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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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763. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 19. Dezember 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

763. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 19. Dezember 2008

Dauer der Sitzung

Freitag, 19. Dezember 2008: 9.06 – 16.01 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung der Bundesregierung

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Asylgerichtshofgesetz, das Aus­schrei­bungsgesetz 1989, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Lan­desvertragslehrergesetz, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, die Reisege­bührenvorschrift, das Rechtspflegergesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2008)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – 2. SVÄG 2008)

4. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2009

5. Punkt: Wahl von Vertretern Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ........................................................................ 6

Angelobung des Bundesrates Johann Ertl .................................................................. 7


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 2

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Nominierung eines Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ......... 7

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen anlässlich des Abkommens zwi­schen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation zur Änderung des Abkommens vom 11. Dezember 1957 über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation durch den Herrn Bundespräsidenten ....................................................... 10

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung und Ergän­zung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Slo­wakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit durch den Herrn Bun­despräsidenten ................................................. 11

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte ......................................................................................................................................... 13

4. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2009    ............................................................................................................................... 82

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung:

Stefan Schennach ........................................................................................................ 97

Schlussansprache des Präsidenten Jürgen Weiss ................................................ 113

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 6

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Amtsenthebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Bundesregierung sowie der Staats­sekretäre im Bundeskanzleramt, des Staatssekretärs im Bundes­minis­terium für europäische und internationale Angelegenheiten, des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen, der Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und der Staatssekretärin im Bun­des­ministerium für Wirtschaft und Arbeit durch den Bundespräsidenten ................................................................................................... 8

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Ernennung seiner Person zum Bundeskanzler, von Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Vizekanzler und Bundesminister für Finanzen, von Dr. Michael Spindelegger zum Bundes­minister für europäische und internationale Angelegenheiten, von Alois Stöger zum Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend, von Mag. Dr. Maria Theresia Fekter zur Bundesministerin für Inneres, von Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, von Mag. Norbert Darabos zum Bundesminister für Landes­verteidigung, von Rudolf Hundstorfer zum Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz, von Dr. Claudia Schmied zur Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur, von Doris Bures zur Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, von Dr. Reinhold Mitterlehner zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, von Dr. Johannes Hahn zum Bundesminister für Wissen­schaft und Forschung, von Gabriele Heinisch-Hosek zur Bundes-


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 3

ministerin ohne Portefeuille, von Dr. Josef Ostermayer zum Staatssekretär zu seiner Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Ver­tretung, von Dr. Reinhold Lopatka und Mag. Andreas Schieder zu Staats­sekretären zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Finanzen und von Christine Marek zur Staats­sekretärin zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamen­tarischen Vertretung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit sowie Be­trauung von Bundesminister Dr. Johannes Hahn mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für Justiz durch den Bundespräsidenten ................................................................................................... 9

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 13

Wahlen in Institutionen

5. Punkt: Wahl von Vertretern Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates     ............................................................................................................................... 83

Ergebnis: Mitglieder: Albrecht Konecny, Peter Mitterer; Ersatzmitglied: Dr. Franz Eduard Kühnel

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  13, 113

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Schennach, Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zur Erweiterung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes (2652/J-BR/2008) ........................................................................................................... 84

Begründung: Stefan Schennach .................................................................................. 84

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 90

Debatte:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 92

Reinhard Winterauer .............................................................................................. ..... 95

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 97

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 98

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 99

Manfred Gruber ...................................................................................................... ... 103

Kurt Strohmayer-Dangl ......................................................................................... ... 106

Johann Ertl .............................................................................................................. ... 107

Christa Vladyka ....................................................................................................... ... 109

Albrecht Konecny ................................................................................................... ... 110

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Johann Ertl, Stefan Schennach, Elisabeth Kerschbaum und Efgani Dönmez betreffend Erweiterung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes bei Übernahme von Haf­tungen durch den Staat – Ablehnung ....................................  94, 112

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Elisabeth Kerschbaum, Efgani Dönmez, Monika Mühlwerth und Johann Ertl betreffend Erweiterung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes – Ablehnung ............................................................................................................  102, 113


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung der Bundesregierung ..................................................................... 14

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................... 14

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 14

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 19

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 23

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 25

Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll .......................................................................... ..... 28

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 32

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ..... 35

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 37

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 39

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 44

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 47

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 48

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 51

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 54

Efgani Dönmez ......................................................................................................  57, 71

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 59

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ..... 61

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ..... 63

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 64

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 65

Entschließungsantrag der Bundesräte Efgani Dönmez, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Aufnahme von Flüchtlingen aus Tibet – Zurückziehung ..................................................................  59, 71

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienst­gesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Asylgerichtshofgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Wachebediensteten-Hilfe­leis­tungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift, das Rechtspflegergesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2008) (1 d.B. und 30 d.B. sowie 8037/BR d.B.) ......................... 71

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 72

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 72

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 73

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 74

Wolfgang Schimböck, MSc ................................................................................... ..... 76

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ..... 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 79


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 5

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werb­liche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz ge­än­dert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – 2. SVÄG 2008) (4 d.B. und 27 d.B. sowie 8038/BR d.B.) ............................................................. 79

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner .......................................................................... 79

Redner/Rednerinnen:

Franz Wolfinger ....................................................................................................... ..... 80

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 81

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 82

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Akzeptanz des Führerscheins im Scheckkarten-Format (2646/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Zollabfertigung nach dem „Schengen­beitritt“ der Schweiz (2647/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zollabfertigung nach dem „Schengen­beitritt“ der Schweiz (2648/J-BR/08)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Modernisierungskonzept für die Behandlung und Zwischenlagerung von in Österreich anfallenden radioaktiven Abfällen in Seibersdorf (2649/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend steuerliche Absetzbarkeit von Spenden (2650/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend Zahlungs­rück­stände ausländischer Krankenkassen (2651/J-BR/08)

Stefan Schennach, Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zur Erweiterung der Zuständig­keiten des Rechnungshofes (2652/J-BR/08)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend Schutzzonen vor Abtreibungskliniken (2653/J-BR/08)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Bettina Rausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kosten der Zugfahrten für Schüler der bikulturellen Handelsakademie Retz (2442/AB-BR/08 zu 2645/J-BR/08)



BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 6

09.06.18Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich eröffne die 763. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 762. Sitzung des Bundesrates vom 30. Oktober 2008 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Ludwig Bieringer.

*****

Ich begrüße aus Anlass des Tagesordnungspunktes 1 recht herzlich Herrn Bundes­kanzler Werner Faymann, Herrn Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll, Frau Bundes­ministerin Gabriele Heinisch-Hosek sowie Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Frau Staatssekretärin Christine Marek und Herrn Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer in unserer Mitte. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

09.07.15Einlauf

 


Präsident Jürgen Weiss: Eingelangt ist ein Schreiben des Niederösterreichischen Landtages betreffend die Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bun­desrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages:

„Landtag von Niederösterreich

3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, Haus 1a

Telefon 02742/9005-12431, Fax 12430

E-Mail: post.landtagsdirektion@noel.gv.at

www.landtag-noe.at

Ltg.-W-5/5-2008

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Jürgen Weiss

Parlament

1017 Wien

Betreff:

Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 7. Sitzung am 20. November 2008 folgende Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates durch­geführt.

auf Vorschlag des Freiheitlichen Klub im NÖ Landtag


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 7

Johann ERTL (Mitglied anstelle von LAbg. Edmund Tauchner)

Edmund TAUCHNER (Ersatzmitglied für Johann Ertl)

Ich beehre mich, den Bundesrat hievon in Kenntnis zu setzen.

St. Pölten, am 20. November 2008

Der Präsident: Ing. Hans Penz“

*****

09.07.33Angelobung

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich werde nun die Angelobung von Herrn Bundesrat Johann Ertl vornehmen und bitte die Frau Schriftführerin um die Verlesung der Gelöbnisformel und den Namensaufruf.

9.07.37

 


Schriftführerin Ana Blatnik:Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Blatnik leistet Bundesrat Johann Ertl seine Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

(Allgemeiner Beifall.)

09.08.09Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortung 2442/AB und des Schreibens des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG beziehungsweise jener Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen, und der Schreiben des Bundeskanzlers betreffend die Amts­enthebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Mitglieder der Bundes­regierung und der Staatssekretärinnen beziehungsweise Staatssekretäre sowie die Ernennung der neuen Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretärinnen beziehungsweise Staatssekretäre und der Betrauung des Mitgliedes der Bundes­regierung Dr. Johannes Hahn mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für Justiz durch den Bundespräsidenten sowie des Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 betreffend die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen anlässlich des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation zur Änderung des Ab­kommens vom 11. Dezember 1957 über den Amtssitz der Internationalen Atom­ener­gie-Organisation beziehungsweise einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung und Ergänzung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusam­menarbeit verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Anfragebeantwortung (siehe S. 5)

*****

REPUBLIK ÖSTERREICH

Dr. Alfred Gusenbauer

Bundeskanzler


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 8

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Jürgen Weiss

Dr. Karl Renner-Ring 3

Parlament

1017 Wien                                                                                             Wien, am 27. November 2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

In Folge des Ablebens von Herrn Landeshauptmann Dr. Jörg Haider ist für den Rest der von 2006 bis 2010 laufenden Mandatsperiode ein Nachfolger als österreichisches Mitglied im Ausschuss der Regionen zu ernennen.

Gemäß Artikel 23c Absatz 5 B-VG kann ich Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 26. November 2008 (71. Ministerrat) beschlossen hat, aufgrund eines gemäß Artikel 23c Absatz 4 B-VG erfolgten Vorschlags der Kärntner Lan­desregierung Herrn Landeshauptmann Gerhard Dörfler als ordentliches Mitglied dem Rat der EU zu nominieren.

Mit freundlichen Grüßen

*****

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird (37/A und 28/NR)

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz geändert wird(38/A und 29/NR)

*****

BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Werner Faymann

Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates

Jürgen Weiss

Parlament

1017 Wien

GZ 350.100/0013-I/4/08                                                                      Wien, am 2. Dezember 2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 2. Dezember 2008, GZ 300.000/7-BEV/08, die mit der Fortführung der Verwaltung betraute Bundesregierung sowie die Staatssekretäre im Bundeskanzleramt, den Staats­sekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegen­heiten, den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, die Staatssekretärin im


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 9

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und die Staatssekretärin im Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom Amt enthoben hat.

Mit den besten Grüßen

*****

BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Werner Faymann

Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates

Jürgen Weiss

Parlament

1017 Wien

GZ 350.100/0013-I/4/08                                                                      Wien, am 2. Dezember 2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 2. Dezember 2008, GZ 300.100/8-BEV/08, mich gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt hat.

Weiters hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfas­sungs­gesetz auf meinen Vorschlag Herrn Dipl. Ing. Josef Pröll zum Vizekanzler und Bundesminister für Finanzen, Herrn Dr. Michael Spindelegger zum Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Herrn Alois Stöger, dipl. zum Bun­desminister für Gesundheit, Familie und Jugend, Frau Dr. Maria Fekter zur Bun­desministerin für Inneres, Herrn Dipl.-lng. Nikolaus Berlakovich zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Herrn Mag. Norbert Darabos zum Bundesminister für Landesverteidigung, Herrn Rudolf Hundstorfer zum Bundes­minister für Soziales und Konsumentenschutz, Frau Dr. Claudia Schmied zur Bundes­ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Frau Doris Bures zur Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, Herrn Dr. Reinhold Mitterlehner zum Bundes­minister für Wirtschaft und Arbeit, Herrn Dr. Johannes Hahn zum Bundesminister für Wissenschaft und Forschung und gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Gabriele Heinisch-Hosek zur Bundes­ministerin ohne Portefeuille ernannt.

Ferner hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Dr. Josef Ostermayer zum Staatssekretär ernannt und mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben, Herrn Dr. Reinhold Lopatka und Herrn Mag. Andreas Schieder zu Staatssekretären ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Finanzen beigegeben sowie Frau Christine Marek zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit beigegeben.

Schließlich hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz Bundesminister Dr. Johannes Hahn mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für Justiz betraut.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 10

Mit den besten Grüßen

*****

Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes KyrIe

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Jürgen Weiss

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                       29. Oktober 2008

GZ: BMeiA-11.8.33.02/0002-I.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 8. Oktober 2008 (Pkt. 12 des Beschl.-Prot. Nr. 66) der Herr Bundespräsident am 16. Oktober 2008 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen anlässlich des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation zur Ände­rung des Abkommens vom 11. Dezember 1957 über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest­möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-I1.8.19.03/0010-I.2/2008

Abkommen zwischen der Republik Österreich und

der Internationalen Atomenergie-Organisation

zur Änderung des Abkommens vom 11. Dezember 1957

über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Das Amtssitzabkommen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO-ASA) stammt aus dem Jahr 1958 (BGBl. Nr. 82/1958) und wurde bisher nur einmal durch ein Änderungsabkommen geändert (BGBl. Nr. 413/1971). Gemäß der in Abschnitt 49 lit. c) dieses Abkommens enthaltenen Meistbegünstigungsklausel sind nun auf Wunsch der IAEO eine Reihe von Anpassungen der Privilegien und Immunitäten der IAEO und ihrer Angestellten an die Privilegien und Immunitäten anderer, vergleichbarer, in Öster­reich ansässiger Internationaler Organisationen vorzunehmen. Österreich kommt damit einer völkerrechtlichen Verpflichtung nach.

Die von der IAEO an Österreich herangetragenen Änderungsvorschläge orientieren sich an den Standards der Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien (BGBl. III


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 11

Nr. 99/1998, UNOV-ASA), am Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über den Amtssitz der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung in Wien (BGBl. III Nr. 100/1998; UNIDO-ASA) sowie am Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Vorbereitenden Kommission für die Vorbereitung des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen über den Amtssitz der Kommission (BGBl. III Nr. 188/1997, CTBTO-ASA). Die IAEO stellt mit 2.325 Beschäftigten (Stand vom 31. Dezember 2007; 1.750 AusländerInnen, 575 InländerInnen) die größte in Wien ansässige Internationale Organisation dar.

Die wichtigsten vorgeschlagenen Neuerungen betreffen den gleichberechtigten Zugang von Angestellten der IAEO und ihren Angehörigen zur Hochschulbildung und die Befreiung der nichtösterreichischen Angestellten der IAEO von der motorbezogenen Versicherungssteuer (KFZ-Steuer).

Für die Verhandlung dieses weiteren Änderungsabkommens zum IAEO-Amtssitz­abkommen wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Botschafter Dr. Helmut Tichy Delegationsleiter        Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten

Legationsrätin Mag. Karin Lauritsch                              Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten

Das Änderungsabkommen wird gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charak­ter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Ich stelle daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­hand­lungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Inter­nationalen Atomenergie-Organisation zur Änderung des Abkommens vom 11. Dezem­ber 1957 über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation zu bevoll­mächtigen.

Wien, am 30. September 2008

Plassnik m.p.

*****

Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Jürgen Weiss

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                  12. November 2008

GZ: BMeiA-SK.8.33.02/0007-I.2a/2008


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 12

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 14. Oktober 2008 (Pkt. 6 des Beschl.-Prot. Nr. 67) der Herr Bundespräsident am 22. Oktober 2008 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung und Ergänzung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilagen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-SK.4.36.05/0007-IV.1/2008

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der

Slowakischen Republik zur Änderung und Ergänzung

des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der

Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit ist am 13. Februar 2004 unterzeichnet worden und mit 1. Juli 2005 in Kraft getreten (BGBl. III Nr. 72/2005).

Infolge der inzwischen eingetretenen Entwicklungen, insbesondere der Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstandes für die Slowakische Republik, der Fortentwicklung des Rechtsbestands der Europäischen Union in der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und den gestiegenen Anforderungen an die polizeiliche Arbeit und Zusammenarbeit ist es erforderlich, den bestehenden Vertrag zu ändern und zu ergänzen.

Mit dem Vertrag zur Änderung und Ergänzung des bestehenden Vertrages soll ein moderner, den aktuellen rechtlichen sowie praktischen Notwendigkeiten entsprechen­der Vertrag geschaffen werden, der im bilateralen Zusammenwirken die Effizienz bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie bei der Verhütung und Verfolgung von strafbaren Handlungen weiter steigert.

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden Vertreter/innen des Bundes­kanzleramtes, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegen­heiten, des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Justiz angehören.

Der geplante Vertrag wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt haben und der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.


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Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Justiz stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandten Dr. Gerhard Deiss und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Helmut Koller zur Leitung der Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung und Ergänzung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusam­men­arbeit zu bevollmächtigen.

Wien, am 9. Oktober 2008

Plassnik m.p.

*****

 


Präsident Jürgen Weiss: Eingelangt ist der Grüne Bericht 2008 der Bundesregierung beziehungsweise der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2009, die dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasser­wirtschaft zur Vorberatung zugewiesen wurden.

Ebenso ist der Bericht über die Lage der Tourismus- und der Freizeitwirtschaft in Österreich 2007 eingelangt, der dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zugewiesen wurde.

Genauso ist der Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über die 2007 durch den Bund bei den ÖBB und den Privatbahnen bestellten gemein­wirtschaftlichen Leistungen eingelangt, der dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zugewiesen wurde.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ebenso bilden die Erklärung der Bundesregierung sowie die Wahl der beiden Vizeprä­sidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das erste Halbjahr 2009 bezie­hungsweise die Wahl von Vertretern Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates jeweils einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Jürgen Weiss: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stün­digen Aufliegefrist der gegenständlichen Berichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die damit einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


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Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Jürgen Weiss: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Schennach, Ertl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zur Erweiterung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung dieser Dringlichen Anfrage an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

09.11.261. Punkt

Erklärung der Bundesregierung

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Ich begrüße nochmals den Herrn Bundeskanzler und gebe, bevor ich ihm das Wort erteile, bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten vorliegt, im Anschluss an die abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, wird ihm ohne Weiteres stattgegeben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler das Wort.

 


9.11.55

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der Regierung! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe im Unterschied zur Regierungserklärung im Nationalrat weniger als die halbe Zeit, so hat man mir gesagt. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Welche Hälfte lasse ich weg, um nicht in den Verdacht zu geraten, es wäre der unwichtigere Teil der Regierungserklärung? – In unserer Republik ist alles wichtig, und alle Bereiche der von mir schon gehaltenen Regierungserklärung sind wichtig, sogar jene, die sich auch im Nationalrat nicht ausgegangen sind. Ich bitte also um Vergebung, wenn ich bei meiner Erklärung nicht vollständig sein kann.

Ich möchte mich überwiegend mit jenem Thema beschäftigen, das in den nächsten Jahren, aber bereits im kommenden Jahr für uns die größte Herausforderung darstellt. Die größte Herausforderung ist es, in einer Zeit, in der sich Wirtschaftsforscher bei Pressekonferenzen alle 14 Tage, drei Wochen mit neuen Prognosen überschlagen, nicht in den Fehler zu verfallen, eine negative Stimmung zu verbreiten oder gar in einzelnen Bereichen für Panik zu sorgen.

Es ist die Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, Zuversicht und Opti­mismus zu stärken, ohne dabei die Bürgerinnen und Bürger zu belügen. Wenn also Wirtschaftsforscher mit 30 Prozent Wahrscheinlichkeit von einer Rezession von 4 Pro­zent etwa in unserem Nachbarland Deutschland sprechen – alleine die Formulierung zeigt ja schon, mit geringeren Wahrscheinlichkeiten wird die Prognose düsterer – und wenn Wirtschaftsforscher in Österreich davon sprechen, dass wir mit unserem Wachstum etwa um die Nulllinie – manche sagen, knapp darüber, manche sagen, darunter – einen starken Rückgang im Vergleich zu diesem und auch zum letzten Jahr vorfinden werden, dann muss man sagen: Es geht dieser Rückgang des Wirtschafts­wachstums, der gegen Null geht oder gar zu einer Rezession führt, nicht spurlos vorbei. Spurlos würde er dann vorbeigehen, wenn sich das nach wenigen Wochen wieder umkehren würde, wenn wieder Wirtschaftswachstum einkehren würde und da-


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mit die Auftragsbücher voll wären und Beschäftigung – eines unserer obersten Ziele! – erreicht werden könnte.

Es ist die Aufgabe der Politik, diese Phase wirtschaftlicher Sorgen, deren Ursache nicht in Österreich zu finden, sondern die von den Vereinigten Staaten nach Europa gekommen ist, die nicht im eigenen Land – und wenn, dann nur in ganz geringem Ausmaß durch Entscheidungen von Entscheidungsträgern im eigenen Land – herbei­geführt wurde, möglichst kurz zu halten und dieser Entwicklung mit ganzer Kraft ent­gegenzusteuern und viele negative Auswirkungen durch eigene Kraftanstrengung zu verhindern.

Es kann also bei negativen Auswirkungen nur das Ziel sein, jene Kräfte zu mobilisie­ren, die in einem Land für die wirtschaftliche Entwicklung, für Klein- und Mittelbetriebe, für den Industriestandort, für die Beschäftigungspolitik mobilisierbar sind. Diese Mög­lichkeit in einem Land zu mobilisieren haben wir deshalb, weil wir viele stabile Faktoren vorweisen können. Im Unterschied zu vielen anderen Ländern auf der Welt verfügen wir über ein Pensionssystem, über ein Gesundheitssystem, über soziale Sicherungs­systeme, über Sozialhilfen, ja sogar vorbereitete Mindestsicherungen, die verhindern, dass Menschen etwa in der Armut ins Bodenlose fallen.

Armutsbekämpfung bleibt ein Ziel, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Armuts­bekämpfung hat auf der einen Seite immer mit Rechten des Einzelnen und auf der anderen Seite mit vielen Organisationen zu tun, die sehr engagiert versuchen, Armut zu bekämpfen, zu helfen, wo man helfen kann. Der Herr Finanzminister hat eine Initiative gesetzt, die Gruppen, die sich bei diesem Thema als Ergänzung zu jenen Rechten, die wir im Kampf gegen die Armut festgelegt haben, so engagieren, auch verstärkt in unserem Steuersystem zu unterstützen.

Es ist aber das oberste Ziel, auch dafür zu sorgen, dass nicht nur zusammengerechnet wird, wie viel weniger Beschäftigung es in den einzelnen Bereichen der Industrie und der Betriebe gibt, sondern geschaut wird, wie man gezielt durch geringere Steuern und durch Heben der Kaufkraft, durch Konjunkturpakete, durch erhöhte Investitionen etwa im Bereich des Hochbaus, aber natürlich auch im Bereich der Infrastruktur, durch Unterstützung für Bildung und Forschung sowie durch jene Faktoren, die auch Nachhaltigkeit in unserem Land bewirken, möglichst viel Beschäftigung ankurbeln kann.

Nur Beschäftigung ist die richtige Antwort für diejenigen, die nach der Schule eine Arbeit suchen, oder für diejenigen, die wissen, dass sie noch nicht die Möglichkeit haben, eine Pension zu erhalten, und daher auf der Suche nach Beschäftigung sind. Alles andere sind Notlösungen und Auffangnetze, die wir immer wieder knüpfen und verstärken müssen, die aber niemals die Antwort für Menschen darstellen, die ihre Leistung zeigen wollen, die mit ihrer Leistung und ihrer Arbeit so viel verdienen wollen, dass sie von ihrer Arbeit leben können.

Daher sind alle Kraftanstrengungen in diesen Tagen auf die Verwirklichung jenes Konjunkturpaketes und jener Maßnahmen gerichtet, die wir entweder bereits im Nationalrat und Bundesrat beschlossen oder in unserem Koalitionsabkommen und Regierungsprogramm gemeinsam vereinbart haben.

Es ist dabei das österreichische Bankenpaket von 100 Milliarden € nicht zu vergessen: 75 Milliarden € für Haftungen für Interbankenkredite, 15 Milliarden € für Rekapitalisie­rungen und 10 Milliarden € für die Absicherung von Sparguthaben. Es ist daher zu erwähnen, dass dieses Paket als eine Art Schutzschirm, das wir gemeinsam mit Unterstützung aller Parteien zu beschließen versucht haben, mithelfen soll, zu ver­hindern – wie das dieses Mal in Europa sehr geschlossen passiert –, dass im Vergleich zu anderen Wirtschaftskrisen Banken kippen und damit ja nicht nur Probleme für die


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dort betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entstehen, sondern natürlich in der Folge all jene in Schwierigkeiten geraten, die von Finanzierungen abhängig sind und sich auf die Banken oder auf den Finanzmarkt verlassen haben.

Wir müssen also durch diesen Schutzschirm verhindern, dass Finanzierungen von Unternehmen einfach wertlos werden, indem wir eine Insolvenz in diesem Bereich nach menschlichem Ermessen und mit allen Kraftanstrengungen und Haftungen, die wir übernehmen, ausschalten.

Man darf das aber nicht mit einer Subvention verwechseln. – In manchen Diskussionen in der Öffentlichkeit wirkt es so, als hätten wir beschlossen, Bankinstitute mit 100 Mil­liarden € zu subventionieren, und nicht selten passiert es, dass jemand bei einer Diskussion sagt: Denen habt ihr ja 100 Milliarden geschenkt. – Was schenkt ihr mir? Ich würde in dieser Phase jetzt auch eine Subvention benötigen!

Dieses 100-Milliarden-Paket ist keine Subvention, ist kein Geschenk, sondern ist die Übernahme von Haftungen und ist im Bereich der Verbesserung der Eigenkapital­ausstattung der Banken eine Möglichkeit, ja so etwas wie eine Hilfe, dass der Motor wieder anspringt, nämlich dass Banken kleinen und mittleren Betrieben genauso wie Industriebetrieben wieder Geld zur Verfügung stellen, Finanzierungen ermöglichen, Kredite geben, mit ihnen gemeinsam Businesspläne erarbeiten und damit notwendige Investitionen fördern.

Nun kann niemand von den Banken verlangen, dass etwas, das erst vorige Woche nach doch sehr intensiven Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium und der Europäischen Kommission von letzterer genehmigt wurde – nämlich insbesondere was die verbesserte Kapitalausstattung der Banken betrifft –, diese Woche schon voll wirksam ist.

Es ist also zum heutigen Tag noch gar nicht messbar, inwieweit diese Möglichkeit der Eigenkapitalverbesserungen – von Banken verlangt, von uns gegeben – den ge­wünschten Erfolg nach sich zieht. Natürlich ist der Erfolg daran zu messen, ob jene Institute, die auf diese Möglichkeit zurückgreifen, dadurch auch wieder die Chance, die Kraft haben und in die Lage versetzt werden, Kredite zu geben und Finanzierungen zu ermöglichen.

Es ist ja Teil der Vereinbarung mit den Banken, diese verbesserte Kapitalausstattung genau für diese zielgerichtete Maßnahme zu verwenden, die so wichtig ist, um den Motor wieder zum Laufen zu bringen. Es kann aber zum heutigen Zeitpunkt – auch wenn es manche versuchen – noch nicht gesagt werden, ob das ausreicht, ob es funktioniert und in welchem Ausmaß es funktioniert, da es ja noch gar nicht realisiert und Realität ist.

Aber es war ein richtiger Weg, im Bereich der Haftungen in ganz Europa für Ab­sicherung zu sorgen, und es war eine Chance, diese Absicherungen in allen Ländern der Europäischen Union gleichzeitig vorzunehmen und diesen Schutzschirm aufzu­bauen. Es ist auch wieder dieselbe Kraftanstrengung in allen Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union vorzunehmen, um auch Konjunkturprogramme zu beschließen, um auch öffentliche Aufträge zu vergeben, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Arbeitsmarkt, der diese Initiativen so dringend benötigt, gestärkt wird, sodass in Europa alle Bürgerinnen und Bürger beobachten können, dass mit derselben Kraftanstrengung in allen Ländern auch Konjunkturprogramme für Beschäftigung beschlossen werden.

So gehören wir mit unserem Konjunkturprogramm, das laut Wifo das zweitgrößte Konjunkturpaket in Europa darstellt – Konjunkturmaßnahmen von 1,7 Prozent unseres BIP im Ausmaß von 5,6 Milliarden, die überwiegend bereits kommendes Jahr wirksam werden –, zu jenen, die rasch und umfassend erste Beschlüsse im Parlament und


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Bundesrat gefasst und in den Koalitionsverhandlungen und im Regierungsprogramm festgelegt haben.

Diese Maßnahmen kennen Sie. Es sind Maßnahmen mit dem Schwerpunkt in Konjunk­turpaketen, in Tarifsenkungen – also ein wesentlicher Teil der Steuerreform im kom­menden Jahr. Es sind Maßnahmen, die gesetzt wurden, etwa um die Kaufkraft der Seniorinnen und Senioren, der Älteren in unserem Land zu stärken, wenn wir etwa an den Heizkostenzuschuss oder an die Pensionistenpreisindex-Abschlüsse denken, die jetzt erst für die Einzelnen spürbar geworden sind.

Dass wir die Diskussion begonnen und zu einem Beschluss im Parlament geführt haben, für jene, die das Pflegegeld brauchen, eine Erhöhung vorzunehmen und als Unterstützung für Familien eine 13. Kinderbeihilfe auszuzahlen, darf ebenso wenig in Vergessenheit geraten wie der Ehrgeiz und das Engagement, jetzt auch jene Bereiche in Schwung zu bringen, die noch nicht beschlossen, noch nicht bei den Bürgern, aber sehr wohl schon vereinbart sind.

Dazu gehören vor allem Investitionsanreize für Unternehmen durch vorzeitige Ab­schreibung im Ausmaß von 570 Millionen €, Projekte der Bundesimmobilien­gesell­schaft im Ausmaß von 850 Millionen €, die vorgezogen werden, 100 Millionen € Euro für thermische Sanierung sowie die Förderung regionaler Beschäftigungsprogramme im Ausmaß von 75 Millionen €. Dazu gehört auch die schon genannte Steuer- und Tarif­senkung und die Entlastung von Familien mit Kindern im Ausmaß von 500 Mil­lionen € Euro.

Rechnet man diese Maßnahmen auf die Entlastung des Einzelnen um, dann gibt es viele Beispiele, die zeigen, dass die Entlastung etwa für eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern jährlich 1 700 € beträgt, jene für eine Familie mit zwei Arbeitnehmern und zwei Kindern 2 500 € – noch nicht mitgerechnet jene anderen Effekte, die über diese Maß­nahmen der Steuersenkung hinausgehen.

Es ist also ein sehr engagiertes Programm, das davon abhängig ist, dass es auch mit demselben Einsatz und Engagement, mit dem wir es vereinbart und beschlossen haben, umgesetzt wird.

Der Herr Vizekanzler und Finanzminister und ich – und ich kann versprechen, die gesamte Bundesregierung – werden mit Sicherheit mit demselben Engagement, mit dem wir das so früh und so rechtzeitig vereinbart haben, im kommenden Jahr an die Umsetzung gehen, denn die Bürgerinnen und Bürger werden uns genau daran messen – nicht daran, ob wir in einer Debatte einmal etwas mehr oder etwas weniger kritisch miteinander umgehen, sondern daran, welche Leistung wir für unser Land gemeinsam als Bundesregierung erbringen. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Geist der gemeinsamen Umsetzung all dieser Vereinbarungen für unser Land im Vor­dergrund steht.

Es umfasst das Regierungsprogramm aber natürlich auch andere Bereiche – viele Bereiche des gesellschaftlichen Leben von großer Bedeutung. So war es etwa bereits beim Europäischen Rat Thema, dass Umweltpolitik nicht in Widerspruch mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geraten darf. Die oft beschworene Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie, die manchmal im Einzelpunkt natürlich zu einem Konflikt führt, darf nicht einseitig auf Kosten des einen oder des anderen aufgelöst werden. So ist das Ziel von einem 34-prozentigen Anteil erneuerbarer Energiequellen bis 2020 ein sehr engagiertes. Auch wenn es manchmal von dem einen oder anderen Mitglied einer Umweltorganisation als nicht ausreichend positiv gesehen wird: 34 Prozent Anteil erneuerbarer Energiequellen bei einer Zielsetzung von 20 Prozent in der Europäischen Union bedeutet doch eine erhebliche Steigerung. – Wir liegen jetzt bei 23 Prozent.


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Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass all diese Technologien im Bereich er­neuerbarer Energieträger, die in Österreich etwa im Bereich der Solartechnologie von Forschung und Entwicklung massiv unterstützt werden und wo viele Betriebe hervor­ragende Erfolge aufzuweisen haben, auch großartige Exporterfolge, deshalb im eigenen Land in der Umsetzung noch nicht so stark sind, weil es ja letztlich auch eine Frage des Preises ist, den der Konsument dafür bezahlt. Es ist unsere Aufgabe, Forschung und Technologie so einzusetzen, dass sich die Technologie entwickelt, aber auch der Preis für den Konsumenten stimmt. Der Konsument und Kunde ist natürlich die Familie, aber auch der Betrieb. Auch der Betrieb braucht, um konkurrenzfähig zu sein, Energiepreise, die dazu führen, dass er bei der Produktion und in der Führung des Unternehmens trotzdem wettbewerbsfähig bleibt.

Die Herausforderung anzunehmen beziehungsweise die Chance zu nutzen, auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten gerade in zukunftsträchtige Bereiche zu inves­tieren – etwa in erneuerbare Energie, die langfristig und damit nachhaltig Bedeutung in unserem Land hat –, ist ein Gebot der Stunde.

Forschung und Entwicklung sowie Bildung, verpflichtetes Kindergartenjahr, bundes­einheit­liche Qualitätsstandards, Ausbau der ganztägigen Betreuung, Beschäftigungs­programme im Speziellen etwa für Jugendliche, Sicherung und Finanzierung eines starken öffentlichen Gesundheitssystems, auf das sich Menschen in kritischeren Zeiten besonders verlassen können, Pensionssysteme, effiziente Sicherheitspolitik, verbes­serte Ausrüstung, 1 000 Ausbildungsplätze zusätzlich sowie klare Regeln bei der Zuwan­derung, etwa durch die Erarbeitung einer Rot-Weiß-Rot-Card, mehr Personal und nationale Integrationspläne gehören genauso dazu wie die Entschlossenheit, Sparpotentiale in jenen Bereichen, wo sie vom Rechnungshof, vom Nationalrat, vom Bundesrat, von den Verantwortlichen aufgezeigt wurden, zu heben und uns der Mühe zu unterziehen, dort einzusparen, um damit auch wieder Spielräume zu gewinnen.

In einem Budget Spielräume dadurch wegzunehmen, dass man Sparpotentiale einfach liegen lässt und nicht hebt, bedeutet nämlich eine Einschränkung der Budgets der Zukunft. Eine solche können wir jedoch nicht brauchen, weil wir in allen Bereichen auch in Zukunft engagiert bleiben wollen, zumal wir ja zum heutigen Zeitpunkt noch gar nicht wissen, ob diese Konjunkturprogramme, die wir jetzt abarbeiten und von denen wir hoffen, dass sie ausreichen, auch tatsächlich ausreichen werden oder ob nicht auch in Zukunft zusätzliche Anstrengungen notwendig sind. Damit diese notwendigen Anstrengungen leistbar bleiben, ist es wichtig, auch die andere Seite, nämlich die der möglichen Einsparungen, voll zu nutzen, um dieses Zeil auch in Zukunft in unserem Land erreichen zu können.

Da ich wegen der mir zur Verfügung stehenden Redezeit schon zum Schluss kommen muss, möchte ich noch sagen, dass unser engagierter Beitrag in Europa nicht be­deutet, dass wir innerhalb der Europäischen Union mit allem immer einverstanden sein müssen, sondern er bedeutet vielmehr, dass wir ein engagierter Teil und Partner sind, auf den sich andere verlassen können, und dass wir unsere sozialen, unsere umwelt­politischen, unsere verkehrspolitischen und unsere sonstigen Anliegen massiv ver­treten, dass wir aber auch im eigenen Land die Sozialpartnerschaft, die Partnerschaft mit den Ländern, die Partnerschaft mit den Gemeinden, die Partnerschaft mit den Städten ernst meinen und auch im Umgang miteinander beweisen, dass Österreich seine Kraft am besten durch Gemeinsamkeit mobilisiert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

9.32


Präsident Jürgen Weiss: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 



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9.32.43

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Zunächst Gratulation zu dieser Regie­rungsbildung. Sie war ja quasi eine zwangsläufige Wahrscheinlichkeit angesichts fehlender Alternativen, aber Sie, Herr Bundeskanzler, haben heute hier in Ihrer Regie­rungserklärung Vorhaben skizziert, bei denen Sie in Zeiten wie diesen – und viele Ihrer Analysen sind richtig – die Opposition dort unterstützend auf der Seite der Bundes­regierung sehen werden, wo die Maßnahmen genau jene Bereiche betreffen, die die großen Herausforderungen unserer Zeit sind.

Es geht nicht um Wadlbeißerei am Beginn einer Legislaturperiode. Es geht auch nicht darum, sofort das Salz beziehungsweise das Haar in der Suppe zu suchen, obwohl einige Dinge schon bemerkenswert sind. Ich möchte einmal festhalten: Herr Bundes­kanzler, Sie sprechen zwar davon – und das ist richtig –, dass es ein großes Konjunk­turpaket ist, und Sie sprechen davon, dass durch dieses Konjunkturpaket in Österreich eine Gegensteuerung zu den Herausforderungen eintritt, aber genau dieses Konjunk­turpaket – das haben wir hier schon diskutiert und das zeigt auch Ihr Regierungs­programm – läuft in veralteten Bahnen.

Sie fördern Programme, die die Herausforderungen in Zusammenhang mit neuen, modernen Infrastrukturbereichen, mit neuer, zukunftsorientierter Energieversorgung und mit Klimaschutz nicht angehen. Sie schaffen es nicht, auf die gegenwärtige Krise eine Antwort zu finden, die auch die kommende Krise, die uns noch wesentlich härter treffen wird, nämlich die Klimakrise, berücksichtigt. Ihr Programm ist eines, in dem das Gas und das Öl einen enorm hohen Stellenwert haben. Sie selbst haben heute in Ihrer Erklärung wiederum einen Abtausch gemacht und gesagt, das eine sei billig, das andere sei teuer.

In Tirol gibt es zum Beispiel eine Firma, die im Bereich erneuerbarer Energie tätig ist und die erst vor wenigen Wochen weitere 270 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – weitere! – angestellt hat und ins Burgenland expandiert ist. Die hat bisher noch keinen einzigen Euro in Österreich verdient! Sie verdient alles im Ausland, weil es von Bundesseite, weil es über Regierungsprogramme keinen Wechsel gibt.

Das wundert mich jetzt insofern, als Vizekanzler Pröll bereits der zweite Umwelt­minister ist, der Vizekanzler geworden ist. Kollege Berlakovich möge sich vielleicht schon darauf vorbereiten, dass er möglicherweise auch Teil dieser „Hoffolge“ wird. (Heiterkeit.) Ich verstehe aber nicht, dass, kaum wird ein Umweltminister Vizekanzler, das, was Grundsatz im Umweltministerium ist, weg ist. Genau die Klimapolitik, Herr Vizekanzler, die in diesem Regierungsprogramm steht, entspricht nicht dem, was Sie als Umweltminister in den letzten Jahren gesagt haben. Die Maßnahmen, die jetzt hier wieder festgeschrieben werden, entsprechen nicht dem, was Stand der Debatte in dem Ministerium war, aus dem Sie kommen.

Der Herr Kanzler hat den Wahlkampf mit der Thematisierung der Teuerung aller Lebensbereiche gewonnen. Die Teuerung, eines der Hauptthemen dieses Wahlkamp­fes, hat in diesem Regierungsprogramm jedoch nicht jenen Niederschlag gefunden, den man erwarten würde. Sie sagen, wir müssen eine Steuersenkung und eine Abgabensenkung durchführen und für eine Kaufkraftstärkung sorgen. Herr Bundes­kanzler, das sind doch zwei Bereiche, bei denen vor allem einmal jene zu berück­sichtigen sind, die gar keine Einkommen- und Lohnsteuer bezahlen! Deren Kaufkraft müssen wir stärken! Sie werden aber von einer Steuersenkung gar nicht berührt.

Wir müssen die Kaufkraft genau der Bezieher der untersten Einkommen stärken und gleichzeitig all jene dazu bringen, einen Teil zu einer sozialen, steuerlichen Umver-


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 20

teilung beizutragen, die derzeit gar nicht daran teilnehmen. Die 3 300 Stiftungen Österreichs werden in diesem Regierungsprogramm überhaupt nicht tangiert. Das, was in den 3 300 Stiftungen geparkt ist, beträgt mehr als der österreichische Staatshaushalt eines Jahres. Wo ist deren soziale Verantwortung in unserer Gesellschaft? – Nirgend­wo. Und das halte ich nach wie vor für einen sozialpolitischen Skandal der Sonder­klasse!

Wo ist die Vermögenszuwachssteuer, von der die SPÖ gesagt hat, sie macht sie? Wo ist sie, wo ist ein einziger Satz, ein einziger Hinweis zu dieser Vermögenszuwachs­steuer? – Sie ist weg! Was ist mit der Transaktionssteuer? – Wir warten auf euro­päische Regelungen, okay, aber da hätte ein Regierungsprogramm, das genau diese Herausforderungen anpacken will, bereits eine Antwort geben können. Insofern ist diese Regierungsbildung, der ich völlig offen gegenüberstehe und die ich dort unter­stütze  (Rufe bei der ÖVP: Naja! Bundesrat Mag. Klug: „Sehr“ offen! Bundesrat Perhab: Kurzzeitgedächtnis! – Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.– Herr Kollege Pröll! Wir kennen uns jetzt schon länger, und Sie wissen ganz genau, dass ich immer versucht habe, die Dinge sachpolitisch und nicht polemisch anzu­gehen.

Insofern tut mir Ihr Zwischenruf ... (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) – Lieber Herr Vizekanzler, ich bin nicht hier, um das zu tun, was dann vielleicht andere tun, nämlich den Weihrauchkessel über diese Regierungserklärung zu schwenken. Das ist nicht meine Aufgabe.

Seien Sie froh, Herr Vizekanzler, dass sich jemand mit dieser Regierung, mit diesem Regierungsprogramm kritisch auseinandersetzt. Ich glaube, dieses Regierungs­pro­gramm braucht das, denn es ist mehr vom Gleichen: Die Regierung, die hier vor zwei Jahren mit einem Regierungsprogramm angetreten ist, nämlich die Regierung Gusen­bauer/Molterer hat einen viel stärkeren Schnitt in diese Gesellschaft gemacht und hat ein wesentlich ambitionierteres Programm vorgelegt als in dieser Regierungserklärung, die zwar um einige Seiten stärker ist, aber der Herr Bundeskanzler hat gesagt, wir müssen die Ärmel hochkrempeln und mit ganzer Kraft dagegen halten.

Nur: Mit ganzer Kraft in die Arbeitskreise, in die nationalen Aktionspläne, in die Treffen zu gehen, das ist zu wenig. Die Programme und das, was die Wahrheit hinter Ihren Maßnahmen ist, von denen Sie zwar sprechen, aber in diesem Regierungsprogramm nicht konkretisieren, das ist zu wenig.

Die Medien haben Ihnen etwas ausgerechnet, die verschiedensten Medien – nicht dass Sie sagen, das war nur der „Standard“ oder der „Falter“ oder nur der „Kurier“, sondern Ihre Regierungserklärung hat man auf Konjunktive, auf die Arbeitskreise, auf die Treffen, auf die Verlagerung von Entscheidungen hin durchforstet. Und das ist nicht „Mit-ganzer-Kraft-dagegen-Stemmen“.

Meine Damen und Herren, was können wir von dieser Bundesregierung erwarten? (Bundesrat Mag. Klug: Viel!) – Wir müssen uns viel erwarten, da die Probleme, vor denen wir stehen, zahlreich sind. Und da unterschreibe ich auf der ersten Seite der Regierungserklärung einen Satz mit vollem Herzen, wenn dort steht: „Die Heraus­forderungen an die Politik sind groß.“

Deshalb, Herr Vizekanzler, müssen wir auch kritischer mit einer Regierung zum Zeitpunkt ihrer Bildung umgehen. Wenn die Herausforderungen an die Politik so groß sind, dann sind auch die Herausforderungen und die Messlatten höhere. Und Sie müs­sen sich auch einer schärferen Kritik und einer größeren Herausforderung und Diskussion gegenübersehen.


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Die Medien haben gemeint, wenn man Seite für Seite diese Vertagungen von Ent­scheidungen durchliest und die Vertröstungen auf Programmfindungen sieht, kommt man zum Schluss, dass sich die große Koalition vor einigen Fragen gedrückt hat – gedrückt hat, verschoben hat, gesagt hat: Schauen wir einmal, das klären wir später.

Ich frage mich: Warum hat dann die Regierungsbildung so lange gedauert? Wäre ich jetzt polemisch ... (Bundesrätin Mag. Neuwirth: War das lange?) – Moment! Es heißt hier: Machen wir hier einen Arbeitskreis, dort machen wir einen nationalen Aktionsplan. Das geht ganz schnell, das können wir an einem Wochenende machen. Wir haben die Agenden, das notwendige Issue-Management liegt vor. Da kann man dann dazu schreiben: Wie klären wir das? Das geht ganz schnell.

Wenn ich jetzt polemisch wäre, Herr Minister Pröll, und Sie wissen, dass ich das sehr selten werde (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), müsste ich sagen, da hat man aber viel Zeit gebraucht, um die entsprechende Jobbörse in rot-schwarze Aufteilungen zu machen. Aber ich bin nicht so. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Kommen wir zur Realität zurück! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! In dieser Regierung haben alle neuen Mitglieder selbstverständlich jeglichen Vertrauens­vor­schuss. Aber ich möchte hier und heute schon sagen – und das sehr deutlich sagen –, dass mir in dieser neuen Regierung zwei Menschen abgehen werden.

Der eine Mensch ist eine sehr mutige Frau. Ich halte nämlich die bisherige Außen­ministerin Plassnik für eine sehr mutige Frau – bei aller Wertschätzung für Herrn Kollegen Spindelegger, den ich natürlich aufgrund meiner parlamentarischen Tätigkeit sehr gut kenne. Aber Frau Außenministerin Plassnik hat gezeigt, dass man Rückgrat in einer Gesellschaft, in der Politik haben kann. Sie hat dieses Rückgrat auch gegenüber der mächtigsten Zeitung dieses Landes bewiesen. (Ironische Heiterkeit bei Bun­desräten der SPÖ.) Und ihre Stellungnahme, die sie seinerzeit veröffentlicht hat, kann jedem Herrn, der sich jetzt hier ein wenig lustig macht, ein bisschen mehr Respekt abfordern.

Aber auch die bisherige Justizministerin Berger wird mir abgehen. Es ist für mich völlig unerklärlich, dass jemand, der dermaßen gut in seinem Ressort gearbeitet hat, nicht mehr der neuen Bundesregierung angehört, noch dazu wenn sie von denselben beiden Parteien gebildet wurde.

Aber vielleicht war für eine neue Bundesregierung eine Außenministerin, die sich mit der mächtigsten Zeitung nicht versteht, eine Belastung. Und man war vielleicht von Seiten jener beiden Herren, die einmal Regierungskoordinatoren waren und die nun die Regierung selber bilden ... (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Ein „wichtiges“ Thema für die Zukunft Österreichs!) – Ja, das ist relativ wichtig, Frau Vizepräsidentin, und es ist eine Frage von Ethik in der Politik, wie man es mit der Macht und mit der Zeitungs­macht in diesem Land hält. Sie finden es lustig, ich merke es gerade an Ihrem Gesicht, aber es gibt so etwas wie Ethik in der Politik. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Lustig finde ich es gar nicht! – Bundesrat Mag. Klug: Öffentlichkeitsarbeit!)

Scheckbuch-Journalismus gibt es auch, aber das dürfte offensichtlich bei Ihnen sehr gut aufgehoben sein. Denn das, was wir „anbiedern“ oder was wir „Scheckbuch-Journalismus“ nennen, gefällt Ihnen offenbar. Das sind die Unterschiede, die man machen muss. Ich finde das überhaupt nicht lustig. Ich finde das alles andere als lustig! (Bundesrat Todt: Was heißt das?)

Positive Dinge, die natürlich zu erwähnen sind, sind, dass der Klimafonds überlebt hat, dass der Klimafonds weiterexistiert und dass er entsprechend ausgestattet ist. Das birgt Hoffnung. Obwohl der Klimafonds – und das weiß Herr Minister Pröll –, um die Klimakrise abzuwenden, nicht ausreichend dotiert ist. Aber ich nehme an, dass der


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ehemalige Umweltminister jetzt als Finanzminister doch für die Herausforderungen der Zukunft mehr Mittel zur Verfügung stellen wird.

Auch Mittel für die Kindergärten, mehr Polizei – all diese Dinge werden auch unsere Unterstützung finden.

Wo Sie uns allerdings auf der kritischen Seite sehen werden, Herr Bundeskanzler, ist dort, wo Sie zum Beispiel das humanitäre Bleiberecht entsorgen wollen. Wissen Sie: Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass es ein Grundrecht auf Familienleben und Zusammenleben gibt. Und diese Bundesregierung wird jetzt zu beweisen haben, wie sie mit diesem Grundrecht, mit diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes umgehen wird.

