
Wittmann! Gerade Sie von der SPÖ wären aufgefordert gewesen, in all diesen
Punkten ernsthaft in eine Diskussion mit der Bundesregierung einzutreten, um
die Gesamtreform des Staates, die Gesamtreform der Demokratie und der
parlamentarischen Republik weiterzubringen.
Wir Freiheitlichen stehen der Einrichtung eines Verfassungskonvents auf österreichischer Ebene grundsätzlich positiv gegenüber. Wir erhoffen uns davon eine Zusammenfassung aller bisherigen Vorschläge, eine neue Formulierung und endlich Ergebnisse in allen den Bereichen,
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die wir schon seit vielen Jahren im Bundesrat, im
Nationalrat und darüber hinaus diskutieren. (Präsident Dr. Khol übernimmt
wieder den Vorsitz.)
Grundsätzlich ist
auch dieser Antrag der Grünen für uns ein Vorstoß, der im Rahmen dieses
Gesamtkonzepts in den nächsten Monaten hoffentlich richtig beraten werden
wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
15.01
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau
Abgeordnete Dr. Petrovic. Sie hat sich eine Redezeit von 5 Minuten
vorgenommen. – Bitte.
15.01
Abgeordnete
MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr
geehrte Damen und Herren! Diese Ankündigungen, man werde ein riesiges
Verfassungspaket schnüren, kommen bei mir mit sehr gemischten Gefühlen an, denn
ich kenne viele Themen, über die in dieser Republik seit Jahrzehnten beraten
wird, zum Beispiel die Neukodifikation der Grundrechte oder die Reform des
Bundesstaates. All das, sehr geehrte Damen und Herren, wird seit vielen
Legislaturperioden zugesichert, aber es wird nicht gemacht.
Frau Kollegin
Baumgartner-Gabitzer, es liegt eigentlich eine sehr einfache Frage vor, die ungleich
einfacher ist als manche andere Fragen, die man wahrscheinlich wirklich nicht
von heute auf morgen zufrieden stellend lösen kann; aber die Frage, ob
Volksbegehren mit dem Ende der Legislaturperiode verfallen sollen oder nicht,
kann man mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Wenn man der Meinung
ist, sie sollen nicht verfallen, dann glaube ich, dass die legistischen
Konsequenzen relativ einfach sind. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Ich würde meinen,
dass es sogar mit den Intentionen der Verfassung nicht konform geht, dass man
Volksbegehren unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie das Glück oder das
Pech hatten, am Anfang oder am Ende einer Legislaturperiode eingebracht worden
zu sein. Insbesondere wissen das die Proponentinnen und Proponenten ja unter
Umständen gar nicht, denn – und diese Erfahrung haben wir auch schon
gemacht – Legislaturperioden können vorzeitig beendet werden, und dann
ist es wohl wirklich nicht fair, Menschen, die sehr viel Zeit, Mühe und Geld
investiert haben, um ihr Anliegen dem Hohen Haus vorzutragen, zu sagen: Pech
gehabt, jetzt ist die Legislaturperiode zu Ende, jetzt könnt ihr wieder von
vorne anfangen!
Das heißt, ich
glaube, wir sollten diese Frage von den anderen Fragen rund um die Verfassung,
die uns mit Sicherheit noch länger beschäftigen werden, abkoppeln, und wir
sollten aus diesem Verfassungstopf ein paar Fragen herausnehmen und vorab
erledigen.
Auch auf Folgendes
mache ich Sie aufmerksam: Der Unmut der Bevölkerung oder derer, die ein
Volksbegehren eingebracht haben, das dann vom Verfall bedroht ist, trifft
insbesondere die stärkste Fraktion, weil man sagen wird: Die hätten es in der
Hand, die rechtliche Situation zu verbessern. So wie das bei den großen
Volksbegehrensmaterien der Fall war, hat man natürlich – und nicht zu
Unrecht – immer wieder schwere Vorwürfe an die ÖVP herangetragen.
Es wäre daher im
Interesse des gesamten Hohen Hauses, hier festzuhalten, dass es keinen
Unterschied machen darf, wann ein Volksbegehren eingebracht worden ist. Es ist
vom Parlament allenfalls in einer nächsten Gesetzgebungsperiode zu behandeln.
Noch etwas: Sie
haben gesagt, das Prinzip, dass Anträge von Abgeordneten verfallen, habe schon
seinen Sinn. – Mag sein, es wäre durchaus auch denkbar, dass ein neuer
Nationalrat alte Anträge, wenn er sich nicht mehr mit ihnen identifiziert,
ablehnt. Aber es mag auch umgekehrt Sinn machen, zu sagen: Wenn Anträge so
wichtig sind, dann können sie auch wieder eingebracht werden! – Nur
dasselbe können die Proponentinnen und Proponenten von Volksbegehren nicht
tun.
