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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

963. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Februar 2024

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

963. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Februar 2024

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. Februar 2024: 9.05 – 21.11 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird

2. Punkt: Bundesgesetz über die erneuerbare Wärmebereitstellung in neuen Baulichkeiten (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Telekom­muni­kationsgesetz 2021 geändert werden

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA beziehungsweise Wahl eines Mitglieds und eines Ersatzmitglieds des Bundesrates ............................................................................................................. .. 111


BundesratStenographisches Protokoll963. Sitzung, 963. Sitzung des Bundesrats vom 15. Februar 2024 / Seite 2

Angelobung des Bundesrates Mag. Bernhard Ruf .................................................... 12

Antrittsansprache der Präsidentin Margit Göll .......................................................... 12

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des ehemaligen Bundesrats­präsidenten Hans Ager   ............................................................................................................................... 18

Erklärung der Landeshauptfrau von Niederösterreich Mag. Johanna Mikl-Leitner gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR – Bekanntgabe ................................................................................... 18

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ............. 18

Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner ............................................................ 19

Debatte:

Bernadette Geieregger, BA ..................................................................................... .... 26

Christian Fischer ........................................................................................................... 29

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................. 33

Simone Jagl ................................................................................................................... 41

Matthias Zauner ...................................................................................................... .... 45

Doris Hahn, MEd MA ............................................................................................... .... 51

Michael Bernard ....................................................................................................... .... 58

Schreiben des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung eines stellvertretenden Mitglieds in den Ausschuss der Regionen                    119

Ersuchen der Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler um Sitzungsunter­brechung und Abhaltung einer Stehpräsidiale ................................................................................ 128

Unterbrechung der Sitzung ....................................................................  129, 197, 198

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................... 11


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Aktuelle Stunde (112.)

Thema: „Weichenstellungen moderner Sportpolitik: Frauenförderung, Inklusion, tägliche Bewegungseinheit und ein Rekordbudget für den Spitzen- und den Breitensport“             ............................................................................................................................... 64

Redner:innen:

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ........................................................................................... 65

Heike Eder, BSc MBA .................................................................................................... 67

Korinna Schumann .................................................................................................. .... 71

Markus Leinfellner ................................................................................................... .... 75

Vizekanzler Mag. Werner Kogler .........................................................................  79, 99

Marco Schreuder ...................................................................................................... .... 88

Ernest Schwindsackl ................................................................................................ .... 91

Michael Wanner ...................................................................................................... .... 93

Christoph Steiner ..................................................................................................... .... 96

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .................  108, 109, 110

Schreiben des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Beschluss des National­rates vom 15. Dezember 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die erneuerbare Wärmebereitstellung in neuen Baulichkeiten (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWG) (2268 d.B. und 2351 d.B.) – Ablauf der drei­monatigen Stillhaltefrist beziehungsweise keine Einwendungen seitens der Europäischen Kommission und der anderen Mitgliedstaaten .......................................................................................................... 116

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................... 128


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Ausschüsse

Zuweisungen .............................................................................................................. 102

Dringliche Anfragen

der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Was tun Sie gegen Schlepper­krimi­nalität, Herr Innenminister?“ (4151/J-BR/2024) .................................................................................................................... 197

Begründung: Günter Kovacs ..................................................................................... 198

Bundesminister Mag. Gerhard Karner ...................................................................... 206

Debatte:

Günter Kovacs (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 223

Mag. Sandra Gerdenitsch .......................................................................................... 224

Matthias Zauner ...............................................................................................  230, 252

Günter Pröller ........................................................................................................... .. 234

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 239

Dominik Reisinger .................................................................................................... .. 243

Mag. Harald Himmer ............................................................................................... .. 246

Christoph Steiner ..................................................................................................... .. 248

Günter Kovacs .......................................................................................................... .. 253

der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend „ÖVP-Grüne Bundesregierung als Pendler­schreck durch Verteuerung des Individualverkehrs und Missmanagement des öffentlichen Verkehrs“ (4152/J-BR/2024) ..................... 254

Begründung: Markus Leinfellner .............................................................................. 254

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ................................................................ 262


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Debatte:

Christoph Steiner ..................................................................................................... .. 268

Markus Stotter, BA .................................................................................................. .. 274

Daniel Schmid ...................................................................................................  277, 314

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................... 284

Marlies Doppler ................................................................................................  293, 313

Günther Ruprecht .................................................................................................... .. 299

Horst Schachner ...................................................................................................... .. 302

Michael Bernard ....................................................................................................... .. 305

Marco Schreuder ...................................................................................................... .. 311

Christian Fischer ...................................................................................................... .. 312

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................... 315

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 321

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird (2238 d.B. und 2420 d.B. sowie 11414/BR d.B. und 11416/BR d.B.) ............... 130

Berichterstatterin: Viktoria Hutter .......................................................................... 130

Redner:innen:

Mag. Isabella Theuermann ...................................................................................... .. 131

Bernadette Geieregger, BA ..................................................................................... .. 133

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... .. 136

Marco Schreuder ...................................................................................................... .. 140

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler .......................................................... .. 143

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................. .. 151

MMag. Elisabeth Kittl, BA ....................................................................................... .. 153


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Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen           ............................................................................................................................. 157

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die erneuerbare Wärmebereitstellung in neuen Baulichkeiten (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWG) (2268 d.B. und 2351 d.B. sowie 11415/BR d.B.) ........................ 158

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ........................................................ 158

Redner:innen:

Michael Bernard ....................................................................................................... .. 159

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................ .. 162

Markus Steinmaurer ................................................................................................ .. 167

Ing. Isabella Kaltenegger ......................................................................................... .. 170

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .............................................................. .. 172

Mag. Bettina Lancaster ........................................................................................... .. 175

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .. 178

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Telekom­munikationsgesetz 2021 geändert werden (3821/A und 2419 d.B. sowie 11417/BR d.B.) ..................................................... 179

Berichterstatterin: Viktoria Hutter .......................................................................... 179

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................. .. 180

Klara Neurauter ....................................................................................................... .. 184


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Klemens Kofler ......................................................................................................... .. 187

Marco Schreuder ...................................................................................................... .. 188

Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc .............................................................. .. 191

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................. .. 195

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 196

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesrä:innen

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Bundeskanzler-G’schichtl zur Diskreditierung des Arbeitnehmer:innenschutzes (4143/J-BR/2024)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Auflassung der GKB-Haltestelle Alling-Tobisegg (4144/J-BR/2024)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalengpass bei steirischer Exekutive (4145/J-BR/2024)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Durchlässigkeit des Bildungssystems für Lehrabsolvent*innen (4146/J-BR/2024)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Durchlässigkeit des Bildungssystems für Lehr­absolvent*innen (4147/J-BR/2024)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung (4148/J-BR/2024)


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Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Folgeanfrage: Väterbeteili­gung an der Kinderbetreuung (4149/J-BR/2024)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung (4150/J-BR/2024)

Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Was tun Sie gegen Schlepperkiminalität, Herr Innenminister? (4151/J-BR/2024)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ÖVP-Grüne Bundesregierung als Pendlerschreck durch Verteuerung des Individualverkehrs und Missmanagement des öffentlichen Verkehrs (4152/J-BR/2024)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Neues Stipendienmodell für Medi­zinstudenten (4153/J-BR/2024)

Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Primärversorgungszentrenstruktur im Bundesland Kärnten für das Jahr 2024 (4154/J-BR/2024)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz der Exekutive rund um den Grazer Akademikerball 2024 (4155/J-BR/2024)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend


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Bestellung von Alexia Getzinger zur Regionalmanagerin der Postbus AG (4156/J-BR/2024)

Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend KI-Beirat: ein teurer Wahlkampfgag? (4157/J-BR/2024)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundes­rät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neubau der Kaserne Bolfras in Mistelbach (3824/AB-BR/2024 zu 4128/J-BR/2023)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau des Angebots höherer Schulen in Ballungszentren (3825/AB-BR/2024 zu 4129/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung (3826/AB-BR/2024 zu 4131/J-BR/2023)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung (3827/AB-BR/2024 zu 4130/J-BR/2023)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Strafen in der Steiermark in den Jahren 2020, 2021, 2022 und 2023 (3828/AB-BR/2024 zu 4132/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und


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Kollegen betreffend Corona-Strafen in der Steiermark in den Jahren 2020, 2021, 2022 und 2023 (3829/AB-BR/2024 zu 4133/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdienstentgang bei Absonderung von Mitarbeitern auf­grund einer COVID-19-Infektion in steirischen Betrieben (3830/AB-BR/2024 zu 4135/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gefährdung der Patientensicherheit durch Anerkennung von Anästhesietechnischen Assistenten? (3831/AB-BR/2024 zu 4136/J-BR/2023)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überbindung von Infrastrukturkosten an Gemeinden (3832/AB-BR/2024 zu 4137/J-BR/2023)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nicht veranlasste Strafverfolgung von Eltern, Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vormunden bei Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen (FGM/C). (3833/AB-BR/2024 zu 4138/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wo sind die Fördermittel zur Gewaltprävention für Men­schen mit Behinderung? (3834/AB-BR/2024 zu 4140/J-BR/2023)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wo sind die Fördermittel zur Gewaltprävention für Frauen und Mädchen mit Behinderung? (3835/AB-BR/2024 zu 4139/J-BR/2023)


 


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09.05.05Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Margit Göll, Vizepräsident Dominik Reisinger, Vizepräsident Mag. Franz Ebner.

09.05.07*****


Präsidentin Margit Göll: Ich eröffne die 963. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile der Amtlichen Protokolle der 961. und der 962. Sitzung des Bundesrates vom 20. und vom 21. Dezember 2023 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky und Stefan Schennach.

Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herzlich begrüßen hier im Bundesratssaal darf ich auch Bundesratspräsident außer Dienst Edgar Mayer, Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. (Allgemeiner Beifall.)

Es ist mir wirklich eine große Freude und Ehre, meine erste Sitzung als Präsidentin heute eröffnen und leiten zu dürfen. Ich freue mich auf wert­schätzende Debatten in kollegialer Atmosphäre.

09.06.29Mandatsverzicht und Angelobung


Präsidentin Margit Göll: Eingelangt ist ein Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Mitglieds und Ersatz­mitglieds des Bundesrates. (siehe S. 111)

Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.


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Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Schönen guten Morgen! Ich verlese die Gelöbnisformel für die Mitglieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beachtung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Bundesrat Mag. Bernhard Ruf leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat!


Präsidentin Margit Göll: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte – auf gute Zusammenarbeit! (Allgemeiner Beifall. – Das neue Mitglied des Bundesrates wird von seinen Kolleginnen und Kollegen beglückwünscht.)

09.08.36Antrittsansprache der Präsidentin


Präsidentin Margit Göll: Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Es ist mir eine besondere Freude und vor allem auch eine große Ehre, den heutigen Sitzungstag mit meiner Antrittsrede als Präsidentin des Bundesrates beginnen zu dürfen. Vorweg möchte ich mich bei den Mandata­rinnen und Mandataren des Niederösterreichischen Landtages für die Wahl zur Erstgereihten der Bundesrät:innen und bei unserer Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner für ihr Vertrauen und für den Wahlvorschlag sehr herzlich bedanken.


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Erstmals stehen nun zwei Frauen an der Spitze von Landeshauptleutekonferenz und Bundesrat. Aufrichtig danken darf ich auch meiner Vorgängerin als Bundes­ratspräsidentin, Claudia Arpa, für ihren engagierten Vorsitz in der Länder­kammer. – Liebe Claudia, herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Im ersten Halbjahr 2024 werden unter der Präsidentschaft Niederösterreichs die Perspektiven der europäischen Jugend wieder aufgegriffen. Mein Motto Gemeinsam über Grenzen: Europa verbindet ist mir dabei ein zentrales Anliegen, dem ich besondere Aufmerksamkeit schenken werde – der Zukunft der Jugend in den ländlichen Regionen.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um die Lebensqualität in den ländlichen Regionen zu stärken, zu steigern, um innovative Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu verbessern. Die Jugend ist nicht nur unsere Zukunft, sondern auch die treibende Kraft für positive Veränderungen in unseren Gemeinden und in unserer Gemeinschaft.

Ein Schlüssel für den Verbleib junger Menschen in den ländlichen Regionen ist die Optimierung der Bildungsangebote am Land. Aus- und Weiterbildung sollte jedem unabhängig von seinem Wohnort zugänglich sein. Ich habe mich bei meinem Antrittsbesuch bei Minister Martin Polaschek dafür eingesetzt, dass Bildungseinrichtungen in ländlichen Gebieten gestärkt und innovative Lehransätze gefördert werden. Wir müssen sicherstellen, dass die Bildungs­landschaft den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung gerecht wird.

Regionen an den Grenzen unseres Bundesgebietes stehen meist vor besonderen Herausforderungen. Landflucht, mangelndes Angebot an Arbeitsplätzen und schlechte Verkehrsverbindungen drohen diese Regionen auszudünnen. Am 28. Mai wird sich deshalb eine Jugendkonferenz des Bundesrates – mit Jugend­lichen aus Österreich, der Slowakei und Tschechien – mit den Anliegen der jungen Bevölkerung in den Grenzregionen befassen. Die Zusammenarbeit von


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Grenzregionen in Europa ist ein wichtiger Aspekt meiner Amtszeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In einer Zeit, in der die Welt immer stärker vernetzt ist, ist die Zusammenarbeit zwischen benachbarten Regionen von entscheidender Bedeutung. Gemeinsame Herausforderungen erfordern gemeinsame Lösungen, sei es im Umweltschutz, in der Wirtschaft oder auch bei der Sicherheit.

Als Bundesratspräsidentin werde ich mich dafür einsetzen, den Austausch und die Kooperation zwischen den Grenzregionen zu fördern. Der mittlerweile traditionell gewordene Bundesrat im Bundesland wird uns daher nicht nur in meinen Heimatbezirk, nach Gmünd, führen, wo ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das grenzüberschreitende Gesundheitszentrum Healthacross MED Gmünd vorstellen werde, sondern wir werden auch über die Grenze nach Tschechien fahren und mit lokalen Vertreterinnen und Vertretern über weiteres Potenzial zur Optimierung grenzüberschreitender Projekte sprechen. Auch die Reise der Präsidiale des Bundesrates wird uns in verschiedene Orte nach Tschechien führen, um dort die diplomatischen Kontakte auszubauen und zu vertiefen.

Mit unseren Nachbarländern teilen wir nicht nur die geografischen Grenzen, sondern auch gemeinsame Interessen und Herausforderungen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglicht nicht nur den Austausch bewährter Praktiken, sondern fördert auch ein besseres Verständnis für die Herausforderungen, vor denen wir alle stehen. Politiker in den Nachbarstaaten können voneinander lernen, können voneinander profitieren und gemeinsame Lösungen für globale Probleme entwickeln. Nur durch enge Zusammenarbeit können wir eine prosperierende und stabile Region schaffen, von der wir alle profitieren. Ich lade Sie daher dazu ein, diesen Weg der offenen Kommunikation und Zusammenarbeit zu unterstützen.

Indem wir Brücken zu unseren Nachbarstaaten stärken, tragen wir natürlich auch dazu bei, ein friedliches und gemeinsames Europa zu gestalten. Die Rolle


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des österreichischen Bundesrates als Scharnier der Bundesländer zu Europa ist daher von großer Bedeutung. Der österreichische Bundesrat muss eine proaktive Rolle in den europäischen Diskussionen einnehmen, um die Interessen unseres Landes zu wahren und an der Gestaltung einer starken und einigen Europäischen Union teilzunehmen – einer Union, die den Föderalismus respek­tiert und nicht den Zentralismus fördert; einer Union, die Subsidiarität lebt und nicht nur davon spricht; einer Union, die sich vermehrt ihren Kernaufgaben widmet und den Regionen jene Entscheidungen vor Ort überlässt, die dort kompetenter und menschengerechter gefällt werden können als in Brüssel. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind die Brücke zwischen den Regionen und der Zentralregierung. Es liegt daher in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass die Vielfalt und die Bedürfnisse der Bundesländer angemessen berücksichtigt werden. Gemeinsam mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner als Vorsitzender der Landes­haupt­leutekonferenz werde ich mich für eine effektive Vertretung der Bundesländer einsetzen, damit ihre Stimmen in den politischen Entscheidungsprozessen gehört werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Lassen Sie mich noch ein Wort zu unserer Funktion als Zukunftskammer – neben unseren Rollen als Europakammer und Vertreter der Bundesländer – sagen. Die Bedeutung des Bundesrates als Ideenbringer ist mir ein Anliegen, dem ich mich in besonderem Maße verpflichtet fühle. Der Bundesrat soll weiterhin einen Raum für den konstruktiven Austausch von Ideen und Visionen für unsere Zukunft bieten. Das ist gerade in diesem Jahr – in einem Superwahljahr, in dem Europa-, Nationalrats- und Landtagswahlen stattfinden werden – so wichtig. Jetzt haben wir die Gelegenheit, unseren Ideen Gehör zu verschaffen, sie bei den Entscheidungsträgern zu deponieren, dafür zu werben und dafür zu sorgen, dass sie auch umgesetzt werden.

Das wird uns aber umso besser gelingen, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Ich denke, wenn es zum Beispiel um das Wohl der Jugend, aber auch um die Perspektiven der Frauen, um die Stärkung unserer Grenzregionen und die


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Vertretung der Länderinteressen im Bund geht, sollte uns das doch möglich sein. Die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der politischen Parteien in einem Jahr mit so vielen Wahlen kann nicht genug betont werden.

Die Demokratie lebt von der aktiven Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger, und Wahlen sind der Höhepunkt dieses demokratischen Prozesses. In einem Jahr mit Wahlen müssen wir als politische Akteure eine besondere Verantwortung übernehmen. Es ist entscheidend, dass politische Parteien trotz Wahlkampf in einem konstruktiven Dialog stehen und danach gemeinsam an Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit arbeiten.

Als Bundesratspräsidentin werde ich mich für einen respektvollen und offenen Austausch in der Länderkammer einsetzen, der das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellt und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger über parteipolitische Grenzen hinweg vertritt.

Ein weiteres wichtiges und zentrales Anliegen meiner Amtszeit ist die Verbesse­rung der Situation von Frauen – nicht nur in den ländlichen Regionen. Ein Thema liegt mir dabei besonders am Herzen: die Motivation von Frauen, sich ehren­amtlich in der Politik zu engagieren. Als Bundesratspräsidentin und Bürgermeis­terin möchte ich Frauen ermutigen, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft teilzunehmen. Die Beteiligung von Frauen in Ehrenämtern und in der Politik ist von unschätzbarem Wert. Frauen bringen eine Vielfalt an Perspektiven, Erfahrungen und Ideen ein, die für eine gerechte und ausgewogene Gesellschaft entscheidend sind. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir brauchen die Stimmen der Frauen, um die Herausforderungen unserer Zeit umfassend anzugehen und nachhaltige Lösungen zu finden. In der Politik haben Frauen die Möglichkeit, direkten Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen und politische Prozesse mitzugestalten. Ihre Perspektiven sind für uns unverzichtbar, um eine ausgewogene und repräsentative Politik zu gewährleisten.


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Ich möchte jede Frau ermutigen, ihre Fähigkeiten und Talente in den Dienst unserer Gesellschaft zu stellen – ganz egal ob im Ehrenamt oder in der Politik. Ich lade deshalb am Internationalen Frauentag am 8. März Bürgermeisterinnen und Gemeindevertreterinnen aus ganz Österreich ins Parlament ein. Frauen werden darüber berichten, wie sie es an die Spitze ihrer Profession gebracht haben und vor welchen speziellen Herausforderungen sie dabei standen.

Ich komme zum Schluss. Wir stehen vor wichtigen Wahlen, vor einem Moment, der unsere demokratische Verantwortung unterstreicht. In dieser Zeit sollten wir bei unserem politischen Diskurs besonders achtsam umgehen. Ich bitte Sie inständig, während des Wahlkampfs den Respekt gegenüber Ihren politischen Mitbewerbern zu wahren. Politik sollte stets im Zeichen des Austauschs von Ideen stehen – nicht im Schatten persönlicher Angriffe. Lassen Sie uns den Wäh­lern ein Vorbild sein, an dem sichtbar wird, wie ein respektvoller und konstruktiver Diskurs aussehen kann! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Es ist unabdingbar, dass wir uns nach den Wahlen weiterhin gemeinsam für das Wohl unseres Landes einsetzen. Die Zusammenarbeit über parteipolitische Grenzen hinweg ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke und Reife unserer Demokratie. In einer Zeit, in der die Herausforderungen komplexer denn je sind, müssen wir nach dem Verbindenden und nicht nach dem Trennenden suchen. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass wir über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten, um die drängenden Probleme anzu­gehen – sei es der Klimawandel, die Migration, soziale Gerechtigkeit, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung. In einer Demokratie ist es von größter Bedeutung, dass wir nach den Wahlen die Hände wieder ausstrecken, anstatt uns in Grabenkämpfen zu verlieren.

Ich appelliere daher an alle Fraktionen und Parteien, sich für eine Politik des Respekts, der Zusammenarbeit und des Miteinanders einzusetzen. Lassen Sie uns gemeinsam eine Atmosphäre schaffen, in der unsere politische Debatte von Idealen und Visionen anstatt von Spaltung und Konfrontation geprägt ist! – Vielen Dank für eure, für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihr Engagement für unser


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gemeinsames Österreich. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

09.22.56Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des ehemaligen Bundesratspräsidenten Hans Ager


Präsidentin Margit Göll: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kürzlich hat uns die traurige Nachricht erreicht, dass der ehemalige Präsident des Bundesrates Hans Ager verstorben ist.

Der österreichische Bundesrat verliert mit dem ehemaligen Präsidenten einen über alle Parteigrenzen hinweg geachteten Politiker, dem der Einsatz für sein Heimatbundesland Tirol stets ein besonderes Anliegen war.

Der österreichische Bundesrat dankt, der österreichische Bundesrat gedenkt seiner.

Ich darf Sie daher bitten, sich im stillen Gedenken zu einer Trauerminute von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.) – Ich danke Ihnen. (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

09.23.50Erklärung der Landeshauptfrau von Niederösterreich gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR


Präsidentin Margit Göll: Ich begrüße Frau Landeshauptfrau von Nieder­österreich Mag. Johanna Mikl-Leitner sehr herzlich bei uns im Bundesrat und gebe bekannt, dass sie ihre Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 GO-BR vor, im Anschluss an die von der Frau Landeshauptfrau von Niederösterreich abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.


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Ich erteile nun der Frau Landeshauptfrau von Niederösterreich zur Abgabe ihrer Erklärung das Wort.


9.24.38

Landeshauptfrau von Niederösterreich Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich freue mich, dass ich heute bei Ihnen im Bundesrat zu Gast sein darf, und gratuliere vor allem zu Ihren neuen Räumlichkeiten. Der neue Bundesratssaal ist wirklich ein Arbeitsumfeld auf der Höhe der Zeit – herzliche Gratulation dazu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landeshauptleutekonferenz und der Bundesrat sind zwei kräftige Stimmen des föderalen Österreichs – zwei Stimmen, die eine gemeinsame Botschaft haben, nämlich die Botschaft zur Zusammenarbeit, zur Zusammenarbeit über unterschiedlichste ideologische Standpunkte hinweg, zur Zusammenarbeit im Sinne der Republik und des Gemeinwesens. Deswegen haben wir uns auch dafür entschieden, diesem Vorsitz ein ganz klares Motto zu geben: Aus Verantwortung für Österreich an einem Strang ziehen. – Dieses Motto soll uns in der politischen Arbeit in den nächsten Monaten als Vorbild und vor allem auch als Wegweiser dienen. Es ist ein Anspruch, dem wir uns als politische Verantwortungsträger stellen wollen.

Ich weiß, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren, diesem Anspruch in Ihrer täglichen Arbeit für Ihre Bundesländer und für unsere Republik auch gerecht werden. Für dieses Engagement, für diese Leidenschaft, für dieses Ringen um die besten Lösungen darf ich Ihnen an dieser Stelle ein ganz großes und herzliches Dankeschön sagen.

Ich bin überzeugt, dass es gerade in einer Zeit der Polarisierung, in der so viel offen und ungewiss ist, Institutionen und Personen braucht, die für Stabilität und Verlässlichkeit stehen. Es braucht Konstanten – Konstanten wie es die Bundesländer sind und wie es vor allem auch der Bundesrat ist. Der Bundesrat als Länderkammer ist für mich ein unverzichtbares Instrument unseres


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demokratischen Systems, weil gerade der Bundesrat für die Anliegen der Men­schen in den Regionen, in den Ländern, in den Bezirken und vor allem in unseren Gemeinden einsteht und auch immer wieder die Zusammenarbeit über Landes­grenzen und Parteigrenzen hinweg einmahnt.

Im Hinblick auf die Zusammenarbeit ist auch die Landeshauptleutekonferenz ein gutes und funktionierendes Vorbild, denn es ist gerade die Landeshauptleute­konferenz, in der über Ländergrenzen und Parteigrenzen hinweg gemeinsam an Lösungen für die Menschen in unserem Land gearbeitet wird. Das ist es, was letztendlich den Föderalismus ausmacht und was ich unter Föderalismus verstehe. Föderalismus heißt nicht: jeder für sich oder jeder gegen jeden. – Föderalismus heißt: miteinander reden, voneinander lernen und vor allem für die Menschen arbeiten.

Weil wir für die Menschen arbeiten, haben wir für den Vorsitz Niederösterreichs in der Landeshauptleutekonferenz und im Bundesrat auch vier Schwerpunkt­themen definiert, die wir in den nächsten Monaten gemeinsam vorantreiben wollen.

Ein ganz wichtiges Thema, das auf unserer Agenda ganz oben steht und das vor allem auch zu den großen Sorgen unserer Landsleute gehört, ist das Thema des leistbaren Wohnens. Junge Menschen müssen ihre Wohnträume wieder realisieren können. Normalverdiener müssen sich wieder Eigentum schaffen können. Dazu müssen wir meines Erachtens an den verschiedensten Stellschrauben drehen.

Ein Grundgedanke dazu ist: Der Staat sollte gerade beim Ersterwerb nicht mitverdienen. – Ich denke, da gibt es ein paar gute Überlegungen, denen wir nachgehen sollten. Zum Ersten, denke ich, wäre es gut, wenn wir auf die Gebühren für die Eintragung ins Grundbuch verzichten würden. Zum Zweiten wäre es gut, wenn wir auf die Einhebung der Grunderwerbsteuer verzichten würden – natürlich unter der Voraussetzung, dass dieser Ausfall den Gemeinden refundiert wird. Denken wir auch an den Vorschlag des Bundeskanzlers Karl


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Nehammer, den ich für sehr konstruktiv halte und den es bereits in der Vergangenheit gegeben hat, dass wir die Zinsen für Privatkredite refundieren, um Eigentum wieder leistbar zu machen. (Bundesrat Steiner: Umsetzen! Umsetzen!)

Es gibt auch viele andere konstruktive Vorschläge. Darüber hinaus halte ich es aber auch für wichtig, vor allem im Bereich der Wohnbaugenossenschaften Akzente in Richtung Sanierung zu setzen, die Wohnbaugenossenschaften darin zu unterstützen, Sanierungen voranzutreiben, damit die Wohnungen wieder mehr an Wert gewinnen und damit wir vor allem auch die Bauwirtschaft wieder vorantreiben und unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang noch einen Punkt ansprechen, der vor allem für viele Familien, die sich Eigentum schaffen wollen, zu einem Mühlstein geworden ist, nämlich die überschießende KIM-Verordnung, über die Sie hier im Hohen Haus auch schon des Öfteren debattiert und diskutiert haben. Es mag ja sein, dass die KIM-Verordnung zu Beginn gut gemeint war. Wir alle spüren aber, dass sich diese KIM-Verordnung mittlerweile zu einer reinen Schikane für Häuselbauer entwickelt hat.

Ich denke, keiner von uns hat Verständnis – vor allem die Häuselbauer nicht –, wenn man weiß, dass nur 1,2 Prozent der Privatkredite uneinbringlich sind. Das ist für die Banken also ein Risiko in Richtung null. Deswegen lautet unsere Forderung auch weiterhin, dass die KIM-Verordnung letztendlich wegkommen soll, dass sie abgeschafft werden soll. Denn was passiert aufgrund der KIM-Verordnung? – Junge Paare können sich ihre Wohnträume nicht mehr erfüllen. Wohnträume können nicht mehr Realität werden. Die Bauwirtschaft und das Handwerk kommen ins Trudeln, leiden an Einbrüchen im Bereich der Auftragslage. Daher bleibt unsere Forderung, die auch von Wirtschafts­wissen­schaftern massiv unterstützt wird, aufrecht, die KIM-Verordnung endlich zu Grabe zu tragen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Umsetzen!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates, ein zweiter Punkt, den ich anspreche möchte, ist das Ehrenamt, das Freiwilligenwesen. Das Ehrenamt wird leider von so manchem als Vereinsmeierei abgetan und kleingemacht. Wir alle wissen aber, dass gerade das Ehrenamt ganz wichtig und eine tragende Säule für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist. Wir alle, die wir draußen vor Ort Verantwortung tragen, wissen um die große Verantwortung und vor allem um die große Rolle von der freiwilligen Feuerwehr, dem Roten Kreuz, unseren Sportvereinen, Kulturvereinen und den Hunderttausenden, die sich ehrenamtlich in ganz Österreich engagieren. Wir wissen, welch großartigen Einsatz sie leisten und welchen Kitt sie für die Gemeinschaft abgeben. Deswegen ist es mir auch wichtig, an dieser Stelle allen Ehrenamtlichen, egal in welcher Funktion, egal in welchem Verein, egal an welchem Ort, ein ganz großes und herzliches Danke zu sagen für die Zeit, die sie für unsere Gesellschaft aufbringen. Danke schön! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich bin auch überzeugt, dass gerade das Ehrenamt einen wesentlichen Beitrag zur Integration leisten kann. Deswegen halte ich es für wichtig, das Ehrenamt zu fördern, aber vor allem auch zu fordern. Ich darf ein wunderschönes Beispiel aus Niederösterreich anführen, das zeigt, dass Ehrenamt im Bereich der Integration eine wichtige Rolle einnehmen kann: Ein junger Bursche aus Burkina Faso, 14 Jahre alt, kam nach Niederösterreich, hat eine neue Heimat gefunden und hat sich von der ersten Minute an auch bei der örtlichen freiwilligen Feuerwehr eingebracht. Heute ist er ein ganz wichtiger Teil dieser freiwilligen Feuerwehr und ein Teil der Gemeinschaft.

Ich denke, das ist einfach ein schönes Beispiel direkt aus der Region, das zeigt, dass man gerade durch Ehrenamt sprachliche und kulturelle Barrieren überwinden kann und dass Integration funktionieren kann. Daher ist auch jede und jeder herzlich willkommen, die und der sich ehrenamtlich engagieren will und vor allem auch Bereitschaft zeigt, unsere Grundprinzipien und unsere Werte zu akzeptieren. Denn ohne Akzeptanz unserer Grundprinzipien und Werte wird es nicht gehen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Einen dritten zentralen Punkt möchte ich ansprechen, den vor allem die Frau Bundesratspräsidentin in das Zentrum ihrer Rede gestellt hat, nämlich das Thema Europa, die Europäische Union. Die Europäische Union wird gerade in den nächsten Monaten aufgrund der Parlamentswahlen eine ganz wesentliche, zentrale Rolle einnehmen. Ich denke aber, dass es auch unabhängig von diesen Wahlen für uns alle ganz, ganz wichtig ist, sich für die Europäische Union einzusetzen, damit sich die Europäische Union auch in die richtige Richtung entwickelt.

Was meine ich damit? – Uns ist es wichtig, dass sich Europa im Sinne der Regionen entwickelt, denn es sind gerade die Regionen, die Europa und die Europäische Union tragen. Deswegen halte ich es auch für so wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, dass es in Zukunft wenig an Geboten, Verboten und Regulativen gibt, denn gerade das ist es, was uns Fesseln anlegt, was uns vor allem die Wettbewerbsfähigkeit erschwert. Ich halte es deswegen für wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Europäische Union in Zukunft mehr performt und weniger vernormt. Das halte ich für wichtig, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein und vor allem um den Wohlstand von uns allen auch halten zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus ist es ganz wichtig, dass wir dranbleiben, dass es zur raschen Umsetzung des Asyl- und Migrationspaktes auf europäischer Ebene kommt, dass der Schutz unserer Außengrenzen an Tempo zulegt. Ungeschützte Außen­grenzen halte ich für die größte Gefahr für unsere Gemeinschaft und unsere Werte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn uns all das gelingt – eine Korrektur der Richtung der Europäischen Union, weg von all den Geboten und Verboten, hin zu Freiheit, Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit –, dann bin ich fest davon überzeugt, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Europäische Union gewinnen werden, und gerade dieses Vertrauen brauchen wir. (Beifall bei der ÖVP.)

Einen vierten zentralen Punkt möchte ich ansprechen: den Finanzausgleich. Der Finanzausgleich ist vor allem unter Landeshauptmann Peter Kaiser monatelang


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verhandelt worden, und dadurch ist es möglich geworden, dass Länder und Gemeinden in Zukunft Jahr für Jahr zusätzlich 2,4 Milliarden Euro erhalten. Ich denke, das ist ein akzeptables und respektables Ergebnis, das zeigt, dass der Bund erkannt hat, dass die Länder und vor allem die Gemeinden mehr Geld brauchen, weil sie auch mehr Aufgaben übernommen haben. Es liegt auf der Hand: Wenn die Aufgaben mehr werden, braucht es selbstverständlich auch mehr Geld.

Ja, es ist ein akzeptabler Vorschlag, aber wir müssen in den nächsten Wochen auch abwarten, wie es mit den Abschlüssen und mit den Voranschlägen unserer Gemeinden in den Bundesländern ausschaut. Wir sind da, denke ich, einer Meinung, dass, wenn es noch zusätzlichen Finanzbedarf gibt – der Gemeindebund geht davon aus, dass etwa ein Drittel der Gemeinden Abgangsgemeinden werden –, wir uns bei der Bundesregierung, beim Finanzminister dafür starkmachen werden, dass es für unsere Gemeinden noch mehr Geld braucht und gibt, damit sie ihrer Verantwortung nachkommen können. Ich rechne diesbezüglich mit Ihrer Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates, wenn wir von den großen Aufgaben reden, dann dürfen wir nie vergessen, was unsere Hauptaufgabe ist, nämlich: nahe an den Menschen dran zu sein, ihre Sorgen zu hören, ihre Anliegen ernst zu nehmen und vor allem Antworten auf all die Herausforderungen, Anliegen und Sorgen zu geben – in Europa, im Bund, in den Ländern, in den Gemeinden, im Europäischen Parlament, im Nationalrat, im Landtag, im Bundesrat und natürlich auch in den Gemeinderäten. Alle Ebenen sind wichtig, alle Ebenen werden gebraucht.

Deswegen darf es meines Erachtens niemals dazu kommen, dass diese Ebenen gegeneinander ausgespielt werden. Es ist wichtig, dass alle diese Ebenen zusammenhalten, immer wieder miteinander reden, voneinander lernen und vor allem füreinander da sind, gemäß dem Motto: Wir müssen alle an einem Strang ziehen, das ist unser aller Verantwortung. – Nur so werden wir unser Österreich,


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unsere Länder, unsere Regionen, unsere Gemeinden in eine gute Zukunft führen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren im Bundesrat, ich freue mich auf alle Fälle auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, dem Bundesrat, und kann Ihnen versichern, dass Frau Bundesratspräsidentin Margit Göll in den nächsten Monaten eine gute Präsidentin sein wird. Margit Göll wird sich mit all ihrer Kompetenz, mit ihrer Erfahrung und vor allem auch mit ihrem Charme einbrin­gen. Margit Göll ist es auch, die in den letzten Jahren sehr viel Erfahrung im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, gerade im Bereich euro­päischer Gemeinschaftsprojekte wie Healthacross, gemacht hat. – Deswegen würde es mich freuen, wenn Sie alle die Chance wahrnehmen, nach Gmünd zu reisen und sich dieses großartige Projekt anzuschauen.

Margit Göll ist eine Person, die weiß, wie man es schafft, ländlichen Regionen, vor allem Grenzregionen, Zukunft und Perspektiven zu geben. – Liebe Margit, ich darf dir für deinen Vorsitz, für deine Präsidentschaft alles Liebe und alles Gute wünschen. Du wirst es super machen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich darf mich auch bei deiner Vorgängerin, Präsidentin außer Dienst Claudia Arpa, herzlich bedanken – Kärnten hatte ja den Vorsitz in der zweiten Hälfte des letzten Jahres. Dem Landeshauptmann und vor allem auch dir, liebe Claudia, ein herzliches Danke: Auch du hast das mit sehr viel Herzblut und Kompetenz gemacht – vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so bleibt mir nur noch, Ihnen für die nächsten Monate alles Gute zu wünschen. Es werden herausfordernde Monate werden – herausfordernd draußen in den Regionen, aber auch hier im Bun­desrat.

Wenn ich mir für die nächsten Monate etwas wünschen darf, dann einfach Respekt und Wertschätzung zwischen den politischen Parteien und vor allem


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auch gegenüber der Politik. Ich denke, nur dann gelingt es uns, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.

Ich freue mich auf eine Zusammenarbeit im Sinne der Republik, im Sinne der Regionen, der Länder, unserer Gemeinden – in diesem Sinne: alles Liebe, alles Gute und vor allem auch Gottes Segen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

9.43


Präsidentin Margit Göll: Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau, vielen Dank für deine Ausführungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bernadette Geieregger. – Bitte sehr.


09.43.49

Bundesrätin Bernadette Geieregger, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Präsidentin! Liebe Landeshauptfrau! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Zu Beginn möchte ich unserer neuen Präsidentin im Namen unserer Fraktion sehr herzlich gratulieren. Wir sind stolz, dass wir dich an der Spitze unseres Bundesrates haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Als Mitglied des Bundesrates, als Vertreterin meiner Region und als Bürger­meisterin empfinde ich es als große Ehre, im Anschluss an die Rede der Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz Johanna Mikl-Leitner und an jene der Bundesratspräsidentin Margit Göll als bereits dritte Frau aus Nieder­österreich heute sprechen zu dürfen. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Die Ausführungen meiner Landeshauptfrau unterstreichen ausdrücklich, wie essenziell die Zusammenarbeit auf allen politischen Ebenen ist: in den Gemeinde­räten, in den Landtagen, in der Landeshauptleutekonferenz, im Bundesrat, im Nationalrat und im Europäischen Parlament. Der Födera­lismus spielt eine


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wichtige Rolle in der politischen Struktur Österreichs. Er ermöglicht eine dezentrale Entscheidungsfindung und gewährleistet, dass die jeweiligen Beschlüsse und Interessen der verschiedenen Bundesländer berücksichtigt werden.

Wenn man in Österreich aufgewachsen ist, so wie das bei mir der Fall ist, merkt man diese große Vielfalt manchmal gar nicht. Man nennt das oft auch Betriebsblindheit. Ich folge auf Instagram zum Beispiel einem jungen Mann, der von Neuseeland nach Österreich gezogen ist und immer ganz lustige Videos darüber macht, welche großen regionalen Unterschiede es in Österreich gibt. Da wird einem eines ganz klar: Obwohl wir alle in Österreich leben, sind die regionalen Unterschiede groß, und das ist gut so, ähnlich dem Leitspruch der Europäischen Union: in Vielfalt geeint.

Zum Beispiel im Fasching, der ja nur ein paar Stunden hinter uns liegt, merkt man, wie unterschiedlich die Traditionen und Bräuche sind. Auch wenn Gemeinden oft nur ein paar Kilometer voneinander entfernt liegen, heißt es dann zum Beispiel mö-mö und nicht mehr kaleu-kaleu. (Bundesrätin Schumann: Lei-lei!)

Genau das ist unsere Stärke: Durch die Aufteilung der Aufgaben zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden können Entscheidungen getroffen werden, die näher an den Bürgerinnen und Bürgern sind, was zu einer höheren Effizienz und Zufriedenheit führt. Ganz nach dem Subsidiaritätsprinzip erledigt die Aufgabe immer jene Ebene, die dafür am besten geeignet ist.

Unser Föderalismus fördert die regionale Vielfalt. Für diese Vielfalt werden wir auf der ganzen Welt beneidet. Institutionen wie der Ausschuss der Regionen sind da von großer Bedeutung. Ich selber darf seit 2020 Ersatzmitglied und damit Mitglied sein und vertrete in dem beratenden Gremium alle Regionen Österreichs in der Europäischen Union. Im Ausschuss der Regionen – es gibt in Europa 270 Regionen – wird sichergestellt, dass die regionalen Standpunkte in die Entscheidungsprozesse der EU einfließen.


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Wir bringen unsere Expertise und unsere Perspektive ein. Selbst in der österreichischen Delegation, die ja mit neun Regionen verhältnismäßig klein ist, gibt es nicht immer eine einhellige Meinung zu den unterschiedlichen Themen in der EU, zum Beispiel zum Thema Wolf. Der Diskurs, die Diskussion und das Gespräch zahlen sich aber immer aus – ganz gleich, wie viele Gemeindegrenzen zwischen den Diskutanten liegen (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Jagl), und ganz gleich, wie viele Landesgrenzen zwischen den Diskutanten liegen, ganz nach dem Motto der niederösterreichischen Präsidentschaft: Gemeinsam über Grenzen: Europa verbindet.

In Zeiten wie diesen, in denen Krieg auf der Welt herrscht, den wir hier nicht beeinflussen können, müssen der Dialog und das Gespräch wichtig sein, denn: Was ist die Alternative? – Das wollen wir alle nicht.

In einer Welt, von der man immer mehr das Gefühl hat, dass sie auf dem Kopf steht, sind gute Kooperationen von unschätzbarem Wert, und sie sind es gerade in solchen Zeiten wert, weiter ausgebaut zu werden. Die meisten, die heute hier sind, werden wissen: Gemeinsam ist besser als einsam.

Ich danke meiner Landeshauptfrau für ihren unermüdlichen Einsatz und möchte auch meinerseits ein herzliches Dankeschön allen Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat aussprechen, die sich tagtäglich für die Bundesländer und für unser Österreich einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

In Zeiten wie diesen, in denen die Zukunft so viele Fragen aufwirft, sind Institu­tionen und Personen gefragt, die Zuverlässigkeit und Stabilität garantie­ren. Neben meiner Landeshauptfrau ist so jemand auch unser Bundeskanzler Karl Nehammer. Er ist jemand, der ganz klar sagt, was Sache ist, und der mit seinem Österreichplan einen guten Weg für unser Land vorgegeben hat. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Der Bundesrat spielt eine zentrale Rolle als Bindeglied zwischen den Ländern und der Bundesebene. Wir stehen für die Anliegen der Menschen in unseren


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Regionen und fordern gleichzeitig überregionale Zusammenarbeit ein, die für die Bewältigung aktueller und zukünftiger Aufgaben wichtig ist.

Die Landeshauptleutekonferenz dient uns als Vorbild, wie überparteiliche Zusammenarbeit gestaltet werden kann. Ein Föderalismus, der auf Dialog, Lern­bereitschaft und gemeinsamem Handeln basiert, ist der Schlüssel zur erfolg­reichen Bewältigung unserer gemeinsamen Herausforderungen.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich auf die kommenden Monate der Zusammenarbeit freue, insbesondere mit unserer neuen Bundesratspräsidentin Margit Göll.

Mit den vier für die niederösterreichische Präsidentschaft definierten Schwer­punkten – dem leistbaren Wohnen, dem Freiwilligenwesen, einem Europa der starken Regionen und dem Finanzausgleich – haben wir gute Themen, die wir für unser Land voranbringen wollen. Ich bin davon überzeugt, dass die von dir, liebe Frau Landeshauptfrau, angesprochenen Initiativen und Themenfelder auch im Bundesrat auf fruchtbaren Boden fallen werden.

Lassen Sie uns gemeinsam an einem Strang ziehen – für ein starkes Österreich, für starke Länder und Regionen und vor allem für die Menschen, die wir vertreten! Gemeinsam können wir Österreich in eine gute Zukunft führen. Ich wünsche uns allen dabei viel Erfolg und Mut zu wegweisenden Entschei­dungen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

9.51


Präsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Fischer. – Bitte.


9.51.34

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseher:innen! Frau Landeshauptfrau, wir durften uns noch nicht persönlich kennenlernen: Ich bin Bürgermeister der wunderschönen


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Marktgemeinde Sankt Veit an der Gölsen. Unsere Gemeinde liegt im Bezirk Lilienfeld und ist mit 3 900 Einwohnern die einwohnerstärkste Gemeinde im Bezirk Lilienfeld. Eine wunderschöne Landschaft, zahlreiche Ausflugs­mög­lichkeiten, eine Vielzahl an Gastbetrieben sowie über 50 Vereine machen das Leben bei uns in Sankt Veit so richtig lebenswert. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesrätin Eder.)

Natürlich ist auch die Nähe zu unserer Landeshauptstadt Sankt Pölten ein guter Grund, sich bei uns anzusiedeln. Unsere Gemeinde hat immer vom gemein­nützigen Wohnbau profitiert, so durften wir in den letzten Jahrzehnten gemeinsam mit der Allgemeinen gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Sankt Pölten über 300 Wohnungen ihrer Bestimmung übergeben.

Wir waren bis vor Kurzem eine Zuzugsgemeinde. Das hatte natürlich einen wesentlichen Grund: den gemeinnützigen Wohnbau. Natürlich profitierten nicht nur unsere Kommune und zahlreiche junge Familien vom gemeinnützigen Wohnbau, auch die einheimischen Firmen im Bau- und Baunebengewerbe konnten Einnahmen kalkulieren und Arbeitsplätze garantieren.

Wir hätten auch in den kommenden Jahren mit Reihenhäusern und Wohnungen ein entsprechendes Angebot für einen Zuzug schaffen wollen, aber durch Ihr Herunterfahren der Wohnbauförderung auf 9 Prozent des Vorjahres und der Verlagerung auf das Sanieren von bestehenden Wohnungen ist es uns leider nicht mehr möglich, ein entsprechendes Angebot für leistbares Wohnen zu schaffen. Ihre Wohnungspolitik ist für mich unverständlich, sie geht total in die falsche Richtung und ist mit ein Grund für die Aushöhlung des ländlichen Raumes und die Kündigung zahlreicher Arbeiter im Baugewerbe. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich brauche nicht zu erwähnen, dass nicht nur meine Heimatgemeinde von der Streichung der Wohnbaugelder betroffen ist – allein im Bezirk Lilienfeld sind meines Wissens vier Bauvorhaben auf Eis gelegt worden. Im Namen sämtlicher Kommunen ersuche ich Sie, Frau Landeshauptfrau, nein, ich bitte Sie, die


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Veranschlagung der Wohnbauförderung wieder auf den Stand der letzten Jahre zu erhöhen sowie um die Reservierung von Bauland für sozialen Wohnbau. Diese vorgeschlagenen Maßnahmen dienen zur Konjunkturbelebung und sorgen für die dringend notwendigen Impulse zur Belebung der Bauwirtschaft, und leistbarer Wohnraum bremst natürlich die gegenwärtige Teuerung ab.

Ein weiteres Problem im ländlichen Raum ist die mangelnde ärztliche Versor­gung. Mir ist natürlich bewusst, dass dies nur zum Teil in die Länderkompetenz fällt, aber, sehr geehrte Frau Landeshauptfrau, es ist nicht allzu lange her, da haben Sie die blau-gelbe Gesundheitsoffensive zum Ausbau der ärztlichen Versorgung mit dem Ziel der bestmöglichen wohnortnahen Gesundheits­versor­gung in Niederösterreich präsentiert.

2018 haben Sie das Versprechen einer Landarztgarantie abgegeben. Die Idee einer Landarztgarantie war eine gute. Gemeinden, deren Kassenordinationen seit über einem Jahr leer stehen, sollten vom Land durch angestellte Spitalsärzte unterstützt werden. Sie sollten dann für längstens ein Jahr den Ordinations­betrieb führen. Der Grundgedanke der blau-gelben Gesundheitsoffensive mit der Gründung einer Ärztebereitstellung GmbH ist auch zu begrüßen. – So weit die Theorie.

Wie wirksam waren diese Aktionen? – In Niederösterreich gibt es zurzeit 22 offene Stellen für Allgemeinmedizin sowie 30 offene Stellen für Fachärzte. Laut dem Vertragsarztstellenpool der niederösterreichischen Ärztekammer sind allein im Bezirk Scheibbs fünf freie Kassenplanstellen für Allgemeinmedizin nicht besetzt. In der Gemeinde Gresten ist man seit 2016 auf der Suche nach einem Hausarzt. In meinem Heimatbezirk Lilienfeld gibt es keinen Vertragsarzt für Kinder- und Jugendheilkunde, keinen für Hautkrankheiten und es gibt dort auch keinen Urologen.

Natürlich steht Niederösterreich mit dem Mangel an Kassenärzten nicht allein da. Auch wenn es in Österreich eine sehr hohe Arztdichte gibt, gilt unter Jungmedizinern das Jobprofil des Kassenarztes als unattraktiv. Selbstständigkeit,


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ein hohes Maß an finanziellem Risiko und Eigenverantwortung und vor allem der Zeitfaktor passen nicht mit dem Grundbedürfnis vieler Junger nach einer Work-Life-Balance zusammen.

Gemeinden rittern sich untereinander, um einen Arzt für eine offene Kassenarztstelle zu bekommen. Das geht mittlerweile so weit, dass Gemeinden Geld für eine Agentur ausgeben, die sich auf die Vermittlung von Ärzten aus Russland und der Ukraine spezialisiert hat, um Arztstellen besetzen zu können; anzumerken ist, dass der Geschäftsführer dieser Vermittlungsagentur ein ÖVP-Gemeinderat in Niederösterreich ist. Das setzt natürlich eine Nostrifizierung der Kandidaten voraus – eine Nostrifizierung dauert durchschnittlich mindestens zwei Jahre –; so geschehen in meinem Heimatbezirk Lilienfeld sowie im Bezirk Scheibbs.

Am Ende des Tages bleiben die finanzschwachen Gemeinden wieder auf der Strecke, folglich natürlich auch zahlreiche Patientinnen und Patienten. Wer sich keine Privatärzte leisten kann, muss oft zu lange auf einen Termin bei einem Kassenarzt warten. Wir wollen eine staatlich garantierte medizinische Versor­gung innerhalb von 14 Tagen. Es darf nicht sein, dass Menschen ihr Leben lang Krankenversicherungsbeiträge einzahlen und dann nicht die medizinische Versorgung bekommen, die sie brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich kurz das Kinderbetreuungsangebot in Niederösterreich thematisieren. In unserer modernen, schnelllebigen und leistungsorientierten Welt brauchen Familien mehr Qualitätszeit mit ihren Kindern, eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie sowie eine finanzielle Entlastung des Familien­budgets. Mit einem ganzjährigen, ganztägigen Gratiskindergarten können wir das für Niederösterreich auch erreichen. In Wien, im Burgenland und in Kärnten ist der Kindergarten für alle Kinder gratis. Was in diesen Bundesländern möglich ist, muss endlich für alle Kinder in ganz Österreich umgesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Der Kindergarten ist die erste Bildungseinrichtung im Leben eines jungen Menschen, dort wird der Grundstein für dessen weitere Laufbahn gelegt. Es braucht daher auch mehr Bundesmittel, Landesmittel für den dringend notwendigen Ausbau der Betreuungsplätze sowie eine angemessene Bezahlung der Betreuungskräfte.

In meiner Gemeinde wurde in der letzten Gemeinderatssitzung ein einstimmiger Beschluss gefasst: dass Betreuungskräfte und Reinigungskräfte in die nächsthöhere Entlohnungsgruppe überstellt werden – eine finanzielle Anerken­nung für die tagtäglich hervorragende Leistung meiner Kolleg:innen.

Positiv zu erwähnen ist, dass in Niederösterreich ab September 2024 Kinder schon im Alter von zwei Jahren in den Kindergarten gehen dürfen. Sankt Veit ist eine von 17 Pilotgemeinden, die das schon seit September 2023 praktizieren. Dafür möchte ich mich bei Ihnen bedanken, Frau Landeshauptfrau.

Abschließend möchte ich Ihnen noch zu Ihrem runden Geburtstag, der vorige Woche war, gratulieren und dem neu gewählten Bundesratspräsidium alles Gute wünschen. – Danke. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

10.00


Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.


10.00.24

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Landeshauptfrau! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier als Zuschauer! Frau Landeshauptfrau, ich habe Ihnen gestern und auch heute aufmerksam zugehört, ich habe auch Ihre Ausführungen am Sonntag in der Sendung „Hohes Haus“ genau verfolgt und fand da die eine oder andere Aussage, sagen wir einmal, sehr spannend. Einerseits habe ich viele Aussagen von Ihnen gehört, von denen ich sagen muss:


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Sehr gut, die freiheitliche Handschrift im Arbeitsübereinkommen in Nieder­öster­reich ist nachhaltig erkennbar! Vieles, was Sie gesagt haben, würde ich sofort unterschreiben. Andererseits musste ich die ganze Zeit über doch auch an Goethes „Faust“ denken, ganz nach dem Motto: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. – Ich werde auch noch darauf zu sprechen kommen, warum mir bei manchen Ausführungen – wie übrigens bei Ausführungen vieler ÖVPler in den letzten Wochen und Monaten – der Glaube fehlt.

Bevor ich aber dazu komme, etwas Positives: Ich habe auch gehört, dass Sie gesagt haben, Wolfgang Sobotka wird bei der Nationalratswahl in Niederösterreich auf der Liste keine Rolle mehr spielen. (Beifall bei der FPÖ.)

Mir ist natürlich klar, dass das zum Selbstschutz der ÖVP passiert, da er ja ein wahrer Skandalkaiser innerhalb der korruptionsgebeutelten ÖVP ist, es ist aber letztendlich trotzdem sehr positiv für Österreich. Die meisten werden gar nicht mehr wissen, warum Herr Sobotka in den Bund quasi abgeschoben wurde. Der Grund waren Spekulationsgeschäfte in seiner Zeit als Finanz­landesrat, in der er in Niederösterreich niederösterreichische Wohnbaumilliar­den verspekuliert hat. Zumindest eine Abschiebung, kann man sagen, hat bei der ÖVP einmal funktioniert (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ), wobei man gehofft hat, das würde dann alles irgendwie in Vergessenheit geraten. Und man muss ja sagen, das hätte sogar auch fast funktioniert, wäre nicht Herr Sobotka auch auf Bundesebene – immerhin, das darf man nicht vergessen, als zweit­mächtigster Mann der Republik – wie ein Elefant im politischen Porzellanladen herumgestampft und hätte er nicht selbst für die Bundespartei einfach zu viel gemacht, sodass er jetzt untragbar geworden ist. – Ich weiß, die ÖVP streitet das offiziell natürlich ab, aber glauben Sie mir: Genau so ist es.

Ein kleines Bonmot am Rande: Wenn Ihnen das in einem Unternehmen passiert, dass Sie Milliarden verspekulieren, dann kann ich Ihnen sagen, was passiert: Sie bekommen die Tür gewiesen, Sie werden gefeuert, dann wird genau kontrolliert, und vielleicht werden Sie dann auch noch verklagt. Was ist hingegen damals bei


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der ÖVP passiert? – Er wurde Innenminister und danach Nationalratspräsident. Auch das ist sehr bedenklich.

Frau Landeshauptfrau, Sie haben auch gesagt: Egal wie die Wahlen ausgehen, Karl Nehammer bleibt Bundesparteiobmann. – Jetzt frage ich mich: Ist diese Aussage genauso ernst gemeint wie die Unterschriften der ÖVP-Regierungs­mitglieder, die ja quasi fast eidesstattlich erklärt haben, ohne Kurz werde es keine Regierung geben? Denn: Was ist wenig später passiert? – Sebastian Kurz war weg, und die ganzen Sesselkleber, alias Bundeskanzler Nehammer samt seiner ÖVP-Ministerriege, sitzen heute noch in ihren Ämtern. Auch da kann ich nur sagen: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Landeshauptfrau, zu Ihrer Aussage, Sie schließen eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl aus, kann ich Ihnen auch nur vorhalten: Sie haben auch schon eine Zusammenarbeit mit Udo Landbauer ausgeschlossen. Und schauen wir, was heute ist: Es gibt ein Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ und Udo Landbauer, eine Zusammenarbeit zwischen FPÖ und ÖVP für unsere Landsleute, die ausgezeichnet funktioniert und – ganz wichtig! – von der Bevölkerung mit einer massiven Mehrheit unterstützt wird – im Gegensatz übrigens zu dieser Bundesregierung, die jetzt weit weniger als 30 Prozent Unterstützung hat; beide Parteien gemeinsam übrigens.

Schauen wir einmal, warum es so ist, dass dieses Arbeitsübereinkommen in Niederösterreich in der Bevölkerung einen so großen Rückhalt findet: Grund sind, mitunter, umgesetzte Wahlversprechen, allen voran der Coronahilfsfonds, eine Wiedergutmachung für drei Jahre Zwänge, Verbote, Willkür, Spaltung, Hetze und Beschimpfungen gegenüber Menschen (Beifall bei der FPÖ), die eine andere Meinung als der Mainstream vertreten haben.