Wir werden sehen müssen, wenn Sie schon sagen, es stimmt nicht, Herr Vizekanzler, was Sie denn unter „Bleiberecht neu“ letztlich verstehen. Ein Gnadenrecht, so, wie es derzeit praktiziert wird, wollen wir nicht. (Bundesrat Mag. Himmer: Was wollt ihr?) – Einen Rechtsanspruch – ganz einfach, Herr Vizepräsident! Ich glaube, dass wir diese Debatte hier nicht wiederholen müssen. Wir haben diese Debatte hier bereits mehrfach geführt. Es geht um den Rechtsanspruch (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit), nicht um einen Gnadenakt. Ein Rechtsanspruch betrifft jede Person, die sich in unserem Rechtssystem und im Rahmen unseres Staatsgebietes Rechte erwirbt, hier aufhältig ist. Das ist ein Grund ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wo sind wir denn jetzt? Gibt es jetzt Menschen ohne Rechte? Gibt es Menschen, die keinen Rechtsanspruch haben? Sie haben einen Rechtsanspruch! Sie können Be­scheide bekämpfen. Und anderen Menschen wollen wir das Recht, gegen einen Bescheid anzukämpfen, nehmen? Das ist ein verfassungsmäßig verbriefter Rechtszug der Instanzen, das ist ein verfassungsmäßig verbrieftes Grundrecht.

Wollen wir das für manche Menschen kippen oder nicht? Wollen wir das, so, wie wir es im Sozialrecht tun, wo wir sagen, für manche Menschen gelten jene Arbeits­möglich­keiten, die anderen stecken wir in prekäre hinein und schauen dann, wie das später ist?

Herr Bundeskanzler, eines verstehe ich nicht, nämlich dass Sie nach wie vor auf die kapitalgestützte Pensionssicherung setzen. (Bundesrat Mag. Klug: So steht das nicht drinnen, Stefan!) – Du kannst ja nachher gerne herauskommen. Aber eine Änderung der bisher kapitalgestützten Pensionssicherung sehe ich nicht, auch wenn der Herr Klug dann die Nuancen oder die Schattierungen herausarbeiten wird. Da bin ich schon sehr neugierig.

Deshalb, meine Damen und Herren: Die Rückkehr der Sozialpartner in der Form ist natürlich auch ein Mehr vom Gleichen. Auch da war die vorige Regierung etwas muti­ger mit den Schnitten.

Wir werden sehen, was diese Regierung zustande bringt. Wir werden sie sowohl bei den Konjunkturmaßnahmen als auch bei den Klimamaßnahmen und im Sozialbereich unterstützen – dort, wo sie auch mit uns den Dialog sucht. Und das ist irgendwie die Rückkehr des Jahres 1994. Sie werden für Ihre Verfassungsgesetze – und Sie werden hier eine sehr wache Opposition vorfinden – eine Mehrheit mit der Opposition brauchen. Und das ermöglicht eine neue Form des Dialogs.

Das ist keine verkleinerte große Koalition, die keine Verfassungsmehrheit braucht, deshalb kann ich Ihnen gleich sagen: Suchen Sie von Beginn an den Dialog mit der Opposition auch in Bereichen, wo Sie sie vielleicht nicht brauchen! Dann können es fünf erfolgreiche Jahre für Österreich sein. – Ich danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

9.52



BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 23

Präsident Jürgen Weiss: Als Nächster kommt Herr Bundesrat Professor Konecny zu Wort. – Bitte.

 


9.52.19

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Es ist nicht meine Funktion – im Gegensatz zu dem, was Kollege Schennach unterstellt hat –, Weihrauchkessel über dieser Regierung zu schwenken. Das wäre bei einem Konfessionslosen an sich auch schon ein Sakrileg. (Heiterkeit.) Aber den Weihrauchkessel hat in Wirklichkeit Kollege Schennach geschwenkt. Wenn ihm sonst nichts einfällt als das, was er hier gesagt hat, dann dürfen wir offenkundig mit seiner weitgehenden Unterstützung für das Programm dieser Regierung rechnen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich finde das auch nicht schlecht. Es ist eine Regierung der von beiden Seiten bekundeten loyalen Zusammenarbeit. Es ist eine Regierung, die – im Nationalrat, nicht in diesem Haus – sich tatsächlich um Zweidrittelmehrheiten dort, wo sie sie braucht, bemühen muss. Und dass diese Regierung auch die Oppo­sitions­parteien dort, wo es möglich und wo es zielführend ist, in einen Konsens einzubinden bereit ist, das hat sie klar bekundet.

Wenn der Nationalrat seine Geschäftsordnung ändert und gewisse Rechte für Oppo­sitionsparteien neu gestaltet werden, dann ist das auch solch ein Zeichen. – Nein, wir sprechen nicht vom nationalen Schulterschluss, keine Sorge. Wir werden unsere Differenzen mit Emphase und Lautstärke austragen. Ja natürlich!

Aber es ist eine Situation, in der das Geplänkel zwischen Regierungspartnern, aber auch das Geplänkel zwischen Regierung und Oppositionsparteien doch deutlich zurückgenommen werden sollte, weil wir vor einer gewaltigen Herausforderung stehen.

Der Herr Bundeskanzler hat klar aufgezeigt, wo die Prioritäten liegen und selbst­verständlich auch liegen müssen. Es gilt eine Krise zu bewältigen, die nicht haus­gemacht ist, aber die Schwächen deutlich macht und fragile Konstruktionen, Finanz­konstruktionen, in diesem Land erschüttert oder zum Zusammenbruch gebracht hat. Und wir haben eine Krise, die zunächst eine Krise der Geldwirtschaft war, nun aber sehr heftig in der Realwirtschaft angekommen ist.

Und wir haben – nicht diese Regierung, aber letztlich unter Federführung des jetzigen Bundeskanzlers und des jetzigen Vizekanzlers – schon vor geraumer Zeit ein entscheidendes Paket, das die österreichische Finanzwirtschaft stabilisieren geholfen hat, auch hier beschlossen. Aber natürlich ist es die Realwirtschaft, die uns mindestens genauso viel Sorge macht. Auch in der Finanzwirtschaft wird es zu Personal­reduk­tionen kommen. Aber wenn die Krise in der Realwirtschaft ankommt – und sie ist ange­kommen –, dann ist die Zahl der Arbeitsplätze, die dort bedroht sind, eine viel, viel größere.

Es ist die Aufgabe des Staates, der sich dazu bekannt hat, es ist die Aufgabe der Regierung, hier mit Investitionsprogrammen, hier mit gezielten Hilfsmaßnahmen in Ausnahmefällen dafür zu sorgen, dass die Substanz der österreichischen Wirtschaft Bestand hat, sie diese Krise überdauern und danach ihre Zukunftschancen wieder nützen kann.

Wir können natürlich dabei auf kein Mittel verzichten. Die Hilfe, die Staatshilfe, dort, wo sie gegeben werden muss, allein, die Investitionsprogramme allein sind es nicht. Es sind vor allem die Bürgerinnen und Bürger, die Menschen in diesem Land, denen wir das Vertrauen geben müssen, dass sie das Geld, das sie haben, unbesorgt ausgeben können und denen wir – siehe kommende Steuerreform – mehr Mittel zur Verfügung


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 24

stellen müssen, damit sie es ausgeben können und einen kleinen, aber achteinhalb­millionenfach multiplizierten Beitrag zu einer so dringend notwendigen Konjunktur­belebung leisten.

Wir dürfen ja eines nicht übersehen: Krise bedeutet für die Menschen auch eine ungeheure Verunsicherung. Verunsicherung – bei allem, was derzeit über Banken erzählt wird – heißt aber auch, dass die Sparquote – und ich sage das jetzt so, wie ich es mir denke – zu steigen droht, weil die Menschen Angst vor der Zukunft haben und daher Geld für einen möglichen, schwierigen persönlichen Fall zurücklegen. Das ist individuell in jedem Einzelfall verständlich. Es ist trotzdem gesamtökonomisch falsch.

Daher müssen wir ihnen die Sicherheit geben, dass dieses Land mit geringen Opfern durch die Krise durchkommen wird. Wir müssen ihnen die Sicherheit geben, dass ihr persönliches Lebensschicksal eine persönliche „Aktion Eichhörnchen“ nicht erforderlich macht und ihnen die finanziellen Mittel geben, damit sie heute investieren können – privat und in ihrem Bereich –, damit sie dieses Geld, das ihnen die Steuerreform bringt, auch wieder auf den Markt bringen und somit einen ganz, ganz entscheidenden Beitrag zur Belebung unserer Binnenkonjunktur leisten. – Das ist die eine Komponente.

Die andere Komponente ist naturgemäß, dass eine exportorientierte Wirtschaft wie Österreich und eine sehr stark in Nachbarländern mit Tochterbetrieben verschiedener Art verankerte Wirtschaft wie die österreichische nicht nur von der Binnenkonjunktur leben kann.

Die deutsche Konjunktur wird die österreichische Bundesregierung nicht retten können. Aber die europäische Konjunktur zu retten, gemeinsam – das ist eine Aufgabe, der sich die Europäische Union und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einer von früheren Beispielen sich drastisch unterscheidenden Weise gestellt haben.

Und das 200-Milliarden-Paket, das primär ein Paket der Nationalstaaten ist und wo es einen Beitrag aus dem Budget der Union gibt, ist der Unterschied in der Krisen­bewältigung gegenüber der großen Krise von 1929.

Es gibt zumindest zwischen den Partnern in der Europäischen Union keinen, ja nicht den geringsten Ansatz für eine „beggar-thy-neighbour policy“. Hier wird nicht ver­sucht – was ja damals in grandioser Art und Weise gescheitert ist –, die eigenen Probleme zu Lasten der umgebenden Staaten zu lösen – das haben alle probiert, und es sind daher auch alle damit gescheitert –, sondern es gibt einen koordinierten gemeinsamen Ansatz, in den auch die USA eingebunden sind.

Die Tatsache, dass das gelungen ist, hat erfreulicherweise die Einstellung vieler, vieler unserer Landsleute gegenüber dieser Europäischen Union wesentlich beeinflusst: Wir brauchen uns nur die jüngst veröffentlichten Zahlen anzuschauen, um zu sehen, dass dann, wenn es eng wird – und es ist eng geworden – und die Europäische Union handelt, die Menschen auch verstehen, dass sie ein Solidaritätsgebäude Europas ist, das im Ernstfall funktioniert und handlungsfähig ist, und dass gehandelt wird.

Es soll in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden, dass es in anderen Wirtschaftsräumen, auch solchen, die für uns wichtig sind und für unsere Export­wirtschaft und für unsere Beteiligungen – für österreichische Beteiligungen, nicht meine – wichtig sind, Tendenzen gibt, die Märkte wieder abzuschotten – Russland ist da mit großer Vorsicht zu betrachten – und damit jenen Fehler von 1929 zu wieder­holen, der auf dem Glauben basiert, man könne sich gegen die Krise mit hohen Zoll­mauern, Einfuhrverboten und Ähnlichem retten und auf die Binnenkonjunktur allein aufbauen.

Das ist damals gescheitert und es wird auch, falls es versucht wird, bei einem so großen Wirtschaftsraum, wie Russland einer ist, scheitern, aber das wäre ein Schei-


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tern, das auch uns belasten würde. Es ist daher klar, dass wir alle Bemühungen zu unternehmen haben, um Partner und Nachbarstaaten – natürlich ist auch Russland ein Nachbar, so klein ist die Welt geworden! – davor zu warnen, einen solchen Weg einzuschlagen.

Es ist offensichtlich, dass diese Aufgabe – und ich glaube, das werden die Oppo­sitionsparteien verstehen – in diesen Monaten absolut im Vordergrund zu stehen hat. Wir werden im Bundesrat als sozialdemokratische und, wie ich annehme, auch ÖVP-Bundesräte loyalst mitarbeiten und dafür sorgen, dass diese Regierung ihre Vorhaben, wie etwa die Steuerreform, rechtzeitig in diesem Haus durchsetzen kann und im Übrigen auch die Ressortverteilung innerhalb der Bundesregierung rechtzeitig be­schließt, damit wir diese Regelung mit 1. Jänner in Kraft treten lassen können. – So viel zur loyalen Mitarbeit.

Es ist klar, dass wir unsere Meinungen in einem Entscheidungsprozeß einbringen – ja, selbstverständlich! Nicht der Weihrauchkessel, sondern der Dialog in den Parteien und zwischen den Parteien soll und wird das Kennzeichen dieser Regierung sein! Es ist eine Regierung, die bereit ist zu hören: auch auf die Interessengruppen, auch auf die Sozialpartner, auch auf die Vertreter der verschiedensten Interessen in diesem Land und, lieber Kollege Schennach, auch auf die Opposition.

Es gibt einen neuen politischen Stil nicht nur zwischen den Partnern der Regierung, sondern auch zwischen der Regierung und den Menschen und ihren Vertretern in diesem Land. – Dazu wollen wir beitragen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.03


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Vizepräsident Mag. Himmer. – Bitte.

 


10.03.05

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Verehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich als Christdemokrat könnte jetzt natürlich den Weihrauch mitbringen (Bundesrat Konecny: Das ist legitim!), weil ich nicht bei der Ungläubigen-Partie dabei bin, mache das aber nicht, sondern nehme einfach gelassen Bezug auf die Regierungserklärung, die hier vorgebracht wurde.

Es zieht sich ja wie ein roter Faden durch diese Regierungsbildung, dass die handeln­den Personen bereits in der Phase der Verhandlungen herausgefordert waren, sich mit den wirklich größten Problemen beziehungsweise mit den wichtigsten Aufgaben­stellungen dieses Landes aktiv auseinanderzusetzen und eigentlich gar keine Zeit dafür war, sich mit Kleinkram und politischem Kleingeld aufzuhalten, weil es in dieser Situation wichtig war, etwas für dieses Land zu tun. Ich denke, es gibt Zeiten, in denen wir ein bisschen mehr herumstreiten, diskutieren, herumblödeln können, aber es gibt auch Zeiten, in denen wir und das Land vor solch großen Herausforderungen stehen, was die Zukunft betrifft, dass man auch einmal die Vernunft einschalten und eine handlungsfähige Regierung auf die Beine stellen muss.

Jeder, der Erbsen zählen kann – und ich glaube, das sind die meisten –, weiß, dass es keine Alternative zu dieser Bundesregierung gegeben hat, zumal man ja erwähnen muss, dass der Gestaltungsdrang der Opposition und auch die Signale und die „tollen“ inhaltlichen Ideen, die von dort gekommen sind, enden wollend waren. Die Oppo­sitionsparteien stellen zwar auch heute wieder miteinander eine Dringliche Anfrage – ist ja eh super –, aber im Prinzip bringt ihr inhaltlich gemeinsam überhaupt nichts weiter.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 26

Ihr könntet miteinander ja auch keine Regierung bilden, denn es können nicht einmal die Freiheitlichen mit dem BZÖ zusammenarbeiten, und die Grünen wiederum würden sowieso weder mit den Freiheitlichen noch mit dem BZÖ zusammenarbeiten. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Ihr seid ja nicht einmal dazu bereit, mit euren ehemaligen Kollegen zusammenzuarbeiten, also wie wollt Ihr eigentlich ein Land führen?

Es ist ja bereits vom Herrn Bundeskanzler und von den Vorrednern gesagt worden: Es war ganz dringend, dass dieses Konjunkturpaket geschnürt und dass dieses Banken­paket, der „Bankenschirm“ verabschiedet wurde. – Es gab eigentlich auch ehrliche Wortmeldungen in der Richtung, dass man die Zukunft jetzt nicht so genau prognos­tizieren kann, dass man sehr aufmerksam bleiben und dass man die internationalen Entwicklungen diesbezüglich sehr genau verfolgen muss.

Es ist heutzutage eigentlich völlig gleichgültig, ob man ein Professor ist, jemand, der in der Wirtschaft steht, oder jemand, der belesen ist und die Geschehnisse auf der Welt mitverfolgt: Man kann zwar der Zukunft, die auf uns zukommt, Wahrscheinlichkeiten zuordnen, aber man kann nicht jede Maßnahme einer Wahrscheinlichkeit anpassen, also werden wir mit offenen Ohren und Augen in die Zukunft gehen müssen und schauen, dass wir während der gesamten Regierungsperiode das Richtige tun.

Umso verwunderlicher ist es meiner Meinung nach, dass Kollege Schennach hier gerade fast beweint hat, dass bestimmte Dinge nicht präziser im Regierungs­überein­kommen stehen (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), und glaubt, man könnte das in einem Arbeitskreis über ein Wochenende schon ein bisschen detaillierter aus­arbeiten. – Da frage ich mich: Wo ist da das Engagement, wo ist da der Glaube an den Parlamentarismus? Was haben eurer Meinung nach die Abgeordneten, die Bundesräte die nächsten fünf Jahre hier im Hohen Haus zu arbeiten? Erwartet ihr, dass ihr jetzt ein Programm vorgelegt bekommt, in dem schon die Tage der nächsten fünf Jahre auf­gelistet sind, mit Sternzeichen und mit all dem, was passieren wird und wann wo wie was genau beschlossen werden wird, damit ihr überhaupt nichts mehr machen müsst? – Das kann sicherlich nicht der Fall sein! (Heiterkeit. Bundesrätin Kersch­baum: Aber das hätten ... mit der FPÖ!)

Wer hilft diesem Land, wer bringt dieses Land jetzt voran? Wer zählt zu den Personen, die Teil der Lösung des Problems sind, und wer sind die Personen, die Teil des Problems sind, nämlich des Problems voranzukommen? – Das ist die Frage, die sich in der Zukunft stellt! Ich glaube, es werden die Menschen dieses Landes sein, die Unternehmer, die jetzt einen kühlen Kopf behalten müssen, die Menschen, die in diesem Land arbeiten, während andere diskutieren. – Das muss man ja auch bedenken. (Bundesrat Schennach: Ihr müsst ...! Ihr!) – Herr Kollege Schennach! Aus euren weinerlichen Zugängen entsteht kein Arbeitsplatz, entsteht keine Energie, entsteht keine Innovation; er hilft dem Land überhaupt nicht.

In dieser Situation ist es auch ganz wichtig, dass man die Menschen optimistisch stimmt. – Das ist ein ganz wesentliches Problem, das sich uns jetzt stellt! Mit den Schennachs und Straches und Westenthalers und Petzners und dem „Jammern wir gemeinsam!“ werden wir nichts weiterbringen. – Wir brauchen positive Energie für dieses Land, und wir brauchen auch einen Blick für die Realität!

Lieber Kollege Schennach! Der Schwerpunkt eines Regierungsprogramms der Grünen wäre also die Vermögenszuwachssteuer, das Thema mit dem Rechtsanspruch, und dann habe ich mir noch einen dritten Punkt aufgeschrieben ... (Zwischenruf.) – Ja, genau, das ist auch eine großartige Sache! (Bundesrat Schennach: ... Souffleur!)

Betreffend das Thema Realitätsbezug – auch wenn mit dem „Scheibenwischer“ jetzt ich gemeint gewesen sein sollte; darüber können wir vielleicht nachher diskutieren – ist


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es doch folgendermaßen: Wir alle bekennen uns zu einem vernünftigen ökologischen Wirtschaften. Es gibt keinen Politiker, der nicht verstanden hat, dass Klimaschutz wichtig ist und dass wir diesen Globus für unsere Nachwelt erhalten müssen. – Ich denke, das wissen wir alle. Wir alle wissen aber auch, dass das nur im globalen Zusammenhang gelöst werden kann. (Zwischenrufe der Bundesräte Kerschbaum und Schennach.)

Was nützt es uns bitte, lieber Kollege Schennach, wenn wir irgendeinem tollen Papier von euch folgen und wir Österreicher die großen Vorreiter sind, sich dann aber die Industrie in die Nachbarländer verlagert und genau derselbe CO2-Ausstoß 15 Kilometer jenseits der Grenze passiert? – Aber wir sind super, zumindest bei günstigem Wind haben wir die Schadstoffe kurz nicht bei uns!

Es ist einfach so, dass ihr euch weigert, die Realität anzuerkennen, und das betrifft arbeitende Menschen. Das sind dieselben Menschen, bezüglich derer ihr trauert, wenn sie dann keinen Arbeitsplatz haben, wenn es Armut in diesem Land gibt, wenn sich in diesem Land Pessimismus breitmacht und so weiter. (Bundesrat Schennach: Ihr weigert euch, die Realität der Handlungsnotwendigkeit anzuerkennen!) – Wir als Politiker haben die Aufgabe, dieses Land so zu führen – das ist die Aufgabe der Bundesregierung –, dass das Beste für dieses Land erreicht wird.

Viele wichtige Themen wurden schon angesprochen wurden. – Der Herr Bundes­kanzler hat ja bereits gesagt, dass man über die Regierungserklärung beliebig lange sprechen könnte. Die Armutsbekämpfung ist wesentlich, der Erhalt unseres Gesund­heitssystems ist sehr wichtig. Zukunftsorientiert sind selbstverständlich Bildung, Aus­bildung, Innovation, Forschung, Infrastruktur. – Das sind die Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, und das sind, liebe Kollegen von der Opposition, auch die Themen, wo es nicht schlecht wäre, wenn ihr mit noch tolleren Vorschlägen kämt (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Kerschbaum und Mühlwerth), die man dann aufgreift und umsetzt, so wie das jeder geschickte Bürgermeister oder Landes­haupt­mann macht. Wenn die eine gute Opposition haben, nehmen sie deren Ideen, geben ein eigenes Mascherl herum, und los geht es! (Bundesrätin Kerschbaum: Das Problem ist, dass Sie nicht wissen, was eine gute Idee ist!)

Es ist einfach so in der Politik, dass die Regierenden auch Ideen der Opposition aufgreifen können und dann umsetzen – leider für die, die in der Opposition sind; ich sage das als Wiener ÖVPler, der durchaus einiges an Erfahrung mit Oppositionspolitik hat. Das ist etwas, was einem vielleicht nicht immer schmeckt, es ist aber eine tolle Möglichkeit, etwas für das Land zu tun. Auf diese Möglichkeit wollte ich euch noch einmal ganz offiziell hinweisen. (Bundesrat Schennach: ... von der ÖVP lernt!) – Was lernt man nicht von der ÖVP? – Aha, Kollege Schennach macht zwar Zwischenrufe, dialogisiert aber nicht mit mir.

Ich wollte auch noch etwas zu dem Thema „Umgangsformen in der Politik“ sagen: Ich finde ja die Diskussionen, die wir manchmal führen, wirklich lustig und zum Schmun­zeln. Lassen Sie mich Folgendes betreffend die letzte Regierung sagen, die Kollege Schennach übrigens ziemlich gut gefunden haben muss. – Ich hätte mir gewünscht, dass dieses Lob für die Außenministerin gekommen wäre, als sie noch im Amt gewesen ist und hier war, und auch jenes für die Frau Justizministerin und eigentlich die gesamte progressive Molterer-Gusenbauer-Regierung (Zwischenruf des Bundes­rates Schennach); ich verstehe nicht, warum ich das damals nicht öfter gehört habe. (Bundesrat Schennach: Weil Sie geschlafen haben!)

Was ich sagen wollte ist Folgendes: Es ist vergleichsweise nebensächlich, ob wir in der medialen Darstellung das Thema „Die Regierung streitet schon wieder“ oder „Die Regierung kuschelt schon wieder“ haben. Diese Oberflächlichkeiten, mit denen wir uns


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in Österreich auseinandersetzen, sind eigentlich das, wovon wir wegkommen müssen. Ich glaube, wir alle halten unterschiedliche „Musikformen“ aus, wie wir über die Jahre miteinander umgehen, solange sie nicht scheidungstechnisch relevant werden.

Das Wesentliche ist doch, dass es in Zukunft um die Inhalte der Politik, dass es um die besseren Ideen geht und dass nicht im Vordergrund steht, ob die Regierung das im Kuschelformat oder im Streitformat diskutiert hat. Auch in Bezug auf die Opposition ist mir persönlich streiten oder kuscheln – selbstverständlich nur verbal – relativ gleich­gültig, wenn daraus ein interessanter Dialog entsteht. (Bundesrat Schennach: Das muss dir ... sein!)

Ich möchte wirklich in Richtung Opposition sagen: Ihr müsst einfach besser werden! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) – Ihr müsst euch einfach mehr einfallen lassen! Dass Herr Strache und Herr Westenthaler und Herr Schennach und Frau Glawischnig und Herr Petzner diejenigen sind, die die Superideen haben, die dieses Land weiterbringen, glaubt keiner. Da lachen die Hühner! Daher müsst Ihr besser werden. (Bundesrat Ing. Kampl: Der Wähler hat ... entschieden! – Bundesrat Schennach: ... so vollmundig mit dem niedrigsten Wahlergebnis in der Geschichte herumzureden ...!)

Lieber Kollege, ich komme zum Ende. (Bundesrat Ing. Kampl: ... bescheiden sein, gerade vor ...! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Lieber Kollege Schennach! Wir haben unser Wahlziel ... (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Zum Abschluss: Wir als Volkspartei haben unser Wahlziel nicht erreicht, aber wenn ich zu den Grünen schaue, spreche ich mit der Nummer 5 in diesem Land. – Ich wünsche dieser Bundesregierung alles Gute. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Bundesrat Schennach: ... nur ich bin nicht so vollmundig wie Sie!)

10.16


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll das Wort. – Bitte.

 


10.16.29

Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Herr Präsi­dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Bundesrat! Ich möchte nach dieser sehr interessanten Diskussion der letzten Stunde und nach der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers nur auf ein paar Themen eingehen, die mich als Finanz­minister vom Portfolio her direkt betreffen und die ja tatsächlich auch im Fokus der Auseinandersetzung und vor allem der Politikgestaltung in den nächsten Jahren stehen werden.

Ich bin froh darüber, dass wir nach fünf Wochen harter Verhandlung – eine der kürzes­ten Regierungsverhandlungszeiten zweier Parteien in der Zweiten Republik; klar, eine Alleinregierung geht schneller – eine gute Basis für fünf Jahre gelegt haben und dass wir auf Basis dieses Regierungsübereinkommens auch darangehen können, die Themen, die wir uns vorgenommen haben, auf Punkt und Beistrich abzuarbeiten. Es wird jeder der Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sein Übriges zu tun haben, damit wir dieses ambitionierte Programm auch ent­sprechend weiterbringen.

Aus meiner Sicht stehen drei große Herausforderungen vor uns, denen wir uns mit unserer Politik zu stellen haben. Die erste ist, die Krise zu meistern, die zweite ist, die Wirtschaft zu stärken, und die dritte heißt, die Menschen zu entlasten. – Diesen Dreiklang in Einklang zu bringen und über diese Ideen und Antworten das Staatsganze


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 29

nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, das wird die ganz besondere Herausforderung für uns alle in dieser Regierung werden.

Ich komme gerade zurück – ich bin heute sehr zeitig in der Früh aus Paris wegge­flogen, um hier sein zu können – vom informellen Finanzministerrat, zu dem der fran­zösische Vorsitz für gestern Nacht eingeladen hat, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, machen wir uns nichts vor, wir werden noch etliche schlaflose Nächte erleben!

Es ist so, dass das, was auf uns zukommt – durch die Finanzkrise in Amerika aus­gelöst –, die Realwirtschaft nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa einholen wird. Das ist jedoch überhaupt kein Grund aufzustecken, im Gegenteil: Wir kennen die Maßnahmen, wir kennen auch die Ziele, und wenn wir uns gut aufstellen und in Europa gemeinsam vorgehen – darauf wird es ankommen! –, dann werden wir diese Krise in den nächsten Monaten und Jahren auch erfolgreich meistern können. Das wird nicht im Vorbeigehen möglich sein und das wird nicht dadurch gehen, dass wir uns mit unterschiedlichen Zielsetzungen die Argumente an den Kopf werfen, sondern nur, indem wir auch über Parteigrenzen hinweg versuchen, diese Aufgabe zu meistern.

Wir in Österreich tun das federführend! – Gestern bei der Tischumfrage kam klar heraus: Wir haben mit den zwei Konjunkturpaketen der Bundesregierung im Vorlauf und bei den Verhandlungen jetzt die ambitioniertesten Konjunkturprogramme Europas auf den Tisch gelegt. Wir sind die Einzigen – oder fast die Einzigen –, die in den nächsten Wochen und Monaten darangehen werden, eine Steuerreform auf den Weg zu bringen, um dadurch – ich weiß, das Datum und vieles andere war lange heiß umstritten – neben den direkten Auswirkungen der Konjunkturpakete einen zweiten Teil eines Inputs im Konsum leisten können. Es ist auch für mich in der Umsetzung wichtig, dass wir diese drei Dinge realisieren, also die zwei Konjunkturpakete zügig umsetzen und auch die Steuerreform im ersten Quartal über die Bühne bringen.

Der Zeitplan für die Steuerreform sieht vor, eine Entlastung von 2,2 Milliarden € zu schaffen, die Lohn- und Einkommensteuer zu reduzieren und mit 500 Millionen € den Familien unter die Arme zu greifen, die aus meiner Sicht, aus unserer Sicht die Unter­stützung am notwendigsten brauchen. Das werden wir bis März auf Schiene bekom­men, rückwirkend mit 1. Jänner 2009. Ich hoffe, dass wir diesen Zeitplan im parlamen­tarischen Ablauf, inklusive Bundesrat, halten und das umsetzen können, damit rund um Ostern rückwirkend ausbezahlt werden kann und diese Entlastung auf der einen Seite und die Unterstützung für die Familien auf der anderen Seite dann monatlich zum Tragen kommen und auch dauerhaft abgesichert werden kann.

Die Konjunkturpakete sind in Angriff genommen. Wir arbeiten sie Punkt für Punkt ab. Im Zentrum steht die Unterstützung für die kleinen und mittleren Unternehmen dieses Landes für die Beschaffung von Liquidität und Zugang zu Krediten – ein Schlüssel­faktor für die Finanzierung der Wirtschaft. Wenn uns dieser Geldkreislauf abhanden kommt, dann haben wir auch in der Realwirtschaft über längere Zeit nichts mehr zu bestellen.

Somit bin ich beim dritten Punkt, und der heißt: Bankenschirm. – Der Bankenschirm ist gespannt. Wir haben seit eineinhalb Wochen die Bewilligung aus Brüssel, dass wir mit unserem 100-Milliarden-€-Paket helfen können. Es ist völlig falsch, wenn jemand behauptet, wir helfen damit den Banken. Nein! Wir sichern damit den Geldkreislauf, damit die Sparer sicher sein können, dass ihre Guthaben auf sicheren Banken liegen, und damit jene Menschen – und das sind Hunderttausende und auch viele Unter­nehmer –, die Kredite laufen haben, ihr Haus nicht bei der Bank abzugeben haben, weil die Kreditwirtschaft flöten geht. Das ist der Sinn des Bankenschirms.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 30

Wir werden mit den Banken in sehr detaillierte Verhandlungen treten. Es sieht so aus, dass die meisten großen Systembanken, was den Zugang zu Partizipationskapital betrifft, heuer nicht mehr kommen werden, sondern wir in den ersten Wochen und Monaten des nächsten Jahres die entsprechende Eigenkapitalausstattung zu diskutie­ren haben. Bank für Bank wird mit dem Finanzministerium die entsprechenden Ver­handlungen zu führen haben.

Wir entlasten also die Menschen, wir stützen die Wirtschaft, und wir helfen auch, den Finanzkreislauf entsprechend aufrechtzuerhalten.

Was die Frage der Sicherheit in dieser schweren Krise betrifft, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eines auch klar geworden – und das sei allen gesagt, die europakritische oder darüber hinaus vor allem europaablehnende Diskussionen führen –: Gerade in dieser Krise wird Europa zeigen müssen – und zeigt es schon! –, dass das Friedensprojekt Europa auch Krisenbewältigungs- und Wirtschaftsprojekt Europa heißt. Ohne die Europäische Union und ohne den Euro in dieser Geschlos­senheit würden wir heute schon vor ganz anderen negativen Herausforderungen stehen, als das jetzt – ohnehin schon schwierig genug – der Fall ist. Auch das muss gesagt werden, wenn Diskussionen aufbrechen. Wir haben erst gestern wieder ge­sehen, dass wir uns in Europa gemeinsam entwickeln und weiter gemeinsam vor­zugehen haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Es wird schon Mitte Jänner kommenden Jahres den nächsten ECOFIN-Rat geben – 18., 19., 20. Jänner sind in Aussicht genommen –, wo die weiteren Schritte auf euro­päischer Ebene zu beraten sein werden.

Ein zweiter wichtiger Eckpunkt – der, wie ich sicher bin, für die Menschen in Österreich von entscheidender Bedeutung ist – ist die Frage der Sicherheit: in Österreich in unsicheren Zeiten Sicherheit geben, nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern auch faktisch, was die innere, was die äußere Sicherheit betrifft. Es geht damit auch um die Definition. Wie gehen wir mit dieser Herausforderung um? – Wir werden in Österreich tausend Polizisten mehr auf die Straße bringen können, indem wir gemeinsam die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen. Wir werden auch dafür Sorge tragen, dass jeder, der nach Österreich kommt, hier um Asyl ansucht und die Voraus­setzungen und die Berechtigung für Asyl hat, auch Asyl gewährt bekommt – das ist ein heiliges Recht –, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass jene, die dieses heilige Recht verletzen und missachten, die notwendigen Antworten bekommen.

Weiters müssen wir darauf achten, dass wir mit einer klugen Zuwanderungspolitik erstens die Integration derer, die hier sind, vor die Zuwanderung stellen und zweitens dann, wenn es um Zuwanderung geht, mit der Rot-Weiß-Rot-Card dafür sorgen, dass klare Rechte und Pflichten mit dieser Zuwanderung verbunden sind. Das ist eine Aufgabe, die wir in der Bundesregierung gemeinsam zu erfüllen haben, weil das Recht der Bevölkerung auf Sicherheit absoluten Vorrang hat.

Der dritte Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Frage: Wie geht es im Gesundheitsbereich weiter? Österreich hat im Gesundheitsbereich und, wie ich meine, insgesamt sicher eine herausragende Stellung, was die Wirtschaftskraft, was die Lebensqualität in Europa betrifft. Wir sind top, und wir sind in vielen Fragen, auch was die Umwelt-, Klima- und Energiepolitik betrifft, vorne mit dabei.

Die Gesundheitspolitik betreffend ist zu sagen, wir haben zwei große Themen zu bewältigen. Zum einen: Ja, wir sind bereit, Geld in die Krankenkassen zu pumpen. Ab dem Jahr 2010 sollen 110 Millionen € jährlich bereitstehen. Aber ich sage als Finanz­minister auch dazu: Dieses Geld wird dann nicht fließen, wenn 2009 in den Kranken­kassen nicht Strukturreformen, nicht die notwendigen Maßnahmen – Reorganisation des Kosteneinsparungspotenzials – gesetzt werden. Das ist ein wichtiger Punkt: dass


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dann, wenn etwas geleistet wird, auch die Gegenleistung zu erfolgen hat. Die Bun­desregierung hat sich dazu bekannt, das Geld zu budgetieren. Aber noch einmal: Dazu ist in den kommenden Monaten auch die entsprechende Vorleistung zu erbringen – das vor allem dann, wenn einzelne Kassen, die Oberösterreichische etwa, Über­schüsse erwirtschaften, während andere, zum Beispiel in Wien, eine katastrophale Finanzgebarung haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sehe auch nicht ein, dass die Kosten für eine Röntgenaufnahme im Verhältnis wie folgt aussehen: Oberösterreich: 13 €, Wien: 32 €. Viele dieser Themen im Bereich unterschiedliche Kosten für dieselbe Leistung und dieselbe Qualität sind zu diskutieren. In diesem Sinne haben wir große Aufgaben vor uns.

Wir werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, was die Spendenabsetzbarkeit betrifft, ebenfalls einen wichtigen Schritt setzen. Ab 1. Jänner 2009 soll die Absetz­barkeit der Spenden Realität werden; 20 Jahre lang ist darum gerungen worden. Ich habe mich als Finanzminister dazu entschlossen, diesen Schritt in schwierigen Zeiten mit angespannten Budgets zu setzen – vor allem für jene, die mit den Spendengeldern direkten Dienst am Menschen tun. Wo Menschen für Menschen Verantwortung im Sozialen, im mildtätigen Bereich und in der Entwicklungszusammenarbeit übernehmen, dort sollen Spenden absetzbar sein können. Ich sage das ganz bewusst nicht des­wegen, weil ich andere ausnehmen will, sondern weil es darum geht, mit Geld möglichst viel Transfer zu erzielen, sodass möglichst viele Menschen entsprechende Unterstützung genießen.

Faktum ist, dass andere NGOs vor allem in der völlig berechtigten politischen Aus­einan­dersetzung durch Kampagnenmanagement auf Probleme aufmerksam machen oder Werbung für eigene Ideen und notwendige umweltpolitische Maßnahmen machen. Aber der direkte Zugang von Spendengelderdotationen zu Menschen, die es brauchen, ist dabei nicht gegeben.

Wir werden dieses System nach zwei Jahren evaluieren. Dann werden wir auch zu entscheiden haben: Hat es sich gelohnt? Ist das Spendenvolumen gestiegen? – Nur dann macht es Sinn. – Und: Können wir die Basis auch auf andere Organisationen verbreiten? Für diese Diskussion bin ich dann, nach diesen zwei Jahren Erfahrung, zu haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der letzte Punkt, den ich noch erwähnen möchte: All das ist zu bewältigen: Krise, notwendige Strukturmaßnahmen in den ver­schiedenen Bereichen, Bildung, Forschung, Entwicklung – ich kann heute hier nicht alles aufzählen –, natürlich unter dem Dach eines Fünfjahreshaushaltsplans, der auch über den Konjunkturzyklus hinaus nicht aus den Fugen geraten darf.

Es ist natürlich so, dass angesichts einer derart dramatischen Krise wahrscheinlich viele Grenzen, die wir kannten, zumindest temporär und im Einzelfall nicht mehr gelten. Trotzdem dürfen und werden wir die Frage der Budgetkonsolidierung, des maßvollen Haushaltens, auch wenn wir kraftvoll helfen müssen, nicht aus den Augen verlieren. Das wird eine ganz besondere Herausforderung in den nächsten Wochen bei der Budgetierung des ersten Doppelbudgets und bei der Perspektive für 2013 sein, die wir zu erstellen haben – in der neuen Gesetzgebungsperiode erstmals mit einem eigenen Gesetz –, dass wir gemeinsam in der Regierung an die Ausgaben denken, um gegen­zusteuern und die Antworten zu geben, dass wir aber auch gemeinsam in der Regie­rung dafür Sorge tragen, dass wir die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen bereits im Jahr 2009 einleiten. – Ob durch die Verwaltungsreform oder aus verschie­denen Bereichen des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens: Dort, wo wir Spielräume haben, müssen wir diese im Sinne der Effizienz auch nutzen.


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Wir werden den Budgetkuchen – also die einzelnen Teile für die Ressorts – Mitte Jänner den Ressorts übermitteln. Wir werden dann seitens des Finanzministeriums in der zweiten Februarhälfte in intensive Verhandlungen mit den Ressorts gehen, und wir planen die Budgetrede im Plenum des Nationalrats für rund um den 20., 21., 22. April. Dann haben wir die Sicherheit, rasch gehandelt zu haben und das Budget auf den Weg gebracht zu haben, und damit können wir den gesamten Aufriss für die nächsten fünf Jahre in der Skizze bereits erkennen.

Gestatten Sie mir abschließend noch etwas aufzugreifen, das Harald Himmer ange­sprochen hat: die Frage „Kuscheln oder Streiten“ oder was auch immer. – Ich glaube, dass diese Bundesregierung in den ersten Wochen eindrucksvoll gezeigt hat, dass zwei Parteien, die eine völlig unterschiedliche Geschichte haben und die auch aus völlig unterschiedlichen grundsätzlichen Positionierungen und Wertefundamenten kom­men, es trotzdem schaffen können, nach bitteren Erfahrungen einer Wahl ordentlich, anständig, mit Sach- und Hausverstand gemeinsam die Arbeit aufzunehmen. Das ist die Herausforderung, die sich uns stellt, die wir bewältigen müssen und die wir bewältigen wollen.

Wir haben mit den „Österreich-Gesprächen“ einen wichtigen Schritt gesetzt, den fort­zusetzen ich für wichtig und richtig halte. Wir zeigen, dass wir mit der Opposition den ständigen Dialog pflegen, weil wir wissen, dass nicht nur wir beide in der Regierung ordentlich zusammenzuarbeiten haben – es wird noch viele Streitereien und Auseinan­dersetzungen geben; da soll sich niemand täuschen – und dass wir auch das gemein­same Ziel nicht aus den Augen verlieren dürfen, sondern dass wir bei vielen Themen auch mit der Opposition über Zweidrittelmehrheiten zu verhandeln haben. – Diese Einladung steht, darüber würden wir beziehungsweise würde ich mich ganz besonders freuen, damit wir in den nächsten Monaten und Jahren gemeinsam für Österreich einfach kraftvoll arbeiten können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.31


Präsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 


10.31.21

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Es ist ja heute schon einige Male das Wort „Weihrauchkessel“ gefallen – ich mache ihn jetzt wieder zu und sage Ihnen: Je mehr Seiten ein Regierungsprogramm hat, desto weniger steht normalerweise drin, und das ist auch bei diesem Regierungsprogramm so. Es sind sehr viele Absichts­erklärungen enthalten, es wird sehr viel evaluiert werden, es werden sehr viele Exper­ten befragt werden, es werden sehr oft die Sozialpartner zum Zug kommen, aber wenn es ums Konkrete geht, wird es inhaltlich schon sehr dünn, dafür hätten wahrscheinlich fünf Seiten durchaus gereicht. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, man soll Optimismus verbreiten. – Ja, einver­standen, ich bin auch dafür, dass man nicht alles zu negativ sieht, dass man an­gesichts der Krise, die tatsächlich vorhanden ist, von der wir auch noch nicht wissen, inwieweit sie sich ausbreiten und was noch alles auf uns zukommen wird – wir haben ja erst diese Woche von Madoff gehört, der Menschen in einem Schneeballsystem um 350 Millionen € betrogen hat; also da ist offensichtlich noch einiges offen –, schon darauf achtet, jetzt nicht auch noch diesen psychologischen Faktor miteinzubringen, der das Ganze noch schlimmer macht, als es eigentlich ist. Aber trotz allem Optimis-


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mus muss man natürlich auch wirklich etwas tun, muss man Taten setzen. Der Opti­mismus, den man verbreitet, allein wird es nicht sein.

Beim Bankenpaket, das – nur zur Gedächtnisstärkung an Kollegen Himmer – auch die Oppositionsparteien mitgetragen haben, springt der Motor leider noch schwer an. Ein Teil des Bankenpakets war selbstverständlich auch, dass die Banken Geld verborgen, dass die Banken Kredite zur Verfügung stellen auch für jene Unternehmen, die noch gut dastehen und bereit sind, zu investieren, aber diesbezüglich stottert der Motor noch ganz gewaltig.

Die Menschen entlasten – na selbstverständlich! Sie haben ja unter der Teuerung, der Inflation wirklich schon genug gelitten. Wenn das Wort „Tarifsenkung“ fällt, hat man die Opposition eigentlich immer auf seiner Seite, aber, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich würde Sie wirklich dringend ersuchen: Sagen Sie das Ihrem Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, Ihrem Fraktionskollegen Häupl, denn dieser erhöht gerade jede Menge Gebühren! Nicht, weil er kein Geld in der Kasse hat, sondern, weil er noch mehr Geld haben möchte. Die Bürger Wiens können sich warm anziehen, denn das Geld wird auch für die Heizkosten nicht reichen, weil der Landeshauptmann von Wien nämlich im Begriff ist, auch den Gaspreis wieder zu erhöhen.

Bei unserem neuen Kabinett stellt man sich schon – nicht nur als Opposition, sondern auch als Bürger dieses Landes – die Frage, wozu wir eigentlich gewählt haben. Sie, Herr Vizekanzler, und der Herr Bundeskanzler haben ja gerade einmal die Türschilder ausgetauscht. Sie haben die Türschilder ausgetauscht, und ansonsten ist im Großen und Ganzen alles beim Alten geblieben. Sie haben sich beide wieder in ein Koalitions­bett gelegt, nachdem Sie beide unisono gesagt haben, mit wem Sie nicht regieren können. Natürlich ist es wichtig, die Ministerposten wieder innezuhaben, die Staats­sekretäre versorgen zu können und alles ... (Bundesrat Gruber: Das weiß die FPÖ am besten, wenn es ums Aufteilen geht! Da seid ihr stark!) – Ihr wisst das aber noch viel besser und viel länger als wir. (Bundesrat Gruber: Kehren Sie vor der eigenen Tür, statt sich hier herzustellen und so g’scheit zu reden!)

Ihr braucht überhaupt nicht zu reden, ihr habt es wirklich am allerwenigsten nötig! (Bundesrat Gruber: Kehren Sie vor der eigenen Tür!) Das, was die SPÖ gemacht hat, sucht wirklich seinesgleichen. Aber ihr seid schon froh, dass ihr eure Minister- und Staatssekretärsposten wieder habt, und wenn man sich anschaut, wie die Verteilung gelaufen ist, dann wissen wir, dass das natürlich alles wunderbar ist.

Der Herr Bundeskanzler hat ähnlich wie sein Amtsvorgänger Gusenbauer sein zen­trales Wahlversprechen schon vor der Angelobung wieder gebrochen gehabt. Sein Versprechen war: Wenn es neue EU-Verträge gibt, grundlegender Natur, gibt es selbstverständlich – so wollten Sie es haben – eine nationale Volksabstimmung. Das hat Ihnen die ÖVP abgewürgt und gesagt: Mit uns nicht! Jetzt ist es so: Sollten Sie hier eine Mehrheit – wovon ja heute auch schon öfters die Rede war – mit der Opposition suchen, dann gibt es wieder Neuwahlen. Somit ist eines Ihrer wesentlichen Wahl­versprechen weg.

Ich muss Ihnen sagen, da werden schon ein bisschen Erinnerungen an einen Ihrer Vorgänger, nämlich an Herrn Vranitzky, wach, den man ja den „Teflonkanzler“ genannt hat. Ein Kollege von Ihnen, Herr Bundeskanzler – das kann kein Freund sein –, hat das über Sie ja auch schon gesagt. Ich sage, der Unterschied zwischen Ihnen beiden ist: Es rinnt an Ihnen auch vieles ab, aber Sie lächeln es weg. Das allein wird aber wahrscheinlich zu wenig sein.

Ich nehme nun einige Punkte aus dem Regierungsprogramm heraus. Eines der Themen, die gerade die Freiheitlichen immer sehr stark vertreten, ist die Familie. – Ja, die Entlastung ist gut. Es ist schön, dass es eine weitere Familienbeihilfe, eine 13. Fa-


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mi­lienbeihilfe, gibt, aber man muss trotzdem kritisch anmerken, dass die Familien­beihilfe nicht einmal die Entwertung seit der Einführung wiedergutgemacht hat. Das heißt, es ist immer gut, wenn man ein bisschen mehr hat als gar nichts, aber trotzdem ist das für die Familien immer noch zu wenig. Wir wissen alle, dass gerade Familien am meisten armutsgefährdet sind. Je mehr Kinder man hat, desto schlimmer ist es.

Kollege Himmer hat heute gesagt, die Opposition soll gut arbeiten. – Ihr seid da ja ein eifriger Aufgreifer freiheitlicher Ideen, wie zum Beispiel das Familiensteuersplitting für Ihr Perspektivenpapier, von dem Sie sich leider wieder verabschiedet haben. Das aber wäre wesentlich, um die Familien zu entlasten. Wir wollen, dass die Familien, und hier vor allem die Frauen, die Wahlfreiheit haben, wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Wir sehen es nicht als so vordringlich an, dass man schon möglichst nach der Geburt wieder in den Vollerwerb einsteigt, die Kinder in der Kinderkrippe abgibt, sondern wir sagen, die Frauen sollen die Entscheidung fällen können, wie sie es machen wollen. Ob sie drei Jahre, bis zum Eintritt in den Kindergarten, bei ihren Kindern bleiben und sie selbst erziehen oder bis zum Eintritt in die Schule, das soll ihnen selbst anheim­gestellt werden, da muss man sie unterstützen.

Diese Wahlfreiheit haben die Frauen und die Familien aber nicht, denn ökonomische Gründe zwingen die Frauen sehr schnell wieder in den Beruf zurück. Auch Wiederein­stiegsprogramme, um tatsächlich den Anschluss wiederzufinden, wenn man sich entschließt, später in den Beruf zurückzukehren, fehlen.

Zweiter wesentlicher Punkt ist Bildung. Dazu ist heute schon einiges gesagt worden, nämlich auch in Form von Absichtserklärungen, wie wichtig Bildung ist. – Ja, Bildung sehe ich auch als ein ganz zentrales Element. Es tut mir nur leid, dass das nicht schon wesentlich früher erkannt worden ist, weil die Regierung, was die Hebung der Deutsch­kenntnisse bei Zuwandererkindern anlangt, über die Jahre überhaupt nichts gemacht hat. Heute stehen wir nicht nur vor dem Problem, dass wir Klassen mit bis zu 100 Prozent Ausländeranteil haben, sondern auch, dass diese 100 Prozent meistens nicht ausreichend oder gar nicht Deutsch können. Und das ist ein wirklicher Skandal, muss man sagen, denn es ist auf der einen Seite viel Geld hineingepulvert worden, aber leider ist es immer wirkungslos verpufft.

Das Einzige, das interessiert hat, war diese „tolle“ Idee der Gesamtschule.