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Wir alle wissen,
dass es viel mehr Mühe und auch Geld kostet, eine große Zahl von Unterschriften
für ein Volksbegehren zusammenzubringen, als dass man einfach sagt: Bitte, holt
eben noch einmal fünf Leute zusammen und unterschreibt! – So einfach
ist das nicht!
Daher denke ich,
dass wir hier wirklich von verschiedenen Dingen reden und dass eine unterschiedliche
Behandlung in diesem Fall absolut sachlich gerechtfertigt ist. Wir haben es ja
auch nicht mit Hunderten Volksbegehren zu tun, sondern die wenigen
Volksbegehren, die es in den letzten Gesetzgebungsperioden gab, wird wohl auch
ein neuer Nationalrat aushalten, wenn er, mit dieser „Hypothek“ – unter
Anführungszeichen – von Wünschen aus dem Volk belastet, seine neue
Tätigkeit beginnt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
15.06
Präsident
Dr. Andreas Khol: Als letzte Rednerin ist Frau
Abgeordnete Mag. Grossmann zu Wort gemeldet. Redezeitbeschränkung:
5 Minuten. – Bitte.
15.06
Abgeordnete
Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Jugend auf den oberen Rängen!
Jedes Volksbegehren als direktdemokratisches Instrument mobilisiert Tausende
Bürgerinnen und Bürger dazu, mit ihrer Unterschrift für ein Thema, für ein
Anliegen, für etwas, woran sie glauben, persönlich einzutreten oder sich klar
gegen eine Thematik zu deklarieren.
Wenn ein
Volksbegehren in einer Gesetzgebungsperiode – aus welchen Gründen auch
immer – seinen Niederschlag nicht in Form eines Gesetzes findet oder nicht
ausreichend behandelt wird, so ist dies doch auf Grund der
demokratiepolitischen Sensibilität der Materie ein Auftrag an uns, sich
intensiv mit diesem Anliegen zu befassen. Dieser Auftrag der Bevölkerung kann
nicht, darf nicht mit dem Auslaufen einer Legislaturperiode
enden. (Beifall bei der SPÖ.)
Dem Antrag 22/A
der Abgeordneten Dr. Petrovic und KollegInnen, nämlich dass Volksbegehren,
die dem Nationalrat übermittelt wurden, nicht mit Ende der Legislaturperiode
verfallen, sondern in einem solchen Fall vom Nationalrat der nächsten
Gesetzgebungsperiode weiter zu behandeln sind, stimme ich daher vollinhaltlich
zu. (Beifall bei der SPÖ.)
An dieser Stelle
möchte ich aber auch anregen, den Antrag betreffend Behandlung parlamentarischer
Bürgerinitiativen zu vervollständigen, bei welchen das Anliegen auch von
mindestens 500 BürgerInnen unterstützt werden muss.
Volksbegehren wie
das Sozialstaat-Volksbegehren, das Frauen-Volksbegehren, das Gentechnik-, aber
auch das Temelín-Volksbegehren haben einen intensiven öffentlichen Diskussionsprozess
entfacht und diese Problematik in das Bewusstsein der Österreicherinnen und
Österreicher gerückt.
Insofern bin ich
überzeugt davon, dass ein Volksbegehren auch dann erfolgreich ist, wenn es
diese Funktion der bewussten Auseinandersetzung mit einem Thema in einer
offenen, fairen Diskussion erfüllt hat oder aber durch eine solche Diskussion
eine wertmäßige Orientierung in weiten Teilen der Bevölkerung ausgelöst hat.
Vor dem
Hintergrund dieser Qualität direktdemokratischer Instrumente ist es daher
sekundär – oder auf Deutsch gesagt „Wurscht“ –, ob es die
Abgeordneten der XXI. oder der XXII. Gesetzgebungsperiode sind, die
verpflichtet sind, sich mit den Anliegen der Basis auseinander zu setzen. Wenn
Tausende Menschen für ein Thema mobilisiert werden, dann muss das ein bleibendes
Signal sein, das uns zu einer längerfristigen Auseinandersetzung verpflichtet.
Zeigen wir den Menschen außerhalb dieses Hohen Hauses, die sich intensiv mit
Politik befassen, dass es für ihre Anliegen nicht nur ein Leben nach der
Eintragungswoche gibt, sondern auch ein Leben nach der jeweiligen
Gesetzgebungsperiode! Dazu sind vor allem jene Menschen innerhalb dieses
Hauses aufgerufen, die unter ihren Sympathisantinnen und Sympathisanten aktiv
für eine Unterzeichnung geworben haben.