Wir haben in Niederösterreich gemeinsam diesen Hilfsfonds auf die Beine gestellt – mit insgesamt 31,3 Millionen Euro, die direkt den Kindern, den Familien, den Vereinen und natürlich den Opfern der Maßnahmenpolitik


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zugutekommen: Verfassungswidrige Coronastrafen wurden und werden zurückbezahlt. Es gibt finanzielle Unterstützung für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen, die aufgrund der Maßnahmenpolitik dieser Regierung und all der Mittäter zu Opfern wurden. Es gibt Unterstützung für Nachhilfe – aus demselben Grund. Auch eine Abgeltung von Impfschäden außerhalb des Impf­schadengesetzes ist implementiert. Es werden Aktivitäten und Vereine gefördert, die unsere Kinder und Jugendlichen wieder sportlich fit machen, denn auch da hat es in der Coronazeit ziemliche Rückschritte gegeben. Und – für uns ganz wichtig –: Es gibt ein Ende der Diskriminierung von Ungeimpften in Niederöster­reich. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

All das, meine Damen und Herren, war und ist dringend notwendig, das erwarten und verdienen sich auch unsere Bürger. Nur, weil Sie von der ÖVP auf Bundes­ebene immer davon reden, Gräben zuschütten zu wollen: Sie hätten schon lange dieses Vorzeigeprojekt auf Bundesebene umsetzen können – denn die ÖVP wirft ja auch sonst bei jeder Gelegenheit die Kopiermaschine an und klaut die Ideen der FPÖ.

Wir haben in Niederösterreich bei Amtsantritt aber auch noch etwas anderes sofort gemacht: Wir haben sofort etwas gegen die Teuerung unternommen. Gleichzeitig haben wir damit auch etwas gemacht, was für diese Regierung undenkbar ist: Wir haben wieder ein Wahlversprechen umgesetzt, wir haben die ORF-Zwangsgebühr, die GIS-Landesabgabe abgeschafft. Das bedeutet 41 Millionen Euro an Entlastung für die Niederösterreicher. Ich kann Ihnen auch versprechen: Sobald die FPÖ in der Bundesregierung ist, wird die Haushalts­abgabe als Gesamtes gekippt. Versprochen! (Beifall bei der FPÖ.)

Niederösterreich hat für den Wohn- und Heizkostenzuschuss 85 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, denn eines ist für uns klar: Ein voller Kühlschrank und eine beheizte Wohnung dürfen kein Luxus sein. Weitere 47 Millionen Euro pro Jahr werden für den 1 000-Euro-Pflegescheck in die Hand genommen, für die Pflege zu Hause bereitgestellt, denn eines muss uns auch klar sein: Ohne die Pflege zu Hause würde unser Gesundheitssystem schon lange kollabieren.


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Apropos Pflege: In Niederösterreich gibt es dank des Arbeitsübereinkommens von Schwarz-Blau eine Pflegeprämie für unsere Jugend als Joboffensive – der Lehrberuf der Pflege ist ja eine Uraltforderung der FPÖ –, und wir ermöglichen die Anstellung von Pflegeschülern im Landesdienst.

Wir haben in Niederösterreich die Wirtshausprämie auf den Weg gebracht. Damit werden einerseits Jungwirte gezielt unterstützt, andererseits traditionelle Speisen, aber auch regionale Lebensmittel gefördert. Warum ist uns das wichtig? (Heiterkeit und Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) – Aus den Reihen der SPÖ kommt nur Häme, denen ist das nicht wichtig, das wissen wir. (Bundesrätin Schumann: Mit Häme hat das nichts zu tun!) – Weil eben das Wirtshaus nach wie vor ein sozialer Treffpunkt für Jung und Alt ist, weil das Wirtshaus ein Ort der Begegnung für Familien und Vereine ist und weil im Wirtshaus noch immer der freie Meinungsaustausch am Stammtisch stattfinden kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Für uns Freiheitliche ist dieser freie Meinungsaustausch – im Gegensatz zur SPÖ, die das lustig und lächerlich findet – noch ein hohes Gut. In erster Linie – und das war auch besonders wichtig – haben wir aber mit dieser Wirts­hausoffensive etwas auf den Weg gebracht, um dem Wirtesterben entgegen­zutreten.

Es gibt in Niederösterreich das Schulstartgeld, 100 Euro pro Kind, es gibt den blaugelben Strompreisrabatt; und, und, und, ich könnte jetzt ewig weitermachen. Während andere nur reden – und da schaue ich wieder ganz bewusst die SPÖ an –, setzt die FPÖ in Niederösterreich konkrete Maßnahmen. Wir entlasten unsere Landsleute, und das ist echte Veränderung im Interesse unserer Bürger.

Eine weitere sinnvolle Maßnahme, die wir schon umgesetzt haben, ist Deutsch als Pausensprache (Ruf: Redezeit!), weil es wichtig ist, dass alle Kinder, die aus der Schule kommen, so gut Deutsch können, dass sie im Berufsleben eine echte Chance haben.


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Apropos deutsche Sprache: Wir haben in der Landesverwaltung ein Gender­verbot erlassen. (Beifall bei der FPÖ.) In der Landesverwaltung gibt es keinen Genderstern, es gibt keinen Gendergap, es gibt keinen Doppelpunkt, es gibt kein Binnen-I mehr. Trotzdem ist eines für uns klipp und klar: Egal ob Mann oder Frau, es gilt natürlich dieselbe Wertschätzung. (Bundesrat Gross: Ja genau! – Bundesrat Schreuder: Ja ja, ja ja!) Ganz nebenbei erwähnt sind wir damit den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung gefolgt und (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Gross) – Zwischenrufe von den Grünen –, was viel, viel, viel wichtiger ist, wir haben auf das gehört, was unsere Landsleute wollen. Die Mehrheit lehnt diesen Genderirrsinn eben ganz einfach ab, und das ist auch einmal zu akzeptieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Irgendwann, meine Damen und Herren, muss einmal damit Schluss sein, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung einer närrischen Minderheit beugt – da schaue ich jetzt ganz bewusst wieder die Grünen an. Für uns ganz wichtig in Niederösterreich: Wir rücken in Niederösterreich die Dinge zurecht, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten verrückt wurden. Wir stehen für Sachleistungen statt Geldleistungen für Asylwerber. Wir stehen für echte Integration als Voraussetzung für die Staatsbürgerschaft und wir stehen dafür, dass echte Integration gefördert und gleichzeitig Asylmissbrauch bestraft wird. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Redezeit!)

Im Gegensatz zu Wien gibt es im sozialen Wohnbau in Niederösterreich einen Österreicherbonus. In Wien ist es ja eher schon hinderlich, wenn man die österreichische Staatsbürgerschaft hat und ein Haus baut oder eine Wohnung braucht. (Bundesrat Schreuder: Geh bitte!)

Das alles sind nur Auszüge daraus, was in Niederösterreich in der kurzen Zeit jetzt schon alles passiert ist. Das alles sind nur Auszüge daraus, was möglich ist, wenn man will, und das alles sind nur Auszüge daraus, was die ÖVP auch bereit ist zu tun, wenn sie den richtigen Partner an der Seite hat. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)


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Dass es leider auch ganz anders geht, meine Damen und Herren, zeigt sich ja im Bund mit dieser unsäglichen türkis/schwarz-grünen Regierung – ein Bündnis, bei dem uns das Beste aus zwei Welten versprochen wurde und jetzt, nach vier Jahren, das Schlechteste aus zwei Welten übrig geblieben ist.

Ja, Frau Landeshauptfrau, ich bin voll und ganz bei Ihnen, wenn Sie als Landes­hauptfrau eines Flächenbundeslandes die autofahrerfeindliche Verkehrspolitik von Frau Minister Gewessler kritisieren. Das sehe ich ganz genau so wie Sie. Was ich aber noch sehe: Ja wer hat denn diese Dame, die Frau Privatjetminis­terin Gewessler, zur Verkehrsministerin gemacht? (Bundesrat Schreuder: Sie hat keinen Privatjet ... schon gesagt!) – Richtig, diese ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ich noch sehe: Wer stimmt denn bei all diesen Wahnsinnigkeiten und Grauslichkeiten dieser Ich-drehe-euch-jetzt-auch-noch-den-Gashahn-zu-Ministerin Gewessler mit? – Auch diese ÖVP im Bund. Auch da, liebe ÖVP, kann ich nur sagen (Bundesrat Schreuder: Redezeit!): Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Wer die Aussagen von Herrn Nehammer in letzter Zeit gehört hat: Wenn ich es nicht besser wissen würde, dann würde ich sagen, Herr Nehammer ist jetzt Mitglied der Freiheitlichen Partei Österreichs. Komischerweise sagen jetzt viele von der ÖVP – zufällig kurz vor Wahlen – genau das, was die FPÖ immer sagt und was quasi FPÖ-Programm ist, allerdings mit einem großen Unterschied – das war übrigens auch vor der letzten Wahl schon so, als Sebastian Kurz unter anderem einen restriktiven Asylkurs versprochen hat, nur um dann kurz nach der Wahl mit den Grünen zusammenzugehen und die letzten vier Jahre linke Zuwanderungspolitik zu betreiben –: Der Unterschied liegt darin, dass die FPÖ ihre Wahlversprechen in die Tat umsetzt, während die ÖVP am Tag nach der Wahl genauso viele Erinnerungslücken wie Gernot Blümel bei der Einvernahme vor dem ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss hat. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Das, meine Damen und Herren von der ÖVP, müssen Sie sich leider gefallen lassen. Es ist so: Ein Wahlversprechen ist für Sie nichts wert, und das ist unehrlich. Es gibt aber den berühmten Ausspruch, demzufolge gebrochene Versprechen gesprochene Verbrechen sind. Das sollten Sie sich auch einmal zu Herzen nehmen.

Was auch sehr komisch ist – weil ich gerade die Rede von Herrn Nehammer angesprochen habe –: Warum kommt Herr Nehammer jetzt daher und sagt, was er alles tun würde? – Liebe Kollegen, ihr müsst es ihm einmal sagen: Er ist jetzt Kanzler, er könnte es schon tun, nicht nur versprechen. Er hätte Zeit gehabt. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler – in Richtung FPÖ –: Da klatscht ihr nicht einmal? – Bundesrat Buchmann – in Richtung FPÖ –: Ihr seids selber eingeschlafen!)

Frau Landeshauptfrau, ich hoffe, dass die Zusammenarbeit in Niederösterreich im Sinne unserer Landsleute noch lange so gut weitergeht.

Für den Bund kann ich zusammengefasst eines ganz klar sagen: Es bringt am Ende des Tages nichts, die ÖVP zu wählen, denn es gibt so gut wie nichts, wofür diese ÖVP im Bund noch steht, außer für Machterhalt um jeden Preis und massive Korruptionsanfälligkeit. Entscheidend sind alle anderen Parteien, die gewählt werden, denn die ÖVP im Bund wird nach der Wahl mit demjenigen ins Koalitionsbett steigen, bei dem sie sich die meisten Vorteile rausholen kann. (Bundesrätin Schumann: Das ist die FPÖ!)

Somit stellt sich bei der nächsten Wahl nur eine einzige Frage: Wollen Sie eine chaotische standort- und österreichfeindliche Politik haben? Dann ist Ihre Stimme bei den Grünen, bei der SPÖ und bei den NEOS gut aufgehoben. Wollen Sie aber eine Politik, bei der Herr und Frau Österreicher an erster Stelle stehen und bei der wieder mit aller Kraft und vollem Einsatz für die Interessen der Bürger unseres Landes gearbeitet wird, dann gibt es nur eine Wahl: Das ist die FPÖ, das ist die Freiheitliche Partei Österreichs mit einem Volkskanzler Herbert Kickl. (Anhaltender Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

10.18



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Präsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte.


10.18.18

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Willk­ommen, Frau Landeshauptfrau, von unserer Seite auch noch einmal nachträglich alles Gute zum Geburtstag! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Sehr geehrte Gäste hier bei uns im Hohen Haus! Liebe Kollegin, Frau Präsidentin Göll, ich möchte dir auch im Namen unserer Fraktion noch einmal herzlich zur Präsidentschaft gratulieren. Ich persönlich freue mich besonders, dass wir mit dir eine starke Frau als Präsidentin in Vertretung für unser wunderbares Niederösterreich haben. Du hast in den letzten Monaten wirklich mit Entschlossenheit bewiesen, dass du einen starken Vorsitz führen kannst, dass dir eine gute Diskussionskultur wichtig ist und dass du auch die Radaumacher in Schach hältst. Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich freue mich natürlich, dass ich heute tatsächlich zu meinem eigenen Heimat­bundesland sprechen kann. Ich habe auf der Welt an vielen Orten gewohnt, gelebt, habe mich überall wohlgefühlt, aber Heimat ist mir Niederösterreich.

Gerade bei uns, wo zwei Klimazonen, nämlich die pannonische und die alpine Klimazone, zusammentreffen, entsteht eben diese wunderbare Mischung aus sehr vielfältigen Landschaftstypen und sanfter Kulturlandschaft. Das führt dazu, dass Niederösterreich sehr viel Potenzial hat – Potenzial, das teilweise in viel zu geringem Ausmaß wertgeschätzt und gehoben wird.

Niederösterreich ist in besonderem Maße geeignet für Windkraft und Foto­voltaik. Gerade im Bereich Windkraft ist Niederösterreich Spitzenreiter: Ende 2023 waren 797 Windkraftanlagen mit über 2 000 Megawatt Leistung am Netz. Das ist sauberer Strom für über 1,4 Millionen Haushalte, das ist also schon beachtlich. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrat Gross: Trotz SPÖ!)


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2024 ist ein Ausbau im Ausmaß von weiteren 14 Anlagen geplant – aber da geht noch mehr. Das technische Windkraftpotenzial wird auf circa 2 500 Wind­kraftanlagen geschätzt. Zum Beispiel empfiehlt oder fordert die IG Windkraft, den jährlichen Ausbau von 30 geplanten auf 100 Windräder zu steigern. Bundesweit ist Niederösterreich wie gesagt Spitzenreiter.

Bedauerlich ist, dass der Netzausbau ein bisschen hinterherhinkt und seit Jahren beziehungsweise seit Jahrzehnten ein bisschen verschlafen wurde. Wenn der Wind weht und die Windräder stillstehen, weil das Netz die erzeugte Energie nicht mehr aufnehmen kann, dann versteht das niemand. Auch wenn Privatpersonen den Strom, den sie mit ihren PV-Anlagen erzeugen, nicht in die Netze einspeisen können, versteht das niemand. Eine Freundin von mir hat seit zwei Jahren eine PV-Anlage und kann einfach den von ihr erzeugten über­schüssigen Strom nicht ins Netz einspeisen. (Ruf bei der SPÖ: Da geht’s ganzen Regionen so!) Das versteht wirklich niemand. Da wird also günstiger Strom produziert und einfach liegen gelassen. (Bundesrat Babler: Und wer ist in der Regierung? Und wer macht den Leitungsausbau? – Bundesrätin Schumann: Genau!) Den günstigen Strom dürfen wir wie gesagt nicht liegen lassen. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Schumann: Ja machts was! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Niederösterreich hat sich das ambitionierte und notwendige Ziel gesetzt, 2040 klimaneutral zu sein. Ein ganz wichtiger Beitrag dafür ist eben die Energiewende. Für die Umsetzung wird es notwendig sein, die Netze wirklich massiv auszubauen und in die Speicherkapazitäten zu investieren, um eben für diesen klimaneutralen Strom Speicherkapazitäten zu schaffen. Es muss rasch gehandelt werden. Das Land Niederösterreich als Mehrheitseigentümerin der Netz Niederösterreich GmbH muss dafür Sorge tragen, dass diese notwendigen Investitionen getätigt werden, sodass die geplante Energiewende eben nicht durch ein mangelhaftes Stromnetz ausgebremst wird.


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Ein weiteres Thema, das ich ansprechen möchte, das ganz drängend ist, ist der Bodenverbrauch. Ich habe in einer der beiden letzten Sitzungen schon aus­führlich über den Wert des Bodens im Zuge des Klimaschutzes gesprochen. Nur gesunder Boden kann ausreichend CO2 speichern. Niederösterreich hat wie gesagt das ambitionierte Ziel, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Gleichzeitig wird in Niederösterreich täglich Boden im Ausmaß der Größe von Eisenstadt verbraucht und damit aus dieser Klimaneutralitätsgleichung genommen. Es steht damit bundesweit an zweitschlechtester Stelle, was den Pro-Kopf-Boden­verbrauch betrifft. Auch der Bezirk Mödling, aus dem ich komme, ist da keine Ausnahme: Es gibt kaum einen Ort ohne eigenes Betriebsgebiet und/oder Einkaufszentren am Ortsrand. Da muss wirklich dringend etwas gemacht werden, damit wir nicht zum Logistikzentrum der Ostregion verkommen.

Wollen wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 erreichen, muss da auch dringend gehandelt werden, ernsthaft gegengesteuert werden. Wir Grünen haben im Landtag schon einige Anträge dazu eingebracht. Wie kann es gelingen, diesen Bodenverbrauch zu verringern? – Gescheites Leerstandsmanagement, ungenutzte Flächen zum Beispiel mithilfe eines Bodenfonds entsiegeln, Leer­standsabgabe für nicht genutzte Flächen, Parkplätze mit Bäumen oder mit PV-Anlagen überdachen, Gebäude und öffentliche Flächen als Wasserspeicher nutzen – das sind alles wichtige Dinge. Wir würden uns freuen, würde da auch etwas weitergehen und würden unsere Anträge ernst genommen und angenommen werden.

Dann möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, den Sie, Frau Landeshauptfrau, zum Thema leistbares Wohnen genannt haben. Ich muss gestehen, den Begriff leistbares Wohnen im Zusammenhang mit Wohneigentum zu nennen, finde ich fast ein bisschen zynisch. (Beifall bei Grünen und SPÖ.) Viele junge Menschen oder auch Familien – die Normalverdiener, wie Sie sie genannt haben – kommen gar nicht einmal in die Nähe der Möglichkeit, sich Eigentum zu erarbeiten, zu erwirtschaften. (Bundesrätin Schumann: So ist es! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Ganz genau!) Die Nachkriegsgenerationen haben Eigentum aufgebaut, viele Menschen


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erben Eigentum. Wer diese Chance, dieses Glück nicht hat, für den ist es im Prinzip derzeit aus eigener Kraft kaum möglich, sich Eigentum anzuschaffen.

Auch wenn es löblich ist, den ersten Eigentumserwerb zu fördern: Was machen die vielen, die auf Mieten angewiesen sind? (Bundesrätin Schumann: Miet­preisbremse wäre eine Idee gewesen!) – Leistbares Wohnen, Genossenschaften: In meiner Nachbargemeinde werden Genossenschaftswohnungen mit vier Zimmern, das heißt für Familien mit zwei bis maximal drei Kindern, um 2 300 Euro pro Monat (Ruf bei der SPÖ: Boah!) und mehr angeboten. Welche normal verdienende Familie kann sich das leisten? Das sind Genossenschaftswohnungen, die zu leistbarem Wohnraum zählen. Statt mit Scheinkäufen von Grundstücken zu spekulieren, um Gewinn zu verteilen, sollten die Genossenschaften dazu angehalten werden, sich tatsächlich wieder darum zu kümmern, leistbaren Wohnraum zu bieten, also tatsächlich und real leistbaren Wohnraum zu bieten. – Wir sehen, es gibt viel zu tun.

Leider sehen wir in Niederösterreich auch, was dabei herauskommt, liebe ÖVP – da kann ich euch nicht wirklich verschonen –, wenn ihr euch von eurem Juniorpartner vor sich hertreiben lasst (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), wenn ihr euch mit einer Partei einlasst, die ewig gestrige Politik betreibt, der Stimmungsmache wichtiger als die wichtigen Zukunftsthemen ist (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler), die die Sorgen der Menschen ausnutzt, um zusätzlich Angst zu schüren, die Gruppen gegeneinander aufhetzt (Bundesrat Spanring: Bei Corona warst du ...!) – alleine, weil das ihr einziges politisches Kapital ist. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann. – Ruf bei der FPÖ: Anschober, Mückstein, Rauch!) Da ist dann der Kampf – wir haben es ja gehört – gegen das Gendern wichtiger als die Anliegen der Bürger:innen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Da setzt der Landes­hauptfraustellvertreter auf Straßenbau zur Bewältigung von Verkehrsprob­le­men das ist einfach nur ewig gestrige Verkehrspolitik. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Spanring: Genau, dann gehen wir alle zu Fuß! Das kann man in ... vielleicht sagen, aber nicht in Niederösterreich!)


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Es ist bedauerlich, dass ihr das auf Landesebene mittragt. Auf Bundesebene zeigt die ÖVP gemeinsam mit uns, dass wirklich gute Dinge umgesetzt werden können, was wir auf Schiene bringen können. Ja, in manchen Dingen sind wir anderer Meinung. Wir werden uns auf vielen Ebenen auf Landesebene, auf Bundesebene immer für neue Verkehrskonzepte einsetzen. Wirklich anschaulich dafür, was wir gemeinsam weiterbringen, ist die heutige Tagesordnung: Informa­tions­freiheitsgesetz, Erneuerbare-Wärme-Gesetz – das sind Meilensteine, die wir setzen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Bundesräte Leinfellner und Spanring.) – Das steht auf einer Tagesordnung, das bringt ihr in fünf Jahren nicht zusammen.

Zum Schluss möchte ich noch dir, Frau Präsidentin, alles Gute, weiterhin viel Entschlossenheit, viel Geduld und Durchhaltevermögen für deine Präsident­schaft wünschen. Ich freue mich schon auf die Veranstaltungen, die Veranstaltung am 8. März und auch jene im Mai. Die Schwerpunkte, die du dir für deine Präsidentschaft vorgenommen hast – Jugend und EU –, sind wichtige Zukunftsthemen, wie du gesagt hast. Die Jugend ist Zukunft und treibende Kraft in den Regionen. Ich freue mich schon auf eine gute Zusammenarbeit. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

10.29


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Bitte.


10.29.11

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Landes­hauptfrau! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Republik Österreich steht mit Sicherheit am Beginn eines Superwahljahres. Die gestrigen Aschermittwochsveranstaltungen haben das ja durchaus eindrucksvoll unter Beweis gestellt.


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In Niederösterreich haben wir uns mit unserem Regierungspartner darauf geeinigt, dass wir alles unternehmen werden, dass all diese bundespolitischen Querelen nicht auf die Arbeit im Land durchschlagen und dass wir in Nieder­österreich kein Superwahljahr, sondern ein Superarbeitsjahr haben, in dem wir die 200 Punkte, auf die wir uns geeinigt haben, auf Punkt und Beistrich abarbeiten wollen.

Da spielt natürlich auch der Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz durch unsere Landeshauptfrau und der Vorsitz hier im Bundesrat durch das Bundesland Niederösterreich eine entscheidende Rolle: Aus Verantwortung für Österreich an einem Strang ziehen.

Da sind die Themen, die wir uns in diesem Halbjahr vorgenommen haben, die richtigen Themen für Österreich und für die Bundesländer. Lassen Sie mich auf die aktuell geführte Debatte in einigen Punkten eingehen. Beginnen wir beim Thema Eigentum, der Möglichkeit, sich Eigentum zu schaffen: Ja, es ist für uns notwendig – die Landeshauptfrau hat das am Sonntag in der „Pressestunde“ auch ganz deutlich gesagt –, dass es eben nicht nur all jenen, die jetzt in der Lage sind, sich Eigentum zu schaffen, möglich ist, sondern wir müssen alles unternehmen, damit es möglichst vielen Menschen möglich ist, sich Eigentum zu schaffen. Die Jugendumfragen zeigen ja auch, dass das auch für die jungen Menschen in unserem Land ganz wesentlich ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt, das Aus oder die Lockerung der KIM-Verordnung, das Ende der Gebühren für die Eintragung im Grundbuch, der Entfall der Gebühr für die Eintragung eines Pfandrechts oder eben auch, die Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Eigentumserwerb zu streichen, sind da wesentliche Ansätze.

Auf der anderen Seite wurde hier die Wohnbauförderung – die niederöster­reichische Wohnbauförderung – angesprochen. Auch da darf ich darüber informieren, weil hier ja immer wieder der Begriff eines Wohnbaustopps transportiert wurde, dass das nicht den Tatsachen entspricht. Aktuell sind in


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Niederösterreich 205 Wohnbauvorhaben in Bau, das betrifft 4 400 Wohn­einheiten. – Herr Kollege Fischer, in Lilienfeld haben wir erst im Dezember eine Wohnhausanlage übergeben, und aktuell sind im Bezirk Lilienfeld in Traisen, Hainfeld und Rohrbach Wohnbauanlagen in Bau. (Bundesrat Fischer: ... ist bewilligt worden! – Bundesrätin Hahn: Das war schon ...!)

Ja, wir mussten die Wohnbauförderrichtlinie auf neue Beine stellen, und wir setzen da ganz bewusst Schwerpunkte: auf der einen Seite eben im groß­volumigen Wohnbau, auf der anderen Seite aber auch beim Thema Sanierung, um auch den Bodenverbrauch hintanzuhalten. Wir legen ganz speziell einen Fokus auf junges Wohnen – auf junges leistbares Wohnen – und ganz wesentlich auch darauf, dass wir die Subjektförderung für sozial schwächere Personen dementsprechend aufbauen. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch ein Wort zur Wohnbauförderung, weil hier ja immer wieder auch die Zweckwidmung diskutiert wird: Wir in Niederösterreich gehen mit gutem Beispiel voran. Die 185 Millionen Euro, die wir von der Wohnbauförderung des Bundes bekommen, sind ein Anteil von 55 Prozent, das heißt, fast die Hälfte legen wir in Niederösterreich noch einmal drauf, um leistbaren Wohnraum in allen Regionen zu schaffen.

Ein zweites Thema, das Sie, Herr Kollege Fischer, angesprochen haben, ist das Thema der Landarztgarantie. Auch da sind wir auf verschiedenen Ebenen aktiv, um uns dieser Thematik zu stellen (Bundesrätin Hahn – mehrere Blatt Papier in die Höhe haltend –: Das sind die freien Stellen! Lauter freie Stellen!), auf der einen Seite hinsichtlich Ausbau von Primärversorgungseinheiten. Da haben wir aktuell zehn Stück in Betrieb und zwei weitere werden eröffnet. Bis Ende 2024 werden wir insgesamt 15 vorweisen können. Wir haben das Landarztstipendium eingeführt, mit dem wir 20 Medizinstudierende mit 923 Euro monatlich fördern. Diese verpflichten sich dann, fünf Jahre lang in Niederösterreich tätig zu sein.

Damit sind wir beim angesprochenen Thema des Ärztepools, bei dem ja das Land Niederösterreich als Gebietskörperschaft in Wahrheit keine Handhabe hat, denn


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da sind die ÖGK und die Ärztekammer gefordert. Ich darf darüber informieren, dass es gute Gespräche sowohl mit der ÖGK als auch mit der niederöster­reichischen Ärztekammer gegeben hat. Und nein, das ist jetzt kein Angriff auf Wien, aber (Oh-Rufe bei der SPÖ – Bundesrätin Schumann: Na geh! – Bundesrätin Hahn: Das Aber ...!) – nein, es ist ja nicht Wien, ruhig, alles gut! – die Wiener Ärztekammer ist gefordert, die notwendige Gesellschaft zu schaffen. Diese gibt es noch nicht, und wenn diese da ist, können wir es dann gerne umsetzen. (Bundesrätin Schumann: Genau! Immer sind es die anderen!)

Ein ganz wesentliches Thema für uns in Niederösterreich und ein Herzens­anliegen unserer Landeshauptfrau ist das Thema Kinderbetreuung. Sie war es ja in ihrer Zeit als Soziallandesrätin, die die Kindergärten für die Zweiein­halb­jährigen geöffnet hat, und ja, wir gehen jetzt den nächsten Schritt, indem wir die Kindergärten auch für die Zweijährigen öffnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Damit sind ganz wesentliche Maßnahmen verbunden: eine Reduktion der Schließtage, die kostenlose Vormittagsbetreuung, eine generelle Öffnung für die Zweijährigen ab September 2024 – was wir bis Ende 2027 flächendeckend umgesetzt haben wollen –, eine Nachmittagsbetreuung in Wohnortnähe sowie – ganz wesentlich – auch die Verringerung der Gruppengröße und die Aufstockung des Personals. Die Gemeinden Niederösterreichs und das Land Niederösterreich nehmen für diese blau-gelbe Kindergartenoffensive 750 Millionen Euro in die Hand. (Beifall bei der ÖVP.)

Die ersten Maßnahmen greifen: Bereits im Jahr 2023 konnten wir 200 zusätzliche Kinderbetreuungsgruppen genehmigen. Das ist ein Investment von 96,5 Millionen Euro – ganz wesentlich auch für die lokale Wirtschaft –, und 47,1 Millionen Euro zahlt dabei das Land.

Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Wort zu Kollegen Spanring: Das ist jetzt eigentlich eine tatsächliche Berichtigung, denn Kollege Spanring hat ja gesagt, die Frau Landeshauptfrau habe „eine Zusammenarbeit mit Udo


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Landbauer ausgeschlossen“. (Bundesrat Spanring: ... 2018!) – 2018. Vor der letzten Landtagswahl 2023 ist das nicht richtig. (Bundesrat Spanring: ... hab ich nicht gesagt!)

Es hat in der Periode 2018 bis 2023 ein Arbeitsübereinkommen zwischen der Volkspartei und der Sozialdemokratie gegeben, aber auch ein Arbeitsüber­einkommen zwischen der Volkspartei und der Freiheitlichen Partei in Nieder­österreich. Die Landeshauptfrau hat immer klargemacht, dass sie diese Arbeitsübereinkommen auch nach der Landtagswahl fortsetzen wird. Dass sich die Sozialdemokratie in Niederösterreich dann verweigert hat, ist das eine, und deswegen gibt es jetzt diese Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen.

Ja, da gebe ich Ihnen komplett recht, Herr Kollege: dass wir gemeinsam viele wichtige Dinge auf den Weg gebracht haben, wie die Wirtshausprämie beziehungsweise allgemein das Wirtepaket – die Wirtshausprämie ist ja nur ein Teil von dreien –, wie den Pflegescheck, den Heizkostenzuschuss, und da müssen wir dann schon ehrlich sein: Beim blau-gelben Wohn- und Heizkosten­zuschuss waren es Bundesgelder, die wir in Niederösterreich ganz einfach klug und zielgerichtet eingesetzt haben.

Alle anderen Aussagen, Herr Kollege, werte ich noch unter den Eindrücken des politischen Aschermittwochs von gestern (Heiterkeit bei der ÖVP), und ich glaube, das lassen wir einfach so stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Abschluss noch, liebe Kollegin Jagl, zum Thema erneuerbare Energie in Niederösterreich: Ja, auch dieses Thema ist für uns ein ganz, ganz wesentliches. 2023 war beispielsweise das Rekordjahr für die erneuerbare Energie in Niederösterreich. Wir haben 52 000 neue Fotovoltaikanlagen in Niederöster­reich installiert. Das heißt, insgesamt sind jetzt 125 000 Anlagen in Betrieb, damit wurde die Sonnenstromleistung mehr als verdoppelt. 570 000 Haushalte können so mit Strom versorgt werden. Beispielsweise wurden in diesem


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Zusammenhang – um auch ganz bewusst dem Bodenverbrauch entgegen­zuwirken – 1 544 Parkplätze, unter anderem in der Shopping-City Süd, überdacht.

Wenn wir uns noch das Thema Windkraft anschauen, dann sehen wir, dass 54 Prozent der Windkraftanlagen Österreichs in Niederösterreich stehen. Es gibt derzeit 800 Windkraftanlagen mit 5 000 Gigawattstunden. Unser Ziel ist es, diese Zahl auf 1 000 moderne Windkraftanlagen zu erhöhen, die dann 12 000 Giga­wattstunden leisten können. Ziel der niederösterreichischen Landespolitik ist es, die Stromerzeugung aus Windkraft zu verdreifachen und jene aus Sonnen­energie zu verdoppeln.

Was den Netzausbau anbelangt, werden in Zukunft 650 Millionen Euro im Jahr – das heißt bis zum Jahr 2030 3,1 Milliarden Euro – in den Netzausbau investiert, weil das wie angesprochen ganz wesentlich ist, um die erneuerbare Energie dementsprechend auch nutzen zu können.

Ein letztes Wort noch zur Raumordnung: Auch da sind wir in Niederösterreich aktiv. Wir definieren aktuell in der Raumordnung Siedlungsgrenzen, um ganz klar zu sagen, wo versiegelt werden darf und wo nicht versiegelt werden darf. Auch da noch eine spannende Zahl: 94,3 Prozent der Landesfläche bestehen aus Äckern, Wäldern, Gärten, Gewässern und Bergen – ich denke, das sind gute Nachrichten, wenn es um den Klimaschutz geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Zusammengefasst kann man sagen, dass wir in Niederösterreich auf einem guten Weg sind, dass wir diesen Weg auch konsequent fortsetzen werden und für dieses halbe Jahr natürlich die Verantwortung für alle neun Bundesländer im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz und hier im Bundesrat mit unserer Bundesratspräsidentin sehr gerne übernehmen. – Alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

10.39


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Ich bitte dich.



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10.39.44

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Landeshauptfrau! Werte Gäste hier bei uns im Saal! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Fernsehbildschirmen zu Hause, via ORF-Livestream! Bevor ich zum Inhaltlichen komme, darf ich natürlich dir, Frau Präsidentin, recht herzlich zu deiner Präsidentschaft gratulieren. Ich bin schon sehr gespannt und freue mich auf alles, was da in puncto Jugend kommt. Das ist schließlich auch mein Thema, daher alles Gute dafür.

Frau Landeshauptfrau, Sie hatten ja erst kürzlich einen runden Geburtstag – meinen herzlichen Glückwunsch! Ich glaube, das muss auch einmal gesagt werden, bevor wir zum Inhaltlichen kommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Ja, beim Inhaltlichen muss ich uns jetzt von der blau-gelben schwarz-türkisen Wolke mit Glitzerstaub wieder ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Auch ich habe in letzter Zeit ganz besonders aufmerksam zugehört: in der „Pressestunde“, natürlich bei Ihrer Festansprache gestern, auch heute bei Ihrer Erklärung hier im Bundesrat. Da habe ich mich hingesetzt und habe ein bisschen einen Faktencheck durchgeführt, Ihre Aussagen sozusagen einem Realitätscheck unterzogen.

Da ist mir beispielsweise beim Thema Wohnen das eine oder andere aufgefallen. Sie sprechen davon, dass in Niederösterreich so viel für den geförderten Wohnbau und für den leistbaren Wohnbau getan wird. Ich habe mir einmal die Homepage des niederösterreichischen Wohnservice  angeschaut: Da sind aktuell mit der Widmung Junges Wohnen sage und schreibe 16 Wohneinheiten aus­geschrieben – 16 Wohneinheiten für das ganze Landesgebiet in Niederösterreich! In meinem Bezirk Tulln sind es exakt null, also null Wohnungen, die dem Jungen Wohnen zugesprochen werden könnten.

Immerhin ist zum Beispiel im Bezirk Gänserndorf die eine oder andere Wohnung zu haben, zum Beispiel eine mit 55 Quadratmetern um sage und schreibe


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735 Euro Miete pro Monat; auch im Bezirk Melk gibt es eine Wohnung, mit 54 Quadratmetern um 750 Euro Miete pro Monat. Jetzt frage ich mich – es sind auch junge Menschen hier im Saal –: Welche jungen Menschen, gerade am Anfang, wenn sie die ersten Schritte vom Elternhaus in die erste Wohnung machen, können sich so mir nix, dir nix 750 Euro im Monat leisten? Es werden wahrscheinlich nicht alle sein.

Ähnlich schaut es beim Betreuten Wohnen aus, da stehen derzeit in Summe auch nur 30 Wohneinheiten zur Verfügung, und auch da wieder: im Bezirk Tulln null. Im Bezirk Tulln sind es grundsätzlich nur zwölf Wohneinheiten, was die geförderten Wohnungen betrifft. – Na ja, ich würde sagen, da ist noch Luft nach oben. Und von Eigentum sind wir da noch weit entfernt, davon reden wir noch lange nicht.

Sie haben gestern gesagt und auch heute im Bundesrat noch einmal wiederholt: Eigentum soll für Normalverdiener leistbar sein. – So, jetzt schauen wir uns einmal die Wohnkosten im Vergleich 2019 und jetzt an: 2019 hat man bei einem durchschnittlichen Haus von ungefähr 148 Quadratmetern – das ist so die Rechnung Daumen mal Pi – noch Errichtungskosten von 470 000 Euro gehabt und inzwischen ist man bei fast 750 000 Euro angelangt. Das ist eine Steigerung um mehr als die Hälfte. Jetzt frage ich mich: Wie viele Jungfamilien kennen Sie tatsächlich, die einmal eben so locker 720 000, 750 000 Euro auf der hohen Kante herumliegen haben?

Ganz ehrlich: Da wird auch die Zurücknahme der KIM-Verordnung nicht viel helfen, denn das Grundproblem löst man damit überhaupt nicht, dass es nämlich um riesige Kreditsummen geht, die die Familien da aufnehmen müssen; daran wird in Wahrheit überhaupt nicht gerüttelt. Es ist in Wahrheit zu hinterfragen, dass man ein Haus unter 720 000 Euro überhaupt nicht mehr kriegt. Das ist das Problem, um das man sich kümmern sollte (Beifall bei der SPÖ), und nicht für jene, die es sich eh leisten können, dann auch noch Grundbucheintragungsgebühren senken. – Aber gut.


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Daher frage ich Sie jetzt einmal ganz konkret: Können Sie sich vorstellen, Frau Landeshauptfrau, wie belastend es für eine junge Familie tatsächlich ist, einen Kredit über 35 oder noch mehr Jahre hinweg mit 1 500, 2 000 Euro pro Monat abbezahlen zu müssen? Ganz ehrlich: Was soll diesen sogenannten Normalverdienern dann in Wahrheit zum Leben noch überbleiben? Wir wissen es und wir haben es heute auch schon mehrfach gehört: Die Energiepreise sind in den letzten Jahren ins Unermessliche gestiegen, auch Lebensmittelpreise und so weiter und so fort. Da geht es wirklich um Existenzen, und da sind wir weit davon entfernt, von Eigentum zu sprechen.

In Niederösterreich hört man ja von der ÖVP seit Jahren immer wieder – wie ein Lamento; immer wieder dahingesprochen –: Leistung muss sich lohnen! – Jetzt sage ich es in aller Deutlichkeit: Erben ist keine Leistung. Ohne Erben geht Eigentum in Niederösterreich nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Dann zum nächsten Punkt, Gesundheitsversorgung – auch davon haben wir heute schon viel gehört –: 2018 – ich darf es noch einmal in aller Kürze wiederholen – ist uns von der Frau Landeshauptfrau die Landarztgarantie versprochen worden. Ich habe die Liste mit, Kollege Zauner – da hinten ist er –, mit allen derzeit ausgeschriebenen Stellen – Facharztstellen, Kassenarztstellen für Allgemeinmedizin – im Lande Niederösterreich. (Die Rednerin hält die genannte Liste in die Höhe.) Es sind viele, viele Stellen offen, immer noch – seit 2016, 2017, 2018 vakant. Das ist, finde ich, gerade in einem großen Flächen­bundesland wie Niederösterreich ein Armutszeugnis.

Was entsteht dadurch zum Beispiel für junge Familien, die für ein Kind dringend einen Kinderarzt brauchen? Wann braucht man einen Arzt? – Meistens dann, wenn gerade keiner Dienst hat, am Wochenende. Es ist kein Kinderarzt verfüg­bar. Wo geht man hin? – In die Ambulanz. Nächster Schritt: Die Ambulanz ist oftmals auch nicht im erforderlichen Ausmaß besetzt. Das heißt, die Landarzt­garantie ist leider, muss man sagen, ein Satz mit X, nämlich nix: Ist nix draus geworden.


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Ich würde sagen: Nehmen Sie Ihren Einfluss doch tatsächlich wahr! Sie sind seit 2017 Landeshauptfrau, Sie sind Landeshauptleutekonferenzvorsitzende – ich glaube, da gäbe es genügend Möglichkeiten, Ihren Einfluss geltend zu machen und auch Ihrer Verantwortung nachzukommen, sich auszutauschen mit der LGA, der Ärztekammer und allen Playern, die dafür verantwortlich sind, die Gesund­heitsversorgung in Niederösterreich ordentlich und gewissenhaft sicherzustellen. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Ein Thema ist mir dann auch noch ins Auge beziehungsweise ins Ohr gesprungen, nämlich das Thema Bauordnungen. Ja, Sie haben recht, der Rahmen der Bauordnungen – das ist schon klar, das wissen wir alle –, was Widmungen betrifft, ist in allen neun Bundesländern gleich; dafür gibt es im Großen und Ganzen also die gleichen Grundlagen. Es kann aber nicht sein, dass sich Bürger­meister persönlich bereichern, indem sie im eigenen Interesse eigene Grundstücke umwidmen lassen und diese dann vergolden, sich um viele, viele Millionen Euro die eigene Tasche noch ein bisschen beschweren und vergolden lassen. Ich glaube, da erwarten sich auch die Menschen in Niederösterreich endlich einmal ganz deutliche, klare Ansagen und vor allen Dingen auch klare Handlungen. Den Bürgermeister, den ich konkret meine, muss ich ja nicht mit Namen nennen – ich glaube, er ist allen bekannt –; er kommt aus meinem Bezirk. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

By the way, Gemeinde Vösendorf: Auch da erwarten sich die Menschen, glaube ich, eine klare Haltung von Ihnen. Obwohl sogar der Bürgermeister selbst die Rechnungsfälschung zugibt, stehen Sie nach wie vor hinter ihm; ganz egal, er darf Nummer eins der ÖVP bleiben, er bleibt unangetastet. Das erweckt ein bisschen den Eindruck, bei der ÖVP ist es wie bei Pippi Langstrumpf: „Ich mach’ mir die Welt / [...] wie sie mir gefällt“. Es ist eh alles rechtens und eh alles in Ordnung. – Das ist aus meiner Sicht ein bissl unredlich, und darüber muss man schon nachdenken. Auch da erwarte ich mir bitte schon ein bisschen einen Nachdenkprozess in der ÖVP und ein Zurückkommen zur Wahrheit.


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Auch für mich ist die Kinderbetreuung natürlich ein Herzensthema, auch dazu haben wir heute durchaus schon einiges gehört; wir haben hier an dieser Stelle ja auch immer wieder darüber gesprochen. In der „Pressestunde“ haben Sie noch einmal betont, dass in Niederösterreich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben ist und gegeben sein soll. Immerhin positiv – das sehe ich auch positiv –: Es ist künftig auch möglich, dass Zweijährige bereits in den Kindergarten gehen können. (Bundesrätin Schumann: Das wird nichts helfen, weil nach 22 Monaten ist die Karenz aus!)

Allerdings – und das muss man ganz ehrlich und offen sagen –: Niederösterreich ist gemeinsam mit Oberösterreich eines der beiden Schlusslichter, was die Vereinbarkeit von Vollzeitbeschäftigung und Kindergarten betrifft, denn – das ist aus meiner Sicht ein riesengroßes Problem, und da öffnet sich die ÖVP offensichtlich keinen Millimeter – in Niederösterreich ist nach wie vor nur die Vormittagszeit im Kindergarten kostenfrei, und alles, was ab 13 Uhr passiert, ist von den Eltern zu zahlen. Der Vormittag, bis 13 Uhr, gilt als Lernzeit, der Nachmittag ist dann die Spielzeit, die Betreuungszeit oder wie auch immer und ist jedenfalls von den Eltern zu bezahlen. Unterm Strich muss man fragen: Wo bleibt da wirklich die echte Gleichberechtigung, von der Sie auch in der „Pressestunde“ gesprochen haben?

Ich habe ein bisschen den Eindruck, man hält sich bei der ÖVP dann doch sozusagen das Hintertürl offen, dass die Frauen eigentlich schon an den Herd gehören. Das ist so meine Interpretation des Ganzen (Bundesrat Himmer: Vor allem deine! – Zwischenruf des Bundesrates Zauner), vor allen Dingen auch im Lichte des Equal-Pay-Days, den wir ja gestern hatten. Frauen haben ja bis dato 45 Tage - - (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Zauner.) – Du kannst mich gerne korrigieren, wenn dir etwas nicht passt.

Gestern war Equal-Pay-Day, das heißt, statistisch gesehen arbeiten Frauen in Österreich im Vergleich zu den Männern 45 Tage gratis. Ich glaube, das ist schon etwas, das man hinterfragen muss. Da spreche ich auch ein bisschen in Richtung FPÖ, denn ich habe das Arbeitsübereinkommen mit (die Rednerin hält ein


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ausgedrucktes Exemplar in die Höhe), und in Wahrheit wird auf diesen knapp 40 Seiten der Genderpaygap noch weiter einzementiert, und ihr seid da live dabei – aber gut.

Kleines Bonmot am Rande: Wissen Sie, wie oft das Wort Frau in diesem Arbeits­papier, in diesen 200 Punkten – glaube ich, wenn ich mich richtig erinnere –, auf diesen 40 Seiten vorkommt? – Exakt acht Mal! (Bundesrätin Schumann: Nein!) Exakt acht Mal, und einmal davon im Wort Landeshauptfrau. Also wenn das der Stellenwert der Frau in Niederösterreich ist: Na Grüß Gott, Herr Kompott! (Bundesrat Himmer: So analysiert man einen Text!) Das ist also ein bisschen ein Armutszeugnis für das Land Niederösterreich. (Bundesrat Spanring: Wie oft kommt das Wort Mann vor?)

Abgesehen davon – das vielleicht auch noch in Richtung der ÖVP (Bundesrat Himmer: Das Wort Hahn kommt überhaupt nicht vor!); ja, ihr hört das nicht gerne (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring) –: Von den Abgeordneten der ÖVP Niederösterreich sind nur drei weiblich. Also so viel zur Geschlechter­gerechtigkeit in Niederösterreich.

Das passt aber eh irgendwo ins Bild. (Bundesrat Spanring: Wie oft kommt das Wort Mann vor?) – Herr Spanring braucht gar nicht so laut herauszuschreien! Du hast es in Wahrheit ja heute auch schon zugegeben: Ein großer Unterschied zwischen ÖVP und FPÖ ist in Niederösterreich kaum mehr erkennbar.

Ich muss aber eines sagen: Mein absolutes Highlight, besonders in der „Pressestunde“, war ja Folgendes: Als die Frau Landeshauptfrau gefragt worden ist, wie es denn eigentlich zu der jetzigen Koalition mit der FPÖ gekommen ist, hat sie gesagt: Na ja, die arme, arme ÖVP hat leider nicht anders gekonnt, das war leider nicht anders möglich. Schuld daran, dass die ÖVP jetzt mit der FPÖ koalieren muss – die Armen! –, war die SPÖ Niederösterreich (Bundesrat Spanring: Das war so!), weil wir als SPÖ Niederösterreich unerhörte Forderungen gehabt haben, fünf Stück an der Zahl.


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Diese unerhörten Forderungen lauteten folgendermaßen – und die muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, und jetzt lade ich dann auch die Menschen draußen ein, das zu interpretieren –:

Wir haben eine kostenlose ganztägige Kinderbetreuung gefordert. – Na, das ist ja unerhört! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben einen Heizpreisstopp für die niederösterreichischen Haushalte gefordert – im Lichte der Energiepreise eine unerhörte Forderung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben ein Anstellungsmodell für pflegende Angehörige gefordert. – Na, das ist aber auch eine unerhörte Forderung. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor allen Dingen – wir haben es auch gestern noch einmal gehört –: Das Ehrenamt ist in Niederösterreich ja so wichtig. (Bundesrat Himmer: Na, robb dich vor zur fünften Forderung, komm!) Schauen wir einmal in die Statistik, wie viele Ehrenamtliche in der Pflege tätig sind! Wäre es da nicht längst an der Zeit, dass man schaut, dass man auch diesen eine entsprechende ordentliche Bezahlung zukommen lässt? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Landeshauptfrau Mikl-Leitner.) – Ich glaube, das wäre das Mindeste, was man da tun könnte. (Bundesrat Himmer: Robb dich vor!)

Wir hätten eine Strukturoffensive für die vernachlässigten Regionen gefordert: Bankomat, Polizeiinspektion, öffentlicher Verkehr und vieles mehr. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hätten eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose gefordert (Bundesrat Himmer: Okay! Ja!), analog eben zu dem international wirklich sehr anerkannten Projekt Marienthal. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Zauner.)

Das waren unsere fünf Forderungen, und daran ist es gescheitert, dass mit uns ein Arbeitsübereinkommen zustande gekommen ist. (Bundesrat Himmer: Na, und


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wo habt ihr die Goldkiste für die Jobgarantie? Wo war die Goldkiste für die Jobgarantie?) Ich glaube, das sagt wesentlich weniger über die SPÖ Nieder­österreich, aber viel mehr über die ÖVP Niederösterreich aus. (Bundesrat Himmer: Die Goldkiste, wo war sie?)

Das sagt, glaube ich, sozusagen auch viel über den Realitätscheck in Niede­rösterreich aus. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.54


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


10.54.09

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Landeshauptfrau! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer im Saal und vor den Bildschirmen! Bei der Recherche zur Vorbereitung für die heutige Rede anlässlich der Vorsitzführung Niederösterreichs, meines Heimatbun­deslandes, im Bundesrat habe ich mir angesehen, welche Maßnahmen seit der letzten Vorsitzführung Niederösterreichs, die im zweiten Halbjahr 2019 stattgefunden hat, in Niederösterreich, aber auch im Bund getroffen wurden.

Damals wie auch jetzt war es und ist es eine spannende, herausfordernde und vor allem sehr bewegte Zeit. Damals, im zweiten Halbjahr 2019, gab es, wer sich daran erinnern kann, eine Regierung ohne stabile Mehrheit im Parlament – die sogenannte Übergangsregierung, die sogenannte Beamtenregierung –, auf Landesebene gab es in Niederösterreich eine ÖVP, die mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet war. Slogans wie: „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft.“, die die ÖVP auf Landesebene ausgesprochen oder plakatiert hat, wurden von uns und von vielen gelernten Niederösterreichern mit berechtigten Zweifeln gesehen – aber das ist ein Spiegelbild zur heutigen Bundes-ÖVP.

Auf Bundesebene kam es anschließend zu Neuwahlen, nach denen uns seitens der gewählten türkis/schwarz-grünen Bundesregierung erklärt wurde,


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dass wir ab dem Zeitpunkt als österreichische Bevölkerung das Beste zweier Welten kennenlernen würden – wobei anschließend uns als geborenen Österreichern vonseiten einer Angehörigen des ÖVP-Regierungsteams auf Bundesebene namens Edtstadler erklärt wurde, dass sich Personen, die sich nicht haben impfen lassen, nicht mehr rechtmäßig in unserem Heimatland Österreich aufhalten, und so weiter. Es gab vieles, von Einsperreskapaden über ein Impfpflichtgesetz bis hin zu verschiedensten Anschlägen mit grünem Touch – Beispiel NoVA-Erhöhung, CO2-Steuer, Verhinderung des Ausbaus von Straßen – und die Gefährdung der Sicherheit und des Wohlstands durch Nichtsicherung unserer Grenzen oder die Missachtung unseres Status eines neutralen Landes. Es würde Stunden benötigen, diese ganzen Wahnsinnigkeiten aufzuzählen. (Beifall bei der FPÖ.)

In meinem Heimatbundesland Niederösterreich kam es bei den Landtagswahlen im Jänner 2023 zu einer Abstrafung der ÖVP durch den Wähler, und es entstand ein Arbeitsübereinkommen für Niederösterreich zwischen Schwarz und Blau, bei dem die freiheitliche Handschrift deutlich und klar erkennbar ist.

Da das Arbeitsübereinkommen von meinem Kollegen Spanring bereits auf breiter Basis beleuchtet wurde, nehme ich mir für meine Rede zwei der vielen Themen als Schwerpunkte auf Landesebene heraus: Corona und die Pflege.

Seitdem wir Freiheitlichen in der niederösterreichischen Landesregierung vertreten sind, wird täglich hart mit der ÖVP an der Umsetzung des gemein­samen Arbeitsübereinkommens gearbeitet. Der Grundsatz Niederösterreich zuerst wird mit unserem Tun und Handeln gelebt. Mit uns gibt es eine echte Veränderung statt ein Weitermachen wie bisher. Die FPÖ steht für eine vernünftige, lösungsorientierte Politik mit Hausverstand. Gemeinsam mit unserem Regierungspartner auf Landesebene ÖVP können wir ein erfolgreiches Jahr verzeichnen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Da die Coronapolitik der Bundesregierung in den letzten Jahren massive Schäden an der österreichischen Bevölkerung angerichtet hat, gibt es dort besonders viel wiedergutzumachen. Auf Landesebene haben wir mit der ÖVP beschlossen, diese entstandenen Gräben, die durch die Ausgrenzungspolitik wie vorhin beschrieben entstanden sind, zu schließen und Maßnahmen zu setzen, um den Weg einer Wiedergutmachung einzuschlagen. Wir in Niederösterreich sind da absoluter Vorreiter, und es wäre im Sinne aller Österreicher, diesbe­züglich auch auf Bundesebene so zu handeln, schließlich war es diese schwarz-grüne Bundesregierung, welche seit Bestehen der Zweiten Republik die Grund- und Freiheitsrechte der österreichischen Bevölkerung angegriffen und in diese eingegriffen hat.

Seit 1. September 2023 können direkte Hilfen für Familien, Kinder und Vereine über den niederösterreichischen Coronahilfsfonds abgerufen werden. Insgesamt stehen 30 Millionen Euro dafür zur Verfügung. Der große Andrang bestätigt die dringende Notwendigkeit dieser Maßnahme. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Zentrum der Hilfen stehen primär Kinder, die durch Schulschließungen und Lockdowns enorme Lerndefizite und psychische Probleme erlitten haben. Nach nur einer Woche wurde eine Fördersumme von mehr als 1 Million Euro beantragt. Mit mehr als 50 Prozent der ausbezahlten Gelder werden Therapien psychischer Probleme, die aufgrund der Coronamaßnahmen aufgetreten sind, unterstützt. Weiters werden Long-Covid-Schäden und Impfbeeinträchtigungen, welche vom Impfschadengesetz nicht gedeckt sind, finanziell ausgeglichen. Die Auszahlung erfolgt rasch und unbürokratisch. Der niederösterreichische Covid-Hilfsfonds ist ein Vorbild für ganz Österreich und darüber hinaus.

Die Regierung in Slowenien setzt um, was in Niederösterreich längst Realität ist. Die Aufarbeitung des gesamten Coronawahnsinns ist eine Pflicht für jede verantwortungsvolle Bundesregierung. Im Gegenzug zu unseren slowenischen Nachbarn redet unsere Bundesregierung diesen Coronafonds schlecht. Bis zum heutigen Tag fehlt jegliche Entschuldigung. (Beifall bei der FPÖ.)


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Spätestens seit der Coronapandemie kann man auch die Probleme im Gesund­heitsbereich nicht mehr unter den Teppich kehren. Das politische Versagen im Gesundheitssystem wurde für die österreichische Gesellschaft sichtbar und spürbar. Die milliardenschweren Ausgaben für die Coronamaßnahmen wurden auch damit gerechtfertigt, das System damit schützen zu wollen – ein Hohn für die österreichischen Bürger. Plötzlich waren sie dafür verantwortlich, sich gesund halten zu müssen, um das kaputtgesparte Gesundheitssystem nicht zum Zusammenbruch zu bringen.

Am 7. Juli 2022 wurde im Nationalrat von der schwarz-grünen Regierung eine Pflegereform beschlossen. Von uns Freiheitlichen wurde diese Reform für unzureichend erklärt. Es gab zwar vereinzelte Fortschritte, diese sind aber nicht nachhaltig ausgearbeitet. Die Pflegereform steht in der Kritik, mehr für eine Ausweitung der Pflegekompetenzen zu stehen, anstatt den Mangel an Pflege­kräften zu beheben. Es kommt weder zu einer Verbesserung der Arbeits­bedingungen noch zu einer Entlastung des so belasteten Pflegepersonals. Darauf wird keine Rücksicht genommen. Aufgrund dieser unzureichend ausgearbeiteten Pflegereform und nach zwei Jahren der Untätigkeit des zustän­digen Gesundheitsministers Johannes Rauch nicht nur im Bereich Pflege stellt sich generell die Frage, ob er seine Zeit als Minister nicht gleich beenden sollte, anstatt sie bis zu den Neuwahlen im Herbst nur mehr abzusitzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die niederösterreichische Landesregierung hat zum Thema Pflege ein modernes Konzept erarbeitet: den Masterplan Gesundheit 2030, um den Heraus­for­derungen in diesem Bereich bestmöglich begegnen zu können. Im Mittelpunkt steht der Bereich Altern in Würde. Dazu soll es einen Ausbau von teilstationären und mobilen Betreuungsdiensten und eine neue Betreuungswohnform – Betreutes Wohnen Plus – als Vorstufe zum stationären Bereich geben. Als erstes Bundesland wird Niederösterreich auch die Hospiz- und Palliativversorgung landesgesetzlich verankern.


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Um einem Pflegepersonalnotstand entgegenzuwirken, werden die Ausbildungs­möglichkeiten auf mehreren Ebenen ausgebaut. Die Pflegelehre wird weiterentwickelt, die Fachhochschulen werden erweitert und die Schule für höhere Pflege wird ausgebaut. Für die Betreuung und Pflege zu Hause in den eigenen vier Wänden kann der niederösterreichische Pflege- und Betreu­ungsscheck beantragt werden. Der niederösterreichische Pflege- und Betreuungs­scheck ist eine jährliche Förderung in der Höhe von 1 000 Euro pro pflege­bedürftiger Person. Mehr als 25 000 Anträge sind im letzten Quartal 2023 eingelangt. Dieses Geld kann für Heilbehelfe und Hilfsmittel, bauliche Maßnahmen oder für soziale Dienstleistungen verwendet werden.