Die Gesamtschule, die äußere Organisation wird die inneren Probleme nicht lösen. Ein differenziertes System wie in Bayern funktioniert hervorragend. Und wir wissen auch, wenn wir bei uns den Migrationsanteil herausrechnen, sind wir in vielen Bereichen absolut an der Spitze und brauchen uns für nichts und niemanden zu schämen und müssen nicht ständig wie das Kaninchen vor der Schlange, in diesem Fall Österreich vor Finnland, sitzen und sagen, die machen das so toll, dort müssen wir auch hin, nur die Gesamtschule wird es bringen.

Mit der TIMSS-Studie ist der Beweis erbracht worden, dass das nicht stimmt. Die Volks­schule ist die Gesamtschule. Dort gehen alle hin. Und was mussten wir sehen bei der TIMSS-Studie? Dass Österreich bei den Lesekenntnissen unserer Volksschul­kinder absolut zurückgefallen ist. Also glaube ich, dass es besser ist, die Ressourcen in ein nicht so schlechtes Schulsystem, wie es immer behauptet wird, hineinzustecken. Wir wissen, dass die Probleme vor allem in den Ballungszentren gegeben sind, am Land funktioniert eine Hauptschule völlig anders, und die meisten Hauptschüler machen auch Matura. Es gibt im Speziellen in Wien das Problem, und da muss man es sagen, wie es ist: In Wien ist die Hauptschule zur Ausländer-Restschule verkommen! Und kein normaler Mensch gibt dort sein Kind hin. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und hier wäre wirklich noch sehr viel zu tun. (Bundesrat Gruber: Was ist ein „normaler Mensch“, Frau Kollegin? Ich würde mit der Wortwahl etwas vorsichtiger sein!) Jeder


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normale Durchschnittsösterreicher ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kaum Eltern sagen, mein Kind geht dort in die Schule.

Bildung ist einfach so wichtig, und daher muss man die Probleme ansprechen, und man muss auch Lösungen haben. (Bundesrat Mag. Klug: Dann aber nicht polemisch! Dann nicht polemisch! – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ihr wolltet die Lösungen die ganzen Jahre nicht sehen. Immer dann, wenn euch die Decke auf den Kopf zu fallen beginnt, dann denkt ihr darüber nach, ob nicht die Freiheitlichen in dem Fall ... (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: ... die Wiener Gemeinderatswahl!) – Ja, der Häupl hat ja heute auch schon sehr „nette“ Worte gesagt, und als Oppositionspartei ist es unsere Aufgabe, auch die Regierungsarbeit kritisch zu hinterfragen.

Da Sie heute schon so oft beschworen haben, dass die Opposition eingeladen ist, mitzumachen, ihre Ideen einzubringen, sage ich Ihnen: Das tut die Opposition seit Jahrzehnten! Auch in der vergangenen Periode (Bundesrat Konecny: Waren Sie nicht noch vor vier Jahren in der Regierung?) – Sie können es sich anschauen – gab es genügend Anträge der Opposition, egal, ob es jetzt die FPÖ ist oder das BZÖ oder die Grünen. Und was machen Sie damit? Gar nichts! Sie lehnen sie einfach ab und sagen, das ist uns wurscht.

Wir werden Ihre Arbeit kritisch betrachten, wir werden unsere Ideen nach wie vor einbringen, und Sie können dann zeigen, wie Ernst es Ihnen ist, mit der Opposition in einen Dialog zu treten und auch gute Ideen der Opposition aufzugreifen. (Beifall der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl. – Bundesrat Mag. Klug: Wenn sie kommen! – Bundesrätin Mühlwerth  auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Sie kommen! Sie sind da!)

10.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Dipl.-Ing. Berlakovich. Ich erteile ihm dieses.

 


10.43.07

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Liebe Regierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ich erstmals hier in diesem Haus sozusagen Gast sein darf, darf ich das Wort ergreifen und grüße Sie sehr herzlich. Sie haben ja vom Herrn Bundeskanzler und Herrn Vizekanzler schon die wesentlichen Eckpunkte des Regierungsübereinkommens gehört, und so darf ich Ihnen nur kurz darüber berichten, dass die Land- und Forst­wirtschaft, der Natur- und Umweltschutz im Rahmen meiner Zuständigkeit auch zen­trale Schwerpunkte dieses Regierungsprogramms sind.

Ich freue mich darüber, dass die Regierung ein klares Bekenntnis zu einer nach­haltigen, bäuerlich strukturierten Landwirtschaft abgegeben hat, mit all den Ausfor­mun­gen. Das heißt, das Ziel dieser Regierung ist es, den Bauern und Bäuerinnen in Österreich in schwierigen Zeiten, die ja nicht nur diesen Sektor betreffen, sondern auch alle anderen Wirtschaftssektoren, wie wir gehört haben, Sicherheit und Zukunft zu geben, Chancen einzuräumen, gleichzeitig aber auch den Schulterschluss mit den Konsumenten als wichtige Achse zu suchen. Die Konsumenten erwarten sich von unserer Landwirtschaft, dass der Tisch der Bevölkerung mit hochwertigen, hoch qualitativen Lebensmitteln gedeckt wird.

Anmerkung: Das Dioxinfleisch aus Irland betrifft unsere Produktion überhaupt nicht. Es sind keine heimischen Qualitätsgütesiegel betroffen. Das AMA-Gütesiegel garantiert für heimische Spitzenqualität und ist hier jedenfalls nicht betroffen.


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Wir suchen den Schulterschluss mit den Konsumenten und wollen die Bauern in eine Position bringen, dass sie die natürlichen Lebensgrundlagen neben Boden, Luft, Was­ser sauber halten – im eigenen Interesse und im Interesse der Gesellschaft in Österreich.

Ein weiterer Schritt: Schutz vor Naturgefahren. Die Hochwasserereignisse in ganz Österreich in den vergangenen Jahren haben klar gezeigt, wie notwendig es ist, einerseits Hab und Gut zu schützen, aber vor allem auch den Menschen zu schützen, Leib und Leben zu bewahren.

Das hat die Bundesregierung beabsichtigt. Es ist weiters beabsichtigt, die zentralen Säulen der Agrarpolitik weiterzuführen, nämlich die Investitionsprogramme zu be­decken, laufend von 2007 bis 2013, das auch als einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Und es ist gedacht, nachdem die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik ansteht, im Jahr 2013 rechtzeitig darauf zu reagieren. Ich war gestern beim EU-Agrarministerrat, wo ich Gelegenheit hatte, mit der Agrarkom­missarin und mit vielen Ressortkollegen zu sprechen, und es werden jetzt die Vorbe­reitungen für die kommenden Jahre getroffen, um uns rechtzeitig darauf einstellen zu können.

Wichtig in Verbindung damit ist neben der Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors und unserer bäuerlichen Betriebe die Gentechnikfreiheit, zu der wir uns verpflichten, zu der sich diese Bundesregierung verpflichtet. Ich durfte auch beim EU-Umwelt­minis­terrat dabei sein und kann Ihnen sagen, dass sich Europa in unsere Richtung zu bewegen beginnt. Der jahrelange Kampf für Gentechnikfreiheit – und wir sind in Öster­reich gentechnikfrei – wird belohnt, weil viele Staaten zunehmend erkennen, dass unser Weg ein richtiger ist, nämlich sich auf den Weltmärkten mit einer hoch quali­tativen Lebensmittelproduktion, die frei von Gentechnik ist, abzuheben. Das ist erfreu­lich, und wir – ich im Besonderen – werden sehr darum kämpfen, dass das erhalten bleibt.

Im Schulterschluss dazu der Umweltschutz. Es ist dieser Regierung gleich zu Beginn ihrer Periode Großes gelungen: In enger Abstimmung mit den Kollegen im Umwelt­ministerrat, dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Außenminister im EU-Rat wurde das große Klima- und Energiepaket der Europäischen Union beschlossen. Es ist das eine Riesenherausforderung, wo es einerseits gilt, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – und dazu stehe ich auch als Umweltminister – auf den Arbeitsplatz zu schau­en, dass die Menschen eine Arbeit haben, aber andererseits auch, die Klimaschutz­ziele nicht über Bord zu werfen, die sehr ehrgeizig, sehr ambitioniert sind: bis 2020 20 Prozent Einsparung von CO2, 20 Prozent Anteil an erneuerbaren Energieträgern und Energieeinsparung. Wir waren hier sehr eng abgestimmt mit dem Herrn Bundes­kanzler, wofür ich mich bedanke, weil es eines nationalen Schulterschlusses bedarf, nämlich aller Körperschaften in der Republik, um die Konsequenzen aus dem Klima­paket entsprechend zu bedecken.

Es ist notwendig, dass im Bund alle zuständigen Stellen, nicht nur das Umweltressort, sondern auch die Bereiche Verkehr und Industrie, aber auch die Länder – Stichwort: Wohn­bauförderung – massiv zusammenarbeiten, um die Klimaschutzziele zu er­reichen.

Wenn hier nicht alle mittun, wird es nicht gehen, und ich weiß, dass die Konsumen­tinnen und Konsumenten bereit sind, Klimaschutz zu betreiben, weil es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sehr wohl wichtig ist, die Lebensqualität für jetzige Generationen, aber auch für kommende Generationen zu sichern. Es sitzen viele junge Leute hier, um deren Zukunft es auch geht, ebenso um die unserer Kindeskinder.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 37

Daher möchte ich Sie einladen, hier aktiv mitzuarbeiten. Es sind, wie gesagt, große Herausforderungen, um das zu bewältigen. Wir werden auch Geld in die Hand nehmen und klare Verantwortlichkeiten positionieren müssen, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen.

Aus aktuellem Anlass auch ein Wort zur Debatte um die Atomkraftwerke in unserer Nachbarschaft: Diese Bundesregierung bekennt sich dazu, dass wir die Atomenergie nicht als eine sinnvolle, nachhaltige Form der Energiegewinnung ansehen. Österreich bleibt atomfrei! Wir tun alles dazu, um unsere Bevölkerung zu schützen. Wir haben bei der Tschechischen Republik und auch der Slowakei klar deponiert, dass wir maximale Transparenz wollen, maximale Information. Die internationalen Abkommen treten in Kraft, Umweltverträglichkeitsprüfungen und, und, und – alles Dinge, um die Sicherheit unserer Bevölkerung zu gewährleisten.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit und möchte Sie einladen, selbige im Sinne unserer Bevölkerung auch zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Herr Minister.

Bevor ich Herrn Kollegem Kampl das Wort erteile, begrüße ich Herrn Bundesminister Dr. Hahn in unserer Mitte. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Bitte, Herr Bundesrat Ing. Kampl, Sie haben das Wort.

 


10.49.24

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Ministerinnen und Minister und Staatssekretärinnen und Staatssekretäre! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es ist eine demokratische Pflicht, dass man auch der neuen Bundesregierung eine Chance gibt. Es gehört einfach dazu, dass man sie anhört, es gehört dazu, dass man ihr Programm liest, und es gehört dazu, dass man auch die Möglichkeit zur Diskussion hat.

Ich hoffe, dass viele Österreicher und Österreicherinnen das Programm kennen, und ich erwarte mir von Ihnen, dass doch vieles auch umgesetzt wird davon, Herr Bun­deskanzler.

Die Situation in Österreich ist nicht so, dass wir glauben, wir können in der Form, wie es bisher geschehen ist, weitermachen. Nach außen hin sagen wir immer, wir sind die viertreichsten Europäer, wir sind das sechst- oder siebentreichste Land der Welt – die Tatsachen sprechen aber eine andere Sprache.

Das Regierungsprogramm hat 265 Seiten. Viel Papier, nicht alles greifbar. Ich war schon ein bisschen schockiert, Herr Bundeskanzler, dass über Nacht das Papier in Ordnung gebracht werden konnte und es dann für beide Koalitionsparteien gepasst hat. Mir kommt das ein bisschen vor wie „Tausendundeine Nacht“. Denn es hat ja zwei verschiedene Papiere gegeben, und diese Papiere mussten abgestimmt werden, und das ist mir ein bisschen zu schnell gegangen. Und daher gibt es meiner Meinung nach viele offene Fragen.

Wir haben in Österreich das Problem, dass wir unter Bruno Kreisky, dem hoch verehr­ten Bundeskanzler, die Kommissionen und diese vielen Vorfeldorganisationen einge­führt haben. In diesem nun vorliegenden Regierungsprogramm, Herr Bundeskanzler, geschätzte Herren Minister und Staatssekretäre, sind 75 Arbeitskreise geplant: Son­derkommissionen und, und, und. Ich will auf das gar nicht näher eingehen, aber es gibt


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 38

sehr viele Dinge in diesem Programm, die man, so glaube ich, etwas besser hätte definieren sollen.

Vieles ist offen. Zum Beispiel in der EU-Frage: Wann und wo werden die Bürger einge­bunden? Es gibt keine Garantie für die Armutsbekämpfung in Österreich. 800 000 Öster­reicher haben weniger als 720 € im Monat zur Verfügung! Das sind die Probleme, Herr Bundeskanzler, die dafür sorgen, dass wir unsere Leute noch zur Wahl bringen, weil sie sich sagen, hoffentlich wird es besser. Wir sollen nicht immer davon reden, wie reich wir sind, sondern davon, was wir für unsere Menschen tun können.

In Kärnten haben wir mit 100 € beziehungsweise 200 € Einmalzahlung vielen Men­schen geholfen. (Bundesrat Molzbichler: Aber nicht nachhaltig! Eine Almosenver­teilung ist das! So schaut es aus!) – Meine Damen und Herren! Lieber Kollege! Ich bedauere es, dass täglich 2 000 Menschen um 100 € anstehen müssen. Das ist positiv für Kärnten. (Bundesrat Molzbichler: Nachhaltige Maßnahmen brauchen wir, aber nicht Almosenzahlungen!) Aber unsere Politik war nicht in Ordnung, liebe Freunde (Bundesrat Boden: Das wissen wir eh!), wenn die Leute aus den Tälern kommen müssen und sich um 100 € anstellen!

Wir sollten nachdenken darüber. Ich mache ja hier keinen Vorwurf, alles, was wir heute da sagen, soll ja die Bundesregierung bereichern, soll die Bundesregierung motivieren. Wir sind ja dafür da, wo wir doch draußen in den Regionen leben, der Bundesregierung aufzuzeigen, wo die Probleme sind und was nicht in Ordnung ist.

Offen, Herr Bundeskanzler, ist auch der Verfassungskonvent. Warum wird da nicht weitergearbeitet, wenn man weiß, da gäbe es für Österreich viele Möglichkeiten zu Verbesserungen, zu Einsparungen und so weiter? (Bundesrat Mag. Klug: Siegi, bei der Mindestsicherung war Kärnten nicht sehr aktiv!)

Der Herr Vizekanzler hat heute gesagt, die Polizei wir um tausend Polizisten aufge­stockt. – Ja, sehr notwendig, aber, Herr Bundeskanzler, das nützt alles nichts, wenn wir nicht voll hinter den Polizeibeamten stehen, wenn jeder Polizeibeamte, der irgend­wo nach seiner Verpflichtung Ordnung schafft, dann einen großen Rechenschafts­bericht abgeben muss. Ja, warum sagen wir nicht gleich zur Polizei: Waffen weg!, und geben ihnen einen Holzstock oder einen Gummiknüppel? Den haben wir eingezogen.

Herr Bundeskanzler, das sind Dinge, die wir Österreicher, glaube ich, schon zur Diskussion stellen sollten.

Es gibt viele offene Fragen des ländlichen Raumes. Welche Probleme wir hinsichtlich der Infrastruktur haben, ist ja bekannt, bei der Post, bei den Kaufleuten, bei den ganzen Handwerkern, bei der Nahversorgung, aber auch die Probleme beim Nah­verkehr.

Die Abwanderung sollte gestoppt werden. Wir haben Gemeinden in Österreich mit bis zu 17 Prozent Abwanderung! Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie lange wird denn das noch gehen? 17 Prozent Abwanderung in zehn Jahren! Große Bedenken sollten uns da begleiten.

Oder: der abgestufte Bevölkerungsschlüssel. Herr Bundeskanzler, darüber steht eigent­lich nichts drinnen. Damals, als wir 1945 die zerbombten Städte gehabt haben, kein Krankenhaus gehabt haben, unsere Schienen, die Bahnhöfe, alles kaputt war, damals haben wir gewusst, dass die Städte mehr Geld brauchen. Aber heute – es sind mehrere Bürgermeister, ich glaube, neun Kollegen im Bundesrat – verstehen wir es nicht mehr, dass einer, der irgendwo in einer kleinen Gemeinde daheim ist, nur die Hälfte wert ist von dem, der in Wien oder einer anderen Großstadt lebt. Das sind Sachen, die wir im Jahr 2009 einfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen sollten.


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Noch eine Frage, und das geht vor allem den Herrn Landwirtschaftsminister an. Herr Landwirtschaftsminister, ich hoffe, dass Sie dann Österreich besser kennenlernen, denn das hört ja nicht im Burgenland auf. Wir haben in Österreich 75 000 Kilometer ländliche Straßen. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie die finanziert werden? Bis zu 15 Prozent, Herr Bundesminister, müssen diejenigen mitfinanzieren, die dort wohnen! (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Ich war für die Güterwege im Burgenland zuständig!) Und jeder darf diese Straßen benützen. (Bundesrat Hensler: Herr Kollege! Im Burgenland hat er es zusammengebracht – wird er es in Österreich auch zusammenbringen!)

Vor zwei Jahren habe ich habe an den Herrn Agrarlandesrat des Burgenlandes ein Schreiben gerichtet. Und alle Agrarlandesräte haben mir Gott sei Dank zurück­geschrie­ben. Aber auch im Burgenland muss mitfinanziert werden. Zwei Jahre alt ist das Schreiben, ich habe es bei mir. Nur in Tirol und Salzburg hat man gewusst, dass die Finanzierung der ländlichen Wege und Straßen zu 100 Prozent Aufgabe der Allge­meinheit ist. Aber auch im Burgenland ist mitfinanziert worden!

Dann hätte ich noch ein paar Fragen an den neuen Landwirtschaftsminister. Herr Landwirtschaftsminister! In den letzten 30 Jahren sind in Österreich 147 Bauern abgewandert. Das heißt, 50 Prozent haben den Hof aufgegeben. Nach der Regie­rungserklärung von Seite 64 bis 69 ist sehr viel möglich, aber alles offen. Beispiel: Was ist in Österreich ein Groß- und was ein Kleinbetrieb? Das haben Sie nirgends definiert. Was ist mit dem Anbau, der Verfütterung von Lebensmitteln in Zukunft in Österreich? Sie haben es vorhin ja gesagt, dass es in Wirklichkeit anders ausschaut, mit welchen Methoden, schiefen Methoden Saatgut und so weiter nach Österreich kommt.

Wann wird eine Entbürokratisierung der AMA kommen? Da gibt es ja Ungeheuerliches! Wir haben heuer den Sturm Paula gehabt. Da berichten Bauern, wenn das Schadholz, das der Sturm verursacht hat, lagert, kommen Beamte und messen das aus. Das muss man sich einmal vorstellen: Da kommen zwei Beamte, messen das aus, aber nicht einmal, nein, sie kommen nach 14 Tagen wieder und kontrollieren, ob das, was ange­schafft wurde, gemacht wird. Wegen tausend Quadratmeter! – Herr Bundesminister, wenn das Demokratie ist und wenn das Erfolgsarbeit der österreichischen Regierung ist, dann ist das sehr in Frage zu stellen!

Herr Bundesminister, es gibt keine Sicherung für die ländlichen Wegenetze aus dem Mineralölsteueraufkommen. Die ländlichen Wegenetze mit einem Ausmaß von 75 000 Kilometern bekommen nur 2,3 Prozent vom Mineralölsteueraufkommen in Österreich. Ich glaube, da würde man nur ein paar Zehntel mehr brauchen, um da ein bisschen mehr tun zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Zeit ist abgelaufen. (Lebhafte allge­meine Heiterkeit.) Meine Zeit ist nicht abgelaufen im Bundesrat, sondern die vor Weihnachten, daher: Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute! – Danke schön. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundes­rates Mitterer.)

10.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


10.59.34

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr


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Bundeskanzler hat heute gesagt, dass sich Österreich bemühen wird, seine umwelt­politischen Ziele in der EU massiv zu vertreten.

Mir erscheint das fast wie eine gefährliche Drohung, denn wenn man sich die Umwelt­politik der letzten Jahre und auch das Regierungsprogramm ansieht, dann stellt man fest, es handelt sich, wenn es gut geht, um eine rechtzeitige Umsetzung von EU-Richtlinien. Was im Regierungsprogramm steht, ist die Umsetzung von längst über­fälligen EU-Richtlinien.

Würde diese „tolle“ „Umwelt-Musterland“-Linie in der EU weitergezogen, wäre das meiner Ansicht nach ganz schön traurig. Es fehlt die Umsetzung der Emissions­richtlinien, es fehlt die Umsetzung der UVP-Richtlinie, es fehlt die Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie, der SUP-Richtlinie, der Umwelthaftungsrichtlinie. Diese fehlt interessanterweise sogar im Regierungsprogramm, obwohl sie schon lange umgesetzt sein sollte. Also, so tolle Vorreiter sind wir schon lange nicht mehr, wie immer wieder auch vom Herrn Ex-Umweltminister behauptet wird.

Was im Regierungsprogramm bei der Umweltpolitik steht, sind in erster Linie nette Zielformulierungen. Wir übernehmen diesmal nur die europäischen Ziele beim Klimaschutz, im letzten Regierungsprogramm haben wir uns höhere Ziele gesetzt. Aber außer der Zielformulierung steht nicht sehr viel drinnen. In Richtung Maßnahmen geht es gar nicht.

Wenn sich der Herr Bundesminister jetzt übermäßig freut und meint, dass wir mit 34 Prozent erneuerbaren Energien, die im Regierungsprogramm festgeschrieben sind, eine massive Steigerung anstreben, dann muss ich wiederholen, die Umsetzungs­schritte, die angekündigt werden, lassen leider befürchten, dass es eher mehr Emis­sionen geben wird und weniger erneuerbare Energien als bisher. Außerhalb des Kapitels Umwelt im Regierungsprogramm gibt es leider einiges an Krachern, die uns umweltpolitisch wahrscheinlich ins Steinzeitalter zurückholen wollen.

Auf der einen Seite gibt es die Beschleunigung von Bewilligungsverfahren, die immer wieder angeführt wird. Das heißt im Prinzip nichts anderes als dass das, was jetzt bei der Umweltverträglichkeitsprüfung sowieso schon ziemlich zahnlos ist, noch zahnloser werden wird. (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Na sicherlich nicht effizienter. Ich würde sagen, für den Umweltbereich bedeutet das sicher, dass es zahnloser wird.

Das Straßenbauprogramm, steht drinnen, wird durchgezogen. Es wird nicht einmal mehr darüber nachgedacht, ob alle Autobahnen notwendig und effizient sind.

Die dritte Flughafenpiste ist absolut prioritär. Ob wir die wirklich brauchen, hinterfragt kein Mensch mehr. (Bundesrat Hensler: Aber wirklich nicht!) Wir haben aber ein tolles Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr. (Neuerliche Zwischenrufe des Bundesrates Hensler.) Wir haben ein Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr. Ja, das hinterfrage ich wirklich, ob wir eine dritte Piste brauchen. Schauen Sie sich die Entwicklung im Flugverkehr an. (Weitere Zwischenrufe.) Ja, die Arbeitsplätze.

Okay, ich habe das Mikro und stehe da vorne. Sie können das dann gerne näher ausführen, warum Sie so dringend die dritte Piste brauchen und warum das oberste Priorität im Verkehrsbereich hat. Für mich hätte die oberste Priorität der öffentliche Verkehr. Dazu gibt es ein nettes Bekenntnis, aber nicht wirklich Maßnahmen. Und es steht noch dazu beim Schienenausbau, dass wir vorher nochmals die Prioritäten reihen müssen. Das ist schon ein gewisser Unterschied.

Alles, was Straßen, alles, was Luftfahrt betrifft, das ziehen wir in voller Länge durch. Aber beim öffentlichen Verkehr denken wir noch einmal nach. Das ist „superschön“, und damit werden wir die Klimaschutzziele im Verkehrsbereich „sicher“ erreichen.


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Besonders nett im Verkehrsbereich ist auch noch, dass jetzt sogar drinnen steht, dass die Gemeinden sich am öffentlichen Verkehr beteiligen sollen. Die haben sicher so­wieso die „meisten“ finanziellen Mittel. (Bundesrat Gruber: Das tun sie schon lange, Frau Kollegin!) Sie machen das schon lange. Aber dass sie es machen sollen, steht jetzt erstmals im Regierungsprogramm.

Im Kapitel Energie geht es in erster Linie um die sichere Versorgung. Wir bekommen die „Nabucco“-Pipeline, und zwischendurch fällt uns auch noch etwas anderes ein, eine Ölpipeline Bratislava – Schwechat und die South Stream, viele, viele neue Pipelines, damit wir versorgt sind mit fossilen Energien. Wir haben drinnen stehen den Ausbau und die Revitalisierung von Kraftwerken, Kohle in Dürnrohr oder Gas in Dürnrohr, das wissen wir nicht so genau, Öl und Großwasserkraft.

Dass neue Kraftwerke teuren Strom produzieren, ist auch bekannt, und auch, dass die KonsumentInnen künftig mehr zahlen werden müssen, wenn die Energiepolitik Öster­reichs in erster Linie darauf abzielt, mehr Energie zu erzeugen, und zwar möglichst dann noch mehr aus fossilen Energieträgern.

Für die Frage der Effizienzsteigerung braucht die Regierung einen Arbeitskreis. Dass gerade im Bereich der Effizienzsteigerung und der erneuerbaren Energieträger beson­ders viele Arbeitsplätze drinnen wären – das, was Harry Himmer zuerst abgegangen ist an unseren Ideen: Ausbau von erneuerbaren Energieträgern und Effizienzsteigerung zum Beispiel auch im Wohnbau –, ist bekannt. Bekanntlich sind da die meisten Arbeitsplätze drinnen. Davon liest man im Regierungsprogramm nichts. Wie gesagt, Effizienzsteigerung braucht einen Arbeitskreis.

Bei der Atomenergie oder Kernenergie – der Herr Minister ist leider schon weg – steht auch wie immer drinnen, dass Österreich natürlich keinen Atomstrom und auch kein Atomkraftwerk will. Es steht aber nicht wirklich drinnen, dass wir künftig mehr dagegen tun, dass rundherum die Atomkraftwerke wie die Schwammerl aus dem Boden wach­sen. Der Euratom-Austritt steht nicht einmal mehr als Ziel im Regierungsprogramm. Dafür ist von einer Optimierung der internationalen Stromnetzanbindungen die Rede, was dann mehr oder weniger heißt, wir bauen uns die Atomstrom-Autobahnen nach Österreich rein, damit wir noch mehr als ein Drittel unserer Stromproduktion aus Tschechien importieren können, während wir dann in Temelín laut schreien.

Was neu ist im Regierungsprogramm, was mich doch etwas verwundert hat, ist, dass das Atommülllager in Seibersdorf jetzt nach einem Modernisierungskonzept überar­beitet werden soll.

Der Herr Minister hat mir noch vor zwei Jahren gesagt, in Seibersdorf ist alles pipifein und in Ordnung und es ist ohnehin alles so sicher. Jetzt lesen wir inzwischen in der Zeitung, dass man die Fässer möglicherweise gar nicht einzeln kontrollieren kann und dass es doch einen gewissen Sanierungsbedarf gibt. Ich hoffe, dass dieses Moderni­sierungskonzept nicht nur heißt, dass wir die Wände neu ausmalen, sondern dass auch das Lager wirklich genau inspiziert wird und sich die Regierung irgendwann einmal vielleicht doch endgültig über ein Endlager Gedanken macht. Seibersdorf ist meines Wissens bis 2030 bewilligt. Was danach mit unserem Atommüll passiert, den wir auch haben, ist nach wie vor unsicher.

Was mir auch sehr fehlt im Regierungsprogramm: das Wort „Atomhaftung“ kommt überhaupt nicht mehr vor. Wir haben an und für sich ein sehr gutes Atomhaftungs­gesetz, in dem auch drinnen steht, dass wir regelmäßig darauf schauen sollen, dass sich die Haftungsrichtlinien in den umliegenden Ländern verbessern, und dass wir darüber berichten.


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Jetzt bin ich schon sechs Jahre im Bundesrat und habe bis jetzt noch keinen einzigen dieser Berichte gesehen. Offenbar sind die irgendwo im Nirwana des Internets ver­schwunden. Jedenfalls waren sie noch in keinem Ausschuss und noch nicht im Plenum des Bundesrates. Offensichtlich wollte die Regierung und will die Regierung auch nicht darüber berichten, wie weit sie angestrengt darüber verhandelt, dass andere Länder Haftungsrichtlinien einführen, die auch für uns in Österreich sehr wichtig wären. Wenn etwas an einer unserer Grenzen passiert, dann sind wir letztendlich betroffen. Und es gibt in Tschechien, in der Slowakei et cetera kaum Haftungen, wir werden durch die Finger schauen so wie damals bei Tschernobyl.

Beim Kapitel Wirtschaft ist mir aufgefallen, dass das „Öko“ vor der sozialen Markt­wirtschaft verschwunden ist. Es steht zwar im ersten Satz noch drinnen, im zweiten Satz des Wirtschaftsteiles steht dann nur mehr: „Wirtschaftliche Freiheit, Leistung, soziale Sicherheit und fairer Wettbewerb sind die Fundamente“. Da ist „öko“ ganz verschwunden. Öko gibt es nicht mehr in der Wirtschaft. Es gibt maximal eine soziale Marktwirtschaft. Aber ich befürchte, dass das „soziale“ auch bald verschwinden wird.

Wenn man das Wirtschaftsprogramm durchliest, fällt auch auf, dass die Regierung eher auf Konzerne und Internationalisierung der Wirtschaft baut als auf Regionalisie­rung.

Die KMUs werden sehr häufig gelobt im Regierungsprogramm, an vielen Stellen und immer wieder, das ist nett. Steuerliche Verbesserungen für KMUs habe ich nicht drinnen gefunden. Dafür bei der Ansiedelungs- und Headquarter-Politik: Da wird auch brav gelobt und gesagt, wie wichtig das ist und so weiter, aber da werden auch steuer­liche Anreize versprochen, damit sie bei uns bleiben. Bei den KMUs ist das offenbar nicht notwendig, nur bei den Headquarter-Betrieben.

Die gratis CO2-Emissionszuteilung ist ja auch keine Maßnahme für KMUs, sondern eher ein Geschenk für große Industriebetriebe, das dann nämlich der Steuerzahler bezahlt, denn insgesamt gibt es dann eine Bilanz, und da wird viel für uns übrig bleiben.

Dem Auslandsengagement der österreichischen Wirtschaft werden ziemlich viele Sei­ten gewidmet. Die regionale Wirtschaft kommt auch vor, irgendwo im Landwirt­schafts­kapitel versteckt – ich glaube, zwei Zeilen sind es.

Bei Infrastruktur und Verkehr, da gab es im September einen Nationalratsbeschluss, Bundesgelder für Öffi-Infrastrukturen in Ballungsräumen zur Verfügung zu stellen. Den hat der Herr Minister beziehungsweise jetzt Bundeskanzler offenbar vergessen. Er wurde damals im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und BZÖ gefasst. – Vielleicht kommt noch was.

Was wichtig wäre im öffentlichen Verkehr, wäre eine Kompetenzbereinigung. Wenn man sich jetzt anschaut, wie das war bei der Fahrplanumstellung der ÖBB: Da sind die PendlerInnen protestieren gegangen, haben sich bei den ÖBB beschwert. Dann haben die ÖBB gesagt, wir bekommen nicht mehr bezahlt, wir können nicht mehr bieten. Dann sind die PendlerInnen zum Land gegangen. Dort hat man gesagt, der Bund ist schuld.

Im Prinzip gibt es drei Mitspieler; bei dreien kannst du dich beschweren, und jeder sagt, der andere ist zuständig.

Jetzt kommen noch die Gemeinden mit ins Spiel. Und ich bin mir sicher, wenn die Gemeinden zuständig sind, dann werden die Gemeinden auch die Schuldigen sein.

Beim Verkehr fehlt auf jeden Fall einiges: die Ökologisierung im Bereich der Wasser­straße, es fehlt eine Reform der Pendlerförderung, ... – Ökologisierung im Bereich der


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Wasserstraße bedeutet zum Beispiel, dass man nicht für die Schiffe eine Donau bauen muss, sondern für die Donau ein Schiff. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wie man richtig damit umgeht? Eine flächendeckende Lkw-Maut wäre vielleicht auch ein Ding, das ihr wenigstens einmal überlegen könntet. Die Aktivitäten zur Elektromobilität beschränken sich auf ein paar Steckdosen, die man jetzt in Vorarlberg wahrscheinlich montieren wird.

Rad-Bahn-Schnittstelle: Da gibt es nichts. Es stellt sich die Frage, ob die neue ÖBB-Reform diesmal mehr wird als neue Vorstandsposten, weil vielleicht einige verloren gegangen sind oder anders besetzt werden müssen. Es wäre schön, wenn es so wäre. Allein es fehlt mir der Glaube.

Zum Thema Integration – das schneide ich nur ganz kurz an, weil es der Herr Vize­kanzler vorher auch kurz angeschnitten und gesagt hat, Asyl ist ein heiliges Recht. – Asyl ist ein Menschenrecht. Und wie Österreich in letzter Zeit, in den letzten Jahren mit diesem Menschenrecht umgegangen ist, ist nicht unbedingt vorbildlich. Das hört man nicht nur von den Grünen, das hört man auch von Menschenrechtsorganisationen.

Dann bin ich schon beim zweiten Punkt, den der Herr Minister angeführt hat, nämlich seine Spendensteuerfreistellung, die dann nur für die Organisationen gilt, die für die Menschen aktiv sind – hat er gesagt.

Ich denke, dass auch Menschenrechts-NGOs für Menschen aktiv sind – das sind nämlich auch Menschen. Und auch Umweltschutz-NGOs haben etwas für Menschen übrig, denn die Umwelt soll deshalb sauber gehalten werden, damit die Menschen dort leben können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht um die Steuerfreistellung. Wenn man als Minister gewisse NGOs besserstellt und gewisse NGOs weniger gut stellt, nämlich bei der Steuerfreistellung, dann wird das dazu führen – und ich glaube, das ist auch in letzter Konsequenz das, was dahintersteckt –, dass die zu streiten anfangen. (Bundesrat Mag. Himmer: Habe ich nicht gesagt!) Das hätte er gerne gehabt; zum Glück tun sie es nicht.

Eine weitere Sache, die hier auch schon ein paar Mal angesprochen wurde: Den neuen Begriff Bankenschirm finde ich irgendwie spannend. Auch ich bin der Meinung, dass mit diesen Haftungen, die wir da jetzt vom Bund aus übernehmen, sicher noch nicht alles gesichert ist. Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie viele Gemeinden mit Haftungen in Sparkassen drinnen stecken und welche Haftungen es nicht sonst alles gibt, die sich noch kein Mensch angeschaut hat, auch beim Bankengesetz, das wir hier besprochen haben. Es ist Geld zur Verfügung gestellt worden, aber von Kontrolle ... (Bundesrat Mag. Himmer: Was wäre, wenn wir das nicht beschlossen hätten, wenn alle so abgestimmt hätten wie die Kollegin Kerschbaum?) Wie die Frau Kollegin Kerschbaum? Die Frau Kollegin Kerschbaum hat nämlich deshalb nicht zugestimmt, weil da ein entscheidender Teil gefehlt hat: die Kontrolle, ja! Und wenn ich jetzt sage, ich gebe Haftungen her und ich gebe günstige Kredite her – oder wie auch immer –, damit die Banken ihr Eigenkapital stärken, dann erwarte ich mir, dass der Bund die Kontrolle wahrnimmt.

Und das sehe ich noch in keinem Fall, dass der Bund die Kontrolle wahrnimmt, oder? Siehst du die Wahrnehmung der Kontrolle irgendwo bei diesen Banken, die bis jetzt Geld angefordert haben? – Ich nicht! Deshalb habe ich auch nicht zugestimmt. Und das fehlt nach wie vor massiv. Vielleicht werden Sie ja irgendwann einmal auch kontrollieren, was mit dem Geld passiert ist, das wir zuschießen oder herborgen. Ich weiß, wir schießen es nicht zu, wir borgen es ja nur her, aber eine Haftung kann auch schlagend werden. (Bundesrat Mag. Klug: Nicht zahlen, haften!) Genau, eine Haftung kann schlagend werden. Und es gibt so viele Haftungen, und wenn da einmal etwas anfängt schlagend zu werden, wird es unangenehm auch für den Bund.


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Zur Frauenpolitik braucht man, glaube ich, gar nicht allzu viel zu sagen. Es steht auch nicht allzu viel im Regierungsprogramm drinnen. (Bundesrat Mag. Klug: Nein, nein!) Ich habe jetzt gehört, dass eine Quote von 40 Prozent in Aufsichtsräten gefordert wird. Das hat mir schon als Idee Ihrer Vorgängerin sehr gut gefallen. Nur, wenn ich mir die Regierung anschaue, dann stelle ich fest, da liegt die Frauenquote nach wie vor bei 35 Prozent. Da hätte ich mir ein besseres Vorbild gewünscht, dann würde es vielleicht auch die Wirtschaft leichter umsetzen. Aber vielleicht sollte man eben wirklich diese 40 Prozent-Quote zumindest einmal im Nationalrat einfordern oder später einmal in der Regierung.

Ansonsten ist in der Frauenpolitik nicht viel mehr drinnen als Arbeitskreise. Vielleicht haben Sie mehr von dem verdeckten Geld entdeckt – ich habe es nicht gesehen –, wo da Projekte umgesetzt werden sollten, für die auch Geld in die Hand genommen wird.

Es wurde schon des Öfteren erwähnt, dieses neue Regierungsprogramm ist sehr umfangreich, es ist dick. Es hat nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis, aber man kann es schon lesen. Es kommt nicht immer auf den Umfang an, im Prinzip kommt es auf die Inhalte an – das hat Herr Himmer schon gesagt. Aber so wie in deiner Rede, lieber Harry Himmer, haben mir auch sehr die Inhalte gefehlt, denn außer – unterschiedlich – „Kuschelkurs“ und „Streitkurs“ und dass die Grünen und die Blauen und die Orangen ja auch nichts weiterbringen, war nicht sehr viel drinnen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Ich werde es dann nachlesen, vielleicht finde ich die Inhalte beim Nachlesen. Ich habe das Regierungsprogramm nachgelesen, da habe ich nicht allzu viele Inhalte gefunden. Abstimmen müssen wir es ohnehin nicht. (Beifall der Bundes­räte Dönmez und Schennach.)

11.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich möchte sehr herzlich in unserer Runde Herrn Bundesminister Mitterlehner und Herrn Staatssekretär Lopatka begrüßen. Herz­lich willkommen bei uns! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klug. – Bitte.

 


11.16.30

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kein Hehl daraus machen, dass es uns aus der Sicht der Sozialdemokratie ein besonderes Anliegen ist und es uns darüber hinaus auch besonders freut, dass sich diese Bundesregierung im Regierungsübereinkommen als primäres und vorrangiges Ziel die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gesetzt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns täglich die Entwicklungen vor Augen führen und wenn wir uns andererseits die ein­schlägigen Meinungen von Experten des Wifo und ähnlichen zu Gemüte führen, dann müssen wir zum heutigen Zeitpunkt sagen, dass wir einer sehr, sehr düsteren wirt­schaftlichen Entwicklung entgegenschreiten. Und ich glaube, dass insbesondere die Prognosen hinsichtlich des Anstiegs der Zahl der Arbeitslosen von einem Gefahren­potenzial zumindest von hunderttausend mehr ausgehen, was uns allen zu denken geben muss. Dies nicht nur, weil wir natürlich auch wissen, dass Arbeits­losigkeit eine der teuersten Formen ist; weil wir wissen, dass Arbeitslosigkeit in diesem Ausmaß 4,7 Milliarden € Entfall von Einnahmen aus der Lohnsteuer bedeutet; nicht nur, weil wir wissen, dass Arbeitslosigkeit in diesem Zusammenhang 2,85 Milliarden € an Arbeits­losengeldzahlungen nach sich zieht, nein, sondern weil wir natürlich auch wissen, dass in diesem Zusammenhang wahnsinnig viele menschliche Schicksale der Betroffenen und dann auch der Familien dahinterstecken.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte daher auch sofort zu Beginn die Gelegen­heit ergreifen, um mich auch als steirischer Bundesrat für die beiden Konjunkturpakete aus der Sicht der Steiermark ausdrücklich zu bedanken. Wenn ich das sage, dann möchte ich insbesondere hervorheben, dass wir eines der Bundesländer sind, die auf Grund der besonderen Problematik – Schwerpunktsetzung im Automobilsektor, aber natürlich auch in der einschlägigen Schwerindustrie – im Moment sehr, sehr stark mit den konjunkturellen Schwierigkeiten, die sich im Bereich der Industrie auswirken, zu kämpfen haben. Andererseits sind es im gesamten Bundesgebiet derzeit in Summe bereits 9 000 Kolleginnen und Kollegen, die von Kurzarbeit betroffen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich die Diskussionen hier im Bundesrat verfolge, dann denke ich mir gelegentlich eigentlich schon, es wäre gut, würde der eine Kollege oder die andere Kollegin von dem ab und zu so durchklingenden Hochmut ein biss­chen heruntersteigen, das würde vielleicht einmal ganz gut tun.

Ich möchte kurz ein Beispiel erwähnen. Mittwoch Vormittag in der Steiermark, ein Gewerbeunternehmen mit 40 Beschäftigten. Ich bin als Gewerkschaftsvertreter hinge­rufen worden, um Kurzarbeitsvereinbarungen mit den Eigentümern und den Kollegin­nen und Kollegen gemeinsam zu treffen. Es ist schwierig, wenn Sie dann am Ende nach zweieinhalb Stunden Verhandlungen vor der Belegschaft stehen und in 80 Augen von 40 Kollegen schauen müssen, wobei Sie wissen, es wird die Arbeitszeit mit hoher Wahrscheinlichkeit ab 19. Jänner um 50 Prozent reduziert, und zwar für drei Monate – von 19. Jänner bis Mitte April –, und der Unternehmer reinen Herzens heute nicht sagen kann, was danach sein wird.

Jetzt denken vielleicht viele, da geht es um die Automobilindustrie. Im konkreten Beispiel ist es bedauerlicherweise falsch. Es ist ein Gewerbeunternehmer mit hervorragenden Facharbeitern. Er hat mit der Automobilindustrie überhaupt nichts zu tun. Er hat in Wahrheit eine hohe Abhängigkeit von drei großen steirischen Metall­industrieunternehmen. Vorsichtig wie wir Gewerkschafter sind, haben wir da natürlich auch recherchiert, und wir müssen sagen: Es stimmt alles! Die einschlägigen drei großen Industrieunternehmen in der Steiermark sagten mir: Uns brechen die Aufträge weg!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn in Anbetracht dessen die eine oder andere Wortwahl hier im Bundesrat unpassend ist, dann denke ich mir: Gott sei Dank sind die meisten von uns hier herinnen von solchen Schicksalen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht betroffen, aber wir sollten gerade in solchen Krisenzeiten an die davon betroffenen Menschen verstärkt denken. Daher sage ich, vor allem aus der Sicht der Steiermark: Vielen herzlichen Dank für die bereits beschlossenen Maß­nahmen! Ich hoffe zwar, dass sie reichen werden, bin mir dessen aber nicht ganz sicher und appelliere daher an eine gemeinsame Kraftanstrengung in diesem Zusam­menhang.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon Nestroy hat gesagt: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ – Ich hoffe doch, dass wir davon ausgehen können, dass in diesem Bereich die Kraftanstrengungen ausreichen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da dies heute doch gewissermaßen eine weih­nachtliche Sitzung ist, möchte ich, und zwar auch in Hinblick auf das Thema „Pen­sionen“, das vom Kollegen Schennach schon angesprochen wurde, an dieser Stelle sagen: Es kommt auch auf das Klima hier im Bundesrat an, darauf, wie wir in Zukunft hier miteinander arbeiten wollen.

Ich halte jetzt keine Brandrede; ich habe es gelegentlich schon versucht, vielleicht ist es auch geglückt. Dies ist heute sozusagen eine „Weihnachtssitzung“, und daher halte ich ganz bewusst keine Brandrede. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang schon


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eines sagen: Wenn wir die Rollenverteilung so wählen, dass es klar ist: wir treten gemeinsam an, die Sozialdemokraten haben sich mit der ÖVP gefunden, wir ver­suchen, ein Programm für die bevorstehende Legislaturperiode gemeinsam auf die Beine zu stellen, dann ist es klarerweise auch so, dass es auch hier im Bundesrat eine Oppositionsrolle gibt. Das ist selbstverständlich. Herr Kollege Schennach hat nämlich bereits zur Regierungserklärung von Bundeskanzler Gusenbauer die besondere Berück­sichtigung der Oppositionsrolle hier im Bundesrat eingefordert. Stefan, ich habe mir das extra ausdrucken lassen, damit ich mir ganz sicher bin, dass ich vom Richtigen spreche. Da geht es im Wesentlichen dann auch darum, dass die Oppositionsrolle auch eine Rolle ist, die man mit Verantwortung wahrnehmen muss.

Wenn das Regierungsübereinkommen in Bezug auf den Bereich der Sozialpolitik hier im Bundesrat von der Opposition mit den Worten bedacht wird: Wir bedauern aber schon, dass sich die neue Bundesregierung von der gesetzlichen, der staatlichen Pension verabschiedet!, dann muss ich sagen: Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund, so mimosenhaft zu reagieren, sich aber auf der anderen Seite zu denken: Na ja, vielleicht stimmt es nicht ganz, aber der Kollege Klug wird das dann schon klären!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so kompliziert ist das alles nicht. Ich weiß, es ist ein sehr umfassendes Regierungsprogramm, es sind immerhin 267 Seiten. Aber wenn man sich die Mühe macht, auf umweltfreundliche Weise von Graz nach Wien zu fahren – das tun auch wir Sozialdemokraten, lieber Kollege Schennach, und zwar mit dem Zug –, dann hat man die Gelegenheit, dieses umfassende Regierungsprogramm von 267 Seiten von vorne bis hinten durchzulesen. Und da sieht man, was zum Thema „Pensionen“ steht, und zwar auf Seite 165. Ich zitiere:

„Die Bundesregierung macht es sich daher zur zentralen Aufgabe, das gesetzliche Pensionssystem nachhaltig abzusichern und auszubauen.“ – Ich betone: zentrale Aufgabe!

Und weiters: „Die erste Säule des Pensionssystems“ – wir alle wissen, was wir im Zusammenhang mit der Pensionsversicherung unter der ersten Säule verstehen – „muss so gestaltet sein, dass die Menschen sich auf eine ausreichende Existenz- und Lebensstandardsicherung“ – das ist keine unwichtige Formulierung! – „im Alter verlassen können...“

Wenn ich mir dann all das vergegenwärtige, was von der Opposition heute hier zum Thema „Pensionen“ bisher gesagt wurde, dann muss ich mir die Frage stellen: Haben wir ganz sicher alle das gleiche Regierungsübereinkommen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist schon wesentlich, wie wir miteinan­der umgehen wollen. Ich schließe mich da der Meinung des Kollegen Harald Himmer an und möchte an dieser Stelle seinen Appell zur Zusammenarbeit von Regierung und Opposition im Bundesrat mit folgenden Worten abrunden: Es sei heute der Wettbewerb des besseren Arguments, der Wettbewerb der besseren Ideen bei der politischen Arbeit für die Menschen dieses Landes eröffnet! Ich glaube, zumindest für meinen Bereich heute deutlich sagen zu können: Es soll auch in Zukunft das bessere Argu­ment den Ausschlag für die Umsetzung geben!, aber es muss dann auch wirklich das bessere sein.

Zu guter Letzt noch zwei Gedanken – das möchte ich heute doch auch noch er­wähnen –: Uns im Bundesrat ist es auch immer wichtig, dass den Infrastrukturprojekten in den Ländern besonderes Augenmerk geschenkt wird. Selbstverständlich vertrauen wir zu hundert Prozent der neuen Regierungsmannschaft, aber die ambitionierten Ziele, insbesondere in den Bereichen Bahn, Asfinag und Bundesimmobilien­gesell­schaft, liegen uns sehr am Herzen. Und ich kann sagen: Ich bin ganz begeistert von dem Programm der thermischen Sanierungen! Das ist zwar heute ein bisschen unter-


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gegangen, aber wir wollen diesen wichtigen Punkt nicht vergessen. Wie gesagt, die geplanten Infrastrukturmaßnahmen in den Ländern freuen uns als Ländervertreter ganz besonders.

Da niemand jemals seine eigene Herkunft verschweigen soll, darf ich sagen: Das Bahnfahren von Graz nach Wien hat auch den Vorteil, dass man ein wenig Statistik mit dem neuen Regierungsprogramm betreiben kann. Ich sage es ganz offen und ehrlich: Es freut mich, dass in Summe 17 Mal – und ich habe es mir extra herausgeschrieben – die Sozialpartner in diesem neuen Regierungsprogramm erwähnt werden. Viele von Ihnen wissen, woher ich komme, und ich darf sagen: Nicht nur, dass wir uns ge­schmeichelt fühlen, dass es so ist, sondern wir wissen auch, dass damit Verantwortung verbunden ist, und wir nehmen diese Verantwortung sehr gerne wahr. (Bundesrat Ing. Kampl: Aber Kärnten hat man vergessen!)