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Man kann nicht auf
der einen Seite sagen: Unterschreibt! und auf der anderen Seite zulassen, dass
diese Unterschriften von einem Tag auf den anderen wertlos werden, sodass es
dann erst wieder vom Wohlwollen der Parteien abhängig gemacht wird, ob ein
Anliegen im Parlament erörtert wird oder nicht.
Volksbegehren sind
teuer, sehr teuer, und deshalb sollten wir es auch aus Effizienzgründen nicht
zulassen, dass aus aufgewendeten Kosten frustrierte Kosten werden.
Es geht aber um
mehr: Es geht um die Grundsatzfrage, die für uns, die wir alle von Parteien
entsendet wurden, sicherlich nicht leicht zu beantworten ist, weil damit
ein – wenn auch kleiner – Verlust einer Monopolstellung verbunden
ist. Es geht um die Frage: Lassen wir neben einer Parteiendemokratie auch
ernsthaft basisdemokratische Elemente zu? Die Beantwortung dieser Frage werden
wir vor der Bevölkerung zu verantworten haben, und ich bitte Sie, liebe
Kolleginnen und Kollegen: Nehmen Sie diese Verantwortung ernst! (Beifall bei
der SPÖ und den Grünen.)
15.11
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort ist
niemand mehr gemeldet. Die Debatte
ist geschlossen.
Ich weise
den Antrag 22/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.
Die Tagesordnung
ist erschöpft.
Einlauf
Präsident Dr. Andreas Khol:
Ich gebe noch
bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 28/A (E)
bis 42/A (E) eingebracht wurden.
Ferner sind die
Anfragen 21/J bis 54/J eingelangt.
*****
Die nächste
Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen
betreffen wird, berufe ich für 15.12 Uhr, das heißt also, für jetzt sofort
ein.
Diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der
Sitzung: 15.12 Uhr
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Anhang
Verzeichnis der
Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder laut von den Klubs eingereichten
Listen
Geschäftsordnungsausschuss
(Stand: 23. Jänner 2003)
Mitglieder:
ÖVP:
Baumgartner-Gabitzer Ulrike, Dr.; Donnerbauer Heribert, Mag.; Fekter Maria
Theresia, Mag. Dr.; Grillitsch Fritz; Kukacka Helmut, Mag.; Spindelegger
Michael, Dr.
SPÖ: Cap
Josef, Dr.; Fischer Heinz, Dr.; Jarolim Johannes, Dr.; Pendl Otto;
Spindelberger Erwin
Freiheitliche: Scheibner Herbert
Grüne:
Brosz Dieter
Ersatzmitglieder:
ÖVP:
Fasslabend Werner, Dr.; Langreiter Hans, Mag.; Mitterlehner Reinhold, Dr.;
Schultes Hermann, Ing.; Tancsits Walter, Mag.; Trinkl Josef, Mag. Dr.
SPÖ:
Kräuter Günther, Dr.; Niederwieser Erwin, DDr.; Nürnberger Rudolf; Schieder
Peter; Silhavy Heidrun
Freiheitliche: Haupt Herbert, Mag.
Grüne:
Öllinger Karl
Immunitätsausschuss
(Stand: 23. Jänner 2003)
Mitglieder:
ÖVP:
Auer Jakob; Brader Alfred, Mag. Dr.; Kainz Christoph; Kukacka Helmut,
Mag.; Schweisgut Johannes; Trinkl Josef, Mag. Dr.
SPÖ:
Csörgits Renate; Gaál Anton; Gradwohl Heinz; Oberhaidinger Georg; Puswald Christian,
Dr.
Freiheitliche: Böhmdorfer Dieter, Dr.
Grüne:
Öllinger Karl
Ersatzmitglieder:
ÖVP:
Donnerbauer Heribert, Mag.; Hütl Günther, Dipl.-Ing.; Rasinger Erwin, Dr.;
Schiefermair Notburga; Sieber Norbert; Spindelegger Michael, Dr.
SPÖ:
Binder Gabriele; Broukal Josef; Dobnigg Karl; Gartlehner Kurt, Ing.; Marizzi
Peter
Freiheitliche: Scheibner Herbert
Grüne:
Kogler Werner, Mag.