Es gibt viele weitere Punkte, mit denen ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, vorzeigen könnte, dass dort, wo wir Freiheitliche wie in Nieder­österreich, Oberösterreich und Salzburg in der Landesregierung vertreten sind, die freiheitliche Handschrift im positiven Sinne klar erkennbar ist. Für die Anliegen der Menschen in den unterschiedlichen Gremien, im Bund, im Nationalrat, im Bundesrat, in den Ländern, in Bezirken und Gemeinden, mit Kompetenz, mit Engagement und mit Herzblut einzutreten – das verstehen und sehen wir Freiheitliche als unsere politische Aufgabe. Wir machen Politik mit Hausverstand. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zur Kollegin von den Grünen, zu Simone Jagl: Ja, es wurde der Netzausbau verschlafen, aber es fließen jetzt 650 Millionen Euro hinein, und das ist wichtig. Zudem ist es so, dass auch die falschen Förderrichtlinien für diesen fehlenden Netzausbau verantwortlich sind, und zwar deshalb, weil man, wenn man die Fotovoltaikanlagen fördert, gleichzeitig darauf schauen muss, dass man den Strom, den man untertags produziert, auch über Nacht speichern kann, mit der heutigen Technologie, Wasserstoffspeicherung et cetera. Damit könnten wir auch den Inselbetrieb machen und so weiter und hätten weniger Leistungs­spit­zen, was positiv für den Netzausbau wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Thema Bodenverbrauch, Bodenversiegelung: Ja, als Landwirt weiß ich selbst, wie wichtig es ist, dass wir landwirtschaftliche Flächen haben. Nur, der


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grüne Kampf gegen Bodenverbrauch, Bodenversiegelung geht so weit, dass Versprechen – wir kommen heute noch zu dem Thema – wie zum Beispiel der zweigleisige Ausbau der Laaer Ostbahn nicht gehalten werden. Es wird zwar eine große Pressekonferenz gemacht, aber der Kampf gegen den Bodenverbrauch, gegen die Bodenversiegelung geht sogar so weit, dass nur eingleisig ausgebaut wird. (Bundesrat Schreuder: Weil die Bahn ja so sehr für die Versiegelung verant­wortlich ist!) Und dann wundern wir uns, wenn die Leute nicht alle mit dem Zug fahren können, während auf der anderen Seite Straßenbauprojekte und so weiter verhindert werden. Hört mir auf mit dem Bodenverbrauch! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Das ist ja ein Witz, ein Treppenwitz!)

Noch zum Thema Gruppen gegeneinander aufhetzen: Wer waren denn die­je­ni­gen auf Bundesebene, die bis in die Familien hinein die Spaltung betrieben haben?! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Und zu Kollegin Doris Hahn: Ja, es fehlen sehr viele Kassenärzte. Nur, das liegt wieder – und das weiß ich aus unserem Bezirk Mistelbach, wo wir in mehreren Verhandlungen probiert haben, die fehlende Kinderfacharztstelle nachzu­beset­zen – am Willen des Bundesministers Rauch, die Verträge mit der Krankenkasse endlich so zu gestalten, dass zum Beispiel die Honorarsätze im Jahr 2023 nicht in gleicher Höhe wie die Honorarsätze von 2021 sind. Da ist ja klar, dass keiner mehr eine Kassenvertragsarztstelle haben will.

Sie haben auch die Punkte genannt, warum denn die ÖVP mit der SPÖ nicht zu einem Arbeitsübereinkommen gekommen ist. Sie haben aber dabei ganz vergessen, auch Punkte zu nennen wie zum Beispiel den, dass Sie Maut auf allen Straßen einführen wollten, auch auf jeder einzelnen Gemeinde-, Ortsstraße. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ja, und das fordert eine Partei, die auf der anderen Seite gegen die Teuerung auftritt. Also hören Sie mir auf mit dem Ganzen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Freiheitliche sind bereit, so wie in Niederösterreich auch auf Bundesebene (Bundesrat Schreuder: Die Demokratie


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zu zerstören, Menschen gegeneinander aufzuhetzen – dazu seid ihr bereit!), wenn es der Wähler mit der Abgabe seiner Stimme in diesem spannenden Wahljahr 2024 so entscheiden sollte, die Verantwortung zu übernehmen, um mit einem Volkskanzler Herbert Kickl und seinem Team die Rahmenbedingungen in unse­rem wunderschönen Heimatland Österreich für die hier lebende Bevölkerung so zu verändern (Bundesrätin Schumann: Mit der ÖVP, genau!), dass wir wieder in einem zukunftsorientierten, wirtschaftlich gesunden und sicheren Land leben können, in dem das Leben für die österreichische Bevölkerung leistbar und lebenswert ist. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Und CO2 hinausschleudern auf Teufel komm raus!)

11.07


Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

11.08.42Aktuelle Stunde


Vizepräsident Dominik Reisinger (den Vorsitz übernehmend): Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Weichenstellungen moderner Sportpolitik: Frauenförderung, Inklusion, tägliche Bewegungseinheit und ein Rekordbudget für den Spitzen- und den Breitensport“

mit dem Herrn Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Werner Kogler, den ich herzlich willkommen heißen darf. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein:e Redner:in pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungs­weise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht


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überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein:e Redner:in der Fraktionen mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


11.09.58

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher hier im Saal! Liebe Zusehende! Ich möchte zu Beginn dieser Aktuellen Stunde die Gelegenheit nutzen, den Red Foxes sehr, sehr herzlich zu gratulieren. Die Red Foxes sind unser Damennationalteam im Hockey. Letztes Wochenende sind die Hallenhockey-Europameisterschaften in Berlin mit einem wirklich sensationellen Erfolg für unser Team zu Ende gegangen. Die Österreicherinnen holten sich sehr, sehr verdient die Bronzemedaille, und es ist die erste EM-Medaille im Hockey seit 1998, also ein wirklich großartiger Erfolg! (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und FPÖ.)

Damit sind wir auch gleich mitten im Thema dieser Aktuellen Stunde: Damit unsere Teams sportliche Erfolge wie diesen erzielen können, braucht es starke Strukturen, und es braucht eine hochwertige Betreuung in vielen leistungs­relevanten Bereichen, um die internationale Konkurrenzfähigkeit laufend zu verbessern.

In Sachen Geschlechtergerechtigkeit haben wir im Sport noch immer einen langen Weg vor uns, denn gerade der Teamsport ist in Österreich noch immer eine Männerdomäne. Um gegenzusteuern, wurde mit dem Programm Dreamteams ein echtes Kraftpaket für die Frauenligen in Österreich geschnürt.


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Damit sind wir in der Gleichstellung einen großen Schritt vorangekommen. Das ist eine wirkliche Trendwende. Dreamteams ist ein Impuls, um Strukturen aufzubauen und Frauenligen in Österreich auch in den Mannschaftssportarten wirklich gezielt zu fördern, damit Frauenteams die Möglichkeit bekommen, zum internationalen Spitzenfeld aufzuschließen. Das schafft Sichtbarkeit, das schafft Vorbilder für junge Mädchen.

Neben dem Spitzensport braucht es aber auch Funktionärinnen, es braucht Trainerinnen und es braucht Managerinnen, die sich nachhaltig im Sport engagieren. Der österreichische Sport ist mit 2,1 Millionen Mitgliedern in 15 000 Vereinen der drittgrößte organisierte Bereich in Österreich und spielt somit auch eine sehr wichtige gesellschaftspolitische Rolle.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, so sieht man, dass der Anteil von Männern, die in Sportvereinen aktiv sind, um ein Vielfaches höher ist als der Anteil von Frauen. Noch deutlicher wird das Ganze, wenn es um Frauen in Führungsposi­tio­nen im Sport geht. Es ist daher umso wichtiger, Frauen im Sport stärker vor den Vorhang zu holen und sichtbar zu machen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wir wollen mehr Frauen in Sportgremien sehen. Wir wollen mehr Frauen dort sehen, wo es darum geht, Strategien vorzugeben, dort, wo Veränderungs­prozesse angestoßen werden. Genau deshalb freue ich mich, dass das Gender­traineeprogramm ins Leben gerufen wurde, denn auch das ist eine echte Trendwende.

Das Gendertraineeprogramm ist eine einzigartige vierjährige Ausbildung als Training on the Job. Mittlerweile sind bereits 40 motivierte und begeisterte Trainees österreichweit an Ausbildungsstandorten im Einsatz. Mit dieser Ausbildung können sich junge, talentierte Frauen in der österreichischen Sportlandschaft nachhaltig positionieren.

Ich bin überzeugt davon, dass diese Leuchtturmprojekte, die zur gezielten Frauenförderung im Sport auf den Weg gebracht wurden, die Dreamteams für


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die Frauenligen und das Gendertraineeprogramm zur gezielten Ausbildung von Trainerinnen und Sportfunktionärinnen, den österreichischen Sport nachhaltig verändern und verbessern werden.

Wenn es um das Thema des nachhaltigen Veränderns geht: Es sind auch im Sport die Weichen für eine gute Zukunft gestellt worden. Es ist gut und richtig, dass das Sportministerium Sportverbände und Sportorganisationen auch für Klimaschutzmaßnahmen mit zusätzlichen finanziellen Mitteln unterstützt. Dabei geht es stärker um den Fokus auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz, etwa beim Bau von neuer Sportinfrastruktur, oder aber auch um die Abhaltung von Sportveranstaltungen als Green Events.

Mit dem Weltcupslalom der Herren in Gurgl ist ja auch eine beeindruckende Premiere gelungen. Das war das erste Rennen im alpinen Skiweltcup, das so nachhaltig wie möglich ausgetragen wurde, mit einem umfangreichen Maßnah­menpaket, von der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zur Energieversorgung aus nachhaltigen Ressourcen.

Angesichts all dieser Maßnahmen und Initiativen, die wir gesetzt haben, wird klar: Worauf es im Sport ankommt, das zählt auch in der Sportpolitik. Für Erfolge braucht es Kraft, es braucht Leidenschaft sowie sehr, sehr viel Ausdauer; und ich denke, die Politik kann vom Sport auch einiges lernen, wenn es um Fairness und wenn es um Respekt geht. In diesem Sinn: Bleiben wir sportlich! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

11.15


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte.


11.15.46

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Lieber Herr Sportminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher hier im Saal und liebe Zuhörer und Zuseher daheim via Livestream! Ein Tag, ein


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Vormittag, der mit Sport beginnt, kann nur gut werden. Wer von euch hat heute denn schon Sport gemacht? (Allgemeine Heiterkeit. – Die Bundesrät:innen Eder-Gitschthaler, Mertel, Schumann und Schreuder heben die Hand.) – Es sind doch ein paar. Sehr gut! (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.) Wunderbar! Es outen sich doch ein paar, es sind etwas mehr als eine Handvoll, sehr gut.

Wer heute noch keinen Sport gemacht hat und sich heute noch nicht bewegt hat – der Herr Sportminister hat sich schon geoutet, er hat sich heute auch noch nicht bewegt –, befindet sich in guter Gesellschaft mit 75 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher. Das ist nämlich die Anzahl, die das von der WHO empfohlene Bewegungsausmaß von 22 Minuten täglich oder 150 Mi­nuten wöchentlich nicht erfüllt.

Ja, Österreich kränkelt – das bestätigt auch ein Blick in den Österreichischen Gesundheitsbericht ganz eindeutig, denn das Bewegungs- und Ernäh­rungs­ver­halten in Österreich ist massiv, ganz massiv im Sinkflug. Auch wenn wir uns in vielen Bereichen in der EU im Spitzenfeld befinden, beim Gesundheitsverhalten ist das definitiv nicht der Fall. Da befinden wir uns EU-weit bestenfalls im Durchschnitt, in einzelnen Bereichen sogar unter dem Durchschnitt.

Der attestierte Bewegungsmangel ist nicht nur eine kleine Unannehmlichkeit, nein, er ist eine tickende Zeitbombe, denn Sportmangel führt langfristig auch zu Gesundheitsproblemen und damit auch zu horrenden Kosten im Gesundheits­system sowie natürlich auch in unserer Volkswirtschaft.

Die Konsequenzen von Bewegungsmangel sind verheerend. Steigendes Übergewicht: In Österreich sind 51 Prozent der Bevölkerung übergewichtig oder adipös. Übergewicht bedingt weitere Erkrankungen wie solche des Bewegungs­apparates, des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes oder Bluthochdruck. Psychische Erkrankungen nehmen massiv zu. In den letzten zehn Jahren sind diese um 63 Prozent gestiegen. Mittlerweile sind psychische Erkrankungen die dritthäu­figste Krankenstandsursache. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, gegen all


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diese Probleme gibt es ein Medikament, das absolut wirkungsvoll ist und total sicher wirkt, nämlich Sport und Bewegung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Deshalb sind alle Anstrengungen, die Österreicherinnen und Österreicher mehr in Bewegung zu bringen, absolut wichtig, um eben die Kosten für unser Gesundheitssystem langfristig in Schach zu halten. Ein „Rekordbudget“ für den Sport – wir sehen es auch in der Überschrift der heutigen Aktuellen Stunde – ist deshalb absolut wichtig. In Wahrheit braucht es das aber jährlich. Es braucht jährlich ein Rekordbudget, um die Volkskrankheit Bewegungsmangel zu bekämpfen. Jeder Euro, der in den Sport investiert wird, kommt laut Social-Return-of-Investment-Erhebungen 14-fach zurück.

Mit dem Projekt tägliche Bewegungseinheit ist uns in dieser Regierungsperiode ein großer Schritt zu mehr Bewegung gelungen. Vorarlberg, mein Heimat­bun­desland, war im Pilotprojekt das einzige Bundesland, das freiwillig eine zweite Pilotregion definiert und dann auch finanziert hat. Die Rückmeldungen waren dermaßen positiv, dass wir nun wiederum weiter vorangehen und das erste Bundesland sein werden, das im kommenden Herbst mit dem Beginn des Schul­jahres die tägliche Bewegungseinheit an allen Kindergärten und Schulen in Vorarlberg anbieten wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Die Grundbausteine für ein bewegteres Leben sind gelegt – mit einem Rekord­budget für den Sport, mit der täglichen Bewegungseinheit, mit der Förderung von Sportvereinen. Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das alleine wird nicht reichen! Wir sind alle massiv aufgefordert, von der Zuschauerbank aufzustehen und selbst aktiv ins Rennen zu gehen (Bundesrat Schreuder erhebt sich ein wenig von seinem Sitzplatz) – genau! (Heiterkeit der Rednerin) – und uns mehr zu bewegen.

Als Eltern, als Trainer unserer Familienmannschaft, liegt es in unserer Verant­wortung, unseren Kindern nicht nur Regeln beizubringen, sondern auch Gelegenheiten für einen aktiven Familienalltag zu bieten. Da reicht auch schon


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ein Besuch auf dem Spielplatz, im Wald oder jetzt im Winter ein kleiner Schnee­hügel mit etwas Schnee zum Rutschen oder Rodeln, denn was Kinder brauchen, um sich außerhalb von Schule und Kindergarten mehr zu bewegen, sind Gelegenheiten und jemand, der ihre Freude daran teilt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Neben dem dringenden Appell zu mehr Bewegung und auch in diese zu investieren, ist es mir auch ein Anliegen, über den Behindertensport zu reden. In dieser Regierungsperiode wurden wichtige Maßnahmen sowohl im Breiten- als auch im Spitzensport gesetzt, die durchaus sehr wichtig sind und gut ange­kommen sind. Auch in der medialen Aufmerksamkeit hat sich sehr vieles hin zum Positiven getan. Wenn ich mir die Entwicklung bei den Paralympischen Spielen anschaue – meine eigenen 2018 im Vergleich zu den letzten Paralympischen Spielen –, dann sehe ich, dass sich unglaublich viel zum Positiven gewendet hat, auch in der medialen Aufmerksamkeit.

Im Bereich der Mentalsportler aber habe ich ein Anliegen an Sie, lieber Herr Minister. Sie wissen das bestimmt: Es gibt ja in Österreich zwei große Verbände für Mentalsportler; zum einen diese Special Olympics, die starke Botschafter haben, große Sponsoren haben, und zum anderen gibt es eben auch Mental­sportler des Österreichischen Behindertensportverbands. Beide Vereine sind sehr professionell geführt, beide leisten gute Arbeit, beide haben motivierte Sportlerinnen und Sportler, beide haben annähernd gleich viele Mitglieder und beide sind erfolgreich. Ich erinnere auch noch daran, dass die Mentalsportler des Österreichischen Behindertensportverbands bei der Virtus-WM letztes Jahr 16 Medaillen für Österreich geholt haben – unsere Vorarlberger Vorzeigesport­lerin Eva-Maria Dünser davon drei goldene.

Leider ist es aber so, dass diese Mentalsportler des Österreichischen Behinder­ten­sportverbands eben oft im Schatten der Special Olympics, die alle kennen, stehen. Ich würde Sie bitten, in all Ihren Aktionen und Ehrungen auch die Mentalsportler des ÖBSV immer mit zu bedenken, denn auch sie haben den


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notwendigen Respekt und Anerkennung für ihre Leistungen verdient. (Allgemeiner Beifall.)

Insgesamt tut sich im Sport viel Positives: mehr Budget, das dringend gebraucht wird, um auch nachhaltige, kulturverändernde Initiativen zu starten, um Menschen wieder in Bewegung zu bringen, viele gute Initiativen wie die tägliche Bewegungseinheit, Frauenförderprojekte – das haben wir heute auch schon gehört; ich habe letztes Mal darüber geredet, das werde ich heute nicht mehr machen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin aber auch der Meinung, dass wir als politisch Verantwortliche immer mit gutem Beispiel vorangehen und einen sportlichen und gesunden Lebensstil vorleben sollten. Ich möchte Sie etwas motivieren und habe dazu auch ein Beispiel mitgebracht: Bei einer 10-minütigen Rede, wie ich sie heute annähernd gehalten habe, verbrennt man mit einer durchschnittlichen Anspannung ungefähr 25 Kilokalorien. Das ist nicht sonder­lich viel, das entspricht sieben Gummibärchen. (Allgemeine Heiterkeit.) Steiner verbrennt bei seinen Reden vielleicht etwas mehr, Babler muss diese Kalorien woanders verbrennen, im Bundesrat kann es wohl nicht sein, denn er redet hier nicht. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Fakt ist aber eines, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Reden alleine reicht nicht, wir müssen uns einfach mehr bewegen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.24


Vizepräsident Dominik Reisinger: Frau Bundesrätin Korinna Schumann ist als Nächste zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


11.25.06

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Vizekanzler! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Als Allererstes möchte ich natürlich auch im Namen der sozialdemokratischen Fraktion der


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neuen Bundesratspräsidentin viel Erfolg bei ihrer Arbeit wünschen und natürlich auch den neugewählten Vizepräsidenten alles Gute für ihre Vorsitzführung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Na ja, keine Frage, Sport ist eines der wichtigsten Dinge für die Menschen. Die Bewegung ist ganz, ganz wichtig, mit welcher Intention und in welcher Form auch immer. Der Sport in Form des Breitensports ist zu fördern, ja, keine Frage, nur muss man, glaube ich, ein bissel aufpassen, dass man nicht zu sehr den Zeigefinger erhebt. Ich glaube, jeder, der den inneren Schweinehund überwindet und sich in Bewegung bringt, ist sozusagen zu loben. Der Druck sollte nicht zu hoch sein, sondern die Zugänge sollten möglichst niederschwellig sein, damit jeder die Chance hat, zu sagen: Ich bewege mich, und auch wenn ich mich nur ein bissel bewege, dann ist das schon super! – Diesbezüglich Druck zu machen, ist, glaube ich, nicht zielführend.

Der Leistungssport ist zu fördern, weil das natürlich wichtig ist, um Vorbilder zu haben, um zu wissen, dass es da jemanden gibt, der ganz stark kämpft, der ein besonderes Talent hat. Auch der Mannschaftssport, der wichtig für die Identität ist und natürlich zur Begeisterung für eine Mannschaft beiträgt, ist zu fördern. Das ist ganz wichtig, das hilft einem auch psychisch weiter.

Es ist in letzter Zeit wirklich viel gelungen, das muss man anerkennend zuge­stehen, das ist keine Frage. Zu den Maßnahmen, die sowohl im Leistungssport als auch im Bereich des Breitensports gesetzt wurden, ist zu gratulieren. Nur, ganz ehrlich, wir müssen ein bissel weiter schauen: Wie wichtig die tägliche Bewegung ist, ist keine Frage, auf der anderen Seite wissen wir aber auch, wie wichtig gesunde Ernährung ist – diese ist ganz, ganz wichtig. Das ist der zweite Teil, den es braucht, um gesund zu bleiben und sich Krankheiten möglichst zu ersparen.

Wir befinden uns in einer Friede-Freude-Eierkuchenstimmung, die man aber schon ein bisschen dämpfen sollte, weil die Menschen in diesem Land nicht in dieser Parallelwelt, sondern in ihrer Realitätswelt leben – in einer Realitätswelt,


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die sehr stark, in einem extrem hohen Ausmaß von der Teuerung betroffen ist. Wir haben noch immer eine sehr hohe Inflation, und wenn man sich die Preisindizes anschaut, das heißt die Preisvergleiche, so sieht man, dass die Lebensmittelpreise seit 2021 gerade für die Grundnahrungsmittel extrem gestiegen sind. Die Preise von Nudeln und Mehl sind um 88 Prozent gestiegen, die Preise für die billigste Erdäpfelsorte um 46 Prozent, die Preise gerade bei den Billigprodukten der Supermärkte um 44 Prozent. Das sind extremste Belastungen für die Menschen.

Eines sei schon gesagt: Wir können uns alle noch sehr gut daran erinnern, dass Herr Bundesminister Kocher versprochen hat: Ja, bei den Lebensmittelpreisen müssen wir jetzt etwas tun, wir brauchen endlich solch ein Vergleichsportal, damit die Menschen nachschauen können, wie die Preisentwicklung bei den Grundlebensmitteln ist! – Das Versprechen wurde im Mai 2023 abgegeben, bis heute gibt es das nicht. Bis heute haben die Menschen keine Chance, diesbezüglich Vergleiche anzustellen, im Gegenteil, der Herr Bundesminister hat auf Journalistennachfrage gesagt, es tue ihm furchtbar leid, diese Vergleichsapp werde einfach nicht kommen, weil sie nicht notwendig sei, da das eh schon andere machten.

Diese Aufgabe in dieser großen Teuerung einfach aufzugeben und zu sagen: Wir machen keine Vergleichsapp, weil es uns nicht wichtig ist, zu wissen, wo die Preise steigen und wie die Preise steigen, und es ist auch nicht wichtig, in die Preise einzugreifen, damit die Menschen sich ihr Leben leisten können!, das ist wirklich beschämend; das kann man eindeutig sagen.

Zur Frage der Mietpreise: Die Mietpreisbremse wirkt nicht. Sie haben eine Mietpreisbremse vorangebracht, die nicht wirkt. Heute steht in einer großen Tageszeitung die Schlagzeile, die Immobilienpreise würden steigen, weil einfach nicht weiter gebaut wird. Wir haben Mietpreissteigerungen, und das ist ein riesiges Problem: dass sich Menschen ihre Mieten nicht mehr leisten können. – Da ist hinzuschauen und da ist einzugreifen!


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Es geht dabei um die Gesundheit. Es geht um die Gesundheit, darum, dass ich mir gesundes Essen leisten kann. Es geht auch darum, dass ich die Chance habe, Sport zu betreiben, ohne viel Geld in die Hand zu nehmen. Der Breitensport muss für alle zugänglich sein, und es muss für Kinder die Chance geben, die Möglichkeit geben, Sport zu betreiben.

Ein paar Meter von hier am Rathausplatz fahren jetzt Schulklassen kostenlos ihre Eislaufstunden ab. Das ist etwas Wichtiges, das ist ein Erleben für die Kinder, das wichtig ist, und das stellt die Stadt Wien kostenlos zur Verfügung. Das ist ein Beispiel. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Natürlich ist der Sport ein ganz starker Hort der Freiwilligenarbeit, die ganz, ganz wichtig ist. 580 000 Personen stellen im Sportbereich ihre freiwillige Tätigkeit zur Verfügung; das ist der größte Anteil bei der Freiwilligenarbeit. Es sei aber schon gesagt: Wenn man an den Schrauben der Arbeitszeit dreht, wenn man an den Schrauben der Überstundenmaßnahmen dreht – noch mehr Überstunden, noch günstigere Überstunden –, dann heißt das auch etwas für die Freiwilli­gen­arbeit. Das heißt, es ist die Kraft dafür nicht mehr da.

Auch die Frage der Gesundheit ist bei überlangen Arbeitszeiten sehr wohl zu stellen. Da kann ich mich noch so viel bewegen, da kann ich noch so viel versuchen, mich gesund zu ernähren: Wenn die Arbeitsleistung so viel ist, der Druck so stark ist, dann werde ich krank werden. – Es braucht einen Ausgleich zwischen Arbeitsleben und Privatleben; das ist ganz, ganz wichtig. Der Mensch braucht Erholung, und darauf muss man genauso schauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich zuletzt Folgendes sagen, denn dafür ist der Sport wirklich ein gutes Beispiel: Wir brauchen Fair Play im Sport. Im Sport darf keinerlei Form der Diskriminierung, des Rassismus, der Frauenfeindlichkeit, der Menschenfeind­lichkeit insgesamt oder des Rechtsradikalismus Platz finden – auf keinen Fall! Das gilt für den Sport genauso, wie es für unsere Gesellschaft gilt, und jeder Kampf, der dazu dient, dies hintanzuhalten – zu schauen, wie wir das verhindern


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können – ist ganz wesentlich. Da darf sich niemand, auch keine Fraktion aus­nehmen, denn da geht es auch um die Zukunft unserer Gesellschaft.

Der Sport lehrt einem besonders beim Mannschaftssport noch etwas: Einmal gewinnt man, einmal verliert man. Auch das Verlierenkönnen muss man lernen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines muss einem klar sein: Wenn man gerade Sieger ist und sich so wahnsinnig sicher fühlt, Sieger zu sein, kann es sein, dass man sehr bald wieder Verlierer ist. So ist es. Das ist ein Lernprozess, der für uns alle wichtig ist, weil er auch wichtig für die Demokratie ist. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.32


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu Wort gelangt nun Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte sehr.


11.32.54

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer hier im Saal und zu Hause! Liebe Österreicher! Ich muss echt sagen, ich freue mich wirklich jedes Jahr auf diese Aktuelle Stunde mit unserem Sportminister, weil mir Sport einfach ein Anliegen ist. Ich muss aber auch sagen, ich erwarte mir inzwischen nicht mehr besonders viel von dieser Aktuellen Stunde, weil ich glaube, dass Ihnen, Herr Sportminister, der Sport und auch der Nachwuchssport in diesem Land einfach nicht so ein Herzensanliegen wie mir und vielen anderen Österreichern ist.

Ich glaube, diese Wahrnehmung täuscht mich auch nicht. Wenn ich mir anschaue, wie viele Sportausschusssitzungen in dieser Legislaturperiode, seit Sie Sportminister sind, in diesem Haus stattgefunden haben, dann ist das eine eher traurige Bilanz. Es hat einen einzigen Sportausschuss im Jahr 2020 gegeben – gut, dafür können Sie nichts, das ist etwas, das von der letzten Regierung liegen­geblieben ist. Es hat aber keinen einzigen Sportausschuss im Jahr 2021 gegeben, es hat keinen einzigen Sportausschuss im Jahr 2022 gegeben, es hat keinen


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einzigen Sportausschuss im Jahr 2023 gegeben. – Genau das ist die Wahr­nehmung, die ich habe, und die Wahrnehmung, die unsere Österreicher von Ihrer Tätigkeit als Sportminister haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Sportminister, das ist ja wirklich überschaubar. Wenn ich an die erste Rede von Kollegin Huber, die gut war und wovon ich viel unterstreichen kann – ja, das war jetzt wirklich einmal ein Lob in Richtung der Grünen –, zurückdenke: Das Einzige, was mir fehlt, ist das Aktuelle. Wenn wir über Gendertraineeprojekte reden, etwas aus dem Jahr 2018, das dann endlich in dieser Legislaturperiode auf Schiene gebracht worden ist und das Sie im vorigen Jahr zur Aktuellen Stunde als großen Wurf präsentiert haben, muss ich sagen, mir fehlt schlicht und ergreifend das Aktuelle, Herr Sportminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die Dreamteams sind ein wesentliches Projekt. Frauenförderung im Sport ist ja wirklich wichtig, ganz egal ob bei aktiven Sportlern, bei Trainerinnen, bei Sportlehrern, egal in welcher Funktion. Ja, es ist wichtig, auch die Frauen­mann­schaften zu unterstützen. Das Einzige, was es nicht ist, Herr Vizekanzler: Es ist nicht aktuell. Es ist nicht aktuell, weil es ein Projekt ist, das schlicht und ergreifend Jahre zurückliegt. Wir befinden uns aber heute hier in einer Aktuellen Stunde. Vielleicht überraschen Sie mich dann bei Ihrer Rede. Bis jetzt fehlt mir schlicht und ergreifend das Aktuelle, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Was mir irgendwie auch noch fehlt, ist die Wertschätzung gegenüber dem Sport. Das Ganze hat ja schon im Jahr 2020 – da muss ich ein bisschen in die Ver­gangenheit gehen – angefangen, als Sie es waren, der Hallenbäder zugesperrt hat, Sporthallen zugesperrt hat, Sportplätze zugesperrt hat, Tennishallen zugesperrt hat und unseren Sportlern, unseren Nachwuchssportlern jegliche Möglichkeit genommen hat, ihren Sport auszuüben. Die Kinder haben 5 Stunden und mehr vor dem Handy, vor Spielkonsolen verbracht, und das Endergebnis des Ganzen sehen wir heute. Das ist schlicht und ergreifend eine katastrophale Sportpolitik, Herr Sportminister.


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Wir haben Sportvereine, die keinen einzigen Teilnehmer mehr zu Wettkämpfen schicken können, da Sie das in Ihrer Regierungszeit vernichtet haben, den Kindern die Freude am Sport genommen haben, drei Jahre alles zugesperrt haben. Das Ergebnis ist, dass inzwischen 80 Prozent der Kinder in Österreich zu wenig Bewegung machen. Da hilft es auch nichts, wenn wir von der täglichen Sportstunde reden, von der wir seit 30 Jahren reden. Ich glaube, diese Ankündigungspolitik ist schlicht und ergreifend zu wenig. Es braucht endlich eine Umsetzung, um auch in den Schulunterricht mehr Bewegung hineinzubringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch eines, Herr Sportminister: Ich habe vorhin gesagt, Sie haben Schwimm­bäder zugesperrt. Die Todesursache Nummer zwei bei Kindern in Österreich ist das Ertrinken. Sämtliche Vereine, die Wasserrettung, die Österreichische Wasserrettung, die Wasserrettungen in den Bundesländern, schlagen Alarm, weil Millionen Schwimmstunden ausgefallen sind, und Sie sind nicht in der Lage, die Schwimminfrastruktur so auf Schiene zu bringen, dass diese Stunden nachgeholt werden können, damit jedes Kind in Österreich schwimmen kann, dass wir das endlich schaffen. Ganz im Gegenteil: Statt die Schwimminfrastruktur auszubauen, hat es diese Bundesregierung geschafft, Energiekosten so in die Höhe zu treiben und eine Rekordinflation herbeizuführen, dass es für Betreiber von Schwimmbädern und Schwimmhallen schlicht und ergreifend schon fast nicht mehr möglich ist, diese noch weiter aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

5 Stunden und mehr verbringen unsere Kinder aber mit dem Mobiltelefon, mit Spielkonsolen, und da passt es für mich ja nur gut ins Bild, dass inzwischen der E-Sport, der elektronische Sport, sogar ein Zweig in den Heeressportzentren geworden ist. Ich stelle mir beim Leistungssport in Österreich etwas anderes vor, denn, Herr Vizekanzler, sonst könnten Sie ja nach Ihrer Politikerkarriere noch Leistungssportler werden, wenn dieser E-Sport jetzt tatsächlich ein Leistungs­sport in Österreich ist. (Beifall bei der FPÖ.)


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Mir fehlt aber auch die Wertschätzung gegenüber dem Sport. Eines ist zu wenig, Herr Sportminister: nach Kitzbühel zu gondeln, eine Gesichtswäsche vor der ORF-Kamera zu nehmen und 5 Minuten später irgendwo im VIP-Zelt zu verschwin­den. (Bundesrat Schreuder: Das hat der Strache nie gemacht!) Das ist keine Wertschätzung gegenüber unseren Sportlern (Beifall bei der FPÖ), das ist keine Wertschätzung gegenüber jenen Menschen, die tagtäglich großartige Leistungen vollbringen.

Es kann ja bitte nicht sein, dass ein Sportminister der Republik Österreich nicht einmal willens ist, vom ersten bis zum letzten Sportler jedem einzelnen Wertschätzung entgegenzubringen und sich das anzuschauen. Schließlich und endlich waren auch bei den letzten Startnummern, 50 und aufwärts, noch österreichische Sportler dabei, noch dazu welche, die erstmals in einem Weltcuprennen gestartet sind. Wer hat gefehlt? – Sie, Herr Sportminister. Das ist keine Wertschätzung gegenüber unseren Athleten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen nur sagen, es ist ein steiniger Weg, bis man tatsächlich einmal auf der großen Weltcupbühne steht. Schauen Sie einmal hinein in all die Vereine, in denen Eltern, Nachwuchsathleten, Trainer engagiert sind, wie viel mühevolle Kleinstarbeit es ist, Stück für Stück einen Schritt besser zu werden!

Ich muss sagen, in der Steiermark – Sie sind ja auch ein Steirer – bin ich bei ganz vielen Sportarten unterwegs, ganz egal ob es Skifahren oder Fußball ist. Ich bin nicht der begeisterte Fußballer, aber allein um den Sportlern Wertschätzung zu geben, schaue ich mir das an.

Es gab ganz viele Landesmeisterschaften. Auch heute findet wieder eine Landesmeisterschaft in der Steiermark statt. Der Einzige, den ich bei all diesen Landesmeisterschaften vermisse, sind Sie, Herr Sportminister. Ich glaube, gerade für Sie als Steirer wäre es schön, auch einmal bei einer Landesmeisterschaft unserer Jugend – unserem Nachwuchs – jene Wertschätzung zu geben, die sie verdient. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Das ist ein bisschen Kabarettprogramm heute!)


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Mir geht leider langsam die Redezeit aus, doch ich möchte schon noch auf ein paar Punkte zu sprechen kommen, die Sie selbst einmal eingefordert haben. Wo bleibt die Reform der Bundessportförderungsstruktur, die Sie selbst in der Opposition gefordert haben? Wo bleiben das Berufssportgesetz oder die Berufs­sportgesetzreform (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder), die Sie selbst ins Regierungsprogramm hineingeschrieben haben? Wo bleibt die echte Unterstüt­zung ehrenamtlicher Tätigkeiten? All das fehlt mir.

Um mit einigen wenigen Worten Ihre Regierungstätigkeit im Bereich des Sports zu beschreiben, fallen mir ein: Untätigkeit, Desinteresse und mutwillige Zer­störung. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.42


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport zu Wort gemeldet. Ich erteile dieses und weise darauf hin, dass die Redezeit 10 Minuten bitte nicht überschreiten soll. – Bitte.


11.43.15

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Damen und Herren Bundesräte! Hohes Haus! Erstens danke für die vielen konstruktiven Beiträge. Man hat selbst beim letzten etwas Konstruktives heraushören können, wenn man wollte.

Ich gehe auf ein paar Punkte ein, ungefähr so erratisch, wie es der Aschermitt­wochsatmosphäre der vorigen Rede entspricht. Also jetzt tatsächlich zu Kitzbühel: Ich weiß zwar nicht, ob ich Bundesrat Steiner, denke ich, dort getroffen habe, aber wie Sie dort in Erfahrung hätten bringen können, war ich dann auf dem Weg nach Bad Ischl, um dort die Kulturhauptstadt mitzueröffnen. (Bundesrat Steiner: Mitgetanzt? Mitgetanzt? – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ.) Wenn Sie Sport und Kultur gegeneinander ausspielen wollen, ist das Ihr Kaffee. Das würde ja ins Bild passen. Ich habe dort aber überhaupt kein „VIP-


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Zelt“ gesehen. Möglicherweise wissen Sie, dass es eines gibt, weil Sie sich darin herumgetrieben haben – ich weiß es einfach nicht.

Es ist, glaube ich, auch nicht so wichtig. Man soll die Dinge nur, denke ich, im Lot halten, wenn sie denn auseinandergeraten. Man kann dann eh viel über das reden, was die Vergangenheit gebracht hat, was gegenwärtig und was für die Zukunft ist. Da würde ich Ihnen recht geben: Man muss schon über das Aktuelle – wie es auch hier heißt – reden und darüber, was es für die Zukunft bringt.

Sie selber kommen allerdings auch immer mit der Vergangenheit, und das mit ein paar falschen Geschichten, aber sei’s drum, das sind wir gewohnt. Ich sage Ihnen erstens: Sie wissen genau, dass das Sportministerium zu Pandemiezeiten dort keine Kompetenzen hat. Das macht aber nichts, wir sind eh als Regierung gerne gemeinsam verantwortlich: Bundeskanzleramt und Gesundheitsministerium. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)

Ich sage Ihnen aber trotzdem etwas, nämlich dass Sie sehen werden, wenn Sie sich das im europäischen Vergleich anschauen, dass Österreich zu den ersten Ländern gehört hat, wo nach pandemiebedingten Restriktionen und Schließungen die Dinge gerade für die Jugend – in der Schule, aber vor allem auch außerhalb, bei den Vereinen – wieder aufgemacht wurden, teilweise deutlich vor jenen für die Erwachsenen, weil wir eben das Problem und das Phänomen erkannt haben. Das sollten Sie einmal registrieren.

Es wird aber halt immer so hin- und hergehen, und Sie werden wider besseres Wissen weiter in den sogenannten sozialen Medien Ihre Lügenpropaganda verbreiten. So ist es halt, damit muss man leben. Ich bin ja nicht einmal gram, weil mich ja alles andere überrascht hätte. Da wäre ich jetzt ein bisschen gefordert, wenn es anders gekommen wäre, aber so hat man ja etwas, worauf man sich beziehen kann.


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Ähnlich ist es bei den Schwimmbädern. Ehrlich gesagt denke ich immer, der Bundesrat ist ein Gremium, in dem besonderes Wissen über die Kompetenz­verteilung herrschen sollte: Was ist Ländersache, was ist Bundessache? (Heiterkeit des Bundesrates Schreuder.) Vieles machen sie auch gemeinsam, aber die meisten Dinge, die Sie ansprechen, sind Ländersache.

Das mit den Hallenbädern ist ein großes Thema, da gebe ich Ihnen völlig recht. Wir diskutieren das ja an anderer Stelle. Wie Sie vielleicht wissen, sind wir nur zuständig, wenn es eine überregionale Bedeutung gibt. Das hat mit Wett­kampfstätten zu tun. Wir fördern von Innsbruck bis Klagenfurt – so viel wie wenige vorher –, um diese Wettkampfbecken zu bekommen. Bei den anderen muss man im Übrigen halt in den Kommunen und in den Ländern beginnen.

Wenn es irgendwie geht, zahlen wir ja gern etwas dazu. Dass das jetzt besser als früher geht, hat ja auch damit zu tun – und das ist schon ein Thema –, dass die budgetäre Situation für die Sportbudgets in verschiedenen Rubriken einfach viel großzügiger geworden ist. Das ist ja auch nicht von ungefähr gekommen. Das habe ja nicht ich erfunden, sondern da haben mehrere zusammengearbeitet, aber diese Möglichkeiten gibt es jetzt eben.

Ich würde Sie nur ersuchen: Wenn wir schon über die Zukunft reden, ist das noch kein Freibrief, über die Vergangenheit etwas Falsches zu erzählen.

So wird sich das halt auch ständig wiederholen, ich bin da nicht naiv. Auf der anderen Seite: Wir sind da eh schon eingespielt, und so wird es halt weiter­gehen. Vielleicht begegnen wir uns ja dann bei diversen Sportereignissen, bei denen ich Sie noch nicht gesehen habe – da würden mir jetzt aus den letzten drei Wochen auch viele in der Steiermark einfallen, eine Skiflug-WM zum Beispiel, aber vielleicht sind Sie gerade woanders gewesen. (Bundesrat Leinfellner: Na ja! ...! – Bundesrat Schreuder: In Bad Ischl!)

Der Punkt ist aber: Auf dieser Ebene können wir das nicht diskutieren. Ansons­ten ist es schon richtig, dass wir da ein paar Themen haben, auch was das


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Schwimmen betrifft. Da gibt es jetzt dort, wo wir können, tatsächlich weitere Initiativen, nämlich zur Bestandserhebung, weil es nicht einmal die gibt. Wie man weiterkommt, wissen die Bundesländer selber oft nicht: Welche Schwimm­flächen stehen überhaupt zur Verfügung? – Wenn man die nicht gebucht bekommt, hilft nämlich die ganze Initiative nichts.

Da gibt es aber große Fortschritte und da geben wir selber von uns aus auch die eine oder andere Million Euro hinein. Das haben wir auch gemacht, gemeinsam mit der steirischen Landesregierung zum Beispiel, um da voranzukommen. Es trifft aber sicherlich zu, dass das ein wichtiges Thema ist.

Jetzt zu den anderen Beiträgen: Wenn ich Frau Bundesrätin Eder richtig verstanden habe – wie war das noch einmal: 25 Minuten, sieben Gummibärli? (Bundesrätin Eder: Ja, genau! 10 Minuten, ... 25 Kalorien!); ah, okay! –, hätte ich ja damals fast an dieser Stelle, im Budgetsaal, mit meinen 12 Stunden und 42 Minuten Daumen mal Pi hundert Gummibärli verbraucht. (Bundesrätin Eder: Ich habe nachgerechnet: ein halbes Kilo Gummibärchen!) – Ja? Na, ein Wahnsinn. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP.) Da darf einen nichts mehr wundern.

Immerhin sind wir im 4. Bezirk im Regen – davon habe ich mich nicht abhalten lassen; die Dienstkarosse habe ich stehen lassen – halt zu Fuß einkaufen und ins Kaffeehaus gegangen. Das war eine sportliche Betätigung. Ansonsten bin ich geständig: Ich habe heute noch nicht so viel gemacht.

Jetzt aber wieder zurück zu den ernsten Beiträgen: Ich glaube, mit dem, was Sie im Bereich des Behindertensportverbandes und auch, wenn man so will, im Bereich des Mentalbehindertensports und der Sektion dort angesprochen haben, haben Sie natürlich einen Punkt, weil bei den Special Olympics sehr viel Aufmerksamkeit liegt. Das begreife ich. Es ergreift auch immer sehr viele, wenn man dort ist.


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Das wird ganz gut gemacht, im Übrigen mit sehr, sehr vielen Freiwilligen – das war heute auch bei der Frau Landeshauptfrau ein Thema. Das Engagement ist riesig. Wie Sie wissen, bin ich ja da auch aus persönlichen Gründen involviert. Ich kann wieder die nächste Runde in Graz und Schladming empfehlen. Die Winterspiele der Special Olympics sind ja schon im März – die österreichischen, nicht die weltweiten. Ich muss sagen: tolle Sache! Ich gebe Ihnen allerdings recht – wir haben das vorhin schon hergezurrt –, dass wir darauf, weil es einfach verschiedene Arten von etwas Ähnlichem sind, mehr Augenmerk legen sollten. Danke für diese Anregung!

Kommen wir zu den anderen Punkten, die da gestreift wurden beziehungsweise zu denen ich auch sprechen wollte: Diese Finanzierungsmöglichkeiten erzeugen natürlich aktuell und auch für die Zukunft sehr viel Potenzial. Das soll nicht ganz unerwähnt bleiben, ohne jetzt weiter Lob aus der Vergangenheit zu kassieren. Die Möglichkeiten sind natürlich riesig, wenn die Besondere Sportförderung um 50 Prozent erhöht wird und wir das für die Fachverbände aufteilen können, denen im Übrigen jetzt auch mehr Kriterien vorgegeben werden, wie sie selbst noch effizienter und erfolgreicher werden können.

Wenn man sich den österreichischen Spitzensport anschaut: Das bin nicht ich speziell; wir arbeiten, ausgehend von dem, was da war, ein paar Jahre weiter. Da gab es auch schon die Vorgänger mit den entsprechenden Sportfördergesetzen, die wir damals als Abgeordnete zum Teil kritisiert haben, das stimmt. Umgekehrt muss man aber, wenn man sich die Bilanz anschaut, anerkennen: So erfolglos kann das dann auch nicht sein. Die Misserfolge bei diversen Olympischen Spielen et cetera vor zehn, 15 Jahren – so lange ist es her – waren ja mit ausschlag­gebend für die Reform. Das hat sich komplett gedreht, das sollten wir einmal erkennen. Da waren auch andere beteiligt, wir bauen jetzt darauf auf, geben aber mehr als einen Boost dazu.

Das Gleiche gilt natürlich auch für den Breitensport, bei dem wir sehr viel über die Allgemeine Sportförderung erreichen können, die wir ja fast verdoppelt


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haben. In Summe ist es fast eine Verdoppelung. Jetzt könnten wir es natürlich schnell durchrattern.

Nun komme ich zum ersten Schwerpunkt: Was sicherlich für die Zukunft bedeutender ist als die Vergangenheit, ist, dass die angesprochene tägliche Bewegungseinheit ausgerollt wird. Das ist ein Riesending – ich möchte Sie nur daran erinnern, dass Sie lustig mitregiert haben, als die, wie man sie damals nannte, Turnstunden gekürzt wurden –, und dieses Mal ist das erste Mal. Ich will das gar nicht auf die zwei Regierungsparteien alleine münzen, weil da im positiven Sinne viele dahinter sind. Es gibt ja jeweils andere politische Färbungen in den Bundesländern, die da auch mittun müssen. Das würde ich wirklich als etwas Gemeinsames sehen, im Übrigen auch mit den neuen Kollegen, den FPÖ-Sportlandesräten, dass wir da alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Das ist ein Megaprojekt.

Mit Pilotprojekten, die supererfolgreich sind, anzufangen, war schon eine große Sache; es wurde nämlich in vielen Regionen exemplarisch gezeigt, wie das funktionieren kann. Die Evaluierung ergibt sensationelle Ergebnisse: Bei allen Kriterien wurde zu 95 Prozent super zufrieden angegeben, in den Volksschulen zu 100 Prozent.

Derzeit geht es darum, dass wir das Schritt für Schritt echt in die Breite kriegen. Wir müssen nur sehen, dass wir am Schluss noch einmal den Finanzminister brauchen werden, weil das für ganz Österreich irgendwann 100 Millionen Euro und ein bisschen mehr brauchen wird. Allerdings ist es immer noch, glaube ich, so circa um die Hälfte billiger, als man früher geglaubt hat. Deshalb ist früher auch dabei, es tutto completto ins normale Schulsystem zu integrieren, nie etwas weitergegangen – abgesehen davon, dass wir die Sportlehrer:innenausbildung gar nicht so schnell daran anpassen könnten. Wir kennen ja die Knappheiten.

Umgekehrt ist es ein Supervorteil, aus dieser Not eine Tugend gemacht zu haben, dass nämlich die Bewegungscoaches, die Trainerinnen und die Trainer von den Vereinen mit einer zusätzlichen didaktischen Grundbildung in die


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Schulen und Kindergärten kommen können, um dort diese Einheiten zu absol­vieren. Das ist echt super, wie das vorangeht! Manche Bundesländer – Vor­arlberg wurde ja besonders hervorgehoben – sind da schon ganz weit, die bieten das schon bald flächendeckend an. Bei den großen Flächenbundesländern ist das noch weniger der Fall, das ist ja klar. Die, die mehr brauchen, werden mit dem neuen Fördersystem auch mehr unterstützt. Das wird alles in die Richtung umgebaut, ich habe da (auf eine vor ihm liegende Mappe weisend) – Sie sehen eh die dicke Mappe – ausreichend Dokumente nur zu dem Thema. Das werde ich Ihnen ersparen, außerdem sind die 10 Minuten Redezeit schon vorbei. Da sind wir dann schon bald beim achten Gummibärli, wenn ich da alles sage. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Deshalb glaube ich, das ist ein Riesenprojekt, von dem ich nur sagen kann: eine echt gemeinsame Sache über die Gebietskörperschaften hinweg und über die Parteien hinweg. Ich habe da eigentlich ein gutes Gefühl.

Ganz zum Schluss: Ich verstehe erstens auch die Landesräte, die sagen: Na, Moment, die reden immer davon, dass man es noch weiter hinausbringt; von mir aus eh, aber machen wir einmal ein Commitment, dass es mit dem Stundenplan kompatibel ist! Da ist dann schon der Bund, allerdings das Bundesministerium, zuständig. Zweitens wird das sehr viel Geld kosten, das ist sozusagen ein kleiner Finanzausgleich für Sportschulen. Das muss man einfach sehen. Wenn man schaut, sieht man aber auch, wie erfolgreich wir sonst bei den sinnvollen Budget­verhandlungen für den Sport waren.

Ich gebe Frau Bundesrätin Schumann – sie ist ja gerade noch da – und Frau Bundesrätin Eder noch einmal recht, was das für ein Investment für die Zukunft ist. Das wird vielleicht erst in 50 Jahren geerntet, schließlich haben wir zwar eine hohe Lebenserwartung, aber relativ gegen Ende lange ungesunde Jahre. Wie will man denn da einmal hineinkommen? Da muss man schon überall ansetzen, und das mit einem echten Investment! So etwas gehört eigentlich in die goldene Investitionsregel, wonach man bekanntermaßen Investitionen von laufenden Ausgaben trennt und da wirklich anschiebt. Ich bin da aber sehr


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zuversichtlich, alle werden mit Überzeugungskraft dafür eintreten. Es wird von Jahr zu Jahr ein Fünfmillionenpackerl mehr brauchen und die Strukturen müssen geändert werden, aber am Schluss kommen wir immer noch um die Hälfte billiger und sind doppelt so effizient. Ja, es wird uns noch 100 Millionen Euro kosten, das muss man ganz ehrlich sagen, und alle müssen eben an einem Strang ziehen.

Die anderen Schwerpunkte mit der Gleichstellung sind genannt worden. Das hatten wir das letzte Mal, das muss ich nicht wiederholen, da würde ich Bundesrat Leinfellner recht geben: Gendertraineeprogramm et cetera. Was man allerdings schon sehen muss: Es ist in diesem Jahr, 2024, mit 40 Teilneh­mer:innen am Höhepunkt. Das läuft super.

Betreffend die Gleichstellungspolitik geht überhaupt sehr viel weiter. Man sieht es ja auch, wie schnell die Frauen dann da oder dort aufholen können, weil es im Mannschaftssport, also Frauschaftssport, diese spezielle Ligenförderung gibt. Auch da, wo schon etwas war, gibt es einen Boost durch Bewusstseinsänderung und Wertschätzung, Aufeinanderzugehen und Antauchen. Vor allem wird den Frauen selbst die Möglichkeit gegeben, sich besser zu entfalten, und man sieht, was da in Österreich weitergeht. Wir sind da in einigen Bereichen voll auf der Überholspur. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Letzte Punkte: Das betrifft nicht das Traineeprogramm und die Frauenligen, aber es gibt auch andere Schwerpunkte da drin. Vielleicht gibt es eine Gelegenheit, das vielleicht doch noch einmal in einer Sportausschusssitzung zu sagen. Ehrlicher­weise fühle ich mich für die Sportausschüsse nicht zuständig, noch nicht einmal für die im Nationalrat, aber wenn eine Sitzung einberufen worden ist, war ich noch immer dort. Ich hätte noch keine versäumt. Ich weiß nicht, wie hier die Usancen sind.

Ich würde überhaupt vielleicht wieder im Guten empfehlen – das habe ich ohne die Wortspenden schon gesehen –: Weil so viel Föderales in diesem Sportthema steckt wie angedeutet, macht es vielleicht sogar Sinn, wenn Sie aus dem


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Bundesrat sich mit Nationalratsabgeordneten zusammentun, um sich auf dieser Ebene noch einmal auszutauschen und auch Vorschläge zu machen. Mir ist bewusst, dass das gescheit wäre. Ich weiß auch, dass die Obfrau des Sportaus­schusses im Nationalrat, Frau Kollegin Prammer, dafür sehr offen ist. Das kann man nur aufgreifen, empfehlen und einfach machen. Wie Sie wissen, folgt ja die Exekutive der Legislative. Wenn es einen Ausschuss gibt, dann sind wir da, dann können wir weiterstreiten. Dann fällt uns wahrscheinlich der Schladminger Nachtslalom ein (Bundesrat Leinfellner: Ma, das hab’ ich ganz vergessen!) und wer dort schon wie oft war und wo er denn dann hingefahren ist. Das können wir dann ja fortsetzen.

Zurück zum Ernst: Es gibt noch zwei große Schwerpunkte, die wir weiterführen. Einer davon ist Integration. Da waren die Vorgänger auch sehr aktiv, da haben wir nicht so viel dazu beigetragen. Ich sage das immer gerne dazu. Das hat vor allem mit den Fußballstadien zu tun und damit, was man dort machen kann. Da gibt es das eine oder andere Programm und so weiter. Das kann man sich eh ungefähr vorstellen.

Was noch wichtig, aber neu ist und wo es jetzt erst so richtig interessant wird und es etwas zum Ernten gibt, ist der Schwerpunkt Nachhaltigkeit. Das betrifft zum einen Sportevents – Green Events wurden bereits erwähnt. Das erste Mal war es in dem Fall ein Weltcupslalom in Gurgl, der über weite Strecken ein Green Event war. Warum? – Weil wir das fördern!

Zum anderen geht es um die Sportstätten selbst. Apropos Sportstätten: Die sind natürlich nicht immer die greensten und sie verbrauchen viel Energie. Wir haben aber jenen öffentlichen Sportstätten, die nicht zum Beispiel von den Gemeinden oder Ländern unterstützt werden, mit den 15 Millionen Euro, glaube ich, doch ein Angebot gelegt, sodass Hallenbäder eben nicht zusperren müssen, wenn sie denn sonst nichts kriegen, weil wir genau aus dem Grund, den Sie erwähnt haben, einspringen. Dann bleiben wir aber bitte auch, was das Ergebnis betrifft, bei der Wahrheit.


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Wichtig ist aber noch einmal die Nachhaltigkeit. Ich lade nach Saalbach ein – das ist jetzt wirklich der letzte Punkt –, wo man sich das anschauen kann. Nächstes Jahr, genau um diese Zeit, startet die alpine Ski-WM in Saalbach. Da haben wir in Salzburg gut zusammengearbeitet, auch mit dem Kollegen von der FPÖ, und da haben wir anständig Förderungen bereitgestellt. Das aber auch gerne. Warum? – Weil man dort sieht, was wir machen. Es wird sicher – vielleicht nicht top und zu 100 Prozent, das geht ehrlicherweise im Sport oft gar nicht – das greenste Event, wenn man so will – eine Neuschöpfung –, im alpinen Skisport bis jetzt.

Das kann man sich heuer schon im März anschauen. Warum? – Weil das traditionell so ist, dass dort, wo im kommenden Jahr eine Weltmeisterschaft stattfindet, schon im Vorjahr das Weltcupfinale gefahren wird. Da wird man schon einige Teile sehen können, was da alles geschieht, aber lange noch nicht alles.

Also fühlen Sie sich zu beidem – heuer im März und nächstes Jahr im Februar – eingeladen. Damit habe ich hoffentlich auch ein bisschen haptisch beschrieben, wohin die Reise bei der Nachhaltigkeit geht. Jedenfalls sind der März 2024 und erst recht der Februar 2025 in der Zukunft und von daher ein bisschen aktuell. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.01


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gelangt Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


12.01.34

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Vizepräsident, alles Gute für die Vorsitzführung! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen


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und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Nur kurz zu Kollegen Leinfellner: Ich finde es natürlich schon ein bisschen merkwürdig, zu sagen, es gäbe keine Wertschätzung gegenüber dem Sport, wenn es gleichzeitig ein Rekordbudget für den Sport gibt. Das ist ein Widerspruch.

Ich bin zwar ein Wiener Bundesrat, aber als jemand, der in Bad Ischl aufge­wachsen ist, kann ich nur sagen: Kitzbühel ist schön, aber Bad Ischl ist Bad Ischl, ja.

Ich möchte eines schon auch sagen – ich habe vorhin mit meiner Kollegin Elisabeth Kittl darüber gesprochen, und ich glaube, es geht ganz vielen so, die in den Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern aufgewachsen sind –: Wenn man in dieser Zeit eine bestimmte Art von Pädagogen oder Pädagogin hatte – und ich hatte so einen –, war Turnunterricht tatsächlich eher ein traumatisches als ein motivierendes Erlebnis. Was diese tägliche Bewegungseinheit in den Schulen erreichen kann – nämlich als motivierende und aktivierende Sache – und was gemeinsam mit dem Bildungsministerium erreicht worden ist, das, das möchte ich wirklich sagen, ist wirklich ein ganz großer Sprung und eine ganz wichtige Sache.

Nach langem, langem Reden – wie oft ist über diese tägliche Turnstunde, wie sie damals noch geheißen hat, geredet worden – wird da wirklich etwas umgesetzt und etwas gemacht. Ich finde, das kann man gar nicht genug loben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich habe mir heute extra die Zahlen auf der Website angeschaut, weil jetzt ja das zweite Pilotprojekt eingegangen worden ist: Es sind schon 325 pädagogische Einrichtungen, die da mitmachen. Wir haben gehört, in Vorarlberg wird das dann flächendeckend passieren. Es sind bis jetzt 1 214 Klassen, die mitmachen.

Es gibt eine App, die Gib-mir-Fünf-App, dort speist man ein – die Daten von denen, die nicht einspeisen, die haben wir ja gar nicht –, da wurden bis jetzt 36 869 Stunden gemeldet, die in den pädagogischen Einrichtungen für diese


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tägliche Bewegungseinheit gemacht worden sind. Das, finde ich, ist ein Riesenfortschritt für unsere Kinder, und ja, das ist Fortschritt, das ist in die Zukunft schauen.