Kollege Kampl, es gibt jetzt nämlich auch einen kulturellen Wandel: Es tritt eine neue Bundesregierung an, die die tollen Erfahrungen der Sozialpartner in der Vergangenheit in die Regierungsarbeit mit einfließen lassen will. Man könnte heute – wenn man in älterer Literatur nachliest, dann stellt man das fest – von einer kleinen Renaissance des Austro-Keynesianismus sprechen.

Ich gebe zu, zu Zeiten des Euro wäre die Hartwährungspolitik wirklich nicht mehr zeit­gemäß, aber ich begrüße es als Sozialdemokrat, dass man die Sozialpartner wieder in die Regierungsarbeit einbindet. Das zeigt sich schon daran, dass der Gesundheits­minister und der Sozialminister – jetzt wieder mit dem Kapitel „Arbeit“ in unserer politischen Heimat – aus dem Gewerkschaftsbund kommen und auch der Herr Wirtschaftsminister einschlägige Sozialpartnererfahrungen hat. Das freut uns ganz besonders.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Start dieser Bundesregierung ist perfekt gelungen. Wir im Bundesrat freuen uns auf die Zusammenarbeit! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.28


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitterer. Ich erteile ihm dieses.

 


11.28.53

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Ministerinnen und Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Natur­gemäß kann ich als Mitglied einer Oppositionspartei nicht sagen, dass der Start gelungen ist, vielmehr möchte ich mit einer Betrachtung beginnen: Herr Bundeskanzler Faymann hat gemeint, er sei sich nicht ganz sicher, welche 50 Prozent der Regie­rungserklärung er uns hier heute darlegen soll, weil er für die 100 Prozent nicht Zeit haben wird. Dazu fällt mir ein Zitat eines sehr bekannten Werbefachmannes ein, der meinte: 50 Prozent des Werbebudgets ist hinausgeworfenes Geld, man weiß nur nicht, welche 50 Prozent!

Ich sage, hier ist die Beurteilung ganz einfach: Beide 50 Prozent der Regierungs­erklärung sind hinausgeworfenes Geld, und zwar schon in Anbetracht dessen, dass wir, um zu einer neuen Regierungserklärung zu kommen, 60 Millionen € verbraucht haben, weil wir die Wählerinnen und Wähler neu befragen mussten. Und das ist kein guter Start!

Dann zu sagen, dass alles sehr schnell gegangen ist, bedeutet nichts anderes als das Eingeständnis, dass Geschwindigkeit vor Qualität gestanden ist, und die Qualität ver­misse ich tatsächlich in vielen Bereichen. Ich werde es mir jetzt allerdings ersparen, die


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Qualität in den einzelnen Sparten, die ja schon von einigen meiner Vorredner ange­sprochen wurde, zu beurteilen, sondern nur einen Punkt herausstreichen.

Ich versuche, Ihnen zu erklären, warum wir glauben, dass aus der Sicht Kärntens diese Regierungserklärung überholungsbedürftig ist. Wenn man heute mit modernen Mitteln eine Suchmaschine startet und dann bei der Regierungserklärung, die 267 Seiten stark ist, die Begriffe „Klagenfurt“ und „Kärnten“ eingibt, schweigt sich diese Maschine sozu­sagen aus. Das heißt, in der Regierungserklärung kommen Projekte, die vorgezogen werden sollten, um die Konjunktur anzukurbeln, nicht vor. Das ist aber auch kein Wunder, denn es findet sich in der 18-köpfigen Regierungsmannschaft aus einem der neun Bundesländer weder ein Staatssekretär noch ein Minister. Das war in der vorhergehenden und in der vorvorhergehenden Regierung nicht der Fall. Ähnlich geht es den Steirern, denen ich ein bisschen zu Hilfe eilen muss, aber die Steirer sind mit einem Staatssekretärposten einverstanden, denn das ist immerhin noch besser als gar nichts. Wir jedoch sind, was Kärnten anlangt, nicht einverstanden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nun möchte ich mich abschließend in zweifacher Hinsicht bedanken – weil ja Weih­nachten vor der Tür steht.

Erstens: Im Unterschied zum verstorbenen Bundeskanzler Kreisky, der meinte, dass Kärnten als Urlaubsland zu teuer ist, gibt es jetzt einen Bundeskanzler, der zu Weih­nachten das schöne Kärntnerland, nämlich Bad Kleinkirchheim, aufsuchen wird, und das freut mich als Tourismussprecher in Kärnten. Ich wünsche ihm jetzt schon einen angenehmen Winterurlaub, und das ist wirklich ernst gemeint.

Zweitens: Als ein Politiker aus einem Bundesland, wo es am 1. März 2009 Wahlen gibt, nämlich Gemeinderats-, Bürgermeister- und Landtagswahlen, bedanke ich mich jetzt schon bei den beiden Koalitionsparteien für die kräftige Wahlhilfe zu unseren Gunsten. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall des Bundesrates Ing. Kampl.)

11.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Preiner. – Bitte.

 


11.32.45

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Herren Minister! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen eigentlichen Ausführungen vorausschicken, dass ich den Mit­gliedern der Bundesregierung sehr herzlich zur Regierungsbildung gratuliere. Ich glaube, es muss auch einmal gesagt werden: In einer Rekordzeit von nur 5 Wochen sind die Verhandlungen von den inhaltlichen Bereichen her finalisiert worden.

Meine Damen und Herren! Die neue Bundesregierung unterscheidet sich meiner Meinung nach in zwei wesentlichen Punkten von der vorangegangenen.

Erstens – etwas sehr Positives –: Es gibt ein klares Bekenntnis, auch festgeschrieben, zur Zusammenarbeit, zum gemeinsamen Arbeiten für Österreich, für die Bevölkerung Österreichs. Das ist, wie wir wissen, nicht immer so gewesen.

Zweitens: Es ist gleich einer Dunstglocke die derzeit herrschende Finanz- und Wirt­schaftskrise über die Bundesregierung sozusagen drübergestülpt. Dafür sind nicht wir verantwortlich, sondern diese Krise ging, wie heute schon einige Male gesagt wurde, von den USA aus und hat uns mehr oder weniger überraschend getroffen. Ich meine, dass im aktuellen Regierungsprogramm sehr wesentliche Punkte enthalten sind, die es ermöglichen, gegen die herrschende Wirtschaftskrise, die auch in der Realwirtschaft Eingang findet, geeignete Maßnahmen zu setzen.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 49

Diese Wirtschafts-, Finanz- und Bankenkrise ist zugleich eine der größten sozial­politischen Herausforderungen in der Zweiten Republik. Sie macht naturgemäß auch vor Österreich nicht Halt, verursacht bereits Einbrüche in der Auftragslage der Auto- und Zulieferindustrie, führt zu stagnierenden Aufträgen im Bau- und Baunebengewerbe und bewirkt, dass wir auch in anderen Branchen mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit in den nächsten zwei Jahren rechnen müssen.

Es geht nun darum, alles zu unternehmen, um dieser globalen Krise entgegenzu­wirken. Daher sind auch seitens des Staates Impulse zur Steigerung der Inlands­nach­frage auch im privaten Bereich zu setzen, die KMUs als Rückgrat unserer Wirtschaft zu stärken und Maßnahmen gegen eine überbordende Arbeitslosigkeit zu setzen.

Im aktuellen Regierungsprogramm sind diese Weichen, meine ich, in die richtige Richtung gestellt, wie etwa in Form einer Investitionsoffensive, und zwar auch im infrastrukturellen Bereich, in Form einer Steuerreform 2009, durch eine Entlastung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, aber auch durch Investitionen in Alternativ­energien.

Das Regierungsübereinkommen ist meiner Meinung nach sozial fair, ausgewogen und gerecht. Es gilt, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen und vor allem Wohlstand und Beschäftigung in unserem Lande nachhaltig zu sichern. Dies soll vor allem durch Investitionen, etwa in den Klimaschutz, aber auch in schulische Bildung, in Aus- und Fortbildung geschehen.

Wo liegen die Schwerpunkte? – Meiner Meinung nach in den Bereichen Energie-, Klima- und Umweltpolitik. Diese finden sich auch im Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung. Ziel ist die Reduktion des Energieverbrauchs, um die vorgegebenen Klimaziele zu erreichen. Als Anreiz zur thermischen Sanierung im Wohnbereich wird zum Beispiel ein Energiesparscheck im Wert von 100 Millionen € eingeführt.

Ein zweiter Bereich betrifft den Klimaschutz in Gebäuden. Da ist es notwendig, dass die Artikel-15a-Vereinbarungen rasch ratifiziert werden, um schon im Jahre 2009 starten zu können und das Ziel des Ausstiegs aus Ölheizungen – hoffentlich in sehr vielen Haushalten – zu erreichen.

Das Regierungsprogramm enthält auch Maßnahmen zur sicheren und leistbaren Ener­gieversorgung, zu bewusstem Umgang mit Energie und zu einer effizienten Nutzung der erneuerbaren Energien mit dem Ziel der Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Ich meine, finanzielle Investitionen in erneuerbare Energien sind auch Investitionen in Arbeitsplätze, die Zukunft haben.

Einige weitere Schwerpunkte, die mir wesentlich erscheinen: Verstärkte Information der Konsumenten zum Wechsel des Energieträgers, aber auch Stärkung der Markt­missbrauchsaufsicht, Fokussierung der Forschungstätigkeiten des Klima- und Energie­fonds auf die Verbesserung der Energieeffizienz und die CO2-Reduktion sowie Ver­meidung von Doppelgleisigkeiten, des Weiteren ein klares Bekenntnis zu den EU-Zielen, bis 2020 eine Reduktion des CO2-Ausstoßes von 20 Prozent und eine Steige­rung des Anteils von Sonne-, Wind- und Wasserkraftwerken am Energieverbrauch im Ausmaß von 20 Prozent im EU-Schnitt zu erreichen.

Wie Sie wissen, haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 34 Prozent zu erhöhen. Gegenwärtig befinden wir uns bei 23 Prozent. Es ist also schon realistisch, diesen Wert anzupeilen. Weiters ist unser Ziel eine Steige­rung der Energieeffizienz um 20 Prozent.

In der Anwendung erneuerbarer Energien nimmt bekanntlich das Burgenland eine Vorreiterrolle ein, und das nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das „Europäische Zentrum für erneuerbare


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Energie“ in Güssing, im Südburgenland, auf den Ausbau von Windkraft, aber auch von Biomasseanlagen, was weiter forciert wird.

Das Land Burgenland gewährt höchste Förderungen und nicht rückzahlbare Zuschüsse bei Verwendung alternativer Heizungsanlagen, ist bei Neubauten und Sanierungen mit einer Gesamtenergiekennzahl von 40, zum Beispiel bei Einfamilien­häusern, gleichzusetzen mit Vorarlberg und stellt als zusätzliche Konjunkturoffensive für 2009 142 Millionen € für die Wohnbauförderung zur Verfügung. Diese kommt vor allem den kleinen Häuselbauern, gerade in finanziell und wirtschaftlich interessanten Zeiten wie diesen, zugute.

Die „Burgenländische Energieagentur“ bietet zusätzlich Gemeinden, Betrieben, aber auch Privaten über das ECO-Projekt die Möglichkeit einer Energieberatung – kostenlos wohlgemerkt! – für Betriebe und für Private bei einem Eigenkostenanteil von 40 Pro­zent für die Gemeinden; die restlichen Prozent stammen aus diversen Fördermitteln.

Ziel ist weiters – und das auch klar dargelegt im Regierungsprogramm –, eine Steige­rung des Ökostromanteils, eventuell durch höhere Förderung bei Anschaffungen, zum Beispiel bei Photovoltaikanlagen, zu erreichen. Es geht auch um eine nachhaltige Nutzung von Biomasse, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Energie- und Kosteneffizienz.

Wichtig ist mir darüber hinaus auch, dass sich Österreich im Regierungsprogramm zu einem aktiven Klima- und Umweltschutz bekennt. Eine Forcierung der Umwelt­technologie eröffnet natürlich auch entsprechende Exportchancen. Die Nutzung heimi­scher erneuerbarer Energie hilft, die Importabhängigkeit bei Energieträgern zu verrin­gern, und – ich wiederhole mich, weil es ja auch wesentlich ist – schafft Arbeitsplätze.

Wesentlich ist darüber hinaus, dass mit einem Bundes-Klimaschutzgesetz Klimaziele und -verantwortlichkeiten in Form von Artikel-15a-Vereinbarungen gesetzlich bindend festgeschrieben werden.

Zukünftig, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist der Klima- und Energiefonds mit jährlich 150 Millionen € dotiert. Hier möchte ich schon meinen, dass es auch ein bisschen mehr hätte sein können.

Aufgrund des Klimawandels ist es auch ein richtiger Schritt, dass die Bundesregierung das Ziel verfolgt, Strategien zur Anpassung an den bevorstehenden Klimawandel zu erarbeiten.

Noch ein Wort zur Anti-Atompolitik, die meiner Meinung nach sehr wesentlich ist, an der wir auch national festhalten sollen, was wir aber in Zukunft hoffentlich auch mit etwas mehr Vehemenz und Nachdruck in den entsprechenden EU-Gremien artiku­lieren.

Der Umstieg auf alternative Antriebe und Kraftstoffe wird auch im neuen Regierungs­programm weiter vorangetrieben. Hier gilt es verstärkt zu fördern, auch im Bereich der Tankstelleninfrastruktur, und weitere Anreize, auch zum Beispiel über die Preis­gestaltung, zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu geben.

Ziel ist klarerweise, dass gemeinsame Klimaschutzziele mit den übrigen EU-Staaten bis 2020 zu erreichen sind. Alternativen zu diesen Vorstellungen gibt es meiner Meinung nach nicht.

Das vorliegende Klimapaket, denke ich, ist ein guter Kompromiss im Hinblick auf die aktuelle Wirtschaftskrise. Außergewöhnliche Krisen verlangen, wie wir wissen, natür­lich auch außergewöhnliche Maßnahmen. Die Bundesregierung bekennt sich, wie ich eingangs schon erwähnt habe, zur Zusammenarbeit, zu einem gemeinsamen Arbeiten im Sinne unserer Bevölkerung. Und wenn dieser Pfad nicht verlassen wird, bin ich


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optimistisch, dass dies im Sinne des neuen Regierungsprogramms auch zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher gelingen wird. Dazu wünsche ich als burgen­ländischer Vertreter hier im Bundesrat der neuen Bundesregierung alles erdenklich Gute und bedanke mich zugleich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


11.43.25

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Hommage auf das Burgenland erwarten jetzt die meisten, dass eine Hommage auf das „Ländle“ kommt, aber ich werde mich eher an unser Regierungsprogramm halten. Ich habe auch nicht gegoogelt, ob „Vorarlberg“ darin vorkommt; ich denke, es ist für alle Österreicher etwas dabei. (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!) Wir haben ein hervorragendes Regierungsprogramm, und das ist heute hier auch Gegenstand der Diskussion.

Die Bundesregierung hat ja bereits in den ersten Tagen bewiesen, dass sie der neuen Regierungsarbeit eine besondere Qualität verleiht. Sie hat sich nämlich die Arbeit auf die Fahnen geschrieben, und das wird auch von Beginn an praktiziert. Diese Bun­desregierung braucht auch keine „Schonfrist“, wie man es schon gehört hat, denn eine Schonfrist braucht nur jemand, der schwach oder schwächlich ist, aber unsere Leute sind starke Leute. Wir haben einen Bundeskanzler, einen Vizekanzler, hervorragende Minister, eine hervorragende Regierungsmannschaft – da braucht es keine Schonfrist, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Angesichts einiger Aussagen komme ich aber doch nicht umhin, den Kopf zu schütteln, beziehungsweise angesichts dessen, was sich heute hier alles schon so abgespielt hat: Zurufe aus allen Bereichen, die nicht nur unverständlich sind, sondern die schlecht sind, weil sie eben keinen Inhalt haben. Wenn man ein Regierungsprogramm nur kritisiert, ohne selbst Vorschläge zu machen, dann ist das ein bisschen wenig. Vor­schläge habe ich nämlich keine gehört – außer vielleicht in Bezug ein neues Donau­schiff, von dem niemand wissen soll, wie es ausschaut. Frau Kollegin Kerschbaum, das war der einzige Input, der von Ihrer Seite gekommen ist. Wenn man in 267 Seiten Regierungsprogramm keinen Inhalt findet, dann hat man es vermutlich nicht ver­standen und muss es noch einmal lesen – denn angesichts dessen, was Sie dazu alles noch gefordert haben, braucht es dann 5 000 Seiten und nicht 267 Seiten. – So schaut’s aus!

Wir haben mit dieser Regierung bereits wichtige Impulse gesetzt. Wir haben mit dem Bankenhilfspaket 100 Milliarden € zur Verfügung gestellt. Der Herr Bundeskanzler hat es schon angesprochen, dass das nicht ein Geldgeschenk an die Banken ist, sondern dass es wesentliche Impulse im Finanzsektor geben soll. Wir haben Konjunkturpakete geschnürt, zwei mit insgesamt 3 Milliarden €, was in Europa seinesgleichen sucht.

Auch die Länder und Gemeinden sind hier aufgestiegen und haben durch Stützungs­aktionen entsprechend Geld zur Verfügung gestellt, so wie das Land Vorarlberg zum Beispiel mit einem Konjunkturpaket von 60 Millionen € – das kleine Land Vorarlberg!

Kollege Mitterer hat gesagt, dass die Regierung dieses Regierungsprogramm im Husch-Pfusch-Verfahren erstellt habe. Da muss ich ihm widersprechen, und ich erinnere daran, dass die Oppositionsparteien sogar eine Sondersitzung verlangt haben, weil es ihnen zu langsam ging, wie wir dieses Regierungsprogramm und die


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Regierung erstellt haben. Deshalb kann ich diesen Vorwurf nur auf das Schärfste zurückweisen.

Bei Bewältigung derartiger Krisen braucht es auch ein gutes Management, und wir haben mit unserem Management in dieser Regierungsarbeit in wenigen Wochen bewiesen, dass wir fähig sind, auf Krisen zu antworten und rasch entsprechende Lösungen zu finden, und das hat daher schon eine besondere Qualität.

Wenn man jetzt die Möglichkeit hat, diese Pakete zur Verfügung zu stellen, dann baut man damit auf einer guten Finanz- und Wirtschaftspolitik der letzten Jahre auf: Wir haben die notwendigen Sparmaßnahmen getroffen, um Geld zu haben in der Not. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!“ – das wird wahrscheinlich ein Vorarlberger irgendwann einmal erfunden haben.

Es gibt drei große Bereiche, die mich besonders ansprechen in dieser Regierungs­arbeit, in diesem Regierungsprogramm. Das ist in erster Linie, wie wir heute schon gehört haben, die Bewältigung der Finanzkrise, zweitens eine entsprechende Ent­lastung im Bereich der Steuern und drittens eine Stärkung der heimischen Wirtschaft; darauf wird Kollege Perhab noch im Detail eingehen.

Es ist ein großer Gradmesser, wenn wir insbesondere bei den Steuern, nämlich mit der Senkung der Lohn- und Einkommensteuer – wie erwähnt, vorgezogen bereits zum 1. Jänner 2009 –, 2,2 Milliarden € der Bevölkerung zurückgeben. Das ist aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Impuls, weil 13 Prozent der Steuerzahler derzeit bereits 60 Prozent des Lohnsteueraufkommens bestreiten. Es ist daher auch wichtig, dass man hier etwas zurückgibt, denn auch diese Menschen haben eine Steuerentlastung verdient.

Dies ist natürlich auch unter dem Blickwinkel zu sehen, dass bisher bereits 2,3 Mil­lionen Menschen in Österreich, die im Arbeitsprozess sind, keine Steuer bezahlt haben. Und zu diesen kommen jetzt noch 400 000 dazu. Insgesamt werden aufgrund dieser Steuerreform dann 2,7 Millionen Menschen in Österreich keine Steuer mehr bezahlen. Und ich denke, das ist auch ein Wert, den es aufzuzeigen gilt. (Bundesrätin Kerschbaum: Keine Einkommensteuer! Denn die anderen Steuern zahlen sie schon!) – Keine Lohn- und Einkommensteuer, ja, ja. Sie müssen im Arbeitsprozess sein, um Steuer zu zahlen, Frau Kollegin Kerschbaum, das ist schon logisch. (Bun­desrätin Kerschbaum: Man kann aber andere Steuern auch zahlen! Um­satzsteuer zum Beispiel!) Ja, ja, klar. Umsatzsteuer zahlt aber jeder: Jeder, der etwas kauft, zahlt Umsatzsteuer. – Ich bin schon „dankbar“ für diese „logische“ Erklärung, die werde ich mir „extra notieren“.

Mir sind natürlich auch besonders die Familien wichtig, und für diese hat die Bun­desregierung mit zusätzlichen 500 Millionen € einen weiteren wesentlichen Impuls gesetzt. Das sind keine Lippenbekenntnisse, sondern Fakten, und das bringt uns weiter auf dem Weg zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist ein ganz zentraler Ansatz, meine sehr verehrten Damen und Herren, und es ist auch Faktum: Wenn man die dreizehnte Familienbeihilfe dazuzählt – das sind immerhin auch 250 Millionen €, verbunden mit dem Kindergartenjahr –, so wird man feststellen, das ist eine ganz, ganz wesentliche Investition in die Zukunft, Frau Kollegin Mühlwerth. Und da kann ich nur sagen: Danke schön mit roten Rosen!

Wenn wir dann noch weitere Punkte dazurechnen – vom Kinderfreibetrag mit 220 € pro Kind über den Kinderabsetzbetrag, den wir von 610 auf 700 € erhöht haben, bis hin zur Absetzbarkeit der Kinderbetreuung –, dann können wir sagen, wir haben wirklich ganz, ganz wichtige Punkte für die Familien umgesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 53

Da Sie, Frau Kollegin Mühlwerth, gesagt haben, wir haben nichts oder zu wenig für die Familien getan, sind all die von mir genannten Punkte Beispiele, die Sie sich jetzt notieren müssen. Ich drucke Ihnen dann vielleicht meine Rede aus, oder Sie bekom­men mein Papier.

Wir haben noch einiges ausrechnen lassen, um Ihnen das noch deutlicher vor Augen zu führen. Zwei konkrete Beispiele:

Doppelverdienerhaushalt, ein Kind beziehungsweise drei Kinder, Familieneinkommen 3 800 €. – Ein Doppelverdienerhaushalt mit einem fünfjährigen Kind, in dem der eine Elternteil 2 500 € brutto und der andere 1 300 € brutto verdient, kann sich mit der neuen Familienbesteuerung und der 13. Familienbeihilfe jährlich 2 213 € ersparen! Und bei drei Kindern und gleichem Einkommen beträgt die jährliche Ersparnis 3 663 €! – Wenn das keine effektive Familienentlastung ist, Frau Kollegin Mühlwerth, dann können wir das wirklich alles „auf den großen Haufen schmeißen“. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich möchte noch auf einen weiteren Aspekt, auf die Sicherheit, zu sprechen kommen, weil sie auch ein wesentlicher Punkt in diesem Regierungsprogramm ist. Es werden 1 000 zusätzliche Ausbildungsplätze bei der Polizei dazukommen. Wir sind uns auch dessen bewusst, dass im Bereich der Asylpolitik und in der Zuwanderungspolitik etwas zu geschehen hat, das hat der Herr Vizekanzler schon gesagt. Jedem, der in Öster­reich Schutz sucht, wollen wir auch helfen, aber für jene, die Asylmissbrauch betreiben oder unter Asylvorwänden in ihren kriminellen Machenschaften verharren, soll es kein Pardon geben.

Da gebe ich übrigens dem Kollegen Efgani Dönmez vollkommen recht. Es war eine sehr intelligente Aussage im „Standard“, Herr Kollege Dönmez! Und wie schreibt dann doch Herr Jeannee in der „Kronen Zeitung“ vom 17. Dezember so passend – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus der „Kronen Zeitung“ –:

Daher, Bundesrat Dönmez, jetzt bloß nicht verzagen, klein beigeben und den Schwanz einziehen, sondern weiter so und mutig voran in die neuen grünen Zeiten! – Zitatende.

Kompliment! Endlich ein grüner Politiker, der auch die Asylproblematik erkannt und verstanden hat – und das fernab von jeder grünen Polemik. Gratulation, Herr Kollege Dönmez! (Bundesrat Perhab: Bravo! – Weiterer Bravoruf bei der ÖVP sowie Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP.)

Österreich ist natürlich auch ein sicheres Land mit einer hohen Aufklärungsquote, weil wir auch sehr motivierte Beamtinnen und Beamte haben. Diesen wollen wir auch den Rücken stärken, weil sie Garant dafür sind, dass wir dieses Sicherheitsniveau auch halten können.

Was die Diskussion betrifft, die da im Zuge dieser Schusswechsel-Geschichte entfacht wurde, so muss man sagen – und die Kollegen aus dem Bereich der Exekutive werden mir recht geben –: Was die Medien da schon wieder mit den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aufführen, das ist etwas, was mir sehr, sehr sauer aufstößt und angesichts dessen ich mir denke, da haben wir unsere Beamtinnen und Beamten doch unter den richtigen gesetzlichen Schutz gestellt.

Ich möchte am Schluss so wie Kollege Klug noch auf den Arbeitsmarkt zu sprechen kommen. Das ist mir auch ein ganz großes und wichtiges Anliegen, denn wir wissen ja alle, durch die Finanzkrise sind wir längst bei dieser Problematik in der Realwirtschaft angelangt: hohe Arbeitslosenzahlen, steigende Arbeitslosenzahlen, die Konjunktur­pakete wirken sich noch nicht in dem Umfang aus, wie wir es haben möchten, und auch die Jugendarbeitslosigkeit ist bereits auf 7 Prozent angestiegen – also alles Werte, die sehr, sehr problematisch sind.


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Mir liegt auch besonders jeder Jugendliche am Herzen, der von der Straße wegkommt und der dann auch einer unserer zukünftigen Facharbeiter sein wird, denn: Wir haben einen eklatanten Facharbeitermangel, und es ist für mich ganz, ganz wichtig, dass diese Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm auch in diesem Bereich ganz wesentliche Impulse gesetzt hat. Es braucht hier einen Schulterschluss zwischen den Arbeitgebern und den ArbeitnehmerInnen, und ich bin diesbezüglich zuversichtlich, weil es eben auch diese neue Qualität in der Sozialpartnerschaft gibt – und nicht, wie Herr Kollege Schennach gesagt hat, dass wir uns da verabschieden. Es gibt irgendeine Zeitung, die sogar diesen idiotischen Begriff „Hundslehner“ geboren hat, weil eben der Präsident der Gewerkschaft Hundstorfer und Kollege Mitterlehner in der Bundes­regierung sind und darin für uns eben ein Comeback der Sozialpartnerschaft manifes­tiert wird. Wir brauchen diese Impulse auch, und ich glaube, dass diese sehr, sehr befruchtend auf den Arbeitsmarkt wirken können.

Ich möchte noch einen Punkt der Kritik, der sich inzwischen jedoch applaniert hat, aus Vorarlberger Sicht anbringen – der Herr Bundeskanzler ist jetzt nicht mehr da –: Bei uns gab es quer durch alle Parteien und auch bei den Interessenvertretungen, bei der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer, Unmut darüber, dass Kollege Kommerzialrat Egon Blum nicht mehr als Regierungsbeauftragter weiter beschäftigt wurde, weil er ein Querdenker ist und genau in diesen Krisensituationen prädestiniert wäre, hier neue Konzepte oder neue Ideen einzubringen. Ich höre jetzt aber beziehungsweise lese in einem Interview des Sozial- und Arbeitsministers Hundstorfer, dass dieser gesagt hat, er werde Egon Blum mit einbinden, er sei für ihn ein wesentlicher Faktor im Arbeits­markt und er habe viele, viele Ideen geboren, auch was Jugendbeschäftigung, was Lehrlingsbeschäftigung anbelangt, und Bundesminister Hundstorfer werde sich, in welcher Form auch immer, mit dem Kollegen Kommerzialrat Egon Blum ins Einver­nehmen setzen. – Das freut uns aus Vorarlberger Sicht ganz besonders.

Sehr verehrte Damen und Herren! Dieses Regierungsprogramm ist aus meiner Sicht in vielen Punkten hervorragend. Es enthält eine wichtige Weiterentwicklung auch des Sozial­staates. Wir stärken die Familien, wir stemmen uns massiv gegen die Arbeitslosigkeit. Es ist meiner Ansicht nach insgesamt auch ein besonders zukunfts­weisendes Regierungsprogramm, das jenen Handlungsspielraum schafft, den Österreich braucht. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kemperle. – Bitte.

 


11.56.13

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Regierung! Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Heute ist schon sehr viel über das Regierungsübereinkommen gesprochen worden – sehr viele wahre Dinge, aber auch Dinge, die wahrscheinlich so nicht im Regierungsübereinkommen stehen. Es wird also dem Regierungsübereinkommen schon einiges angedichtet, was es letztlich nicht beinhaltet. Daher möchte ich mich auf einige Kapitel beziehen und in diesem Zusammenhang auch einige Bemerkungen anbringen.

Ich weiß, es gibt sowohl auf unserer Seite als auch aufseiten der ÖVP, als auch – logischerweise – aufseiten der Opposition auch manche Bereiche, die wir sehr kritisch betrachten und letztendlich dann auch in der Umsetzung kritisch begutachten werden beziehungsweise wo wir versuchen werden, in den Verhandlungen und in Diskus­sionen manche Dinge klarzustellen beziehungsweise sie letztendlich auch in unserem Sinne auszulegen.


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Ein ganz wichtiges Kapitel stellt natürlich für uns insgesamt der Arbeitsmarkt dar. Der Arbeitsmarkt ist ein Kapitel, wo wir natürlich im Bewusstsein der gesamten Krise, der gesamten Banken- und Finanzkrise vor einer Situation stehen, über die wir vor einem halben Jahr noch etwas lächelnd gesagt haben: Das trifft uns im Grunde genommen nicht!, oder: Das kann uns nicht treffen! – Es hat uns schneller getroffen, als wir geglaubt haben, und deutlicher, als wir vermeint haben, dass es überhaupt in dieser Art und Weise eintreffen wird.

Deshalb finde ich es auch sehr gut und vorausschauend, dass man sich im Regie­rungsübereinkommen sehr viele und sehr positive Effekte für den Arbeitsmarkt ein­fallen hat lassen und letztendlich auch sehr stark darangeht, gerade in diesen Bereichen etwas zu tun. Allein die Aufstockung der AMS-Fachkräfteausbildung stellt einen wesentlichen Teil in diesem Regierungsübereinkommen dar, aber auch die frauenfördernden Maßnahmen und die Maßnahmen zur Förderung von Personen mit Migrationshintergrund, von Menschen mit Behinderung und von älteren Menschen. Das ist ein wesentlicher Bestandteil der Integrationspolitik auf dem Arbeitsmarkt, denn wir alle wissen, dass gerade Menschen, die ein Handicap haben, besonders davon betroffen sind, dass es für sie schwieriger ist, in den Arbeitsmarkt und in den Arbeitsprozess integriert zu werden.

Ein weiterer sehr positiver Effekt und auch für unsere Zukunft wichtig ist die Weiter­führung und die Finanzierung der Ausbildungsgarantie für Jugendliche, dass man sich also dazu bekennt und auch aktiv daran arbeitet und alles daransetzt, dass unsere Jugend auch tatsächlich die Möglichkeit hat, eine Ausbildung zu erlangen, und vor allem – was auch wichtig ist – daran arbeitet, dass Jugendliche eine Ausbildung haben und erlangen können, die sie auch wollen, wo sie also engagiert darangehen, diesen Lehrberuf zu ergreifen oder diese Ausbildung für sich in Anspruch zu nehmen.

Natürlich sind in diesem Zusammenhang auch die Rahmenbedingungen nicht un­wesent­lich, beispielsweise die Freifahrten für Lehrlinge sowie die Stärkung des Jugendvertrauensrates. Aber auch das Thema Internatskosten ist, wie ich leider Gottes auch in letzter Zeit feststellen musste, wieder aktuell, obwohl wir eigentlich immer wieder glauben, es beiseite schieben zu können.

Ich habe gerade ein Schreiben einer Mutter auf dem Tisch, deren Sohn in der Ausbildung ist, und für das Internat fallen, da er natürlich nicht in unmittelbarer Nähe in der Berufsschule unterkommt, Kosten an. Und in diesem Jahr fallen für diese Familie sogar zwei Mal Internatskosten an: einmal im Frühjahr, dann durch den Wechsel in die Berufsschule. Diese Mutter hat aus einer Pension netto 490 €, und der Vater, der invalid ist, hat derzeit einen Pensionsvorschuss von netto 690 €. Die Kosten für das Internat betragen 730 €. Es ist daher für diese Familie ein fast unüberwindbares Hindernis, diese Internatskosten zu tragen, und daher der Hilferuf an uns, ob es nicht möglich wäre, hier zu helfen.

Wir als Gewerkschaftsbewegung werden das natürlich sehr gerne tun. Allerdings sehen wir auch die Problematik, die dahinter steht, nämlich wie wichtig es ist, gerade auf solche Kleinigkeiten – für manche sind es tatsächlich Kleinigkeiten – zu achten, weil sie für manche ein unüberwindbares Hindernis auch in der Ausbildung darstellen. Daher ist es für uns sehr wichtig, in diesem Zusammenhang auch einen Part im Regierungsprogramm wiederzufinden, der sich genau mit dieser Problematik auseinan­der setzt. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Was wir gerade in diesem Bereich kritisch anmerken, das ist, dass im Regierungs­programm nicht dezidiert enthalten ist, dass beim AMS der Grundsatz Vermittlung vor Qualifikation überdacht worden ist. Hier sollte die Linie eine andere sein. Das heißt, wir hoffen doch, dass es im Gesamtpaket und bei der Umsetzung in diesem Zusam-


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menhang doch auch hier ein Überdenken gibt, und dass wir auf Qualifikation in erster Linie Rücksicht nehmen, was zwar ein wenig aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist, allerdings nicht dezidiert im Regierungsübereinkommen festgeschrieben ist.

Was den Bereich der Pensionen angeht: Hier ist es vor allem wichtig zu erkennen, dass Menschen keine Roboter sind, dass Menschen nicht in Kästchen gepresst wer­den können, und gerade im Regierungsübereinkommen findet sich wieder, dass es nicht so sein kann, dass einfach eine Pensionsautomatik eintritt und man quasi von einem Computer bewertet wird, und dass nicht Rücksicht genommen wird auf das Menschsein insgesamt, sage ich jetzt einmal, das sich auch nicht in solche Kästchen pressen lässt, denn letztendlich sind wir doch anders als Computer – Gott sei Dank!

In diesem Zusammenhang ist natürlich auch der Bereich Invalidität und Schwerarbeits­regelung zu sehen, denn gerade für uns ist das ein ungeheuer großes Anliegen. Derzeit ist es eher so, dass sehr viele nicht die Schwerarbeitsregelung in Anspruch nehmen können, sondern letztendlich alle, die unter diesen Bereich fallen würden, eigentlich schon vorzeitig die Invaliditätspension in Anspruch nehmen müssen. Es ist daher die Absichtserklärung im Regierungsprogramm enthalten, auch übergreifend darauf zu achten, dass genau diese Punkte mit berücksichtigt werden im Sinne einer Stimmigkeit im Pensionssystem, aber auch im Bereich der Invaliditätspension, im Invaliditätsbereich beziehungsweise im Schwerarbeiter-/Schwerarbeiterinnenbereich.

Neben allen anderen Bereichen, die sehr wichtig sind – und es ist das ein sehr enga­giertes Regierungsprogramm, das hier gestaltet wird, trotz der Kritik, die immer wieder von der Opposition kommt –, möchte ich doch noch zwei Punkte ansprechen, näm­lich – wie sollte es anders sein? – einmal die Familienpolitik und andererseits die Frauenpolitik.

Im Rahmen der Familienpolitik sind selbstverständlich all die Umstände zu nennen, die positive Effekte im Hinblick auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben. Wir wissen ganz genau, dass die Ursachen dafür, dass Frauen oft vom Arbeitsmarkt gehen, gerade in diesen Bereichen liegen: Das ist, wenn sie in Karenz gehen, einmal die Wiedereingliederung, die Qualifizierung, und dass sich Männer so wenig an der Familienarbeit und am familiären Bereich beteiligen, hat vor allem auch finanzielle Gründe. Daher ist es besonders wichtig, dass wir gerade in diesem Zusammenhang darauf pochen, dass wir – und das wird manchen wahrscheinlich nicht sehr gefallen – zum einkommensabhängigen Karenzgeld kommen, weil das wesentlich dazu beiträgt, wirklich Familienpolitik zu betreiben.

In allen Studien und in allen Umfragen, in denen es um Vereinbarkeit von Beruf und Familie und im Zusammenhang damit um Karenzzeiten geht, um die Frage, warum denn gerade Männer nicht in Karenz gehen, taucht immer wieder dieser eine Punkt auf, nämlich dass das Einkommen letztendlich ausschlaggebend für das Weiter­kommen und Fortkommen ist, und natürlich muss unter diesen Umständen sehr wohl ein Umdenken bei so manchen Platz greifen.

Was die Absicherung in verschiedenen Lebenssituationen betrifft, so muss man ein­fach Kindererziehungszeiten anders und besser wahrnehmen, auch in der Anrech­nung, bei den Anrechnungsbestimmungen, da es sonst natürlich zu wesentlichen Verschlechterungen für die Situation derjenigen kommt, die in Karenz gehen oder die solche Zeiten in Anspruch nehmen, in der Regel jetzt eben mehr Frauen als Männer.

Die Frauenpolitik selber ist natürlich für uns aus Frauensicht ein gewisser Kritikpunkt, aber nicht, was den Inhalt anbelangt – es ist ja im Regierungsübereinkommen drin­nen –, sondern was die Umsetzung angeht, weil es natürlich zwischen Männern und Frauen eine unterschiedliche Sichtweise und Wahrnehmung gibt. Wenn wir uns das anschauen: Von 18 Regierungsmitgliedern sind sechs Frauen! Ich denke, aus frauen-


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politischer Sicht ist das einfach zu wenig. Wir müssen einiges dazu beitragen, dass sich diese Situation ändert, und zwar nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern relativ rasch. In diesem Zusammenhang ist es natürlich lobenswert, wenn man sich dazu bekannt hat, hier einen Nationalen Aktionsplan für Gleichstellung mit hinein zu nehmen und dieser dann, wenn er erarbeitet ist, wenn es Vorschläge gibt, umgesetzt werden soll.

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung zur Gesundheit und zum Gesundheitsbereich in diesem Regierungsprogramm. Herr Vizekanzler Pröll ist natürlich nicht mehr da – ist ja klar (Zwischenrufe bei der ÖVP) –, aber ich möchte es ihm doch mitgeben, weil er ja immer die Wiener Kassen anspricht und in diesem Zusammenhang immer wieder Seitenhiebe austeilt. Vielleicht könnten sich auch manche in diesem Bereich tätige Kollegen oder Kolleginnen aus dem Bundesrat einmal mit den Faktoren auseinander setzen, damit, wie es dazu kommt. Dann werden sie sich wahrscheinlich über das Defizit ganz anders äußern. Ich denke auch, es ist nichts dagegen zu sagen, wenn man sich auch um die Umstände kümmert, und nicht nur um große Schlagworte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass das letztendlich auch dazu führen würde, sich in der Diskussion um die Gesundheit besser mit diesem Thema auseinandersetzen zu können, und ich hoffe doch, dass es niemanden daran hindert, gerade in diesem Bereich auch klüger zu werden.

Wir sind gerne bereit, in diesem Regierungsübereinkommen die positiven Aspekte zu sehen, wenn auch mit kleinen kritischen Anmerkungen versehen. Ich glaube, dass wir selbst ziemlich kritisch unseren eigenen Leistungen gegenüberstehen, während manch andere sehr abgehoben über diesen Bereich urteilen. Wir glauben, dass wir in unserer Selbstkritik sehr gut daran tun, auch die Umsetzung weiter zu betreiben. Ich glaube, dass das einen durchaus positiven Effekt hätte, weil wir uns dann auch selbst an der Nase nehmen und immer wieder daran erinnern, dass wir etwas vereinbart haben und dies auch haben wollen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.11.29

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Lieber Kollege, du hast mir sozusagen einen Elfmeter aufgelegt, den ich natürlich aufgreifen muss. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Aufgreifen darf man ihn nicht, wenn er dort liegt! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Du hast vollkommen recht. Ich bin nicht nur in der Politik tätig, sondern habe auch Fußball gespielt. Also insofern kannst du zuversichtlich sein, dass das ins Tor geht. (Bundesrat Mag. Klug: Du musst schießen, nicht aufgreifen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dieses Thema ist aber viel zu ernst, als dass man darüber scherzen sollte. Du hast vollkommen recht, da gehe ich mit dir konform: Die Probleme, die wir haben, müssen wir ernst nehmen. Wir von den Grünen möchten, dass das nicht zum Anlass genommen wird für eine billige Polemik oder für eine generelle Fremdenfeindlichkeit in diesem Land. Ich glaube, gerade in diesem Punkt müssen wir die Wünsche, die Ängste, die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und sehr differenziert an die Thematik herangehen, denn wir müssen differenzieren zwischen


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Menschen, die Schutz suchen, und Menschen, die mit anderen Absichten zu uns kom­men.

Die gegenwärtige und die bisherige Asylpolitik kann man aus meiner Sicht grob in zwei Bereiche teilen: Einerseits haben wir unnötige Härten, die zu Verletzungen der Menschenrechte führen, die Familien auseinanderreißen, die schon Jahre, ja vielleicht Jahrzehnte hier sind, die Leute vom Arbeitsmarkt fernhalten, obwohl sie gerne arbeiten würden und auch arbeiten könnten. Andererseits holen wir uns Saisonarbeitskräfte vom Ausland (Ruf bei der ÖVP: Die EU ist kein Ausland mehr!) – wir reden von Österreich! –, die das Geld erarbeiten und wieder ins Ausland bringen, statt dass man die Leute, die wir hier im Land haben, arbeiten lässt, damit sie sich ihren Lebens­unterhalt selbst verdienen können. Das ist ein Punkt, der, glaube ich, in nächster Zeit einmal dahin gehend überdacht werden sollte, ob wir da nicht eine Änderung vor­nehmen müssen beziehungsweise sollten.

Gleichzeitig haben wir leider Gottes – und das muss man auch offen und ehrlich ansprechen – Schlupflöcher, Schlupflöcher für Leute, die eben mit anderen Absichten kommen, die nicht schutzbedürftig sind, die kriminelle Handlungen setzen. Das muss man auch offen und ehrlich sagen. Das halte ich für eine differenzierte Herangehens­weise, und diesen Weg werde ich, werden meine Kolleginnen und Kollegen auch gehen.

Wir müssen in dieser Debatte, sei es jetzt Asylpolitik, Integrationspolitik, Migrations­politik, einen Weg gehen, der Chancen eröffnet, vom Kindergarten angefangen über die Schulen, den Wohnungs-, den Arbeitsmarkt, bis hin zur Freizeit. Gegenwärtig werden die Menschen diesbezüglich eher behindert. Da stehen wir auf der Bremse und haben gleichzeitig die Handbremse angezogen. Das kann und darf nicht sein!

Gleichzeitig aber muss man auch die Offenheit haben, Regelverstöße anzusprechen. Mit „Regelverstößen“ meine ich, wenn jemand unsere Demokratie, unseren Rechtstaat, die Gleichbehandlung, die Gleichstellung von Mann und Frau, die selbst bei uns noch sehr viel Entwicklungspotential hat, in Frage stellt, oder auch Leute, die kriminelle Handlungen setzen. Da meine ich aber jetzt nicht das Entwenden einer Zahnbürste, sondern organisierte Kriminalität, die im Drogenbereich angesiedelt ist, oder auch gewerbs­mäßigen Diebstahl.

Zum Thema Bleiberecht. – Dass wir heute diese Probleme haben und nach Jahren und Jahrzehnten noch immer über die gleichen Probleme sprechen, hat einen Grund, und zwar die verfehlte Asylpolitik der letzten Jahre. Es müssen Familien zittern, ob sie hierbleiben können oder nicht. Das Bleiberecht sollte für Familien, die schon länger hier sind, integriert sind, die strafrechtlich gesehen sozusagen eine reine Weste haben, gelten. Das sind doch vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft, und sie sollten nicht zu Unmündigen abgestempelt werden. Diese Menschen haben Fähigkeiten und Potentiale, und diese muss man erkennen, fördern und unterstützen.

Die Frau Innenministerin vertritt diesbezüglich ja immer eine eiserne Position, aber das, was sie in diesem Punkt getan hat, ist meines Erachtens nur ein Zeichen von Schwäche: Sie hat die „heiße Kartoffel“ weitergegeben – an die Landeshauptleute, an die Bürgermeister –, das Problem besteht aber weiterhin. Deshalb müssen wir uns Gedanken machen, wie wir da im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Miteinander zu einer positiven Lösung finden. Was wir in dieser Debatte brauchen, das ist, Verantwortung zu übernehmen und für Transparenz zu sorgen. Und diese Kriterien wurden bis dato leider nicht erfüllt.

Ich möchte eine Politik verfolgen, die das gegenseitige Ausspielen von Bevölkerungs­gruppen und Minderheiten unterbindet, denn Migrations- und Integrationspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht man nicht nur für die Ausländer. Wer einen der-


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artigen Standpunkt vertritt, der ist auf einem Irrweg. Wir machen Integrations- und Migrationspolitik für alle in unserem Land: für die Österreicherinnen und Österreicher, aber genauso für die Menschen, die über die Migrationsschiene oder über die Asylschiene zu uns gekommen sind.

Leider haben aber bisher weder SPÖ noch ÖVP und schon gar nicht BZÖ und FPÖ irgendwie Interesse daran gezeigt, eine gute, wohlüberlegte Integrationspolitik in die­sem Land zu betreiben. Das hat natürlich seinen Grund: Sowohl die rechten Popu­listen – überspitzt formuliert – als auch die Humanisten würden ja einen „Spielball“ der Politik verlieren. Dieser „Spielball“ sind die Menschen, der Zustand und das Klima in unserer Gesellschaft, und das darf nicht „Spielball“ der Politik sein!

Da müssen wir klare Bekenntnisse abgeben, die für jeden transparent und nach­vollziehbar sind. Wir Grünen sind die Einzigen, die hier konkrete Vorstellungen haben: Fördern und fordern heißt die Devise. Der Staat muss gesetzliche Rahmenbedin­gungen vorgeben, die Integration ermöglichen, aber auch einfordern, von der sprach­lichen Frühförderung im Kindergarten bis zur Arbeitserlaubnis für AsylwerberInnen.

Gleichzeitig müssen wir aber den Menschen, die zu uns kommen, auch klarmachen, dass unsere Grundwerte, die Gleichstellung von Mann und Frau, unangetastet sind; das darf nicht in Frage gestellt werden. Ich hoffe, dass wir in Zukunft auch in diesem Haus Debatten darüber führen, wie wir das gegenwärtige Klima verbessern können, damit das Miteinander und nicht das Gegeneinander im Vordergrund steht.

In diesem Sinne hoffe ich, dass diese Worte auch von jedem so angenommen werden können. Leider vermisse ich bis dato das Bekenntnis zu einem Integrations- und Migrations-Staatssekretariat. Das fehlt mir im Regierungsprogramm, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das spätestens bei der nächsten Regierungserklärung im Programm haben werden.

Bevor ich aufhöre, möchte ich noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

„Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für auswärtige Angele­genheiten sowie die Bundesministerin für Inneres werden aufgefordert, den Flüch­tlingen aus Tibet rasch internationalen Schutz zu gewähren, die Asylanträge von Tibeti­schen Flüchtlingen rasch zu bearbeiten und angesichts der Bedrohung seitens der Chinesischen Behörden keine Abschiebungen durchzuführen.“

Ich bitte um Unterstützung. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

12.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Dönmez, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Aufnahme von Flücht­lingen aus Tibet ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.22.07

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Mitglieder der Bundesregierung! Werte Bundesräte! Wir leben in einer sehr bewegten Zeit. Vor einem Jahr haben wir die Lebensmittelkrise und die Lebensmittelpreise diskutiert, dann die Ölkrise und danach die Finanzkrise, die jetzt zur Wirtschaftskrise geworden ist. Und das wird, glaube ich, nicht die letzte allgemeine Verunsicherung in diesem Land sein.

Die Börsen haben ihr Risiko erhöht, um die Gewinne zu steigern. Mit mehr Risiko hat also auch die Unsicherheit zugenommen. Wenn es in einem System möglich ist, auf


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 60

sinkende Kurse, auf Verluste zu setzen und damit Gewinne zu erzielen, dann sorgt auch das für Instabilität. Aktionäre, sprich Firmeneigentümer, die ihr Eigentum wöchentlich veräußern, sorgen ebenfalls dafür, dass ein System sehr stark aus dem Ruder läuft.

Deshalb meine ich, dass es für unser Land wichtig ist, zu Stabilität zu kommen. Die neue Bundesregierung zeigt diese Stabilität, und sie zeigt auch den Willen zur Zusammenarbeit. – Auch das kann vielleicht ein Vorbild für ein Miteinander in unserem Land sein.