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Ausschuss für
Petitionen und Bürgerinitiativen
(Stand: 23. Jänner 2003)
Mitglieder:
ÖVP: Brader Alfred, Mag. Dr.; Franz
Anna; Freund Karl; Grander Maria; Hütl Günther, Dipl.‑Ing.; Kurzbauer Johann;
Machne Helga; Missethon Hannes, Dipl.-Ing.; Scheucher-Pichler Elisabeth, Mag.;
Schiefermair Notburga; Schweisgut Johannes; Steindl Konrad
SPÖ: Grossmann Elisabeth, Mag.;
Heinisch-Hosek Gabriele; Heinzl Anton; Keck Dietmar; Rada Robert, Dr.; Scharer
Erika; Spindelberger Erwin; Steier Gerhard; Wimmer Rainer; Wurm Gisela, Mag.
Freiheitliche: Rossmann Mares; Scheuch Uwe,
Dipl.-Ing.
Grüne: Haidlmayr Theresia; Pirklhuber
Wolfgang, Dipl.-Ing.
Ersatzmitglieder:
ÖVP: Glaser Franz; Lentsch Edeltraud;
Miedl Werner; Praßl Michael; Rasinger Erwin, Dr.; Rauch-Kallat Maria; Schöls
Alfred; Sieber Norbert; Spindelegger Michael, Dr.; Turkovic-Wendl Ingrid;
Winkler Josef, Ing.; Wolfmayr Andrea, Dr.
SPÖ: Bayr Petra; Becher Ruth, Mag.;
Csörgits Renate; Dobnigg Karl; Eder Kurt; Gaál Anton; Kuntzl Andrea, Mag.;
Parnigoni Rudolf; Pendl Otto; Riepl Franz
Freiheitliche: Böhmdorfer Dieter, Dr.; Wittauer
Klaus
Grüne: Glawischnig Eva, Dr.; Moser
Gabriela, Dr.
Rechnungshofausschuss
(Stand: 23. Jänner 2003)
Mitglieder:
ÖVP: Böhm Franz Xaver; Donnerbauer
Heribert, Mag.; Franz Anna; Gahr Hermann; Hornek Erwin; Lentsch Edeltraud;
Prinz Nikolaus; Riener Barbara; Schöls Alfred; Steindl Konrad; Wöginger August;
Wolfmayr Andrea, Dr.
SPÖ: Becher Ruth, Mag.; Faul Christian;
Gaßner Kurt, Mag.; Kaipel Erwin, Ing.; Kräuter Günther, Dr.; Krist Hermann;
Lapp Christine, Mag.; Puswald Christian, Dr.; Reheis Gerhard; Schönpass
Rosemarie
Freiheitliche: Bleckmann Magda, Mag. Dr.;
Böhmdorfer Dieter, Dr.
Grüne: Kogler Werner, Mag.; Moser
Gabriela, Dr.
Ersatzmitglieder:
ÖVP: Fekter Maria Theresia,
Mag. Dr.; Grander Maria; Huainigg Franz-Joseph, Dr.; Kapeller Norbert,
Ing.; Kurzbauer Johann; Neugebauer Fritz; Praßl Michael; Rauch-Kallat Maria; Sieber
Norbert; Stummvoll Günter, Dkfm. Dr.; Trinkl Josef, Mag. Dr.; Winkler
Josef, Ing.
SPÖ: Binder Gabriele; Hoscher Dietmar,
Mag.; Jarolim Johannes, Dr.; Königsberger-Ludwig Ulrike; Krainer Kai Jan;
Matznetter Christoph, Dr.; Moser Hans, Mag.; Parnigoni Rudolf; Pendl Otto;
Prähauser Stefan
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Freiheitliche: Bucher Josef; Mainoni Eduard, Mag.
Grüne: Brosz Dieter; Öllinger Karl
Unvereinbarkeitsausschuss
(Stand: 23. Jänner 2003)
Mitglieder:
ÖVP: Auer Jakob; Frieser Cordula, Mag.;
Kopf Karlheinz; Kößl Günter; Schultes Hermann, Ing.; Tancsits Walter, Mag.
SPÖ: Bayr Petra; Binder Gabriele;
Puswald Christian, Dr.; Stadlbauer Bettina; Verzetnitsch Friedrich
Freiheitliche: Böhmdorfer Dieter, Dr.
Grüne: Kogler Werner, Mag.
Ersatzmitglieder:
ÖVP: Grillitsch Fritz; Hütl Günther,
Dipl.-Ing.; Maier Ferdinand, Dr.; Rädler Johann; Spindelegger Michael, Dr.;
Stummvoll Günter, Dkfm. Dr.
SPÖ: Hagenhofer Marianne; Jarolim
Johannes, Dr.; Maier Johann, Mag.; Pendl Otto; Schieder Peter
Freiheitliche: Partik-Pablé Helene, Dr.
Grüne: Brosz Dieter
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