Kollegin Schumann hat Fragen wie Diskriminierungen, Sexismus im Sport und dergleichen angesprochen. Eines, finde ich, kann man vom Sport tatsächlich lernen: Sport ist ja etwas, das nicht losgelöst von der Gesellschaft passiert, sondern ein Spiegel der Gesellschaft ist. Probleme und Bruchlinien, die wir in der Gesellschaft haben, sind natürlich genauso im Sport spürbar, sichtbar und erlebbar: Muster von Diskriminierungen, Rassismus, Sexismus, Ausgrenzungen, in ganz schlimmen Fällen auch von Missbrauch, Gewalt oder Homophobie. Was wir in der Politik aber – nicht nur betreffend den Kalorienverbrauch bei unseren Reden – vom Sport auch wirklich lernen können, und das ist vielleicht das Wesentliche, ist Fair Play und mit Respekt miteinander umzugehen, zu respek­tieren, dass Menschen unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Religionen, unterschiedliche Hautfarben, unterschiedliche Biografien, unterschiedliche Geschichten haben. Wenn man das respektiert, funktioniert man als Team besser.

Was man auch lernen kann – im Sport hat man ja auch einen (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) „Gegner“ oder eine „Gegnerin“ –: dass es dafür Spielregeln braucht. Ich sage sogar als Sportklubfan: Was wäre der Sportklub, wenn es die Vienna nicht gäbe? Was wäre man als Rapid-Fan, wenn es die Austria nicht gäbe? (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wenn beide erfolgreich sind, ist es sogar umso spannender. Wenn man mit diesem Respekt miteinander umgeht, kann man wirklich vom Sport viel lernen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

5 Minuten gehen schnell vorbei, aber ich möchte doch noch einige Initiativen erwähnen, weil sie noch nicht erwähnt worden sind: die Fairplay Prevention – das ist eine Anlaufstelle gegen menschenfeindliche Ideologien im Sport, das läuft seit einiger Zeit. Da werden tatsächlich ganz gezielt Sportvereine und ‑verbände unterstützt, wenn es zu Problemen kommt. Menschen, die Opfer von solchen


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Erfahrungen werden, können sich dort melden. Das ist eine hervorragende Sache.

Oder Vera*: Vera* ist eine Vertrauensstelle, die nicht nur für den Sport, sondern auch für den Bereich Kunst und Kultur da ist. Da gibt es wirkliche Kompeten­zstellen nicht nur, aber vor allem für Frauen, die Opfer von Gewalt und Übergrif­fen werden. Die Opfer können sich dorthin wenden.

Eine Sache möchte ich auch erwähnen, weil ich mich darüber sehr freue, die geschieht, weil die Stadt Wien das unterstützt, weil es auch vom Sport­ministerium großartigerweise unterstützt wird: Dieses Jahr treffen sich in Wien über 5 000 Athletinnen und Athleten – und zwar mit Sternchen, Herr Kollege Spanring – aus den LGBTIQ-Sportverbänden ganz Europas, um bei den Eurogames 2024 von 17. bis 20. Juli ein Sportfest zu veranstalten, das genau diese Fairplay-Idee und dieses Miteinander in den Vordergrund rücken wird. Das wird Freude, das wird ein Fest! Was lernt man daraus? – Sport ist für alle da. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

12.07


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gelangt Ernest Schwindsackl. – Bitte.


12.07.46

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! „Und sie bewegt sich doch!“ – die berühmten Worte von Galileo Galilei. (Bundesrätin Schumann: Genau! Bevor er ...!) Dass sich die Erde um die Sonne dreht, ist hinlänglich bekannt, ebenso, dass sich die auf der Erde befindlichen Menschen auch – mehr oder weniger – bewegen.

Bewegung und Sport sind wesentliche Bestandteile des Alltags der Menschen in Österreich und ein bedeutender Gesundheitsmotor sowie Wirtschaftsfaktor.


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Bundeskanzler, Vizekanzler und die Landeshauptleute mit den Landessport­referenten unterstützen den Sport in der ganzen Bandbreite. Das ist äußerst lobenswert, dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Körperliche Aktivität und die daraus zu erzielenden volkswirtschaftlichen Wirkungen gewinnen vor dem Hintergrund der steigenden Kosten im Gesund­heitswesen zunehmend an Bedeutung. Daher ist eine Aufwertung von Bewegung und Sport vom Kindergarten über die Schulen, am Arbeitsplatz bis hin zu den Senioreneinrichtungen auch entsprechend erforderlich.

Die Bedeutung des Breitensports sowie des Leistungssports wurde schon von meinen Vorrednern ausführlich behandelt. Ich möchte das Fenster zu Bewegung im Alter – wobei der Begriff Alter nur über die Geburtsurkunde definiert wird, wir Älteren sind nur etwas früher geboren – entsprechend öffnen.

Spaziergänge, Laufen – der älteste Marathonläufer beim letzten Grazer Marathon war 91 Jahre alt; er begann mit 60 Jahren zu trainieren und lässt seitdem keinen Marathon aus, ist noch immer halbwegs fit; er ist natürlich nicht mit den Kenianern an ganz vorderer Stelle gewesen –, Schwimmen, Tanzen, Radfahren: Das sind Sportarten, die mit angepasster Intensität ausgeübt werden können.

Man trainiert das Gleichgewicht, die Koordination und fördert die Beweglichkeit. Ältere Personen müssen ja nicht unbedingt Sportarten wie Boxen, Bungee­jumping, Rafting oder Eisschwimmen betreiben. Durch gezielte Bewegung im Alter lassen sich auch Alltagskompetenzen aufrechterhalten, die ein eigenständiges und vor allem selbstbestimmtes Leben ermöglichen und damit das Lebensgefühl wesentlich verbessern.

Körperliche Aktivität senkt das Risiko, altersbedingte Krankheiten zu erleiden, und erhöht die Lebenserwartung. Sport wirkt im Alter gegen Muskelschwund und Übergewicht, senkt den Blutdruck und schafft Gleichgewicht und Lebensfreude.


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Sport trägt auch zum positiven Denken bei. Wenn man in Bewegung ist, kommt man auch mit anderen Menschen zusammen und kommuniziert das eine oder andere. So kann man auch dem von Paul Watzlawick beschriebenen Phänomen entgegenwirken: Wer sich selber nicht mag, kann andere nicht ausstehen.

Die zahlreich geförderten Einrichtungen in den Städten und am Land sowie die Fitnessstudios bieten Jungen und eben auch Junggebliebenen diese Möglichkeit der allgemeinen Nutzung.

Übrigens – es wurde auch schon angesprochen – haben Sport und Politik einiges gemeinsam: Ziele, Strebsamkeit, Ausdauer, Teamfähigkeit, Ehrgeiz, Fairness und die Freude am Erfolg.

Abschließend ein Übungsprogrammpunkt aus einem Fitnesshandbuch für Sitzen­bleiber, also für Personen wie Politiker, die sehr häufig eine sitzende Tätigkeit ausüben: Langes Sitzen verkürzt die Muskeln. Zur Aktivierung des Körpers gerade aufrichten, Arme und Beine gut ausstrecken und den Sitznachbarn, die Sitznachbarin rechts und links freundlich anlächeln. Es tut Ihnen und Ihrer Nachbarin, dem Nachbarn sicher gut. (Die Bundesrätinnen Eder-Gitschthaler und Eder führen das erwähnte Übungsprogramm aus.) Gutes Gelingen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.12


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster gelangt Bundesrat Michael Wanner zu Wort. – Bitte.


12.12.25

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Ich fange einmal mit dem Anlächeln an. (Heiterkeit des Redners.) Herr Minister, grüß Gott! Ich hoffe, es tut Ihnen gut. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und alle, die Sie uns hier zuschauen! Auch wenn wir uns jetzt ganz nett


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angelächelt haben: Die Themenstellung ist so breit, dass eigentlich jeder irgendetwas dazu sagen kann, es bleibt aber einiges offen.

Was mich ein bisschen verwundert hat, ist, dass nach den Aschermittwochs­reden der FPÖ, die immer sehr witzig sind – ob das, was da gesagt wird, wahr ist, ist wieder eine andere Sache –, der Herr Minister von seinen 10 Minuten 7 Minuten dafür verwendet hat, um entsprechend provokant zu replizieren und über Gummibärchen zu diskutieren. Das ist ein wenig schade. Ich hätte mir eigentlich erwartet, dass Sie uns Ihr komplettes Programm vorstellen und nicht nur Kleinigkeiten daraus. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Die FPÖ wird gleich mit dem Klatschen aufhören, denn die Forderung nach einer Sportausschusssitzung geht in Richtung des Vorsitzenden des Sportausschusses, Bundesrat Leinfellner. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Das glaube ich nicht!)

Auch wenn keine Akten vorliegen, kann man jemanden durchaus einmal zu einer Aussprache einladen, das ist nicht verboten. Warum tun wir es nicht? (Bundesrat Spanring: Heiße Luft macht ihr von der SPÖ!) Machen wir es!

Ich komme mit allen Sportdachorganisationen gut aus und habe auch etwas Positives für Sie, Herr Minister: Man attestiert Ihnen, dass man mit Ihnen diskutieren kann, dass man mit Ihnen reden kann und dass Sie durchaus auch interessiert sind, etwas weiterzubringen. Das darf ich so sagen, das haben alle Dachverbände so kundgetan.

Ich komme jetzt zum Thema Sportförderung im Bereich verpflichtende Bewe­gungseinheiten für Kinder und Jugendliche an allen Schulen. Dass 1 400 Schulklassen da mitmachen, ist toll, ist ein guter Anfang, aber wir haben fast 6 000 Schulen mit einem Vielfachen davon an Schulklassen, sind also noch weit von einem ordentlichen Ergebnis entfernt. Gemeinsam mit dem Bildungsressort, mit den Bundesländern, mit den Gemeinden und den Sportorganisationen sollte da etwas getan werden.


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Mit dem Geld, das jährlich für diesen Bereich ausgegeben wird, nämlich 1 Million Euro – dieses Mal sind es, glaube ich, 0,75 Millionen Euro –, werden wir nicht ins Regelschulsystem kommen. Das fehlt! Das muss flächendeckend sein! Die SPÖ hat da mehrere Anträge eingebracht, die aber immer wieder vertagt oder nicht angenommen wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum heute schon angesprochenen Thema Ehrenamtlichkeit beziehungs­weise Freiwilligenförderung: Wie wir gehört haben, gibt es zwischen 500 000 und 580 000 Freiwillige, die in dem Moloch des Förderwesens untergehen.

Es gibt eine Bundessportförderung, es gibt eine Landessportförderung. Es gibt Energiezuschüsse, es gibt Einzelförderungen, es gibt Stadtförderungen. Ist eh okay, das ist viel Geld, nur muss das ein Freiwilliger, der in einem Verein kein Geld verdient, bearbeiten.

Es gibt nach Corona – um dieses Wort für die Freiheitlichen jetzt auch in den Mund zu nehmen – nicht im Bereich der aktiven Sportler ein Problem, es gibt vor allem einen Funktionärsschwund, und der ist damit begründet, dass es immer komplizierter wird. Die Administration und der Zeitaufwand für das Ehrenamt werden immer dramatischer.

Es steht im Regierungsprogramm, dass man das Ehrenamt fördern und fordern soll. Ein Preis für ein klasse Ehrenamt im Sportbereich ist zwar sehr schön, aber nicht nachhaltig. Da muss eine Offensive zur Förderung der ehrenamtlichen Sportfunktionäre her. Auch ein diesbezüglicher Antrag der SPÖ wurde von Schwarz-Grün am 13.12. in einem Plenum des Nationalrates abgelehnt. – Danke schön für das Ehrenamt! Ich gratuliere. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt gehen wir auf den Bereich des Gesundheitssports ein: Der Gesundheits­sport betrifft nicht nur alte Leute, sondern er betrifft alle. Bewegung ist wichtig, Bewegung ist gut, Bewegung soll unterstützt werden. Warum schaffen wir es aber nicht, dass das Gesundheitsministerium und der Sozialbereich gemeinsam


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mit dem Sport an einer Gesundheitsprävention arbeiten? Ihr hockt in der Regie­rung immer wieder zusammen, habt große Ideen, aber da schafft ihr es nicht. Wir stehen da und sagen: Das Wichtigste ist Prävention, das Wichtigste ist Vorsorge!, und dann scheitern wir am Reden von einem Tischerl zum anderen. – Das kann es wohl nicht sein.

Die SPÖ war immer dafür, dass der Sport leistbar sein muss. Da geht es nicht nur um Stunden in der Betreuung, um Trainerstunden, sondern auch um das Verfügbarmachen von Sportstätten, um das Haben von Sportstätten, und das kann man nicht nur so auf die Gemeinden und auf das Land abschieben. Da braucht es viel Geld, da muss mehr hineingebuttert werden.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Herr Bundesrat, ich darf darauf hinweisen, dass die 5-minütige Redezeit bereits überschritten ist. Bitte kommen Sie zum Schlusssatz!


Bundesrat Michael Wanner (fortsetzend): Das nehme ich aufgrund der roten Lampe zur Kenntnis. (Bundesrat Himmer – auf die Brille des Redners deutend –: Die rote Brille!) – Die rote Brille stört vielleicht jemanden, aber mich nicht.

Gemeinnützige Sportvereine gehören gefördert, größtmögliche Integration muss her, und das Ganze kann und muss der Sport schaffen! Da sind Sie nach vier Jahren Tätigkeit mehr als gefordert, Herr Minister. Bitte tun Sie noch mehr! (Beifall bei der SPÖ.)

12.19


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster gelangt Bundesrat Christoph Steiner zu Wort. Ich erteile dieses. – Bitte.


12.19.20

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Nach all den Redebeiträgen kann man schon eines sagen: Sport verbindet. Es war in allen Reden viel Richtiges dabei, vieles, was auch ich unterschreiben würde und unterschreiben kann.


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Ich bin auch froh, Herr Vizekanzler, dass man wieder einmal etwas von Ihnen hört, dass Sie speziell in Ihrem Bereich politisch wieder etwas beigetragen haben, denn im Jahr 2024 habe ich von Ihnen – außer Kickl hier, Kickl da, Rechts­radikale da, Nazis dort; was haben Sie noch alles gesagt: Kickl, Kickl, Kickl, eine Demo gegen Rechts mit Werner – noch nicht viel wahrgenommen, Herr Sportminister. Ich habe mich ehrlicherweise schon gefragt – und deswegen habe ich mich heute auch für die 5 Minuten Redezeit in der Aktuellen Stunde mit Ihnen gemeldet –, ob Sie vielleicht Zwangsgedanken haben oder Stimmen hören oder ob das Programm von Werner Kogler und den Grünen im Jahr 2024 Herbert Kickl und die damit verbundene Volkskanzlerschaft ist.

Es freut uns natürlich, wenn Sie uns in jedem zweiten Satz erwähnen und für uns Werbung machen, denn Sie machen für uns auch mit jedem einzelnen Grünen, der sich irgendwo hinstellt und eine Rede hält oder irgendwo seine heiße Luft verbreitet, Werbung, weil das wieder einmal beweist, dass der Wähler bei der Freiheitlichen Partei perfekt aufgehoben ist, weil es da um Hausverstand geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir schon beim Hausverstand sind, kommen wir gleich wieder zum Sport zurück. Vorher muss ich aber noch Kitzbühel erwähnen, weil Sie das auch erwähnt haben, Herr Vizekanzler. Ich war das erste Mal dort auf der Tribüne, auf der auch Sie waren – ich werde auch das letzte Mal dort gewesen sein, ich sehe lieber wieder von unten zu, aber ich wollte es mir einmal anschauen. Weil sich immer so viele beschwert haben, dass immer alle anwesend sind, solange die ORF-Kameras da sind, und dann weg sind: Das betrifft nicht nur Sie, Herr Vizekanzler. Sie sind ja dann zum Puderevent nach Bad Ischl gefahren, zum Pudertanz. Es wäre wahrscheinlich gescheiter gewesen, Sie wären in Kitzbühel geblieben. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Ich wollte mir aber einmal anschauen, ob das wirklich stimmt, dass alle ver­schwinden, sobald die angeblich Besten das Zielgelände erreicht haben. Es sind nicht nur Sie verschwunden, sondern wirklich alle. Wen ich allerdings positiv erwähnen muss, ist Frau Dorfmeister, die bis zum Schluss – bis zum letzten


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Skifahrer – auf der Tribüne geblieben ist und sich das angesehen hat. Ich finde, es ist eine wahnsinnige Frechheit, dass, quasi nachdem der ORF die Kameras abzieht, alle von dieser Tribüne verschwinden. Das hat mit Wertschätzung sehr wohl etwas zu tun, Herr Vizekanzler. Da können auch Sie sich nicht heraus­lamentieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir aber zurück zum Hausverstand. Herr Kollege Schreuder redet von Diskriminierung im Sport, LGBTIQ und so weiter. Brechen wir das einmal herunter und reden wir hausverstandsmäßig: Was passiert, wenn sich Kollege Spanring und Kollege Steiner quasi eine zweite Karriere im Frauensport überlegen? Sind wir dann auch Gender? Wir gehen dann bei den Frauen boxen, Kollege Spanring im Schwergewicht und ich im Mittelgewicht. (Allgemeine Heiterkeit.) – So ideologisch verblendet seid ihr! Versteht ihr, was ihr damit anrichtet?! (Beifall bei der FPÖ.) Vielleicht muss ich auch zum Schwergewicht; ist logisch, kann sein.

Da wir beim Gewicht sind, komme ich zurück auf Frau Kollegin Eder, die gesagt hat, beim Reden verbrenne man Kalorien. (Bundesrätin Eder: Zu wenig!) – Ich rede eh viel, ich verbrenne leider nicht so viele Kalorien, schade. Wobei man anscheinend aber viele Kalorien verbrennt, ist, wenn man ganz, ganz viel heiße Luft beim Reden produziert, weil man dann mehr schwitzt. Deshalb seid ihr alle schlanker als ich. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit bei Bundes­rät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein! Nein!) – Ich bemühe mich wirklich, auch den Knopf beim Sakko bekomme ich jetzt wieder zu.

Ich muss aber schon eines sagen, Herr Vizekanzler: Sie probieren es immer wieder. Sie stellen sich heute hier ins Parlament, attackieren Herbert Kickl für etwas, das er am Aschermittwoch – nicht im Parlament – durchaus überspitzt, so wie sich das gehört und auch immer gemacht worden ist, gesagt hat, und Sie behaupten, die Oppositionsparteien verbreiten Lügenpropaganda auf Social Media (Bundesrat Schreuder: Stimmt ja!), und das ohne einen Ordnungsruf, Herr Vizepräsident; völlig wurscht! Wenn sich der linke Werner Kogler hierherstellt


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und von Lügenpropaganda redet, dann gibt es keinen Ordnungsruf, weil es ja en vogue ist, weil es ja links ist, weil es ja nicht von rechts kommt.

Eines kann ich euch allen aber garantieren – und das ist mein Schlusssatz, weil die 5 Minuten leider schon um sind –: Rechts ist mittlerweile in der Mitte (Heiterkeit des Bundesrates Zauner) und ihr Linken schafft euch ab! (Beifall bei der FPÖ.) Ohne rechte Politik gibt es in diesem Land keinen Hausverstand mehr. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

12.24


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zur Abgabe einer abschließenden Stellung­nahme hat sich der Herr Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport zu Wort gemeldet. – Ich erteile Ihnen das Wort und ersuche, die Redezeit von 5 Minuten, wenn möglich, einzuhalten. – Danke.


12.25.14

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Ehrlich gesagt hätte ich es ja so verstanden, dass das Motto für Aktuelle Stunden vom Bundesratspräsidium mit vorgegeben wird (Bundesrat Steiner: Nein, das gibst du vor!), und ich versuche, darauf einzu­ge­hen, was da gesagt wird. Das gehört ja auch zu einem lebendigen Parlamentaris­mus. (Bundesrätin Doppler: Wir machen keine Aktuelle Stunde! – Bundesrat Steiner: Wir machen keine Aktuelle Stunde! Das ist eine Lüge! Die gebt ihr vor!) – Ich rede ja gar nicht über Sie. Ich weiß gar nicht, wieso Sie sich immer angesprochen fühlen. (Bundesrat Steiner: Das Ministerium gibt das Thema vor, nicht das Präsidium!) Wir haben das abgestimmt (Bundesrätin Doppler: Wer?), und deshalb sage ich es so. Das ist einmal das eine. (Bundesrat Steiner: Nichts ist abgestimmt! Das ist Lügenpropaganda! – Bundesrat Leinfellner: Das ist aber jetzt Lügenpro­pa­ganda!) – Meinetwegen.

Das Zweite, auf das ich hinauswollte, ist, auf das einzugehen, was von Ihnen gesagt wurde.


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Drittens würden sonst mit diesem Konvolut von all dem Gesagten hier noch mehr Gummibärli verbraucht. Ich habe vorhin ohnehin schon eineinhalb Gummi­bärli lang länger geredet, dafür brauche ich jetzt nur 5 Minuten. Auf eines wollte ich aber schon noch eingehen: Es ist richtig, dass uns die Ausrollung der täglichen Bewegungseinheit noch viel abverlangen wird. Das sage ich ja selbst, um Gottes willen. Wir sollten aber schon auch anerkennen, dass sie jetzt einmal aufgegleist wurde – und das wäre im Übrigen nie so gelungen, wenn wir nicht diese Pilotprojekte mit mehreren Ministerien und mit den Bundesländern gemacht hätten. Jetzt kann es wirklich ausgerollt werden.

Im Übrigen erkennen Sie die Tatsache, dass die Bundesländer massiv beteiligt sind, daran, dass es sehr große Unterschiede gibt. Ich habe mich vorhin bemüht, keine Zuweisungen zu machen. Das hat ehrlicherweise auch nichts mit Parteifarbe zu tun. Wir hatten Vorarlberg erwähnt. Im Burgenland läuft es auch sehr super. In Wien ist es eben nicht so super, wenn Sie schon darauf hinweisen – vielleicht, weil es größer ist. Das stimmt schon. Man kann aber trotzdem etwas tun.

Der beste Beweis dafür, wenn es um den Föderalismus bei einem Projekt geht, ist, wenn die Bundesregeln überall einheitlich sind (Bundesrätin Schumann: Na, ist schon gut, Herr Vizekanzler! Übertreiben wir es nicht!), aber in der gleichen Story in einem Bundesland ganz viel Positives passiert und beim anderen weniger. Da die Bundesregeln und auch die Mittel überall gleich sind, wird es wohl so sein, dass die Länderverantwortung ausschlaggebend sein muss, wenn man das so benennen will. Ich hätte das sonst nicht mehr gesagt. Aber, siehe da: Wir versuchen, auch bei diesem Punkt Abhilfe zu schaffen, weil ich ja weiß, dass es in den größeren schwieriger ist. (Bundesrätin Schumann: Es gibt nur eine Großstadt, ... Wien!) Mit dem neuen Fördersystem, mit dem wir zuzahlen, wird jetzt beispiels­weise für Wien und Niederösterreich das meiste abfallen.

Das Ganze ist ein Projekt, das über mehrere Jahre geht. Das ist doch völlig logisch, so etwas schafft man nicht über Nacht. Ich finde aber, wir sollten alle damit


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zufrieden sein – ich habe ja auch die neuen Kollegen der Freiheitlichen als Sport­landesräte angesprochen –, wenn wir in ein paar Jahren sagen können: In dieser Zeit ist das losgegangen und es ist unstoppable, es ist unumkehrbar. Das wird wichtig werden, denn da werden wir noch genug Barrieren überwinden müssen. Ich bin ja gespannt, ob diejenigen, die bei den nächsten Regierungsver­hand­lungen dabei sind – wer auch immer das sein wird, ich lasse das einmal offen –, das auf dieselbe erfolgreiche Art und Weise fortsetzen, wie es jetzt begonnen wurde. Vielleicht machen wir es ja selber, wäre auch nicht schlecht; passt ja. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Das bezweifle ich! – Bundesrat Leinfellner: Aber das waren berechtigte Zweifel!) Das muss auch einmal jemand schaffen, das Ausrollen ist alles andere als selbstverständlich.

Zu den Gemeinnützigen – das ist ein wichtiger Punkt, da kann man sicher noch mehr machen –, ich meine die Freiwilligen und die Ehrenamtlichen: Was da geleistet wird, ist enorm. Ehrlicherweise gibt es auch in diesem Bereich in dieser Legislaturperiode Fortschritte zu verzeichnen, die vor allem den Sport betreffen, alles Mögliche, von der Spendenabsetzbarkeit bis dazu, dass die Prae erhöht wurde. Da müssen Sie schon weit in die Vergangenheit blicken, um eine Zeit zu finden, in der so viel weitergegangen ist. Auch da soll aber – Stichwort Aktuelle Stunde und Zukunft – noch mehr geschehen, danke für den Hinweis.

Und sonst bin ich zu jedem Sportquiz oder sonst etwas bereit, wenn hier so viel fröhlicher Übermut herrscht. Nur vielleicht einmal ein statistischer Vergleich: Ich möchte anregen, dass wir uns im Großen und Ganzen ansehen, was beim Kollegen Strache – den ich in einigen Punkten immer verteidigt habe – im Sport weitergegangen ist und was jetzt weitergeht. Der Vergleich macht uns sicher. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

12.29


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.


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Die Aktuelle Stunde ist beendet.

12.30.08Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Mag. Franz Ebner (den Vorsitz übernehmend): Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortungen,

der Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,

eines Schreibens des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie über den Ablauf der dreimonatigen Still­haltefrist beziehungsweise keine Einwendungen seitens der Europäischen Kommission und der anderen Mitgliedstaaten betreffend Beschluss des National­rates vom 15. Dezember 2023 betreffend ein Erneuerbaren-Wärme-Gesetz,

der Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mittei­lung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. xx)


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2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek am 14. Februar 2024 (ab 14 Uhr) und 15. Februar 2024 in Belgien (Anlage 2 und Anlage 2a – Vertretungsänderung)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA von 12. Februar 2024 (abends) bis 15. Februar 2024 in Frankreich (Anlage 3)

3. Schreiben des Landtages

Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates (Anlage 4)

4. Schreiben des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die erneuerbare Wärmebereitstellung in neuen Baulichkeiten (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWG) (2268 d.B. und 2351 d.B.) – Ablauf der dreimonatigen Stillhaltefrist bzw. keine Einwendungen seitens der Europäischen Kommission und der anderen Mitgliedstaaten (Anlage 5)

5. Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG

Nominierung von Herrn Mag. Karl Wilfing, Präsident des Niederösterreichischen Landtages als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen der Europäischen Union (Anlage 6)


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B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Bericht der Bundesministerin für Justiz über die im Jahr 2021 erteilten Weisungen nachdem das der Weisung zugrundeliegende Verfahren beendet wurde (III-832-BR/2024)

zugewiesen dem Justizausschuss

Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2024 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-833-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten

Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2024 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des spanischen, belgischen und ungarischen Ratsvorsitzes (III-834-BR/2024)

zugewiesen dem Justizausschuss

Bericht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2024 (III-835-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung


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Bericht der Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Jahresvorschau 2024 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission und des Programmes des Rates (III-836-BR/2024)

zugewiesen dem Landesverteidigungsausschuss

Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2024 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahres­programmes des Rates (III-837-BR/2024)

zugewiesen dem Umweltausschuss

Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2024 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-838-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend EU-Jahresvorschau 2024 zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2024 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2023/2024 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-839-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Familie und Jugend

Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2024 (III-840-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur

Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2024 (III-841-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten


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Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend EU-Jahresvorschau 2024 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-842-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2024 (III-843-BR/2024)

zugewiesen dem Finanzausschuss

Bericht des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft betreffend EU Vorhaben 2024 (III-844-BR/2024)

zugewiesen dem Wirtschaftsausschuss

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend EU-Jahresvorschau 2024 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2024 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2023/2024 (III-845-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft

Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2022, vorgelegt von der Bundesministerin für EU und Verfassung (III-846-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2022, vorgelegt von der Bundesministerin für EU und Verfassung (III-847-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

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Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Eingelangt sind und den zuständigen Aus­schüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Was tun Sie gegen Schlepperkriminalität, Herr Innenminister?“ an den Bundesminister für Inneres vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler hebt die Hand.)

Eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung: Bitte, Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler.

*****


12.32.50

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäfts­behandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist bekannt, dass Herr Minister Karner


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heute ab 15 Uhr im Ständigen Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union anwesend sein wird. Diese Ausschusssitzung wurde schon vor einigen Tagen mit allen Fraktionen einvernehmlich festgelegt.

Wir können daher momentan nicht davon ausgehen, dass Herr Minister Karner um 16 Uhr tatsächlich hier sein wird. Um diese Problematik zu besprechen, würde ich um eine Stehpräsidiale bitten, damit wir eine einvernehmliche Lösung dafür finden.

*****


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Ich unterbreche die Sitzung für die Dauer der Stehpräsidiale.

12.33.39*****

(Die Sitzung wird um 12.33 Uhr unterbrochen und um 12.39 Uhr wieder aufge­nommen.)

12.39.48*****


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Sehr geehrte Damen und Herren, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Die Präsidiale hat zu einer Lösung gefunden, und zwar: Es wird um 16 Uhr die Dringliche Anfrage aufgerufen. Falls der Bundesminister für Inneres zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend sein kann, wird für einen wahrscheinlich überschaubaren Zeitraum die Sitzung unterbrochen, bis der Herr Minister anwesend ist, und dann die Dringliche Anfrage behandelt.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der


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Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ÖVP-Grüne Bundesregierung als Pendlerschreck durch Verteuerung des Individualverkehrs und Missmanagement des öffentlichen Verkehrs“ an die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­va­tion und Technologie vorliegt.

Die Behandlung der an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gerichteten Dringlichen Anfrage wird unmittelbar im Anschluss an die Behandlung der Dringlichen Anfrage an den Bundesminister für Inneres erfolgen.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

12.41.181. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informations­freiheitsgesetz erlassen wird (2238 d.B. und 2420 d.B. sowie 11414/BR d.B. und 11416/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrätin Viktoria Hutter namhaft gemacht. – Ich bitte um den Bericht. 12.41.49


Berichterstatterin Viktoria Hutter: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird.


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Der Gesetzesbeschluss liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, somit komme ich gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag,

gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Theuermann. Ich erteile ihr dieses.


12.42.35

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Leider ist das Informationsfreiheitsgesetz den Titel nicht wert, son­dern es ist in Wahrheit eine weitere schwarz-grüne beziehungsweise in diesem Fall sogar eine schwarz-grün-rote Mogelpackung. (Beifall bei der FPÖ.)

Bekanntlich sind wir grundsätzlich dafür, dass man das Amtsgeheimnis gegen die Informationsfreiheit tauscht, aber die Umsetzung in der vorliegenden Form findet nicht unsere Zustimmung, was ich anhand von ein paar Zahlen in aller Kürze begründen darf.

Die zentrale Zahl ist 5 000. Gemeinden unter 5 000 Einwohnern sind nämlich von der Pflicht zur proaktiven Veröffentlichung ausgenommen. 40 Prozent der Österreicher leben in Gemeinden mit einer Bevölkerung von weniger als 5 000 Einwohnern. Diese 40 Prozent der Bevölkerung werden also von diesem vermeintlichen Transparenzinstrument ausgeschlossen. Die durchschnittliche Gemeinde hat übrigens 4 350 Einwohner. Lässt man Wien weg, sprechen wir


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von einem Durchschnitt von nur 3 400 Einwohnern. – Warum gibt es also eine Schranke von 5 000 Einwohnern in diesem Gesetz?

Noch drastischer sieht man die Auswirkungen dieser willkürlichen 5 000er-Schranke, wenn man einen Blick auf die Gesamtheit der Gemeinden wirft. Es gibt insgesamt 2 093 Gemeinden in Österreich, und nur 274 Gemeinden haben über 5 000 Einwohner. Das heißt, dass rund 87 Prozent der Gemeinden, also jene mit weniger als 5 000 Einwohnern, nicht vollumfänglich von einem Kernstück des neuen Gesetzes betroffen sein werden und keine Pflicht zur proaktiven Veröffentlichung haben. Dort müssten die Bürger also weiterhin ihr Recht auf Auskunftserteilung durchboxen, und damit bleibt eine große Hürde für die Transparenz bestehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade in kleineren Gemeinden, in denen man sich kennt, wird es daher weiter­hin schwierig bleiben, zu Informationen zu kommen, beziehungsweise werden Verfahren weiterhin in die Länge gezogen werden. In 87 Prozent der Gemeinden wird es also keine Verbesserungen geben. (Bundesrat Schreuder: Sie haben das Gesetz nicht gelesen!)

Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt unsererseits ist es, dass die Prüfrechte des Rechnungshofes nicht ausgeweitet werden. Ursprünglich war ja noch die Rede davon, dass Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mit zumindest 25 Prozent beteiligt ist, ebenfalls umfasst sein werden. Leider wurde diese Hürde aber wieder auf 50 Prozent gelegt, und somit gibt es auch in diesem Bereich nicht so viel Transparenz für die Öffentlichkeit, wie es möglich sein könnte.

Wir verstehen ja, dass Schwarz-Grün jetzt Torschlusspanik hat. Wenn man – wie besonders die Grünen – die eigenen Wahlversprechen und Ideale in den letzten Jahren (Bundesrat Schreuder: ... eine Partei, die ihre eigene Buchhaltung ver­brennt!) derart mit Füßen getreten hat und dann trotzdem nichts geschafft hat mit dieser schwarz-grünen Chaosregierung (Bundesrat Schreuder: ... Transparenz bei der Grazer KPÖ!), dann muss man sich selbst einreden, dass doch alles


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irgendwie einen Sinn gemacht hat, das verstehe ich ja. Das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz ist jetzt offenbar der letzte grüne Strohhalm, an den Sie sich mit aller Kraft klammern müssen (Beifall bei der FPÖ – Bundesrat Schreuder: Was ist mit der Buchhaltung der Wiener FPÖ?), bevor Ihre grünen Kollegen im Nationalrat (Bundesrat Schreuder: Graz?) in wenigen Monaten dann hoffentlich die Büros räumen müssen. (Neuerlicher Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Alles in allem kann man sagen, dass in diesem sogenannten, angeblichen Informationsfreiheitsgesetz nicht das drinnen ist, was draufsteht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.47


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Ich begrüße Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler sehr herzlich bei uns im Bundesrat – herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bernadette Geieregger. Ich erteile ihr dieses.


12.47.36

Bundesrätin Bernadette Geieregger, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Das Amtsgeheimnis wird abgeschafft, und es kommt das Recht auf Information für jede Bürgerin und jeden Bürger. – Das ist ein Meilenstein in der Geschichte unseres Landes. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

Es ist ein entscheidender Schritt in Richtung einer offenen, transparenten Politik. Das ist ein Paradigmenwechsel. Das ist gelebte Demokratie. Das ist ein weiterer Erfolg der Bundesregierung und der konstruktiven Kräfte im Hohen Haus für die Menschen in Österreich.


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In Zukunft ist Transparenz die Regel und Geheimhaltung die Ausnahme. In einer Zeit, in der das Vertrauen in die politischen Institutionen auf die Probe gestellt wird, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir als Vertreterinnen und Vertreter des Volkes alles in unserer Macht Stehende tun, um dieses Vertrauen zu stärken.

Das neue Informationsfreiheitsgesetz ist ein klares Bekenntnis zu diesem Ziel. Es gewährleistet, dass Bürgerinnen und Bürger einfachen Zugang zu Informationen erhalten, die von öffentlichem Interesse sind, und stärkt somit die demokrati­schen Grundlagen unseres Staates.

Das Informationsbedürfnis des 21. Jahrhunderts ist ein anderes als noch vor 100 Jahren, und deshalb werden wir diesem Bedürfnis auch gerecht und sorgen zeitgleich dafür, dass wir weiterhin eine funktionierende Verwaltung haben. Von der Pflicht zur proaktiven, also selbstständigen Veröffentlichung sind die Organe aller – der Verwaltung, der Gerichtsbarkeit und der Gesetzgebung inklusive aller Gemeindeverbände – inkludiert. Ausgenommen, wie meine Vorrednerin schon erwähnt hat, sind Gemeinden unter 5 000 Einwohner:innen.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass aber alle Gemeinden – mögen sie noch so klein sein – von der passiven Pflicht zur Veröffentlichung umfasst sind. Die Information bekommen alle Bürgerinnen und Bürger, ganz gleich, ob sie jetzt zum Beispiel in meiner Gemeinde mit circa 3 300 Einwohnern wohnen oder in der niederösterreichischen Landeshauptstadt mit 55 000 Einwohner:innen. Dass die FPÖ aufgrund dieser Regel heute nicht zustimmt, ist einfach nur billig. Man sucht offensichtlich nur einen Grund, um einfach nicht zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wer ist von der passiven Informationspflicht umfasst? Das ist das Grundrecht auf Zugang zu Informationen bei allen Organen der Verwaltung und bei sonstigen vom Rechnungshof kontrollierten Unternehmen, Stiftungen, Fonds und Anstalten. Die Bedeutung von Transparenz und Offenheit in der heutigen Gesellschaft kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zudem wird der


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Zugang zur Information erleichtert. Ermöglichen wir es den Menschen, besser informierte Entscheidungen zu treffen, die Politik kritisch zu hinterfragen und sich aktiv am demokratischen Prozess zu beteiligen! Dieses Gesetz ist ein Zeichen dafür, dass wir die Bedürfnisse und das Wohl der Bürgerinnen und Bürger an die erste Stelle setzen.

Das neue Informationsfreiheitsgesetz legt klare Regeln und Verfahren für den Zugang zur Information fest und definiert gleichzeitig die Ausnahmen, um den Schutz der personenbezogenen Daten und die nationale Sicherheit zu gewähren. Es ist das Ergebnis eines umfassenden Prozesses, in den zahlreiche Stakeholder eingebunden waren, um ein ausgewogenes und effektives Gesetz zu schaffen, das den Bedürfnissen aller gerecht wird.

Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass dieses Gesetz ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer verantwortungsvollen und bürgernahen Politik ist und mit Unterstützung der Sozialdemokratie im Verfassungsrang stehen wird. Es unterstreicht unser Engagement für die Prinzipien der Transparenz und der Rechenschaftspflicht und ist ein klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass ihre Stimme zählt und ihr Recht auf Information auch ernst genommen wird.

Wir schaffen ein einheitliches Bundesgesetz statt bisher elf Gesetzen und einen dargestellten Prozess, wie man zur Information kommt, also die Durchsetzung von den Verwaltungsgerichten bis hin zum Verfassungsgerichtshof. Es gibt Fristen von vier Wochen und, mit Ausnahmen, von acht Wochen, die einzuhal­ten sind.

Die Kollegin von der FPÖ erwähnte, dass Verfahren in die Länge gezogen werden. Also vier Wochen? Das ist ja total lächerlich! Ich weiß nicht, ob jemand von der FPÖ schon einmal auf einer Gemeinde war, möglicherweise vielleicht einmal auf einer kleineren Gemeinde: Da gibt es oftmals nur einen Amtsleiter, eine Amtsleiterin, und da müssen wirklich sehr viele Sachen erledigt werden. Vier Wochen ist eine wirklich vernünftige Frist, um dem Bürger die Information


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zu geben, aber auch, um es der Verwaltung zu ermöglichen, die Information vorzubereiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Beteiligten zu bedanken, die an der Ausarbeitung dieses Gesetzes mitgewirkt haben. Ihr unermüdlicher Einsatz hat es ermöglicht, dass wir heute hier stehen und einen entscheidenden Schritt in Richtung einer transparenteren Zukunft unseres Landes machen können. Ich fordere alle Mitglieder des Bundesrates auf, dieses Gesetz zu unter­stützen und gemeinsam dafür zu sorgen, dass es erfolgreich umgesetzt wird. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Institutionen zu stärken und eine Kultur der Offenheit und Transparenz zu fördern, die für eine langlebige Demokratie unerlässlich ist! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.54


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. Ich erteile dieses.


12.54.11

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, es ist gut, dass heute dieses Informationsfreiheitsgesetz beschlossen wird. Es hat eine lange Vorgeschichte, die ich auch selbst ein Stück weit miterlebt habe, weil ich einige Jahre im Nationalrat war. So habe ich das auch live und direkt mitbekommen, wie intensiv eigentlich schon vor 13 Jahren an diesem Gesetz gearbeitet wurde.

Den Anlauf hat der ehemalige Kanzleramtsminister Josef Ostermayer genommen. Es hat intensive Hearings gegeben, Debatten, es wurden Für und Wider abgewogen – was ja auch jetzt bei der Schaffung dieses Gesetzes noch einmal wiederholt wurde; man hätte da auch verstärkt auf vergangene Erkenntnisse zurückgreifen können, wie auch immer –, dann hat in weiterer Folge Minister Drozda eine Einigung mit den Bundesländern erzielt und


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es ist eine beschlussreife Regierungsvorlage vorgelegen. Dann kam Kurz, und wir wissen, wie es weitergegangen ist. Alles, was irgendwie mit Transparenz und Informationsfreiheit zu tun gehabt hat, war plötzlich ein rotes Tuch. (Bundesrat Schreuder: Für die Blauen auch!) Man hat fast den Eindruck gehabt: ein Teufels­werk für Schwarz-Blau. (Bundesrat Schreuder: Ja, genau!)

Weil Sie, liebe Frau Kollegin Theuermann, hier händeringend nach Argumenten suchen: Man hat fast gemerkt, wie schwer es Ihnen fällt, da nicht zuzustimmen, denn Sie sind jung im Amt und Sie haben sicherlich auch, genauso wie die Vorrednerin von der ÖVP, ein Interesse daran, dass die Verwaltung moderner wird, transparenter wird, und da ist es natürlich schwer, Argumente dagegen zu finden. Da haben Sie sich jetzt auf diese 5 000er-Grenze bei den Gemeinden versteift. Es ist wirklich ein bissl ein fadenscheiniges und vorgeschobenes Argument, aus diesem Grund nicht dafür zu sein.

Die Abgeordneten der SPÖ haben nicht lockergelassen, aber auch viele andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben Druck gemacht – von der Wissenschaft, von den Medien. Wirklich engagierte Menschen der Zivilgesell­schaft haben immer wieder dieses Informationsfreiheitsgesetz und die Abschaffung des Amtsgeheimnisses eingefordert.

Werte Frau Ministerin, Sie haben mir manchmal auch wirklich leidgetan. Es ist, glaube ich, kein Interview vergangen, in dem Sie nicht danach gefragt wurden, wann Sie endlich dieses Gesetz vorlegen. (Bundesministerin Edtstadler: Stimmt!) Das war sicherlich lästig. Auch Nationalratskollege Drobits hat Sie in steter Regelmäßigkeit danach gefragt und hat da auch nicht lockergelassen. Sie sind jetzt stolz darauf und interessanterweise auch die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, dass Sie das jetzt durchgesetzt haben.

Ich frage mich aber schon: Gegen wen haben Sie es durchgesetzt? – In Wahrheit gegen sich selbst, nämlich gegen die ÖVP, denn die hat es bisher immer ver­hin­dert. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wie auch immer, gut ist es. Bei uns haben Sie offene Türen eingerannt und bei den Grünen sicherlich auch, also frage ich mich schon: Gegen wen haben Sie es wirklich durchgesetzt?

Wie auch immer die Vorgeschichte war, jetzt ist es gelungen und wird Realität, mit einer langen Legisvakanz, nämlich bis 2025, und dies aus gutem Grund – das sage ich auch dazu –, denn es braucht da noch viele Aktivitäten zur tatsächlichen Umsetzung. Es ist im Ausschuss genannt worden: Es sind noch rund 250 Bun­desgesetzesnovellen erforderlich. Die Umsetzung wird natürlich auch sehr viele Anstrengungen erfordern. Damit wird hauptsächlich die Nachfolgeregierung befasst sein – sie wird sich damit herumschlagen müssen, das muss man auch dazusagen. Und natürlich muss auch das Verwaltungspersonal entsprechend geschult werden.

Da ist es mir schon auch wichtig, zu betonen, dass man die Menschen, die jetzt in die Situation kommen, dieses Gesetz umzusetzen, nicht im Regen stehen lässt, sondern dass man sie bestmöglich mit entsprechenden Schulungen unterstützt, weil es da natürlich sehr schwierig ist, dann die Abwägung zu treffen.

Ich muss schon auch dazusagen, dass gerade die Verwaltungsbediensteten wirklich weit unter ihrem Wert gehandelt werden, denn sie haben sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten grundlegend gewandelt: weg von einem Obrigkeitsdenken, hin zu einem Servicedenken. Da ist also wirklich eine hohe Lernbereitschaft zu attestieren, und daher möchte ich mich gerade bei den Verwaltungsbediensteten ganz besonders auch für ihr bürger-, bürgerinnen­nahes Engagement bedanken. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Dieses wird auch künftig gefordert sein, und zwar umso mehr, als es viele Grenzfälle geben wird, in denen dann von Einzelpersonen zu entscheiden sein wird: Wo sind jetzt berücksichtigenswerte Interessen? Wo überwiegt das


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Interesse der Informationsfreiheit? Wo gibt es die Abgrenzung zum Daten­schutz, eben zu individuellen Interessen, zu sonstigen Geheimhaltungsinter­essen, die ja mitunter nach wie vor bestehen?

Das sind wirklich schwierige Entscheidungen, die von Einzelpersonen getroffen werden müssen, und dafür braucht es natürlich auch die entsprechende Vorbereitung, Schulung und Unterstützung, und das braucht auch Zeit. Es darf natürlich auch dann bei der proaktiven Veröffentlichung, die ja erfreulicherweise vorgesehen ist, nicht zu einer Art babylonischer Informationsverwirrung kommen; das heißt, diese Veröffentlichung muss auch entsprechend qualifiziert aufbereitet sein, damit man das, was man sucht, auch findet, und zwar schnell findet. Auch da ist also Serviceorientierung gefragt.

Die Probleme werden sich mitunter dann noch im Detail zeigen. Wir haben im Verfassungsausschuss wirklich eine sehr gute Debatte geführt, mit einem sehr qualifizierten Beamten Ihres Hauses, den wir aber mit unseren Fragen auch ganz schön ins Schwitzen gebracht haben, nämlich im Zusammenhang damit, dass dann auch Einzelfragen, wie etwas zu werten ist, zu entscheiden sein werden. Ich habe mich zum Beispiel gefragt – weil ja auch Studien, die beauftragt werden, veröffentlicht werden müssen –: Wie ist das zum Beispiel bei den Über­prüfungen der Bildungsstandards? Wie weit heruntergebrochen müssen diese veröffentlicht werden? Natürlich nicht individuelle Bildungsergebnisse, das ist ganz klar, denn da haben dann individuelle Datenschutzinteressen Vorrang, aber: Wird das beispielsweise auf Schulstandorte heruntergebrochen? Wird es dann Schulrankings und so weiter geben? – All das sind also Fragen, die sich in weiterer Folge vielleicht noch stellen werden und für die es dann entsprechende Abwägungsexpertise braucht.

Es hat sich bei diesem Gesetz gezeigt, dass es sich für die Regierungsparteien wirklich auszahlt, auch die Expertise der Opposition einzubeziehen. Es ist wirklich ein gutes gemeinsames Ganzes entstanden, und ich bin froh, dass es auch gelungen ist, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten, gerade wenn sie im investigativen Bereich tätig sind, zu schützen und zu stützen. Das war


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auch eine große Forderung von den Abgeordneten der SPÖ, die da auch mitverhandelt haben.

Insgesamt ist also wirklich ein gutes Gesetz gelungen. Es muss jetzt natürlich noch etabliert und in die entsprechenden Bahnen gelenkt werden, aber es ist zu gratulieren, dass es gelungen ist, und es zeigt sich, dass sich ein konstruktives Miteinander immer lohnt. Das ist ein gutes Beispiel dafür. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.03


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses.


13.03.46

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Vizepräsident, auch an Sie herzliche Gratulation, dass Sie jetzt dieses Amt ausüben dürfen, und auf gute Zusammenarbeit! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht vorab nur kurz zur Kollegin von der FPÖ: Man hat Ihnen tatsächlich ein bisschen angemerkt, Frau Kollegin, dass Sie Argumente gesucht haben, wieso man dagegen ist, weil in Wahrheit natürlich Transparenz der größte Feind der Freiheitlichen Partei ist – man denke beispielsweise an die Buchhaltungspraktiken der Wiener FPÖ, die ihre Buchhaltung lieber verbrennt, als sie zu zeigen oder zu offenbaren; aber auch wenn man an die Kalamitäten der Freiheitlichen Partei in Graz denkt, wird klar, dass Transparenz genau das ist, was man nicht haben möchte. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Vielen Dank, Frau Kollegin Grossmann, für die sehr spannende Rede, der ich gerne zugehört habe – sehr konstruktiv! Einen kleinen historischen Aspekt möchte ich noch aus einer Zeit vor Ostermayer, noch aus den Achtzigerjahren, einbringen: Damals gab es in diesem Haus eine neue Partei, die neu ins Parlament gekommen ist, die hieß Die Grüne Alternative (Bundesrat Spanring: Oje!) – ja, da reißt es Sie, gell, Herr Kollege Spanring? (Heiterkeit bei den Grünen –


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Zwischenruf des Bundesrates Spanring) –, und sie ist gekommen, um zu bleiben. Einer der Abgeordneten dieser Partei hieß Walter Geyer, und dieser hat als Allererster, auch basierend auf dem Freedom of Information Act, eine Informa­tionsfreiheit vorgeschlagen.

Man sieht, manchmal braucht gut Ding auch Weile, aber dann ist es ja umso schöner – ich freue mich persönlich tatsächlich, das muss ich wirklich sagen. Ich glaube, jede und jeder von uns hat ja aus unterschiedlichen Gründen für irgendetwas gebrannt und ist deshalb in die Politik gegangen – sei es, weil man in der Gewerkschaft ist, sei es, weil man ein Unternehmen hat und etwas für die Unternehmen erreichen will, sei es, weil man ein Landwirt ist und in der Landwirtschaft etwas erreichen will. Bei mir waren es auch mehrere Sachen. Neben der Kultur und dem Umstand, dass ich nicht verstanden habe, warum ich meinen Mann in Amsterdam, aber nicht in Österreich heiraten konnte, war einer der Gründe, warum ich in die Politik gegangen bin, dass ich, als in den Neun­zigerjahren das Internet kam, gesehen habe, dass sich da völlig neue Gefahren, aber auch Chancen ergeben – wir reden ja auch nachher bei einem der weiteren Tagesordnungspunkte noch darüber. Dass Transparenz, Open Data und eine Verwaltung, die etwas zeigt, eine völlig neue Chance bieten, um auch Korruption zu verhindern und zu bekämpfen, war klar.

Die Stadt Wien war ja damals sehr innovativ, auch europaweit, mit ihrer Open-Data-Plattform, und da habe ich mich schon in meiner Zeit als Gemeinderat in Wien sehr engagiert. Wir sind dann wirklich durch ganz Europa gereist – ich kann mich noch erinnern, wir waren im tschechischen Parlament und in Martin in der Slowakei –, wir waren wirklich viel unterwegs, um diese Open-Data-Plattform vorzustellen und zu zeigen, wie das funktioniert. Erlauben Sie mir deshalb, dass ich mich heute einfach wirklich, wirklich irrsinnig freue, dass ich Teil davon sein darf. Ich durfte auch in den Regierungsverhandlungen das Thema Open Data mitverhandeln – umso erfreuter bin ich.

Erhard Busek hat einmal gesagt, dass das Erinnerungsvermögen einer Gemein­schaft, eines Landes oft länger besteht als das eines Individuums. Wenn man sich


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dann die Kultur des Beamtinnen- und Beamtentums in Österreich, so seit Maria Theresia, Joseph II., würde ich einmal sagen, anschaut – man braucht eigentlich eh nur zum Beispiel „Das Schloss“ von Kafka zu lesen, das ist ein gutes Beispiel, an dem sichtbar wird, wie Beamt:innentum damals in einer Kultur verstanden worden ist –, dann wird auch klar: Diese Kultur so peu à peu, nach und nach zu ändern, ist eine unendlich schwere Arbeit. So eine tief sitzende historische Kultur zu ändern ist eine unglaubliche Arbeit, und ich möchte mich ausdrücklich bei allen bedanken, die daran teilgenommen haben, zuallererst natürlich bei Ihnen, Frau Ministerin Edtstadler, bei Alma Zadić, bei Werner Kogler, bei allen Justizsprecherinnen und Justizsprechern im Nationalrat – erlauben Sie mir, dass ich Agnes Sirkka Prammer, die so hart daran gearbeitet hat, explizit erwähne –, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klubs und vor allem auch bei allen, die vonseiten der SPÖ ganz aktiv und sehr konstruktiv mitgearbeitet haben. (Bundesrätin Schumann: So sind wir!)

Das muss man auch sagen: Das vorliegende Informationsfreiheitsgesetz ist das beste, das jetzt in dieser Republik mit unserer föderalen Verfassung möglich ist. Es ist nichts Besseres möglich. Die NEOS – der Herr Kollege von den NEOS ist jetzt nicht da – behaupten ja gerne, sie hätten ein noch besseres gehabt. Also das mit allen Bundesländern, mit allen Gemeinden, mit dem Städtebund und dem Gemeindebund zu erreichen ist schon so großartig – das muss man überhaupt erst einmal hinkriegen! Es hat sehr lange gedauert – das ist ja nicht zufällig, dass es so lange gedauert hat –, und wenn man dann ein Glas hat, das vielleicht nicht zu acht Achteln, sondern zu sieben Achteln voll ist, dann kann man über dieses eine Achtel vielleicht traurig sein, aber ich finde, man kann sich auch über die sieben Achtel freuen.

Die Sache ist tatsächlich so: Wenn man jetzt Informationen haben will, hat grundsätzlich jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht, diese Informationen zu bekommen, egal wie groß die Gemeinde ist; der Unterschied ist nur die Ver­öffentlichungspflicht. Das ist großartig! (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Grossmann.)


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Wenn man also zum Beispiel wissen will: Liebe Gemeinde, warum tut ihr diese Fläche, diese Grünfläche jetzt versiegeln?, dann hat man das Recht darauf, das zu erfahren und Gutachten zu bekommen. Wenn es in einer Gemeinde eine Studie gibt, dann hat man das Recht, diese Studie zu sehen. Das ist ja die große Veränderung: Das, was Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlen, gehört ihnen jetzt auch wirklich, das wird nicht in einer Schublade versteckt. Das ist großartig. (Beifall bei den Grünen.)

Wichtig ist in diesem Zusammenhang sicher auch der demokratiepolitische Teil, der demokratiepolitische Aspekt. Ein Informationsfreiheitsgesetz stärkt das Vertrauen, ein Informationsfreiheitsgesetz verhindert Korruption. Ein Informa­tionsfreiheitsgesetz macht Daten öffentlich. Es ist in allen Ländern weltweit bewiesen: Dort, wo alles transparent veröffentlicht werden muss, findet Korruption nicht mehr in diesem Ausmaß statt. Es ist sozusagen die Prophylaxe gegen Korruption. (Beifall bei den Grünen.)

Ein mit mir befreundeter Physiker hat einmal gesagt, ich soll das Wort Quantensprung nicht verwenden, weil ein Quantensprung etwas sehr Kleines ist, was nur auf atomarer Ebene stattfindet. (Heiterkeit der Bundesministerin Edtstadler.) Das ist etwas sehr Kleines, ja, deswegen sage ich lieber: Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein politischer Kultursprung, den wir da schaffen, es ist ein Politsprung, und es wird das Grundverständnis von Politik in dieser Republik wirklich sehr stark verändern. Ich freue mich einfach wirklich riesig. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.12


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler zu Wort gemeldet. Ich erteile dieses. – Bitte.


13.12.12

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Hohes Haus! Ich denke, Sie können es an meinem Gesicht sehen: Ich habe heute


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wirklich eine große Freude, denn der moderne Rechtsstaat ist da, mit Verständ­nis für das Informationsbedürfnis von Bürgerinnen und Bürgern im 21. Jahr­hundert, aber auch mit Augenmaß für die Verwaltung in diesem Land. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Philosoph Max Weber hat die Politik einmal als „starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“ bezeichnet. Genau das war es, was wir, was Sie alle in den letzten Jahren gebraucht haben, um tatsächlich das Amtsgeheimnis endgültig in die Mottenkiste der Republik verbannen zu können, möchte ich sagen, und den transparenten Staat und die transparente Verwaltung Wirklichkeit werden zu lassen. Durchhaltevermögen, aber auch Optimismus: Das war es, was wir alle gebraucht haben, um diesen Paradigmenwechsel, möchte ich sagen, herbeiführen zu können.

Beharrlichkeit war auch etwas, was notwendig war. Es hat ja heute schon mehrfach Redebeiträge gegeben, in denen darauf hingewiesen worden ist, dass ich über fast vier Jahre hinweg in fast jedem Interview darauf angesprochen worden bin, wann es denn endlich kommt, und diejenigen, die mir weniger gut gesonnen waren, haben gesagt: Das kommt eh nie, das bringen Sie nie durch! – Heute ist es so weit, und das freut mich tatsächlich sehr, denn mit Ihrem Beschluss dieser Verfassungsänderung und dem Nichterheben eines Einspruches schaffen wir das Amtsgeheimnis ab und schaffen ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

Frau Bundesrätin Grossmann hat darauf hingewiesen: Es gab viele Vorgänger­regierungen, die das versucht haben, aber es ist diese Bundesregierung und es ist dieses Parlament, die diese Änderung jetzt herbeiführen.

Ich möchte einen kurzen Rückblick machen: Es waren über 200 Stellungnahmen, die wir im Begutachtungsverfahren bekommen haben, und die hätten wirklich nicht unterschiedlicher sein können. Den einen ist es viel zu weit gegangen, den anderen nicht weit genug. Das Argument aber, das die FPÖ heute vorgebracht hat, ist eigentlich selten gekommen, dass man deshalb sozusagen nicht zustimmt,


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weil einzelne Gemeinden von der proaktiven Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind. Insofern ist es wichtig gewesen, dass wir dieses Bestreben durchgebracht haben und das heute umsetzen.