Als Vorsitzender des Agrarausschusses darf ich mich natürlich mit dem Thema Landwirtschaft beschäftigen. Es freut mich, dass diese Bundesregierung ein Bekenntnis zur flächendeckenden Landwirtschaft ablegt, denn wir wissen, dass wir diese flächendeckende Landwirtschaft in Österreich für die Erhaltung unserer Kulturlandschaft und damit für den Tourismus brauchen. Die Europäische Union gibt uns in diesem Sinn Sicherheit bis 2013. Es ist aber auch notwendig und ein Auftrag an diese Bundesregierung, die momentan beginnenden Verhandlungen für die Zeit nach 2013 entsprechend aktiv aufzunehmen.

Ich denke, es ist auch wesentlich, eine eigenständige europäische Agrarpolitik zu entwickeln und sich von der WTO – der Welthandelsorganisation – zu lösen, um die Bauern nicht in die Richtung eines schrankenlosen Freihandels zu schicken.

Geschätzte Damen und Herren! Die österreichischen Bauern produzieren gesunde Nahrungsmittel, erhalten die Umwelt und pflegen die Landschaft. Genau diese Land­schaft als Grundlage unserer Lebensqualität und der Schönheit unseres Landes kann nur dadurch gehalten und auch weiterhin gesichert werden, dass die Betriebe, die in der Rinderwirtschaft tätig sind, entsprechend unterstützt werden.

Es ist auch wichtig – und das Bekenntnis dazu ist in der Regierungserklärung veran­kert –, dass die Biolandwirtschaft verstärkt ausgebaut und gefördert wird. Da ist es notwendig, nach 2009 keinen Einstiegsstopp zuzulassen.

Wenn wir Konjunkturpakete diskutieren, dann ist es auch notwendig, dass Inves­titionen – heimische Investitionen, Investitionen in unserem Land, Investitionen der Bauern in diesem Land – entsprechend unterstützt und gefördert werden; da darf kein Engpass auftreten.

Ein wesentlicher Teil sind natürlich auch die Investitionen in den Bereich erneuerbarer Energie und Energieversorgung. Es gilt, die Effizienz entsprechend zu steigern, energiesparend unterwegs zu sein und die erneuerbaren Energien auszubauen, sei es die Wasser- oder Sonnenkraft, sei es aber auch das, was in diesem Land nachwächst, ob es Holz ist – wo der Wald für unsere Wärme sorgt –, ob es die Biotreibstoffe sind, oder ob es das Biogas ist.

Unser neuer Umweltminister kommt aus einem Bundesland, in dem es eine Vorzeige­stadt gibt, nämlich die energieautarke Stadt Güssing. Dieses Projekt soll auf den ganzen Bezirk ausgedehnt werden. Ich denke, das kann auch als Vorbild in einem Land dienen, in dem man sich in Kreisen immer weiter entwickelt. Vorbilder sind wichtig, und Vorbilder geben Ziele.

Wenn die Opposition immer sagt – das ist heute von den Grünen gekommen –, dass das zu wenig ist, dann ist es zwar das Recht der Opposition, mehr zu fordern, es zeigt aber, dass der Weg richtig ist! (Bundesrätin Kerschbaum: Ein Ziel allein reicht nicht! Damit erreichen Sie nichts, mit den Zielen!) Auch wenn es zu langsam vorangeht und das Wegstück zu kurz ist, so ist dies doch ein Zeichen dafür, dass der Weg der richtige ist. (Bundesrätin Kerschbaum: So wie bei unserem Kyoto-Ziel, wo auch ...!)


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 61

Damit lade ich auch die Opposition zur Gemeinsamkeit und zur Mitarbeit ein. Ich glaube, die Zusammenarbeit hat sich in diesem Land in schwierigen Zeiten immer als Erfolgskonzept erwiesen und ist vorbildhaft. Ich wünsche dieser neuen Bundesregie­rung in der Zusammenarbeit viel Erfolg für unsere Republik! (Beifall bei der ÖVP.)

12.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Bitte.

 


12.27.23

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geschätzte Damen und Herren! Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Es wurde schon sehr viel über die Inhalte des Regierungsprogramms gesagt. Ich persönlich halte es für weniger wichtig, darüber zu philosophieren, ob jetzt ein Kärntner in der Bundesregierung sitzt oder nicht, oder wie viele Burgenländer drinsitzen. Ich denke, dass diese Regierung bewiesen hat, dass sie die Herausforderungen, die anstehen, annimmt.

Auch bin ich der Meinung, dass es mit der Regierungsbildung sehr, sehr rasch gegan­gen ist. Anders als von der Opposition formuliert, finde ich, dass es angesichts dieser schwierigen Ausgangssituation sehr rasch zu einer guten, schnellen Regierungs­bildung gekommen ist. Man hat überdies schon während der Regierungsverhand­lungen gehandelt und ein Bankenpaket und ein Konjunkturpaket auf die Beine gebracht. Da hat man gesehen, dass es wirklich einen neuen Stil der Zusammenarbeit gibt. Ich glaube, das ist ein guter Beginn dieser Regierung.

Im Lichte der schwierigen Situation war es tatsächlich wichtig, diese Regierung rasch zu bilden. Es ist schon angesprochen worden, wie wichtig das aus wirtschafts­politi­scher Sicht ist: Der Wirtschaftsmotor darf nicht ins Stocken geraten und muss wieder ins Laufen kommen.

Ich werde mich in meinem Debattenbeitrag ganz kurz mit der Thematik der kleinen und mittleren Betriebe auseinander setzen, weil ich der Meinung bin, dass gerade diese Unternehmerinnen und Unternehmer ein besonders wichtiger Faktor unserer Wirtschaft sind. Immerhin sind 65 Prozent aller ArbeitnehmerInnen in KMUs beschäftigt. Diese Betriebe sind nicht nur für viel Beschäftigung zuständig, sie bilden auch aus; in diesen Betrieben werden überdurchschnittlich viele Lehrlinge ausgebildet. Gerade in Situ­ationen wie der derzeitigen ist es wichtig dafür zu sorgen, auch in Zukunft gute Facharbeiter und Fachkräfte zu haben, damit wir auch dann schwierige Situationen bewältigen können.

Das Einzige, was in der Realwirtschaft noch nicht wirklich angekommen ist, sind die Auswirkungen des Bankenpaketes. Es wurde schon angesprochen, dass es erst vor 14 Tagen endgültig über die Bühne gegangen ist. Es besteht tatsächlich noch das Problem, dass kleine Betriebe – insbesondere die ganz kleinen – Schwierigkeiten haben, jetzt wirklich Geld für Investitionen zu bekommen. Da begrüße ich die Stär­kungen, die man im Bereich des Austria Wirtschaftsservice vorhat und vornehmen wird, und dass man auch all jenen, die investieren, noch auf einer zweiten Schiene mit Förderungen Unterstützung zukommen lassen wird.

Die Maßnahmen, die für die KMUs formuliert worden sind, sind wichtig und auch wirklich dringend notwendig: zum einen die Entlastung des Faktors Arbeit und zum Zweiten die Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung. Im Bereich Besteuerung gibt es naturgemäß immer sehr viele Wünsche. Ein Wunsch, der auch von der Wirtschaftskammer formuliert wurde, war und ist die Sechstelbesteuerung auch für Unternehmerinnen und Unternehmer. Jetzt ist dies noch nicht ganz ausformuliert, und ich bin mir auch nicht sicher, ob es so kommt, wie man es sich gewünscht hätte. Es


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kommt aber zu einer anderen Maßnahme, die gerade die kleinen Unternehmer stärken wird, und zwar zu einer Änderung beim Freibetrag für investierte Gewinne von derzeit 10 auf künftig 13 Prozent. So, wie es geplant ist, ist dies wirklich eine sehr effektive Maßnahme, die gerade Klein- und KleinstunternehmerInnen entlasten wird. Da werden auch die vielen Ein-Personen-Unternehmen in unserer Wirtschaft Entlastung spüren.

Der zweite wichtige Punkt – er wurde schon angesprochen – ist die Offensive bei den thermischen Sanierungen. Auch hier sehe ich regionale Betriebe gefordert – es ist dies eine Chance für die regionale Wirtschaft –, und diese sind ja strukturell, wie wir wissen, gerade im Fokus der Maßnahmen für KMUs.

Die Tourismus-Wirtschaft ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, ein in wirtschaftspolitischer Hinsicht ganz entscheidendes und wichtiges Standbein unseres Landes. Immerhin werden rund 16 Prozent des BIP aus diesem Wirtschaftszweig erwirtschaftet. Dazu möchte ich zwei Punkte ansprechen; Herr Kollege Perhab, ich bin davon überzeugt, du wirst die Tourismusbranche noch ganz genau beleuchten. (Zwischenruf des Bundes­rates Perhab.)

Es gibt zwei Punkte, die in diesem Zusammenhang zu erwähnen sind: die Verdop­pelung des Haftungsrahmens der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank und eine Erhöhung in der TOP-Tourismus-Förderung. Wir alle wissen, wie es um die Eigenkapitalquoten im Bereich des Tourismus steht, das ist immer eine schwierige Situation. Darauf wird man das Augenmerk richten müssen, um auch diesen Aspekt nicht aus dem Blick zu verlieren.

Ich möchte jetzt nicht in dieselbe Kerbe schlagen wie schon viele meiner Vorredner, die gefragt haben, wo denn die Vorschläge der Opposition seien, aber ich muss Ihnen jetzt, nach einigen Stunden dieser Debatte, ganz ehrlich sagen: Ich habe tatsächlich wenig an konstruktiven Vorschlägen gehört. Ich hätte mir da von Seiten der Opposition schon ein bisschen mehr gewünscht, sodass wir wirklich in einen guten, konstruktiven Dialog hätten eintreten können.

Ein Wort zur Asyl-Thematik, weil sie Kollege Dönmez von den Grünen schon ange­sprochen hat: Wenn wir heute hier stehen und sagen, wir sprechen von einem neuen Stil der Politik und einem neuen Umgang miteinander, dann finde ich deinen Beitrag zu diesem Thema sehr wichtig. Ich glaube auch, dass er in sehr vielen Facetten eine richtige Analyse der Problematik darstellt.

Für gefährlich halte ich es jedoch – und ich wähle dieses Beispiel, weil Kollege Mayer diesen Aspekt in der Debatte aufgegriffen hat; er ist jetzt leider nicht mehr hier –, wenn man gerade bei sensiblen Themen mit Ängsten spielt. Es sind nicht mehr nur jene, die ein bisschen zündeln, sondern es gibt da auch ganz angesehene Landeshauptleute, zum Beispiel den Vorarlberger Landeshauptmann, den ich jetzt nennen muss, der sich genau in dieser Frage sehr, sehr weit hinausgelehnt hat und gesagt hat: Schieben wir einfach schon alle Tatverdächtigen ab!

Er hat sich damit in ein Fahrwasser begeben, das ich für höchst gefährlich halte und das ich zutiefst ablehne. Wir dürfen nicht auf diese Ebene der Diskussion kommen, und es darf nicht sein, dass ein Landeshauptmann sich zu solchen Äußerungen hinreißen lässt. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Dönmez.)

In Summe bin ich mit dem Regierungsprogramm sehr zufrieden. Ich bin der Über­zeugung, dass Österreich mit diesem Programm auch die anstehenden Herausfor­derungen meistern wird können und in turbulenten Zeiten besser als vergleichbare Länder dastehen wird. – Ich danke und wünsche viel Erfolg! (Beifall bei der SPÖ.)

12.34



BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 63

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minister Dr. Mitterlehner. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.35.02

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Prä­sident! Geschätzte Kollegen aus der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Es ist heute viel vom Regierungsprogramm gesprochen worden – auf die eine und auf die andere Weise. Aus meiner Sicht ist es eine ganz klare Agenda-Beschreibung, die jetzt einmal auf dem Papier vorhanden ist. Aber den Bürger wird vor allem Folgendes interessieren: Wie schaut die nächste Zeit aus? Wie werden die nächsten Monate bewältigt werden? – Da ist es natürlich bezeichnend, dass heute, genau an dem Tag, an dem der Bundesrat tagt, auch das Wifo die neuesten Konjunkturprognosen bekannt gegeben hat, wonach wir nächstes Jahr eine Rezession von minus 0,5 Prozent zu erwarten haben.

Es war vorher immer fraglich, wie man die Richtung anlegt, denn man kann sehr schnell die gesamte Wirtschaft krankjammern, man kann die Wirtschaft aber nicht gesundbeten. Wenn man zu viel an Pessimismus verbreitet, bekommt das dann einen selbsterfüllenden Charakter – und den brauchen wir in Zeiten wie diesen nicht! –, sodass dann möglicherweise Investitionen zurückgehalten werden. Mittlerweile hat sich aber die Datenlage schon sehr verdichtet, und wenn Sie Radio hören, wenn Sie Zeitungen lesen, dann merken Sie, dass alles, was an zusätzlichen Impulsen und an Mitteilungen kommt, ja nicht entwarnend ist, sondern eigentlich die Erwartungshaltung verschärft. Daher wird es darauf ankommen, wie jetzt die Bundesregierung reagiert, aber auch, wie die Wirtschaft reagiert.

Bei aller Bedeutung der eigenen Stärke ist es notwendig, die eigene Kraft und auch deren Grenzen zu erkennen. Eine Wirtschaftskrise dieses Ausmaßes werden wir als Land Österreich nicht allein konterkarieren können, sondern da sind internationale Maßnahmen notwendig. Diese hat die EU letzte Woche an sich auch beschlossen, wobei erfreulich ist, dass die EU da überhaupt geschlossen agiert. Es sind 200 Milliar­den €, die gemeinsam „aufgestellt“ werden sollen – unter Anführungszeichen, denn 30 Milliarden € kommen von der EU, 170 Milliarden € von den jeweiligen Nationen.

Österreich hat meines Erachtens richtig und schnell reagiert. Es ist heute auch schon dargestellt worden – von Kollegen Klug, aber auch von anderen –: 1 Milliarde € als Paket Nummer eins, 2 Milliarden € als das, was jetzt sozusagen in der Pipeline ist, und die Steuerreform von 2,7 Milliarden €, das ergibt insgesamt die Größenordnung von 5,7 Milliarden €; gemessen am Bruttonationalprodukt des letzten Jahres sind dies mehr als 2 Prozent. Die EU sagt 1,5 Prozent, ich finde das daher eigentlich durchaus großzügig und auch richtig angelegt.

Das erste Paket haben wir ja schon im Angebot. Da ist sehr viel drinnen, was auch hier angeregt worden ist, nämlich auch im Hinblick darauf, Haftungen und Garantien für Klein- und Mittelbetriebe zu verbessern. Gerade jetzt, da die Banken doch eher zurückhaltend sind, ist es aus unserer Sicht notwendig, dass vom AWS signalisiert wird: Es gibt entsprechende Möglichkeiten, gerade bis 30 000 €, 2,5 Prozent Zinsen, das ist für Ein-Personen-Unternehmen ausgesprochen attraktiv. Haftungsrahmen ver­bessert, Volumen ausgeweitet, 1,8 Millionen € – früher 1 Million – für Einzelkredite, 80 Prozent Haftung: Das ist ausgesprochen günstig.

Wenn jetzt jemand sagt, warten wir doch das dritte und das vierte Paket ab, und dann investieren wir vielleicht, so wäre das die falsche Erwartungshaltung. Daher kann jedes weitere Konjunkturpaket, das angedeutet wird, ja nur heißen: Wenn die Krise noch schärfer wird, dann werden wir zum richtigen Zeitpunkt auch die richtigen Maßnahmen


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 64

setzen. Aber das geschieht nicht in der Erwartungshaltung, dass dann etwas noch viel Besseres nachkommt, denn im Endeffekt müssen wir das Ganze auch finanzieren.

Im Paket zwei sind 875 Millionen € enthalten, die die Bundesimmobiliengesellschaft umsetzen und vorziehen wird. Da wird ja vielfach kritisiert, das seien Investitionen alter Art. Es wäre möglich, dass man vielleicht noch stärker in Richtung Breitbandbereich und Ähnliches geht. Ich finde aber, es ist das, was jetzt schon da ist und auch nachweisbar vorgezogen wird, ein guter Ansatz.

Noch besser wird die Umsetzung der thermischen Sanierung als Gutschrift werden, die teilweise – eben zur Hälfte – zu den Betrieben geht, zur anderen Hälfte zum Kon­sumenten, und die in den nächsten zwei Jahren etwas bewegen wird. Da ist es gar nicht notwendig, dass das schon morgen ausgezahlt wird. Sie können nicht für einen Kesselaustausch in 10 000 Fällen sofort 10 000 Installateure bereitstellen, sondern es ist ohnehin günstig, wenn dann in der Umsetzung Woche für Woche etwas in der Pipeline ist.

Ich glaube daher, dass wir, was diese Maßnahmen angeht, insgesamt nicht schlecht ausgerichtet sind. Auch die Steuerreform wird nachfragemäßig noch einen Impuls geben. Aber klar ist natürlich: Das wird nicht ausreichen, um nachfrageorientiert die Autoindustrie zu retten. Auch wenn wir jetzt eine Verschrottungsprämie und sonst etwas einführen, wird niemand erwarten, dass deswegen BMW, Mercedes oder Opel im großen Ausmaß mehr Autos verkaufen würde und dass die Krise dort weg wäre.

Daher wird es andererseits darum gehen, Methoden zu erfinden und auszubauen, um Strukturen aufrechtzuerhalten, denn wenn wir jetzt die Strukturen an die Wand fahren, haben wir dann, wenn die Krise weg ist, nichts mehr. Daher hat es mir auch sehr gut gefallen, was Sie zum Thema Kurzarbeit gesagt haben: Durch Kurzarbeit hoffen wir, jetzt ein paar Monate über die Runden zu kommen; danach wird es darum gehen, das wahrscheinlich noch mehr zum Beispiel mit Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen zu verbinden, damit diese Zeit nicht ungenützt vorbeigeht, aber die Mitarbeiter in den Betrieben bleiben. Das erfordert natürlich eine entsprechende Ausrichtung unserer­seits.

Es ist auch angesprochen worden, dass der Arbeitsmarktbereich von uns – also vom Wirtschaftsministerium – zum Kollegen Hundstorfer ins Sozialministerium geht. Ich sehe das aber ganz einfach: So wie wir das jetzt mit ihm verhandeln – wir nutzen jetzt nicht die Zeit, bis das Bundesministeriengesetz beschlossen ist, und machen schnell alles, was wir für richtig halten, sondern wir machen das gemeinsam –, so erwarten wir, dass die Dinge auch nachher gemeinsam umgesetzt werden.

Das ist so, weil – auch das ist ein bisschen ein Hinweis an die Opposition – in Zeiten wie diesen der Bürger wenig Verständnis dafür hat, wenn sich die einzelnen Parteien gegenseitig kleinkariert irgendwelche ideologischen Konflikte an den Kopf werfen. Der Bürger will Problemlösungen, und diese wollen wir gemeinsam erreichen. In diesem Sinne ersuche ich auch Sie als Mitglieder des Bundesrates um Unterstützung. Wir werden sie brauchen, denn der Sachverhalt ist ausgesprochen problematisch. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

12.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


12.42.12

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich brauche natürlich meine Redezeit nicht mehr auszunützen, wenn schon der Chef gesprochen hat. Das ist einer der seltenen Gelegenheiten, bei denen ich auch mit dem Kollegen Einwallner vollinhaltlich


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einer Meinung bin; ich glaube, das war in den drei Jahren meiner Tätigkeit hier im Bundesrat ohnehin nicht oft der Fall. (Heiterkeit. Bundesrat Ing. Einwallner: Selten!) Damit man aber in dieser vorweihnachtlichen Stimmung nicht auf den Gedanken kommt, dass ich als steirischer Abgeordneter ein besonderer Anhänger eines Kuschel­kurses wäre, muss ich doch auf ein paar Punkte eingehen, die mir im Regierungs­programm, aber auch bei einigen Debattenbeiträgen hier anwesender Redner aufge­fallen sind und an denen ich leise Kritik üben möchte.

Frau Kollegin Kemperle, der Herr Minister hat es erwähnt: Die neuerliche Trennung der Agenden Arbeit und Wirtschaft ist aus unserer Sicht natürlich nicht sehr erfreulich. Wir fordern jetzt von Ihrer Seite ein, dass Sie den erfolgreichen Weg, vor allem im AMS-Bereich, auch in Zukunft weitergehen, denn letztendlich haben die Fakten, meine ich, dafür gesprochen, dass dieser unser Weg richtig war. Die Vermittlungstätigkeit und die Effizienz des AMS konnten gesteigert werden. Ich stimme Ihnen durchaus zu, dass auch die Qualifizierungsmaßnahmen innerhalb des AMS und mit öffentlichen Mitteln von großer Bedeutung sind. Ich denke aber, dass die Qualifikation immer dann am besten ist, wenn sie vor Ort und im Betrieb stattfindet. Ich denke, dass das für die zukünftige Sicherung des Arbeitsplatzes die beste Form der Gewährleistung darstellt.

An dieser Stelle sei vielleicht rückblickend auf die Zeit vor der Wahl gesagt, warum wir Mitglieder der steirischen Volkspartei unsere Vorbehalte gegen die Bildung dieser neuen Regierung hatten: Das hatte auch jenen Grund, dass wir in der vorigen Regie­rung beobachten konnten, dass Dinge, die im Regierungsprogramm festgeschrieben waren, vor allem von unserem Regierungspartner dann nicht mehr eingehalten wur­den. (Bundesrat Ing. Einwallner: In diesem Punkt sind Sie mit mir aber nicht einer Meinung!) Von dieser neuen Zusammenarbeit erhoffen wir uns natürlich, dass das nicht mehr der Fall sein wird.

Ich muss natürlich sagen, dass ich in dieser Hinsicht von der Situation in meinem Bundesland Steiermark geprägt bin, wo wir einen Regierungspartner haben, der eine ganz andere Methode des Regierens hat. Erst in der letzten Sitzung der steirischen Landesregierung hat es uns gegenüber wieder eine besonders deutliche Macht­demonstration gegeben. Kollege Klug – ich weiß nicht, ob Sie in diese Präsidien mit­einbezogen sind –, ich glaube, es gibt in der Steiermark bald keine Position mehr, die nicht von der SPÖ besetzt wurde und besetzt werden wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen, ich bin aber Realist genug: Die Verträge sind unter­schrieben – pacta sunt servanda–, und die Bevölkerung verlangt von uns keine Tände­leien und keine Streitigkeiten mehr. Das ist anzuerkennen; persönliche Eitelkeiten sind in Zukunft hintanzustellen. Unser Auftrag lautet: die Krise bewältigen im Sinne unserer österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP.)

12.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte.

 


12.45.53

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Liebe Mitglieder der Regierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das mit dem Weihrauch wurde heute schon einmal angesprochen. Als Theologe erlaube ich mir nur zu sagen, dass keine Regierungserklärung – und schon gar nicht ein Regierungsprogramm – etwas mit Weihrauch zu tun hat – aus einem ganz einfachen Grund: weil beides nicht sakrosankt ist.


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Ich als Theologe weiß, dass Weihrauch nur unter zwei Voraussetzungen verwendet wird: erstens, wenn es um eine Beziehung zwischen Gott und den Menschen geht, und zweitens – wenn schon eine Inzens, wie man sagt, gemacht wird –, wenn etwas Heiliges und Wichtiges passiert. Jetzt wird sich jeder fragen, was dann ein „Regie­rungs­weihrauch“, ein Regierungspapier und eine Regierungserklärung sei. – Das hat sehr viel damit zu tun, was ich dann im Anschluss dazu sagen möchte.

Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass ein Regierungsprogramm kein Regiebuch ist. Ein Regierungsprogramm ist auch kein Businessplan. Ich glaube vielmehr, dass ein Regierungsprogramm ein Entwurf ist, eine erste Skizze dazu, wie man es in den nächsten fünf Jahren angeht. Und eine Regierungserklärung sind die Erläuterungen dazu, wie politisches Handeln, politische Handlungen, Pläne und Absichten in Zukunft aussehen. Ich denke, wir sollten am Anfang dieser fünf Jahre miteinander sehr offen und – ich sage es bewusst – sehr offenherzig, sehr kritisch und auch sehr selbstkritisch umgehen.

Wenn ich den Blick auf dieses Regierungsprogramm richte, so wird für mich von Anfang an sehr deutlich, welche Zusammenhänge wichtig sind und bestehen. Ein solcher Zusammenhang wurde heute schon als Grundprinzip angesprochen, und ich muss ehrlich sagen, dass wir da – wenn ich so sagen darf – christdemokratisch und sozialdemokratisch einen gemeinsamen Aufhänger gefunden haben, nämlich: Der Mensch steht in der Mitte. Das war eine der ersten Aussage heute Vormittag, und da gilt es auch anzusetzen.

Ob es um die Themen Armutsbekämpfung, Familie, Beschäftigung geht, bis hin zur Debatte über die Spenden: Es muss letztlich um den Menschen gehen. Das heißt, es ist bei uns für die nächsten fünf Jahre immer die Frage zu stellen: Steht wahrlich der Mensch in der Mitte – unabhängig davon, woher er kommt, was er für eine Herkunft hat und, und, und? Das ist ein Prinzip, das ich gerade in diesem Regierungsprogramm für sehr positiv halte und heute auch schon oftmals gehört habe.

Zweitens meine ich, dass wir es gemeinsam angehen müssen; auch das zeigt sich sehr deutlich. Mir ist durchaus klar, dass das Regierungsprogramm kein Partei­programm ist, sondern dass der Entwurf ein gemeinsamer Nenner ist. Mehr sehe ich dahinter nicht. Nur muss uns auch klar sein – Herr Bundesrat Konecny hat es angesprochen, und ich möchte mich ihm da voll und ganz anschließen –: Bei all dem, was wir gemeinsam haben, dürfen wir es nicht vernachlässigen, uns gerade auch im Parlament gut zu überlegen, wie wir angesichts der einen oder anderen Differenz miteinander umgehen.

Ich denke, dass die Menschen sich ein Doppeltes erwarten: eine neue Politik, was auf der einen Seite unseren Umgang miteinander angeht, andererseits aber auch, was den Umgang mit den Konflikten und Differenzen betrifft. Ich glaube nicht, dass sich die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass unsere parlamentarische Politik daraus besteht, dass der eine etwas sagt, und der andere sagt es auch, weil er meint, es sei ohnehin alles immer das Gleiche, sondern sie erwarten sich, dass wir gut überlegen. Ich sage immer: Wenn man einander mag, dann weiß man auch, wie man in Konflikt­situationen miteinander umgeht, und versteht es auch, bestimmte Differenzen öffent­lich anzusprechen.

Da mein steirischer Kollege Franz Perhab das schon angesprochen hat, möchte ich schon auch sagen: Ich glaube – und das halte ich auch für sehr wichtig –, dass es in der Regierung auch möglich ist, seine Skepsis zu äußern, denn – das möchte ich hier als steirischer Mandatar sehr klar und deutlich sagen – es ist wichtig, dass Skepsis und ein skeptischer Blick auch in der eigenen Regierung, im eigenen Team zugelassen werden.


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Ich glaube, dass wir mit unserer Linie, nämlich mit der Linie der steirischen Volkspartei, zwar keinen Kurs gegen die Regierung einschlagen – es ist nicht so, dass wir nicht in der Regierung sein wollten, nicht politisch gestalten wollten; das möchte ich hier klar und deutlich ausdrücken –, aber das Zeichen setzen, auch ein bisschen skeptisch zu sein.

Spannender ist es vielmehr, wenn es uns gelingt, die Themen in gewisser Weise von verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu sagen: Da gehört ein skeptischer, fragender Blick her. – So wie bei einem guten Prinzip, das sich übrigens durch das ganze Programm zieht, nämlich was Forschung betrifft: Es gibt nämlich keine For­schung und keine Innovation, wenn nicht am Anfang ein skeptischer, fragender Blick steht. Wenn man keine Frage hat und nicht die Perspektiven wechseln will, kommt man auch zu keinen Ergebnissen in der Forschung und auch zu keiner Innovation.

Daher glaube ich, dass dieser Beitrag sogar ein sehr wichtiger ist und freue mich darüber, dass es möglich ist, das klar und deutlich einzubringen, ohne dass auf einen mit dem Finger gezeigt wird. Das gehört für mich zu einem demokratischen Prozess dazu.

An dieser Stelle möchte ich in Richtung Opposition sagen: Ich freue mich, dass die Opposition ein Doppeltes gesagt hat. – Auf der einen Seite: Wir werden eine wach­same Opposition sein. Da möchte ich schon fast biblisch sagen: „Seid wachsam!“ Oder, wie es an einer anderen Stelle in der Bibel heißt: „Prüfet alles, das Gute behaltet!“ (Bundesrat Schennach: Seid wachsam und mehret euch!) – Das steht in einem anderen Zusammenhang, Herr Kollege Schennach, das weißt du ganz genau, für so bibelfest halte ich dich.

Was will ich damit sagen? Es steht, dass man etwas prüfe, bevor man sich für etwas entscheidet. Und prüfen hat etwas mit einem kritischen Blick zu tun – auf der einen Seite in Richtung dessen, was andere sagen, aber auf der anderen Seite auch zu einem selbst. Ich bin natürlich jemand, der sich sehr mit diesen 267 Seiten – oder je nachdem, wie man es ausdruckt, auch 280 Seiten – beschäftigt hat, insbesondere mit dem Thema Bildung. Dabei habe ich schon einiges entdeckt, von dem ich gerade hier bei uns im Bundesrat sagen möchte, dass viele Dinge aufgegriffen wurden, die wir in den letzten Jahren hier diskutiert haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich zu uns allen, zu den Kolleginnen und Kollegen über alle Fraktionen hinweg, sagen – ich weiß, dass ich das in meinen Beiträgen schon zum vierten oder fünften Mal sage, aber man muss manche Dinge auch öffent­lichkeitswirksam öfter sagen, sonst wird es ja nicht gehört –: Ich glaube wirklich, dass wir hier eine Bildungskammer sind – das haben uns Politikerinnen und Politiker unterschiedlicher Fraktionen auch gesagt –, weil wir fraktionsübergreifend Dinge auch in pädagogischer Hinsicht diskutiert haben wie an keiner anderen Stelle oder schon gar nicht in einer anderen Kammer hier in diesem Haus. Ich glaube, darauf können wir stolz sein.

Jetzt bringe ich Ihnen ein paar Punkte, die in diesem Regierungspapier enthalten sind, und über die ich sehr froh bin. Daran haben alle Fraktionen gemeinsam mitgearbeitet.

Erstens: Wenn jemand sagt, Bildung käme ja nur auf drei, fünf oder zehn Seiten vor, so muss ich sagen: Es ist immer ein Fehler, wenn man so ein Papier hernimmt, das Inhaltsverzeichnis durchsieht, schaut, wo das Thema Bildung – als Kapitel – vorkommt und das dann durchliest. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, das ist ein Fehler!) Man muss das anders machen. Wenn wir das ganze Papier durchlesen – ich möchte das jetzt wirklich einmal ganz kurz erklären –, dann kommen wir drauf, dass in jedem Kapitel – das hat auch der Herr Wirtschaftsminister angesprochen, wie viele andere vor ihm – das


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Thema Aus- und Weiterbildung vorkommt, aber immer von einer anderen Seite aus gesehen.

Oder zum Beispiel ein zweites Thema, das Thema Kindergarten, kommt in fünf, sechs verschiedenen Kapiteln vor, angefangen von der Wirtschaft bis hin zum eigentlichen Kapitel „Bildung“. Ich halte das insofern für eine interessante Architektur eines Regie­rungsprogramms, als nicht die Linearität betont wird, sondern die Vernetzung von wichtigen Anliegen. Denken Sie daran, was wir hier immer gefordert haben, und hören wir endlich auf, immer nur von Einzelstücken zu reden!

Deshalb kann ich nur Frau Mühlwerth zustimmen und sagen: Sie haben vollkommen recht. Wir wollen hier auch gar nicht über die Gesamtschule der Zehn- bis Vier­zehnjährigen debattieren. Wissen Sie, worüber ich reden will? Über viel mehr, nämlich darüber, was da im Regierungsprogramm steht. Da steht nämlich – und das haben ja auch wir immer gefordert –: Wann sind wir endlich so weit, dass wir etwas als gesamtes Bildungswerk sehen? Angefangen von heranwachsenden Kindern im Kindergarten und in der Volksschule bis hinauf in den Bereich der Hochschule – auch das wurde heute schon angesprochen –, davon möchte ich reden!

Dazu sage ich Folgendes: Die neue Mittelschule ist ein Teil – und zwar ein wichtiger Teil – davon. Ich möchte überhaupt sagen, dass es dem Minoritenplatz – nicht dem Platz an sich, sondern den beiden dort Agierenden – auch schon in den letzten achtzehn oder zwanzig Monaten gelungen ist, sehr gut zusammenzuarbeiten und gerade im Bereich Bildung einiges voranzubringen, nämlich diese Vernetzung.

Der zweite Punkt, den wir immer eingefordert haben, ist die Sprachförderung. – Stefan Schennach weiß es; er war es, der in einem Buch einen Beitrag dazu veröffentlicht hat, deshalb möchte ich es auch betonen und auch dort in der Ecke lassen, wo es ist. Einige haben gesagt: Na ja, Volksschule, was tun wir da? Bitte, im Regierungs­programm wird der Schwerpunkt genau auf die Bereiche Kindergarten und Volks­schule gelegt, gerade, was die Sprachförderung betrifft, mit einem Impuls: Wenn ich mich recht entsinne, hast du drei, vier Mal eingebracht, dass auch keine andere Sprache erlernt werden kann, wenn die Muttersprache nicht gefördert wird. – Genau das steht jetzt im Regierungspapier! Ich kann nur sagen: Gott sei Dank, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich freue mich sehr darüber. Das ist etwas, das ich in anderen Papieren und Beiträgen dieser Art nicht gelesen habe.

Nächster Punkt: Was ist die zentrale Aufgabe der Bildungspolitik? Es wird im Regie­rungsprogramm nicht so oft von lebenslangem Lernen gesprochen, sondern von lebenslangem und lebensbegleitendem Bilden – und „Bildung“ ist ein weiterer Begriff als „Lernen“. Das ist auch etwas, das wir hier im Bundesrat sehr klar und fachlich thematisiert haben.

Oder – eine ganz spannende Geschichte –: Was heißt Chancengleichheit? Das ist ein wesentliches Grundprinzip, das sich aufgrund des Mottos „Der Mensch steht in der Mitte!“ durch das ganze Programm zieht. Wenn man das nach diesem Prinzip heraus­dekliniert, kommt man drauf, wo so einige Punkte stehen, auf die es wirklich gilt aufzubauen.

Oder etwas ganz Konkretes – und darüber bin ich persönlich sehr glücklich –: dass wir uns endlich neben dem Primar- und Sekundarbereich den tertiären Bereich näher anschauen, denn das muss zusammenspielen, ob das jetzt die Fachhochschulen sind, die Universitäten, die Hochschulen oder die anderen tertiären Einrichtungen. Und dazu steht im Regierungsprogramm, es gehe um formal und nonformal angeeignete Qualifikationen. Das heißt, beides ist wichtig.


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Wir werden in Zukunft Schritte setzen müssen – gerade in der Erwachsenenbildung –, dass wir Qualifikationen nicht nur dann anerkennen, wenn jemand den formalen Weg gegangen ist, in der Linearität, wie wir uns das im Bildungssystem immer vorgestellt haben, sondern auch dann, wenn sich jemand woanders Wissen angeeignet hat. Das wird ihm angerechnet, und zwar unter dem Schlagwort „Standardisierung“. Auch das steht im Programm. Ich sehe darin also sehr wohl viele Punkte, deren Grundprinzipien sehr gut und wohl durchdacht sind.

Weiters möchte ich noch etwas zum Kindergarten sagen, und zwar auch in unsere Richtung. Sie können sich vielleicht noch erinnern – das sage ich jetzt zu allen Frak­tionen –, wie wir bei der letzten Bildungsenquete überlegt haben, ob wir nicht eine Enquete zum Thema Kindergarten veranstalten sollten. Wir haben immer gewusst, dass der Schwerpunkt beim Kindergarten liegen muss. Im Regierungsprogramm wird der Kindergarten erstmalig eine Bildungsinstitution genannt. Es wird auch klar und deutlich gesagt: Alle Pädagoginnen und Pädagogen sind wichtig für ein Bildungs­system, nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer.

Nächster konkreter Schritt – weil viele sagen, das wäre nicht konkret –: Da wird eindeutig gesagt, dass die Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen im tertiären Bereich ausgebildet gehören, an unseren Pädagogischen Hochschulen. Das heißt, Forderungen, über die man vor einigen Monaten oder vor zwei, drei Jahren noch etwas gelächelt hat, haben wir hier schon sehr lange formuliert – und die halte ich für ganz, ganz wichtig.

Weiters sei in dem Zusammenhang vielleicht noch auf etwas Konkretes hingewiesen, nämlich auf eine Diskussion der auslaufenden kurzen Gesetzgebungsperiode über den Ethikunterricht.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir in diesem Bereich nichts Voreiliges beschlossen haben und dass nichts Voreiliges im Regierungsprogramm steht. Manche haben gesagt, was wollt ihr, da drinnen steht, dass eine Enquete zum Thema Ethik-Unterricht veranstaltet wird. Ich muss ehrlich sagen – und das sage ich jetzt als überzeugter Religionslehrer –, ich bin froh darüber, denn wovon ich nichts halte – das sage ich Ihnen auch, meine Damen und Herren – ist, dass wir alte Modelle, die seit vierzig Jahre in Deutschland umgesetzt werden – gut oder schlecht, darüber möchte ich jetzt kein Urteil abgeben –, einfach eins zu eins übernehmen.

Ich will, dass wir uns gut überlegen, was im Regierungsprogramm steht, nämlich wie der konfessionelle Religionsunterricht mit den ethischen Anliegen, den Grund­bedürf­nissen und Fragestellungen gut zusammenwirken kann. Da, glaube ich, werden wir uns in unseren Ganglien und Herzen noch vieles überlegen müssen, damit das ein gescheites Produkt wird. Ich glaube, es ist sehr legitim zu sagen, veranstalten wir eine Enquete. Ich sage es ganz ehrlich, gerade in unserem Kreis, das wäre etwas, das für uns als Bundesrat doch eine spannende Geschichte wäre, da wir uns doch immer mit Bildung beschäftigt haben.

Vielleicht noch ein weiterer wichtiger Punkt – und dann noch ein letzter; es gibt sicherlich noch vieles dazu zu sagen –: die Durchlässigkeit. Meine Damen und Herren, es gibt nichts Wichtigeres in einem Bildungswerk, bezüglich dessen wir von lebens­begleitend reden – „lebenslang“ sage ich ungern, denn das klingt, als ob einer einge­knastet ist –, als dass man zueinander Übergänge schafft – nicht nur die linearen, sondern auch die zueinander. Es steht zum Beispiel die Lehre mit Matura drinnen. – Das wissen wir, da ist ja schon vieles weitergegangen, auch in der vorhergehenden Regierung. Ich lese auch das Stichwort: Bauer mit Matura. Das sind also ganz konkrete Dinge, wo man auch sagen kann, es sind ein paar ganz konkrete Produkte, die es abzuarbeiten gilt.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 70

Ein letzter Punkt, der eher in den Bereich der Forschung gehört und den ich auch ganz positiv erwähnen möchte: Der österreichische Hochschulplan soll in Angriff genommen werden; das heißt, eine hohe Vernetzung des gesamten tertiären Bereiches. Ich hoffe, dass in diesen Hochschulplan auch die Wege dorthin mit hineingepackt werden, denn sonst haben wir wieder irgendeinen erratischen Block, aber nicht, wie es dazu kommt.

Gerade zu schauen, wo Schwerpunkte in unserem Land sind, und nicht immer das Konkurrierende, sondern auch einmal das Konferierende in den Vordergrund zu stel­len, zu schauen, wo wir Schwerpunkte setzen könnten, die auch gut miteinander korrelieren, das halte ich für das Um und Auf; und ich sehe, dass das ein Vorhaben dieses österreichischen Hochschulplanes ist, weil es einer ist, der gerade die Aufgabe hat, die unterschiedlichen Formen im tertiären Bereich miteinander zu vernetzen.

Seien wir doch ehrlich: Da gibt es die Fachhochschulen, die klassischen Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen, die privaten Universitäten. Wie soll das zusam­menspielen? – Wir merken es bei der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung. Da heißt es auch sehr klar: Wenn es kein Zusammenwirken der Pädagogischen Hochschulen mit den Universitäten gibt, dann gibt es keine gemeinsame Lehrerinnen- und Lehrer-Aus- und -Weiterbildung. Ich glaube, das ist auch ein wichtiger Punkt, der bis jetzt auch noch nie expressis verbis in den Papieren gestanden ist. Ich denke, da müssen wir sehr kritisch darauf schauen und miteinander auch das in den Vordergrund stellen.

Ich habe ja eingangs das Prinzip „Der Mensch steht in der Mitte!“ erwähnt. Da gefällt mir folgende Aussage im Regierungsprogramm: Die Lehrerinnen und Lehrer, die Pädagoginnen und Pädagogen sind der Schlüssel zum Bildungserfolg. Das heißt, was wir an großen Investitionen tätigen, müssen wir uns schon sehr gut überlegen, indem wir zum Beispiel sagen, zuerst investieren wir ins Personal und dann in vieles andere. Das wäre auch eine klassische Konsequenz aus dem, was ich aus diesem Programm herauslese. Ich denke, auch da können wir uns wunderbar finden.

Vielleicht noch zum Schluss: Ich glaube, dass der neue Umgang, den das Regierungs­team vorgibt und an den Start gesetzt hat, einer ist – und da sollten wir uns gerade als Bundesrat wirklich überlegen, wie wir wirklich gut agieren können, auch über die Fraktionen hinweg; ich habe den Eindruck, dass das in den letzten Jahren immer sehr gut gegangen ist –, bei dem wir uns wirklich auch fragen sollten, wo es Themen gibt, die es abzuarbeiten gilt und bei denen wir einfach auch die Themenführerschaft haben und übernehmen. Es gibt genug Themen, die gerade für den Bundesrat am adäqua­testen sind.

Wenn ich jetzt noch ein Beispiel aus meinem Bereich aufgreifen darf: Die Themen Kindergarten und Volksschule wären deshalb für uns klassische, weil das vielfach Länderangelegenheiten sind und wir genau wissen, dass es da noch, allein was die Verwaltung betrifft, Mehrgleisigkeiten gibt, aber auch, was den Inhalt betrifft. Ich bin nicht einer, der sagt, ich will alles zentralisieren, aber spannend wäre es, in einem föderalistischen Geist herzugehen und zu sagen, wo sind Themen, die gerade von unserer Kompetenz her in einer wunderbaren Weise gespielt werden können. Ich denke, dass da gerade der Bereich der Bildung, so wie ich ihn sehe, einer ist, der sich wie ein klassisches Grundprinzip durch alle Kapitel des Regierungsprogramms zieht und der bei uns gut angesiedelt wäre.

Da gilt es auch, wachsam gegenüber einander zu sein. Das sehe ich auch so. Bevor man aber alles ablehnt, gilt es, sehr klar zu betrachten, wie die persönliche Prüfung und wie unsere gemeinsame Prüfung ausschaut, um dann zu schauen, wo die Schwerpunkte liegen. Vieles, was heute hier gesagt und gefordert worden ist – zum Beispiel auch das, was Kollege Dönmez gesagt hat –, kann ich nur unterstreichen; vom


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Kindergarten bis zur Hochschule und auch in der Freizeit soll das ein Schwerpunkt sein.

Als Schwerpunkt steht im Programm ja auch: Jugend. Außerschulische Jugendarbeit mit der schulischen zu vernetzen, das sind Ansätze, über die man natürlich in der Um­setzung sehr konkret reden muss. Sie haben auch das Beispiel Integration gebracht. Ich halte es für einen ganz wichtigen Punkt. Das wäre so eine Grundgeschichte, wo aber, wenn man sich das durchschaut, in jedem Kapitel auch die integrativen Ele­mente, die aus den unterschiedlichen Fachbereichen kommen, angesprochen werden.

Ich muss ehrlich sagen, ich freue mich, dass da ein Anfang gelungen ist, sage aber auf der anderen Seite auch: Es ist wichtig, dass es auch die Symbole der Skepsis gibt, dass es auch diejenigen gibt, die kritisch und selbstkritisch die Dinge hinterfragen, und ich glaube, es gilt nicht nur, dass die Opposition wach schaut und Wache hält, sondern dass das auch wir selbst tun, die in der Regierung als Parteien vertreten sind. In diesem Sinne verstehe ich mich, gerade auch als steirischer Abgeordneter. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und des Bundesrates Dönmez.)

13.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.08.00

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den vorher einge­brachten Antrag (Zwischenrufe bei der ÖVP) – reden wir nachher darüber – zurück­ziehen und als selbständigen Antrag einbringen. Ich ersuche hiermit formell um die Zuweisung an den Innenausschuss und möchte mich recht herzlich bedanken. – Danke.

13.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der Antrag ist damit zurückgezogen.

Wir sind am Ende der Debatte.

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Gibt es noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann ist die Debatte geschlossen.

13.09.012. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­bahn-Pensionsgesetz, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Asylgerichtshofgesetz, das Ausschrei­bungs­gesetz 1989, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Landes­lehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirt­schaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Wachebediensteten-Hilfeleistungs­gesetz, die Reisegebührenvorschrift, das Rechtspflegergesetz und das Bundes­theaterpensionsgesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2008) (1 d.B. und 30 d.B. sowie 8037/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um den Bericht.

 


13.09.15


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 72

Berichterstatter Franz Perhab: Herr Präsident! Frau Minister! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Bundes-Per­sonal­vertretungsgesetz, das Asylgerichtshofgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift, das Rechts­pflegergesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden sollen.

Meine Damen und Herren, der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich stelle daher den Antrag, gegen diesen Gesetzesvorschlag keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.10.47

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuhörerInnen! Die vorliegende Dienstrechts-Novelle umfasst insgesamt die Änderung von 17 Gesetzen. Das geht vom Beamten-Dienstrechtsgesetz bis zum Bundestheaterpensionsgesetz. Wir haben uns natürlich alle Änderungen angesehen, und es gibt sehr vieles, was wir gerne unterstützen würden. Es ist die übliche Geschichte, das Glas ist halb voll und halb leer. Wir im Bundesrat haben leider keine Möglichkeit, differenziert abzustimmen, aber es gibt zwei Punkte, warum wir heute bei diesem Tagesordnungspunkt ablehnen werden.

Diese zwei wichtigen Gründe sind für uns einerseits das Asylgerichtshofgesetz, denn durch diese Änderung wird den Flüchtlingen der Zugang zu einer Verfahrenshilfe gesperrt. Noch dazu, wo erst vor Kurzem auch die Rechtsberatung der Asylwerber gekürzt worden ist, nämlich von 438 000 € auf 221 000 €. Das heißt, es wird insgesamt enger, und wir stehen an und für sich immer dafür, dass es auch gerade beim Asyl faire Verfahren gibt. Die Änderung ist ein Schritt in die falsche Richtung, und deshalb können wir da ganz sicher nicht zustimmen.

Das Zweite, warum wir nicht zustimmen, ist diese lineare Gehaltserhöhung für die Bundesbediensteten und für die Landeslehrer. 3,55 Prozent – ob das viel oder wenig ist, kann man darüber streiten – sind jedenfalls meiner Meinung nach nicht sinnvoll, wenn diese 3,55 Prozent für 1 000 € Nettoeinkommen genauso gelten wie für 4 000 € Nettoeinkommen, gerade in Zeiten, wo wir von Armutsfallen und Teuerungswellen reden. Da wäre es einfach sinnvoll, dass man die niedrigen Gehälter höher hinaufsetzt, man da mehr jährliche Erhöhung vorsieht als bei den höheren Gehältern.

Wie gesagt, das Glas ist auch halb voll. Es gäbe auch gute Gründe, zuzustimmen. Die guten Gründe, zuzustimmen, werden sicher von den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien noch vorgetragen, die erspare ich mir jetzt aus Zeiteffizienz. Wir werden ablehnen. (Beifall der Bundesräte Schennach und Dönmez.)

13.13



BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 73

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schimböck. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Der ist nicht da!) – Okay. Dann schreiten wir in der Rednerliste fort.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.13.31

Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Die vorliegende Dienstrechts-Novelle 2008 ist der präsentierten Regierungsvorlage sehr ähnlich – keine guten Aussichten für unsere Beamten. Wenn ich nur die festgeschriebene Gehaltserhöhung für den öffent­lich Bediensteten anschaue, die um 0,1 Prozent über der Inflationsrate liegt, kann ich nicht von einem großen Abschluss reden, den die Regierung mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ausgehandelt hat.

Wenn ich mir andere Berufsgruppen anschaue, zum Beispiel die Metaller, so muss ich festhalten, dass das auch anders gegangen wäre. Immerhin lag dort der Gehalts­abschluss doch wesentlich höher als beim öffentlichen Dienst – und genau das wäre auch im öffentlichen Dienst anzustreben gewesen.

Oder zum Beispiel die Verschlechterungen im Disziplinarrecht: Mit der Einführung einer Generalprävention ist es jetzt möglich, dass nicht mehr allein die Schuld des Beamten zur Straffindung herangezogen wird, sondern dass dabei auch darauf Bedacht genom­men wird, eine möglichst große Abschreckung zu erzielen. Das ist geradezu eine klassische Bestimmung, um kritische Beamte beziehungsweise politische Widersacher im öffentlichen Dienst mundtot zu machen. Das ist eine Vorgehensweise, die unbedingt abzulehnen ist. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

Dazu darf ich ein Beispiel bringen: Der niederösterreichische Fachausschuss für Exekutivbeamte, zuständig für die Zustimmung zur disziplinären Verfolgung eines eigenen Mitgliedes, kann diese Verfolgung eines Polizeibeamten, der anderen Polizei­beamten Geld unterschlagen hat, mit einem Beschluss verhindern. Und so ist es auch in Niederösterreich passiert.

Ich frage mich, warum wird ein Angehöriger des gewerkschaftlichen Betriebsaus­schus­ses nicht disziplinär verfolgt, wenn dieser in die Gemeinschaftskasse der Polizeikol­legen greift. Das hätte geändert gehört. Nur weil er Gewerkschaftsangehöriger, Fach­ausschussmitglied und Mitglied der ÖVP Niederösterreich ist, ist das wirklich ein Grund, nicht mehr verfolgt zu werden? Warum wird der entstandene Schaden von 2 700 € nicht durch die Gewerkschaft ersetzt?

Dazu passt auch die neue Regelung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Umlaufverfahren. Das bedeutet, es ist keine Besprechung mehr erforderlich, es erfolgt die Einleitung, falls eine erfolgt, im Vorbeigehen – aber vermutlich nicht gegen alle.

Auch möchte ich die Flexipool-Lösung ansprechen: Jahrelange verfehlte Personal­politik hat dazu geführt, dass es überall Personalprobleme gibt. Mit dem Flexipool wird versucht, bei der Exekutive die Personalpolitik aufzubessern beziehungsweise zu korrigieren, indem junge Polizisten in unserem Land Personallöcher innerhalb eines Landespolizeikommandos stopfen müssen. Im Gegenzug werden Zuteilungsgebühren nicht mehr als Aufwendung anerkannt und sind somit voll zu versteuern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wieder einmal wurde außer Acht gelassen – obwohl deren Notwendigkeit bekannt ist –, überfällige Reformen und Verbesserungen zu beschließen.

Als ein weiteres Beispiel darf ich noch die Deckelung der Nebengebührenwerte anführen. Obwohl durch Bedienstete im öffentlichen Dienst die Deckelung der Neben-


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 74

gebührenwerte oftmals erreicht und auch überschritten wird, kommt es darüber hinaus weiters zu Abzügen der Nebengebührenwerte. Hier wird von den Beamten für etwas bezahlt, was nicht anerkannt wird. Ich kann daher diesem Gesetz keine Zustimmung geben. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

13.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.18.01

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich vorweg, ich kann das nicht unbedingt nachvollziehen, Herr Kollege Ertl, was Sie uns da jetzt alles erzählt haben. Und auch diese Disziplinar­g’schichteln aus Niederösterreich, wo dann ausgerechnet die Gewerkschaftsmitglied­schaft vor einem entsprechenden Disziplinarverfahren schützt – das wäre mir schon neu. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist nichts Neues!) Eine Gewerkschaftsmitglied­schaft schützt also nicht unbedingt vor Disziplinarverfahren und gerichtlich strafbaren Handlungen. Das möchte ich hier stark in Zweifel ziehen. Vielleicht kann dann der Kollege, der auch aus der Exekutive und auch aus Niederösterreich kommt, das noch etwas erläutern.

Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass das ein so niedriger, eine Art Dumping­abschluss wäre, diese 3,55 Prozent. Er liegt wohl etwas über der Inflationsrate, und die Metaller haben mit 3,8 Prozent abgeschlossen. Also ich denke, es ist insgesamt gesehen ein guter Abschluss, weil er natürlich auch zum Erhalt der Kaufkraft beiträgt und auch die Nebengebühren entsprechend mit angepasst werden – also summa sum­marum für mich doch ein entsprechender Abschluss.

Wie heute schon erwähnt wurde, werden die Grünen nicht mitstimmen; es wurde kritisiert, dass auch im oberen Bereich diese 3,55 Prozent ausbezahlt werden. Wir hatten früher schon immer wieder Deckelungen. Wir hatten früher Einmalzahlungen. Ich denke, insgesamt gesehen sind diese 3,55 Prozent für alle ein sehr passender und sehr guter Abschluss – vor allem auch, weil vereinbart worden ist, dass die Gemeinden und die Länder das mit übernehmen werden, zumindest habe ich bis jetzt von keinem Bundesland gehört, dass es das nicht übernehmen wird.

Wir Vorarlberger sind da etwas außen vor, denn wir haben eigene Gehaltsver­hand­lungen, Verhandlungen über Gehalt und Dienstrecht. Wir haben 3,75 Prozent Erhö­hung erzielt, das liegt zwar auch unter dem Metallerabschluss, man muss aber auch die Situation im Land Vorarlberg beachten. Bei uns draußen haben wir doch auch eine etwas andere Preisgestaltung.

Zur Flexipool-Lösung: Wir haben gestern im Ausschuss gehört, dass die Leute, um wieder Ihr Beispiel Niederösterreich zu zitieren, von Zwettl bis Wiener Neustadt einge­setzt werden können. Es werden jedoch im neuen Regierungsprogramm auch 1 000 zusätzliche Ausbildungsplätze angeboten. Dadurch kommen im Exekutivbereich mas­siv mehr Kolleginnen und Kollegen zu einer Ausbildung. Wir werden mehr Exekutiv­kräfte auf der Straße haben, mehr im Einsatz haben. Es ist auch ein wichtiger Punkt, dass wir junge Leute wieder dafür gewinnen, in den Exekutivdienst zu gehen. Dass dann nicht jeder in seinem Heimatort eine entsprechende Dienststelle hat, das ist doch, so glaube ich, irgendwie auch logisch. Es gibt aber, wie man im Ausschuss auch gehört hat, entsprechende Tages- und Nächtigungsgebühren, auch Kostenersatz für Quartier, aber keine Übernahme der Übersiedlungskosten. Das wurde gestern ganz klar so formuliert.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 75

Es sind etwa 350 000 Kolleginnen und Kollegen positiv betroffen. Dafür stehen immer­hin 376 Millionen € zur Verfügung. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das eine große Summe ist. Deshalb auch dieser Gehaltsabschluss, den man als sehr gut bewerten kann. Wenn man dann noch die Länder und Gemeinden dazurechnet, dann sind es 700 Millionen €. Peanuts sind das also keine, Herr Kollege Ertl.

Dieses Gesetzespaket – Frau Kollegin Kerschbaum hat es schon erwähnt – ist sehr, sehr weitreichend. Ich möchte nur ein paar Punkte herausgreifen. Zum Beispiel wird auch die Langzeitversichertenregelung übernommen, die sogenannte Hacklerregelung, die ja in einer besonderen Nationalratssitzung vermurkst wurde, wenn man so sagen möchte, und dann im Bundesrat repariert werden musste. Die wurde jetzt auch ins Beamtendienstrecht übernommen.

Wir haben uns damals schon darüber unterhalten, dass wir von der ÖVP eine Aus­schleifregelung gewollt hätten, denn jetzt stellt sich das so dar, dass der Jahrgang 1953 nach 45 Dienstjahren mit 60 Jahren in Pension gehen kann, während der Jahr­gang 1954 nach diesem Gesetz dann bis zum Alter von 64 Jahren arbeiten müsste, also vier Jahre länger. Das ist nicht nur ungerecht, sondern einige Experten haben das längst als verfassungswidrig bezeichnet. Das steht aber eben auch im Regierungs­programm. Ich denke, wir werden einen vernünftigen Gesetzentwurf produzieren, mit dem dann auch dies saniert wird. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass dann irgendwann nach 2014 der Jahrgang 1954 zum Verfassungsgerichtshof gehen muss. Das wäre nicht im Sinne des Erfinders.

Zu erwähnen ist auch die Beamtenmatura, ein Relikt der Urzeit. Sie wird jetzt durch eine Berufsreifeprüfung ersetzt. Das ermöglicht dann auch einen Zugang zum univer­sitären Studium. Das ist eine ganz wesentliche Verbesserung.

Frau Ministerin, um das gleich an Sie heranzutragen: Es gibt eine massive Diskussion über eine Gehaltsreform, eine Dienstrechtsreform. Ich denke, das wird auch eine der ganz großen Herausforderungen sein in diesem Bereich. Wir in Vorarlberg haben längst eine Gehaltsreform umgesetzt, mit der wir die Lebensverdienstsummen anders verteilt haben. Die jungen Kolleginnen und Kollegen beziehen wesentlich höhere Ein­stiegsgehälter. Dann gibt es stark ansteigende Löhne in der Lebensphase, in der investiert wird, also bis 40, 45 Jahre, dann einen degressiven Verlauf der Gehalts­steigerungen bis hin zu bloßen Indexanpassungen.

Das ist ein mutiger Schritt, ein gewagter, denn das kostet natürlich auch sehr viel Geld, weil die älteren Kolleginnen und Kollegen im alten Schema mit seinem Senioritäts­prinzip verbleiben und die jungen Kolleginnen und Kollegen zugleich nach dem neuen Schema höher entlohnt werden müssen. Irgendwann wird man diesen Schritt aber wagen müssen, wird man diesen Schritt umsetzen müssen. Das wird eine der großen Herausforderungen für Ihr Ressort sein.

Insgesamt ist es für mich ein sehr fairer Abschluss, der auch gerechtfertigt ist. Der öffentliche Dienst wird oft zu Unrecht gescholten, das haben viele Beamtinnen und Beamte nicht verdient. Ich möchte daher auch von dieser Stelle aus danke sagen, und zwar allen Beamtinnen und Beamten, die für den Staat Österreich ihre Dienstleistung erbringen, insbesondere auch den Leuten im Parlament und in den Ministerien. Herz­lichen Dank für eure Dienstleistungen! In diesem Sinne: Schöne Weihnachten und alles Gute im neuen Jahr! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Kollege Schim­böck. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 76

13.25.50

Bundesrat Wolfgang Schimböck, MSc (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln hier ein Thema, das noch bei Weitem unterschätzt wird, denn dem öffent­lichen Dienst kommt eine ganz wichtige Funktion zu, nämlich in vielfacher Hinsicht die Infrastruktur dieser Republik bereitzustellen.

Eingangs möchte ich sagen: Als Wirtschaftstreibender habe ich und seitens des Sozial­demokratischen Wirtschaftsverbandes haben wir es sehr begrüßt, dass man seinerzeit in der Wirtschaftskammer den sogenannten Amtsmanager eingeführt hat. Das war, wenn man so will, so eine Art „Oscar“ für bestimmte Bereiche im öffentlichen Dienst. Ich möchte hier stellvertretend für die vielen öffentlich Bediensteten, die zum Wohl der Republik beitragen, jenen gratulieren, die in den letzten Jahren diese Preise entgegen­genommen haben. Die kamen, das war ganz interessant, aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Das waren zum Teil nachgeordnete Dienststellen der Bundesministerien, aber auch Magistratsabteilungen und so weiter.

Zu Beginn der Debatte ist von Kollegen Schennach, der jetzt gerade nicht da ist, etwas ganz Interessantes gesagt worden. Er hat gesagt, dass er in dieser Regierungs­erklärung mehr vom Gleichen sehe. Eigentlich hat er dieser Bundesregierung heute viele Rosen gestreut. Ich war ganz verwundert. Das hat sich gar nicht so oppositionell angehört, wie er das angekündigt hat. Mehr vom Gleichen, was diese Regierungs­erklärung beinhaltet, das ist ganz einfach Folgendes: Es kommen gleiche Chancen für alle heraus. Und das ist für mich eine ganz wichtige Sache.

Es hat heute die Aussage gegeben, und die hat auch mein Vorredner getätigt – du bist ja ein Führender in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten –, dass sich diese Regierung als Partner versteht, als Partner der Gemeinden, als Partner der Länder. Das ist ganz wichtig. Und das, was jetzt auf dem Tisch liegt, was den öffentlichen Dienst betrifft, ist für mich Ausdruck dafür, dass sich diese Regierung auch als Partner der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versteht.

Es geht um Vieles, und ich fange einmal mit dem an, was Kollege Schnider heute schon angesprochen hat, nämlich dem Bildungsbereich. Mit dieser Gesetzesvorlage ist ein großer Wurf gelungen, weil man die internen Ausbildungen entsprechend der Bologna-Architektur auf eine Ebene gestellt hat, auf der es Bachelor-Abschlüsse, Masterabschlüsse gibt. Um von unten zu beginnen: Die berühmte Beamtenaufstiegs­prüfung, die vielen Kolleginnen und Kollegen geholfen hat, in den B-Dienst zu kom­men, wird jetzt eine Berufsreifeprüfung. Das ist ganz toll.

Als Wirtschaftstreibender möchte ich sagen: Im öffentlichen Dienst schlummern wirk­lich viele Ressourcen, und es soll auch jeder die Gelegenheit haben, sie auszu­schöpfen. Und die Gelegenheit dazu, das meine ich mit gleichen und vielen Chancen, bekommt einer, wenn er entsprechende Abschlüsse hat, sodass er auch einmal in irgendeinen anderen wirtschaftlichen Bereich wechseln kann. Ich sehe da wirklich einiges an Triebkraft in dieser Bundesregierung, wenn dieses Bildungsmodell jetzt umgesetzt wird. Außerdem kommt dadurch natürlich eine gewisse Mobilität zustande.

Ich möchte noch einen Bereich herausgreifen, der für viele Menschen in dieser Repu­blik sehr, sehr wichtig ist und mit dem öffentlichen Dienst in einem ganz engen Zusam­menhang steht, das ist der Bereich der Gesundheitsversorgung, der Pflegeberufe. Wir haben in der Gesundheitsversorgung etwa 70 000 Menschen in den verschiedenen Krankenhäusern und so weiter beschäftigt. Da geht es auch wieder darum, dass man zum Beispiel für den Krankenpflegefachdienst einen Bachelor-Abschluss machen wird, wie das auch in anderen Ländern bereits üblich ist.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 77

Wir kennen die Pflegebetten-Diskussion im Gesundheitsbereich. Bei den Akutbetten in den Krankenhäusern war es früher so, dass auf etwa 2,5 Betten eine Pflegefachkraft kam. Heute besteht in verschiedenen Akutbereichen bereits ein Verhältnis von 1 : 1,5. Und wir haben dort überall hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich beziehe mich jetzt ganz bewusst auf diesen einen Bereich, denn der steht für mich für viele. Es ist ganz wichtig, dort die entsprechenden Grundlagen zu schaffen.

Von meinem Vorredner wurde ein Bereich angesprochen, der es sicherlich nicht leicht hat in diesen Zeiten. Das ist die Exekutive. Auch hier ein Dank an diese Bundes­regierung, dass in den Landeshauptstädten entsprechend viele Planstellen geschaffen wurden, und vor allen Dingen nicht nur dafür, dass die Planstellen geschaffen wurden, sondern auch dafür, dass es in unseren Sicherheitsakademien, den früheren Gendar­merie- und Polizeischulen – du selbst hast ja so eine Schule absolviert, Kollege Mayer, und auch ich –, so ausschaut, dass diese Planstellen auch nachbesetzt werden können.

Was wollen denn die Menschen in dieser Republik? – Sie wollen soziale Sicherheit, und sie wollen natürlich auch Sicherheit im engeren Sinn, also für ihre Güter und dergleichen mehr. Ich kann also sagen: Mit diesem Gesetzeswerk liegt ein wirklich guter Entwurf auf dem Tisch, ein guter Beschluss.

Ich möchte aber schon noch einen Bereich gezielt ansprechen, der auch sehr viel mit dem öffentlichen Dienst zu tun hat, das ist der Bereich Post. Es wurde ja Ende der Neunzigerjahre in diesem Bereich eine Umstrukturierung durchgeführt, nämlich die Aufspaltung in Post, Telekom und Postbus. Für die Gemeinden, aber auch für die vielen kleinen und mittleren Betriebe draußen in den Orten ist es sehr wichtig, dass die Infrastruktur aufrechterhalten wird. In dem Zusammenhang auch mein Appell an die Bundesregierung, das im Auge zu behalten. Die lokale Versorgung mit Postdiensten und vor allen Dingen auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, das wird auch künftig eine große öffentliche Aufgabe sein; davon werden wir uns nicht verabschieden können.

Ich bin da aber eigentlich sehr zuversichtlich. An der Spitze dieser Bundesregierung steht jetzt ein früherer Infrastrukturminister. Der weiß natürlich, was die Bedürfnisse der Menschen sind. Der eine oder andere von uns hat ihn ja bei seinen vielen Besuchen von Orten und Städten begleitet. Wir werden auch dafür ein offenes Ohr finden.

Insgesamt kann man zu diesem Entwurf nur gratulieren. Er schafft Chancengleichheit für viele Menschen. Vor allen Dingen bewirkt er bei vielen sehr engagierten Menschen wieder ein Animo, in den öffentlichen Dienst zu gehen, wenn sich dort solche Chancen eröffnen.

Unsere Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


13.32.25

Bundesministerin ohne Portefeuille Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich freue mich sehr über die bis­herigen Debattenbeiträge, sowohl die Pro- als auch die Kontra-Beiträge, weil sie mir persönlich helfen, mir in diesem neuen Bereich ein sehr differenziertes Bild zu machen. Ich kann mir auch das eine oder andere mitnehmen für allfällige nächste Verhand­lungen, die ja anstehen. Das wurde heute bereits gesagt.

Ich bin sehr stolz darauf, dass ich für rund 132 000 Bedienstete im öffentlichen Dienst des Bundes zuständig sein kann, sowohl Beamte/Beamtinnen als auch Vertrags­be-


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 78

diens­tete und nachfolgend natürlich für insgesamt fast 360 000 Menschen, die meiner Meinung nach, so wie ich sie bis jetzt kennengelernt habe, auch wenn ich draußen bin und in einer BH etwas beantrage, hoch motiviert sind. Sie haben es nicht immer leicht – aber das ist in anderen Berufen auch so –, aber erbringen für uns trotzdem dieses Gerüst an Dienstleistung und qualifizierter, moderner Arbeit am Bürger, an der Bürgerin, das wir brauchen.

Dafür möchte ich allen, auch denen in der Sektion III, die das vorbereiten, die ich zum Großteil auch schon kennenlernen konnte, weil ich natürlich sehr schnell gut informiert sein muss über den neuen Bereich, für den ich jetzt die Verantwortung trage, aber eben auch allen anderen ein herzliches Dankeschön von dieser Stelle aus sagen für die Leistungen für uns Bürgerinnen und Bürger, die Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, draußen erbringen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn aus den Medien jetzt so ein bisschen herauskommen sollte, ich würde mit Fritz Neugebauer streiten, so sage ich einmal, dass wir das noch gar nicht können, weil wir einander noch gar nicht getroffen haben. Das werden wir erst nächste Woche tun. Es ist natürlich sehr verständlich: Wir haben beide das gleiche Ziel: Wir wollen eine Dienstrechts-Novelle, oder wir wollen, besser gesagt, ein neues Dienstrecht, das natürlich auch mit einer Besoldungsreform einhergehen soll. Aber dafür brauchen wir natürlich auch die nötigen Mittel.

Ich habe das Herrn Wolf vom ORF gestern auch gesagt, das wurde dann leider herausgeschnitten. Natürlich bin ich dafür, dass die Jungen, wenn sie eine Familie gründen, sich eine Wohnung anschaffen, wenn sie einsteigen in den öffentlichen Dienst, ein höheres Einkommen haben sollten. Wenn die Einkommensentwicklung dann im Alter abflacht, ist das verträglicher mit der Lebensplanung. Es ist allerdings sehr schwierig, Menschen, die ihre Lebensplanung bereits begonnen haben, die bereits in einer gewissen Position sind, etwas „abzuschneiden“. Das geht nicht.

Es geht sich nicht ganz aus, wenn wir sagen, dass das kostenneutral sein soll, und es ist daher wichtig, dass sowohl die Gewerkschaft als auch ich, die Sozialpartner und ich an den Herrn Finanzminister herantreten und schauen, was möglich ist. Nichts anderes habe ich gesagt.

Ich möchte auch ein neues Dienstrecht, wie immer es aussehen mag. Dafür gibt es gute Vorarbeiten. Es gibt Vorarbeiten dahin gehend, das öffentlich-rechtlich oder anders zu gestalten. Das werden wir uns alles anschauen. Es wird aber einhergehen müssen mit einer Besoldungsreform. In angespannten Zeiten wie diesen sollte auch der Bund Vorbild sein – minus 0,5 Prozent, wir haben es heute gehört – und muss ver­suchen, den Spargedanken einzubringen. Wir haben mit dem begonnen, was auch vorangegangene Regierungen gemacht haben, was ich jedoch mehr für ein symbo­lisches Zeichen halte, indem wir einen Aufnahmestopp verfügt haben, bis wir das Budget beschlossen haben werden. Das haben wir einstimmig im Ministerrat beschlos­sen. Bereiche wie Bildung und Sicherheit müssen natürlich davon ausgenommen sein und auch werden. Es wird keine Klasse geben, die ohne Lehrerin/ohne Lehrer dasteht, und es wird auch genug Polizisten und Polizistinnen auf der Straße geben. (Präsident Weiss übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir sind auch Vorbild. – Ich möchte hier jetzt keine Grundsatzrede zum öffentlichen Dienst halten, denn wir werden hier im Bundesrat noch oft Gelegenheit haben, dieses Thema miteinander zu diskutieren, wenn wir zum Beispiel die nächsten Schritte setzen, was die Besoldungs- oder Dienstrechtsreform anbelangt. – Ich freue mich wirklich, dass der Bund mit über 1 000 Lehrlingen in über 50 Lehrberufen Vorbild ist und dass wir auch gegenüber Menschen mit Behinderungen immer besser werden, indem wir auch diesen Menschen Arbeitsplätze bieten.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 79

Auch im Hinblick auf Frauenfragen – ich bin ja auch mit Leib und Seele Frauen­ministerin und seit vorgestern vom Herrn Bundespräsidenten auch mit Portefeuille ausgestattet – sei erwähnt, dass 39 Prozent aller öffentlich Bediensteten weiblich sind. Natürlich muss im Bereich der Führungspositionen noch einiges getan werden, wobei aber auch schon etliches geschehen ist. Das kann uns auch ein bisschen stolz machen.

Zur vorliegenden Novelle: Die habe ich nicht verhandelt. An dieser Stelle herzlichen Dank an Staatssekretär Schieder, Staatssekretär Lopatka und Fritz Neugebauer, die diese Dienstrechts-Novelle, über die schon einiges gesagt wurde, verhandelt haben. Es sind 17 Bereiche, es gibt selbstverständlich auch Für und Wider, das ist keine Frage, aber im Großen und Ganzen gibt es Vereinfachungen für die öffentlich Bediens­teten, werden Dinge abgeschafft, weil sie einfach nicht mehr adäquat und zeitgemäß waren, und gibt es als großen Bereich doch auch die 3,55 Prozent Gehaltserhöhung, die, wie ich glaube, doch ein relativ angenehmer Abschluss – und es waren harte Verhandlungen, habe ich mir sagen lassen – für die Bediensteten in Zeiten der angespannten Finanzsituation, des angespannten Budgets sind.

In diesem Sinne bitte ich Sie, soweit Sie es können, dieser Novelle Ihre Zustimmung zu geben. Ich freue mich wirklich sehr auf eine intensive Zusammenarbeit mit Ihnen und schätze auch Ihre Expertise, denn ich kann jede einzelne Meinung sehr gut für die Zukunft gebrauchen, damit der öffentliche Dienst vielleicht noch schlagkräftiger – schlagkräftig ist er ja schon – werden kann in Zeiten, in denen wir aber auch den Spargedanken nicht vergessen dürfen, auch im öffentlichen Dienst nicht.

Ihnen persönlich wünsche ich angenehme Feiertage. Auf eine gute Zusammenarbeit im neuen Jahr! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.39


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

13.39.143. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – 2. SVÄG 2008) (4 d.B. und 27 d.B. sowie 8038/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. Ich bitte um den Bericht.

 


13.39.43

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 80

2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­ge­setz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversiche­rungs­gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

 


13.40.44

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Bei der vorliegenden Regierungsvorlage geht es um das 2. Sozialver­sicherungs-Änderungsgesetz 2008.

Bei den vorgeschlagenen Änderungen geht es einerseits um die Anpassung der Unfallrenten und andererseits um Geldleistungen aus der Unfallversicherung und die Anpassung der Ausgleichzulagenrichtsätze. Mit der auf den 1. November 2008 vor­gezogenen Pensionserhöhung konnten die AZ-Richtsätze für Alleinstehende von 747 € auf 772 € und für Ehepaare von 1 120 € auf 1 158 € erhöht werden. Von der Kom­mis­sion zur langfristigen Pensionssicherung wurden3,2 Prozent Pensions­erhö­hung zum 1. November 2008 vorgeschlagen. Letztendlich sind es aber doch 3,4 Prozent gewor­den. Wenn man das Gesamtpaket aller Maßnahmen berechnet, ergibt das in Summe 1,53 Milliarden €. Wenn man nun auch noch die angekündigten Auswirkungen der Steuerreform ab 1. Jänner 2009 dazurechnet, kann man feststellen, dass im Jahre 2009 den Pensionistinnen und Pensionisten mehr Geld zur Verfügung stehen wird. Ich glaube, dies ist gerade im Hinblick auf die Prognosen, die ein wirtschaftlich schwieriges Jahr voraussagen, eine wichtige und sinnvolle Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt.

Lassen Sie mich auch noch kurz auf die Diskussion zu den Pensionserhöhungen und zur Sicherung unserer Pensionen zu sprechen kommen. Man wirft der älteren Gene­ration vor, mit ihren Forderungen die Zukunft der Jungen zu gefährden. Die Pen­sionsbezieher von heute müssen sich – so meine ich – nicht rechfertigen wegen ihrer Pension. Viele haben 40 Jahre und länger ihre Pensionsbeiträge eingezahlt. Die Pensionen von heute sind keine Geschenke des Staates, sondern eine Versicherungs­leistung des Staates, die die Menschen bekommen, weil sie selbst jahrelang hindurch mit ihren Beiträgen das System für die frühere ältere Generation finanziert haben.

Den selbsternannten Pensionsexperten, die uns ausrichten, dass unsere hervorragen­den Pensionssysteme nicht nachhaltig finanzierbar sind, sei Folgendes gesagt: In Zeiten, in denen die Menschen aufgrund der andauernden Finanzkrise ohnedies schon Angst um ihr Erspartes und ihre finanzielle Zukunft haben, ist es, wie ich meine, fahrlässig, auch noch die staatlichen Systeme madig zu machen. Laut mehrerer OECD-Studien ist unser staatliches Pensionssystem bis zum Jahre 2050 gesichert.

Wenn man die Entwicklungen der Pensionszahlung in Österreich betrachtet, ist Fol­gendes festzustellen: Der Staatszuschuss zu den Pensionen sinkt laufend, wie aus einem Gutachten der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung ersichtlich ist. So betrug der Bundesbeitrag zu den ASVG-Pensionen ohne Ausgleichszulagen im Jahre 2007 16,33 Prozent, er wird im Jahre 2010 14,98 Prozent betragen und im


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 81

Jahr 2012 nur noch 12,95 Prozent. Dies bedeutet gleichzeitig einen ständig steigenden Eigenfinanzierungsanteil durch die Versicherten selbst.

Auch das Verhältnis der Zahl der Pensionen zur Zahl der Erwerbstätigen bleibt im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung fast gleich. So entfielen im Jahre 2002 627 Pensionen auf 1 000 Erwerbstätige. 2008 betrug das Verhältnis 623 zu 1 000, und im Jahre 2013 sind wir wieder bei 626 auf 1 000 Versicherte.

Der Anteil des Pensionsaufwandes am BIP ist ebenfalls leicht gefallen. So betrug er 2005 1,8 Prozent und in den Jahren 2006 und 2007 1,7 Prozent.

Das Einkommen, mit dem die Menschen in den Ruhestand treten, muss ihnen auch bleiben. Alles andere wäre ein grober Missbrauch des Vertrauens zwischen den Gene­rationen.

Die angeführten Änderungen, die mit 1. November 2008 in Kraft getreten sind, wie die prozentuelle Pensionserhöhung mit 3,4 Prozent, die Erhöhung der Ausgleichszulagen­richtsätze, keine Wartefrist bei Neupensionen, Einmalzahlung als zusätzliche Teue­rungs­abgeltung, Energiekostenzuschüsse für Ausgleichszulagenbezieher in der Höhe von 210 €, Verlängerung der Hacklerregelung bis 2013, Erhöhung des Pflegegeldes ab 1. Jänner 2009 und die Steuertarifreform, aber auch die Anrechnung der Zeiten in der elterlichen Landwirtschaft als Beitragszeiten sollen hier nicht unerwähnt bleiben.

Für all diese Maßnahmen, die nun beschlossen wurden, möchte ich meinen Dank an jene richten, die bei den Verhandlungen mit dazu beigetragen haben, dass diese Maßnahmen umgesetzt werden können.

Sicherlich gibt es auch in Zukunft noch einen langen Forderungskatalog von Seiten der Senioren. Wir hoffen, dass der neue Sozialminister auch entsprechende Maßnahmen setzen wird. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

13.46


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesrätin Kemperle das Wort.

 


13.46.38

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Werter Herr Präsident! – Die Regie­rungs­bank ist im Moment leer. – Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich glaube, das vorliegende Bundesgesetz ist eigentlich nur ein Nachziehen von bestimm­ten Leistungen und dient im Grunde genommen der Gleichbehandlung gegenüber anderen Leistungen, die in verschiedenen Bereichen bereits beschlossen wurden.

Wie bekannt ist, wurden die Pensionen bereits ab November erhöht. Übersehen wurde in der Beschlussfassung dabei allerdings, dass auch die Ausgleichszulagenrichtsätze mit erhöht werden hätten sollen. Das ist im Grunde genommen das, was man ausgleichen und mitbestimmen sollte; im Ausgleichszulagenrichtsatz ist das eine Erhöhung von 747 € auf 772,40 €.

Gleichzeitig sollen aber auch alle Geldleistungen aus der Unfallversicherung, und zwar ebenfalls mit November 2008, angehoben werden. Bei den Leistungen aus der Unfallversicherung geht es zum einen um die Anpassung der Unfallrente selbst, aber auch um die leistungsrelevanten Beträge der Unfallversicherung. Es geht dabei auch um das Taggeld, wenn sich jemand in einer Reha-Einrichtung befindet.

Wir werden daher dem vorliegenden Bundesgesetz, das eigentlich eine Reparatur darstellt, zustimmen, um im Taggeldbereich etwas zu tun und zum anderen auch den Beziehern von Leistungen aus der Unfallversicherung Gleichbehandlung zuteil werden zu lassen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

13.48



BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 82

Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

13.49.044. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2009

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Da mit 1. Jänner 2009 der Vorsitz auf das Bundesland Wien übergeht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 B-VG der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Harald Reisenberger, zum Vorsitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vor­nehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vor­schlagsrecht zu.

Es liegt ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Jürgen Weiss lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist angenommen.

Auf die Frage, ob ich die Wahl annehme, antworte ich mit Ja. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.) Ich danke für das Vertrauen.

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vor­schlagsrecht zu.

Es liegt ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist angenommen.

Ich frage die Frau Kollegin, ob sie die Wahl annimmt.

 


13.50.47

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Ich bedanke mich für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführer.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 83

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Josef Saller, Ana Blatnik, MMag. Barbara Eibinger und Waltraud Hladny für das erste Halbjahr 2009 zu Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ein Ein­wand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Blatnik, MMag. Eibinger und Hladny sowie Bundesrat Saller nehmen die Wahl an.)

Danke. Ich wünsche allen Gewählten bei der Arbeit viel Freude.

Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Karl Boden und Dr. Franz Eduard Kühnel für das erste Halbjahr 2009 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesräte Boden und Dr. Kühnel nehmen die Wahl an.)

13.52.335. Punkt

Wahl von Vertretern Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Euro­parates

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Einer Vereinbarung der Fraktionen entsprechend sind vom Bundesrat zwei Mitglieder und ein Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung zu wählen.

Es liegen mir die Wahlvorschläge vor, Herrn Bundesrat Prof. Albrecht Konecny und Herrn Bundesrat Peter Mitterer als Mitglieder sowie Herrn Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Euro­parates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den von mir bekanntgegebenen Wahl­vorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Die Wahlvorschläge sind angenommen.

Die von mir genannten Mitglieder sind somit als Mitglieder beziehungsweise Ersatz­mitglieder in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt. Ich wün­sche ihnen bei ihrer Tätigkeit viel Erfolg.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 84

13.53.27Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Schennach, Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zur Erweiterung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes (2652/J-BR/2008)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen nunmehr zur Behandlung der Dringlichen Anfrage.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Schennach als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

 


13.53.52

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Ostermayer! Normalerweise ist eine Dringliche Anfrage der Opposition an Regierungsmitglieder gerichtet, um einen aktuellen Konflikt zu besprechen oder ein aktuelles Konfliktfeld in einer Streitform auszutragen. Diese Dringliche Anfrage folgt nicht diesem Muster zwischen der Oppo­sition und der neuen Bundesregierung, da in dieser Sache selbst ja kein Konflikt vorliegt, jedoch die Sache an sich einen dringlichen Charakter hat.

Wir alle verfolgen in den letzten Monaten eine Situation am internationalen Weltmarkt, in dem Geld nicht mehr dazu dient, reale Güter zu finanzieren, reale Geschäfte zu machen, sondern sich das Geld an sich in einer nebulosen Vermehrungsform verselb­ständigt hat. Der Glaube daran, das Geld selbst und seine Produkte, die da gestaltet wurden, wurden zum Handelswert, der in der Form außer Kontrolle geriet.

Was müssen wir doch tief besorgt feststellen? – Eine ganze Reihe österreichischer Gemeinden – genau genommen sind es mindestens 5 Prozent der österreichischen Gemeinden – hat an riskanten Geschäften, Investmentgeschäften mitgewirkt.

Der derzeit bezifferte und vermutete Schaden aus diesen Luftgeschäften oder hoch­riskanten Geschäften mit unser aller Steuergeld wird zwischen 50 und 60 Millionen € geschätzt. Alleine im Land Niederösterreich haben sich 70 bis 90 Gemeinden daran beteiligt und sind in Spekulationsgeschäfte eingestiegen.

Der Herr Staatssekretär kommt, wie ich aus seiner Biografie zu kennen glaube, aus dem Burgenland. Nehmen wir die burgenländische Situation her: Für knapp 400 000 € haben sich burgenländische Gemeinden an Devisenoptionen beteiligt. Die Namen der Gemeinden sind ja vielfach durch die Medien gegangen, ich werde sie nicht alle nennen müssen.

Spannend ist es schon, dass zum Beispiel zwei Gemeinden ihre gemeindeeigene Sparkasse verkaufen, also etwas Reales verkaufen, und das Geld mehr als riskant veranlagen. Zum Beispiel hat die Gemeinde Hartberg 10 Millionen € auf den Virgin Islands veranlagt und mit dem damaligen Meinl European Land jetzt schon einen Schaden von 2,5 Millionen €.

Auch Hofamt Priel, das in Termingeschäfte und in Fremdwährungskredite investiert hat, hat eine Sparkasse verkauft. Der Schaden wird derzeit mit ungefähr 3 Millionen € beziffert.

Trieben in der Steiermark: Immofinanz, Fremdwährungskredite; Öblarn: verschuldet; Puch in Salzburg: unklare Geschäfte zwischen der Gemeinde und dem eigenen Bür­germeister, Strem im Burgenland ... (Bundesrat Gruber: Keine Spekulation!) – Das ist keine Spekulation. Ich rede jetzt generell von der Art, wie Gemeinden hier offen-


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 85

sichtlich – der frühere Herr Bürgermeister hat sich schon zu Wort gemeldet – Ge­schäfte machen. Es geht ja um einen tieferen Sinn, den wir mit dieser Dringlichen Anfrage an die Bundesregierung deutlich machen.

Wenn zum Beispiel Strem im Burgenland um 4,5 Millionen € ein Altenheim baut und nicht einmal die entsprechenden Verträge hat oder Neusiedl 20 Millionen € Schulden im Budget hat, so ist das insgesamt ein interessantes Bild, aber ein beängstigendes Bild.

Oberschützen – der Bürgermeister, der jetzt mit einem Rucksack durch die Gegend rennt, ist immerhin Steuerberater und hat andere Gemeinden beraten, wie sie ihr Geld anlegen sollen – machte 81 000 € Verlust. Er wird jetzt 20 000 €, sein eigenes Gehalt für das nächste Jahr, einsetzen. Wie will er das aber mit den anderen Gemeinden handhaben, die er beraten hat?

Auersthal ist zu nennen. Radstadt in Salzburg hat eine Veranlagung von 8,4 Mil­lionen €. Wie kann es weitergehen?

In Zins-Swaps haben investiert: Prellenkirchen, Retz, Warth. In Schweizer Fremd­währungskredite: Wiener Neustadt, Zellerndorf, Zistersdorf, Deutsch Schützen, Ritzing, Zurndorf. Bad Vöslau hat durch Immo-Papiere, die man tapezieren kann, bereits einen Verlust von 100 000 €. Breitenfurt bei Wien, Bruck an der Leitha: Swaps, Swaps, Swaps.

Dies, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatssekretär, bewirkt, dass wir den genauen Schaden noch gar nicht kennen. 50 bis 60 Millionen € an Verlusten aus solchen Geschäften werden derzeit vermutet, aber die österreichischen Gemeinden sind mit 11 Milliarden € verschuldet. Das sage nicht ich, das sagt der Rechnungs­hofpräsident – nur, falls jemand sagt, das hätte ich von irgendwo her. Der Rech­nungshofpräsident problematisiert diese 11 Milliarden € insofern, als er sagt, davon sind 7,7 Milliarden € aus ausgelagerten Geschäften entstanden – 7,7 Milliarden € Schulden der österreichischen Gemeinden aus ausgelagerten Geschäften!

Ich sage jetzt auch in Richtung unseres Präsidenten, der weiß, dass ich eine sehr große und tiefe Demut vor der österreichischen Verfassung habe, Folgendes: Ja, die Gemeindeautonomie ist eine der herausragenden Leistungen in der Verfassungs­wer­dung Österreichs. Dass wir die territoriale Selbstverwaltung mit dem Gemeinde­gesetz nach den Ereignissen von 1848 haben, dass wir nach einem kurzen Rück­schlag durch die Monarchie mit der Ersten Republik dieses Gemeindegesetz und diese heraus­ragende Stellung der Gemeinden als demokratische Keimzellen im Staat haben, ja, dazu bekennen wir uns. Wir sind stolz auf die Gemeinden in Österreich, denn sie sind der größte Investor.

Wenn in der Politik gesagt wird – ich schmunzle immer, wenn die Bundesregierung oder eine Landesregierung das sagt –, wir schaffen Arbeitsplätze, dann sind die, die wirklich Arbeitsplätze schaffen, und die, die wirklich die Wirtschaft ankurbeln, die öster­reichischen Gemeinden; deshalb auch meine tiefe Sorge, dass die österreichischen Gemeinden als Motor, Arbeitgeber und Investor Nummer eins nicht mehr die Inves­titions­kraft haben zu finanzieren, wenn sie sich in solche Veranlagungen hineinverirren.

Meine Damen und Herren, vor drei Tagen ist der Gemeindefinanzbericht 2008 er­schienen. (Der Redner hält ein Exemplar dieses Berichts in die Höhe.) Dieser Finanzbericht ist drei Tage alt, und wenn hier ein Reißwolf stünde, könnte man ihn hineinstecken, denn er ist nach drei Tagen schon völlig unaktuell.

Dieser Finanzbericht basiert auf den Daten von 2007, die für die Gemeinden ein sehr, sehr positives Ergebnis brachten, wie auch der Herr Gemeindebundpräsident Mödl­hammer in der Erläuterung schreibt.


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 86

Ja, das ist erfreulich. 16,141 Milliarden € Einnahmen für die Gemeinden sind eine Steigerung von 5,8 Prozent. Es sind natürlich auch die Ausgaben gestiegen, und nun kommen wir zu dem, was ich vorhin gesagt habe, dass die Gemeinden eines der wichtigsten Elemente sind, die wir – gerade jetzt, in einer Konjunkturkrise – haben, um gegenzusteuern und zu investieren.

Wir sehen schon in diesem Bericht, der auf den Daten 2006 und 2007 basiert – und nicht auf den Daten aus der Krise aufgrund der Ereignisse durch riskante Geschäfte in diesem Jahr –, dass die notwendigen Investitionen zurückgehen. Warum? – Weil die Gemeinden immer mehr in soziale Aufgaben involviert werden – zu Recht involviert werden, ich sage nur Pflegebereich oder Kindererziehung – und nun bei den Investitionen in die Infrastruktur das Geld fehlt.

Der Herr Gemeindebundpräsident hat, um diese Leistungen der Gemeinden in Zeiten extremer Konjunkturschwankungen auch erfüllen zu können, gestern oder vorgestern einen zusätzlichen Transfer von 2,5 Milliarden € gefordert.

Das ist aus Sicht der Grünen eine richtige und sinnvolle Maßnahme, denn sie trifft das Problem im Kern, dort, wo sie auch die höchste Effizienz hat und eine unmittelbare Erfüllung – zum Beispiel von sozialen, wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Auf­gaben – erfolgen kann.

Nur, das muss mit einer Bedingung verbunden sein, und diese Bedingung heißt, dass wir den Auftrag an den Rechnungshof verändern, sein Gebarungsvermögen insofern ändern, als er nicht mehr nur Gemeinden ab 20 000 Einwohnern prüfen kann, sondern alle österreichischen Gemeinden, denn Misswirtschaft ohne Kontrolle, hochriskante Spekulationen mit Steuergeldern, das darf es nicht geben. – Bitte sagen Sie jetzt nicht, aber wir haben ja in den Ländern auch Prüfungen. Jürgen Weiss würde das jetzt wahr­scheinlich sagen, aber auch er weiß, dass diese Kontrollen in den einzelnen Ländern höchst unterschiedlich geregelt sind und wir zum Teil Regelungen von Prüfungen haben, wo in Konzentrations- oder Koalitionsregierungen die roten Landesräte die roten Gemeinden prüfen und die schwarzen Landesräte die schwarzen Gemeinden. (Ruf bei der ÖVP: Wo? Bundesrätin Kerschbaum: In Niederösterreich!) – Zum Beispiel in Niederösterreich, zum Beispiel in der Steiermark. (Bundesrätin Vladyka: Das stimmt nicht!) Das stimmt. (Bundesrätin Vladyka: In Niederösterreich nicht!)

Meine Damen und Herren, dann gibt es noch folgende Frage: Weil der Herr Staats­sekretär aus dem Burgenland ist, habe ich mir ein Beispiel aus dem Burgenland herausgesucht (Bundesrat Stadler: Zur Feier des Tages!): Kontrolle ist immer eine Sache der Parlamente, und der Bericht über Kontrolle sollte an Parlamente gehen. Wenn das Land seine Gemeinden prüft, dann ist die Frage, wohin der Prüfbericht geht. Der Direktor des burgenländischen Landesrechnungshofes, Dipl.-Ing. Franz Katzmann, sagt:

„Die Berichte gehen der Landesregierung und nicht dem Landtag zu. Das bedeutet, dass die Begutachtungsergebnisse des Landesrechnungshofes nicht veröffentlicht wer­den und dem Landtag nicht übermittelt werden.“ Es ist der Direktor des burgen­ländischen Landesrechnungshofes selbst, der weiter sagt: „Insofern ist die Öffentlich­keitswirkung der Begutachtungsergebnisse des Landesrechnungshofes im Gemeinde­prüfungsbereich – jedenfalls im Burgenland – nicht erreicht. So gesehen, wäre also diese Thematik zu überbrücken und diese Lücke aus unserer Sicht jedenfalls zu schließen.“

Das Land Steiermark hat unlängst ein Jubiläum gefeiert: Der steiermärkische Landes­rechnungshof war der erste unabhängige Landesrechnungshof in Österreich. Rech­nungshofdirektor Johannes Andrieu bestätigt, dass er eine externe Kontrolle der Gemeinden durch die Rechnungshöfe begrüßen würde. (Bundesrat Kneifel: Ja, durch


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die Rechnungshöfe, aber nicht durch den Bundesrechnungshof!) – So, und auf diesen Zwischenruf warte ich schon die ganze Zeit (Bundesrat Kneifel: Gern geschehen!), denn jetzt ist der Herr Kollege in eine schwere Falle getappt.

Hier in diesem Saal fand im letzten Jahr eine richtungweisende Debatte statt, anläss­lich deren Eröffnung Frau Nationalratspräsidentin Prammer folgende Worte ge­sprochen hat: Es freue sie, dass das Symposium zum Thema „Öffentliche Finanz­kontrolle in Österreich“ ausgerechnet im Bundesratssitzungssaal stattfindet.

Das, was Herr Kollege Kneifel als „Bundesrechnungshof“ bezeichnet, gibt es nicht. (Bundesrat Kneifel: Wer bestimmt den Präsidenten des Bundesrechnungshofes? Nicht der Bundesrat, der Nationalrat!) – Ja, ja, ganz ruhig.

Seit 1929 wurde in der Verfassung die Einheitlichkeit der Finanzkontrolle festgehalten und festgelegt. Das heißt, der Rechnungshof ist ein Hilfsorgan des Nationalrates und hat die verfassungsmäßige Kompetenz für Bund, Länder und Gemeinden. Es gibt keinen „Bundesrechnungshof“, sondern es gibt den Rechnungshof. Und die Zustän­digkeit dieses Rechnungshofes wurde 1948 noch einmal ganz eindeutig klargestellt.

Herr Präsident Moser hat dazu – übrigens hier an diesem Rednerpult im letzten Jahr – gesagt:

„Eine Ausweitung der Kontrollkompetenz auf Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern und Unternehmen bereits ab einer öffentlichen Beteiligung von mehr als 25 Prozent bringt nicht nur ein Mehr an Transparenz und Kontrolle für die gesetz­gebenden Körperschaften, sondern auch einen Mehrwert“ – nämlich einen wirklichen, nicht nur einen Phantasiemehrwert – „für die überprüften Stellen durch den ver­gleichenden und beratenden Ansatz des Rechnungshofes.“

Moser sagte weiters: „Für mich als Präsident des Rechnungshofes ist es aber auch von besonderer Bedeutung, dass die Veranstaltung im Sitzungssaal des Bundesrates stattfindet, da der Rechnungshof zwar organisatorisch“ – das ist jetzt für den Kollegen Kneifel – „ein Organ des Nationalrates, funktionell aber, je nachdem ob er die Bundes-, Landes- oder Gemeindegebarung prüft, ein Organ des Nationalrates oder der Landtage beziehungsweise“ – da mich Herr Kollege Konecny anschaut – „des Wiener Gemeinderates und somit ein föderatives Bund-Länder-Organ ist.“

Weiters ist in der gesamten Debatte klargestellt worden, dass es aufgrund der immer intensiver werdenden Zahlungstransfers – 210 000 Transferströme allein zwischen den Gebietskörperschaften im Bereich der Gemeindeebene pro Jahr – sinnvoll ist, die Einheitlichkeit der Finanzkontrolle in Österreich herzustellen. – Die Erfahrungen haben das gezeigt, da wir es hier mit den unterschiedlichsten Gebietskörperschaften zu tun haben. 55 Prozent der Abgabeneinnahmen kommen über die Gebietskörperschaften, und angesichts so einer enormen Masse, die da bewegt wird, ist diese Einheitlichkeit sinnvoll, so wie es die Bundesverfassung 1929, 1948 und selbst 2005 vorsieht. Moser sagt – übrigens sagen das auch Fiedler und auch der frühere Präsident des Verfas­sungsgerichtshofes Korinek; ich kann Ihnen alle Zitate liefern, Herr Kneifel, da Sie offensichtlich sehr interessiert sind –:

„Ja, es bestehen Kontrolllücken. Für einen umfassenden, dem Grundsatz der Einheit­lichkeit der Finanzkontrolle sowie der Verbundenheit der Finanzwirtschaft und der Verflochtenheit der Finanzströme Rechnung tragenden Ansatz ist es erforderlich, auch Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern und Unternehmen bereits ab einer öffentlichen Beteiligung von mehr als 25 Prozent in die Kontrollkompetenz der öffentlichen Finanzkontrolle einzubeziehen.“

Zur dieser Vollständigkeit, Kollege Kneifel, zu dieser Einheitlichkeit der öffentlichen Finanz­kontrolle in einem Bundesstaat hat hier auch Professor DDr. Josef Isensee


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gesprochen, und auch er geht davon aus, dass das Prinzip der Vollständigkeit der öffentlichen Finanzkontrolle die gesamte Finanzgebarung der öffentlichen Hand unabhängig anderer Finanzkontrollen einzubeziehen hat.

Professor Isensee sagt: „Angesichts des Trends zur Flucht aus dem Budget und der Ausdünnung des parlamentarischen Einflusses“ – was offensichtlich Kollege Kneifel will – „ist dieses Prinzip doppelt wichtig, um die notwendige demokratische Kontrolle sicherzustellen. Die Aufteilung der Staatsgewalt im Bundesstaat“ – wie Österreich – „rechtfertigt keine Einbuße“ – der Kontrolle.“

Und nun zu einem Professor aus Österreich, der einmal, glaube ich, knapp davorstand, Obmann Ihrer Partei zu werden. (Bundesrat Kneifel: Du musst das genau lesen!)  Vorsichtig, ganz ruhig bleiben.