Eines möchte ich auch sagen: Frau Bundesrätin Grossmann, es geht ja nicht darum, ein Gesetz gegen jemanden durchzusetzen, sondern darum, dass es, wenn man so einen Paradigmenwechsel einleitet, wenn man ein seit 100 Jahren in der Bundesverfassung verankertes Amtsgeheimnis, das im Grundverständnis aller Beamtinnen und Beamten logischerweise drinnen ist, abschafft, Akzeptanz braucht. Dann geht es darum, dass diejenigen, die es umsetzen müssen und die es anwenden müssen, auch tatsächlich dahinterstehen. Das war der Grund, warum wir uns für diesen Prozess auch richtigerweise, wie ich heute sage, ent­sprechend Zeit genommen haben und uns auch alle Sorgen und Ängste, die damit verbunden waren, angehört haben.

Wir drehen nämlich dieses Prinzip tatsächlich um 180 Grad. Es ist schon angesprochen worden: Die Regel ist zukünftig die Information, die Transparenz, und die Geheimhaltung ist nur die Ausnahme.

Ich darf schon noch einmal ganz kurz systematisch darauf eingehen, was in diesem Informationsfreiheitsgesetz vorgesehen ist. Es steht auf zwei Säulen. Die eine Säule sind die Informationen von allgemeinem Interesse, die proaktiv zu veröffentlichen sind, und die andere Säule ist die passive Informationspflicht jedem und jeder Bürger:in gegenüber, der oder die vom Staat, von der Verwaltung etwas wissen möchte.

Von der proaktiven Informationspflicht, um das noch einmal ganz deutlich zu machen, sind die Organe der Verwaltung, die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichte, der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof, der Nationalrat, der Bundesrat, der Rechnungshof und auch die Volksanwaltschaft umfasst. Diese Informationen von allgemeinem Interesse sind – je nach Zuständigkeit – entweder auf den eigenen Seiten oder


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auf data.gv.at öffentlich zugänglich zu machen. Da reden wir von Amtsblättern, von Tätigkeitsberichten, von Umfragen, von Studien und anderen Dingen mehr.

Ausgenommen sind natürlich solche Informationen, die der Geheimhaltung unterliegen. Auch zukünftig schützen wir selbstverständlich Gesundheitsdaten, wir schützen Daten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreffen, und klarerweise werden wir auch den Datenschutz weiterhin wahren. Das ist ja eine Selbstverständlichkeit.

Wenn wir jetzt noch einmal auf die Gemeinden kommen: Dabei, dass diejenigen Gemeinden mit unter 5 000 Einwohnern von der proaktiven Informationspflicht ausgenommen sind, haben wir uns etwas gedacht, da können Sie sich ganz sicher sein, geschätzte Bundesräte von der FPÖ! Ich habe das Argument ja oft gehört. Frau Bundesrätin Geieregger hat es ausgeführt – und sie weiß, wovon sie spricht; sie ist Bürgermeisterin in einer Gemeinde in Niederösterreich in der Nähe von Wien, in Kaltenleutgeben –: Das sind oft sehr kleine Einheiten, und deshalb müssen wir natürlich auch dafür sorgen, dass die Verwaltungsmög­lichkeit aufrecht bleibt, dass das Verwaltungshandeln möglich bleibt, und deshalb ist da diese Ausnahme vorgesehen. Sie hat aber auch darauf hingewiesen, dass, egal wie klein eine Gemeinde ist, natürlich jeder Bürger und jede Bürgerin – auch egal, wie er oder sie sich betitelt; Sie erinnern sich an „Hasi123“, das, glaube ich, war es – in Zukunft Auskunft bekommen muss und dass diese Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen. Das ist es, was wir schaffen wollen.

Die zweite Säule betrifft den Umstand, dass endlich ein Grundrecht, ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Zugang zu Informationen in der Bundesverfassung verankert wird, und das ist schon ein Meilenstein. Ich glaube, ein Quantensprung ist für die Physikerinnen und Physiker auch etwas sehr, sehr Großes gewesen. Ich bleibe aber dabei, es ist jedenfalls ein Paradigmenwechsel – auch, dass vorgesehen ist, dass diese Informationen innerhalb von vier Wochen zu erteilen sind und diese Frist nur im Ausnahmefall auf acht Wochen verlängert werden kann.


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Ja, aber wie ist es so mit Grundrechten? – Man muss sie vor allem auch vor Missbrauch schützen. Deshalb haben wir uns auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientiert, dass nur solche Informationen herausgegeben werden müssen, die ready und available sind, die also fertig und auch abrufbar sind. Es kann nicht sein, dass man Beamtinnen und Beamte dann mit Rechercheaufgaben zupflastert und sie ihren eigentlichen Verwaltungstätigkeiten nicht mehr nachgehen können. Das war mir persönlich ein großes Anliegen. Da gibt es auch internationale Vorbilder, etwa dass es in Verfahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch eine Miss­brauchs­klausel gibt.

Was ist ganz neu? – Ganz neu ist, dass rechnungshofkontrollierte Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen umfasst sind – da reden wir etwa von der Wien Energie, aber auch vom ORF –, und da kann nur dann von der Auskunfts- und Informationserteilung Abstand genommen werden, wenn die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wäre.

Ich nenne Ihnen auch eine andere Ausnahme, um völlig transparent zu sein: Börsennotierte Unternehmen sind von der Informationspflicht ausgenommen. Warum? – Weil sie ohnehin schon sehr viele Transparenzpflichten haben und Dinge veröffentlichen müssen, deshalb gibt es da eine Ausnahme.

Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass nach den Verhandlungen im Regie­rungsteam und mit den Regierungspartnern dann auch noch Änderungen hinzugekommen sind, als wir mit der SPÖ in Detailverhandlungen gegangen sind. Da sind schon auch noch wichtige Dinge reingekommen. Ich bin da offen, transparent und auch ehrlich.

Es gibt eine Neufassung der Geheimhaltungsgründe, was das Interpellations­recht betrifft. Was ist neu? – Es muss noch mehr geprüft werden, ob nicht doch die Auskunft erteilt werden kann, selbst wenn ein Geheimhaltungsgrund vorliegt, indem man einen Schutz vorsieht und diese Informationen entsprechend klassifiziert erteilt. Was heißt das? – Dass diese Interpellationen dann eben


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nicht zu veröffentlichen sind, sondern geheim gehalten werden müssen, aber die Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen diese Auskunft bekommen.

Wir haben auch in § 9 Informationsfreiheitsgesetz klargestellt, dass dann, wenn kein direkter Zugang zur Information möglich ist, also das entsprechende Dokument aus verschiedenen Gründen nicht herausgegeben werden kann, jedenfalls Auskunft darüber erteilt werden muss, etwa was drinnen steht. Wir haben in den Erläuterungen auch klargestellt – das war nämlich etwas, was beim Expertenhearing im Verfassungsausschuss zutage getreten ist –, dass die Behörden den Gerichten selbstverständlich alle Informationen vorlegen müssen, sodass die Gerichte in die Lage versetzt werden können, festzustellen, ob zu Unrecht nicht Auskunft erteilt worden ist, und sich dann auch eine Judikatur herausbilden kann.

Eines möchte ich auch sagen, weil das wahrscheinlich in diese Richtung geht: Meine Spitzenbeamten im Verfassungsdienst schwitzen nicht (Heiterkeit der Bundesrätin Grossmann), wenn es kritische Fragen gibt, sondern – ganz im Gegenteil – sie sind höchst qualifiziert und haben sich jetzt mehr als dreieinhalb Jahre damit beschäftigt. Was aber auch Spitzenbeamte nicht können: Sie können die Judikatur nicht vorhersehen. Wir können in den Erläuterungen das nur bestmöglich im Sinne des Gesetzgebers festhalten. Die Judikatur ist Gott sei Dank im Sinne der Gewaltenteilung davon getrennt. Deshalb gibt es da natürlich einen Spielraum für die Judikatur, um dann die Details auch noch zu klären, nachdem es in Kraft getreten ist.

Wir haben auch eine Evaluierung nach zwei Jahren vorgesehen. Da geht es darum, die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz für die Gemeinden und für die Länder, vor allem für die kleinen Einheiten, entstehen, entsprechend zu klären, damit man da im Endeffekt auch anpassen kann.

Ein letzter Punkt, der sich nach dem Expertenhearing, nach den Verhandlungen mit der SPÖ auch geändert hat, ist, dass es eine Verbesserung für Journalis­tinnen und Journalisten, was das Informationsfreiheitsgesetz betrifft, gibt. Es soll


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der Rechercheauftrag, es soll der Public Watchdog nicht eingeschränkt werden. Auch das ist etwas, glaube ich, das gut ist, und es ist richtig, dass wir das noch aufgenommen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren Zuseher:innen! Es ist ein neues Verständnis für den Staat, das heute hier im Bundesrat beschlossen wird, es ist eine umfassende Änderung der Bundesverfassung. Ich sage Ihnen ganz offen, ich glaube, alle, die da heute mitstimmen, können stolz darauf sein, dass Österreich tatsächlich reformierbar ist und wir es ins 21. Jahrhundert bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Ich glaube, Sie merken es, das lassen wir uns nicht schlechtreden – von niemandem! –, denn es ist ein großer Erfolg.

Ich darf auch noch erklären, warum wir da eine Legisvakanz vorsehen: weil wir uns darauf einstellen müssen, nämlich diejenigen, die Informationen erteilen müssen. Wir müssen aber auch noch viele andere Gesetze ändern. Das Amts­geheimnis ist in so vielen Verordnungen, Richtlinien, Gesetzen verankert. Angefangen bei der Strafprozessordnung, beim Strafgesetzbuch: Da sind Änderungen vorzunehmen, für die es natürlich Zeit braucht, und darauf ist die Verwaltung vorzubereiten. Und in aller Deutlichkeit sei gesagt: Wir lassen niemanden auf dem Weg zum modernen Rechtsstaat im Regen stehen. Wir werden mit Leitfäden, mit Studien begleiten. Wir werden entsprechende Schulungen anbieten. Der Verfassungsdienst, aber auch die Datenschutzbehörde stehen bereit, und wir sind schon dabei, diese Dinge auszuarbeiten.

Wir arbeiten gemeinsam für ein noch stärkeres Österreich. Deshalb ist es an dieser Stelle angebracht, all jenen Danke zu sagen, die daran geglaubt haben, dass es dieses Gesetz geben wird. An erster Stelle ist aus meiner Sicht da schon Vizekanzler Werner Kogler zu nennen, mit dem ich immer ein unglaublich gutes Verhandlungsklima gehabt habe. Ich habe vor allem auch in meinem Verfas­sungsdienst, unter den dortigen Expertinnen und Experten, und in meinem Team im Kabinett großartige Unterstützerinnen und Unterstützer gehabt. An dieser Stelle möchte ich schon sagen: Bitte applaudieren Sie einmal jenen, die wirklich


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mit allem, was ihnen zur Verfügung gestanden ist, die ganze Zeit daran gearbeitet haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Bedanken möchte ich mich auch beim Gemeindebund, beim Städtebund, bei den Ländern, bei den Sozialpartnern, bei der Zivilgesellschaft, bei der Wissenschaft und auch bei jenen, die teilweise im Raum anwesend sind und beim Experten­hearing dazu beigetragen haben, dass wir da noch kleinere Änderungen und, wie ich glaube, Verbesserungen schaffen konnten. Selbstverständlich bedanke ich mich bei den Verfassungssprechern: bei Jörg Leichtfried von der SPÖ, er ist auch der Obmann des Verfassungsausschusses, bei Abgeordneter Sirkka Prammer – sie ist heute schon genannt worden –, die mit Beharrlichkeit daran beteiligt war, und natürlich bei Wolfgang Gerstl, unserem Verfassungssprecher in der ÖVP. Es wäre nicht gegangen, wenn wir nicht gemeinsam an einem Strang gezogen hätten. Wenn man nach 100 Jahren etwas ändert, dann, glaube ich, ist es für eine Verfassungsministerin etwas, worauf man durchaus stolz sein kann.

Offenheit und Transparenz sind zukünftig das Gebot der Stunde. Die Informa­tionsfreiheit ist ein Meilenstein. 100 Jahre nach der Einführung des Amtsgeheimnisses im Jahr 1925 schaffen wir es im Jahr 2025 ab. Streichen Sie sich den 1. September 2025 rot im Kalender an! Der heutige Beschluss ebnet den Zugang zum Grundrecht auf Information für alle Bürgerinnen und Bürger in Österreich. Ich glaube, Sie alle können stolz darauf sein. – Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

13.26


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Ich begrüße sehr herzlich bei uns im Bundesrat Herrn Abgeordneten zum Nationalrat Reinhold Einwallner. – Herzlich will­kom­men. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr dieses.



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13.26.31

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident, auch von unserer Seite noch einmal eine herzliche Gratulation zur Übernahme der Vizepräsidentschaft! Es wird dann sicherlich auch eine sehr gelungene oberösterreichische Präsidentschaft im zweiten Halbjahr werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Nochmals: Gratulation der neuen Präsidentin Margit Göll auch für den gestrigen Abend. Es war wunderschön, gemeinsam euren Abend zu feiern und dabei zu sein. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Sehr geehrte Frau Minister, nach diesem Feuerwerk an Emotionen weiß man, wie sehr Sie sich für dieses Gesetz eingesetzt haben. Inhaltlich haben Sie und meine Vorgängerinnen und Vorgänger ja alles erklärt. Es bleibt mir dann nur mehr, zu sagen: Ja, es ist wirklich ein Paradigmenwechsel. Ich hatte zwischen­zeitlich auch viele Gespräche mit Bürgermeisterinnen, mit Bürgermeistern, Landtagspräsidentinnen, Landtagspräsidenten, die natürlich begründete Sorgen haben, wie sich das jetzt weiter auswirken wird, was da auf sie zukommt.

Wir haben im Ausschuss dazu gehört – Kollegin Grossmann hat es auch schon ausgeführt –, dass es Schulungen und begleitende Maßnahmen geben wird. Ich gebe dir völlig recht, da müssen wir jetzt gemeinsam darauf schauen, dass das gut und in bewährter Art und Weise sichergestellt ist und erfolgt, damit dieses tolle Gesetz, dieser Paradigmenwechsel, diese neue Dimension – Transparenz wird zur Regel und Geheimhaltung wird die Ausnahme – auch wirklich mit Leben erfüllt wird. Ich denke, es ist gut, dass wir uns dafür die Zeit nehmen. Da ist es jetzt an uns, da begleitend tätig zu sein. Darauf, glaube ich, muss ein Hauptaugen­merk von uns liegen.

Wie die Frau Ministerin schon gesagt hat: 100 Jahre hat es gedauert. 1925 wurde das Amtsgeheimnis eingeführt, 1987 ist dann mit dem Auskunfts­pflichtgesetz ein erster Schritt erfolgt, und jetzt sind wir endlich beim Infor­mations­freiheitsgesetz. Ich habe nachrecherchiert: Es waren 33 Bundesregie­rungen, die daran gearbeitet haben – 33 Bundesregierungen! –, aber ihr habt es


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geschafft (Zwischenrufe bei der SPÖ): du, liebe Karoline, Frau Ministerin, mit dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler. Es ist wunderbar, dass das jetzt gelungen ist. Du hast das seit 2020 wirklich federführend begleitet und betreut. Darum ist es etwas geworden. – Gratulation! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Übertreibt es nicht gar so arg!)

Die Bürgerinnen und Bürger sind jetzt eingeladen, hinzuschauen. Es kann in Zukunft jeder auf data.gv.at alle Informationen nachlesen, die Informationen von Behörden, von Ministerien und von Gemeinden und von Ländern erhalten. Damit kontrollieren natürlich die Bürgerin und der Bürger. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum die FPÖ dieses Gesetz ablehnt. Vielleicht will sie das ja gar nicht. (Bundesrätin Kittl: Sehr naheliegend!) Das könnte man ja sagen, denn ihr habt euch wirklich schwer in der Begründung getan.

Ausführen möchte ich auch noch: Es war uns ein Anliegen, dass wir die Verwal­tungen nicht lahmlegen, denn es könnten ja natürlich auch viele, viele Anfragen kommen, die willkürlich sind – darum auch diese 5 000-Einwohner-Grenze. Meine Kollegin Neurauter hat im Ausschuss gefragt: Was passiert mit diesen willkürlichen Anfragen? – Da hat es geheißen, dass die Behörde da sehr wohl entsprechende Bescheide ausstellen kann, da muss sie gar nicht antworten. Es ist gut und wichtig, dass wir diese Maßnahme eingeführt haben.

Ich denke, es ist ein guter Tag für uns alle. Wir können uns gemeinsam freuen, dass wir das geschafft haben – auch von unserer Seite ein großes Danke an alle, die dazu beigetragen haben! Das waren die Bundesländer, die Landtage, der Gemeindebund, der Städtebund, die Gemeinden selbst, die Sozialpartner, die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft und natürlich auch die SPÖ (Bundesrätin Schumann: Auch die SPÖ! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – dafür auch von meiner Seite ein herzliches und aufrichtiges Danke! Wir können stolz sein, dass wir diesen Gesetzentwurf heute hier im Bundesrat beschließen – ein Meilen­stein! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.31



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Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.


13.31.21

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und auch vor den Bildschirmen! Von unserer grünen Fraktion hätte wahrscheinlich am liebsten jede und jeder dazu geredet. Ich freue mich wahnsinnig, dass ich dazu reden darf, dass ich auch als letzte Rednerin diesen Prozess abschließen und mich bei (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) Ihnen, bei allen anderen bedanken darf, auch bei unserer Kollegin aus dem Nationalrat Agnes Sirkka Prammer. Sie wurde schon öfters erwähnt, aber man kann nicht oft genug erwähnen, dass sie alle so lange daran gearbeitet haben und das jetzt durchbekommen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Mehr als 110 Länder weltweit haben bereits ein Informationsfreiheitsgesetz, Österreich zieht heute erst nach. Neben Belarus, das nicht einmal faire Wahlen kennt, sind wir Europas letzte Demokratie, die bis dato kein Grundrecht auf Information hatte, sondern eine im Verfassungsrang stehende Pflicht zur Amts­verschwiegenheit, die extrem vielen Auskunftsersuchen entgegenstand. Das wissen wir aus vielen Zeitungen, aus vielen Medien, aus vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern, aber auch selbst wenn wir in der Opposition sind, wissen wir das.

Auch wenn es vielleicht manchmal andere Motive sind, wegen denen man sich auf das Amtsgeheimnis ausgeredet hat, ist es auch – die Frau Ministerin hat es angesprochen – das Strafausmaß beim Verstoß gegen die Pflicht zur Amts­verschwiegenheit, der mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren versehen ist. Daher freue ich mich, dass heute einerseits mit grüner Regierungsbeteiligung dieses Grundrecht auf Information gemeinsam mit der SPÖ – das dürfen wir ja schon vorwegnehmen, auch ihre Mitarbeit hat in einem langen und guten


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Prozess stattgefunden – beschlossen wird und dass dann auch die verschie­denen Gesetze daran angepasst, geändert werden.

Wir schaffen heute nicht bloß das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Amtsgeheimnis ab, sondern wir führen eine in der Verfassung verankerte proaktive Informationsverpflichtung der staatlichen Organe und das Grundrecht auf Informationszugang ein. Auch das ist ganz neu: ein Grundrecht auf Information über das Handeln von staatlichen und staatsnahen Betrieben. Darauf wird meiner Meinung nach viel zu wenig der Fokus gelegt, denn das ist tatsächlich auch ein riesengroßer Schritt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Es ist natürlich auch ein riesengroßer Schritt, weil ja eigentlich auf der Hand liegt, dass die Menschen in Österreich, die wählen dürfen, darüber Bescheid wissen sollen, was die von ihnen durch diese Wahlen beauftragten Vertreter:innen mit dem Eigentum der Allgemeinheit tun. Diesem Tun muss immer zugrunde liegen, dass es für das Wohl der Allgemeinheit ist und eben nicht für das Wohl eines oder einer Einzelnen oder gar einer Partei. Erst mit dieser Klarheit darüber, auf welcher Basis diese staatlichen Organe oder diese staatlichen oder staatsnahen Betriebe handeln und entscheiden, können die Bürger:innen beurteilen, ob ihre Vertreter:innen gut arbeiten und ob man sie wählen soll, damit sie weiter für einen arbeiten. Das ist Demokratie im klarsten Sinne, und das ist auch Demokratie, wie sie sein soll. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Dieses Recht auf Informationsfreiheit kommt auch zu einer Zeit, in der immer mehr falsche Informationen gestreut werden – ja, auch in Parteimedien –, in der illiberale Machthaber:innen den Rechtsstaat, aber auch Mitbestimmung und vor allem Kontrollrechte einschränken wollen und in der es leider – auch in Österreich – eine Partei gibt, die Kontrolle einschränken will und die illiberale Systeme bewundert (Bundesrätin Doppler: Die Grünen!) und ihnen nacheifern will. Daher sind dieses Transparenzregime, wie es auch genannt wird, das wir heute einführen, und die Kontrolle staatlichen Handelns durch die Zivilgesellschaft,


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aber auch und vor allem durch die Medien, durch die Wissenschaft wichtig, und natürlich – das geht auch uns hier in ganz vielen verschiedenen Positionen an – ist die Kontrolle des staatlichen Handelns durch die Opposition wichtig, um unsere Demokratie zu beschützen – (in Richtung Bundesministerin Edtstadler:) Sie haben es erwähnt –, auch in der Erweiterung des Interpellationsrechts.

Es sind viele, viele Augen, die das Handeln staatlicher Organe auch schon bisher beobachtet haben, aber es wurde ihnen tatsächlich sehr oft schwer gemacht, klar zu sehen. Man kann sagen, jetzt geht das Licht an. Es wird wesentlich heller in den Gängen des Beamtentums, der Gerichte, der Parlamente, aber es wird auch heller in den Verstrickungen durch verschiedene Bünde, die auch sehr oft in Parteinähe gerückt werden können. Das Vorenthalten von Information ist ein wesentliches und meinungsbeeinflussendes Machtinstrument, und das hat in einer Demokratie eigentlich gar nichts verloren. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Punkt ist auch noch erwähnenswert, auch ein bisschen als Antwort auf die wirklich sehr kurze Rede der Kollegin von der FPÖ: Durch die Abschaffung des Amtsgeheimnisses dürfen die Behörden ja auch alles vorweisen, was sie als wichtig erachten, was sie als wichtige Information für die Allgemeinheit erach­ten. Hier in diesem Raum sitzen sehr viele Mitglieder von Gemeinden und Bezirken, auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die auch Mitglieder der FPÖ sind, und es wäre schön, wenn sie in einer Gemeinde, die sozusagen nicht proaktiv die Information herausgeben kann, dafür sorgen, dass diese Information auch so an die Bürger:innen kommt.

Es ist ja wunderbar, weil es auch zeigen kann, dass sachlich und verantwor­tungs­voll gearbeitet wird. Ich glaube, viele, viele Entscheidungsträger:innen – auch die, die hier sitzen – können sehr stolz auf ihre Arbeit sein. Die muss man nicht verstecken, die kann man zeigen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Mein Kollege Schreuder hat es auch angesprochen: Ja, Transparenz staatlichen Handelns hilft auch und vor allem auch, Spekulationen und Verschwörungen aus


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dem Weg zu räumen, denn transparentes staatliches Handeln macht staatliches Handeln nachvollziehbar und vorhersehbar. Auch das ist heute wichtig, damit – wir haben es gehört, aber ich glaube, man kann es nicht oft genug sagen – das Misstrauen in die Politik und in die staatlichen Institutionen in Vertrauen umgewandelt wird.

Ich möchte noch ein paar ganz kleine Dinge nennen, die nicht so oft vorkommen, die aber wichtig sind. Es sind Kleinigkeiten, die verhindern, was früher oft war: dass man von Pontius zu Pilatus geschickt wurde, wenn man solche Anfragen auf Information gestellt hat. Ein Antrag auf Information darf nicht aus Unzustän­digkeit abgewiesen werden – ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt –, sondern dieser Antrag muss sofort an die zuständige Stelle weitergeleitet werden beziehungsweise muss diese bekannt gegeben werden.

Wenn eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht wird, dann wird dieser Beschwerde nicht bloß stattgegeben, sondern die sofortige Informationsherausgabe wird angeordnet, und das ist sehr gut und sehr wichtig. Die Eingaben sind gebührenfrei, und es muss auch in relativ kurzer Zeit – wir haben es auch schon gehört – entschieden werden. Das sind ganz wichtige Punkte, um die Lust an der Information nicht zu verlieren.

Ein zweiter Punkt ist: Es wird immer wieder – auch im Ausschuss – davon gesprochen, dass es angeblich möglich sein soll, die Ausnahmen, die im Bundes-Verfassungsgesetz geregelt sind, mit einfachgesetzlichen Regelungen auszu­hebeln. Das ist eindeutig falsch. Es ist auch den Erläuterungen zu entnehmen, dass diese Ausnahmetatbestände durch einfachgesetzliche Regelungen nicht erweitert werden können. (Präsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Sinne ist es unser Ziel, das wir auch ins Regierungsprogramm aufgenommen haben, saubere Politik zu verfolgen. Mit Regelungen betreffend die Finanzierung der Parteien und die Inseratenvergabe, die transparenter gemacht werden soll, genauso auch mit der Verschärfung des Korruptions­straf-


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rechtes und jetzt eben mit dem Grundrecht auf Information haben wir Werk­zeuge in die Politik eingeführt, die für eine transparente Staatsorganisation und eine saubere Politik stehen. Ich denke, wenn man diese Werkzeuge nicht verhandeln will, indem man eben heute zum Beispiel nicht zustimmt, ist das ein Zeichen gegen die Demokratie (Zwischenrufe bei der FPÖ), und ich hoffe sehr – ich hoffe wirklich sehr –, dass die Bürgerinnen und Bürgerinnen das auch erkennen. (Ruf bei der FPÖ: Genau, die Bürgerinnen und Bürgerinnen!) – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

13.41 13.41.47


Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Ruf: Nein, danke!) – Es ist dies nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

13.43.402. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die erneuerbare Wärmebereitstellung in neuen Baulichkeiten (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWG) (2268 d.B. und 2351 d.B. sowie 11415/BR d.B.)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Ich bitte um den Bericht.


13.44.14

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die erneuerbare Wärmebereitstellung in neuen Baulichkeiten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2024 den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.



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Präsidentin Margit Göll: Danke.

Ich darf Frau Bundesministerin Leonore Gewessler begrüßen. – Herzlich willkommen hier im Bundesratssaal. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


13.45.11

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Bei diesem Bundesgesetz geht es um die „erneuerbare Wärmebereitstellung in neuen Baulichkeiten“. Früher hat es nur geheißen: in neuen Gebäuden, jetzt heißt es: „in neuen Baulichkeiten“.

Dieses Gesetz soll nun das Bundesgesetz zum Ausstieg aus der fossil betrie­benen Wärmebereitstellung ersetzen. Die Uneinigkeit dieser zum Scheitern verurteilten Koalition wird auch bei dieser Gesetzesvorlage sichtbar. Trotz eines einstimmigen Beschlusses im Ministerrat wurde jetzt ein Jahr lang an der Entschärfung des EWG gefeilt.

Im Namen des Green Deals der EU, den die Regierungsparteien unterstützen, wird heute über ein Einbauverbot von Heizungsanlagen, welche mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, in Neubauten und in neuen Baulichkeiten abgestimmt, weiters über die Ausweitung und Attraktivierung der Förder­angebote im Rahmen des Umweltförderungsgesetzes für die Umrüstung, den Austausch von bestehenden Heizungsanlagen auf klimafreundliche Anlagen.

In der Übergangsbestimmung steht – nur ganz kurz erklärt –: alle Anlagen, „für die vor dem Inkrafttreten [...] eine Zulassung beantragt wurde“ und „für die gemäß den bis dahin geltenden bundes- oder landesrechtlichen Regelungen keine Zulassung erforderlich und das Rechtsgeschäft über den Erwerb der


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Anlage vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung abgeschlossen war“, „dezen­trale Anlagen, die für den Betrieb mit fossilen Brennstoffen geeignet sind“, „zentrale Anlagen, die für den Betrieb mit gasförmigen fossilen Brennstoffen geeignet sind“.

Ausgenommen vom Einbauverbot sind „Anlagen, die mit erneuerbarem Gas aus eigenen Erzeugungsanlagen betrieben und über eine direkte Leitung von der Erzeugungsanlage beliefert werden“. Dieser Passus wirft für mich und vielleicht auch für einige andere Fragen auf, die ich näher beleuchten möchte.

Frau Minister, was verstehen Sie oder wer legt fest, bis zu welchem Abstand man von einer direkten Leitung spricht? Zählen da Meter, zählen Sicher­heits­klappen, zählen Drucksteigerungsstationen, Reinigungsfilter? Was ist das, eine Unterbrechung der direkten Leitung? Vielleicht können Sie dazu dann kurz Stellung nehmen.

Auf der einen Seite sollen neu entstehende Biogasanlagen, aber auch bestehende Biogasanlagen das von ihnen produzierte Gas nicht mehr verstromen, sondern das Biogas auf Erdgasqualität bringen, sprich auf 98,5 Prozent Methangehalt; auf der anderen Seite nimmt man aber den Produzenten beziehungsweise den Anlagenbetreibern, die sich ans Netz anschließen sollen, die potenziellen Kunden weg.

Weiters zum Nachdenken ist für mich der Status Ihrer Homepage vom 3. Jänner 2024; da steht: Ende April 2022 wurde von der Bundesregierung der Reparatur­bonus eingeführt. „Der große Andrang zeigt: Die Menschen in Österreich wollen in einer Welt leben, in der wir sorgsam mit unseren Ressourcen und unserer Umwelt umgehen.“ Ihr eigener Slogan, Frau Minister, zum Reparaturservice ist: „Reparieren statt Wegwerfen“.

Jetzt frage ich Sie, Frau Minister: Wir lassen einerseits Elektronikgeräte reparie­ren, um die Nutzungsdauer zu verlängern, um wertvolle Ressourcen zu schonen und Abfälle zu reduzieren. Das unterstützen wir Freiheitliche natürlich


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im vollen Umfang. Jetzt frage ich mich aber, wie das zusammenpasst, dass Sie andererseits das Wegwerfen von funktionierenden Heizgeräten fördern. Wie passt das zusammen? Wie passt Ihre Enteignungs- und Verbotspolitik hinsichtlich der  verschiedenen Heizsysteme – darauf komme ich noch – zusammen mit dem Beschluss und der Errichtung der Green-Gas-Leitung der Länder Österreich, Italien und Deutschland? Sind alle Gasanlagen, die von dieser Leitung gespeist werden, direkt angespeist oder ist bei Ihnen direkt nicht direkt? Oder ist es etwas anderes, wenn wir Frackinggas aus Katar in die Leitung bekommen oder Erdgas aus Russland?

Bezüglich dieser Differenzierung der verschiedenen Gasformen und wie diese zu behandeln sind, haben wir ja bereits in den letzten Sitzungen diskutiert.

Ja, Frau Minister, aber die Zahl 98,5 kommt ja nicht nur bei der Gasqualität vor, sondern sie zeigt auch Ihre Unfähigkeit und das Scheitern Ihrer Energiepolitik (Beifall bei der FPÖ), denn im Dezember 2023 wurden in Österreich zu 98,5 Prozent Gas aus Russland bezogen. Dies beweist, dass Sie mit Ihrer Energiepolitik – außer dass diese bewirkt hat, dass sich die Gasverbraucher­preise teilweise verzehnfacht haben – vollkommen gescheitert sind. Ihre diskriminierende Energiepolitik trifft in Österreich immer noch rund 840 000 Gasheizungen, 500 000 Ölheizungen und über 80 000 Heizungen mit anderen Brennstoffen.

Das, was das Fass für mich – oder vielleicht auch für viele andere – natürlich noch zum Überlaufen bringt, ist das Umstellungsgebot für dezentrale fossile Anlagen auf Fernwärme, wenn das Gebäude in einem Ausbaugebiet liegt – sprich: Wenn ich jetzt ein Haus mit einer ordnungsgemäßen Heizung, die funktioniert, habe und diese Region als Fernwärmegebiet erklärt wird, muss ich hergehen und meine Heizanlage herausreißen, weil Sie es sich so vorstellen. Diese Verbots­regierung stellt die völlig absurden Klimaziele der EU über alles und jeden in unserem Land. (Beifall bei der FPÖ.) Für uns Freiheitliche greift das damit auch massiv in unsere Grundrechte ein – Eigentum, Erwerbsfreiheit und so weiter.


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Zusammenfassend bleibt mir nur mehr eines zu sagen: Das Einzige, das schlecht für das Klima ist, sind Sie persönlich und Ihre Wegwerfpolitik. Darum: Treten Sie zurück! Machen Sie Platz für einen Minister, der für unsere Bevölkerung leistbare Energiepolitik und Klimapolitik mit Hausverstand macht, ohne Vorur­teile und ohne ideologiegetriebenen Enteignungs- und Verbotswahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.)

13.52


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


13.52.36

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Es geht um ein Thema, das meines Erachtens nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die es eigentlich verdient, denn die Wärmewende, und darüber reden wir, ist neben der Stromwende das wohl wichtigste Vorhaben im gesamten Klimaschutz – und ein besonders komplexes und schwieriges, da es in bestehende Strukturen eingreift, und nicht nur eingreift, sondern eingreifen muss.

Die Dimension ist enorm: Über eine Million Gasheizungen und um die 550 000 Ölheizungen in den Heizkellern schleudern nach wie vor Klimagifte in die Atmosphäre. Darum war schon in den Regierungsverhandlungen klar, dass es einen planbaren Rahmen braucht, diese loszuwerden.

Was zu verstehen sich viele so schwertun: Gerade bei strukturellen Änderun­gen – also bei Dingen, die lange brauchen – ist es entscheidend, schnell zu beginnen, sofort zu handeln, die Weichen früh zu stellen, denn damals noch 19 Jahre sind heute nur noch 16. Um all diese Kessel loszuwerden und um alternative Strukturen aufzubauen, ist das eine extrem kurze Frist. Das ist kürzer als die Lebensdauer eines Kessels – das muss man sich einmal vorstellen!


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Die Festlegung, bis 2040 Klimaneutralität zu erzielen, ist nun wirklich ein essenzielles Ziel im Sinne der Zukunftssicherung – man kann es nicht oft genug sagen – und der besonderen Verantwortung, die eben auch ein reiches Land wie Österreich hat. So war – weil uns das bewusst war – Anfang 2020 das Regierungsprogramm kaum aus der Druckerei, begannen wir mit einer großen Länderrunde mit der Arbeit. Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Es war Ende Februar 2020.

Als Erstes haben wir einen gemeinsamen Auftrag – ein gemeinsames Mandat, haben wir das damals genannt – ausgearbeitet; es geht ja bei Heizanlagen sehr stark um Länderkompetenzen. Allen war klar – Bund und Ländern –, es braucht einen gemeinsamen Kraftakt. Bereits ein halbes Jahr später stand dieses Mandat, getragen von der Klimaministerin, vom Finanzminister, den Energielandes­rät:in­nen und den Landeshauptleuten, und einer der wichtigsten – man muss eigentlich sagen –, nein, der wichtigste Punkt darin war, einen Rechtsrahmen für den Ausstieg aus Gas- und Ölheizungen zu entwickeln, auch im Bestand – es geht vor allem auch um einen Ausstieg.

Operativ durchgeführt wurde das dann von einem Koordinationsteam mit Vertretern aus den Ländern, dem BMK, dem BMF und Expert:innen. Ich sage Ihnen, ich bin schon viele, viele Jahre in verschiedenen Rollen in Bund-Länder-Arbeitsgruppen, aber dermaßen konstruktiv habe ich noch keine Arbeitsgruppe erlebt. Das bestätigen auch sehr, sehr viele andere – auch sehr kritische – Kollegen und Kolleginnen.

Es gab Zigdutzende Sitzungen mit allen Ländern, ungezählte Sitzungen in den Unterarbeitsgruppen, immer wieder wurden Forschungseinrichtungen beigezogen, viel Detailarbeit wurde geleistet. Ich möchte nur eines herausheben, weil das ein besonders wichtiger Punkt war, der zu klären uns wichtig war, weil da auch immer besonders viel Kritik kam: Ein wesentlicher Aspekt war eine wirklich intensive Analyse sämtlicher technischer und ökonomischer Möglich­keiten, auf erneuerbare Energieträger umzusteigen oder Fernwärme anzu­schließen. Also wirklich für jede nur vorstellbare Situation wurden Lösungen


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ausgearbeitet, die Kosten bewertet und die Wirtschaftlichkeit angeschaut, und wir können heute guten Gewissens sagen: Ja, das geht. Eine Dekarbonisie­rung ist technisch und auch wirtschaftlich möglich. Es gibt nur ganz, ganz wenige Ausnahmen, und die waren im Ursprungsentwurf ja auch schon abgebildet.

Bereits im Jahr 2021 lagen die ersten Bausteine für ein entsprechendes Erneuer­bare-Wärme-Gesetz vor – auch das eine große Leistung der zuständigen Abtei­lungen. Es gab bis zum Schluss an die 30 Gesetzesvarianten.

Im Frühjahr 2022 war es dann so weit, jedenfalls aus der Sicht des WKT, also aus der Sicht des gemeinsamen Gremiums, der politischen Steuerungsrunde. Die wesentlichen Elemente waren ein generelles Aus für fossile Energieträger in der Raumwärme bis 2040 – ein generelles Aus –, sofortiger Stopp im Neubau für sämtliche Fossile, ein Erneuerbarengebot bei sämtlichen Kesseltäuschen im Bestand. Was heißt Gebot? – Gebot heißt: Wenn es möglich ist, sind Erneuer­bare einzubauen, wenn es nicht möglich ist, gibt es entsprechende Ausnahmen.

Darüber hinaus gab es – wichtig, wiewohl technisch – ein Zentralisierungsgebot in Mehrwohnungshäusern. Das ist ganz wichtig, weil es eine entscheidende Voraussetzung ist, um überhaupt auf Fernwärme umsteigen zu können. Diese Bestimmung wäre besonders für die Stadt Wien mit ihren rund 500 000 Gas­einzel­heizungen wichtig. Das kann man nicht umstellen, wenn man im Gebäude keinen Verteilbaum, um es einfach auszudrücken, hat.

Parallel dazu – das haben wir schon öfters hier herinnen besprochen – haben wir sofort und stetig an Verbesserungen der finanziellen Absicherung gearbeitet, denn klar ist: Ein Tauschgebot ist ein Eingriff – gar keine Frage! Das ist ein Eingriff ins Eigentum, und da gilt es, den Energieträgerwechsel auch jenen zu ermöglichen, die ein geringes Einkommen haben, die so eine Investition sonst nicht stemmen könnten.

Also ich glaube, selten wurde ein Gesetz so umfänglich vorbereitet.


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Natürlich hat es, sobald verstanden wurde, dass wir das ernst meinen, Widerstände gegeben: Märchen von synthetischem Öl und Gas – die gerade wiederholt wurden – wurden erzählt; alles könne doch so bleiben, wie es ist; aber es ist immerhin gelungen, im Juni 2022 einen abgeschwächten, aber immer noch guten Ministerratsvortrag zu verabschieden und in die Begutachtung zu gehen. Auch die Regierungsvorlage im November 2022, die dann in den parlamentarischen Prozess geschickt wurde, hat im Kern noch die große Wärmewende enthalten.

Da ich selbst in diese Gesetzeswerdung gerade auch als Bindeglied zu den Bundesländern viele, viele Monate Lebensenergie investiert habe, verspüre ich keine Lust, aus meinem Herzen eine Mördergrube zu machen, und werde ganz kurz skizzieren, wie es dann gelaufen ist. Spätestens ab November 2022, als es halt wirklich ernst wurde, als es im Parlament war, begann die systematische Behinderung – man muss das so formulieren.

Auch wenn das jetzt manche nicht gerne hören, war es halt nun einmal so. Die offiziellen – ich betone: die offiziellen – Vertreter:innen der ÖVP wollten das EWG nie. Vor allem aus der Wirtschaftskammer und der Gaswirtschaft mit ihren verlängerten Armen, die sie ja hat (Ruf bei der FPÖ: ... chancenlos dagegen!), wurde alles getan, um das EWG zu verhindern. (Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!) Trotzdem waren wir im März 2023, fast genau ein Jahr ist es her, ganz nah dran – ein Beschluss im Wirtschaftsausschuss stand unmittelbar bevor –, allerdings kam dann ein paar Tage zuvor, übers Wochenende – wörtlich –, die SPÖ mit sehr weitreichenden Forderungen als Bedingung für die nötige Zweidrittelmehrheit.

Ja, vieles davon, sage ich auch ganz offen, war inhaltlich auch nachvollziehbar. Allerdings betraf vieles davon materiell nicht das EWG, aber vor allem war es zu viel, und es war eine veritable Fehleinschätzung der politischen Situation. Wir haben dann gleichwohl so viel wie nur möglich zu übernehmen versucht, und da ist auch viel gelungen, aber de facto war es vorbei. Die Verhandlungsleiterin der ÖVP ist im letzten Moment mit einem Verweis auf die Forderungen, für mich


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zumindest sachlich völlig unverständlich, abgesprungen. Von da an ist nichts mehr weitergegangen.

Die unselige Debatte beziehungsweise, besser formuliert, die grausliche Kam­pagnisierung gegen das Heizungsgesetz in Deutschland hat dann die Gegner:innen des EWG noch einmal bestärkt. Unsererseits wurde alles versucht, um das ursprüngliche EWG doch noch über die Ziellinie zu bringen, aber eine Mehrheit zu finden war dann letztlich aussichtslos. Die Folgen davon sind schon relevant, weil nun der rechtliche Rahmen für eine Dekarbonisierung im Bestand fehlt. Das schafft leider massive Probleme in der Umsetzung im Wohnrecht, wenn das fehlt, und ein Kesseltausch ist somit sehr schwer umsetzbar. Besonders bitter – ich habe es erwähnt – ist das für große Städte mit den vielen Einzelheizungen. Also galt es, das Beste daraus zu machen, und da ist noch einiges gelungen, das sich herzeigen lässt – und ich komme jetzt zu den erfreu­lichen Dingen –, weshalb ich heute trotzdem sehr guten Gewissens hier vor Ihnen stehe.

Wir haben zwei Bausteine: erstens ein EWG, das festlegt, dass im Neubau definitiv Schluss mit fossilen Energieträgern ist. Es wird in Österreich von nun an kein neues Gebäude mehr mit einer Öl- oder Kohleheizung gebaut werden. Das gilt auch für Gas- oder Ölheizgeräte – das ist ganz wichtig, auch kein Gerät ist mehr zulässig. Das ist ein riesiger Meilenstein, das muss man auch dazusagen. Selbst das war ein großer Kampf, und ich freue mich sehr, dass das gelungen ist. Es steckt nämlich auch eine Botschaft dahinter, die ganz klar ist: Wir wollen kein Gas und kein Öl mehr in den Heizkellern. Sie sind Klimagift, sie machen uns abhängig, sie haben eine minimale Wertschöpfung, sie sind teuer, sie sind unbe­rechenbar und es gibt viele, viele Alternativen.

Der zweite Baustein im Wärmepaket ist ein massiver Ausbau der Investitions­förderung für den Umstieg. Ich habe das das letzte Mal im Dezember schon ausführlich skizziert. Im Standardfall winken Förderquoten von zumindest 75 Prozent. Ich kann nur allen raten: Nutzen Sie diese Anreize, besser wird es nicht mehr, und lassen Sie sich – man spürt es ja schon wieder – nicht von den


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im Moment wieder relativ geringen Kosten für Gas und Öl täuschen! Das wird nicht so bleiben. Und Sie machen sich damit weiterhin abhängig von Despoten. Versorgungssicherheit ist jedenfalls etwas anderes.

Jetzt liegt der Ball wieder verstärkt bei den Ländern, weil es ja ihre Kompetenz ist, Lösungen für den Bestand zu implementieren, da Planungssicherheit zu schaffen. Ich bin schon gespannt, wie wir da weiterkommen werden. Und was ergänzend wichtig ist – das sage ich inzwischen schon jedes Mal –, das sind die sozialpolitischen Begleitmaßnahmen: bis hin zu 100 Prozent Förderung für einkommensschwache Haushalte, sprich die ersten drei Dezile, das ist wirklich viel – im Übrigen mit gesetzlich abgesicherten Mitteln bis 2030. Erzählen Sie auch das weiter, es ist zugunsten der Betroffenen.

Auch wenn wir das EWG natürlich gerne anders gehabt hätten, intensiver und klarer in den Rahmenbedingungen, im Bestand, trotzdem: So gehen Sozialpolitik und Klimaschutz zusammen und so geht nicht aufgeben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

14.03


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm das Wort.


14.04.08

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Werte Ministerin! Liebe Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Bei diesem TOP 2 handelt es sich um das Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Nationalrat bereits am 4. Juli 2019 einstimmig das Ölkesseleinbauverbotsgesetz beschlossen hat. Damals wurde über Parteigrenzen hinaus das Einbauverbot beschlossen, konkret für neu errichtete Gebäude. Jetzt wird dieses Verbot auf sämtliche mit fossilen Brenn­stoffen betriebene Anlagen in neuen Baulichkeiten ausgedehnt. Aber weshalb mussten dafür fünf Jahre vergehen? – Für mich ist das ein handfester Beweis


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dafür, dass das Ministerium die Sache nicht verfolgt hat und Ihnen die Lösungs­kompetenz fehlt.

Zu dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf darf ich Folgendes festhalten: Das Einbauverbot von Heizanlagen in Neubauten betrifft Heizungen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Da gibt es Bundesländer, die von sich aus bereits auf Länderebene diesen Vorschlag als Landesgesetz umgesetzt haben. In Oberösterreich gibt es seit Jahren nur eine Landesförderung, wenn eine umweltfreundliche Heizanlage eingebaut ist oder wird. Wir brauchen in Oberösterreich keine Vorgaben des Ministeriums, denn: Wo die FPÖ zuständig ist, wird Politik mit Hausverstand gemacht (Heiterkeit bei den Grünen), nach unserem Motto: Wir bauen Zukunft – auf uns kann man bauen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt: Ausweitung und Attraktivierung der Förderangebote im Rahmen des Umweltförderungsgesetzes für die Umrüstung beziehungsweise den Austausch von bestehenden Heizanlagen. Die Angebote auf der bestehen­den gesetzlichen Grundlage wurden in den Jahren 2021 und 2022 sehr gut angenommen. Zu kritisieren ist die Tatsache, dass keine Begutachtung des vorliegenden Gesetzesvorschlages stattgefunden hat. Diese Regierungsvorlage stellt Gott sei Dank eine wesentliche Entschärfung gegenüber 2019 dar. Zu begrüßen ist auch, dass ein freiwilliger Umstieg ebenso gefördert wird.

Erstens: Von 2024 bis 2026 wird der Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung gefördert. Zweitens: 2024 sind 200 Millionen Euro für die thermische Sanierung vorgesehen. Drittens: Die Bundesförderung für den Heizungstausch ist an die Landesförderung gebunden, was als vernünftig erachtet wird. Für einkommens­schwache Haushalte ist eine Förderung von bis zu 100 Prozent möglich. – All diese Punkte sind positiv, aber leider überwiegen die negativen. (Beifall bei der FPÖ.)

Man stelle sich die Sinnhaftigkeit vor: Eine vom privaten Besitzer eingebaute und rund 15 Jahre sehr gut funktionierende Heizung herauszureißen, nur weil es


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eine Förderung von Bund, Land, eventuell sogar von der Wohnsitzgemeinde gibt, empfinde ich als Volksvertreter als Steuergeldverschwendung. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Muss man ja nicht!) Aber Ministerin Gewessler geht es nicht um vernünftige und nachhaltige Unterstützung der Bevölkerung, sondern nur um populistische Regierungsbeschlüsse wegen der Nationalratswahlen. (Beifall bei der FPÖ.)

Früher sagte man Wahlzuckerl dazu. Verstehen kann die Vorgehensweise niemand, aber im Hinblick auf die Tatsache, dass die Grünen nach der Wahl keiner Regierung mehr angehören werden, ist der Zugang offensichtlich – so nach dem Motto: Hinter mir die Sintflut!

In der Regierungsvorlage wird auf die Finanzierung der immensen Fördersumme nicht im Geringsten eingegangen. Da stellt sich für mich schon die Frage: Wer hat so viel Geld, wer soll das bezahlen? – Die Antwort ist einfach: wir, unsere Kinder und deren Nachkommen. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Regierungszeit von 2017 bis 2019 wurden Gesetzesvorlagen erstellt, die auch finanzierbar waren, sogar ein Nulldefizit war möglich. Davon sind wir jetzt meilenweit entfernt. Mit dem enormen Fördervolumen wird zu unökonomischen Entscheidungen durch diese Bundesregierung gedrängt. Das Budgetbegleit­gesetz haben wir 2023 im Nationalrat aufgrund der gesetzlichen Grundlage abge­lehnt.

Eine weitere nicht nachvollziehbare Vorgehensweise ist die Tatsache, dass in der Pressekonferenz mitgeteilt wurde, mit der SPÖ bereits über eine Zustimmung für eine Zweidrittelmehrheit gesprochen zu haben. Somit ist offensichtlich, dass das Klimaschutzministerium an einer sachlichen politischen Arbeit für Österreich über die Parteigrenzen hinweg kein Interesse hat. Wie bereits angesprochen, erstellt diese Bundesregierung einen Gesetzentwurf nach dem anderen (Bundes­rätin Eder-Gitschthaler: Ja, sie arbeitet, die Bundesregierung arbeitet!), und kein einziger wird mit den Oppositionsparteien im Rahmen der Begutachtung abge­stimmt.


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Das EWG ist bestenfalls ein Kompromiss, wobei ständig mit Änderungen zu rechnen ist. Jedem politisch interessierten Bürger, der die Tagespresse verfolgt, ist sicher ein „Krone“-Artikel aufgefallen (Heiterkeit und Rufe bei SPÖ und Grünen: Tagespresse? „Die Tagespresse“?! – Heiterkeit bei der ÖVP), laut dem ein ehemaliger Spitzenpolitiker einen für mich vernünftigen Zugang zur Demokratie äußert. Die Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers Kurz über Herbert Kickl: „Wenn Kickl“ nach den Nationalratswahlen „Kanzler wird, ist das Demo­kratie“.

Jetzt der Gegensatz: Die Politik der Grünen wurde von der Bevölkerung durch­schaut, und die Bürger abhängig zu machen ist letztklassig. Sowohl Wirtschaft als auch arbeitende Bevölkerung zuerst mit einer unnötigen CO2-Bepreisung zu belasten und sich dann hinzustellen und mit nicht finanzierbaren Förderungen Almosen zu vergeben ist wirklich letztklassig. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend noch eine Bitte an Sie, Frau Ministerin: Erlösen Sie mit Ihren Regierungskollegen die österreichische Bevölkerung und treten Sie zurück! Derzeit ist eine Zustimmung unsererseits da nicht möglich. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.11


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger. Ich erteile ihr dieses.


14.11.26

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Danke, Herr Kollege Steinmaurer, dass Sie uns ein Kompliment erteilt haben – wir sind fleißig, es gibt eine Vorlage nach der anderen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Na ja, heute haben ...!)


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In Österreich gibt es noch 840 000 Gasheizungen, 500 000 Ölheizungen und 80 000 Koks- und Kohleheizungen. Ja, mit diesem Gesetz wollen wir die Dekarbonisierung des Gebäudesektors vorantreiben, einerseits, indem wir in Neubauten keine fossilen Heizungen mehr einbauen wollen, andererseits aber natürlich, indem wir Anreize schaffen, um fossile Heizungen durch klima­freundliche Heizungen zu ersetzen.

Ich betone: Anreizsystem! Es wird niemand gezwungen, niemand muss das machen. Wenn jemand meint, seine Heizung sei noch in einem guten Zustand, dann kann er sie auch behalten. Aber: Heizungen sind teuer, und wer so etwas machen will, bekommt wirklich 75 Prozent, und Menschen mit geringeren Einkommen bekommen 100 Prozent. Das ist wirklich eine Entscheidung, die jeder selber treffen kann: ob er das machen will oder nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit Stand 5.2.2024 wurden schon 38 Förderanträge eingereicht und 26 500 Registrierungen durchgeführt. Es läuft nämlich eine Einreichung immer zuerst über eine Registrierung, und innerhalb von zwölf Monaten muss man dann den Antrag stellen.

Weil ich immer gefragt werde: Förderanträge können von Eigentümern, Bauberechtigten und auch Mietern von Ein- und Zweifamilienhäusern oder Reihenhäusern eingereicht werden. Förderfähig ist der Ersatz eines fossilen Heizsystems wie Öl, Gas, Kohle, Koks, Allesbrenner und strombetriebene Nacht- und Direktspeicheröfen.

Gefördert werden – und da bringe ich nur ein paar Beispiele, damit Sie sehen, welche Dimension das wirklich ist – zum Beispiel Pellets- und Hackgutheizungen mit maximal 18 000 Euro, eine Scheitholzzentralheizung mit 16 000 Euro oder eine Luftwärmepumpe mit 16 000 Euro, um nur einige zu nennen. Außerdem gibt es einen Bonus von 1 200 Euro, wenn man einen Gasherd austauscht, und einen Solarbonus von 2 500 Euro. – Also eine breite Palette, einen bunten Blumenstrauß, aus dem sich jeder genau aussuchen kann, was für ihn gut passt.


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Am besten wenden Sie sich an die Energieberatungsstellen, und Sie bekommen ganz viele Informationen auch unter umweltfoerderung.at. Dort können Sie alles nachlesen, was in diesem Bereich wichtig ist.

Mit diesen Maßnahmen leistet die Umweltförderung einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaziele. Deshalb: Stimmen Sie doch zu! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.14


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Leonore Gewessler. – Bitte sehr.


14.14.29

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Werte Gäste im Bundesrat! Ich darf auch noch ein paar Worte zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz sagen, möchte aber Kollegen Bernard um Verständnis bitten, dass ich selbstverständlich nur die aktuelle Version des Gesetzes kommentieren werde, die Sie heute beschließen, und nicht auf Vorversionen eingehen werde.

Sie beschließen das heute, nachdem die Frist für diese Notifizierung – eine Notifizierungspflicht auf europäischer Ebene lag für dieses Gesetz vor – abge­laufen ist, aber aus Brüssel, auch aus anderen Mitgliedstaaten gab es keine Einwände, keine Kommentare zu diesem Gesetz, aus gutem Grund: weil dieses Gesetz ein gutes Gesetz ist und weil es Klarheit auf unserem Weg zur Dekarbonisierung im Gebäudebestand schafft. Deswegen steht das heute hier auf der Tagesordnung und wir können den nächsten Schritt der Beschlussfassung machen.

Sie wissen ja – Abgeordneter Gross hat es ausgeführt –, das Gesetz hat eine lange Geschichte. Auch ich habe sehr viele Monate meines Lebens und sehr viel Herzblut in diesen Gesetzwerdungsprozess gegossen. Wir haben Ende letzten


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Jahres das Paket, den ursprünglichen Plan noch einmal groß umgestellt. Ich habe vielfach schon erklärt, warum, und ich möchte das hier jetzt nicht noch einmal wiederholen. Wir haben jetzt ein Paket vorliegen, das auf zwei Säulen beruht, und die eine Säule haben Sie heute hier zur Beschlussfassung vorliegen, nämlich die erste Säule mit Klarheit und einem gesetzlichen Verbot im Neubau. Die zweite Säule sind die maximalen Förderungen im Bestand.

Ja, wir brauchen genau diese Klarheit auch im Gebäudebereich, man hat es auch in dieser Diskussion gesehen. Wir sind aber in Österreich in einer Situation, in der man, wenn man heute ein neues Gebäude errichtet, dort keine Gasheizung mehr einbauen können soll. Es soll niemand mehr einer Familie in Oberösterreich einreden können, eine Gasheizung sei 2024 eine gute Idee. Das ist sie nämlich nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Sie hält uns in der Abhängigkeit, sie hält uns in der Kostenfalle der fossilen Energien und sie ist – diese Abhängigkeit sehen wir gerade – eine Gefahr für unser Land. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Deswegen – ja – stehe ich dazu: Wir haben im Neubau viel bessere Alternativen, und deswegen schaffen wir jetzt Klarheit mit diesem Gesetz, denn jede neue fossile Heizung ist schlecht für das Klima, jede neue fossile Heizung macht uns auf Jahrzehnte abhängig. Deswegen ist das ein Thema, das wir jetzt angehen sollen. (Bundesrat Steiner: Volle Ideologie!) Und deswegen setzen wir dem mit diesem Gesetz ein Ende. (Beifall bei den Grünen.)

Im Neubau deswegen: keine dreckigen Heizungen mehr, egal ob Kohle, Öl oder Gas. Da der Kohle-und-Öl-Beschluss einstimmig war: Vielleicht kann sich die FPÖ ja noch einen Ruck geben; da hat sie ja beim letzten Mal scheinbar zugestimmt. (Bundesrat Steiner: Nein, nicht scheinbar, sondern auch wirklich!)

Die Frage von Abgeordnetem Bernard zur Direktleitung kann ich natürlich gerne beantworten. Was war der Gedanke dahinter? – Wir haben im Gasverbrauch eine sehr ungleiche Verteilung. Unser Ziel beim Gasverbrauch ist ja: fossiles Gas


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raus, erneuerbares Gas rein. Der Anteil von Biogas in unserem Netz ist derzeit weit unter 1 Prozent, das heißt, wir haben wirklich viel zu tun.