Herr Kollege Kneifel kennt ihn wahrscheinlich besser. Professor Hengstschläger sagt: „Nach dem System der österreichischen Bundesverfassung soll Rechnungs- und Gebarungskontrolle überall dort einsetzen, wo über das Geld der Bürger verfügt wird.“ Und das ist in den Gemeinden der Fall.

Interessant ist – (der Redner hält neuerlich das Exemplar des Gemeinde­finanz­berichts 2008 in die Höhe) das kann man hier schon sehen –, dass die Zuwächse und auch manche Operationen im finanziellen Bereich gerade bei kleinen Gemeinden auffällig sind.

Professor Hannes Hengstschläger sagt:

„Eine Erweiterung der Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes liegt in der aus­schließ­lichen Bundeskompetenz. Damit kann der Bundesgesetzgeber“ – und das ist jetzt ein Appell an die Bundesregierung, Herr Staatssekretär! – „auch Rechtsträger im Bereich der Länder und der Gemeinden der Rechnungshofkontrolle unterwerfen.“ – Das ist eine ausschließliche Bundeskompetenz.

Und weiters: „Die Länder können im Rahmen ihrer relativen Verfassungsautonomie dem Rechungshof gleichartige Einrichtungen schaffen.“

Aber was der Rechnungshof prüft und was nicht, ist eine ausschließliche Bundes­kompetenz. Und wir erwarten, dass die Bundesregierung diese Kompetenz angesichts 50 bis 60 Millionen € an Spekulationsflops und 11 Milliarden € Verschuldung bei den österreichischen Gemeinden nun einfordert.

Bleiben wir noch bei Hengstschläger, der, glaube ich, Linzer ist. Er sagt:

„Dies belegt aber auch die Sachwidrigkeit der derzeitigen Beschränkung der amts­wegigen Kontrolle auf nur 1,02 Prozent aller Gemeinden. Gerechtfertigt wird dies mit dem Hinweis auf die Gemeindeautonomie und auf die aufsichtsbehördliche Geba­rungskontrolle. Dieses Argument trifft aber auch auf Gemeinden zu, die bereits heute der Rechnungshofkontrolle unterliegen. Tatsache ist, dass die Gebarung von 98,98 Prozent der österreichischen Gemeinden nie von einem unabhängigen und außenstehenden Kontrollorgan geprüft wird.“

Das geht nicht, meine Damen und Herren! 98,98 Prozent der österreichischen Gemein­den werden nie von einem unabhängigen Kontrollorgan geprüft. (Bundesrat Kneifel: Nein!) Auch in Oberösterreich haben wir einen Roten für die roten Gemeinden und einen Schwarzen für die schwarzen Gemeinden. Wir wissen das, Herr Kollege Kneifel. (Bundesrat Kneifel: Falsch!)

Die Höhe der öffentlichen Mittel ... – Sagen Sie, all die Herrschaften, die bei diesem Symposium waren, sind irgendwie für Sie „Holzkoffer“ oder was auch immer – Professor Hengstschläger, Rechnungshofpräsident Moser, Verfassungsgerichts­hof­prä-


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si­dent Korinek. Alle, alle, nur Kollege Kneifel und Kollege Mödlhammer, Arm in Arm, wissen es besser. (Heiterkeit des Bundesrates Todt.) Lassen wir die Gemeinden spekulieren! Lassen wir sie ins Swaps und in Termingeschäfte investieren! Lassen ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Nein. 5 Prozent. (Bundesrat Dr. Kühnel: Nicht generalisieren!) Allerdings, die Ver­schul­dungsrate, Herr Kollege Kühnel, liegt bei 11 Milliarden €. Sagt Ihnen das etwas? 11 Milliarden €! Sie wollen kein ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Also: Wir nehmen zur Kenntnis, die ÖVP will keine Kontrolle der Gemeinden. (Bun­desrat Edgar Mayer: Wir wollen keinen grünen Überwachungsstaat!) – Jessas, der Moser ist ein Grüner. Frau Kollegin Mühlwerth, darf ich Sie bitten, den Kollegen Moser wieder in die richtige Partei zurückzuführen. Da ist jetzt irgendwie ein bisschen das Mittagessen mit Ihnen durchgegangen oder etwas in der Art. Aber gut. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe sehr, Herr Staatssekretär. – Okay, Kollege Kühnel braucht mehr. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich könnte dann ... Gut. Ich habe nämlich viel Zeit, Kollege Kühnel, denn ich habe mich in den letzten Wochen in diese Materie wirklich intensiv vertieft. Auf Ihre Scherze bin ich momentan nicht neugierig, weil die Sache alles andere als eine Scherzpartie ist.

Bei diesem Symposium, das hier in diesem Saal stattgefunden hat, das auch von Ihrer Partei (in Richtung ÖVP) besetzt war, das auch von den Sozialdemokraten besetzt war, das zum Beispiel auch vom neuen Klubobmann des BZÖ besetzt war, wo die Präsidenten Fiedler und Moser und der Verfassungsgerichtshofpräsident dabei waren, gab es ein sehr, sehr wichtiges Nachdenken darüber, wie finanzielle Kontrolle aus­schauen kann.

All jene, die nicht mauern, die nichts zu verstecken haben, die eine wirkliche parla­mentarische Kontrolle in Österreich und über die Haushalte der öffentlichen Hand her­stellen wollen, sagen, wir müssen mit diesem Unfug aufhören, dass 98,98 Prozent der österreichischen Gemeinden nie geprüft werden und nie eine externe unabhängige Finanzüberprüfung bekommen. Davon müssen wir wegkommen.

Vor allem müssen wir etwas aus den Köpfen streichen, nämlich auch beim Kollegen Kneifel, dass der Rechnungshof eine Bundesgeschichte ist, und alles andere machen wir selber. Der Rechnungshof ist ein föderativer ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich nehme diesen Ausdruck gerne zurück, Kollege Kneifel. Es wäre mir heute wichtig, wenn zumindest die Dringliche Anfrage dann das gebracht hat, nämlich bei Ihnen das Bewusstsein zu schärfen, dass der Rechnungshof nicht eine Bundeseinrichtung ist, sondern ein föderatives Instrument im Interesse aller öffentlichen Haushalte.

Deshalb, Herr Staatssekretär, mein Appell an die Bundesregierung: für jedes Maß­nahmenpaket im Bereich der Konjunkturmaßnahmen, die die Gemeinden wirklich brauchen, die die Gemeinden dringend brauchen – nicht ohne eine Änderung der Ausdehnung des Überprüfungsbereichs des Rechnungshofes auf alle Gemeinden.

Ich ersuche Sie, diesen Appell an die Regierung weiterzugeben. (Beifall bei Bundes­räten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

14.24


Präsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage erteile ich nun Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer das Wort. – Bitte.

 



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14.24.35

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Liebe Damen und Herren Bundesräte! Bevor ich die Dringliche Anfrage in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers beantworte, möchte ich ein paar Anmerkungen machen.

Herr Bundesrat Schennach hat die Dringlichkeit mit der aktuellen Finanz- und Wirt­schaftslage begründet. – Worum geht es? Was ist passiert? Das, was vielen Unter­nehmen, nicht nur Banken und Versicherungen, passiert ist, ist auch manchen Gemeinden passiert, nämlich sie haben bei der Überlegung, wie mit Finanzmitteln, mit dem Vermögen der Gemeinde umgegangen wird, teilweise einen Weg gewählt, einen Grat zu gehen versucht, wo manche jetzt Probleme bekommen haben.

Wir sind in einer Situation, die noch vor wenigen Wochen niemand geahnt hat. Ich erinnere nur an die Wifo-Prognose im Oktober des heurigen Jahres, wo noch von einem Wirtschaftswachstum die Rede war. Die heutige Prognose des Wirtschafts­forschungsinstituts, aber auch des IHS geht davon aus, dass es eine Rezession, ein Minus von 0,5 Prozent geben wird.

Beim Kassasturz Ende Oktober des heurigen Jahres ist das Wifo noch von zwei Varianten ausgegangen: Ein Szenario ging auch Ende Oktober noch von einem Plus der Konjunktur aus, ein anderes ging von null oder minus 2 Prozent aus. Also wir sind in einer Situation, mit der niemand gerechnet hat. Es hat niemand damit gerechnet, dass – ich glaube, es war am 15. September – in den USA Lehman Brothers in Konkurs gehen oder Chapter 11 beantragen.

Ich mache noch eine persönliche Anmerkung. In meinem vorvorigen Job war ich Geschäftsführer eines Unternehmens der Stadt Wien, eines Fonds. Ich hatte damals auch die Aufgabe, Finanzmittel zu veranlagen. Und damals stand ich vor dem Kontroll­ausschuss und wurde von Abgeordneten, Gemeinderäten und Landtagsabgeordneten gefragt, warum ich nicht – ich sage es jetzt mit meinen Worten – „riskanter veranlage“. Ich habe damals Gelder veranlagt in beispielsweise Wohnbauanleihen oder Staats­anleihen, also sehr sichere Anleiheformen.

Damals wurde in einigen kritischen Wortmeldungen die Frage gestellt, warum nicht ein höheres Finanzergebnis erzielt wurde. Ich habe damals argumentiert, ein höheres Finanzergebnis, höhere Finanzerträge bedeuten auch mehr Risiko. Trotzdem muss man auch im Nachhinein sagen, es ist immer ein sehr schmaler Grat, der da zu gehen war. Es haben sich viele auf die Rating-Agenturen verlassen. Und bei manchen ist es jetzt eben zu einem Problem geworden.

Wir wissen ja, wir haben heute Vormittag auch schon über das Thema Schutzschirm über Banken und so weiter geredet. Das ist ein besorgniserregendes Problem, das natürlich auch Anlass geben kann, dass man über die Frage diskutiert, wie beispiels­weise Gemeinden kontrolliert werden. Ich glaube aber, dass man in so einer schwie­rigen Situation, in der niemand genau weiß, wie es weitergeht, nicht viel tun kann. Ich erinnere nur – ich glaube, es war vor zwei Wochen – daran, da gab es ein Interview mit dem Chefökonomen der Deutschen Bank über die Frage: Wie geht es mit der Wirtschaftsentwicklung weiter?

Norbert Walter sagte damals, für ihn gibt es vier Szenarien: Erstes Szenario: „Alles wird gut“, zweites Szenario: „Keynes, we can“. Das dritte Szenario nannte er „Oskar Lafontaine“. Und das vierte Szenario nannte er „Tsunami“. Und er hat gesagt, damit wolle er sich gar nicht befassen.

Das heißt, wir wissen nicht genau, wie es weitergeht. Die Prognosen können sich auch in der nächsten Zeit wieder verändern. Der Gouverneur der Notenbank, Ewald Nowotny, hat gesagt, man weiß nicht, ob es ein V wird, es also hinunter- und rasch


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wieder hinaufgeht, oder ob wir längere Zeit mit einem sehr niedrigen Wachstum oder sogar mit einem Schrumpfen der Wirtschaft konfrontiert sein werden.

In dieser Phase darf man aber trotzdem nicht mit radikalen Gegenpositionen ant­worten. Ich könnte jetzt den demnächst 90 Jahre alt werdenden Altbundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Schmidt, zitieren, der gesagt hat, mit ruhiger Hand agieren. – Ich glaube, dass das auch hier eine Situation ist, in der man mit ruhiger Hand agieren sollte. Und daher glaube ich auch, dass man jetzt nicht in über­zogene Reaktionen hineingehen sollte.

Eine Anmerkung noch, bevor ich die Fragen, soweit sie in die Kompetenz des Bun­deskanzleramtes fallen, beantworte. Zur Frage der Verschuldung: Es ist schon zu hinterfragen, woraus Schulden beispielsweise bei Gemeinden resultieren. Es ist, glaube ich, in diesem Saal auch schon einmal intensiv die Frage der Verschuldung beispielsweise von ÖBB und ASFINAG diskutiert worden. Sind das Schulden, die Zukunftsinvestitionen sind, beispielsweise Investitionen in Infrastruktur – bei den Gemeinden in Kanal, Abwasserentsorgung, Wasserversorgung et cetera –, oder sind das Ausgaben, die verlorener Aufwand sind?

Ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt. Und bei den 11 Milliarden Verschuldung der Gemeinden sind natürlich ein großer Teil Investitionen, die für die Zukunft der Gemeinden, für die Zukunft des Landes, für die Zukunft des Bundes verantwortlich sind. Da, finde ich, darf man nicht Schulden quasi mit Finanzverbindlichkeiten für Zukunftsinvestitionen verwechseln.

Zu den einzelnen Fragen. Ich schicke gleich voraus, ich werde nicht jede Frage beant­worten, weil nicht jede Frage in die Kompetenz des Bundeskanzleramtes oder über­haupt in dessen Verantwortung fällt und daher nicht beantwortet werden kann.

Zu den einzelnen Fragen darf ich Folgendes ausführen:

Zu den Fragen 1 bis 3 und 13:

Es ist richtig, dass in der Bundesverfassung, nämlich im Artikel 127b Abs. 1 B-VG eine verpflichtende Prüfung der Gemeinden erst ab 20 000 Einwohnern vorgesehen ist. Das betrifft österreichweit 24 Gemeinden.

Es ist aber ohne Personenanzahl oder Einwohnerbegrenzung vorgesehen, dass bei Gemeindeverbänden, die große wirtschaftliche und sozialpolitische Bedeutung haben, beispielsweise bei Abwasserverbänden, unabhängig von der Einwohnerzahl, eine uneingeschränkte Rechnungshofkontrolle gegeben ist.

Es ist aber auch möglich, dass bei kleineren Gemeinden eine Prüfung durch den Rech­nungshof erfolgen kann, und zwar dann, wenn es ein begründetes Ersuchen der Landesregierung gibt. Ob es jetzt aus Anlass der aktuellen Fälle eine solche Vorgangs­weise gibt, kann ich nicht sagen, weil es im Ermessen der Landesregierung liegt. Aber die Möglichkeit, dass der Rechnungshof prüft, ist gegeben.

Ich glaube auch, dass diese Regelung – und da schließe ich mich dem Herrn Prä­sidenten Weiss an, der bei Ihrem Hinweis auch genickt hat – eine angemessene Form ist.

Die Gemeindeaufsicht ist – das wissen wir ja – eine Angelegenheit der Länder, also fällt sie aufgrund der Kompetenzverteilung im Bundes-Verfassungsgesetz in die Län­derzuständigkeit. Und die Landesregierungen haben gemäß 119a B-VG die Möglichkeit, die einzelnen Gemeinden zu prüfen.

Gerade im Bundesrat glaube ich, dass man darauf hinweisen sollte, dass die Landes­regierungen wohl die beste Kenntnis der Situation der jeweiligen Gemeinden aufgrund


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der Gemeindeaufsicht haben, die in ihre Verantwortung fällt und sie auch über die ent­sprechenden Aufsichtsmittel verfügen. (Bundesrat Schennach: Die Landtage auch?)

Die Überprüfung der kleineren Gemeinden sollte daher meines Erachtens in der Autonomie der Länder bleiben. Wenn aber, wie ich vorhin schon gesagt habe, die Landesregierung der Ansicht ist, dass der Rechnungshof im Einzelfall prüfen soll und das auch begründet werden kann, so kann sie das veranlassen.

Genau auf dieser Linie der Anerkennung der Länderautonomie ist im aktuellen Regie­rungs­abkommen vorgesehen, dass die Länder ihren Landesrechnungshöfen, ohne Eingriff in die Zuständigkeit des Rechnungshofes des Bundes, die Gebarungsprüfung über kleinere Gemeinden übertragen können. (Bundesrat Schennach: Mit Bericht an den Landtag, oder nicht?) – Das ist in den jeweiligen Landesverfassungen ent­sprechend geregelt. (Bundesrat Schennach: Meistens ist kein Bericht drinnen!) Ich gehe davon aus, dass nicht der Bund, auch nicht der Bundesrat, auch nicht der Nationalrat die Landesverfassungen bestimmen sollten. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich gehe davon aus, dass die derzeitigen Regelungen und das Vorhaben, das wir im Regierungsabkommen vorgesehen haben, die geeigneten Instrumente für die Gebarungsprüfung sind. Und man muss auch sagen, weil Sie das kritisch angemerkt haben, das ist auch eine öffentliche Gebarungskontrolle, also nicht nur, wenn der Rechnungshof des Bundes prüft, sondern auch wenn die Rechnungshöfe der Länder prüfen, muss man wohl von einer öffentlichen Gebarungskontrolle ausgehen.

Zu den weiteren Fragen, die Sie gestellt haben, zu den Fragen 4 bis 12, bitte ich um Verständnis, dass das nicht in den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes fällt und ich daher diese Fragen auch nicht beantworten kann.

Abschließend: Vielen Dank! Da wir uns wahrscheinlich nicht mehr in der Konstellation sehen, wünsche ich Ihnen Frohe Weihnachten und ein gutes und für uns alle hoffent­lich nicht allzu schlimmes und erfolgreiches Neues Jahr. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.35


Präsident Jürgen Weiss: Diese Wünsche, Herr Staatssekretär, erwidern wir gerne.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein, in der die Redezeit eines jeden Redners beziehungsweise einer jeden Rednerin mit 20 Minuten begrenzt ist.

Als erste Rednerin kommt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 


14.35.57

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Eingehend auf Ihre Nichtbeantwortung möchte ich außer dem Artikel 119 B-VG, den Sie schon zitiert haben, auch noch den Artikel 121 vorlesen, weil da heute schon Zweifel bestand, wie weit der Rechnungshof überhaupt zuständig sei.

Im Artikel 121 Abs. 1 B-VG steht:

„Zur Überprüfung der Gebarung des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden und anderer durch Gesetz bestimmte Rechtsträger ist der Rechnungshof berufen.“

Und im Artikel 122 B-VG heißt es:

„Der Rechnungshof untersteht unmittelbar dem Nationalrat.“

Dann kommt der Passus, wofür er für den Nationalrat zuständig ist. – Und dann geht es weiter:


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„... in Angelegenheiten der Länder-, Gemeindeverbände- und Gemeindegebarung sowie der Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen, soweit sie in die Vollziehung der Länder fallen, als Organ des betreffenden Landtages tätig“.

Also nicht nur Landesregierung, sondern „Landtages tätig“. Ich glaube, es ist schon eindeutig, welche Kompetenzen der Rechnungshof durchaus auch hat.

Sie haben gesagt, Herr Staatssekretär, dass den Gemeinden etwas passiert ist, was vielen passiert ist, auch Banken, auch Privaten und so weiter. – Das kann man nicht so einfach hinnehmen, denn wir reden hier von öffentlichen Geldern. Wir reden hier von Steuergeldern. Und da kann ich nicht sagen, weil ich mein Budget vermehren möchte, kann ich tun und lassen, was ich will. Und wenn die Kohle weg ist, dann ist sie halt weg. – Das geht einfach nicht.

Sie haben gesagt, Sie wissen auch nicht, was noch alles passieren wird. – Ja, das wissen wir tatsächlich nicht. Wir wissen zum Beispiel nicht, was bei den Cross-Border-Leasing-Geschäften der Gemeinden, auch der ÖBB und so weiter noch auf uns zukommen wird.

Und Sie sagten auch: nicht zu radikale Forderungen stellen. – Ich kann eine Aus­weitung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes nicht als radikale Forderung sehen, sondern als eine durchaus berechtigte Forderung. (Beifall des Bundesrates Schen­nach.)

Es sind nicht nur die Gemeinden. Den Medien war zu entnehmen, dass das Land Niederösterreich, ÖVP geführt, 300 Millionen € an Wohnbaugeldern einfach verspielt hat. Die ÖBB – die darf ich auch wieder einmal zitieren; sind jetzt keine Gemeinde, aber sie fallen da auch mit hinein, sind ja auch eine Art öffentliche Institution – streiten im Moment vor Gericht um 230 Millionen € mit der Deutschen Bank.

Hundert Gemeinden könnten schön ausgebaute Kindergärten haben, wenn sie ihr Geld nicht verzockt hätten. Hartberg ist vom Kollegen Schennach schon genannt worden. Und auch Hofamt Priel hat Kollege Schennach heute schon erwähnt. Bei Hofamt Priel war es aber so, dass nicht Überschüsse verspekuliert worden sind, sondern die haben einen Kredit aufgenommen, um eben dieses tun zu können. Ja, sie wollten in die Zukunft investieren: 10 Millionen für Kanalnetz, Wasser, Kläranlage und ein schönes, neues Gemeindezentrum mit einem blau gestrichenen Metalldach – aber es ist kein freiheitlicher Bürgermeister dort – und zwei Bänken davor, das das nicht vorhandene Gemeindezentrum ersetzen soll.

Da diese 10 Millionen irgendwie finanziert werden mussten, hat der Bürgermeister von der ÖVP sehr lange nachgedacht und hat einen ehemaligen Gemeindemitarbeiter, der sich in der Zwischenzeit als Finanzberater selbständig gemacht hat, um Rat gebeten. Dieser hat ihm einen Fremdwährungskredit wegen der niedrigen Zinsen vorge­schlagen. Und weil der Kredit endfällig ist, werden auch die Raten in einen Tilgungs­träger eingezahlt.

Das Geld soll jetzt aber nicht irgendwo herumliegen, also soll sich der Kredit mit der Rendite selbst bezahlen. Man hat halt einen Switch gemacht in die verschiedensten Fremdwährungskredite, zuerst in den Yen, dann in den Schweizer Franken, dann zum Dollar, dann wieder zurück zum Yen, und das hat auch eine Zeit lang wirklich ganz gut funktioniert.

Aber – und jetzt komme ich darauf zurück, dass Sie sagen, das hat man vor ein paar Wochen oder Monaten noch nicht wissen können –: Im speziellen Fall von Hofamt Priel sind 2004, also vor vier Jahren, die ersten Probleme aufgetreten. Die Sozialdemo­kraten, die davor noch mit an Bord waren, sind abgesprungen, weil Wahlen vor der Tür


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standen, aber in Hofamt Priel hat die ÖVP die absolute Mehrheit, und daher hat der Bürgermeister munter weitergemacht; einzig den Finanzberater hat er gewechselt. Er hat, obwohl er immer konservativ veranlagen wollte, doch gezockt – man kann es nicht anders sagen. Tatsache ist – wir brauchen es jetzt nicht bis ins kleinste Detail aufzu­zählen –, dass mittlerweile diese Gemeinde, und sie ist nicht wirklich groß, mit 3 Mil­lionen untergegangen ist.

Das ist Vermögen der Gemeinde, das ist das, wofür die Gemeinde letzten Endes auch geradestehen muss. Wenn man aber eine Gemeinde nicht in Konkurs schicken will, wenn man nicht sagt, es ist wurscht, was mit dieser Gemeinde passiert, man nicht sagt, die seien selbst schuld, dann wird irgendjemand einspringen müssen und irgendeine Rettungsaktion starten müssen. – Das sind all diese Dinge, wo wir immer wieder darauf hinweisen müssen – und das kann man nicht oft genug sagen –, dass das öffentliche Gelder sind.

Die Cross-Border-Leasing-Geschäfte – Wien ist eindeutig Chef dieser Cross-Border-Leasing-Geschäfte – bezeichnet der Lehrbeauftragte der Universität Köln – Geschäfte, die das rote Wien macht! – als eine öffentliche Märchenversion und als typisches Produkt der neoliberal entfesselten Finanzakteure, als eine hoch komplizierte, struk­turierte Finanzierung mit verborgenen Mittätern und unkalkulierbaren Risken. Das sagen also nicht nur wir – wir haben das immer schon gesagt –, sondern das sagen durchaus auch Experten.

Gerade in Wien wissen wir überhaupt nicht, was auf uns zukommt, denn die Verträge sind in Englisch abgefasst, das Recht des Staates New York mit Gerichtsstand New York tritt dort ein. Es ist aber nicht nur Wien, es ist auch nicht Österreich allein, sondern es sind insgesamt 700 betroffene europäische Kommunen, die mittlerweile darüber nachdenken, wie sie aus der Geschichte herauskommen. Wenn jetzt aufgrund von Konkursen wie bei Freddie Mac oder State Street Bank ein Bankenwechsel vorgenommen werden muss, dann kostet das die Steuerzahler eine ordentliche Stange Geld. Aber das nimmt man einfach so hin und sagt: Das ist halt so, da haben wir leider Pech gehabt.

Nein, sehr geehrter Herr Staatssekretär, nein, sehr geehrte Damen und Herren! Wir sagen, so geht das sicherlich nicht, und sind daher für eine Ausweitung der Kom­petenzen des Bundesrechnungshofes. Wir sind auch für eine Prüfkompetenz, was das Bankenpaket anlangt, denn es kann nicht sein, dass man sagt, unsere Gewinne gehö­ren uns und das Risiko, wenn es nicht klappt, tragen die Steuerzahler beziehungs­weise der Staat.

Daher erlaube ich mir, folgenden Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mühlwerth, Ertl, Schennach, Kerschbaum, Dönmez betreffend Erweite­rung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes bei Übernahme von Haftungen durch den Staat

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die es dem Rechnungshof erlaubt, Maßnahmen, die aufgrund des IBSG oder aufgrund des FinStaG gesetzt werden, wie insbesondere die Prüfung von Staats-


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haftungen und die Weitergabe und Verwendung von Steuergeldern an Private, zu prüfen.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, gerade in einer derart angespannten Zeit wie jetzt, in der wir noch nicht wissen, was da wirklich auf uns zukommt – Sie haben es ja selbst gesagt, Experten reden von „schwach“ bis „Tsunami“ über das Ausmaß dessen, was da noch auf uns zukommen könnte –, können wir nicht vorsichtig genug sein, und das müssen auch unsere Gemeindevorsteher und die Bürgermeister einsehen. (Beifall der Bundesräte Ertl und Schennach.)

14.44


Präsident Jürgen Weiss: Ich gebe bekannt, dass der soeben eingebrachte Ent­schließungsantrag ausreichend unterstützt ist und in Verhandlung steht.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Winterauer. – Bitte.

 


14.45.01

Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schennach, irgend­wie hat es mich gewundert, weshalb sich gerade der Bundesrat damit befasst, mehr Zentralismus in diesem Land einzuführen, wo wir ja eher das Gremium für den Föderalismus sind. (Bundesrat Schennach: Mehr Kontrollen! Wenn man eine Mauer machen will und keine Kontrolle, dann kann man natürlich alles!) Ihre etwas theatra­lische Vorgangsweise hat mich noch dazu an eine gewisse Unsicherheit erinnert.

In der Tat: Natürlich stimmt es, dass manche Gemeinden ein Problem haben und dass es im Zuge der internationalen Finanzkrise auch einige Kommunen erwischt hat, die von sogenannten Finanzoptimierern ganz „toll“ beraten wurden. Aber warum haben diese Gehör gefunden? Weil natürlich die finanzielle Situation in vielen österreichi­schen Kommunen sehr angespannt war. Insbesondere nach dem Finanzausgleich im Jahre 2000 – ich kann mich gut daran erinnern – hat es eine oberösterreichische Gemeinde gegeben – Kollege Kneifel, ich glaube, es war Haibach ob der Donau –, wo der Gemeinderat beschlossen hat, dass er mit seinen Sitzungsgeldern ins Casino geht oder im Lotto „6 aus 45“ spielt, um der Kommune zu helfen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Natürlich ein skurriler Gemeinderatsbeschluss, keine Frage, aber von diesen Finanz­sorgen getrieben. Daher waren natürlich auch sogenannte Finanzoptimierer willkom­men.

Jetzt zu diesen 11,8 Milliarden € Schulden der Kommunen, die Sie angesprochen haben. Sie haben ganz richtig gesagt, Herr Kollege Schennach: Die Kommunen sind der eigentliche Wirtschaftsmotor insbesondere in den Regionen vor Ort. – Die Ver­schuldung der Gemeinden in Österreich hat zum österreichischen Maastricht-Defizit in den letzten zehn Jahren zwischen 0,4 und 0,6 Prozent beigetragen. Also ein ganz geringer Beitrag unter allen Gebietskörperschaften. Daran erkennt man die Effizienz der kommunalen Arbeit, und diese soll man hier in diesem Haus nicht schlechtreden – schon gar nicht hier im Bundesrat! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Frau Kollegin Mühlwerth, Sie sind vom Wiener Landtag delegiert. In Wien sind Land und Gemeinde eine Gebietskörperschaft, daher kann das Land nicht die Gemein­deaufsicht vollziehen. Diese wird aber ohnedies vom Rechnungshof geprüft, und auch die Rechnungshofprüfung konnte das von Ihnen zitierte Cross-Border-Leasing nicht verhindern. (Bundesrätin Mühlwerth: Leider!) Die Effizienz der Rechnungshofkontrolle ist also offensichtlich da nicht gegeben, aber wir haben in der österreichischen Ver-


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fassung als Gemeindeaufsicht ja die Länder. Das heißt, in acht österreichischen Bundesländern obliegt die Gemeindeaufsicht den Ländern und wird durch die jeweiligen Gemeindeordnungen geregelt.

Jetzt ein kurzes Beispiel, weil ich die Situation nicht wegdiskutieren, sondern auch einen konstruktiven Vorschlag einbringen will: In der oberösterreichischen Gemeinde­ordnung, die größtenteils harmonisiert ist mit den Gemeindeordnungen der anderen Bundesländer, ist zum Beispiel in § 84 die Aufnahme von Darlehen durch Kommunen geregelt, das heißt, es gibt eine Genehmigungspflicht durch die jeweiligen Länder. Das hat in Oberösterreich dazu geführt, dass die Länder gefordert haben, speziell bei Fremdwährungskrediten – auch während meiner Amtszeit hat meine Gemeinde einen Fremdwährungskredit in Höhe von 50 Millionen Schilling genommen – in den Vertrag eine Option einzubauen, dass man vierteljährlich wieder auf die nationale Währung umsteigen kann. Das war eine Forderung der Gemeindeaufsicht, die den Kommunen sehr geholfen hat. Mein Nachfolger im Amt ist jetzt akribisch dabei, zu kontrollieren, wann denn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist, um diese Option zu ziehen. – Also eine effiziente Kontrolle.

Da der von Ihnen zitierte Professor Hengstschläger Oberösterreicher ist, bin ich irgend­wie ein bisschen irritiert, wenn Sie sagen, 98 Prozent der Kommunen würden nicht geprüft. – Ich weiß nicht, woher Professor Hengstschläger das haben soll. Solange ich Bürgermeister war – vielleicht aber auch, weil ich Bürgermeister war (Heiterkeit bei der SPÖ) –, ist unsere Gemeinde mindestens drei- oder viermal geprüft worden, und zwar auch vom Rechnungshof. Auch unsere Nachbargemeinden sind alle geprüft worden. Das Land bedient sich da der Bezirkshauptmannschaften, die regelmäßig und oft rund um die Uhr die Kommunen prüfen. – Vielleicht sollte man sich daher vor solchen Aussagen ein bisschen erkundigen, wie es diesbezüglich tatsächlich ausschaut.

Was die Behauptung anlangt, dass Prüfungsberichte nicht öffentlich seien, so ist das genauso unrichtig! Der Prüfungsbericht über eine Gemeinde – das steht ja auch so in der Gemeindeordnung – muss in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung präsentiert und diskutiert werden. Die Öffentlichkeit ist also auch da gegeben, aber vielleicht hat sich das noch nicht bis zu den Grünen durchgesprochen; das ist möglich. (Bundesrat Schennach: Es hat sich bei Ihnen einiges nicht durchgesprochen!) – Diese Ihre Aussage ist falsch! Aber jetzt noch ein Vorschlag zur Güte. (Bundesrat Schennach: Das ist Ihr Problem: Sie haben ein bisschen Nachholbedarf!) – Herr Kollege Schen­nach, warum sind Sie denn so nervös? (Bundesrat Schennach: Hier wird herum­geflegelt – ohne Substanz! Aber bitte, flegeln Sie weiter!)

Ich mache Ihnen gerne einen Vorschlag, wie man vielleicht dieses durchaus leidige Thema, das ja nur ein kleines Segment der globalen Finanzkrise ist, etwas eingrenzen könnte; das Wort „verhindern“ möchte ich in diesem Zusammenhang nicht verwenden, denn da würden wir uns nur selbst etwas vormachen. – Eingrenzen könnte man das insofern, indem man bei Finanzveranlagungen, die sozusagen über das normale Sparbuch hinausgehen, das Land mittels Genehmigungspflicht miteinbindet; so zum Beispiel durch eine Erweiterung des § 84 Gemeindeordnung; das wäre relativ rasch und leicht möglich. Aber da, meine Damen und Herren, wären natürlich auch die Länder gefordert, Fachleute beizuziehen. Den Rechnungshof da einzubeziehen, das hielte ich für falsch, denn: Zwei oder drei Jahre später durch einen RH-Bericht zu erfahren, dass die Gemeinde Hartberg ihr Geld falsch veranlagt hat, das brauchen wir nicht, denn das haben wir ohnehin schon zwei Jahre davor in der Zeitung gelesen. Das wäre also nicht unbedingt unter Effizienz zu verstehen.

Da sind meiner Meinung nach nicht der Bundeskanzler und nicht die Bundesregierung gefordert, sondern die Länder und Landtage – und wir Bundesräte können ja den Landtagen mit unserer Kompetenz gerne zur Hand gehen.


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Da Sie, Frau Kollegin Mühlwerth, das vorhin so „hineingestreut“ haben, beim Cross-Border-Leasing seien ja die Sozialdemokraten am Werk gewesen, möchte ich Ihnen sagen, dass ich eine Zeit lang im Aufsichtsrat eines großen Energieversorgers saß, wo auch das Cross-Border-Leasing – das aber gegen meine Stimme – beschlossen wurde. Ob dieses damaligen Beschlusses des Aufsichtsrates hatte ich ein wirklich schlechtes Gefühl.

Ihnen, Frau Kollegin Mühlwerth, würde ich empfehlen, einmal mit Ihrem Parteikollegen, Herrn Abgeordnetem Gradauer, darüber zu sprechen, wie der damals diese meine Zurückhaltung kommentiert hat. – Das hat um 180 Grad anders ausgesehen, als Sie hier heute den freiheitlichen Standpunkt vertreten. Das kommt mir so vor wie das, wo man bei uns zu Hause sagt: Die guten Ideen und die hinkenden Ross – also die lahmenden Pferde – kommen immer zu spät. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Noch einmal: Handlungsbedarf ist gegeben, allerdings auf einer anderen Ebene – und deshalb ist es uns leider nicht möglich, Ihrem Entschließungsantrag beizutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54

*****

 


Präsident Jürgen Weiss: Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.54.31

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien) (zur Geschäfts­behandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich will jetzt nicht auf die Ausführungen des Kollegen Winterauer eingehen (Präsident Weiss: Das wäre auch keine Wort­meldung zur Geschäftsordnung!), sondern möchte sagen: Die Entschlagung, die jetzt durch Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer in der Beantwortung unserer Dringlichen Anfrage geschehen ist, werden wir, die Antragsteller, so nicht zur Kenntnis nehmen.

Wir werden uns in dieser Sache an die Präsidiale wenden, denn diese Entschlagung war unserer Meinung nach in keinster Weise gerechtfertigt – noch dazu, wenn man sich den Aufgabenbereich des Bundeskanzleramtes anschaut:

„Vorbereitung der allgemeinen Regierungspolitik.

Hinwirken auf die Wahrung der Einheitlichkeit der allgemeinen Regierungspolitik und auf das einheitliche Zusammenarbeiten der Bundesministerien in allen politischen Belangen.

Hinwirken auf das einheitliche Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern.“

Weiters: „Anlassbezogene Koordination innerstaatlicher Maßnahmen zur Bewältigung überregionaler oder internationaler Krisen oder Katastrophen.“

In all diesen Fällen sind diese Fragen unserer Meinung nach gedeckt.

Herr Präsident, ich darf Sie ersuchen, vom Legislativdienst überprüfen zu lassen, ob diese Entschlagung durch Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer im Namen des Bun­deskanzlers hier gerechtfertigt war oder nicht.

14.55


Präsident Jürgen Weiss: Herr Bundesrat, dazu nehme ich wie folgt Stellung: Der angesprochene rechtliche Sachverhalt ist aufgrund zahlreicher Beispielsfälle meiner Einschätzung nach hinlänglich beurteilbar.


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Der Inhalt der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage – sei es im Wege der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage oder einer schriftlichen Anfrage – unterliegt der politischen Verantwortung des Antwortenden; weder der Präsident noch die Prä­sidialkonferenz, noch der Bundesrat haben darauf einen Einfluss.

Sie wissen, es gibt bei einer schriftlichen Anfragebeantwortung die Möglichkeit, die Besprechung der Anfragebeantwortung zu verlangen und den Beschluss zu fassen, dass die Beantwortung einer Anfrage nicht zur Kenntnis genommen wird. Der Erörterung des Umfanges einer Anfragebeantwortung – ob also ausreichend oder nicht – dient die anschließende Debatte, die wir ja heute durchführen.

Sozusagen der Vollständigkeit halber komme ich aber gerne der Anregung nach, diese Frage durch den Rechts- und Legislativdienst des Hauses prüfen zu lassen. Ich sehe aber keine Veranlassung, die Verhandlungen diesbezüglich zu unter­brechen (Bun­desrat Schennach: Habe ich nicht verlangt!), weil meiner Auffassung nach der Sach­verhalt hinlänglich klar ist. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

*****

Wir setzen in der Debatte fort, und ich erteile nun Herrn Bundesrat Kneifel das Wort. – Bitte.

 


14.57.00

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte zuerst auf die einleitende Stellungnahme des Vertreters der Grünen eingehen und zur Aussage von Herrn Bundesrat Schennach kommen, der hier auch – und das ganz zu Recht – festgestellt hat, dass ich seinen Ausführungen mit hohem Interesse gefolgt bin. Das stimmt, das ist vollkommen richtig, ich habe dem Kollegen Schennach zugehört, weil ich mir von seinen Aussagen immer wieder etwas substanziell Wichtiges erwartet habe, aber: Leider bin ich da in meiner Hoffnung völlig enttäuscht worden, etwas Wesentliches von ihm zu diesem Thema zu hören.

Herr Kollege Schennach, Sie haben gesagt, dass Sie sich intensiv – mehrere Wochen lang, sagten Sie – mit dieser Materie befasst haben. – Dazu kann ich nur sagen: Ich glaube, das waren einige Wochen zu wenig; da hätten Sie noch einige Wochen anhängen sollen (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP), um diese Frage wirklich in die Tiefe gehend zu bewerten – und sich hier nicht nur oberflächlich über ein wichtiges Thema drüber zu turnen.

Meiner Überzeugung nach sind die 2 300 Gemeinden Österreichs der wichtigste Investor in unserem Lande – und gerade in der jetzigen Zeit einer wirtschaftlichen Krise kommt den Gemeinden eine enorm große Rolle für die Republik und deren Bevöl­kerung zu. Die Selbstverwaltung der Gemeinden so in Frage zu stellen, wie Sie, Herr Bundesrat Schennach, das hier getan haben, noch dazu hier in der Länderkammer, das muss man doch geradezu als eine Perversion der Extraart bezeichnen. (Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach.) Die Gemeindeautonomie, noch dazu hier in der Länderkammer, in Frage zu stellen, und noch dazu mit dieser Intensität, wie Sie, Herr Bundesrat Schennach, das hier getan haben, ist geradezu eine politische Perversion, wenn ich das so formulieren darf. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe des Bundesrates Schennach.)

Herr Kollege Schennach, ich habe diese Ihre Dringliche Anfrage genau gelesen und darf Ihnen daher sagen: Wissen Sie, wo die wirklichen Probleme für die Gemeinden in Österreich liegen? – Dass sie eine zunehmende Fülle an Aufgaben und Pflichten für die Bevölkerung übernehmen müssen, jedoch keine entsprechende finanzielle


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 99

Deckung dafür erhalten! Das sind die wahren Probleme! Die Gemeinden Österreichs erfüllen ihre Aufgaben bestens; das weiß ich auch aus eigener Erfahrung. (Vize­präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich war 30 Jahre lang Gemeinderat in meiner Heimatstadt Enns, ich war 18 Jahre Wirtschaftsreferent und war 7 Jahre lang Vizebürgermeister dieser Stadt. Ich weiß, wovon ich rede, und ich glaube, dass die Gemeinden in Österreich nicht ein Mehr an zentraler Kontrolle und zentralen Eingriffen brauchen, sondern die Gemeinden in Österreich brauchen einfach mehr Geld, um die Aufgaben für ihre Bevölkerung entsprechend effizient erfüllen zu können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Schennach, Sie haben diese Forderung nach mehr Kontrolle an die falsche Adresse gerichtet. Der Rechnungshofpräsident wird vom Nationalrat bestellt, nicht von der Länderkammer. Der Rechnungshof ist ein Organ des Nationalrates und nicht des Bundesrates. Die Gemeinden haben bereits genug Prüfungen, die Gebarungsprüfung durch die Länder, den Prüfungsausschuss in der Gemeinde selbst. Das wird ein Overkill an Prüfungen, und immer wieder müssen dann Beamte zur Verfügung stehen, Auskünfte geben, weil einmal die Gebarungsprüfung stattfindet, dann die Bezirkshauptmannschaftsprüfung oder die Landesprüfung, dann kommt noch der Rechnungshof und der Landesrechnungshof und noch, noch, noch Prüfungen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, die Gemeinden so ...! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Sie haben gesagt, die Rechnungshöfe wurden beim Konvent genannt. – Damit sind die Landesrechnungshöfe gemeint gewesen, die Landesrechnungshöfe, die völlig unabhängig und völlig objektiv die Gemeinden prüfen. Und die Landesrechnungshöfe haben in das Regierungsübereinkommen die Forderung einfließen lassen, dass die Länder die Möglichkeit erhalten sollen, unbeschadet der bestehenden Zuständigkeit des Rechnungshofes, den Landesrechnungshöfen die Überprüfung der Gemeinden und Gemeindeverbände zu übertragen. Wir übertragen ein Recht an die Länder – wir. Da kann ich als Vertreter in der Länderkammer zustimmen, das ist richtig, das hat eine gewisse Logik. Aber nur eine zentrale Kontrolle mehr zu verlangen, das ist nicht im Sinne der Gemeinden und nicht im Sinne der Aufgaben, die die Gemeinden in Öster­reich für ihre Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen haben.

Wissen Sie, was die Gemeinden brauchen? Die Gemeinden brauchen im Vorhinein eine Beratung, eine Hilfe, wenn es darum geht, Finanzprobleme zu lösen, aber nicht im Nachhinein! Kollege Winterauer hat es gesagt: Im Nachhinein, post festum als zweite, dritte Instanz festzustellen, dass da vor zwei, drei Jahren etwas schiefgegangen ist, das dient keinem Menschen in dieser Republik! Das hat überhaupt keinen Sinn. – Daher können Sie sich nicht erwarten, dass jemand, der sich ernsthaft und intensiv mit diesen Themen in diesem Hause beschäftigt hat, Ihre Forderungen in dieser Dring­lichen Anfrage unterstützt. Ich würde Sie bitten, die Weihnachtstage dazu zu nutzen, sich noch einige Wochen mit diesem Thema zu beschäftigen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


15.03.56

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kneifel, jetzt habe ich mich schon um dich gesorgt, ich habe geglaubt, du explodierst da heraußen. Ich verstehe deine Aufregung nicht wirklich. Es gibt Gemeinden, die bereits jetzt vom Rechnungshof


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geprüft werden – warum ist es dann so abwegig zu sagen, andere Gemeinden mögen doch auch von ihm geprüft werden? Das hat ja nichts damit zu tun, dass man den Gemeinden misstraut, sondern das hat damit zu tun, dass man aus Prüfungen auch Weisheiten ernten kann, man etwas daraus lernen kann.

Der Herr Staatssekretär hat sich auch auf die Länderautonomie berufen und hat gesagt, das geht uns alles nichts an, das ist alles nur Ländersache. Aber daraus resultiert auch, dass Sie die Fragen nicht beantworten konnten, nämlich wie viele Gemeinden von der Finanzkrise betroffen sind, wie sich das auf den Finanzausgleich auswirkt und welche Maßnahmen Sie setzen werden, um den Gemeinden zu helfen – okay, das fällt weg, denn das müssen offenbar die Länder machen –, und wie sich die Ertragsanteile der Gemeinden entwickelten. Warum Sie das nicht beantworten haben können, verstehe ich allerdings nicht wirklich. (Bundesrat Gruber: Das beantwortet der Finanzminister!) Und die Geschichte mit den Cross-Border-Leasing-Aktivitäten ist auch nicht beantwortet worden.

Ich denke mir, wenn es eine einheitliche Prüfung bei den Gemeinden gäbe, dann könnten Sie vielleicht auch diese Fragen beantworten. Und wenn man diese Fragen beantworten kann, kann man auch Pläne schmieden, wie man künftig etwas besser macht. Insofern wäre eine Rechnungshofkontrolle, und zwar eine zentrale Rechnungs­hofkontrolle, für alle Gemeinden sicher empfehlenswert. Ich verstehe nicht, warum man das nur als Misstrauen empfinden kann. Ich verstehe das wirklich nicht.

Kollege Kneifel, ich sehe das prinzipiell genauso wie du: Was die Gemeinden brauchen, ist mehr Geld. (Bundesrat Kneifel: Ihr misstraut den Landesrechnungs­höfen! Und die Landtage sind auch Parlamente und haben eine parlamentarische Kontrolle!) – Du hast zuerst gesagt, den Gemeinden misstrauen wir. Jetzt sagst du, den Landesrechnungshöfen. Zuerst hast du gesagt, wir misstrauen den Gemeinden. (Bundesrat Mag. Himmer: Schau dir einfach einmal die Bundesverfassung an!) – Das hat bereits Bundesrat Schennach erläutert, das brauche ich da jetzt nicht mehr zu tun.

Herr Mödlhammer sagt, es sind 100 Gemeinden betroffen. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass es nur 100 sind, denn allein in Niederösterreich sind ja schon zig davon betroffen, und es taucht ja auch nicht alles auf. Diese Gemeinden sind betroffen, obwohl es bereits eine Kontrolle vom Land gibt, das muss man auch dazusagen, die gibt es ja bereits. Finanzgeschäfte von Gemeinden müssen, zumindest in Nieder­österreich, von der Gemeindeaufsicht kontrolliert und genehmigt werden.

Ich bin, wie gesagt, ganz deiner Meinung, dass es in erster Linie ein Problem der Gemeinden deshalb geworden ist, weil die Gemeinden für ihre Investitionen in den letzten Jahren immer wieder zu wenig Geld gehabt haben. Ich sitze selber im Gemein­derat, ich weiß, man muss um alle 1 000 € raufen, und es geht sich dann trotzdem oft nicht aus, zu investieren und in Sachen Infrastruktur etwas weiterzubringen. Insofern bin ich schon bei dir.

Natürlich könnte man das System der Gemeindefinanzierung vielleicht einmal in Frage stellen und sagen, vielleicht sollte es einmal anders gehen. Das Problem: Die Kom­munalsteuer konzentriert sich auf ein paar Gemeinden, ein paar bekommen weniger davon und können umso weniger damit finanzieren. Finanzausgleich und Kommunal­steuer allein sichern einfach nicht mehr alles, was die Gemeinden brauchen. Und es sind sehr viele neue Aufgaben dazugekommen, keine Frage. Ich habe es ja heute schon in der Debatte über die Regierungserklärung erwähnt, die Geschichte mit dem öffentlichen Verkehr, dass plötzlich die Gemeinden auch für den öffentlichen Verkehr zuständig sind und ihnen damit neue Kosten erwachsen.

Ich weiß es aus Korneuburg in Niederösterreich, wir haben laufend wachsende Kosten im Gesundheitsbereich, bei den Krankenhäusern, die fallen allen möglichen Gemein-


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den auf den Kopf. Jetzt ist es so, dass eine Gemeinde, die eine Bundesschule haben will, diese einmal von der Gemeinde vorfinanzieren muss. Das ist jetzt offenbar so üblich, das ist jetzt durchgängig so. Weiters haben wir zusätzliche Kosten beim öffentlichen Verkehr, bei der Kinderbetreuung und so weiter. Es kommen also regel­mäßig neue Verantwortungen auf die Gemeinden zu. Es kommt nur leider kein neues Geld vom Bund oder von den Ländern auf die Gemeinden zu!

Was aber schon auch gerade bei den kleineren Gemeinden ein wichtiger Faktor ist, ist ein gewisses Grundvertrauen, das sie oft ihren Hausbanken gegenüber an den Tag legen. Ein kleine Gemeinde geht oder ging davon aus, wenn etwas von der Kommunal­kredit, von der Raika oder von der Sparkasse kommt, dann wird das schon passen. Es gibt meistens in den kleinen Gemeinden keine Finanzexperten. Wenn der „Finanz­optimierer“ kommt und sagt, macht das so, das ist gut und gescheit, dann sitzt nicht immer einer im Gemeinderat, der sich gut auskennt und sagt, liebe Leute, das ist ein Blödsinn und vielleicht doch riskant. Das ist schon etwas, was den Gemeinden sicher auch auf den Kopf gefallen ist. Ich habe das auch in Niederösterreich in einigen Gemeinden miterlebt beziehungsweise im Nachhinein erzählt bekommen, wie das läuft. Viele Gemeindevertreter sind sich einfach nicht bewusst gewesen, was sie da gemacht haben, wenn sie irgendwelche Swap-Geschichten oder Sonstiges vereinbart haben. (Bundesrat Kneifel: Nachher ist man immer gescheiter!)