60 Prozent des Gasverbrauchs sind derzeit im produzierenden Bereich, ich mache mir also über die Biogasabnahme keine Sorgen (Bundesrat Steiner: Das wird Sie nicht mehr betreffen!), da gibt es einen großen Bereich, der gasförmige Energieträger braucht. Aber: Wir wollten natürlich dem Landwirt, der Landwirtin, die vielleicht eine Biogasanlage betreibt, ermöglichen, die eigene Wärme für das eigene Haus zu erzeugen, und genau auf solche Ausnahmetatbestände zielt eben die Direktleitung ab. Die Direktleitung ist definiert als eine Leitung, die nicht über das Gasnetz geht. Das Gasnetz wiederum ist im Gaswirtschaftsgesetz defi­niert, ist aber unabhängig von der Länge oder der technischen Ausführung. Die Voraussetzung ist im Gaswirtschaftsgesetz geregelt. Gut – so viel zum Gesetz.

Die zweite Seite haben wir auch schon diskutiert, das sind die bestehenden Gebäude. Da arbeiten wir mit Förderungen. Wir haben die Förderhöhen deutlich erhöht. Wir unterstützen also alle Menschen, die auf Klimaschutz umstellen, so gut es geht mit Finanzmitteln. Wer seine Heizung tauscht, bekommt im Durch­schnitt rund 75 Prozent der Kosten ersetzt.

Der Heizungstausch wird einfach, er lohnt sich und er ist auch gescheit, denn wenn man konsequent ist, dann macht man Klimaschutz auf allen Ebenen. Beim Reparaturbonus geht es darum: Neue Produkte zu produzieren heißt CO2–Emissionen, daher ist es gescheit, die Nutzungsdauer zu verlängern. Bei einer Gasheizung geht es darum, dass diese CO2-Emissionen verursacht. Sie früher herauszunehmen ist im Klimaschutz gescheit. Das ist eine sehr konsistente Herangehensweise an den Klimaschutz und deswegen machen wir das mit der zweiten Säule der Förderungen.

Meine Experten, Expertinnen im Ministerium sagen mir, wir werden mit dieser Förderungssäule in den nächsten Jahren höhere Tauschraten erreichen als mit dem ersten Entwurf des Gesetzes, weil der Heizungstausch eben noch nie so


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attraktiv war wie jetzt. Die Menschen in unserem Land können diese Entschei­dung selbstverantwortlich treffen. Wir unterstützen sie dabei so gut es geht und der Umstieg wird zu einer logischen Entscheidung.

Deswegen bitte ich im Sinne des Klimaschutzes, deswegen bitte ich im Sinne einer guten Zukunft, nämlich auch für die Generationen nach uns, um breite Zustimmung zu diesem Gesetz.

Ich bedanke mich bei den Beamten und Beamtinnen bei mir im Klimaminis­te­rium – ich glaube, das Gesetzespaket hatte mehr als 30 Versionen bis zu dieser Beschlussfassung – für die umfangreiche Erarbeitung. Ich bedanke mich für die am Ende raschen Verhandlungen zu diesem Paket bei allen drei Parteien, die es bis hierher unterstützen, und darf heute dennoch um breitere Zustimmung zu diesem Gesetzespaket bitten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.20


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. – Bitte.


14.21.08

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Bei der letzten Bundesratssitzung im Dezember haben wir über das Heizungsumstiegs-Zweckzuschussgesetz debattiert. Für die Sozialdemo­kratie ist das für die gesamte Zustimmung wesentlich, da die soziale Dimension der Wärmewende beachtet wird. Menschen, die in der glücklichen Lage sind, ihre Wärmeversorgung selbst organisieren und gestalten zu können, haben die Möglichkeit, sich den Umstieg fördern zu lassen. Dies ist gerade im ländlichen Raum, wo viele im Einfamilienhaus beziehungsweise im Generationenhaus leben, eine Chance, sich den Umstieg auf saubere und günstigere Wärmeenergie auch leisten zu können.


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Meine Kritik an der abrupten Änderung der Förderrichtlinien bleibt jedoch noch immer aufrecht. Frühentscheider:innen, die unter dem Förderregime 2023 den Heizungswechsel durchführten, fühlen sich zu Recht schlechter behandelt. Ich lege daher noch einmal nahe, hier Übergangsbestimmungen rückwirkend für das gesamte Jahr 2023 festzulegen.

Für Menschen in unserem Land, die zur Miete im Altbestand wohnen und nicht über die Wärmeversorgung frei entscheiden können, fehlt es leider noch immer an praktikablen Förderungen beziehungsweise Instrumenten, die die Hausherren und -innen im stärkeren Umfang zu Sanierungen und zum Beispiel zum Ausbau der Fernwärme animieren.

Als ich in den Achtzigerjahren in Wien lebte, gab es sogenannte Substandard­wohnungen auf dem Markt. Mit diesen haben Vermieter wenig verdient, und das war Druck genug, um sie zu sanieren. Eine Wohnung ohne Möglichkeit einer erneuerbaren Wärmeversorgung und ohne thermische Isolierung sollte meiner Ansicht nach zur Substandardwohnung erklärt werden – mit allen Nachteilen am Markt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Gross.)

Die Mieter hängen nämlich zurzeit mit ihren hohen Energiekosten und den überteuerten Mieten in der Luft. Die hohen Energiekosten für Raumwärme erdrücken viele Bürger:innen immer noch. Die Not an leistbarem Wohnraum zwingt die Menschen mit begrenzt verfügbaren finanziellen Mitteln eben in die schlecht isolierten Häuser mit teurer fossiler Wärmeversorgung. Das ist schlecht für unsere Gesellschaft, das spaltet.

Ich halte noch einmal fest: Für die Sozialdemokratie hat es oberste Priorität, dass die Teilhabe von Menschen mit geringerem finanziellen Spielraum am Ausstieg von fossilen Energieträgern verankert ist.

Wir können nicht verantworten – und das liegt in unserem Selbstverständnis –, dass jene, die es sich nicht richten können, abgehängt werden und künftig ohne


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Wahlmöglichkeiten mit den teuersten Energieträgern konfrontiert werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Gross.)

Es ist an der Zeit, dass sich die Politik wieder am Bedarf der vielen orientiert, und dazu braucht es die Sozialdemokratie in Regierungsverantwortung. (Bundesrätin Schumann: So ist es!) Nur so können die anstehenden Herausforderungen im Dienste und im Sinne der Menschen gemeistert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Beschluss: Das vorliegende Erneuerbare-Wärme-Gesetz konnte im Bundes­rat aus Formalgründen im Dezember nicht beschlossen werden – die Notifi­zierung auf europäischer Ebene stand noch aus. Durch den Umstand, dass der Bundesrat erst jetzt tagt, kann aber das Recht, einen Einspruch zu erheben, aufgrund der verstrichenen Achtwochenfrist nicht wahrgenommen werden, womit der Bundesrat ein ganz zentrales Element seiner Mitwirkungsrechte nicht wahrnehmen könnte, sondern im Falle einer fehlenden Mehrheit das Gesetz nur absolut zu Fall bringen würde.

Das ist aufgrund der Zustimmung der Sozialdemokratie heute kein Problem, denn wir wissen, dass dieses Gesetz jetzt kommen muss. Aber: Wenn hier immer die Wichtigkeit des Bundesrates hervorgehoben wird, ist es zentral, dass wir auch dessen Rechte wahren. Das ist in diesem Fall nicht geschehen und ich darf das namens meiner Fraktion heute hier auch für die Zukunft einmahnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Wärmewende ist ein wesentlicher Teil der Energiewende. In der Literatur wird dabei je nach Autor von bis zu 25 Prozent des gesamten Primärener­gieeinsatzes gesprochen. Der Einbaustopp für Gasheizungen ist ein wichtiger Schritt und die Sozialdemokratie wird wie bereits berichtet hier zustimmen.

Frau Ministerin, da ich noch etwas Zeit zur Verfügung habe: Der Einbau von Gasheizungen im Neubau ist das eine, die Versorgung des Bestandes und die Versorgung der Industrie mit Gas das andere. Diese Versorgung passiert über einen denkbar niedrigen Diversifizierungsgrad in der Beschaffung: Laut ORF


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kommen noch immer 98 Prozent des Gases aus Russland. Das macht uns anfällig und fragil. Für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich ist der Bau der WAG von besonderer Wichtigkeit. Diesbezüglich ist Taktieren fehl am Platz, da gehört sofort gebaut! Wir brauchen diese Leitung für den Bestand. Bitte, Frau Ministerin, setzen Sie sich dafür ein! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.27 14.28.00


Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall, somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Da für den gegenständlichen Beschluss die Achtwochenfrist gemäß Art. 42 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz aufgrund der Einhaltung der Stillhaltefrist im Sinne der Notifikationsrichtlinie bereits abgelaufen ist, ist nur über das Zustim­mungsrecht gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz abzustim­men.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich lasse über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag


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ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse ange­nommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

14.29.403. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Telekommunikationsgesetz 2021 geändert werden (3821/A und 2419 d.B. sowie 11417/BR d.B.)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin hierzu ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. – Ich bitte um den Bericht.


14.30.06

Berichterstatterin Viktoria Hutter: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Telekommunikationsgesetz 2021 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Ich darf auch Staatssekretär Florian Tursky sehr herzlich hier im Bundesratssaal begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte.


14.31.00

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Auch ich darf Ihnen gleich eingangs viel Erfolg für Ihre Präsidentschaft in diesem Halbjahr wünschen.

Werter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir läuft ja immer irgendwie ein bisschen ein kalter Schauer den Rücken runter, wenn die Bundesregierung etwas mit Digitalisierung macht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Echt? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Tatsächlich, ja, und das hat auch einen Grund. Ich habe ein einigermaßen gutes Gedächtnis, aber auch viele von Ihnen werden sich an das Kaufhaus Österreich erinnern können (Bundesrätin Schumann: Ja!): 1,3 Millionen Euro verbrannt, zerrissen! Für nichts! Diese Website wurde sofort wieder eingestellt, hat keinen Mehrwert für die österreichische Bevölkerung gehabt. Zusätzlich – und das ist nicht so vielen bekannt – gab es viele Youtube-Videos der damaligen Ministerin, und diese Youtube-Videos hatten 30 bis 40 Views. Da funktionieren sogar die des Bundeskanzlers auf Social Media besser, das muss man tatsächlich sagen. – Das war der eine Punkt.

Der zweite Punkt – das war ja ganz unterhaltsam bis schmerzhaft –: Sie haben versucht, die ID Austria zu promoten. Das ist tatsächlich löblich, dass Sie als Staatssekretär für Digitalisierung das tun. Sie haben versucht, das auch live vor der Kamera zu machen. Sie haben dem Redakteur das Handy aus der Hand genommen und versucht, das am Handy praktisch einzurichten. Das ist dann leider gescheitert. Live! Sie haben sich aber nicht entmutigen lassen – auch das ist Ihnen zugute zu halten –, Sie haben es ein zweites Mal probiert. Das ist wieder gescheitert. Sie haben es dann noch ein drittes Mal probiert, und dann war es aber auch wirklich genug.


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Also auch da: ID Austria, die Digitalisierung wieder ein großes Problem. Viele Menschen in der österreichischen Bevölkerung kennen das und die Probleme mit der ID Austria.

Das Dritte: Bundesregierungsmitglied Minister Kocher, Ihr Kollege im Team der ÖVP, ist gleich zweimal mit der Nase auf dem Boden gelandet, zweimal mit dem AMS. Einerseits hat er ein Rechenmuster genommen, einen Algorithmus, eine KI eingesetzt, die den Berater:innen und Betreuer:innen dabei helfen soll, Personen in neue Jobs zu bringen. Das Problem dabei war, dass diese KI Mechanismen verwendet hat, die vielleicht nicht so ideal sind. Was meine ich konkret? – Da sind auch die Postleitzahlen reingelaufen, und wenn jemand zum Beispiel aus einer Gegend wie der meinen kommt, aus Favoriten – die Postleitzahl ist 1100 –, hat dieser Algorithmus der Person automatisch schlechtere Angebote gemacht oder sie praktisch gar nicht zugewiesen. Es ist kein Wunder, dass dieser Algorith­mus jetzt gerade Gegenstand eines Rechtsverfahrens ist, denn genau das ist nämlich passiert.

Und das zweite Mal, wieder Minister Kocher und erst vor Kurzem: ein KI-Chatbot. Ganz großartig! Was macht dieser KI-Chatbot? – Er bringt immer wieder, er reproduziert Vorurteile. Es wurde in diesen KI-Chatbot zum Beispiel eingegeben, dass man ein homosexueller Mann ist. Was empfiehlt dieser KI-Chatbot dann? – Man soll etwas im Kreativbereich machen. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Man gibt dort ein, dass man eine junge Frau ist. Was empfiehlt dieser KI-Chatbot, dass man tun soll? – Man soll Philosophie studieren oder Design machen. Gibt man Mann ein, soll man natürlich in die Technik gehen. Das macht dieser KI-Chatbot.

Das ist auch schon das Problem mit KI, wenn man sie nicht gesamtheitlich betrachtet. (Bundesrat Schreuder: KI? Algorithmus, ja!) KI arbeitet mit Korrela­tionen und nicht mit Kausalität. Man versucht, in großen Datenmengen Gemeinsamkeiten zu finden, und genau das ist auch das Problem, das man verursachen würde, wenn die KI unreguliert in der Arbeitswelt Einzug halten


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würde: Diese Korrelationen werden wiedergegeben und damit zugleich wiederholt.

Ich möchte Ihnen anhand von drei Menschengruppen oder Personen erklären, warum wir gegen diesen Gesetzesvorschlag sind. (Bundesrat Buchmann: Gut, dass bei euch nie etwas passiert! – Bundesrat Himmer: Bei euch funktioniert immer alles!) Erstes Beispiel: Eine Frau bewirbt sich um einen Job in einem großen Unter­nehmen; sie hat Bauingenieurwesen studiert und will Bauingenieurin werden. Der Algorithmus bekommt 50 Bewerbungen, lässt diese Bewerbungen durchlaufen und entscheidet sich gegen diese Frau. Warum entscheidet sich der Algorithmus gegen die Frau? – Basierend auf Daten der Vergangenheit, die drinnen sind, ist klar: Das muss ein Mann werden. Diese Vorurteile werden wiedergegeben, wenn man nicht eingreift und darauf schaut, dass es dis­kri­minierungsfrei bleibt.

Zweites Problem: Angenommen, Sie sitzen zu Hause und wollen einen Flug nach Rom buchen. Sie haben schon alles herausgesucht. Da steht 190 Euro – ein gutes Angebot, das wollen Sie nehmen. Im selben Browser gehen Sie auf irgend­einen großen Anbieter und buchen ein Hotel. Der Browser nimmt diese Daten auf, sie wollen den Flug buchen, und auf einmal kostet dieser nicht mehr 190 Euro, sondern 430 Euro, weil das Programm im Hintergrund weiß, dass Sie den Flug jetzt brauchen, weil Sie ja schon ein Hotel gebucht haben.

Drittes Problem: Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die da noch kommen könnten, insbesondere aber im Bereich des Konsumentenschutzes; im Datenschutz hätten wir gleich das nächste.

In diesen drei Bereichen, also Arbeitsrecht, Konsumentenschutz und Daten­schutz, haben wir das Problem, dass die Betroffenen keine Ansprechstelle haben.  Konkret beim Datenschutz habe ich im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI den bedauerlichen Fall vor Augen, der in der Realität leider auch immer wieder passiert: Stellen Sie sich vor, Sie sind Vater oder Mutter einer


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Tochter, die 15 oder 16 Jahre alt ist. Es gibt ein Foto von ihr, es gibt halb­starke Schulkolleginnen, Schulkollegen, die es durch irgendeine KI rennen lassen; es werden anzügliche Fotos daraus gemacht, die machen auf dem Schulhof die Runde, und Sie müssen dann schauen, wie Sie damit zurechtkommen.

Diese drei Szenarien habe ich also vor Augen. Diese drei Personen suchen Rat, wollen Hilfe, gehen damit zur KI-Servicestelle. Was wird diese KI-Servicestelle machen? – Sie wird sagen, dass sie nicht zuständig ist. Das ist das Problem an der KI-Servicestelle. Die KI-Servicestelle macht nämlich nur eines: Sie hilft Unternehmen bei der Implementierung und Anwendung von KI, und das war’s. Die ÖVP tut das, was sie immer tut: Sie schaut durch das Guckrohr und macht etwas für Unternehmen.

Ich sage dazu: Da habe ich prinzipiell nichts dagegen, man soll Unternehmen dabei helfen, das kann sogar für den Wirtschaftsstandort förderlich sein, aber es gibt halt auch ganz, ganz viele andere Menschen in diesem Land. Österreich besteht nicht nur aus Unternehmern, es besteht nicht nur aus Landwirten und es besteht nicht nur aus Lobbyisten. Es gibt ganz, ganz viele andere Gruppen in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie richten eine Servicestelle ein und sagen, dass das sozusagen ein Vorgriff auf die Künstliche-Intelligenz-Verordnung der Europäischen Kommission ist, die kommen wird. Warum immer dieser Fokus nur auf Unternehmen? (Staatssekretär Tursky: Das stimmt nicht!) Ich verstehe das einfach nicht.

„Das stimmt nicht!“, sagt der Herr Staatssekretär. Da bin ich aber gespannt! Ich habe mir das nämlich auch als Jurist angeschaut, denn der Staatssekretär hat ja schon im Nationalratsplenum gesagt, dass das nicht stimmt und die Servicestelle selbstverständlich auch Konsumentinnen und Konsumenten helfen wird. Das finde ich spannend. Als Jurist schaue ich mir nämlich immer an, was im Gesetzes­text steht, und da gibt es einen Katalog von Aufgaben für diese Servicestelle, und in dem steht das nicht drin! Sie wird Konsumentinnen und Konsumenten also nicht helfen. Insofern bin ich sehr gespannt, wenn Sie sagen, dass das nicht


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stimmt, wie Sie das entkräften wollen. Mit dem Gesetzestext können Sie das jedenfalls nicht. Die Behörde wird nicht anders können, als nach diesem Gesetz zu agieren, denn so funktioniert unser Rechtsstaat. Daher stimmt das also sehr wohl.

Abschließend will ich noch auf etwas hinweisen, was mehrere anerkannte Forscher in diesem Land gesagt haben, etwa von der TU Wien. Die haben vor einem halben Jahr eine Pressekonferenz gemacht und die Arbeit der öster­reichischen Regierung im Bereich der künstlichen Intelligenz und ihren Umgang damit kritisiert. Sie haben gesagt: Die Bundesregierung lobt sich immer dafür, dass sie im Bereich der KI so viel Geld ausgibt, so viel hilft und macht. Ein Professor der TU-Wien, der da gesprochen hat, hat Folgendes gesagt: Das ist bis zu einem gewissen Grad Selbsttäuschung. Es wird zwar Geld für Projekte ausgegeben, in deren Namen Computer und Daten vorkommen, und das ist dann auf einmal ein Künstliches-Intelligenz-Projekt. Das ist aber viel zu wenig. Künstliche Intelligenz wird ein Zukunftsthema sein, und da reicht es nicht, wenn wir einfach nur Projekte fördern, in deren Namen Computer und Daten vorkommen. Stattdessen müssen wir wirklich in die Sache selbst eingreifen.

Ich weiß, Herr Staatssekretär, dass Sie in diesem Bereich bemüht sind, eine Lösung zu finden; das weiß ich auch anzuerkennen. Es ist nur so, und das gleich als Vorgriff auf die Wahl in Innsbruck: Bemühen allein reicht nicht! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Aha!)

14.39


Präsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.39.18

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Kollege Obrecht hat das jetzt alles sehr lustig gebracht. (Heiterkeit und Widerspruch bei der SPÖ.) Ich kann aber aus dem Verfassungsausschuss, in dem


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wir das Thema vorgestern besprochen haben, nur berichten, dass es ein bisschen anders ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)

Das Thema künstliche Intelligenz ist ja wirklich in aller Munde. Es ist eine Revolution. Wir müssen uns fragen: Was macht KI mit uns? Was machen wir mit KI?

Die neue Servicestelle für Künstliche Intelligenz soll künftig unter anderem über regulatorische Rahmenbedingungen und Auswirkungen von KI auf Cyber­sicher­heit informieren, Studien, Analysen und Fachtagungen durchführen, Web­leitfäden für den Einsatz von KI im Medienbereich samt Best-Practice-Modellen bereitstellen, öffentliche und private Rechtsträger beraten sowie sich regelmäßig mit Marktteilnehmern im Medienbereich austauschen.

Die elf Mitglieder des Beirats für Künstliche Intelligenz sollen vom Bundes­kanzler und vom Finanzminister für eine Funktionsperiode von vier Jahren bestellt werden und aus den Bereichen Ethik, Forschung, Ökonomie, Recht und Technik kommen.

Gerade die generative künstliche Intelligenz hat sich für viele überhaupt erst greifbar gemacht. Man muss aber über die Fehlbarkeit von solchen Systemen diskutieren und auch darüber sprechen, wie nachvollziehbar solche Ergebnisse überhaupt sind. Das sind Fragestellungen, die viele von uns und auch viele in der Bevölkerung bewegen.

Es ist entscheidend, die Chancen von KI zu nutzen, aber auch die Gefahren nicht zu übersehen. Daher ist es ein bedeutender Beitrag, eine KI-Servicestelle zu etablieren und viele dieser Bereiche anzusprechen. Die Servicestelle soll Unter­nehmen – ja –, die in der Entwicklung und in der Erforschung solcher Systeme tätig sind, begleiten und besonders auch auf den regulatorischen Prozess der EU vorbereiten. Es geht darum, KI-Systeme in unseren Unternehmen sinnvoll einzusetzen, Effizienz zu steigern und einen volkswirtschaftlichen Mehrwert zu generieren.


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Es geht natürlich aber auch um Wissensverbreitung, darum, das Thema KI einer breiten Bevölkerung zugänglich zu machen, zu erklären, was dahintersteckt, Analysen und Studien zu ermöglichen, Leitlinien zu schaffen und Informationen für Nutzerinnen und Nutzer bereitzustellen. Das ist eine wertvolle Aufgabe, die diese Servicestelle erbringen soll. Sie soll auch gleichermaßen wissenschaftliche Expertise im KI-Beirat verknüpfen, der aus Personen aus der Wissenschaft besteht.

Es geht natürlich auch darum, wie die weitere Ausbaustufe sein soll, um neben der KI-Servicestelle und dem Beirat auch die Möglichkeit zu schaffen, viele verschiedene Stakeholder zusammenzubringen, beispielsweise aus den Interes­senvertretungen, aus der Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, aus Non-Profit-Organisationen und aus Vereinen, die sich mit dem Thema intensiv beschäftigen. Das alles ist sehr begrüßenswert.

Wie ich vor einigen Tagen gelesen habe, wird sich auch der Rechnungshof in seiner Arbeit mit der künstlichen Intelligenz beschäftigen, während auf der anderen Seite aber die Gymnasiallehrer die Abschaffung der vorwissenschaft­lichen Arbeit vor der Matura fordern, weil ihnen die Zeit für die Überwachung der Schüler hinsichtlich des Einsatzes von KI fehlt.

Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie diesem wichtigen Gesetzes­vorhaben zu! Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, danke ich sehr, dass Sie sich so umfangreich mit KI beschäftigen, in der Sache auch so ambitioniert sind und sich erfolgreich einsetzen. Ich danke auch für die internationalen Kontakte in dieser Sache. Es geht ja wirklich um unser Zusammenleben mit KI.

Weil Kollege Obrecht vor mir Innsbruck angesprochen hat, kann ich dazu natür­lich auch nicht schweigen: Ja, wir wollen den Besten, und das ist Staats­sekretär Florian Tursky. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Gemeinderat wird er ja fix sein! – Staatssekretär Tursky: Die 4-Prozent-Hürde!)

14.44



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Präsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


14.44.25

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kollegen aus dem Bundesrat! Liebe Freunde! Grüß Gott! Die künstliche Intelligenz wird jeden von uns berühren. Jeder von uns, die gesamte Gesellschaft, wird mit ihr konfrontiert, und wir werden eben lernen müssen, mit ihr umzugehen.

Es stellt sich für mich aber schon die Frage, warum man gerade so ein Gesetz und so ein Gremium derart schnell, ohne Begutachtung und ohne wenigstens den Versuch zu unternehmen, breiten Konsens herzustellen, durchpeitschen will. In Österreich gibt es genug kompetente Institutionen, die man involvieren oder zumindest befragen hätte können. Das hat man aber nicht getan, und das macht das Ganze ein bissl unglaubwürdig.

Was besonders arg ist: Das Gremium gibt es ja bereits. Das heißt, was wir heute machen, ist ja nur ein Legalisieren im Nachhinein. Das Gremium gibt es bereits, es kostet 700 000 Euro und hat bereits getagt. Ich finde nicht, dass man so mit dem Bundesrat umgehen sollte. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Obrecht.)

Daher kommt ja auch der Vertrauensverlust. Der Vertrauensverlust ist aber eben genau das Problem, das diese Regierung hat, weil diese Regierung ja mehrmals Dinge beschlossen hat, die niemals mehrheitsfähig gewesen wären. Deswegen sage ich, die Regierung arbeitet nicht für das Volk, sondern gegen das Volk. (Beifall bei der FPÖ.)

Uns ist es ja im Prinzip auch egal, ob wir jetzt mit oder ohne künstliche Intelli­genz belogen werden. Das Problem ist eben der Vertrauensverlust. Die regulatorischen Rahmenbedingungen, die du gerade auch wieder erwähnt hast, finde ich schon eigenartig, denn das riecht bei mir schon besonders nach


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Zensur. Was macht man mit der künstlichen Intelligenz? Die künstliche Intelligenz kommt immer und überall vor und nicht nur im Internet, bei irgendeinem Artikel, den ich vielleicht lesen will und den mich aber ein anderer nicht lesen lassen will. Das ist ein Problem.

Deswegen sage ich, es gibt eigentlich nur zwei Forderungen: Wir brauchen erstens einen Mechanismus, der uns verdeutlicht, ob etwas von künstlicher Intelligenz kommt oder nicht. Und zweitens brauchen wir eine neue Regierung. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.46


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


14.47.09

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es war ja bei allen neuen Technologien, die erfunden wurden, immer so – vom Rad bis zum Buchdruck und sonst wohin –, dass die Chancen und die Risiken erkannt werden müssen. Das ist, glaube ich, ein ganz wesentlicher Bestandteil dessen, weswegen man Technologien auch abklappern und überprüfen muss und warum sie auch politisch große Herausforderungen sind.

Wir sehen ja alle durchaus auch die Chancen, die gerade künstliche Intelligenz natürlich für viele Bereiche hat. Im Moment – das muss man auch sagen und das ist in allen meinen Gesprächen mit Menschen, mit denen ich rede, so – sind aber eigentlich die Sorgen, die man hört, der größte Aspekt bei der künstlichen Intelligenz.

Ich bin ja selbst in der Wirtschaftskammer im Bereich Werbung und Marktkommunikation aktiv, in dem sehr viele Texter und Texterinnen arbeiten, viele EPUs, sehr viele Frauen, Grafikerinnen, Grafiker, die wirklich auch in sehr prekären Verhältnissen arbeiten. Natürlich machen sich diese wahnsinnige


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Sorgen, weil sie sehen, dass das, woran sie tagtäglich arbeiten, womit sie tag­täglich ihr Geld verdienen, mittlerweile auf Knopfdruck eine künstliche Intelligenz erledigen kann. Dass das unrund, ja mehr als unrund macht, ist verständlich.

Deswegen fand ich es gut an der Rede von dir, Sascha, dass du gesagt hast: Natürlich ist es völlig legitim, dass man auch Unternehmerinnen und Unternehmern eine Servicestelle zur Seite stellt, bei der solche Fragen gestellt werden können und wo auch die rechtlichen Fragen beantwortet werden können, denn diese werden sich ändern. Ich bin mir ganz, ganz sicher, dass wir jetzt noch gar nicht alle Regelungen kennen, die wir in den nächsten Monaten und Jahren machen werden. Ich gehe davon aus, dass gerade bei der künstlichen Intelligenz noch sehr, sehr viel Bedarf an Gesetzesänderungen und Novellen in allen Bereichen sein wird, um einerseits Unternehmen Möglichkeiten zu eröffnen, wenn künstliche Intelligenz eine wirklich völlig sinnvolle Sache ist – nehmen wir beispielsweise sicheren Straßenverkehr –, und gleichzeitig auch die Probleme, die sie verursacht, zu regeln.

Man denke nur daran: Die künstliche Intelligenz könnte jetzt wahrscheinlich eine Rede von Christoph Steiner generieren, in der er sagt, wie großartig die Grünen sind. (Bundesrat Leinfellner: Na, das sagt nicht einmal die KI! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ.) – Na ja, aber es ist so, das ist die Wahrheit. Die künst­liche Intelligenz könnte jetzt eine Rede von mir machen, in der ich dasselbe sage, was Christoph Steiner sagt. In dieser Situation sind wir derzeit.

Was bedeutet das dann im Wahlkampf? Man sieht ja in den USA, welche Ängste durchaus schon bestehen, was mit künstlicher Intelligenz gemacht werden kann. Das sind Gefahren, und das erschüttert unsere Demokratie. (Bundesrat Himmer: Das ist aber Deepfake!) – Ja, aber Deepfake wird natürlich auch von künstlicher Intelligenz erzeugt.

Das ist schon ein wesentlicher Punkt. Wir haben jetzt gesehen, was mit Taylor Swift gemacht wird. Nur: Wenn das mit einer Schülerin in einem Gymnasium


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passiert, wird diese nicht die Anwältinnen und Anwälte haben, die Taylor Swift hat. Auch Taylor Swift hat das übrigens nicht verdient, das möchte ich auch noch betonen. (Bundesrätin Schumann: Oder mit einem Lehrling!) – Oder ein Lehrling. Ich habe jetzt nur irgendein Beispiel gebracht.

Wir müssen da aufpassen. Jetzt ist das die Aufgabe dieser Servicestelle, nämlich nicht nur Know-how zu haben, sondern auch Know-how aufzubauen – das, finde ich, ist ein ganz wesentliche Aspekt dieser Servicestelle –, um Fachinfor­mation, Beratung und Analysen im Bereich der KI-Anwendungen bereitzustellen. Sie wird in weiterer Zukunft auch eine Marktüberwachung machen. Für Unternehmerinnen und Unternehmer wird man auch da die regulatorischen Einschränkungen kommunizieren müssen.

Völlig richtig: Es wird natürlich in zukünftigen Bereichen auch auf vielen anderen Ebenen noch sehr viel Beratung und viele Stellen benötigen. Das ist ja auch völlig richtig. Ich finde es aber wichtig – und deshalb finde ich es super, dass wir diese Servicestelle machen –, dass Österreich in diesem Bereich jetzt nicht abwartet, was kommt.

Wir haben jetzt auf der EU-Ebene nach dem Trilog jetzt einmal den Act, der ist jetzt da. Ich kann mich erinnern: Noch vor einem Jahr, als die schwedische Präsidentschaft begann, habe ich im EU-Ausschuss die schwedische Botschaf­terin gefragt – da war gerade sehr viel Aufregung –: Was plant die EU in Sachen künstlicher Intelligenz? – Da hat sie gesagt: Nein, wir haben das eigentlich nicht auf der Agenda!

Da sieht man aber auch, was in diesem Jahr, von 2023 bis 2024, schon passiert ist und dass wir jetzt nicht abwarten, dass wir auch nicht überrumpelt werden, sondern dass wir in diesem Bereich für die Unternehmerinnen und Unternehmer und für die Konsumentinnen und Konsumenten eine KI-Servicestelle errichten.

Es wird sicher nicht das letzte Mal sein, dass wir uns in diesem Haus über künstliche Intelligenz unterhalten. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.53



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Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Florian Tursky. – Bitte.


14.53.10

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Lieber Marco, vielen Dank für den Input. Ich muss aber trotzdem sagen, dass die gängigen KI-Systeme aktuell schon so gut geschult sind, dass es durchaus erkannt werden würde, wenn du ihnen den Auftrag geben würdest, eine tolle Rede über die Grünen für Christoph zu schreiben, und sie dir wahrscheinlich antworten würden: Das hättest du wohl gerne! (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischen­ruf des Bundesrates Steiner.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war ein bisschen etwas zur Aufheiterung. Die künstliche Intelligenz – und ich danke Bundesrat Obrecht sehr für seine Ausführungen – führt tatsächlich zu unglaublich vielen Sorgen und Ängsten in der Bevölkerung, und das insbesondere, weil wir dabei in den vergan­genen Jahren eine enorme Veränderung erfahren haben.

Künstliche Intelligenz – das wissen wir sowohl von der Arbeitnehmerseite als auch von der Arbeitgeberseite – wird seit Jahrzehnten bereits in Industrie und Wirtschaft eingesetzt. Das ist nichts Außergewöhnliches und hat auch in vielen Bereichen gerade der Forschung und Wissenschaft dazu geführt, dass wir enorme Fortschritte gemacht haben. Deshalb beschäftigt sich auch die Europäische Union bereits seit einigen Jahren mit dem Thema AI-Act, künstliche Intelligenz, also einem Rechtsrahmen für die künstliche Intelligenz, mit dem großen Unterschied, dass ich weder in der österreichischen Medienlandschaft noch in der österreichischen Bevölkerung vor eineinhalb Jahren, wenn ich über den AI-Act gesprochen habe, irgendjemanden hinter dem Ofen hervorgebracht hätte. Das Thema war nicht auf der Agenda.

Das hat sich schlagartig geändert, als es leider wieder einmal einen amerikani­schen Hyperscaler gebraucht hat, der eine App programmiert hat, ganz einfach,


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mit einer Chatfunktion, mit der jeder ausprobieren konnte, was denn eine generative künstliche Intelligenz ist.

Plötzlich hatte dadurch jeder eine Vorstellung, was das denn sein kann und welche Folgen es haben kann, welche auch persönlichen Folgen für den eigenen Beruf oder die eigene Tätigkeit. Damit – und ich nehme das eigentlich als positiv – hat schon ein Aufwachen in der Politik, aber auch in der gesamten Bevölkerung stattgefunden, sich damit zu beschäftigen.

Vorweg möchte ich aber sagen – darauf werde ich noch ein-, zweimal kurz zurückkommen –: Wichtig ist für uns schon, die Chancen der künstlichen Intelligenz als Erstes zu sehen, aber trotz dieser Chancen die Risiken nicht aus den Augen zu verlieren.

Mit all dem beschäftigen sich die KI-Servicestelle und auch der AI-Act: wie wir einerseits gerade in dieser Zangensituation Europas zwischen China, Indien auf der einen Seite und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite die Chancen der künstlichen Intelligenz nutzen können, um unseren Standort abzusichern, um unsere Wissenschaft und Forschung zu befeuern, um in der Medizin neue Fortschritte zu machen; wie auf der anderen Seite aber das, was wir als digitalen Humanismus verstehen, das, was wir als Regeln des Zusammenlebens, auch als Rechtsnormen in der analogen Welt verstehen, nicht verloren geht. Dazu gehören Arbeitnehmerrechte – KI am Arbeitsplatz wird uns noch enorm beschäf­tigen –, aber auch Dinge wie Deepfakes, Fakenews oder auch Cyberkrimi­nalität.

All dem widmet sich die Europäische Union nicht erst seit dem AI-Act. Da möchte ich auch das ansprechen, was Sie (in Richtung Bundesrat Obrecht) gesagt haben. Bei ganz, ganz vielen Punkten, die von Ihnen angesprochen wurden, geht es um das prinzipielle Verhältnis zwischen Plattform und User. Da haben wir – und das tritt exakt morgen in Kraft – den sogenannten Digital Services Act, wahrscheinlich die maßgeblichste europäische Gesetzgebung im digitalen Feld,


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die sich genau damit beschäftigt: mit den Rechten der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den großen Hyperscalern.

Wir haben in Österreich hierzu vor Kurzem das DSA-Begleitgesetz erlassen, mit der KommAustria, das genau an diese Stelle tritt: das auch zu exekutieren und für die Bürgerinnen und Bürger da zu sein, diese Rechte auch einzufordern. Das steht auf der einen Seite.

Jetzt geht es um den AI-Act. Der AI-Act hat eine wahrscheinlich bis jetzt für EU-Regulierungen eher untypische Art und Weise, an die Sache heranzugehen. Wir sprechen von einem risikobasierten Ansatz. Es gibt Anwendungen mit geringem Risiko, mittlerem Risiko, hohem Risiko, unannehmbarem Risiko. Die Europäische Union hat gesagt – und das ist aus meiner Sicht hochintelligent; es wird auch von allen so beschieden –: Wir teilen nicht die KI selber ein, sondern den Anwendungsfall!

Wir stufen also die KI zum Beispiel im Anwendungsfall der HR als Hochrisiko­anwendung ein. Wir stufen die künstliche Intelligenz in der Anwendung im Versicherungswesen – ein Punkt, den ich eingebracht habe, weil ich nicht will, dass das uneingeschränkt verwendet werden kann – als Hochrisikoanwendung ein. Oder: Wir stufen auch Anwendungen, die wir in Europa bewusst nicht haben wollen, weil sie nicht unserem Menschenbild entsprechen, zum Beispiel das Social Scoring, als unannehmbares Risiko ein, sodass das nicht sein darf.

Für all das braucht es eine nationale rechtliche Durchsetzung. Deshalb werden in allen EU-Mitgliedstaaten sogenannte KI-Behörden in irgendeiner Art und Weise eingeführt werden. Das heißt aber, wir müssen uns jetzt darauf vorbereiten, wie wir das rechtlich entsprechend durchsetzen. Das heißt, wenn sich dann eben eine betroffene Person zum Beispiel im HR-Bereich oder auch die von Ihnen angesprochenen Personen durch eine Anwendung benachteiligt fühlen, können sie jemanden anrufen. Das wird diese KI-Servicestelle, die dann in eine KI-Behörde übergeht, leisten müssen, wenn sie dann eine KI-Behörde ist und sich


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dadurch, mit dem Inkrafttreten des AI-Acts, auf die Rechtsbasis durch den AI-Act berufen kann. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)

Die zweite Aufgabe wird aber sein: Wie schaffen wir Rechtssicherheit für die Unternehmerinnen und Unternehmer? Wie können wir es schaffen, dass wir über Österreich KI-Anwendungen europaweit in den Markt bringen und bei uns zertifizieren können? Das sollte aus unserer Sicht möglichst schnell passieren, damit wir einen Wettbewerbsvorteil haben – deshalb auch die KI-Servicestelle mit diesem Fokus auf Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich schon jetzt an sie wenden können, was ich für eine wichtige Sache halte, weil wir einmal Gott sei Dank nicht spät dran sind.

Normalerweise werde ich hier dafür kritisiert, dass wir irgendetwas zu spät umsetzen: auf nationaler Ebene eine EU-Richtlinie oder eine EU-Verordnung. Diesmal ist es eben Gott sei Dank so, dass wir etwas früher dran sind.

Damit einhergehend wird es eine ganz wichtige Transparenzverpflichtung geben, der Kollege von der FPÖ hat das richtig gesagt. Das Wichtigste wird nämlich sein, den Bürgerinnen und Bürgern jederzeit mitzuteilen: Jetzt sind Sie mit einer künstlichen Intelligenz konfrontiert. Der KI-Servicestelle wird ein KI-Beirat zur Seite gestellt, der aus Wissenschaft und Forschung besteht. Das passiert ganz gezielt, weil es da aus unserer Sicht einerseits um ethische Fragen in der Wissen­schaft, andererseits aber um wirtschaftswissenschaftliche sowie um technische Aspekte und eine wissenschaftliche Betrachtungsweise geht. Parallel dazu wird es das Stakeholderforum geben, bei dem die Sozialpartnerinnen und Sozial­partner, NGOs, Datenschützerinnen und Datenschützer dabei sind, um sich in diesen Prozess einzubringen.

Ich bin sehr froh, dass wir das heute hoffentlich abschließen können. Die KI-Servicestelle wird eine der ersten in ganz Europa sein – nur Spanien und die Niederlande sind bereits ähnlich weit wie wir. Wir positionieren uns hier hoffentlich auch als Frontrunner, wenn es darum geht, Trustworthy AI – KI, der


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die Menschen vertrauen können – in Österreich in den Verkehr zu bringen. –Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.01


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke, Herr Staatssekretär.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


15.01.36

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen sowie Zuseherinnen und Zuseher! Kennen Sie vielleicht den Film „2001: Odyssee im Weltraum“ aus dem Jahr 1968 (Bundesrat Schreuder: Da hab ich Richard Strauss im Ohr: „Also sprach Zarathustra“!) oder vielleicht „WarGames“ aus dem Jahr 1983, ist da vielleicht schon wer dabei? (Bundesrätin Schumann: ... Metro­polis!) Ich glaube, ein bisschen bekannter sind die Filme „Matrix“ aus dem Jahr 1999 oder „I, Robot“ aus dem Jahr 2004. All das sind Filme, die unsere Zukunft im Umgang mit künstlicher Intelligenz darstellen. Auch wenn der Film „2001: Odyssee im Weltraum“ – ich betone – aus dem Jahr 1968 diese Zukunft bereits für das Jahr 2001 prognostiziert, hat es dann doch bis ins Jahr 2023 gedauert, bis Chat-GPT da war.

Erstmals konnte jeder von zu Hause aus künstliche Intelligenz ganz einfach nutzen. Das ist schon lustig: Man stellt einfach eine Frage, ganz alleine zu Hause am Laptop, bekommt meist auch eine richtige Antwort, aber das Ganze geht noch viel weiter, man kann eben mittlerweile auch Bilder erstellen lassen. Das hat zum Beispiel auch unsere Justizministerin probiert und verschiedenste Versionen ihrer selbst, durch eine KI erstellt, auf Instagram gepostet. Das macht schon auch Spaß, denke ich – aber künstliche Intelligenz ist nicht nur belus­tigend, sie kann unser Leben massiv vereinfachen, und ich denke, das müssen wir auch nutzen.


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Es wurde schon gesagt, dass künstliche Intelligenz, wie zum Beispiel der Buchdruck oder das Rad, die große Erfindung unseres Zeitalters sein wird, deren Einsatz unser aller Leben verändern und vereinfachen wird. Es passiert aber eben nicht nur Gutes – das wurde auch schon gesagt –, denn es kommt auch immer mehr zu Missbrauchsfällen, sodass man zum Beispiel Fotos oder Videos von sich selbst, die man weder gemacht noch beauftragt hat, im Internet oder wo auch immer findet oder Dinge über sich selbst liest, die einfach so nicht stimmen. Daher bin ich sehr stolz, dass wir heute in Österreich eine Vorreiter­rolle einnehmen und diese KI-Servicestelle implementieren.

Es geht dabei aber nicht nur darum, zu regulieren, sondern auch darum, zu beraten, wie künstliche Intelligenz sinnvoll integriert werden kann, dass diese volkswirtschaftlich auch einen Mehrwert bringen kann. Es ist also ein wichtiger erster Schritt – ja, so wurde es schon öfters gesagt – für einen Umgang mit künstlicher Intelligenz, der unter anderem sicherstellt, dass solche apokalyp­tischen Szenarien, wie sie in den Filmen, die ich zu Beginn meiner Rede genannt habe, vorkommen, eben nicht passieren. Damit möchte ich auch klar betonen, dass dies im Umgang mit künstlicher Intelligenz nur ein erster Schritt von vielen sein wird. Deswegen richte ich auch noch einmal den Appell an die Opposi­tionsparteien: Unterstützen Sie den Weg für eine sichere Zukunft mit künstlicher Intelligenz! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

15.04 15.04.36


Vizepräsident Dominik Reisinger: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich unterbreche die Sitzung bis zum Aufruf der Dringlichen Anfrage spätestens um 16 Uhr. – Danke.

15.05.22*****

(Die Sitzung wird um 15.05 Uhr unterbrochen und um 16 Uhr wieder aufgenommen.)

16.00.33*****


Vizepräsident Dominik Reisinger: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

16.00.36Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Inneres betreffend „Was tun Sie gegen Schlepperkriminalität, Herr Innenminister?“ (4151/J-BR/2024)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Da der Bundesminister für Inneres leider noch verhindert ist, unterbreche ich die Sitzung bis zu seinem Eintreffen, also für circa 30 Minuten.


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Somit ist die Sitzung neuerlich unterbrochen.

16.01.05*****

(Die Sitzung wird um 16.01 Uhr unterbrochen und um 16.49 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

16.49.31Fortsetzung der Dringlichen Anfrage


Vizepräsident Mag. Franz Ebner (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und begrüße Herrn Bundesminister Gerhard Karner bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich erteile Herrn Bundesrat Günter Kovacs als erstem Anfragesteller zur Begrün­dung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.50.04

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir kommen nun zu der Dringlichen Anfrage mit dem Titel: „Was tun Sie gegen Schlepperkriminalität, Herr Innen­minister?“, die wir heute eingebracht haben.

Wir hatten heute, denke ich, schon sehr, sehr viele wichtige Tagesordnungs­punkte. Bei dieser Dringlichen Anfrage geht es um sehr, sehr viel. Da geht es um Menschen, die gestorben sind, um Tote; da geht es um Schwerverletzte aus den letzten Jahren; da geht es um Polizisten, die mit der Arbeit überlastet sind; da gibt es viele, die beim Bundesheer arbeiten, die mit der Situation überlastet sind.

Seit Jahren und Monaten, Herr Minister, ist das Problem der Schlepperkrimi­nalität im Burgenland bekannt. Vor allem im letzten halben Jahr kam es zu sehr, sehr vielen Aufgriffen von Schleppern, aber auch zu An- und Übergriffen durch Schlepper auf die Exekutive, wie ich schon vorhin angemerkt habe.


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Damit ich einige Zahlen dazu nenne: Bis Jahresende 2023 – halten Sie sich jetzt fest – kam es alleine im Burgenland zu 30 000 Aufgriffen von Geflüchteten sowie zu 289 Verhaftungen von Schleppern. Das ist annähernd die Hälfte aller rund 600 Verhaftungen bundesweit. Um es noch ein bisschen deutlicher zu machen: Die Justizanstalt in Eisenstadt hat eine Insassenbelegung von ungefähr 200 Personen. Von diesen 200 Insassen sind momentan 170 Schlepper – nur damit wir wissen, von welchen Dimensionen wir da schon sprechen.

Das Burgenland ist speziell in den Grenzregionen zum Hotspot der internatio­nalen – nicht der nationalen, sondern der internationalen! – Schlepper­krimi­nalität gemacht worden, weil die zuständigen Innenminister in den vergangenen Jahren ihrer Verantwortung unserer Ansicht nach nicht nachgekommen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Während die verantwortlichen ÖVP-Politiker im Bund fälschlicherweise immer behauptet haben, die Balkanroute sei geschlossen, und der ehemalige FPÖ-Innenminister Kickl – das kann ich hier auch nicht auslassen – sich zwar damit brüstete, der Zuwanderung ein Ende zu machen, aber über den Tausch des Taferls in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen – wir wissen es noch – und der Anschaffung von Pferden für die Polizei nicht hinauskam, wurde die Bevölkerung, die tatsächlich vom Problem der Schlepperkriminalität betroffen ist, ganz alleingelassen.

Da halfen auch zahlreiche Bilder – die haben wir auch noch gut im Kopf – von Migrationsgipfeln zwischen Bundeskanzler Nehammer und seinem Amtskollegen aus Serbien, Aleksandar Vucić, und Viktor Orbán aus Ungarn in Wahrheit gar nichts. Auch wenn diese öffentlichkeitswirksam suggerieren sollten, dass da Lösungen gefunden wurden, sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache. Das lässt sich auch an einigen Beispielen aufzeigen.

Ich werde jetzt einige Zahlen nennen: Über 100 Mal durchbrachen Schlepper 2023 Verkehrskontrollen an der österreichisch-ungarischen Grenze zum Burgenland, anstatt bei den Grenzen anzuhalten – über 100 Mal! Im Mai 2023


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wurden Verkehrsteilnehmer durch Schlepper auf der Flucht gefährdet und zwei parkende Fahrzeuge in Oberpullendorf beschädigt. Im Juli 2023 wurden im Bezirk Güssing Schlepper festgenommen, die in Litzelsdorf auf ein Taxi warteten, nachdem sie einen Kastenwagen mit zwei Geflüchteten in Ollersdorf zurück­gelassen hatten.

Im September 2023 kam es an den Grenzübergängen in Pamhagen und Klingenbach zu Verfolgungsjagden, wobei Polizeikontrollen durchbrochen wurden. Durch Warnschüsse wurden die Schlepper gestoppt. In einem Kastenwagen befanden sich 42 Personen. Im Oktober 2023 kam es zu einem Unfall mit mehreren Verletzten, als ein Schleppertransporter nach einem Unfall über die Leitschienen geschleudert wurde.

In den letzten zwei Jahren, werte Kolleginnen und Kollegen, starben im Burgenland durch die Brutalität der Schlepper fünf geflüchtete Menschen und Dutzende wurden schwer verletzt. Es passieren Übergriffe auf die Exekutive, Verfolgungsjagden und Verkehrsunfälle, auch mit Todesfolge, was klarerweise wiederum die Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung erhöht.

Da müssten ja in Wahrheit im dafür zuständigen Innenministerium schon lange die Alarmglocken schrillen. Die Situation ist für die betroffene burgenländische Bevölkerung und – das habe ich vorhin auch schon erwähnt – für die Exekutivbeamten und das Bundesheer unzumutbar geworden. Eine effektive Lösung für die hohen Asylantragszahlen kann nur auf europäischer Ebene verhandelt werden, weshalb der EU-Asyl- und Migrationspakt ein wichtiges Element zur Lösung der Herausforderungen im Bereich der ungleichen Verteilung innerhalb der EU ist.

Der darin vorgesehene Solidaritätsmechanismus würde mit einem Schwung dazu führen, dass auch in Österreich die Antragszahlen endlich sinken würden. Österreich hat seit Jahren eine der höchsten Zahlen im Bereich der Asylanträge und bewältigt diese auch. Sie wissen es, 2022 waren es 100 000, 2023 an die 60 000. Der Innenminister und der Bundeskanzler posieren aber lieber für Fotos


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mit ihren Amtskollegen, mit – das sage ich auch – Amtskollegen, die die geltenden Gesetze brechen.

Nach wie vor gibt es keine Konsequenzen, die aus dem fortlaufenden Bruch von EU-Recht, der durch die Nichtzulassung von Asylverfahren in Ungarn täglich geschieht, gezogen werden. Der ÖVP geht es ganz offensichtlich nicht um die Lösung der Frage, wie man ein funktionierendes europäisches Asylsystem auf die Beine bekommt, sondern um eine Polarisierung im aufkommenden Wahl­kampf – das ist eindeutig –, um mit der FPÖ quasi in ein Rennen zu kommen. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Steiner: Da können wir jetzt auch nix dafür!)

Aufgrund dessen hat der Burgenländische Landtag bereits am 25.1. einen Dringlichkeitsantrag beschlossen – ich möchte dem Landeshauptmann natürlich dafür danken, dass er da mit Klubobmann Dr. Roland Fürst die Initiative ergriffen hat –, im Zuge dessen der Innenminister aufgefordert wird, endlich zu handeln. Zentrale Punkte darin sind, Sie wissen es: „unverzüglich einen Aktionsplan gegen die eskalierende Schlepperkriminalität vorlegen und“ auch „umzusetzen“; „die Kapazitäten für Kontrollen der Polizei und des Bundesheeres an den Grenz­übergängen, der ‚grünen Grenze‘ sowie im grenznahen Bereich im Burgenland erhöhen und damit auch die Rahmenbedingungen für die Polizeibeamten im Grenzeinsatz verbessern und auf EU-Ebene sicherstellen, dass der EU-Migrations­pakt rasch zu einer wirksamen Anwendung gelangt.“

Da jeden Tag erneut Gefahr durch die Schlepperkriminalität besteht, stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte nachfolgende dringliche Fragen. Ich habe lange überlegt, ob ich jetzt auch alle Fragen hier über das Mikrofon praktisch stellen werde. Ich werde das machen, damit auch Sie als Bundesrätin­nen und Bundesräte wissen, was gefragt wird, und die Bevölkerung draußen weiß, was gefragt wird und ob Sie, Herr Minister, auch die für uns ordentlichen Antworten darauf haben.

Frage 1: „Wie viele Polizist:innen sind zur Grenzsicherung im Burgenland im Einsatz?“


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„Wie viele von ihnen sind an den Grenzstationen postiert?“

„Wie gestalten sich diese Zahlen für die anderen österreichischen Bundes­länder?“

Frage 2: „Wie viele Angehörige des Bundesheers sind im Rahmen eines Assis­tenzeinsatzes zur Grenzsicherung im Burgenland im Einsatz?“

„Wie viele von Ihnen haben die Grundausbildung bereits absolviert?“

„Welchem Dienstgrad gehören diese an? Listen Sie bitte diese“ auch „in absolu­ten Zahlen auf.“

„Wie viele von ihnen sind an den Grenzstationen“ tatsächlich „postiert?“

„Wo sind jene Angehörige des Bundesheers positioniert, die nicht an Grenz­stationen im Einsatz sind?“

„Wie gestalten sich diese Zahlen für die anderen österreichischen Bundesländer?“

Frage 3: „Inwieweit stehen“ die bekannte „Operation Fox, die Sie ja als Vorzeigeprojekt von Österreich in Kooperation mit Ungarn verkaufen, und die Freilassungsaktion Orbans im vergangenen Frühjahr, bei dem er weit über 1.000 Schlepper aus der Haft entlassen hatte, sofern diese sofort im Anschluss das Land verlassen“, also Ungarn verlassen, „in Widerspruch zueinander?“

Frage 4:„Wurden in Folge der Freilassungsaktion Orbans Schlepper in Österreich festgenommen, die zuvor bereits in Ungarn auf Grund von Schlepperei inhaftiert waren?“

„Wenn ja: Wie viele?“

„Wenn ja: Was geschah in weiterer Folge mit diesen?“

„Wenn nein: Liegen Ihnen Daten vor, wie viele der inhaftierten Schlepper in Ungarn nach ihrer Freilassung nach Österreich ausgereist sind?


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„Wenn nein: Wie können Sie sicherstellen, dass keiner dieser Schlepper in Österreich wieder mit den Schleppereidelikten kriminell wird?“

Frage 5: „Wie viele verurteilte Schlepper werden nach Verbüßung der Haftstrafe nachweislich außer Landes gebracht?“

Frage 6: „Sie haben in einer Anfragebeantwortung [...] angegeben, dass es 2022 insgesamt 712 Aufgriffe von Schleppern gegeben hat, 2023 660 Schlepper festgenommen wurden (Stand 18.12.2023), wovon 282 im Burgenland festgenommen wurden. Wie hoch war die Anzahl der festgenommenen Schlepper im Jahr 2023 gesamt?“

Frage 7: „Wie hoch ist die Anzahl der im Jahr 2024 aufgegriffenen bzw. festgenommenen Schlepper und wo wurden diese aufgegriffen?“

Frage 8: „Sie haben in derselben Anfragebeantwortung angegeben, dass es keine Auswertungen zu erweiterten Fällen von Straftaten (Sachbeschädigung, Gefährdung an Leib und Leben, Unfällen mit Schleppern, Todesfälle, etc.) im Rahmen von Schlepperkriminalität gibt. Aus welchem Grund werden diese Statistiken nicht geführt und ist das für die tatsächliche, realistische Gefahren­einschätzung durch Schlepper nicht essentiell?“

Frage 9: „Sie haben angegeben, dass Österreich rund 120 Polizist:innen nach Ungarn und Serbien entsendet sowie im Rahmen von Frontex in Albanien, Kosovo, Bulgarien, Griechenland, Italien, Kroatien, Litauen, Malta, Montenegro, Nordmazedonien, Rumänien und Serbien eingesetzt. Wie wird sich diese Zahl im Jahr 2024 entwickeln?“

Dazu eine Zusatzfrage: „Kam es im Rahmen dieser Einsätze zu Verletzungen der eingesetzten Polizist:innen im Dienst?“

Und: „Wie viele Delikte von Schlepperkriminalität konnte durch diesen Einsatz verhindert werden?“


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Noch eine Zusatzfrage dazu: „Wie hoch sind die Kosten für diese Einsätze für Österreich?“

Frage 10: „Sie haben angegeben, dass Österreich in migrationsrelevanten Drittstaaten Projekte initiiert hat und führen dazu das gemeinsame Engagement mit Dänemark in Tunesien an. Was konkret geschieht dort und wie viele österreichische Einsatzkräfte stehen dort im Einsatz?“

Frage 11: „Welche weiteren Projekte gibt es im Rahmen der Zusammenarbeit mit migrationsrelevanten Drittstaaten? Listen Sie diese bitte konkret auf und geben Sie an, inwieweit Österreich dabei involviert ist bzw. wie viele Kräfte dort im Einsatz stehen.“

Frage 12: „Haben Sie im Gegensatz zu Ihren Vorgängern auch Projekte, die sogenannte ,Hilfe vor Ort‘ leisten, umgesetzt, oder geht es ausschließlich um sicherheitspolizeiliche Maßnahmen?“

Frage 13: „Sie geben an, dass Ende 2023 rund 40 Polizist:innen im Rahmen der Operation Fox – einer ,Maßnahme im internationalen Grenzkontrollraum‘ im Einsatz standen. Im Jahr 2024 soll diese Anzahl auf 60 Polizist:innen anwachsen, wobei bereits 180 Schlepper durch die Operation Fox in Ungarn festgenommen werden konnten. Können Sie auf Grund der Lage in Ungarn sicherstellen, dass diese ihrer gerechten Strafe zugeführt werden und nicht in der Lage sind, weiter­hin Menschen nach Österreich zu schleppen?“

Dazu die Zusatzfrage: „Wenn nein: Welchen Sinn hat die Operation Fox, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Schlepper, die in deren Rahmen festgenommen werden konnten, dann auch ihre Strafe verbüßen müssen?“

Frage 14: „Ist Ihnen bekannt, ob von den 180 Schleppern im Rahmen der ungarischen Freilassungsaktion solche freigekommen sind, die zuvor mühsam dingfest gemacht werden mussten?“

„Falls ja: Wie viele?“


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Und: „Falls ja: Haben Sie bzw. der Regierungschef im Rahmen ihrer vitalen Kontakte zu Ungarn ihr Missfallen darüber kundgetan und entsprechende Schritte eingefordert, dass dies nicht mehr geschieht?“

Frage 15: „Wie hoch ist die Zahl der Schlepper, die im Jahr 2024 im Rahmen der Operation Fox bereits festgenommen werden konnte?“

Frage 16: „Wie hoch sind die Kosten für die Operation Fox seit Beginn ihres Bestehens im Jahr und wie ist der Budgetpfad im kommenden Jahr bis Mai?“

Zusatzfrage a: „Welche Mehrkosten sind bei der Operation Fox für Personal entstanden und wie setzten sich diese zusammen?

b: Welche Beschaffungen wurden im Rahmen der Operation Fox getätigt und welche Kosten entstanden damit für die jeweiligen Beschaffungen?“

Frage 17: „Wie hoch sind die Mehrkosten beim Personal für alle Auslands­einsätze und gelistet nach den einzelnen Ländern? Woraus setzen sich diese Mehrkosten im Detail zusammen?“

Zusatzfrage: „Wurde im Rahmen der Auslandseinsätze Beschaffungen getätigt? Falls ja, welche und wofür bzw. zu welchen Kosten?“

Frage 18: „Wird die Operation Fox nach Mai 2024 weiterlaufen?“

„Wenn ja: Aus welchen konkreten Gründen und für wie lange?“

„Wenn nein: Wieso nicht?“

Frage 19: „Führen Sie bzw. ihr Ministerium regelmäßig Gespräche mit der ungarischen Regierung und den ungarischen Behörden zur Evaluierung des laufenden Betriebs der Operation Fox?“

„Falls ja: Wer führt diese auf welcher Ebene und in welchen Abständen?“

Und: „Falls ja: Was sind die bisherigen Ergebnisse dieser Besprechungen und welche wurden bereits umgesetzt?“


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Punkt c: „Falls nein: Wieso nicht?“

Dann die Frage 20, die mir als Bundesrat aus dem Burgenland sehr, sehr wich­tig ist: „Der Burgenländische Landtag hat erst in seiner Sitzung am 25. Jänner 2024 einen Dringlichkeitsantrag [...] an Sie gerichtet, in dem ein Aktionsplan gegen die eskalierende Schlepperkriminalität gefordert wird. Werden Sie einen derartigen Aktionsplan vorlegen und wenn ja bis wann?“

Frage 21: „Werden Sie sich dafür einsetzen, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten, den EU-Asyl- und Migrationspakt ehestmöglich zu einem positiven Abschluss zu bringen, um damit auch den Solidaritätsmechanismus in Europa in Kraft zu setzen?“

„Wenn ja: Wie werden Sie das konkret tun?“

Und: „Wenn nein: Warum nicht?“

Jetzt zur letzten Frage, die Frage 22: „Mit wie vielen und welchen Staaten konnten in dieser Legislaturperiode neue Rückführungs- bzw. Rücküber­nahme­abkommen abgeschlossen werden?“

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.04


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


17.05.16

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Vorsitzender! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich war verhindert, denn ich war noch im Ausschuss. Wir mussten daher etwas später mit der Dringlichen Anfrage starten. (Bundesrat Spanring: Sie können ...! Die SPÖ ...!)


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Herr Präsident außer Dienst Kovacs, ich werde selbstverständlich versuchen, die zum Teil sehr detaillierten Fragen ordnungsgemäß und ordentlich zu beant­wor­ten. Es ist mir ein Anliegen, Ihnen wirklich eine vollständige, umfassende Informa­tion darüber zu geben. Es sei mir nur davor gestattet, an dieser Stelle auch einige sehr grundsätzliche Bemerkungen zu dieser Thematik, die mich auch davor im EU-Ausschuss sehr intensiv beschäftigt hat, zu machen.

Zunächst – es ist mir wichtig, das an dieser Stelle immer wieder zu betonen –: Österreich ist nach wie vor eines der sichersten Länder dieser Welt. Es gibt wahrscheinlich sehr, sehr viele Gründe, warum dem so ist: Es ist politisch stabil, wirtschaftlich erfolgreich, hat fleißige Menschen, fleißige Unternehmer, und es gibt viele weitere Gründe, die dazu führen, dass wir nicht nur in einem schönen Land, sondern auch in einem der sichersten Länder dieser Welt leben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein Teil davon, warum das so ist – davon bin ich hundertprozentig überzeugt –, ist ein motivierter, gut ausgebildeter Sicherheitsapparat, und zwar im Bereich der Landesverteidigung, aber vor allem auch bei uns im Innenressort, im Bereich der Polizei, der Bundespolizei, der Landespolizeidirektionen.

Wenn ich sage, wir leben in einem der sichersten Länder dieser Welt, dann sage ich aber auch dazu, dass wir auf keiner Insel der Seligen leben und dass wir natürlich auch bei uns in Österreich im Bereich der Polizei besondere Herausfor­derungen haben, gegen die wir Maßnahmen ergreifen mussten und auch in Zukunft Maßnahmen werden ergreifen müssen.

Im Wesentlichen sind es aus meiner Sicht drei Themenfelder, die unser Ressort besonders beschäftigen, die unser Ressort besonders betreffen.

Erstens, das Thema Cyberkriminalität: Das ist eines, das wir tagtäglich sehen und bei dem wir auch selber, wenn wir Mails und SMS bekommen, immer wieder bemerken, dass wir aufpassen müssen.


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Ein weiteres Thema sind der Extremismus, der Terrorismus: Seit dem 7. Oktober fordert uns dieses Thema noch mehr. Leider hat es eine besondere Dynamik bekommen.

Der dritte große Bereich, der uns seit vielen Jahren ganz massiv und intensiv beschäftigt, ist das Thema Kampf gegen die organisierte Kriminalität, Kampf gegen illegale Migration, Kampf gegen die Schlepperei. Daher bin ich sehr dankbar und froh, dass wir jetzt die Gelegenheit haben, einige Punkte dazu, was wir getan haben und was wir planen, zu erörtern:

Ich möchte eines ganz zu Beginn sagen – ich glaube, ich habe das auch hier im Bundesrat schon einmal getan –: Ich habe kein Problem damit, wenn man den Innenminister – mich – kritisiert, ich habe kein Problem damit. Die Aufgaben in diesem Bereich sind aber enorm: Wenn man so viele Asylanträge annimmt wie im Jahr 2022 – 112 000 Asylanträge, davon 80 000 allein in zwei Bezirken im Burgenland, Neusiedl am See und Oberpullendorf –, dann bedeutet das für diese Kolleginnen und Kollegen eine enorme Arbeit, eine enorme Aufgabe. (Ruf bei der SPÖ: Davon reden wir ja! – Bundesrätin Schumann: Von dem reden wir ja!) Kritisieren Sie also bitte mich, aber lassen Sie die Polizei ihre oft so schwierige Arbeit in Ruhe machen! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Das wurde nicht gefragt!)

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz bewusst vor allem bei unseren Landes­polizei­direktionen bedanken, in erster Linie bei jener im Burgenland, die in den letzten Jahren ganz massiv und besonders betroffen war. – Herr Präsident außer Dienst, Sie haben hier alle Zahlen völlig richtig skizziert, wie betroffen Ihr Bundesland, Ihr Heimatbundesland war und zum Teil ist. Deswegen war es uns so wichtig, dass wir dort entsprechende Maßnahmen setzen, und das haben wir ganz intensiv getan.

Unter Federführung der Landespolizeidirektion Burgenland wurden diese Maßnahmen gesetzt. Ich möchte jetzt einige polizeiliche Maßnahmen skizzieren,


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um aufzuzeigen, was wir getan haben, weil wir eben in Österreich im Jahr 2022 mit diesen Anträgen so belastet waren: 80 000 allein in zwei Bezirken.

Wir haben im polizeilichen Bereich Grenzraum- und Grenzpunktkontrollen zum Teil verlängert, zum Teil eingeführt. Was meine ich mit Grenzpunktkontrollen? – Das sind jene Kontrollen, die direkt an der Grenze durchgeführt werden. Wir haben seit längerer Zeit Grenzkontrollen Richtung Ungarn und Slowenien. Zuletzt haben wir Grenzkontrollen auch Richtung Tschechien und Slowakei eingeführt. Warum? – Weil es notwendig war, weil Deutschland begonnen hat, Kontrollen Richtung Polen und Tschechien einzuführen. Um da einen Lückenschluss zu erreichen, wurden diese Grenzkontrollen eingeführt, damit die Schlepper nicht über diese Route ausweichen.

Wir haben auch an anderen Grenzen Grenzpunktkontrollen, bei denen österreichische Beamte im Einsatz sind, beispielsweise an der ungarisch-serbischen Grenze. Auch dort sind österreichische Polizisten im Einsatz – im Übrigen nicht nur gemeinsam mit ungarischen Kollegen, sondern auch mit tschechischen und slowakischen Kollegen. Wir reden also nicht nur davon, sondern wir tun auch etwas, wenn es darum geht, die EU-Außengrenze zu schützen.

Daneben gibt es die sogenannten Grenzraumkontrollen. Das ist die sogenannte Schleierfahndung, bei der im Hinterland intensiver kontrolliert wird. Das machen wir international mit der sogenannten Operation Fox, und das machen wir auch hier in Österreich, wo wir durch kriminalistische Kleinarbeit versuchen, gezielt jene Autos aus dem Verkehr zu ziehen, deren sich die Schlepper in erster Linie bedienen. Dabei ist es gerade im letzten Jahr gelungen, nicht nur an der Grenze Schlepper in Österreich festzunehmen, sondern – auch das wurde intensiv berichtet – beispielsweise auch in Linz oder anderswo. Die Kriminalpolizei, das Bundeskriminalamt, die Schleppereibekämpfung haben sich massiv auf diesen Bereich eingestellt. Weil wir das getan haben – die Polizei, ganz federführend die Landespolizeidirektion Burgenland, das Bundeskriminalamt –, haben die Schlepper begonnen – ich sage begonnen –, Österreich zu meiden.


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Ich nenne jetzt nur zwei Zahlen: Im letzten Jahr sind die Asylantragszahlen um rund 50 Prozent zurückgegangen. (Ruf bei der SPÖ: Es sind immer noch zu viele!) – Lassen Sie mich ausreden, Frau Kollegin! – Sie sind nach wie vor auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Das sage ich auch, und Sie werden das von mir auch immer wieder hören. Das ist kein Grund zum Jubeln, sondern Auftrag, hart in diese Richtung weiterzuarbeiten, aber wir sind uns einig, dass es die richtige Richtung ist, wenn die Zahlen um die Hälfte nach unten gehen. Europaweit ist der gegen­läufige Trend zu sehen, auch diese Statistik ist nachzulesen.

Eine zweite Zahl: In den letzten Monaten hat sich dieser Trend noch einmal deutlich verstärkt. In diesem Zusammenhang gibt es eine gute Nachricht – und in diesem Bereich gibt es nur ganz selten gute Nachrichten –, eine wichtige Nachricht speziell für das Burgenland, für die Bevölkerung im Burgenland. Sie wissen, Herr Bundesrat Kovacs, dass ich sehr, sehr oft im Burgenland war – zu Recht, weil es notwendig war, dass wir da Maßnahmen setzen, dass wir die Dinge besprechen, dass wir da Fortschritte machen. Die gute Nachricht also ist, dass wir gerade im Burgenland jetzt eine weitere deutliche Entlastung haben.

Ich zeige es Ihnen im Vergleich von zwei Zahlen: im Jänner 2023 im Burgenland 2 262 Aufgriffe illegaler Grenzgänger, und heuer, im Jänner 2024 – ich vergleiche bewusst Jänner mit Jänner –, sind es 100 Aufgriffe Illegaler gewesen, also 2 262 gegenüber 100, weil die Maßnahmen offensichtlich Wirkung zeigen. Ich sage Ihnen, in diese Richtung muss es weitergehen. Jeder illegale Grenzübertritt ist einer zu viel. Daher muss unser Ziel in Wahrheit sein, illegale Grenzübertritte überhaupt zu verhindern. – Das war der erste Bereich: polizeiliche Maßnahmen, die wir ergriffen haben.

Der zweite Bereich sind fremdenpolizeiliche Maßnahmen, die auch – davon bin ich überzeugt – der Schleppereibekämpfung dienen: Wir haben die Verfahren deutlich beschleunigt, nämlich bei jenen, die praktisch keine Chance auf Asyl haben. Wir haben im letzten Jahr knapp 8 500 negative Entscheidungen im Schnell- und Eilverfahren getroffen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat diese Entscheidungen getroffen. Auch diesen Kolleginnen und Kollegen


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möchte ich an dieser Stelle ein großes Danke sagen, weil sie einen Rucksack an Anträgen abgebaut haben, die in den letzten Jahren angehäuft wurden. – Vielen Dank diesen Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP.)

Weil viele jener, die mit den Schleppern illegal nach Österreich gekommen sind, gesehen haben, dass jene, die praktisch keine Chance auf Asyl haben, sehr rasch negativ beschieden werden, haben sich auch sehr viele dem Verfahren entzogen und sind in ihre Heimat zurückgekehrt oder in vielen Fällen in andere europäische Länder weitergezogen. 30 000 waren es, die sich dem Verfahren entzogen haben und damit auch negativ beschieden wurden. – Das sind die Maßnahmen, die wir in diesem Bereich gesetzt haben.

Aus dem Bereich der internationalen Maßnahmen, Herr Bundesratspräsident außer Dienst, möchte ich auch ein paar Dinge ansprechen, die ich für wichtig halte. Es ist gerade auf polizeilicher Ebene notwendig, mit den Nachbarn zusammenzuarbeiten. Wir alle kennen das aus unserem privaten Bereich: Mit manchen Nachbarn versteht man sich besser, mit manchen nicht so gut. Faktum ist aber: Das Ziel kann nur sein – das ist unsere Aufgabe als Polizei –, grenz­überschreitend zusammenzuarbeiten, denn die Schlepperei ist eine grenzüber­schreitende Kriminalitätsform, eine brutale grenzüberschreitende Krimi­nalitäts­form. Daher ist es unerlässlich, dass wir auf polizeilicher Ebene zusammen­arbeiten, und damit das funktioniert, sind auch politische Gespräche notwendig.

Auch dazu möchte ich noch eine Zahl nennen, die ich für enorm wichtig halte, weil nicht nur von Ihnen, sondern auch von vielen anderen kritisiert wurde, dass sich der Herr Bundeskanzler mit Viktor Orbán und AleksandarVucić getroffen und verschiedene Punkte angesprochen hat, Gott sei Dank klar angesprochen hat. Ich bin dankbar, dass er das getan hat. Warum? – Weil es beispielsweise im Jahr 2022 über 30 000 Asylanträge von indischen und tunesischen Staats­bürgern gegeben hat – über 30 000! Warum? – Weil diese visafrei nach Serbien einreisen konnten und dann mit den Schleppern von Belgrad bis nach Österreich gekommen sind. In diesen Verhandlungen wurde erreicht, dass diese Staats­bürger – Inder und Tunesier – eben nicht mehr visafrei nach Serbien einreisen


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können, sodass sich diese Zahl auf nur mehr wenige, auf 100, im letzten Jahr reduziert hat: 30 000 versus 100. Das brachte eine massive Entlastung im letzten Jahr und damit Gott sei Dank auch eine massive Entlastung für das Burgenland. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben noch weitere Maßnahmen, die international ergriffen wurden. Ich möchte nur ein Beispiel erwähnen, weil das Thema Schleppereibekämpfung, Vorantreiben des Asyl- und Migrationspaktes, das Sie zu Recht eingefordert haben, natürlich bei jeder Sitzung der Innenminister, egal ob formeller Rat, ob informeller Rat, ganz oben auf der Tagesordnung steht, weil der Druck auf Europa deutlich höher geworden ist. Österreich war im Jahr 2022 als erstes Land über Gebühr belastet. Im letzten Jahr ist der Druck auch auf andere Länder stärker geworden, und so ist auch Bewegung in die Sache gekommen, gerade was den Asyl- und Migrationspakt betrifft.

Sie alle hier herinnen wissen, seit 2015, 2016 wird dieser Pakt verhandelt. Vor einem Jahr hätten alle gesagt – vor wenigen Tagen, am 8. Februar, war der endgültige Beschluss das Paktes –, hätten alle politischen Beobachter, alle Medienbeobachter gesagt: Nie und nimmer wird es gelingen, einen Asyl- und Migrationspakt innerhalb eines Jahres umzusetzen! – Es ist gelungen. Es waren harte Verhandlungen, Kompromisse sind notwendig gewesen, es sind viele Punkte drinnen, die notwendig sind, die richtig sind: Es gibt erstmals ein gemein­sames Bekenntnis dazu, den EU-Außengrenzschutz gemeinsam zu finanzieren und auch rechtlich festzumachen.

Was meine ich damit? – Dass wir an den EU-Außengrenzen in Zukunft schnelle Verfahren haben werden, damit eben die Menschen aus jenen Ländern, bei denen keine Chance auf Asyl besteht, nicht nach Europa weiterziehen und sich über Europa verteilen; und dass wir auch die Zusammenarbeit mit sogenannten sicheren Drittstaaten sichergestellt haben, mit Ländern außerhalb der Euro­pä­ischen Union.


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Dazu möchte ich auch ein Beispiel erwähnen, weil Sie gesagt haben: Was passiert da auch international? – Ich gehe bei den Fragen dann schon noch im Detail darauf ein, aber nur als Beispiel möchte ich erwähnen: Ich war vor Kurzem gemeinsam mit dem dänischen Migrationsminister – ich gehe davon aus, Sie kennen ihn (in Richtung SPÖ), ich glaube, Sie haben ihn mit Ihrem Landeshaupt­mann auch schon getroffen; ein Sozialdemokrat – in Tunesien. Da hat Österreich gemeinsam mit Dänemark und den Niederlanden ein EU-Grenzschutzprojekt in Tunesien finanziert, damit Tunesien die Grenzen sichert; ein Ausbildungs­camp, wo nach modernsten, neuesten Standards Grenzsicherung durchgeführt wird.

Das halte ich für den richtigen Weg, das halte ich für den vernünftigen Weg. Fast 3 000 Menschen sind im letzten Jahr im Mittelmeer ertrunken, weil sie sich beispielsweise von Tunesien Richtung Lampedusa auf den Weg gemacht haben – das ist der falsche Weg. Daher ist es notwendig, dass wir außerhalb Europas solche Akzente und solche Maßnahmen setzen.

Das bedeutet also ganz konkret harte Arbeit, Stück für Stück weiterzuarbeiten, damit wir illegale Migration zurückdrängen, damit wir die Schlepperei intensiv und konsequent bekämpfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme nun zur Beantwortung der gestellten Fragen.

Zur Frage 1:

Die Landespolizeidirektion Burgenland verfügt über insgesamt 469 fremden- und grenzpolizeiliche Kräfte. Davon verrichten insgesamt 299 Polizistinnen und Polizisten ihren Dienst direkt auf den Grenzdienststellen. Die übrigen, die restlichen versehen ihren Dienst an anderen Dienststellen mit fremden- und grenzpolizeilichen Zuständigkeiten, zum Beispiel direkt in der Fremden- und Grenzpolizeilichen Abteilung in der LPD Burgenland, im Polizeianhaltezentrum, auf Dienststellen der Landesverkehrsabteilung und in insgesamt drei Polizei­kooperationszentren: Dolga Vas, Nickelsdorf und Kittsee.


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Fremden- und grenzpolizeiliche Kräfte in anderen Bundesländern inklusive Flughäfen: in Kärnten 212, in Niederösterreich 624, in Oberösterreich 223, in Salzburg 115, in der Steiermark 319, in Tirol 192, in Vorarlberg 97, in Wien 123.

Fremden- und grenzpolizeiliche Dienststellen in anderen Bundesländern, was auch Teil der Frage war, wiederum inklusive Flughäfen: Kärnten neun, LPD Niederösterreich 16, Oberösterreich neun, Salzburg vier, Steiermark neun, Tirol drei, Vorarlberg drei, Wien sechs.

Zur Frage 2:

Aktuelle Zahl der Personen des Bundesheeres im Assistenzeinsatz: rund 800. Da bitte ich um Verständnis: Detailfragen dazu liegen in der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Landesverteidigung.

Zur Frage 3:

Zur Operation Fox: Es braucht ein Bündel an Maßnahmen, und ich habe ver­sucht, einige dieser Maßnahmen, einige dieser Projekte, einige dieser Pläne auf unterschiedlicher Ebene zu skizzieren. Eine davon ist eben Operation Fox als Grenzraumeinheit.

Die Entscheidung über die Freilassung oder Inhaftierung von Personen obliegt ausschließlich den ungarischen Behörden.

Solange innerhalb Europas vor allem auf der Balkanroute der Migrationsdruck anhält, werden grenzüberschreitende polizeiliche Maßnahmen – das sind eben gemeinsame Streifen, das sind eben Schwerpunktaktionen – zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität vonseiten Österreichs weiterhin als notwendig erachtet, und dies beinhaltet auch die Einsätze der Operation Fox, weil diese auch Teil verschiedener Aktionspläne sind.


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Zur Frage 4:

Laut österreichischen Informationen wurden circa 1 900 Personen freigelassen, und viele der in Ungarn inhaftierten Schlepper würden in anderen europäischen Ländern aufgrund der unterschiedlich geltenden Rechtslagen gar nicht inhaftiert werden oder früher wieder aus der Haft entlassen werden.

Eine Person wurde in der Folge wegen erneuter Schleppertätigkeit in Österreich festgenommen. Was infolgedessen geschieht, ist bei der Justiz anhängig.

Zur Frage 5:

Es werden keine der Anfrage entsprechenden Statistiken geführt.

Für das Bundesministerium für Inneres hat es oberste Priorität, alle straffälligen Fremden außer Landes zu bringen. Im Jahr 2023 wurden rund 12 600 Menschen außer Landes gebracht; rund 45 Prozent aller zwangsweise außer Landes gebrachten Personen waren zumindest einmal strafrechtlich verurteilt – das ist beinahe jede zweite Person.

Zur Frage 6:

Festgenommene Schlepper im Jahr 2023: 725.

Zur Frage 7:

Bis heute wurden im Jahr 2024 32 Schlepper in ganz Österreich hauptsächlich in Grenznähe aufgegriffen.

Zur Frage 8:

Alle Tatbestände werden einzeln aufgenommen und eingetragen.

Wichtig ist, dass Polizistinnen und Polizisten für solche Lagen geschult sind. Für das Einschreiten der Polizistinnen und Polizisten wurde ein kriminalistischer Leitfaden, der auch den Bereich Schleppereibekämpfung abdeckt, erstellt. Dieser


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wird auch bedarfsorientiert aktualisiert, und unsere Polizei wird beispielsweise auch für zusammenhängende Tatbestände wie Sachbeschädigung im Zusam­menhang mit der Schlepperei sensibilisiert.

Das wird aber nicht bei uns statistisch erhoben, weil das für uns letztendlich ein zu hoher bürokratischer Aufwand wäre. Alle Kolleginnen und Kollegen wissen – es gibt ja auch unter Ihnen Polizistinnen und Polizisten; Sie, Herr Bundesrat (in Richtung Bundesrat Reisinger), der Anfragesteller, sind ja auch einer–, dass statistische Erhebungen immer sehr, sehr viel Aufwand bedeuten. Daher sind manche Statistiken einfach unmöglich zu erstellen, weil unsere Polizisten dann in Statistiken untergehen würden, und das kann auch nicht Zweck und Ziel sein.

Zur Frage 9:

Die Zahl wird laufend an die aktuelle Situation und Lage angepasst. Eine Zahl im Vorhinein bekannt zu geben halte ich aus derzeitiger Sicht nicht für sinnvoll – das, was notwendig ist, muss getan werden.

Im Jahr 2023, im heurigen Jahr wurden keine Polizistinnen und Polizisten im Rahmen dieser Einsätze verletzt.

Die Frage nach den verhinderten Delikten ist wohl eine sehr schwierige Frage, da sind wir uns einig. Daher: Eine realistische Zahl dazu anzugeben, wie viele Delikte eine Maßnahme verhindert hat – das kann beim besten Willen nicht statistisch erfasst werden. Wenn ein Kollege unterwegs ist – was hat er verhindert? Eine seriöse Beantwortung dieser Frage ist einfach nicht möglich, denn wir können nicht feststellen, was durch die intensiven Kontrollen nicht stattgefunden hat. Was wir feststellen können, ist, dass derzeit die Zahlen deutlich nach unten gehen, weil die Schlepper einen Bogen um Öster­reich machen.

Im Jahr 2023 sowie im Laufe des Jahres 2024 konnten im Rahmen bilateraler Einsätze die lokalen Grenzpolizeien bei der Festnahme von 139 Schleppern in verschiedensten Ländern unterstützt werden.


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Zu den Kosten: Eine Detailzuordnung auf die oben angeführten Einsätze kann in Anbetracht des dafür erforderlichen hohen Verwaltungsaufwandes nicht erfolgen.

Zur Frage 10:

Österreich hat gemeinsam mit Dänemark in Nefta, in der Nähe der Grenze zu Algerien, ein Ausbildungszentrum – ich habe in meinem Eingangsstatement schon kurz darauf hingewiesen – zum Grenzschutz aufgebaut. Darüber hinaus wurden weitere Kooperationsmöglichkeiten auf operativer Ebene im Kampf gegen die organisierte Kriminalität sowie Schlepperei vereinbart. Bei diesem Projekt stehen keine österreichischen Einsatzkräfte dort im Einsatz. Ziel des Zentrums sind Ausbildung und Schulung von tunesischen Grenzbeamten für die Kontrolle der Grenze Richtung Algerien.

Zur Frage 11:

Das Innenministerium engagiert sich mit aktuell 22 laufenden migrations­relevanten Projekten in Drittstaaten. Der Fokus liegt dabei auf den Herkunfts- und Transitländern an den Routen nach Österreich – das ist klarerweise die Zielsetzung dahinter.

Projekte wurden beispielsweise am Westbalkan, in Pakistan, Tunesien, Jordanien, aber auch Syrien mit international anerkannten Organisationen wie IOM, Caritas, ICMPD oder UNHCR realisiert.

Weil es auch gewünscht ist, diese Projekte aufzulisten, darf ich das jetzt tun:

Erstens: UNHCR – Unterstützung afghanischer Flüchtlinge im Iran;

zweitens: BMI-Onlinekampagne Myths about Migration;

drittens: Center for Health and Migration, Good Migration Governance und Gesundheit in Uganda und in der Region Ostafrika zwei;


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viertens: ICMPD – Projekt zur Erstellung eines Risikoanalysemodells zur Unterstützung der pakistanischen Grenzbehörden;

fünftens: IOM, UNCHR, also beide – Träger freiwilliger Transfers ukrainischer Vertriebener aus Moldau;

sechstens: Lefö – Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels;

siebtens: Seefar – Informationskampagne für faktenbasierte Migrations­ent­scheidungen und Verringerung des Investments in irreguläre Migration;

achtens: ICMPD – Informationskampagne für vertrauensvolle, faktenbasierte Informationen zu Gefahren und Konsequenzen illegaler Migration in Pakistan;

neuntens: ICMPD – Informationskampagne für vertrauensvolle, faktenbasierte Informationen zu Gefahren und Konsequenzen illegaler Migration im Irak;

zehntens: ISF, Police, Empact – Intensivierung der Koordination und Koope­ration der zuständigen Behörden betreffend Terrorismus und grenzüber­schreitende Kriminalität;

elftens: EU4LEA – Stärkung der Rechtsstaatlichkeit durch Verbesserung der Leistungsfähigkeit im Kampf gegen organisierte Kriminalität und integriertes Grenzmanagement;

zwölftens: EUAA –Pilotprojekt im Rahmen des regionalen Entwicklungs- und Schutzprogrammes für Nordafrika;

13. Projekt: ein Entwicklungs- und Schutzprogramm in Jordanien und dem Libanon;

14. Projekt: ein regionales Entwicklungs- und Schutzprogramm in Nordafrika;

15. Projekt: UNHCR – Bekämpfung von Fluchtursachen, Unterstützung von internationalen Schutzsuchenden sowie der Aufnahmegesellschaften, die vom Erdbeben in der Türkei betroffen sind;


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16. Projekt: Caritas Österreich – Bildung für Kinder aus Flüchtlingsfamilien und deren Hosting Community in Pakistan;

17. Projekt: Caritas Österreich – Lern- und Beschäftigungsmöglichkeiten für gefährdete Flüchtlinge, Asylwerber sowie Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien in Ägypten;

18. Projekt: Caritas Österreich – ganzheitliches regionales Bildungsprogramm drei in Jordanien, dem Libanon und Syrien;

19. Projekt: IOM Georgien – Bekämpfung gesundheitsbedingter Migration aus Georgien durch die Stärkung des Gesundheitssektors;

20. Projekt: BMVI – Entsendung von Verbindungsbeamtinnen und -beamten in Drittstaaten;

21. Projekt: ebenfalls mit BMVI – Dokumentenberaterinnen und Dokumenten­berater in Drittstaaten;

und als 22. und letztes Projekt: Integriertes Rückkehrmanagement plus III mit der Caritas.

Insgesamt stehen aktuell circa 150 österreichische Einsatzkräfte in bi- und multilateralen Einsätzen – Frontex-, EU- oder UN-Missionen – im Auslands­einsatz.

Zur Frage 12:

Wie aus den Projektnamen bereits ersichtlich, hat ein großer Teil der oben genannten 22 Projekte den Fokus auf Hilfe vor Ort – das ist auch klar das Ziel dieser Projekte.

Zur Frage 13:

Im Rahmen ihres Einsatzes auf ungarischem Staatsgebiet unterliegen die eingesetzten österreichischen Bediensteten dem ungarischen Recht. Werden


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schlepperverdächtige Personen auf ungarischem Staatsgebiet durch Polizistinnen und Polizisten der Op Fox angehalten, so werden diese unmittelbar an die ungarischen Behörden zur Durchführung der weiteren Verfahren übergeben. Die Op Fox selbst hat zu keiner Zeit Einfluss darauf, wie in weiterer Folge ungarische Strafverfolgungs- und Justizbehörden entscheiden.

Zur Frage 14:

Wie gesagt, ich versuche wirklich, diese Fragen sehr ordentlich – wie Sie (in Richtung Bundesrat Kovacs) das genannt haben – und ordnungsgemäß zu beantworten, aber es ist relativ schwierig zu beantworten oder statistisch schwierig zu erfassen, wenn in der Frage steht: „mühsam dingfest gemacht“. Statistisch wird nicht protokolliert, ob jemand „mühsam dingfest gemacht“ wurde. Daher kann ich dazu auch keine realistische Zahl sagen. Ich sehe nur insgesamt, dass hinsichtlich der Themen Bekämpfung der Schlepperkriminalität sowie illegale Migration ein regelmäßiger Austausch mit den ungarischen Kollegen und auch auf europäischer Ebene notwendig ist.

Zur Frage der Freilassungen – weil auch das gefragt wurde – habe ich selbst­verständlich meinem ungarischen Kollegen die Position Österreichs mitgeteilt: dass diese Maßnahme der ungarischen Justiz aus Sicht Österreichs das völlig falsche Signal sendet. Das habe ich dem ungarischen Innenminister mitgeteilt. Bei den freigelassenen Personen handelt es sich laut ungarischen Angaben um Täter mit geringen Haftstrafen.

Zur Frage 15:

Aufgrund der von uns gesetzten Maßnahmen ist die Migrationslage derzeit ruhig. Darauf zurückzuführen ist, dass im Jahr 2024 noch kein Schlepper festgenommen wurde – es geht da um die Operation Fox; die LPD Burgenland hat jedoch mittlerweile einen Schlepper festgenommen. Um es klarzustellen: Operation Fox hat heuer noch keinen Schlepper aufgegriffen, weil, wie ich gesagt habe, die Schlepper einen Bogen um Österreich, um diese Route machen.


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Das ist ja auch das Ziel dieser Operation. Daher müssen wir diese Operation, wie ich zuvor gesagt habe, fortsetzen. Die LPD Burgenland aber hat bisher einen Schlepper aufgegriffen.

Zu den Fragen 16 und 17:

Diese sind wiederum sehr detailliert, was die Kosten betrifft. Eine Detailzu­ord­nung der Kosten kann in Anbetracht des dafür erforderlichen hohen Verwal­tungsaufwandes in dieser Kürze nicht erfolgen, Herr Präsident außer Dienst Kovacs. Ich würde aber vorschlagen, dass wir jene Kosten, bei denen es möglich ist, sie in einer vernünftigen Zeit statistisch auszuwerten, schriftlich nach­reichen – nicht alles, aber was möglich ist. Da würde ich bitten, dass wir das schriftlich nachreichen können. In dieser kurzen Zeit heute war es nicht möglich, das ent­sprechend herauszurechnen.

Zur Frage 18:

Die Operation Fox wird nach derzeitigem Stand auch nach Mai 2024 für weitere sechs Monate weiterlaufen, sofern – ja, das scheint so zu sein – der Bedarf danach gegeben ist. Wie schon angesprochen wird die Lage laufend bewertet und evaluiert.

Zur Frage 19:

Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innenressort stehen mit ihren ungarischen Kolleginnen und Kollegen in permanentem Austausch zu allen strategischen und operativen Punkten der polizeilichen Zusammenarbeit. Auch die Zusammenarbeit im Rahmen der Operation Fox wird dabei laufend evaluiert und an die Veränderung der Lage angepasst. Auch ich bin selbstverständlich in regelmäßigem Austausch mit meinem ungarischen Amtskollegen, Nachbarn. Da ist es notwendig, dass man polizeilich, aber auch auf politischer Ebene zusam­menarbeitet.


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Zur Frage 20:

Aktionsplan: Es gibt selbstverständlich mehrere Aktionspläne und Maßnahmen gegen die Schlepperkriminalität. Ich habe auszugsweise einige dieser Aktionspläne, einige dieser Maßnahmen in meinem Eingangsstatement erwähnt, aber selbstverständlich sind, wenn der Druck der Schleppermafia so groß ist, wie er ist, Aktionspläne notwendig. Die Polizei, das Bundeskriminalamt, die Landespolizeidirektion, das Innenministerium machen dann alles Menschen­mög­liche, um diese brutale Form der Kriminalität zu bekämpfen und die Bevölkerung im Burgenland zu entlasten.

Zur Frage 21:

Der EU-Asyl- und Migrationspakt wurde bereits am 8. Februar im Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel beschlossen. Auch das haben wir gerade zuvor im EU-Ausschuss sehr intensiv diskutiert und beschlossen. Österreich hat von zehn Rechtsakten bei sechs Rechtsakten durch die Ständige Vertretung des Botschafters zugestimmt, bei zwei dagegengestimmt und sich bei zwei enthal­ten.

Faktum ist aus meiner Sicht: Als zuständiger Minister halte ich den Asyl- und Migrationspakt für einen absolut notwendigen Schritt in die richtige Richtung. Jetzt geht es aber darum, diesen Asyl- und Migrationspakt, der hart verhandelt wurde, auch mit Leben zu erfüllen. Im April wird es dazu durch den belgischen Vorsitz eine erste konkrete Runde geben, bei der darüber auf europäischer Ebene durch die Innenminister entsprechend beraten wird. Wie gesagt, ein erstes EU-Innenministertreffen wurde vom belgischen Rats­vorsitz für April angekündigt.

Zur Frage 22:

Österreich ist an möglichst raschen Abschlüssen von Rückübernahmeverein­barungen – sowohl bilateral als auch auf EU-Ebene – interessiert. Es finden laufend intensive Gespräche, natürlich gemeinsam mit dem Bundesministerium


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für europäische und internationale Angelegenheiten, zum Abschluss und zur Umsetzung von weiteren Abkommen und Migrationsvereinbarungen statt.

Es gibt 18 Rückübernahmeabkommen sowie sechs weitere Vereinbarungen und 26 bilateralen Abkommen; daneben wurden in diesem Zusammenhang erst kürzlich beispielsweise Vereinbarungen mit Ländern wie Indien – Mobilitäts­abkommen mit Indien: ganz entscheidender Erfolg, der im letzten Jahr gelungen ist; Außenminister Schallenberg; ich habe es gesagt, allein im Jahr 2022 über 15 000 Asylanträge aus Indien; daher bin ich sehr froh, dass es jetzt dieses Mobilitätsabkommen mit Indien gibt –, Marokko oder dem Irak abgeschlossen.

Es geht aber nicht nur um diese Abkommen, die notwendig sind, denn Papier ist geduldig. Entscheidend ist, dass es politische Gespräche dazu gibt, damit die Beamten in den anderen Ländern diese Vereinbarungen, die auf politischer Ebene geschlossen werden, auch konkret umsetzen. Papier ist wie gesagt geduldig; ein Mobilitäts- oder Rücknahmeabkommen allein nützt mir noch nichts, ich muss ja auch danach trachten, dass das konkret passiert, dass Menschen wieder in ihre Heimat gebracht werden.

Das ist intensive bilaterale, multilaterale Arbeit auf politischer Ebene und auch auf Beamtenebene, und da ist in letzter Zeit sehr, sehr viel gelungen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.40


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrat Günter Kovacs zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.40.54

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundes­minister, Sie haben, bevor Sie die Fragen beantwortet haben, gesagt und suggeriert, dass wir die Polizei im Burgenland kritisiert hätten. (Bundesminister Karner: Nein, das stimmt nicht!)


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Ich weise das auf das Schärfste zurück, und ich hätte mir auch erwartet, Herr Bundesminister, dass Sie, wie Sie gesagt haben, die Anforderung, korrekte Antworten zu geben, auch da berücksichtigen, statt irgendetwas hineinzuinter­pretieren. Das Gegenteil ist der Fall! Die Sozialdemokratie vor allem im Burgenland schätzt die Arbeit der Exekutive, darauf können Sie setzten. Wir wissen, was wir an der Polizei haben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.41


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Gerdenitsch. Ich erteile ihr dieses.


17.42.01

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann jetzt nur noch einmal in dieselbe Kerbe schlagen wie schon mein Kollege Kovacs: Für parteipolitisches Hickhack ist dieses Thema einfach nicht zu missbrauchen. (Beifall und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist zu ernst. Wir kritisieren nicht die Polizei! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Auch von mir an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an unsere Polizistinnen (Bundesrat Buchmann: Frau Kollegin, da müssen Sie sich aber in den Spiegel schauen!) – jetzt bin ich am Wort, Herr Kollege (Bundesrat Buchmann: Na ja! – Bundesrat Himmer: Und wir sind auch da! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) – und Polizisten! – Ja, später dann, Herr Kollege, jetzt rede ich. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Sie drehen uns das Wort im Mund um, aber das ist typisch ÖVP: Wenn man keine Argumente, keine Lösungen hat, dann fängt man halt mit der Showpolitik an. (Bundesrat Buchmann: In den Spiegel schauen! – Ruf bei der SPÖ: Ja, genau!)


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Sie haben gesagt, dass Österreich ein sicheres Land ist. – Ja, lediglich das Sicherheitsgefühl ist einfach nicht mehr da. Es wird Zeit, dass wir endlich die Interessen der Bevölkerung vertreten, und wir haben auch wenig Verständnis dafür, dass die ÖVP da immer wieder Beschwichtigungsversuche unternimmt. Die Zahlen der illegalen Grenzübertritte vor Weihnachten waren rückläufig – ja, das stimmt, aber keine einzige Maßnahme, die die Bundesregierung gesetzt hat, führt dazu, dass jetzt in den Wochen, in denen traditionell wenig Dynamik in diesem Bereich zu verzeichnen ist, auch weniger los ist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Menschen wieder auf den Weg machen und im Burgendland über die Grenzen kommen werden.

Sehr viele Bürgerinnen und Bürger reden mit mir tagtäglich beim Einkauf, oder wenn ich sie sonst irgendwo treffe, über das Thema und diese Aussichten. All das ist ein großes Thema, das eben die Bevölkerung beschäftigt. Man weiß, die Schlepper kennen kein Halten mehr. Die haben die Anweisung, Straßensperren ohne Rücksicht auf Verluste zu durchbrechen, ohne Rücksicht auf Menschen­leben, ohne Rücksicht auf Häuser, auf irgendwelche anderen Anlagen. Das geht so einfach nicht mehr, und die Menschen fragen sich zu Recht: Wann tun Sie jetzt endlich etwas Konkretes, um die Schlepperkriminalität auch wirklich einzu­dämmen, zu unterbinden?

Ich bin aus Deutschkreutz, das kennen Sie vielleicht. Ja, wir sind Spitzenreiter bei den Rotweinen, aber wir sind auch Spitzenreiter bei den illegalen Grenzüber­tritten, und das kann es bitte nicht sein. Ich habe mit dem Kollegen aus Lutzmanns­burg gesprochen. Er ist dort Bürgermeister, ein Landtagsabgeordneter und Exekutivbeamter. (Bundesrat Spanring: Seit wann kümmert sich die SPÖ darum?) Er hat viele offene Fragen, und die gebe ich jetzt an Sie weiter. (Bundesrätin Doppler: Jetzt reden die plötzlich von der Schlepperkriminalität! – Bundesrat Spanring: Jetzt kennt man sich gar nicht mehr aus!)

Was planen Sie konkret, wenn die Schlepperkriminalität wieder zunimmt – und das wird sie früher oder später –? Die Routen werden sich ändern, die Schlepper werden andere Wege finden. Wenn ein Hendl aus dem Hühnerstall ausbrechen


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will und ich das Loch zumache, dann kommt es auf der anderen Seite raus. Die Routen werden sich also ändern; die finden andere Wege – na no na net! Menschenschmuggel ist mittlerweile ein lukrativer Geschäftszweig geworden, und die handelnden Personen werden Mittel und Wege finden, um weiterhin Menschen nach Österreich zu schleusen. Die Schlepper machen das nicht, weil sie solche Menschenfreunde sind, nein, sondern weil sie damit Geld verdienen wollen. (Bundesrat Buchmann: Na geh!)

Welche Szenarien spielen sie da durch? – Die Dienststellen sind unterbesetzt. Eine Bekannte von mir hatte vor ein paar Monaten einen Wildschaden und wollte das auf der Polizei melden. Sie trifft dort quasi auf das verlassene Nest, ruft an und bekommt zur Antwort: Ja, bitte warte! Wir haben jetzt ein paar illegale Übertritte. – Also so quasi: Jetzt kommst du mit dem Wildschaden auch noch daher, wir sind eh schon so überlastet.

Gehen Sie also einmal wirklich raus, kommen Sie wieder einmal zu uns ins Burgen­land! (Bundesminister Karner: Sehr gerne!) Gehen wir gemeinsam auf die Dienststellen, reden wir mit den Leuten, mit den Polizistinnen und Polizisten! Die Kolleginnen und Kollegen sind am Limit. (Beifall bei der SPÖ.)

Werden Sie dann Beamtinnen und Beamten aus den anderen Bundesländern abziehen? Kommen die ins Burgenland? Worauf kann man sich einstellen? Oder wird da wieder nur improvisiert?

Es geht da auch um Übergriffe auf die Exekutive. Wir orten, wie ich schon gesagt habe, eine Gefährdung von Besitz, Leib und Leben infolge dieser Schlepper­kriminalität. Die Bevölkerung ist extrem verunsichert, und viele sehen schon mit Bangen der wärmeren Jahreszeit entgegen. Die Menschen werden gefährdet; es gibt wilde Verfolgungsjagden. In Horitschon war es zum Beispiel so, dass das bis in die Ortschaft reingegangen ist und dort ein Zaun beschädigt wurde. Das war also Wildwest, das ist ja kein Kindergeburtstag, bitte schön. Denen ist es wirklich egal.


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Früher ist man davon ausgegangen, dass Uniformen Respekt einflößen, aber das gilt leider schon lange nicht mehr. Der Respekt vor der Uniform schwindet, er ist eigentlich gar nicht mehr vorhanden, schon gar nicht bei diesen Schlepper­clans, die eigentlich gar nichts zu verlieren haben. Leider Gottes – das ist festzuhalten – ist das Burgendland zum Hotspot der internationalen brutalen Schlepperkriminalität geworden, und die Bevölkerung kann da einfach nicht mehr mit.

Wir haben es gehört: Das betrifft die Exekutive und auch Angehörige des Bundesheeres. Weil die Kräfte der Exekutive nicht mehr ausreichen – das wissen wir –, helfen Soldatinnen und Soldaten des Bundesheeres beim Überwachen der Staatsgrenze. Ich habe es zwar gehört, aber ich kann Ihnen nicht glauben, dass Sie nicht wissen, wie viele dieser Grundwehrdiener dort ohne erfolgte Grundausbildung schon im Einsatz sind. Ich weiß nicht: Sie müssen doch ein Interesse daran haben, sich mit Ihrer Amtskollegin darüber zu verständigen, wie es da ausschaut, wie weit die Ausbildung vorangeschritten ist. Ich meine, die Burschen sind ja kein Kanonenfutter. Wie bereits gesagt, ist das kein Kinderge­burts­tag. Es ist ein sicher nicht ungefährlicher Einsatz für die Exekutive und das Bundesheer, weil das Schleppermilieu – ich muss das immer wieder sagen – ganz klar noch krimineller geworden ist.

An dieser Stelle noch einmal zusammenfassend: Im Namen der SPÖ-Fraktion und in meinem ganz persönlichen Namen – denn ich bin nicht nur einmal Augenzeugin eines Einsatzes mit Blaulicht gewesen, bei dem der Bahnhof gesperrt war und 20 Männer auf der Straße gesessen sind; die Menschen, die da zum Zug gehen, haben das eigentlich gar nicht fassen können und mit großem Staunen beobachtet – an dieser Stelle also einen herzlichen Dank an die Exekutive und an das Bundesheer (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring) – ihr alle macht trotz aller Belastungen, denen ihr ausgesetzt seid, einen großartigen Job!

Ja, die betroffene Bevölkerung im Burgenland ist maximal verunsichert, und wir haben für diese substanzlose Beschwichtigungs- und Showpolitik von Ihnen,


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Herr Minister, kein Verständnis. Sie drehen sich die Zahlen so hin, jubilieren quasi – ich meine, Sie haben da dann eh ein bisschen beschwichtigt – über die 56 000. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein!) Die Asylbremse wirkt leider überhaupt nicht. Ein erheblicher Teil bleibt in Österreich, nur ein kleiner Teil zieht weiter. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt fällt euch das ein, bevor es spannend wird!) – Nein, bitte nicht! Das hat mit den Freiheitlichen nichts zu tun, da geht es um die Anliegen der Bevölkerung. (Bundesrat Spanring: Ihr wart die, die immer gesagt haben ... die SPÖ doch immer: Alle rein!)

Wir sind im Europavergleich Spitzenreiter. Die Pro-Kopf-Verteilung - - Herr Kollege, Sie kommen wahrscheinlich eh noch dran. Jetzt rede ich! – Wir sind im Europavergleich Spitzenreiter. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Es ist zwar schon kurz vor 6 Uhr, aber trotzdem reißen wir uns jetzt alle ein bisschen zusammen und hören zu, so wie wir das in der Schule gelernt haben: Wer vorne steht, der spricht, dem hört man zu. (Beifall bei der SPÖ.)

Also: Die Pro-Kopf-Verteilung im Jahr 2022 war in Österreich 1 250 Asylanträge pro 100 000 Einwohner; im EU-Durchschnitt waren es 216 – scheinbar gebremst im Jahr 2023, aber wir sind wieder auf Platz eins.

Noch einmal: Die Maßnahmen Ihrer Außen- und Sicherheitspolitik wirken nicht. Ihr könnt es einfach nicht! Die Tore sind offen, weil die Minister, der Bundes­kanzler, der Außenminister es offenbar nicht schaffen, bilaterale Abkommen zu schließen. (Bundesrat Spanring: Das haben wir oft gesagt!)

Es gibt auch nachweislich Verbindungen des internationalen Terrorismus zur internationalen Schlepperkriminalität. Ich hoffe, Sie machen sich auch darüber Gedanken.

Wie gesagt: Dass in den letzten Wochen von 2023 weniger Menschen illegal nach Österreich gekommen sind, liegt nicht an den Maßnahmen der Bundes­regierung, sondern eher an der geopolitischen Situation.


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Die Probleme werden aus unserer Sicht immer größer. Ich muss Ihnen schon sagen: Seit Jahren bringen es die ÖVP-Innenminister nicht zustande, Menschen mit negativen Asylbescheiden in sichere Drittstaaten zurückzubringen. Was ihr aber schon könnt, ist, gut integrierte Familien und Kinder abzuschieben. Das ist für mich ja eigentlich unfassbar.

Wir stehen ganz klar zum nationalen und internationalen Recht, das ist für uns auch klar, und natürlich nehmen wir Menschen mit Fluchthintergrund und Fluchtgrund auf, aber alle, die ohne Fluchtgrund hier sind, müssen wir auch wieder zurückbringen können. (Bundesrat Gross: Das ist eine FPÖ-Rede!) Wie gesagt, Kinder und Familien, die gut integriert sind, weisen wir aus, schieben wir ab. (Bundesrat Spanring: Jetzt bin ich restlos schockiert!) – Da brauchen Sie nicht schockiert zu sein, Herr Kollege. (Bundesrat Spanring: Wollt ihr jetzt alle von ...?) – Nein, danke.

Eine wirkliche und solidarische Lösung für die hohen Asylantragszahlen kann es nur auf der europäischen - - (Anhaltende Zwischenrufe des Bundesrates Spanring. – Bundesrätin Schumann: Einmelden und dann reden! Einmelden und reden!) – Wer vorne steht, der spricht, wer drinnen sitzt, hört zu! (Bundesrat Spanring: Hättets früher auf uns gehört, vor zehn Jahren, dann wäre das heute alles nicht notwendig! – Bundesrätin Schumann: Was ist? Reden von außen? Was ist? Hallo! Wo sind wir denn? Wir sind ja nicht im Bierzelt!)


Vizepräsident Mag. Franz Ebner (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um etwas mehr Ruhe im Saal. Die Kollegin ist am Wort, und ich bitte alle anwesenden Bundesrätinnen und Bundesräte, ihr auch die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken. (Bundesrat Gross: Das sind bestimmte Bundesräte! – Bundesrätin Schumann: Der Liebling der Sozialistenhasser!)


Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (fortsetzend): Herr Kollege, danke.

Eine wirkliche und auch solidarische Lösung für die hohen Asylantragszahlen kann es eben nur auf der europäischen Ebene geben. Kollege Kovacs hat es


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schon ausgeführt: Nicht nur Fotos mit Herrn Orbán machen – redet einmal Tacheles mit eurem Freund!

Zusammengefasst noch einmal: Es muss klar eine Trennung zwischen Asyl, Migration und Integration erfolgen, sowohl in der Diskussion als auch politisch. Überlegen Sie sich: Ihre Asylbremse wirkt nicht. Das Versagen der Bundes­regierung spiegelt sich auch in der Rückführungsstatistik wider. Österreich ist unter der Verantwortung von ÖVP-Innenministern – ihr braucht ja nur zu schauen, seit wann ihr das Ressort habt – zum Hotspot der internationalen Schlepperkriminalität geworden, und das Burgenland ist dabei besonders betroffen: 1 300 Schlepper wurden 2022 und 2023 österreichweit verhaftet, davon 600 im Burgenland.

Herr Minister, ich darf Ihnen noch einmal den Dringlichkeitsantrag aus dem Burgenland als Reminder mitgeben. Sie haben uns gesagt, es ist schon einiges im Talon. Wir freuen uns oder sind gespannt darauf, wie und vor allem wann Sie das umsetzen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Matthias Zauner. Ich erteile ihm dieses.


17.52.51

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein besonderes Schauspiel, das uns die Sozialdemokratie heute hier im Bundesrat bietet, diese 1,5-Stunden-Verzögerung, die es gebraucht hat, damit wir hier endlich die Kovacs-Gerdenitsch-Show am Rednerpult erleben dürfen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Herr Präsident außer Dienst, Sie stellen sich mit zwei Unterstellungen gegen den Innenminister hier ans Rednerpult. Zum einen werfen Sie ihm Untätigkeit vor. Zum anderen kommt, noch bevor er eigentlich die Anfrage beantwortet, der


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Hinweis, dass er das ja eh gescheit machen soll, und dankenswerterweise lesen Sie auch noch all die Fragen vor. Da darf ich dir, sehr geehrter Herr Innen­minister, sehr herzlich für die intensive, exakte und genaue Beantwortung all jener Fragen, die beantwortbar war, danken, denn man sieht in dieser Anfrage, wie viele Nonsensfragen eigentlich gestellt wurden, die in Wahrheit von keiner Statistik erfassbar sind – so viel zur Anfragequalität der Sozial­demokratie. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann – erheitert –: Ja, ja, genau! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Einen weiteren technischen Hinweis habe ich zu dieser Anfrage. Sie stellen nämlich in Punkt 6 eine Frage zu einer Anfragebeantwortung 16920/AB. – Meine Damen und Herren, diese Anfragebeantwortung gibt es gar nicht. Sollten Sie die Anfrage 16920/J gemeint haben, dann sei Ihnen gesagt, diese bezieht sich auf Maßnahmen des Spielerschutzes, hat aber mit Asylfragen überhaupt nichts zu tun. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Noch ein Hinweis an Sie, sehr geehrter Herr Bundesratspräsident außer Dienst, aber auch an Kollegen Reisinger, der ja auch Polizeibeamter ist: Es ist schon einigermaßen spannend, wenn man als Bediensteter den Vornamen des eigenen Ministers nicht kennt. Unser Innenminister heißt nämlich Gerhard Karner und nicht Gerald Karner – dies auch noch zu Ihrer geschätzten Information. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Und der Herr Minister lacht!)

Frau Kollegin Gerdenitsch, Ihr Auftritt hier war ja überhaupt jenseitig, denn man fragt sich, von welchen Zuständen Sie eigentlich sprechen und woher Sie all diese Information haben. Da klafft schon eine große Lücke zwischen dem, was der Herr Bundesminister in seiner Anfragebeantwortung dargelegt hat, und der Situation, die Sie hier beschrieben haben.

Wenn Sie jetzt so einen restriktiven Kurs verlangen, dann frage ich mich schon, wie das im Jahr 2015 war, als die damalige Innenministerin der ÖVP ganz klar


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vor dem Öffnen der Grenzen gewarnt hat und ein sozialdemokratischer Bundes­kanzler daran festgehalten hat und wir dann die Situation bekommen haben, die wir bekommen haben, die uns bis heute noch fordert.

Frau Kollegin Gerdenitsch, auch Ihre Wortwahl möchte ich in einem Punkt schon deutlich zurückweisen: Wenn man bei Rekrutinnen und Rekruten des öster­reichischen Bundesheers von Kanonenfutter spricht, Frau Kollegin, dann ist das, glaube ich, eine Wortwahl, die wir in diesem Hause nicht brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Ich werde auf die inhaltlichen Fragen jetzt nicht mehr eingehen, das hat der Herr Bundesminister eindrucksvoll gemacht. Ich darf aber nur noch einmal auch seitens der ÖVP-Fraktion hier im Bundesrat den Exekutivbeamtinnen und Exekutiv­beamten, die nicht nur im Burgenland, sondern überall im Grenzschutz tätig sind, und auch dem österreichischen Bundesheer für den Assistenzeinsatz, der geleistet wird, ein großes Dankeschön sagen. – Vielen herzlichen Dank allen Sicherheitskräften! (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich aber noch mich parteipolitisch mit dieser Anfrage auseinander­setzen, denn es ist ja bei der SPÖ immer die Frage, speziell wenn es um das Thema Sicherheit und das Thema Asyl geht, welcher Teil der SPÖ denn jetzt diese Anfrage stellt. Jetzt ist ja der Bundesparteivorsitzende der SPÖ auch Mitglied des Bundesrates. Er hat diese Anfrage ja zum Beispiel nicht unterschrie­ben. Da taucht jetzt schon die Frage auf: Ist das eine Anfrage, die die gesamte SPÖ-Fraktion mitträgt, oder ist es eine, die nur von der SPÖ im Burgenland kommt? (Bundesrat Reisinger: Jetzt wird es ein Kasperltheater! – Bundesrätin Schumann: Jetzt ist es schon ganz ...! Mein Gott na!)

Das muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen (Bundesrätin Schumann: Ja, ja! Den kleinen Nachfolger des Herrn Steiner haben wir jetzt da!): Auf der einen Seite gibt es den Bundesparteivorsitzenden, der zusätzliche Migranten aus Afghanistan forciert, und auf der anderen Seite gibt es einen Landeshaupt-


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mann Doskozil, der einen Deckel bei den Asylanträgen möchte. Das ist eine Schlan­genlinie in der Asylpolitik der Sozialdemokratie, wie sie beispielhaft ist. (Bundes­rätin Schumann: Der will noch was werden!)

Ich kann das auch noch mit zwei Zitaten des Herrn Bundesparteivorsitzenden unterlegen. Das erste kommt aus der „Zeit im Bild“, kurz nachdem er dann doch Parteivorsitzender wurde: Es spiele keine Rolle, auf welcher Seite eines Zauns so ein Verfahren stattfindet. – Oha! Und „Kronen Zeitung“ vom November 2023: „Mir ist wurscht, wo Asylverfahren stattfinden“.

Meine Damen und Herren, das spricht Bände über den Asyl- und Migrationskurs der Sozialdemokratie. (Bundesrätin Hahn: Es geht um die Schlepper!) Wenn gerade die Sozialdemokratie heute thematisiert, dass das ja eigentlich ein Thema ist, das auf europäischer Ebene zu lösen ist, dann stimmt das. Wem aber ist es denn gelungen, dass es ein europäisches Thema wurde? Das war kein Sozialdemokrat, das war unser Bundeskanzler, das war unser Innenminister. Deswegen ist es ja ein europäisches Thema geworden. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Angebot an die FPÖ!)