Natürlich ist man nachher immer gescheiter, aber ich glaube, es gibt Leute, die vorher schon ein Risiko besser bewerten können als andere. Oder? Sind wir uns da einig? (Bundesrat Edgar Mayer: Aber der Rechnungshof ist der Falsche!) Okay. Kollege Kneifel und ich sind uns jetzt schon in sehr vielen Punkten einig. Es sind offenbar nur die Konklusionen verschiedene.

In Niederösterreich kommt dann noch dazu, dass der Finanzlandesrat – ist heute auch schon erwähnt worden – selbst mit den Wohnbaugeldern ein bisschen spekuliert hat. Aber in Niederösterreich wird jetzt der Schaden begrenzt, es gibt die ersten Ansätze dazu. Es wurde beschlossen, dass eine Beratungsagentur für die niederösterreichi­schen Gemeinden gegründet wird. Das ist prinzipiell ein sehr guter Ansatz, dass ich als Gemeinde, wenn ich ein Finanzgeschäft vorhabe, mich beim Land beraten lassen kann, ob das gescheit ist, sicher ist oder nicht, und nicht nur vom Herrn Finanzberater oder von der Sparkasse.

Das Problem dabei ist aber, dass diese Beratung nicht verpflichtend ist. Das heißt, ich muss nicht mit jedem meiner Finanzgeschäfte zu dieser Agentur gehen. Das heißt, dass es weiterhin nicht ausgeschlossen ist, dass eine Gemeinde in derartig riskante Geschäfte eintritt. Wenn ich eine Finanz-Altlast habe, dann habe ich als Gemeinde ein Problem und muss irgendwas machen. Dann kommt der nächste „Finanzoptimierer“ und hilft mir da mit wieder einem riskanten Geschäft heraus. Das kommt auch in Niederösterreich nach wie vor vor. Genau deshalb ist es wichtig, dass wir aus diesen Geschäften und diesen Vorgängen, die da jetzt passieren, wirklich etwas lernen, uns das anschauen und dass man sich nicht nur irgendwo in einem Kammerl in der Landesregierung vielleicht darüber austauscht, was denn da vorgefallen ist.

In Bruck an der Leitha zum Beispiel gibt es einen Gemeinderatsantrag, der erst vor­gestern gestellt worden ist, und in diesem geht es um eine rechtliche Prüfung von einem „CMS Spread Swap“-Geschäft. Es ist jedenfalls offenbar sehr in die Hose gegangen, und die Gemeinde hätte sehr viel nachzuzahlen. Es gibt jetzt einen Dringlichkeitsantrag, wo die Gemeinde prüfen lässt, wieweit das überhaupt rechtlich so genehmigt ist und wieweit die Gemeinde Ausstiegsmöglichkeiten aus diesem Swap-Geschäft hat.


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Bei der Begründung der Dringlichkeit steht dabei, dass laut Frau Stadträtin Sowieso die letzten drei Zahlungen für dieses Jahr vorläufig und unverzinst gestundet wurden und ein Kompensationsgeschäft dafür sorgen soll, dass der Gemeinde keine Schulden entstehen. Die Abklärung, ob überhaupt ein verpflichtendes Rechtsgeschäft zwischen der Stadtgemeinde Bruck und der Bank vorliegt beziehungsweise -lag, ist für die weiteren Verhandlungen unerlässlich und dringend notwendig. – Zitatende. (Bundesrat Hensler: Der Bürgermeister wird das genau wissen!)

Das heißt, es ist jetzt offenbar in Niederösterreich Gebot der Stunde, dass keinerlei Verluste durch Finanzspekulationen in den Gemeindebudgets mehr auftauchen. Da springt halt dann eine landesnahe Bank ein, und es gibt Kompensationsgeschäfte, aber letztendlich verschwinden ja diese Dinge dadurch nicht, letztendlich trifft es dann das Land Niederösterreich. Aber es wäre schon interessant, eine genaue Zahl zu erfahren, wie viele Finanzgeschäfte bei den Gemeinden in ganz Österreich schief­gegangen sind, wie hoch die Belastung der Gemeinden ist, wie hoch die Belastung vielleicht auch der Länder ist, wenn den Ausfall das Land, wie offenbar in Nieder­österreich, übernimmt. Diese Zahl wäre schon wichtig, um zu wissen, was man künftig tun muss und bei den künftigen Finanzausgleichen unternehmen muss, damit die Gemeinden weiter investieren können und künftig vielleicht sogar besser und mehr investieren können, als sie es bis jetzt tun konnten, weil die Budgets in letzter Zeit immer sehr knapp waren.

Also ich würde bitten, dass Sie diese geforderte Rechnungshofkontrolle nicht nur als großes Misstrauen den Gemeinden gegenüber sehen, sondern dabei bedenken, dass man aus den Ergebnissen auch Erfahrungen schöpfen kann und damit zukünftig vielleicht auch bessere Regelungen schaffen kann, was die Gemeindefinanzen betrifft.

Aus diesem Grund bringe ich jetzt einen Entschließungsantrag ein. Ich lese nur den Entschließungstext vor. Es gibt auch einen zweiten. Wir wollen natürlich, dass ihr euch für beide entschließt.

Entschließungsantrag

der Bundesräte und Bundesrätinnen Schennach, Kerschbaum, Dönmez, Mühlwerth, Ertl betreffend Erweiterung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes und des Rechnungshofgesetzes vorzulegen, womit die Prüfungskompetenz des Rechnungshofes ausgeweitet wird. Insbesondere sollte eine Prüfung

von öffentlichen Unternehmen bereits ab einer 25-prozentigen Beteiligung der öffent­lichen Hand,

von Gemeinden (Gemeindeverbänden) mit weniger als 20 000 EinwohnerInnen und

von Direktförderungen der Europäischen Union

ermöglicht werden.

*****

Abschließend möchte ich noch sagen, ich glaube, es ist auch ein großer Fehler, der in den letzten Jahren immer mehr um sich gegriffen hat, dass man Gemeinden als Unter­nehmen sieht. Die Gemeinde ist ein öffentlicher Betrieb und nicht ein Unternehmen,


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das mit seinem eigenen Geld arbeitet. Gemeinden arbeiten mit öffentlichen Geldern. Darum ist auch ein spezielles Interesse der Bevölkerung vorhanden, dass diese öffent­lichen Gelder wirklich sicher angelegt oder ausgeborgt werden. (Beifall der Bundesräte Schennach und Dönmez.)

15.15


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Der von den Bundesräten Schennach, Ertl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Erweiterung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.

 


15.15.11

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe fast das Gefühl, wenn man bei dieser Diskussion zuhört, dass bei den Grünen – ich möchte sagen – die Kontrollsucht ausgebrochen ist (Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP), und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn ich mich da herstelle, Frau Kollegin Kerschbaum, und dazu spreche, dann weiß ich auch, wovon ich rede. Ich bin jetzt 30 Jahre in einer Gemeinde. Als ich 1979 eingetreten bin, war es die meistverschuldete Gemeinde Österreichs, allerdings ohne mein Verschulden, mit Kurator, und wir zahlen noch bis 2014 Schulden zurück. So ehrlich ist eine Gemeinde, die Schulden gemacht hat, die auf Schilling und Euro alles zurückzahlt.

Wir sind in diesen 30 Jahren, in denen ich in der Gemeinde bin, glaube ich, zwanzig­mal geprüft worden. Zwanzigmal! Und ich weiß nicht, was man noch prüfen sollte. Es gibt keinen Euro, es gibt keinen Schilling, der in der Gemeinde geheim geblieben ist oder nicht transparent gemacht wurde. Jeder Euro und jeder Schilling! Was wollen Sie noch? Wollen Sie den Rechnungshof des Bundes auch noch dorthin schicken mit ein paar Beamten, dass die die Prüfung auch noch einmal machen? Mir ist das unver­ständlich! (Beifall des Bundesrates Hensler. – Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist natürlich ganz klar, dass Spekulations­verluste in einer Zeit wie dieser in der Öffentlichkeit, noch dazu, wenn es Gemeinden sind, diskutiert werden, breitgetreten werden. Und es ist natürlich auch ganz klar, dass Maßnahmen verlangt werden, um solchen Vorkommnissen vorzubeugen.

Es sind 100 Gemeinden in etwa betroffen, Frau Kollegin; es können auch zwei, drei mehr oder zwei, drei weniger sein. Wenn man diese 100 Gemeinden ins Verhältnis setzt zu den 2 359 Gemeinden, die wir haben, dann sind es knapp über 4 Prozent, die in der glücklichen Lage waren, in der die anderen 96 Prozent der Gemeinden nämlich nicht sind, dass sie Geld zum Anlegen gehabt haben, aus irgendwelchen Gründen, etwa weil sie einen tollen Standort haben, so wie die Gemeinde von Ludwig Bieringer, die davon profitiert hat. Ich möchte ihm von dieser Stelle aus gute Genesungswünsche schicken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Kollege Bieringer ist heute leider nicht da, er hätte als Langzeitbürgermeister zu diesem Thema sicherlich einiges zu sagen gehabt. Schade, dass er bei dieser Dis­kussion nicht dabei ist.

Das heißt, Frau Kollegin, wir haben 2 250 Gemeinden in dem Land, die laut Mödl­hammer, Präsident des Gemeindebundes, zu kämpfen haben, die täglichen Aufgaben der Gemeinde zu finanzieren, die gar nicht daran denken können, irgendwelche Veranlagungen oder irgendwelche Spekulationen zu machen. Sie haben eine Fülle neuer Aufgaben zu bewältigen, im Nahverkehr und in vielen anderen Bereichen, und


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müssen jeden Euro zusammenkratzen, dass sie diese Aufgaben für ihre Bürger erfüllen können, damit die Kinder in die Schule gehen können, damit die Senioren in einem Seniorenheim leben können, damit Betreutes Wohnen stattfinden kann und vieles andere mehr.

Ich bin völlig der Meinung des Herrn Präsidenten Mödlhammer, dass 96 Prozent der Gemeinden dringenden Finanzbedarf haben, und meine, dass wir alles tun sollten, Bundesregierung, Nationalrat, Finanzminister, Bundesrat, wer immer, dass die Kom­munen in ihren Aufgaben unterstützt und finanziell entlastet werden. Dafür müssen wir Sorge tragen.

Es ehrt Sie als Anfragesteller, dass Sie sich Sorgen machen, aber ich habe das Gefühl, wenn ich diese Anfrage lese, dass Sie mit Kanonen auf Spatzen schießen, wirklich mit Kanonen. Ich verstehe auch die Aufregung wegen der Beantwortung der einzelnen Fragen nicht. Es ist das keine Angelegenheit des Bundeskanzleramtes, es ist der falsche Adressat, den Sie hier erwischt haben. Es gibt Länderkompetenzen und es gibt Gemeindeautonomien, und diese Regelungen gelten auch für die Grünen, ganz gleich, ob sie im Nationalrat, im Bundesrat, in den einzelnen Landtagen oder in den Gemeindevertretungen sitzen.

Frau Kollegin, lassen wir also die Kirche im Dorf und sagen wir: Okay, diese von Ihnen verlangte unbegrenzte Möglichkeit des Rechnungshofes, des Bundes, alle Gemeinden zu prüfen, ist in Wirklichkeit eine unangemessene Forderung! So beurteile es auf jeden Fall einmal ich.

Frau Kollegin, das ist schon angesprochen und gesagt worden: Ja, Kontrolle ist gut, überhaupt keine Frage, aber es gibt den zweiten Teil, Vertrauen ist besser! (Zwischen­ruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Den will ich jetzt gar nicht reklamieren. Wissen Sie, was bei Kontrollen immer herauskommt? – Dass man draufkommt, was man vor zwei oder drei Jahren falsch gemacht hat. Dies trägt also überhaupt nicht dazu bei, ein Problem zu lösen oder etwas zu verhindern, Frau Kollegin. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Ich hätte mir einreden lassen, wenn Sie eine Forderung aufgestellt hätten, wo drinnen steht, dass Gemeinden keine Darlehen aufnehmen dürfen oder keine Veranlagungen machen dürfen, wenn sie sich vorher nicht haben beraten lassen, von wem auch immer. Es ist eine gefährliche Sache, von wem man sich beraten lässt, besser von keinem Finanzoptimierer. Es ist besser, man geht in eine konservative Anlageform, man nimmt eben die 4,5 Prozent von der Bank, als man lässt sich auf 8 oder 9 Prozent ein, bekommt sie aber nicht, sondern verliert auch noch das, was man hingegeben hat.

Das wäre meiner Meinung nach eine wichtige Forderung, dass man den Gemeinden hilft, nicht, dass man sie nachher zu Tode prüft und fünf Prüfinstanzen feststellen, die Gemeinde hat, was weiß ich, 800 000 € bei ihrer Veranlagung verloren. Das kann nicht der Sinn der Sache sein und hilft meiner Meinung nach den Gemeinden auch über­haupt nicht.

Daher sind wir der Meinung, man sollte auf jeden Fall den Rechnungshof des Bundes aus dieser ganzen Sache heraußen lassen. Zuständig sind da die Landesregierungen.

Ich bin selber mehr als zehn Jahre im Salzburger Landtag gesessen und habe das miterlebt. Die Gemeinden werden regelmäßig geprüft im Salzburger Land. Da gibt es die Gemeindeaufsichtsbehörde. In Salzburg ist es nicht so, dass rote und schwarze Gemeinden getrennt geprüft werden. Da gibt es eine Gemeindeaufsicht, da gibt es Beamte, die die Gemeinden auf Herz und Nieren prüfen. Da gibt es einen Bericht, den das zuständige Regierungsmitglied dem Landtag vorlegen muss. Die Gemeinde­vertre-


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tun­gen bekommen den Bericht genauso, können ihn studieren, und es findet eine öffentliche Diskussion statt.

Also Kontrolle pur, möchte ich fast sagen, besser geht es eigentlich in Wirklichkeit nicht.

Aber ich streite natürlich nicht ab, dass man die Kontrollmechanismen verbessern kann. Mich stört zum Beispiel auch, dass ein Überprüfungsausschuss in der Gemeinde Unternehmen, die die Gemeinde ausgelagert hat, nicht kontrollieren darf. Das stört mich fürchterlich.

Wir sind in Salzburg dabei, das zu ändern. Wir stoßen in Salzburg momentan ein bisschen auf Widerstand bei unseren Kollegen von der ÖVP, muss ich sagen, aber wir sind auf einem guten Weg, und wir werden es zustande bringen, dass der Über­prüfungsausschuss der Gemeinde in Zukunft auch solche Unternehmen prüfen darf. Das ist momentan ein Manko, überhaupt keine Frage, sollte aber abgestellt werden.

In dem Antrag heißt es, dass die Gemeindeaufsicht nur prüft, ob die Vorschriften zur Kassen- und Buchprüfung eingehalten werden. In Salzburg hat die Gemeindeaufsicht auch eine beratende Funktion, etwa dann, wenn Darlehen aufgenommen werden für Investitionen in ein Seniorenheim oder was immer man macht. Man kann das ohne Weiteres ausweiten, Frau Kollegin, dass Gemeinden auch beraten werden bezüglich einer Veranlagung.

Ich gehe eher davon aus, dass die Gemeindeaufsicht, so wie ich die Salzburger kenne, konservative Veranlagungen macht, wo die Gemeinde zwar im Jahr nicht so viel be­kommt, aber dafür bekommt sie das sicher.

Ich selber war einmal in der glücklichen Situation, von einem Investor für die Gemeinde Geld für den Neubau eines Seniorenheims bekommen zu haben. Es waren einige Millionen Schilling, die der Gemeinde zugute gekommen sind. Wir haben das Geld sehr konservativ mit 4 Prozent angelegt und haben es sechs Jahre lang liegen gelassen, was sich sehr positiv ausgewirkt hat. Ich würde meinen Bürgermeister­kollegen oder ehemaligen Bürgermeisterkollegen empfehlen, in einem solchen Falle eher vorsichtig zu sein. Man kann mit seiner Hausbank relativ gute Verzinsungen ausmachen. Das schlägt sich dann trotzdem positiv nieder.

Das ist die Gemeindeaufsichtsbehörde, das ist keine Frage, dafür ist sie da, die nicht einer Partei zugehörig ist. Das ist eine Abteilung der Gemeinde mit einem Ressortchef, das stimmt schon, der mag rot sein, der mag schwarz sein, das spielt in diesem Fall überhaupt keine Rolle. Dort sind Beamte, die kontrollieren. Da gibt es Fakten, da gibt es Zahlen, die unumstößlich sind und die jeder zur Kenntnis nehmen muss.

Da Kollege Schennach Golling angesprochen hat, wo Ihre Fraktion oder Ihr grüner Gemeindevertreter ziemlichen Wirbel schlägt. Es ist alles geprüft, es liegt alles auf dem Tisch. Das Einzige, was fehlt, sind die politischen Konsequenzen daraus. Aber die müssen jene Leute ziehen, die davon betroffen sind. Die Prüfung ist ordnungsgemäß über die Bühne gegangen, der Bericht liegt vor, die politischen Konsequenzen sind ein anderes Thema. Das hat mit Spekulationen nichts zu tun, denn dort geht es um einen Bürgermeister, der gleichzeitig Elektromeister in dieser Gemeinde ist. Dort ist es im Rechnungswesen ein bisschen zu Unklarheiten, wenn ich es so formulieren darf, gekommen.

Meine Damen und Herren, jetzt komme ich auf die Landesrechnungshöfe zu sprechen. Ich halte die Landesrechnungshöfe in dem Sinn für eine tolle Einrichtung, weil sie vor Ort Bescheid wissen, weil sie den Finanzverkehr zwischen dem Land und der Gemeinde am besten kennen. Wir haben in Salzburg einen Landesrechnungshof, der auf Antrag der Landesregierung, aber auch auf Antrag des Landtages – er ist ein


BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 106

Organ des Landtages, aber die Landesregierung kann natürlich auch Anträge stellen – jede Gemeinde im Land prüfen kann und überall dort, wo die Gemeinde mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist.

Es ist Kontrolle pur und Kontrolle genug. Frau Kollegin, was wollen Sie denn da noch drüberstülpen? Noch einen Rechnungshof? Wir können Ihrer Forderung, die Sie da in Ihrer Dringlichen Anfrage eingebracht haben, nichts abgewinnen.

Wir sind der Meinung, es gibt genug Kontrollmechanismen, obwohl man sie natürlich auch noch verbessern kann, ist überhaupt keine Frage, aber man sollte die Gemeinden nicht zu Tode prüfen.

Wir Bundesräte, muss ich jetzt sagen, sollten uns vielmehr bemühen, mit den Ländern, mit den Landtagen zusammen Maßnahmen, Lösungen, Vorschläge zu erarbeiten, damit Gemeinden nicht in die Situation kommen, dass sie Verluste erleiden. Man sollte etwas machen, bevor etwas passiert, aber nicht nachher zu Tode prüfen, nachdem der Schaden entstanden ist, womit man niemandem mehr hilft.

In diesem Sinne kann ich natürlich Ihrer Dringlichen Anfrage nichts abgewinnen. Ich darf für unsere Fraktion sagen, Ihrem Entschließungsantrag werden wir aus diesem Titel heraus sicher keine Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.28


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


15.28.24

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich bin selbst Bürgermeister einer Bezirkshauptstadt mit knapp 6 000 Einwohnern und weiß, welche Prüfmechanismen wir durchmachen. Ich möchte klarstellen, dass alle Gemeinden in Österreich eine interne Prüfung haben. Der Prüfungsausschuss – und mit Bundesrat Karl Boden sitzt ein aktiver Prüfer meiner Nachbargemeinde in unseren Reihen – tagt viermal jährlich, einmal unangemeldet, und hat Einsicht in die gesamte Gemeindegebarung.

Seitens der Aufsichtsbehörde werden die Gemeinden mit ihren Spezialabteilungen hinsichtlich Dienst- und Besoldungsrecht, Abgaben und Buchhaltung geprüft. Diese Prüfungen umfassen mehr als 90 Prozent der gesamten Gemeindegebarung.

Der Prüfbericht wird dem Gemeinderat wiederum zur Verfügung gestellt. Dieser wird in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung nach Aushang der Tagesordnung zur Verle­sung gebracht. Ich für meine Gemeinde kann nur sagen: Ich habe Vertreter aller Couleurs in meiner Gemeinde, wir arbeiten gut zusammen, und eine funktionierende Opposition ist Kontrolle genug.

Im Land Niederösterreich sind wir in puncto Anlagengeschäfte vorgeprescht. Es ist gerade eine Beratungsgesellschaft im Entstehen, um für die Gemeinden, die Finanz­geschäfte abwickeln, eine zweite hochprofessionelle Beratungsstelle darzustellen. Diese kann oder muss jede Gemeinde bei Finanzgeschäften in Anspruch nehmen.

Klar ist: Information, Beratung und Aufklärung vorher sind besser als Kritik und müh­selige Kontrolle im Nachhinein.

Bei der jährlichen Budgeterstellung gibt es Voranschlagsberatungen mit den Fach­abteilungen des Landes. Allen in den Gemeinderäten vertretenen Fraktionen geht der Voranschlag zu, wo alle Zahlen der Gemeindegebarung auf Heller und Pfennig angeführt sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Immer!


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Folgendes möchte ich auch noch sagen, was die angeführten Finanzgeschäfte betrifft, die jetzt momentan negative Buchwerte haben: Mit diesen war man sicherlich zum Zeitpunkt des Abschlusses bestens beraten, und das war auch wohlweislich geplant, wobei diese vermutlich viele Jahre auch positive Erträge gebracht haben, die in das Budget eingeflossen sind. Daher: Einen momentan negativen Buchwert hier so breitzu­treten, finde ich nicht fair! Wenn sich in zwei Jahren die Wirtschaft erholt haben wird und diese Veranlagungen wieder positiv laufen, weil sie alle Langzeitverträge sind, wird niemand mehr darüber reden. – So viel zu den Finanzgeschäften.

Ich bin überzeugt davon, dass die Gemeinden ausreichend kontrolliert werden. Und: Jede Kontrolle kostet nicht nur Geld, sondern auch zeitlichen Aufwand der Bediens­teten. Jetzt noch eine dritte oder vierte Kontrollebene einzuführen, wo die Gemeinden ohnehin durch und durch geprüft werden, halte ich nicht für sinnvoll. Ich selbst hatte bei der Übernahme des Bürgermeisteramtes im heurigen Jahr eine Prüfung durch das Land. Diese ist Gott sei Dank gut verlaufen.

Nochmals: Da jetzt noch eine Ebene einzuführen, wäre absolut der falsche Weg und würde die Gemeinden in ihrer Selbstverwaltung drastisch einschränken.

Frau Bundesrätin Mühlwerth und Frau Bundesrätin Kerschbaum – gerade Sie, Frau Bundesrat Kerschbaum, als Niederösterreicherin –, Sie sollten wissen, dass die Wohn­bauförderungsgelder, die sogenannten verwirtschafteten 300 Millionen € an Wohnbau­för­derungsgeldern glatte Falschaussagen sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Kersch­baum.) – Tatsache ist, dass im Jahr 2002 4,38 Milliarden € an Wohnbauförder­geld angelegt wurden, und zwar gut angelegt wurden. 860 Millionen € konnten so erwirt­schaftet werden, die in das Budget des Landes Niederösterreich eingeflossen sind. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Der derzeitige Wertgewinn liegt bei 550 Millionen €. Und: Wir hätten dieses Geld nicht, hätten wir diese Veranlagungsform nicht gewählt. Diese Veranlagung wurde mehrmals von Bundes- und Landesrechnungshof überprüft, und es wurde das nicht kritisiert. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Da können Sie ruhig nein sagen, aber es ist so! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Auch vom Bundesrechnungshof!

Ich ersuche den Hohen Bundesrat, die Kommunen, die Gemeinden, die an unterster Ebene mit den Bürgerinnen und Bürgern eng zusammenarbeiten, die große Arbeit­geber und große Investoren sind, arbeiten zu lassen, denn sie arbeiten gut, eben für die Bevölkerung unseres Landes.

Wir brauchen nicht noch zusätzliche Barrieren beziehungsweise mit unsinnigen Prüfun­gen sozusagen Prügel vor die Füße geworfen zu bekommen. Prüfung und Kontrolle sind gut und teuer, aber nur in normalem und notwendigem Ausmaß. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Ertl. Ich erteile ihm dieses.

 


15.33.45

Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr ver­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich muss schon sagen: Der Rechnungshof darf Unternehmungen nur dann prüfen, wenn die Gemeinde mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Und die Gemeinden machen das ja heutzutage so und „richten“ sich das beispielsweise so: 49 Prozent Beteiligung Gemeinde, 33 Prozent der eigene Sportverein, 15 Prozent eine weitere Sportakademie aus der eigenen Ge-


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meinde – und somit kommt die Gemeinde selbst nicht auf 50 Prozent und entzieht sich daher so einer Kontrolle durch den Rechnungshof.

Nur 24 von 2 300 österreichischen Gemeinden werden vom Rechnungshof überprüft. Laut einer Auswertung der Statistik Austria werden somit 70 Prozent der Gesamt­ausgaben der österreichischen Gemeinden einer externen Kontrolle entzogen. Hier hat ein Kollege gerade gesagt, bereits drei bis vier Mal in seiner Karriere ist er vom Landesrechnungshof geprüft worden. Aber wie schaut denn so eine Prüfung aus? (Bundesrat Konecny: 20 Mal in 30 Jahren, hat er gesagt! – Bundesrat Gruber: Herr Kollege, Sie haben das falsch verstanden! In den zehn Jahren, in denen ich Bürger­meister war, sind wir dreimal geprüft worden! Ich bin 30 Jahre ...!)

Dazu als Beispiel die Stadtgemeinde Hartberg, wobei ich in der Zeitung auch über de­ren „tollpatschigsten Bürgermeister“ gelesen habe: Wäre nach dem ersten Vorfall, wo aufgefallen ist, dass Geld verzockt wurde, auch geprüft worden, wäre es höchstwahr­scheinlich nicht soweit gekommen, dass noch drei weitere solcher Schadensfälle eingetreten sind.

Überprüfungen in den Gemeinden erfolgen ja meist durch den eigenen Prüfungsaus­schuss, und dieser Prüfungsausschuss setzt sich aus den eigenen Gemeinderäten zusammen, und, und, und ... (Bundesrat Hensler: Aber wirklich nicht! Herr Kollege, es sind alle politischen Kräfte!) – Die Gemeinderäte der eigenen Gemeinde! Ich spreche hier nicht von Fraktionen, sondern von eigenen Gemeinderäten! (Bundesrat Hensler: Wenn alle Fraktionen involviert sind!) – Das sind die eigenen Gemeinderäte der Gemeinde Schwechat zum Beispiel; da sind alle Fraktionen involviert, und daraus setzt sich der Prüfungsausschuss zusammen. (Bundesrat Gruber: Und was ist da schlecht?) Der Prüfungsausschuss kann aber nur die Richtigkeit der Gebarung prüfen, hat jedoch kein Empfehlungsrecht und auch sonst nichts; der kann nur die Gebarung prüfen (Bundesrat Stadler: Das stimmt aber nicht! Da steht in der Gemeindeordnung etwas anderes!) – das stimmt aber schon! – und muss den Bericht dann dem Gemein­derat vorlegen. Der hat keine Rechte und keine Möglichkeiten, auf irgendwelche Fehler hinzuweisen, er darf nicht einmal einen Kommentar abgeben. Das Einzige, was er abgeben kann, ist, dass überprüft worden ist, dass etwa der Bauhof überprüft worden ist und dass keine rechnerischen Mängel festgestellt worden sind. Also das, was der Prüfungsausschuss macht, ist schon etwas zu wenig an Prüfung.

Dieses Finanzmarktproblem hat ja gezeigt, dass es unbedingt notwendig ist, dass die Gemeinden einer weiteren Kontrolle und Überprüfung unterzogen werden müssen. Es müssen doch die Bürger und Bürgerinnen die Fehler, die in den Gemeindestuben passieren, oder Schäden, die durch falsche Entscheidungen entstehen, wiedergut­machen, also bezahlen.

Man kann ja aufgrund dieser Finanzprobleme, die die Gemeinden durch die Bank in Österreich haben, schon von einer Dreiklassengesellschaft sprechen: auf der einen Seite die gebührengeplagten Bürger, auf der anderen Seite die Bürger in der Armuts­falle, und die dritte Klasse sind die Bürgermeister, die künftig um bis zu 159 Prozent mehr Gehalt bekommen, so wie es in Niederösterreich erst vor Kurzem beschlossen worden ist. (Bundesrat Hensler: Berechtigt!)

Die österreichische Bevölkerung hat kein Verständnis mehr dafür, dass derart fahr­lässig mit Gemeindefinanzen umgegangen wird. (Bundesrat Gruber: Ist ja nicht wahr! Eine unrichtige Behauptung!) Diese Gemeinden werden nicht oder unzulänglich geprüft. Da gehören die Personen, die dafür verantwortlich sind, zur Verantwortung ge­zogen, die gehören geprüft! (Bundesrat Hensler: Das ist ungeheuerlich, Herr Kollege!)

Der Bundesrechnungshof hat, so wie im Antrag beschrieben, den großen Vorteil, dass er länderübergreifende Querschnittsüberprüfungen vornehmen kann und angesichts


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der personellen Distanz zu den Gemeinden ein Höchstmaß an Objektivität bei der Prü­fung einbringen kann.

Ich stimme somit diesem Antrag zu! (Beifall der Bundesräte Dönmez und Schennach.)

15.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Vladyka. – Bitte.

 


15.38.56

Bundesrätin Christa Vladyka (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geschätzte Frau Prä­si­dentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich wollte mich ursprünglich nicht zu Wort melden, aber da die Stadt Bruck an der Leitha hier vonseiten der Kollegin Kerschbaum erwähnt wurde, möchte ich schon auch eines festhalten: Ja, es ist richtig, wir haben ein CMS Swap-Geschäft abgeschlossen, nicht das erste, auch meine Vorgänger. Und wir haben als Gemeinde auch – unter Anführungszeichen – „sehr gut verdient“ dabei. Beim zweiten Geschäft, das wir abgeschlossen haben, und zwar in einem Euroraum, kein Fremd­währungsgeschäft, das uns damals auch als sicher dargestellt wurde, hat kein Mensch vermutet, dass sich die wirtschaftliche Lage so verändern würde.

Aufgrund der Tatsache, dass wir auch eine Gemeinde sind, die es sehr notwendig hat, alles zu unternehmen, um finanzielle Mittel zu lukrieren, da auch wir ständig davon betroffen sind, zusätzliche Aufgaben ohne das entsprechende Portefeuille übernehmen zu müssen, haben wir in gutem Glauben ein Geschäft abgeschlossen – und so ist das passiert!

Wir haben in der Stadtgemeinde Bruck an der Leitha den Grünen den Vorsitz im Prüfungsausschuss freiwillig übergeben, weil wir nichts verhindern wollen und weil wir auch nichts zu verstecken oder zu vertuschen haben. Die Grünen haben in der letzten Gemeinderatssitzung den Antrag auf Überprüfung dieses Vertrags gestellt. Einen Vertrag kann man jederzeit überprüfen, dazu braucht man keinen Dringlichkeits­antrag – auch das habe ich den Grünen gesagt –, aber damit auch da Transparenz vorherrscht, haben wir diesem Antrag zugestimmt. Das ist also schon geschehen, auch dieser Vertrag wird mittlerweile untersucht.

Auch wir unterliegen der Kontrolle des Landes. Auch wir werden ständig vom Land Niederösterreich kontrolliert. Auch wir dürfen aufgrund unserer bisher negativen Finanzspitze – jetzt haben wir wieder eine positive Finanzspitze – keine Kredite auf­nehmen, ohne dass nicht alles vom Land geprüft wird.

Darüber hinaus kann ich hier auch deutlich sagen, dass wir mittlerweile aus diesem CMS-Geschäft ausgestiegen sind und uns mit dem Kreditinstitut, mit dem wir den Vertrag abgeschlossen haben, ins Einvernehmen gesetzt haben, dass wir im Wege von Gegenangeboten mit Null aussteigen. Das heißt, dass der Stadtgemeinde Bruck an der Leitha aus diesem Vertrag kein Schaden entstanden ist.

Ich meine, auch das ist ein wichtiger Beweis dafür, wie wichtig es ist, einerseits die Kontrollen vor Ort arbeiten zu lassen und andererseits den Gemeinden entsprechend Unterstützung anzubieten – und diese kann sicher nicht durch mehr Kontrolle erreicht werden! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 



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15.42.43

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar – ich sage einmal – vorletzte Bemerkungen, weil sich ja jetzt noch jemand zu Wort melden kann.

Erste Bemerkung: Ich glaube, das wichtigste Ergebnis dieser Dringlichen Anfrage – und da bin ich im begrenzten Umfang bereit, mich beim Kollegen Schennach zu bedanken – ist, dass wir, lieber Harry Himmer, eine Debatte darüber aufnehmen sollten, ob wir nicht auch in diesem Haus, wie mehrfach schon angeregt, die Mögl­ichkeit einer „Aktuellen Stunde“ schaffen sollten. Denn: Es war eine unzureichende Anfrage, die nach bestem Wissen und Gewissen – aber ohne Kompetenz, die über wenige Fragen hinausging – vom Herrn Staatssekretär beantwortet wurde. Aber die Aussprache, die wir geführt haben, war wertvoll, gut und notwendig und für einen Nichtkommunalpolitiker, möchte ich dazusagen, auch bereichernd. (Präsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, dass wir ein solches Institut wie die „Aktuelle Stunde“ auch in der Geschäftsordnung des Bundesrates einführen sollten, wo aktuelle Fragen in freier Form – ohne Vorlage, allenfalls mit einem Entschließungsantrag am Schluss – behandelt werden. Sozusagen in einem Radl können die Parteien Themen wählen. Im Nationalrat hat sich das gut bewährt. Ich glaube, dass wir das auch tun sollten.

Zweite Bemerkung: Es war der frühere Nationalratspräsident Khol, vormals Klubob­mann, der den unglückseligen Satz gesprochen hat, dass „die Wahrheit eine Tochter der Zeit“ sei. Also, für das Finanzgeschäft gilt das offensichtlich in besonderem Maße. In einer solchen Diskussion wäre vor drei Jahren vermutlich mit derselben Verve von einer Opposition, welche immer das damals gewesen wäre, jeder Bürgermeister ange­prangert worden, der das bisschen Geld, das er übrig gehabt hat, auf einem Sparbuch angelegt hat. Er wäre als Schädiger seiner Gemeindefinanzen angeprangert worden. Das ist eine nüchterne Wahrheit. Es haben mehrere Redner den im Allgemeinen unglückseligen Satz: Nachher ist man immer gescheiter!“ zitiert, aber wahr ist er trotzdem.

Was kann denn der Rechnungshof tun? – Ich glaube, es ist ein völliges Missver­ständ­nis über die Funktion des Rechnungshofes, dem die Entschließungsantrag­einbringer und Anfragesteller hier unterliegen. Die Frequenz der Prüfungen der Gemeinden – ich habe heute gelernt, es sind genau 2 359 – durch den Rechnungshof kann man sich ausrechnen. Also, so alle 40 Jahre wird der Prüfer schon einmal vorbeikommen. Wem nützt das – außer vielleicht dem Dienstpostenplan des Rechnungshofes?

Dritte Bemerkung – und ich glaube, das ist wesentlicher – : Der Rechnungshof prüft doch dort, wo er erfolgreich ist, nämlich Verwaltungsabläufe. Die Berichte, mit denen er Aufsehen erregt, sind jene über Behörden, wo mit vielen Leuten nichts geschieht, Leuten, die sich im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigen. Das ist seine zentrale Aufgabe: nachzuschauen, ob die öffentliche Verwaltung so organisiert ist, dass sie sparsam, zweckorientiert und effizient funktioniert! (Bundesrat Schennach: So ein­geschränkt ist die Funktion des Rechnungshofes nicht!)

Nein! Erstens ist es seine ursprüngliche Funktion. Sie ist ausgeweitet worden, und dagegen ist gar nichts zu sagen. Aber er ist keine Finanzkontrolle in diesem Sinn. Wir haben für die Gemeinden und die entsprechenden Behörden der Länder eine eigene Kontrolle. Die Länderkammer sollte – auch das haben schon ein paar Redner gesagt – sehr zurückhaltend sein, den Ländern sozusagen eine „Superkompetenz“ des Bundes aufs Auge zu drücken und sich an der Gemeindeautonomie, die ein Verfassungs-


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grundsatz ist, zu vergreifen. Aber ich nehme nicht an, dass das in einem Fall so war, mit Ausnahme von Golling, was offensichtlich nichts mit diesem Thema zu tun hat.

Dort, wo ordnungsgemäße, der jeweiligen Gemeindeordnung entsprechenden Be­schlüsse vorliegen, hat eine Mehrheit – meist eine ziemlich große Mehrheit – des Gemeinderates die Mitverantwortung übernommen. Dafür gibt es gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dieser Gemeinde eine politische Verantwortung. Ganz klar! Wir leben, Gott sei Dank, in einer Demokratie.

Aber wenn an einem Gemeinderat vorbei ein solches Geschäft abgeschlossen worden wäre, dann wäre das nach der Gemeindeordnung ein völlig anderer Fall, mit allen Sanktionen bis hin zur Amtsenthebung als Konsequenz daraus. (Bundesrat Kneifel nickt.) Ich nehme an, dass alle Kommunalpolitiker bei diesem Punkt nicken; ich habe nur einen gesehen. Ich glaube, diese Trennung einer politischen Entscheidung, die auch falsch sein kann, ist wichtig.

Österreichische Gemeinden haben Dutzende Schwimmbäder gebaut, die keiner gebraucht hat und wo sie die Defizite so lange getragen haben, solange sie konnten, und sie haben sie nachher zugesperrt. Das ist tragisch! Das war ein Fehler! Aber es ist ein Fehler, den damals ein Gemeinderat in einem ordentlichen Budget mit einer ordentlichen Kreditaufnahme beschlossen hat. Die politische Verantwortung dafür hat derjenige zu tragen, der an einer solchen Entscheidung mitgewirkt hat. Er wird halt vielleicht nicht wiedergewählt.

Ich habe nur ein Beispiel herausgegriffen, es gibt sicher hundert andere auch. Auch die Bundesgesetzgebung hat gelegentlich Dinge veranlasst, die sich nicht als glanzvolle Hits erwiesen haben und wo in der Folge Geld falsch eingesetzt wurde, wo auch Menschen dafür die politische Konsequenz tragen mussten und wo Beschlüsse reassumiert oder die entsprechenden Gesetze verändert wurden.

Bitte, weder wir noch der Rechnungshof des Bundes ist sozusagen der Recht gewor­dene Erzengel Michael mit dem flammenden Schwert. Wir haben ein Höchstmaß an Voraussicht zu probieren. Ich hoffe, in der Bilanz meines politischen Lebens eines Tages feststellen zu können, dass ich in der Mehrheit der Fälle richtig abgestimmt habe – historisch betrachtet –, aber ich kann nicht behaupten, dass das in allen Fällen der Fall gewesen wäre. Da kann ich schon heute sagen: Das war sicher nicht der Fall! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sagen wir es einmal so: Ich bin da sicher nicht der Einzige, aber ich hoffe, dass ich auch nicht der Einzige bin, der dieser Einsicht ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben für alles, was wir tun, auch dann, wenn es nur gut gemeint ist, die politische Verantwortung zu tragen. Also wir stehen zumindest mit unserem Mandat in der politi­schen Verantwortung – in der Möglichkeit, einer Regierungsmehrheit anzugehören oder nicht, einer Gemeinderatsmehrheit anzugehören, Bürgermeister zu sein oder nicht. Das ist eine geringe Sanktion. Wir werden nicht vernichtet dadurch, dass wir nicht wiedergewählt werden.

Das ist die Sanktion, die die Demokratie anbietet: dass sich Bürgerinnen und Bürger auch anders entscheiden dürfen. Das ist ein eherner Grundsatz der Demokratie. Wir sind alle nicht pragmatisiert.

Vierte Bemerkung: Natürlich ist, das alles wissend, jeder Politiker, aber auch gerade jeder Kommunalpolitiker, bei dem das alles viel unmittelbarer ist, gut beraten, zu überlegen, dass bei Veranlagungen, wie immer sie heißen mögen – ich gehe einmal davon aus, dass das fehlerfreie Nachsprechen der Titel der Finanzveranlagungen, von


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denen wir hier reden, uns alle vor nahezu unüberwindliche Hindernisse stellen würde; die Frau Bürgermeister hat das sehr gut geschafft, aber ich traue mir das nicht zu (Bundesrat Hensler: Das hat sie souverän geschafft!) ja! –, eine entsprechend höhere Gewinnchance mit einem entsprechend höheren Risiko verbunden ist. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand.

Wie lange eine Finanzkonjunktur andauert, kann niemand vorhersagen. Sie hätte auch zwei Jahre länger dauern können, dann wären vielleicht manche dieser Geschäfte geschlossen worden oder es hätte noch viel furchtbarere Nachfolgeprodukte gegeben, die man gekauft hätte.

Gemeinden, die sehr konservativ veranlagen, haben einen geringeren Ertrag, aber sie haben heute jedenfalls keine Angst um eine Veranlagung. Ich würde mich letzterer Meinung anschließen, mit den bescheidenen Beträgen, um die es bei mir geht. Ich bin ungeschoren durch diese Krise gekommen, denn Wohnbauanleihen waren da nicht betroffen.

Die Entscheidung ist eine der demokratiepolitisch legitimierten Gemeindevertreter. Aber ich bin mir bewusst – und das sollten wir aufgreifen als Ergebnis dieser „Quasi-Aktuellen Stunde“ –, dass eine Beratung, möglicherweise eine verpflichtende Beratung, vor Veranlagungen in höchstem Maße sinnvoll wäre, ohne dass damit derjenige, der berät, die absolute Verantwortlichkeit für mögliche Verluste übernimmt. Das kann es nicht geben!

Nur: Auch da haben wir als Organ der Bundesgesetzgebung sehr vorsichtig zu sagen: Das ist eine Einsicht, die im Rahmen der Gemeindeordnungen der Länder umzusetzen ist – nicht im Rahmen der Bundesgesetzgebung!

Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen ein, das, was wir heute diskutiert und auch ein bisschen gelernt haben, dorthin weiterzutragen, wo es hingehört: in die Landtage unserer Bundesländer oder, in der politischen Realität, in die Landtagsfraktionen unserer jeweiligen Parteien in den Bundesländern.

Ich sage das deshalb, weil auch ich natürlich den beiden Entschließungsanträgen, die meiner Meinung nach am Thema und auch an dieser ganzen Debatte vorbeigehen – aber sie waren auch schon vorher fertig –, nicht zustimmen werde. Aber ich möchte nicht, dass diese Debatte unter dem Motto: Das war eine weitere unnötige Anfrage! abgetan wird. Diese Debatte war nicht unnötig. Wir sollten das, was wir hier letztlich doch gemeinsam herausgearbeitet haben, weitertragen – aber dorthin, wo es hinge­hört. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.54


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mühlwerth, Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Erweiterung der Prüfungskompetenz des Rechnungshofes bei Übernahme von Haftungen durch den Staat vor.

Ich lasse über diesen Antrag abstimmen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters liegt ein Antrag der Bundesräte Schennach, Ertl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Erweiterung der Zuständigkeiten des Rech­nungshofes vor.

Ich lasse über diesen Antrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

15.55.19Einlauf und Zuweisung

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen, 2646/J bis 2653/J, eingebracht wurden.

Weiters teile ich mit, dass die Bundesräte Efgani Dönmez, Kolleginnen und Kollegen den Selbständigen Antrag 173/A betreffend Aufnahme von Flüchtlingen aus Tibet eingebracht haben, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Dienstag, 27. Jänner 2009, 14.30 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 27. Jänner 2009, 13 Uhr, vorgesehen.

15.56.01Schlussansprache des Präsidenten

 


15.56.03

Präsident Jürgen Weiss: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Zusam­menfassung des Halbjahres als Vorarlberger Vorsitzender des Bundesrates schließt angesichts der besonderen Umstände eines Wahljahres auf einen oberflächlichen ersten Blick fast nahtlos an die Übernahme des Vorsitzes an. (Heiterkeit.)

Wir hatten allerdings zwischendurch drei kurze Sitzungen, die in zwei Fällen durchaus zu den positiven Seiten eines lebendigen Parlamentarismus gehören: Bei der Ein­lagensicherung und beim Konjunkturbelebungspaket haben der Nationalrat und der Bundesrat rasch und entschlossen gehandelt.

Die Sitzung im September hingegen war geprägt von jenen Problemen, die bekanntlich mit einer überhasteten Anlassgesetzgebung des Nationalrates, ohne Begutachtungs­verfahren und Ausschussvorberatungen, häufig verbunden sind.

Die Tiroler Landtagswahl hat dazu geführt, dass wir 28 beziehungsweise 26 in zwei Fraktionen zusammengeschlossene Mitglieder und acht aus vier verschiedenen politi­schen Gruppen stammende Bundesrätinnen und Bundesräte haben.


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Wenngleich unsere aus einem ganz anderen Umfeld stammende Geschäftsordnung nicht für alle subjektiv wünschenswerte Lösungsmöglichkeiten bietet, haben wir uns doch bemüht, aus den gegebenen Möglichkeiten das Beste zu machen. Für das dabei gezeigte Verständnis bin ich den Fraktionen dankbar.

Ich danke andererseits aber auch den fraktionslosen Mitgliedern für die gute Zusam­menarbeit bei der Vorbereitung und Abwicklung der Sitzungen.

Ein besonderer Bereich unserer Arbeit in den letzten Monaten verdient es, stärker in das Blickfeld gerückt zu werden: Das ist die Tätigkeit des EU-Ausschusses. Er hat sich heuer in acht Sitzungen mit den von der Kommission übermittelten Dokumenten befasst und nach Anhörung von Experten neun Stellungnahmen an die EU-Kom­mission verabschiedet, womit wir auch alle gemeinsamen Stellungnahmen der Länder aufgegriffen haben.

Wir haben dabei gesehen, dass wir an den Arbeitsabläufen, am Sitzungsrhythmus und an der Verfügbarkeit über ausreichende Ressourcen noch weiter arbeiten müssen. Zu diesem Zweck haben wir unter anderem auch eine eigene Besprechung mit den Landtagspräsidenten abgehalten und stehen im Wege unsere beiden Vertreter in der COSAC, Gottfried Kneifel und Prof. Albrecht Konecny, auch in ständigem Kontakt mit dem EU-Ausschüssen der anderen Parlamente.

Heute hatten wir auch eine Aussprache mit der Frau Nationalratspräsidentin, wie wir gemeinsam die Arbeitsweise verbessern können. Wenngleich wir in der Erprobungs­phase immer wieder Verbesserungsbedarf erkennen und noch viel zu tun bleibt, kommen wir im internationalen Vergleich durchaus gut voran. Das ist umso wichtiger, als wir in diesem Bereich – anders als im Verfahren der innerstaatlichen Gesetz­gebung – die Chancen eines noch weitgehend unbebauten Gebietes nutzen können.

Gerade auf diesem Gebiet kann der jeweilige Präsident zwar Impulse geben und motivieren, aber letztlich fußen Fortschritte, wie bei unserer Arbeit im Allgemeinen, auf einem guten Teamwork. Dazu haben die Frau Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth und der Herr Vizepräsident Mag. Harald Himmer, die Fraktionsvorsitzenden und der Vorsitzende des EU-Ausschusses maßgeblich beigetragen. Ich danke für das hohe Maß an Kollegialität, auf die man in einem geographisch von Wien weit entferntem Bundesland in besonderer Weise angewiesen ist.

Ich übermittle von dieser Stelle aus dem erkrankten Fraktionsvorsitzenden Ludwig Bieringer unsere besten Genesungswünsche.

Beim Teamwork im weiteren Sinne erwähne ich auch die Präsidentin des National­rates, Mag. Barbara Prammer. Sie leitet den naturgemäß auch für uns sehr wichtigen Parlamentsbetrieb in einer Weise, die auf die Interessen der kleineren Kammer in bestmöglicher Weise eingeht. Für diese fraktionsübergreifende gute Zusammenarbeit bin ich ihr sehr respektvoll dankbar.

Unser aller Bemühen bliebe aber Stückwerk, wenn uns nicht ausreichende Unterstüt­zung zur Verfügung stünde. Die Parlamentsdirektion, und hier im Besonderen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesratsdienstes unter der Führungsverantwor­tung von Frau Dr. Susanne Bachmann leisten ganz hervorragende Arbeit. Das ist, wenngleich es häufig unsichtbar bleibt, öffentlicher Dienst im besten Sinne des Wortes und verdient auch am Schluss dieses Halbjahres wieder herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)


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Ich übergebe nun das Staffelholz für das 152. Halbjahr des Vorsitzes an das Bun­desland Wien und wünsche unserem neuen Präsidenten Harald Reisenberger ein erfolgreiches und freudvolles Wirken an der Spitze des Bundesrates.

Ihnen allen wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Die Sitzung ist geschlossen.

16.01.20 Schluss der Sitzung: 16.01 Uhr

 

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1017 Wien