Es war unser Schengenveto bei Rumänien und Bulgarien, dass es nun möglich geworden ist, dass es zu einer Aufstockung von Frontex kommt, dass es zu einer verstärkten Kontrolle der Landgrenzen kommt und dass es auch zur Übernahme von Asylwerberinnen und Asylwerbern aus Afghanistan in Rumänien und Bulgarien kommt. (Bundesrätin Schumann: Angebot an die FPÖ! Bravo! Das ist eine FPÖ-Rede, und mit den Grünen seids ihr in einer Koalition!)

Meine Damen und Herren, wenn diese Anfragebeantwortung das Ziel hatte, die Leistungsbilanz unseres Innenministers darzulegen, dann muss ich wirklich sagen: Das ist Ihnen hervorragend geglückt (Heiterkeit bei der SPÖ), denn die Darstellung des Innenministers war umfassend, war allumfassend und hat gezeigt, was diese türkis-grüne Bundesregierung gerade in diesem Bereich zusammenbringt. (Bundesrätin Schumann: Oje! Ja, Ja!)


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Ich darf hier noch einmal einige Zahlen erwähnen: 2023 gab es 44 000 Asyl­anträge, das war ein Rückgang um 42 Prozent gegenüber 2022, während es in Europa ein Plus von 27,5 Prozent gegeben hat. Die Bundesrepublik Deutschland beneidet uns um unseren Kurs in dieser Frage. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das ist es! Der möchte was werden! Aufpassen, Herr Innenminister!)

Die Anerkennungsquote lag noch vor einigen Jahren bei 50 Prozent, heute ist sie auf 16 Prozent reduziert. Vor einigen Jahren dauerten die Verfahren 21,5 Mo­nate, wir liegen jetzt bei 5,5 Monaten. Auch das Geld für Asylwerber betrug noch vor einigen Jahren 142 Euro pro Tag, jetzt sind es 74 Euro. Da spreche ich noch nicht von Schnellverfahren et cetera, et cetera.

Meine Damen und Herren, alles in allem zusammengefasst darf ich dir, sehr geehrter Herr Innenminister, für deine Arbeit danken (Bundesminister Karner: Der Polizei!) – und vor allem natürlich den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Ich darf auch der Frau Verteidigungsministerin und den Kräften des österreichischen Bundesheers ein herzliches Dankeschön sagen. Wir wissen die Sicherheit in dieser Republik bei unserem Bundeskanzler und unseren beiden Sicherheits­minis­tern in guten Händen. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

18.00


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile ihm dieses.


18.01.01

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier im Saal! Tagtäglich werden in Österreich Illegale aufgegriffen. Neben den Aufgriffen auf der Balkanroute steigt wie bereits erwähnt die Zahl der Aufgriffe illegaler Migranten vor allem an der burgenlän­disch-ungarischen Grenze stark.


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Es ist schon angesprochen worden: Die Schlepperbanden werden immer aggressiver – kein Erbarmen! Daher möchte ich am Beginn allen Polizeikräften, allen Kameraden beim österreichischen Bundesheer wieder Dank und Anerkennung aussprechen. Respekt – sie riskieren tagtäglich das Leben für unsere Sicherheit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der Großteil der Flüchtlinge kommt aus Syrien und Afghanistan, aber auch aus Ländern wie Tunesien, Pakistan, Bangladesch, Türkei oder Indien. Diese Flücht­linge haben jedoch kaum Aussicht auf einen Asylstatus.

Die Zahlen der Asylanträge zeigen es klar – wir haben es schon mehrmals ange­sprochen –: über 112 000 Asylanträge im Jahr 2022, ein absolutes Rekordjahr. Auch 2023 lag die Zahl der Asylanträge über 58 600. Auch das zeigt wieder – es ist die dritthöchste Zahl an Asylanträgen in den letzten 50 Jahren; der Minister hat es angesprochen –: Es ist ein sehr hohes Niveau und kein Grund zum Jubeln. (Präsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Das Beispiel, das der Herr Innenminister angesprochen hat, die Entlastung von Jänner 2023, als 2 262 im Burgenland aufgegriffen worden sind, bis Jänner 2024, als es 100 waren, zeigt, dass die Schlepperbanden schnell reagieren und andere Routen wählen. Vor allem auch in Oberösterreich, also in Urfahr-Umgebung, sind ja aufgrund der guten Arbeit der Polizei Schlepperbanden aufgegriffen worden.

Den Preis dafür zahlen aber wie immer die Bürger mit ihrer Sicherheit, mit sehr viel Steuergeld, mit Milliarden Euro im Sozial-, Bildungs-, Justiz- und Gesund­heitsbereich sowie vor allem mit dem Verlust ihres Rechts auf Heimat und Identität.

Das Versagen der Bundesregierung ist ein Sicherheitsrisiko für ganz Österreich. Die Bürger verdienen mehr als leere Worte und Untätigkeit bei einer der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Aufdeckung eines internationalen Schleppernetzwerkes mit Verbindungen quer durch Europa zeigt, dass die


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Auswirkungen weit über die Grenzen des Burgenlandes und Österreichs hinausgehen.

Bis 2023 – Kollege Günter Kovacs hat es angesprochen – hat es allein im Burgenland 30 000 Aufgriffe und auch rund 300 Verhaftungen gegeben. Das zeigt also, wie dringend die Anfrage ist. Es ist nicht so, wie Kollege Zauner gesagt hat, dass das eine Show der SPÖ ist. Die Anfrage hat also schon eine Berechtigung. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Die Situation ist vor allem für die betroffene burgenländische Bevölkerung, aber auch für die Exekutivbeamten und für die Kameraden beim Bundesheer unzumutbar geworden. Den Dank habe ich schon ausgesprochen. Auch das mit den Rekruten ist schon erwähnt worden: Die Rekruten werden für diesen Grenzschutz gut ausgebildet. Gegen den Ausdruck „Kanonenfutter“ verwahre ich mich. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Die Regierung verschließt, wie man so sagt, die Augen vor der Realität. Das mit den Dienstposten ist auch angesprochen worden. Da ist die Aufgabe des Ministers, dass man wirklich rasch alle Dienstposten besetzt, damit die Sicherheit gewährleistet ist.

Die Bürgerinnen und Bürger von Österreich verdienen eine Führung, die sich den Herausforderungen stellt und klare Maßnahmen setzt. Wir alle wissen, dass unter Ihrer Verantwortung, Herr Minister, unter der türkis-grünen Bundesre­gierung ein Missmanagement in vielen Bereichen so wie im Migrationsbereich vorherrscht.

Geschätzte Damen und Herren, neben der schwarz-grünen Regierung ist auch die SPÖ unglaubwürdig und verantwortungslos. Es ist schon angesprochen worden: Einerseits fordert der Herr Landeshauptmann des Burgenlandes eine Asylobergrenze von 10 000 Anträgen für das Jahr 2024. Hier stellt auch die SPÖ Burgenland – so sehe ich das – die Dringliche Anfrage, was auch notwendig ist. Es ist angesprochen worden, dass Kollege Babler nicht unterschrieben hat.


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Das zeigt also schon, dass die SPÖ da – sagen wir einmal so – nicht auf einer Linie ist.

Die Babler-SPÖ träumt von einer linken Ampelkoalition aus SPÖ, Grünen und NEOS nach dem schlechten deutschen Vorbild. Was würde das bedeuten? – Freie Fahrt für die Schlepperbanden, einen ständigen Zuzug von Hundert­tau­senden Wirtschaftsflüchtlingen, weil Kollege Babler – der ist bei einer Dringlichen Anfrage der SPÖ nicht einmal da (Bundesrätin Schumann: Wo ist denn der Kollege Steiner? Der Kollege Steiner ist schon lang nicht da!) – niemanden als illegal betrachtet und für die notwendige Kontrolle und Sicherung unserer Grenzen absolut nichts übrig hat.

Frau Schumann, das ist ein Unterschied. Kollege Babler ist der Bundespartei­obmann der SPÖ. Ich sehe ihn nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Der Herr Steiner ist schon lange weg! Der Herr Steiner ist schon lange weg!)

Er ist ein guter Bürgermeister, sagt er immer, aber ich will nicht, dass Österreich ein Traiskirchen wird. Ich hoffe also, dass die SPÖ bald verändert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist an der Zeit, dass die Regierung endlich die Interessen der Bürger an die erste Stelle setzt, Verantwortung übernimmt und klare Maßnahmen vorgibt, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten. Wir müssen für unser aller Sicherheit die Grenzen schließen, Illegale aufhalten und Asylstraftäter endlich abschieben.

Die illegale Masseneinwanderung kann nur durch eine freiheitlich geführte Bundesregierung gestoppt werden. Ja zu Asyl, wenn jemand um sein Leben fürchten muss! Ja, wir benötigen qualifizierte Zuwanderung, aber ein klares Nein zur illegalen Migration! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir benötigen echten Grenzschutz, endlich Sach- statt Geldleistungen und andere Maßnahmen aus dem freiheitlichen 23-Punkte-Maßnahmenpaket.


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Die ÖVP-Kopiermaschine ist eh schon öfters angesprochen worden. Jetzt, vor den Wahlen, wird auf einmal wieder versucht, die Österreicher zu täuschen. Ich glaube aber, ein zweites Mal wird das nicht gelingen.

Die Maßnahmen, die im 23-Punkte-Programm enthalten sind, würden Öster­reich als Zielland für illegale Asylmigranten nicht mehr attraktiv machen, ganz im Gegensatz zur ÖVP-Showpolitik. Es gibt nur harte Worte – die haben wir heute wieder vom Innenminister gehört –, aber keine Taten.

Es geht nicht darum, illegale Migration besser zu verwalten, sondern zu verhindern. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die EU hat ein völlig dysfunktionales Asylrecht mit massiven negativen Auswirkungen auf Österreich, das jedem auf der Welt ermöglicht, einzureisen und einen Asylantrag bei uns zu stellen. Daher wird dieses Asylrecht seit Langem missbraucht, um auch ganz ohne Schutzbedürfnisse einzuwandern.

Es braucht daher umgehend eine politische Wende in der EU und in Österreich. Strafen wir die schwarz-grüne Politik bei den kommenden Wahlen ab! Am 9. Juni gibt es diese Möglichkeit bei der EU-Wahl und vermutlich am 29. Septem­ber bei der Nationalratswahl.

Die FPÖ ist ein Sicherheitsgarant für Österreich und wird für Ordnung im Asyl- und Migrationswesen sorgen.

Wir vergessen nicht, was die Regierung der Bevölkerung angetan hat, vor allem mit den Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte in der Corona­zeit, mit der – unter Anführungszeichen – „Impfpflicht“. (Widerspruch bei ÖVP und Grünen.) – Ja, das könnt ihr schon machen, aber es ist so.

Daher, geschätzte Österreicher und Österreicherinnen, laden wir Sie ein: Gehen Sie mit Herbert Kickl und mit uns gemeinsam den Weg in eine bessere Zukunft Österreichs! (Beifall bei der FPÖ.)

18.09



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Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


18.09.42

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt haben wir ja schon ganz viel gehört, und ich möchte an der Stelle auch sagen – der Minister hat es erwähnt –, 112 000 Asylverfahren mit gutem Rechtsstatus durchzuführen ist nicht trivial. Ich habe selbst lange Jahre im Erstaufnahmezentrum gearbeitet. Dafür, dass wir das mit einem so hohen Standard geschafft haben, gebührt auch von meiner Seite sowohl den Polizist:innen als auch den Beamten des BFA und den Gerich­ten höchste Anerkennung, weil das wirklich nicht einfach ist und in Österreich auf höchstem Niveau gemacht wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Als ich vorgestern die OTS in Bezug auf die heutige Dringliche Anfrage gelesen habe, war ich schon etwas erstaunt, wusste aber noch nicht genau, in welche Richtung das gehen würde. Als ich mir das dann heute Morgen genau durch­gelesen habe, war ich doch ein bisschen erstaunt über diese spezielle Dringliche Anfrage der SPÖ Burgenland. Noch erstaunter war ich, als Kollegin Gerdenitsch geredet hat, über ihre Tonalität.

Was mich auch irritiert hat – und vielleicht habe ich das falsch verstanden, weil es ja doch nicht ganz leise im Saal war –, war, dass es sich für mich so angehört hat, als ob es Menschen, die Asyl oder einen Bleibestatus erhalten haben, nicht gestattet sein soll, hier zu bleiben. Das fand ich schon etwas - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, es wurde von gut integrierten Familien geredet, die nicht abgeschoben werden sollen, das habe ich gehört, aber vielleicht schauen wir uns das noch einmal im Protokoll an. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich habe ja eingeräumt: Vielleicht habe ich es nicht richtig verstanden. Aber von der gesam­ten Tonalität hat mich das doch sehr irritiert.


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Es ist ja auch tatsächlich so: Schlepperkriminalität betrifft nicht nur das Burgenland, sondern sie ist ein gesamtösterreichisches, ein EU-weites Problem und auch ein globales Thema. Organisierte Schlepperei ist massive Krimi­nalität, eine nicht versiegende Geldquelle, und sie verursacht natürlich in erster Linie unendlich viel Leid – sei es durch getötete Geflüchtete, und gar nicht zu reden vom organisierten Menschenhandel. Sie betrifft nicht nur die ungarisch-burgenländische Grenze, sondern auch Slowenien und die Steiermark, Italien, Kärnten und Tirol, Oberösterreich, Salzburg und Deutschland. Der Herr Minister hat es eben auch schon ausgeführt, dass es in diesen Bereichen zu Aufgriffen kommt.

Ich nenne dieses Beispiel, weil es den Kern des Problems zeigt. Als EU-Binnenland im Schengenraum dürfte Österreich eigentlich gar nicht in die Situation kommen. Es greift nämlich grundsätzlich bei jedem in Österreich gestellten Asylantrag die derzeit geltende Dublin-Verordnung, die die Asylverfahrenszuständigkeit nach Erstankunftsland und speziellen Kriterien regelt. Wird nämlich nach Asylantragstellung in Österreich festgestellt, dass gemäß bestimmter Kriterien ein anderes EU-Land zuständig ist, werden Asylwerber:innen meistens in dieses EU-Land überstellt, um dort das entsprechende Asylverfahren zu bekommen. Nun ist es aber so, dass Ungarn schon vor längerer Zeit aus diesem System ausgestiegen ist. Faktisch ist es überhaupt nicht mehr möglich, in Ungarn einen Asylantrag zu stellen (Bundesrätin Schumann: Genau, genau!), und das verstößt ganz klar gegen geltendes EU-Recht. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: ... mit dem Herrn Orbán hin!)

Dazu gibt es auch schon seit dem Jahr 2020 ein Urteil des EuGH. Die Folge dieses EU-rechtswidrigen Verhaltens ist unter anderem, dass Frontex von der aktiven Grenzsicherung in Ungarn abgezogen wurde, weil es nicht EU-rechtskonform ist, in einem EU-Staat Handlungen zu unterstützen, die dem EU-Recht entgegenlaufen. Um Ungarn dennoch bei der Grenzsicherung zu unterstützen, wurden seitens Österreichs – Sie, Herr Minister, haben die Zahlen


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genannt – Polizeibeamte nach Ungarn entsandt. Aufgegriffene Personen, seien es nun Schlepper oder Geflüchtete, werden den ungarischen Behörden übergeben – aber was passiert dann? Wir haben es heute schon gehört: Das liegt nicht mehr in unserem Kompetenzbereich, was die ungarischen Behörden dann mit diesen Personen machen. Es ist tatsächlich nicht so, dass Schlepper oder Schutzsuchende von den ungarischen Behörden mit entsprechenden Verfahren bedacht werden, sondern sie werden in der Realität, ich sage das jetzt mal ganz salopp, auf die Weiterreise geschickt. Das ist schon ein wichtiger Punkt, über den man immer wieder reden muss: Wie können wir verhindern, dass sich Ungarn weiterhin EU-rechtswidrig verhält?

Das Ganze ist ja auch dahin gehend zu beleuchten, dass eben, obwohl es offensichtlich ist, dass Ungarn im Rahmen der Dublin-Verordnung für die Führung eines Asylverfahrens zuständig wäre, keine Dublin-Rücküberstellungen nach Ungarn möglich sind und nun all diese Verfahren tatsächlich, sofern die Menschen sich nicht entziehen, in Österreich geführt werden müssen. Die Frage stellt sich auch bei der Operation Fox, weil dort genau dasselbe passiert: Die Menschen, die Schlepper werden aufgegriffen, und wenn es nicht schon einen Straftatbestand für den Schlepper in Österreich gibt, dass er hier ein Verfahren bekommt, wird er den ungarischen Behörden übergeben. Dann kommt es wiederum nicht zu einem Verfahren.

Ganz kurz vielleicht noch zu den Kolleg:innen von der SPÖ, weil ich in der Dringlichen Anfrage auch die Forderung nach mehr Kontrolle und mehr Personal gelesen habe: Das läuft für mich darauf hinaus, die Grenze noch mehr zu militarisieren, aber wir haben heute auch schon gehört, wie viel gemacht wird. (Heiterkeit des Bundesrates Kovacs.) Kollegin Gerdenitsch hat es sogar gesagt: über 1 100 Aufgriffe. Hätten wir zu wenige Ressourcen, könnte es ja gar nicht zu diesen hohen Zahlen an Aufgriffen kommen, mit denen wir sicher im Spitzen­feld liegen.

Ich will aber nicht nur hier stehen und die Probleme beleuchten. Wir brauchen Lösungen; Lösungen, die an die Wurzel gehen, im Unionsrecht verankert sind


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und vor allen Dingen die Grundrechte hochhalten. Wir Grüne stehen in Österreich und in der EU für eine Asylpolitik im Gleichgewicht zwischen Menschenrechten, Humanität und Ordnung auf Grundlage – und das ist ganz wichtig – der Genfer Flüchtlingskonvention. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Jene, die Schutz benötigen, müssen einen effektiven Zugang zu Asylverfahren haben, hier in Österreich und überall in der EU.

Was ganz wichtig und wesentlich ist: Wir brauchen den Ausbau legaler Fluchtwege. Insbesondere ist da auch Resettlement zu nennen (Beifall bei den Grünen), denn schlussendlich ist das aus unserer Sicht der effektivste Weg, um Schlepperei und Menschenhandel zu bekämpfen.

Vielleicht eine Anmerkung, weil ich mich schon so lange mit der Thematik beschäftige: Bis 2001 hat es zum Beispiel die Möglichkeit der Botschafts­asyl­antragstellung gegeben, die seitdem nicht mehr möglich ist. Da mussten die Leute nicht vorher in die EU oder nach Österreich kommen, das war von außer­halb möglich. Flucht darf nämlich auf keinen Fall bedeuten, sich einer noch größeren Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, um eben sein Leben, das vorher schon in Gefahr war, schlussendlich zu retten. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist insbesondere – und das ist auch wichtig und wesentlich – für vulnerable Personengruppen wie Frauen und Kinder von allergrößter Bedeutung. Es wurden heute schon Zahlen genannt, diese Zahl wurde aber noch nicht genannt: Im Jahr 2023 ertranken mindestens 2 797 Menschen im Mittelmeer, die gezählt wurden. Seit dem Jahr 2014 sind bis zum heutigen Zeitpunkt fast 30 000 geflüchtete Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen. (Heiterkeit des Bundesrates Kovacs. – Bundesrat Schreuder: Da lacht er, der Herr Kovacs!)

Abschließend möchte ich noch zwei Dinge sagen: Wir müssen endlich kon­sequent von allen EU-Mitgliedstaaten einfordern, dass sie sich an die geltenden Regeln im Bereich Asyl- und Migrationsrecht halten und die entsprechenden Aufnahmebedingungen und Verfahrensgarantie für Schutzsuchende schaffen.


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Wir müssen klar und deutlich auf allen Ebenen Rechtstaatlichkeit und solidarische Übernahme der Verantwortung einfordern.

Ein letzter Satz zur Erinnerung: Das EU-Primärrecht sieht auch Sanktionsmög­lichkeiten für EU-Mitgliedstaaten vor, die die gemeinsamen Aufnahmestandards nicht einhalten und daher Quelle von Sekundärmigration nach Österreich sind. In diese Richtung sollten wir handeln! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

18.19


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Dominik Reisinger. – Ich erteile ihm dieses.


18.19.18

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Innenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Wort noch zur Rede des Bundesrates Zauner: Herr Kollege, es ist ja selbstverständlich und auch verständlich, dass Sie hier sozusagen mit einem verbalen Rundumschlag zur Verteidigung der höchsten ÖVP-Repräsentanten aus Niederösterreich ausrücken müssen. Sie werden dafür bezahlt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Zauner: Ich mach es auch gerne!) Das versteht ein jeder. Zum Inhalt: Diese Rede wäre nicht einmal für den politischen Aschermittwoch geeignet, sie wäre besser am Faschingsdienstag angesiedelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt aber zu dem wichtigeren Thema, nämlich der Dringlichen Anfrage: Es ist ein bisschen erstaunlich, dass Sie, sehr geehrter Herr Minister, in der Beantwortung in Ihre Ausführungen aus meiner Sicht relativ wenig Realitätssinn hineingepackt haben. Ich sage auch warum: weil alle vom Problem der Schlepperkriminalität wissen. Noch einmal, damit es auch die Grünen verstehen: Wir reden heute von Schlepperkriminalität und nicht von Migration oder Integration. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn man diese authentischen und eigentlich alarmierenden Schilderungen der Kollegin und des Kollegen aus dem Burgenland hört und dann Ihren Ausfüh­rungen lauscht, hat man so das Gefühl, man redet hier von zwei verschiedenen Welten. (Bundesrat Himmer: So weit sind wir uns einig!) Fakt ist, das möchte ich noch einmal unterstreichen, dass das Burgenland massiv von Schlepper­krimi­nalität betroffen ist.

Es gab, ich werde keine Zahlen mehr wiederholen, Hunderte Verhaftungen, zig gefährliche Situationen, durchbrochene Straßensperren – alles gesagt. Das Wichtigste, und das wird aus meiner Sicht hier in der Debatte vergessen: Die Menschen, die dort wohnen, dort leben, vor allem in Grenznähe, haben Sorgen und Ängste, und das berechtigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Sorgen und Ängste sollten wir, glaube ich, ernst nehmen. Da ist es gut, Herr Minister, wenn Sie oft ins Burgenland fahren, aber mit Ihrer Anwesenheit nimmt man den Menschen, so glaube ich, keine Ängste. Es wäre besser, wenn Sie mehr Polizeikräfte ins Burgenland schicken würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit bin ich schon bei der zweiten leidtragenden Gruppe. Das sind die Sicher­heitskräfte, Polizei und Bundesheer, die eben in diesen Wochen und Monaten überproportionalen Gefährdungen ausgesetzt sind und einen enormen Arbeitsaufwand abzuarbeiten haben. Sie werden regelrecht erdrückt. Da ich selbst Polizist bin – Sie haben es erwähnt –, kenne ich natürlich die Schilderungen der Kolleginnen und Kollegen. Es ist keine einfache Sache und keine Angelegenheit, die man nicht ernst nehmen kann. Es braucht dringend Abhilfe, es braucht dringend Unterstützung.

Die wichtigste Frage ist: Wie kann man diese Situation entschärfen, wie kann man für Abmilderung sorgen? – Zum einen, es wurde vom Kollegen Kovacs schon angesprochen, braucht es eigentlich jetzt ganz kurzfristige Sofortmaß­nahmen, um der Schlepperkriminalität Herr zu werden. Das ginge ganz einfach, wenn man Polizeikräfte und die Kräfte des Bundesheeres aufstocken würde. Das bringt mehr Schlagkraft, verbesserte Rahmenbedingungen, es sorgt für die


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notwendige Entlastung der Sicherheitskräfte und es würde auch mehr Sicher­heitsgefühl für die Bevölkerung bringen. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Zauner.)

Zum anderen muss man das große Ganze ins Zentrum rücken, und – es wurde schon erwähnt – damit meinen wir, damit meine ich den EU-Asyl- und Migrationspakt; denn nur dieser Solidaritätsmechanismus, der vorsehen würde, dass man die Asylanträge gerecht auf die Staaten aufteilt, kann Abhilfe in der Flüchtlingsbewegung in Europa bringen. Jeder, der in dieser so wichtigen Thematik nur einfache Antworten anbietet oder glaubt, Zäune oder eine Festung Europa wären die Lösung, spielt ganz klar mit dem Feuer und hat in Wirklichkeit nicht die geringste Absicht, ernsthaft und verantwortungsvoll an diese große Herausforderung heranzugehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Minister! Lösungen, das haben Sie heute auch erwähnt, sind in erster Linie auf europäischer Ebene zu suchen. Sie und der Herr Bundes­kanzler sind eben schlecht beraten, wenn Sie sich an Viktor Orbán orientieren und mit einem quasi Handschlag – es gibt ja Fotos – einen Pakt, wie immer dieser auch aussieht, besiegeln.

Ich darf nur daran erinnern, dass es Orbán war, der vor knapp einem Jahr rund 1 500, 1600 Strafgefangene, Schlepper, Kriminelle, freiließ und sie in alle Himmelsrichtungen verteilte. Deshalb kann es nur eine Antwort darauf geben: Orbán kann nie die Lösung sein. Er ist das Problem. Sie wären besser beraten, wenn Sie sich an die verlässlichen und konstruktiven Verbündeten in Europa wenden und mit aller Kraft – da gebe ich Ihnen Recht – für den EU-Migrations­pakt kämpfen und sich dafür einsetzen würden. (Bundesrat Buchmann: Macht er eh!)

Wir haben das kurz und grob überschlagen: Hätten wir diesen Migrationspakt und hätten wir diese gerechte Verteilung auf europäischer Ebene, dann hätten wir 2023, also im vergangenen Jahr, statt 58 000 Asylanträgen nur 16 000 Asyl­anträge gehabt.


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Abschließend also: Sehr geehrter Herr Minister! Liebe ÖVP! Sie stellen seit über 20 Jahren die Innenminister (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Den Kickl hat es auch gegeben!) oder die Innenministerinnen – mit einer kurzen Kickl-Unterbrechung, ja das stimmt –, ganz klar sind Sie es, die da in der Verantwortung sind. Es wäre sehr, sehr schön, wenn Sie dieser auch gerecht werden. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.26


Präsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. – Bitte.


18.26.56

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es ist ja heute hier schon einmal ausgeführt worden: Dem SPÖ-Vorsitzenden ist es wurscht, wo die Asylverfahren stattfinden; dem SPÖ-Vorsitzenden ist es auch wurscht, wenn die SPÖ Burgenland hier eine Dringliche Anfrage stellt; deswegen unterschreibt er diese Dringliche Anfrage auch nicht und deswegen setzt er auch sein Schweige­gelübde fort und nimmt hier an keiner Diskussion teil.

Dem SPÖ-Vorsitzenden ist es eigentlich auch wurscht, wie im parlamentarischen Raum die Koordination zwischen Nationalrat und Bundesrat stattfindet. Da er ja immerhin die schmucke Bezeichnung eines Klubobmanns führt, könnte es ihn ja eigentlich gerade noch interessieren, dass man entsprechend koordiniert, wenn ein EU-Ausschuss des Nationalrates stattfindet und der Innenminister dort erbeten ist. Der Innenminister kann sich bei bestem Willen nicht zweiteilen und an zwei Orten zur selben Zeit anwesend sein, auch wenn sie im selben Gebäude sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Zwischen­ruf der Bundesrätin Grimling.)

Ich glaube, das Konstruktive, das diese Anfrage der SPÖ Burgenland hier aufgezeigt hat, ist, dass wir uns in einem Punkt schon alle einig sind: Unabhängig


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von den Formulierungen und unabhängig von den Schuldzuweisungen und unabhängig von den zum Teil skurrilen Ausführungen (Bundesrätin Grimling: Das macht ja ihr!), wie dass da jetzt nichts parteipolitisch thematisiert werden sollte, ist es Tatsache, dass ein Problem angesprochen wird – und in dem Punkt ist Kollegen Kovacs ja auch zu danken –, das ein wirklich ernsthaftes Problem ist. Ich glaube, wir sind uns einig, dass es da um eine Thematik geht, die uns nicht gleichgültig ist.

Auch der Teil mit den Zahlen und Fakten, der in der Anfrage beschrieben ist – was das für die Menschen im Burgenland bedeutet, was das in den betroffenen Bezirken bedeutet, was das für das Sicherheitsgefühl der Menschen bedeutet, die unmittelbar betroffen sind –, soll all jenen ins Stammbuch geschrieben sein, die sich zu dieser Thematik in Romantik verfangen und schöne Sprüche loswerden und meinen, dass eigentlich das Asylthema eines ist, das man mit mehr Zuwendung bewerkstelligen kann, und abstreiten, dass es einfach der Fall ist, dass wir als Europäer auch klare Grenzen ziehen müssen.

Ich glaube, das ist ja sogar in dem Antrag drinnen gestanden, dass es nur eine internationale Lösung geben kann. Also ich glaube, wir alle sind uns darin einig, dass klar ist, dass eine Europäische Union nur dann Bestand haben kann, wenn sie auch in der Lage ist, ihre Außengrenzen zu schützen.

Ich verstehe alle Menschen in diesem Land, die ungeduldig sind ob des Umstan­des, dass sie diese Formulierung, dass wir robuste Außengrenzen brauchen, in der EU schon oft gehört haben, aber noch nicht sehen, wie das auch wirklich konsequent zur Umsetzung gebracht wird. Gerade in diesem Zusammenhang möchte ich schon auf die politische Haltung unseres Bundeskanzlers und auch auf die des Innenministers hinweisen, für die sie – by the way – auch von vielen Medien und natürlich insbesondere von den Mainstreammedien nicht schlecht gescholten worden sind: ob man das denn überhaupt darf, nämlich eine andere Meinung haben, was die Schengenerweiterung betrifft. Ich glaube jedoch, dass wir in einer Debatte, wenn wir sie hier führen würden, uns auch alle einig wären


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darin, dass Schengen nicht funktioniert, schlicht nicht funktioniert. Sie sind da also vorangeschritten.

Zusammenfassend sehe ich an dieser Debatte positiv: Wir sind uns alle einig, dass es nur gemeinsam gehen kann, dass wir eine gemeinsame europäische Lösung brauchen, dass wir als Österreich eine starke Stimme brauchen. Und bei all den unterschiedlichen Meinungen: Der Beitrag, den wir als Parlamentarier leisten können, ist, dass wir hier auch die Stimme Österreichs entsprechend unterstützen und diesen Weg konsequent fortsetzen, dass wir als Österreicher mit konstruktiven Vorschlägen in die Sicherheitsdebatte hineingehen und gemeinsam dafür sorgen, dass die EU-Außengrenzen in Zukunft so geschützt werden, wie wir es uns insgesamt als Ziel schon seit längerer Zeit vornehmen und wofür auch beim letzten Gipfeltreffen wieder entscheidende Schritte gesetzt werden konnten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

18.32


Präsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses.


18.32.34

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, aber das - - (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen. – Rufe bei ÖVP und Grünen: Nein!) – Nein, ihr werdet es noch sehen, ich habe ein so cooles Foto gefunden, das zu dem ganzen Ablauf dieser heutigen Dringlichen passt. Deswegen musste ich herausgehen, denn ich will euch das nicht vorenthalten, und ich habe mir natürlich auch überlegt, was ich dazu noch sagen werde.

Es tut mir leid, Herr Minister, aber andererseits ist es eh gut, so haben Sie wieder einmal einen parlamentarischen Tag. Sie waren ja im Niederösterreichischen Landtag Parlamentarier, jetzt sind Sie seit einiger Zeit Minister, und heute kön­nen Sie wieder einmal ein bissl länger Parlamentarierluft schnuppern.


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Warum sage ich das jetzt zum Herrn Minister? – Für den Herrn Minister war das heute kein so ganz einfacher Tag, weil man sich ja darauf geeinigt hatte, also die Nationalratsklubs im Parlament hatten sich darauf geeinigt – ich glaube, das war eine Allparteieneinigung (Bundesminister Karner nickt) –, dass der Herr Minister heute im EU-Unterausschuss des Nationalrates anwesend sein soll und zu seinen vier oder fünf Punkten dem Nationalrat Rede und Antwort stehen soll. – So weit, so gut.

Das hat er also gemacht, der brave Herr Minister ging dorthin, hat aber natürlich nicht damit gerechnet und konnte auch nicht damit rechnen, dass die SPÖ nicht mit der SPÖ spricht (Heiterkeit bei der SPÖ); also sprich, dass Parteiobmann Babler nicht mit Klubobmann Babler redet und dass Klubobmann Babler nicht mit dem geschäftsführenden Klubobmann, dem Zappel-Philip, redet. (Bundes­rätin Schumann: Mit wem?)

Sie haben also anscheinend nicht nur Probleme mit Excel, Sie haben auch massive Kommunikationsprobleme (Bundesrätin Schumann: Ordnungsruf!): Babler und Babler. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Frau Präsidentin, Ordnungsruf! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das muss man einmal schaffen! (Präsidentin Göll gibt das Glockenzeichen. – Bundesrätin Schumann: Frau Präsi­dentin!)

Diese Partei schafft es nicht, dass sich Babler mit Babler austauscht, also Klub­obmann Babler sich mit Bundesrat Babler austauscht. Babler als Klubobmann des Parlamentsklubs will den Herrn Minister im Ausschuss sitzen haben, zeitgleich will ihn aber Bundesrat Babler hier bei uns im Bundesrat sitzen haben. Ich weiß schon, die ÖVP ist eine Zauberpartei, aber so weit ist sie noch nicht, dass sich der Herr Minister in zwei Teile teilen kann. Also das geht sich auch bei der ÖVP nicht aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese SPÖ stellt allen Ernstes den Anspruch, dieses Land zu regieren, das muss man sich einmal vorstellen!


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Es werden sich jetzt – wir haben ja dann die Sitzung des Bundesrates für einige Zeit unterbrechen müssen – wahrscheinlich auch alle Mitarbeiter hier im Haus – ob das die Mitarbeiter im Sicherheitsbereich sind, ob das die Parlamentsmit­arbeiter sind, die Stenografen – bei der SPÖ bedanken, dass sie vier Stunden länger arbeiten müssen. Da verstehe ich aber eines nicht: Tritt nicht der Marxist Babler für die 32-Stunden-Woche ein? Also wie geht das damit einher, dass die Parlamentsmitarbeiter jetzt Überstunden machen müssen – wegen dem Babler, weil er nicht mit dem Babler redet (Zwischenruf bei der SPÖ) – und im Gegenzug aber die 32-Stunden-Woche gefordert wird? – Diese Partei stellt allen Ernstes den Anspruch, Österreich zu regieren! Seid mir nicht böse! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Im Übrigen – vielleicht schwenkt die Kamera einmal hin, Herr Babler sitzt normalerweise neben Kollegin Schumann – interessiert ihn die eigene Dringliche Anfrage aber seit einer Stunde auch nicht. (Bundesrätin Schumann: Der Herr Steiner ist permanent abwesend!) Er ist überhaupt schon weg, bei der Anfrage der eigenen Partei! (Bundesrätin Grimling: Wie oft bist denn du weg?)

Ich kenne mich nicht mehr aus: Man war als sozialistische Partei immer für ungezügelte, unbegrenzte illegale Migration. Man will Traiskirchen auf ganz Österreich umlegen. Jetzt plötzlich ist man aber für strikte Asylverfahren. – Als wir das gesagt haben, vor zwei, drei Monaten noch, waren wir die Nazis, die Faschisten – ich will all die Worte gar nicht erwähnen –, jetzt plötzlich ist die SPÖ jedoch für eine strikte Asylpolitik. (Bundesrätin Grimling: Nein!)

Er hat aber – und das war von der ÖVP eh schon super, dass sie das erwähnt hat – die eigene Dringliche nicht einmal unterschrieben. Wahrscheinlich ist das jetzt die Dringliche vom Heckenschützen aus dem Burgenland gewesen, der sich da wieder durchgesetzt hat, gemeinsam mit der Gewerkschaft.

Und jetzt weiß ich auch, warum Herr Babler wieder eine Arbeitsplatzgarantie für Langzeitarbeitslose will (Heiterkeit bei der FPÖ): Wenn sich der Burgenländer


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dann durchsetzt, wird es am Arbeitsplatz schwer vermittelbare Geschichten für den Herrn Kollegen Babler geben.

Jetzt komme ich zu dem, weshalb ich eigentlich herausgegangen bin: Ich frage mich ja, wer bei der SPÖ für die Bühnenbilder zuständig ist. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Redner:innenpult, auf der SPÖ-Vorsitzender Babler an einem Red­ner:in­nenpult stehend zu sehen ist, vor rotem Hintergrund mit der Aufschrift „Po[...]scher“ „HE[...]ITTW“.) – Wer findet den Fehler? Man muss zweimal hinschauen. Ganz oben, was steht da? Was steht da? (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Poscher!) – Ja. Also ich weiß jetzt nicht, wer bei der SPÖ für die Bühnenbilder zuständig ist, aber das ist gemein gegenüber einem Bundesparteiobmann, Klubobmann und Bundesrat dieser Republik, einen Parteiobmann dort hinzustellen.

Das unterstreicht aber die Vorgangsweise im Zusammenhang mit der Anfrage, wenn man solch ein Bühnenbild macht, bei dem der Parteivorsitzende am Aschermittwoch in Tracht so dasteht. Normalerweise geht die SPÖ ja nur im Fasching in Tracht. Was ihn da geritten hat, am Aschermittwoch die Tracht anzuziehen, weiß auch niemand. Es ist quasi friendly fire innerhalb der SPÖ; unter den Genossen sagt man wahrscheinlich: Freundschaft!-s-Feuer. (Bundesrätin Schumann: Oh, ein Schenkelklopfer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist schon bezeichnend, wenn solch eine Partei ernsthaft außerhalb des Faschings den Anspruch stellt, Österreich wirklich regieren zu wollen. Ich kann nur jeden davor warnen: Bitte, bitte, bewahrt uns davor, dass die SPÖ in der nächsten Zeit oder mit Babler an der Spitze jemals in die Versuchung kommt, in eine Regierung zu kommen. Wir haben es jetzt schon schlimm, bitte, liebe Österreicher, machen wir es uns mit Babler nicht noch schlimmer! (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Herrn Minister Karner noch – ich weiß, Sie haben heute schon einen längeren parlamentarischen Tag (Rufe bei der SPÖ: Wir auch!) –: Ich habe Ihnen heute genau zugehört, es war leider Gottes – und davor können Sie sich jetzt nicht


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feien – eine lupenreine Selbstanklage, die Sie hier heute hingelegt haben. Es war quasi ein kompletter Striptease Ihres Versagens in der Asylpolitik, das muss man so sagen. Und dann kommt – und das ist halt der uralte ÖVP-Sprech –: Wir brauchen eine europäische Lösung!

Jetzt seid mir nicht böse, glaubt ihr, dass das draußen niemand checkt? Seit 2015 reden wir von der europäischen Lösung, das sind jetzt dann bald zehn Jahre, und noch nichts ist passiert. Wenn sich ein angeblich konservativer Innenminister hierherstellt und sagt, der Migrationspakt sei super, dann hat er das Problem nicht erkannt. Herr Minister, der Migrationspakt ist nur eine Verteilung, das ist nicht die Problemlösung. Wir müssen doch das Problem an der Wurzel packen, nicht sagen: Der Migrationspakt ist super, denn wenn sie da sind, teilen wir sie halt gerecht auf Europa auf! – Es muss genug sein! Es ist in Europa genug, und in Österreich ist es schon längst genug.

Daher, Herr Minister, helfen wir Ihnen gerne wieder einmal auf die Sprünge: Es braucht eine Festung Österreich und einen Volkskanzler Herbert Kickl, und noch dazu endlich wieder einen freiheitlichen Innenminister, der wirklich weiß, was er tut, der Österreich auch schützen will und nicht nur davon redet. (Beifall bei der FPÖ.)

18.41


Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort?

Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Bitte.


18.42.20

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Kollege Steiner, ganz so kann ich das jetzt nicht stehen lassen, dass wir unbedingt wieder einen blauen Innenminister brauchen, denn die Bilanz des Herrn Kickl kennen wir: Das ist der zerschlagene Staatsschutz, das ist der blaue Teppich im Ministerium, das sind die Polizeipferde, die niemand


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gebraucht hat (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler), das war – wäre Herr Babler jetzt da, könnte er es wahrscheinlich bestätigen – eine Tafel in Traiskirchen. – Das ist die Bilanz des Herrn Kickl.

Einen Innenminister oder gar Kanzler (Bundesrat Steiner: Volkskanzler! Volks­kanzler!), der den politischen Mitbewerber auf Fahndungslisten schreibt, der Menschen mit Füßen treten will, brauchen wir in dieser Republik nicht. Der ist nur ein Sicherheitsrisiko. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Was? Was redest du denn für einen Scheiß?)

18.43


Präsidentin Margit Göll: Nächster Redner: Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte.


18.43.31

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Da ich voraussichtlich der letzte Redner zu dieser Dringlichen Anfrage sein werde, möchte ich mich bedanken, und zwar wirklich bei allen Fraktionen. Es hat sich nämlich heute gezeigt, wie wichtig dieses Thema ist. – Christoph, du hast gerade erwähnt, was in den letzten Jahren passiert ist, du hast aber leider nicht erwähnt, was das für die Menschen bedeutet. Ich habe es am Anfang meiner Rede gesagt: Viele Tote, viele Schwerverletzte, viele Menschen, die darunter leiden. Die Bevölkerung leidet darunter, und deshalb war diese Dringliche Anfrage sehr wichtig.

Herr Minister, ich danke auch für die Antworten, die Sie bisher geliefert haben. Wir werden uns – natürlich auch im Burgenland – ganz genau ansehen, wie die Fragen beantwortet sind, und vielleicht müssen wir noch einmal nachhaken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.44


Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.


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18.44.34Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend „ÖVP-Grüne Bundesregierung als Pendlerschreck durch Verteuerung des Individualverkehrs und Missmanagement des öffent­lichen Verkehrs“ (4152/J-BR/2024)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführer.

Ich darf noch einmal Frau Bundesminister Leonore Gewessler sehr herzlich hier im Bundesratssaal begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich erteile Herrn Bundesrat Markus Leinfellner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte sehr.


18.45.35

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Bun­des­minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ich glaube, es ist ja kein großes Geheimnis, dass wir Freiheitliche die Vergabe des Verkehrsministeriums an die Grünen von Beginn an eher kritisch gesehen haben, und es ist auch kein großes Geheimnis, dass diese grünen Chlorophyllmarxisten eine völlige Fehlbesetzung in diesem Ministerium sind. Das beweisen sie schlicht und ergreifend tagtäglich aufs Neue. Aus diesem Grund ist die Masse der Österreicher auch froh, dass dieser Leidensweg im heurigen Jahr endlich ein Ende finden wird. (Beifall bei der FPÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch wenn Sie sich jetzt noch fest aneinanderklammern: Der Wahltag kommt spätestens am 29. September. Das ist auch jener Tag, an dem dieses schwarz-grüne Schmierentheater endlich zu Ende ist. Das ist nämlich jener Tag, an dem unsere Österreicher fünf Jahre Totalversagen beurteilen werden, und ja, es ist auch jener Tag, an dem unsere Österreicher Ihre Politik, Ihre österreich­feindliche Belastungspolitik abwählen werden und Sie sprichwörtlich mit dem nassen Fetzen aus den Ministerien hinausjagen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

An ein paar Personen in dieser Bundesregierung werden sich unsere Öster­reicher aber noch lange erinnern, meine sehr geehrten Damen und Herren – und ja, es sind auch Sie eine von jenen, an die man sich noch lange erinnern wird. Frau Noch-Bundesminister Gewessler, Sie haben mit diesem Klimakommunis­musministerium tagtäglich neue Belastungspakete für unsere Österreicher ausgeheckt und Sie haben tagtäglich alles versucht, um unseren Österreichern das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man könnte ja meinen, dass unsere Ministerin, die vor einigen Jahren noch selbst am Baustellenkran bei diesem Gebäude herumgekraxelt ist, das Wohl und die Bedürfnisse der Österreicher einfach nicht kennt und dass ihr manche Dinge in diesem Ministerium einfach passieren, aber, Frau Bundesminister, diese Dinge passieren nicht einfach. Sie wissen – und das ist das Traurige dabei – ganz genau, was Sie tun. Sie wollen das! Sie wollen unseren Österreichern das Leben so schwer wie möglich machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie möchten nicht, dass sich unsere fleißig arbeitenden Österreicher ein Auto leisten können. Sie möchten nicht, dass sich unsere fleißigen Österreicher ein Eigenheim oder Eigentum leisten können. Und Sie möchten auch nicht, dass sich unsere fleißigen österreichischen Familien ihren wohlverdienten Sommerurlaub am Meer leisten können – ganz im Gegenteil, Sie haben als Bundesministerin der grünen Verbotspartei vier Jahre lang alles getan, um unseren Österreichern diese


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liebgewonnenen Gewohnheiten möglichst zu verunmöglichen, möchte ich fast sagen.

Auch die ÖVP kann ich da nicht ganz draußen lassen, denn ihr wart es, die das in den letzten vier Jahren ermöglicht haben. (Beifall bei der FPÖ.) Ich sage, dieser Amoklauf einer grünen Verkehrsministerin wird auch der ÖVP am nächsten Wahltag noch auf den Kopf fallen, weil sich unsere Österreicher am Wahltag ganz sicher noch an diese letzten Jahre Regierungswahnsinn erinnern können. Das erste Mal haben unsere Österreicher ja bereits am 9. Juni bei der EU-Wahl die Möglichkeit, da werdet ihr den gerechten Lohn für die letzten fünf Jahre oder die letzten vier Jahre Regierungsversagen bekommen, und spätestens im September ist es dann auch bei der Nationalratswahl so weit.

Liebe ÖVP, ich kann nur sagen: Duldung und Unterlassung war genau das, was ihr im Ministerrat gemacht habt. Durch Duldung und Unterlassung, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat dieser ganze Wahnsinn überhaupt stattfinden können. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Ergebnis dieser letzten Jahre ist ja nicht nur eine Verteuerung des Individualverkehrs, sondern schlicht und ergreifend auch ein Missmanagement im öffentlichen Verkehr. Das ist auch das Ergebnis Ihrer Arbeit der letzten vier Jahre, Frau Bundesminister. Sie haben mit der Einführung der CO2-Steuer eine 50-Liter-Tankfüllung bei einem Dieselfahrzeug um 6,75 Euro und bei einem Benzinfahrzeug um 6,15 Euro verteuert. Im Gegenzug dazu ist im öffentlichen Verkehr nichts zum Positiven weitergegangen.

Sie kommen ja selbst aus der Steiermark. Ich kann nur sagen, in meinem Heimatbezirk Graden bei Köflach fährt ein Bus am Tag um 6.53 Uhr und ein Bus um 14.41 Uhr von Graden nach Köflach. Damit man wieder zurückkommt, gibt es natürlich auch zwei Busse, nämlich um 13.50 Uhr und um 14.50 Uhr. Ich habe das so grob mitgerechnet, Frau Bundesminister: Es gibt keinen einzigen arbeitenden Menschen, der einen Achtstundenarbeitstag mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen könnte. (Beifall bei der FPÖ.)


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Es gibt ja aber noch den Klimabonus, Frau Bundesminister, einen Klimabonus, der nämlich teurer kommt, als das, was Sie mit einer CO2-Bepreisung einnehmen. Alle Bewohner von Graden bekommen 185 Euro ausbezahlt, weil sie ja zwei Verbindungen pro Tag haben. Der Höchstbetrag, meine sehr geehrten Damen und Herren – für die, die es schon vergessen haben –, nämlich für jene Gebiete oder jene Bewohner, die eine schlechte Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz haben, sind 220 Euro. In Krottendorf zum Beispiel, wo jede halbe Stunde ein Zug vorbeifährt, bekommt man 220 Euro, aber in Graden, wo man zwei Verkehrsmittel am Tag hat, bekommt man 185 Euro. Frau Bundesminister, da von einem Totalversagen zu sprechen ist nur recht. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das ist ein typisches Beispiel Ihrer völlig sinnbefreiten Politik. Sie ziehen den Menschen das Geld mit zwei Händen aus der Tasche heraus, schaffen es aber auf der anderen Seite nicht einmal, ihnen Almosen in die andere Tasche wieder hineinzustecken. Das ist Ihre Art von Entlastung, wie Sie sie seit vier Jahren betreiben.

Und wenn wir schon bei Be- und Entlastungen sind, Frau Bundesminister, dann muss ich als Steirer aber auch das Thema Ausbau der A 9 ansprechen – ein Thema, bei dem es jedem Steirer den Magen umdreht, seitdem Sie diese Ressort­führung übernommen haben. Sie wissen, bereits im Februar 2019 hat die Asfinag das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie veröffentlicht, und da haben viele Gemeinden und Wirtschaftstreibende aus der Region südlich von Graz aufge­atmet, weil die einzige Lösung ein dreispuriger Ausbau der A 9 gewesen ist. (Ruf bei den Grünen: Die Einzige?) – Na, Elektroautos können noch nicht fliegen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen! (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, Sie wissen, dass diese Regionen mit einem starken Bevöl­kerungswachstum und Gott sei Dank mit einem starken Wirtschafts­wachstum beschenkt sind. Dadurch entsteht aber natürlich mehr Verkehrsauf­kommen auf der A 9, mit dem jetzt nicht nur die Benutzer der A 9 zu kämpfen haben, sondern sämtliche Bewohner in den Gemeindegebieten Feldkirchen, Kalsdorf bis hinun­ter nach Wildon. Das ist Ihr Versagen, Frau Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)


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Sie haben genau dieses Projekt im November 2021 abgedreht. Und ja, dass unsere steirische Landesregierung bis August 2023 gebraucht hat, um in die Gänge zu kommen, zeigt zwar, dass wir Freiheitliche wieder die Vordenker waren (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann), ich kann aber im Vergleich zu Ihnen nur sagen, besser spät als nie, denn Sie sind bis heute noch nicht zu dieser Erkenntnis gekommen, obwohl seit August 2023 die zweite Machbarkeitsstudie vorliegt, die auch zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der dreispurige Ausbau die einzige Lösung ist.

Was steht als Ergebnis in dieser Machbarkeitsstudie drinnen? – Genau das, was die Bürger im Süden von Graz und die Pendler schon seit vielen Jahren wissen: Die A 9 ist überlastet und das führt zu einer Verlagerung des Verkehrs auf die parallel verlaufenden Landes- und Gemeindestraßen. Aufgrund der Tatsache, dass es sich aber auch um eine Transitroute handelt, wird der Schwerverkehr zukünftig auf dieser Strecke noch weiter zunehmen. Der geplante Ausbau im öffentlichen Verkehr mildert die Lage temporär, eine Überlastung bleibt jedoch weiterhin bestehen und nimmt zu. Der Ausbau der A 9 würde den Durchgangsverkehr zurück auf die Autobahn lenken und parallel verlaufende Landes- und Gemeindestraßen entlasten. – Das ist jetzt keine Erfindung von uns, Frau Bundesminister, das ist das Ergebnis von zwei unabhängigen Machbarkeitsstudien, die Sie seit vielen Jahren ignorieren, Frau Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin aber davon überzeugt, dass die Bewohner von Feldkirchen, von Kalsdorf, von Wildon und dem ganzen Grazer Süden diese Sturheit, diese Blockaden und diese Ignoranz bei der nächsten Wahl zu würdigen wissen. Ich gehe davon aus, Frau Bundesminister, dass Sie in diesen Gemeinden keine einzige Stimme bekommen. Das wird in vielen anderen Regionen nicht anders sein, aber im Süden von Graz, davon gehe ich einmal aus, werdet ihr kein Grundmandat machen – nennen wir es einmal so.

Frau Bundesminister, es geht aber noch weiter: Durch Ihre völlig absurde NoVA-Erhöhung ist bei Familienautos wie einem VW Sharan eine NoVA in der Höhe


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von 6 560 Euro zu entrichten. Vor einigen Jahren hat man dafür noch einen Kleinwagen gekriegt. Das ist das, was Sie in diesem Land mit Ihrer NoVA-Erhöhung angerichtet haben. Als Draufgabe, das hört man jetzt, aber dazu werden Sie ja noch Stellung nehmen, sind Sie oder ist Ihr Ministerium gerade mit der Abschaffung der Pendlerpauschale und des Dieselprivilegs beschäftigt. Ich sage, mit dieser autofeindlichen, ideologiegetriebenen grünen Politik bringen Sie unsere hart arbeitenden Österreicher und unsere Pendler, die tagtäglich auf das Auto angewiesen sind, zur Verzweiflung.

Sie sind auch für den öffentlichen Verkehr zuständig, deswegen auch der Titel dieser Anfrage. Wenn ich mir die Artikel der letzten Tage und Wochen in den Zeitungen durchlese, dann zeigt das schon ein ganz klares Bild von Ihren Erfolgen in der Verkehrspolitik in den letzten vier Jahren. Beginnend mit 12. Februar 2024 wurde für mehrere Wochen der Fahrplan in der Ostregion massiv eingeschränkt. Die ÖBB selbst schreiben: „Wir können derzeit die gewohnte ÖBB Qualität nicht einhalten, da uns Züge fehlen.“ – Da darf man schon fragen: Warum fehlen die Züge? – Ich würde einmal sagen, durch eine überhastete, übereifrige Einführung eines Klimatickets, bei der Sie schlicht und ergreifend darauf vergessen haben, Wartungsverträge abzuschließen, sodass die Züge rechtzeitig gewartet werden können.

Die ÖBB schreiben weiter:

„Um die gewohnte Zuverlässigkeit wiederherzustellen, werden wir unseren Fahrplan ab 12. Februar 2024 kurzfristig anpassen. Die Fahrplanänderungen sind schmerzhaft, allerdings sind wir davon überzeugt, dass ein reduziertes, dafür aber verlässliches Angebot die bessere Alternative ist.

Änderungen gibt es“ auch „auf der Nordwestbahn. Hier wird das Angebot an Werktagen [...] angepasst. [...] Züge der Linien S3 und R3 fallen aus.


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Auch auf der Franz-Josefs-Bahn kommt es zu Fahrplanänderungen. Zwischen St. Andrä-Wördern und Wien Franz-Josefs-Bahnhof werden einige Züge der Linie R40 nicht fahren. [...]

Auf dem niederösterreichischen Abschnitt der Südbahn fallen [...] Züge der Linien S3 bzw. R3 auf der Strecke zwischen Wr. Neustadt und Stockerau bzw. Korneuburg sowie zwischen Wien Floridsdorf und Wr. Neustadt [...] aus. [...]

Zwischen Wien – Wiener Neustadt – Deutschkreutz bzw. auf der Franz-Josefs-Bahn Richtung Gmünd werden vereinzelt Züge statt mit Doppelstock-Garnituren mit einstöckigen Garnituren geführt.

Diese Änderungen gelten jedenfalls bis Ostern [...]“.

Das ist Ihre Qualitätsverbesserung und Ihr besseres Angebot im Bereich des öffentlichen Verkehrs, Frau Bundesminister! Also das hat kein einziger Verkehrsminister vor Ihnen zusammengebracht, dass er den öffentlichen Verkehr noch weiter einschränkt.

Mir würde jetzt noch viel einfallen, nämlich etwa die Übernahme – man würde ja fast sagen: die feindliche Übernahme – unserer GKB mit einer Pünktlichkeit von mehr als 99 Prozent, was die ÖBB bis heute noch nicht zusammengebracht haben. Das aber würde jetzt wahrscheinlich sogar meine Redezeit für die Begrün­dung sprengen, Frau Bundesminister, deswegen bleiben wir beim aktuellen Thema: bei den Ausfällen der ÖBB.

Die Zeitung „Heute“ hat aber bereits am 21.12.2023 Alarm geschrien, nämlich mit den Worten: „Seit Wochen sorgen ausfallende Züge und massive Verspätungen für chaotische Zustände im Reiseverkehr. [...] Für Pendler, die auf Züge der ÖBB angewiesen sind, heißt es in Teilen Österreichs weiterhin geduldig sein.“ – Erklären Sie das einmal dem fleißigen Arbeiter und dem Firmen­chef, dass sie geduldig sein sollen, wenn man um halb neun statt um 7 Uhr kommt! Das wird in Österreich in unserer Arbeitswelt nicht funktionieren.


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Auch der, der - -, äh - - (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Der, der was?) – Na, wird schon kommen. Hör zu! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Tu ich ja!) Wird schon noch kommen.

Auch die Gewerkschaft Vida wirft Ihnen vor, dass Sie schlicht und ergreifend nicht in der Lage sind, für einen ordnungsgemäßen Betrieb zu sorgen. (Beifall bei der FPÖ.) Sie bezeichnet es als ÖBB-Versagen im Management. Wer ist zustän­dig für die ÖBB? – Sie, Frau Bundesminister! Ich glaube, jeder Österreicher hat inzwischen gesehen, dass das eine völlige Fehlbesetzung ist.

Dieses gesamte Chaos, ausgelöst durch eine verfehlte Vorausplanung, durch ein planloses Einführen eines Klimatickets – ich will ja nicht sagen, dass es schlecht ist, wohl aber dessen planlose Einführung ohne Wartungsverträge –, genau diese Zustände, die wir heute in diesem Land haben, haben Sie herbeigeführt, Frau Bundesminister!

Noch dazu wird das Klimaticket – weil es anscheinend nicht so gut angenommen wurde, wie Sie es erwartet haben – in Massen verschenkt. Na, da bin ich neu­gierig, wie teuer der Bahnkilometer in Zukunft für den österreichischen Steuer­zahler werden wird, wenn Sie es quer durch die Ministerien, vor allem in Ihrem Ministerium, verschenken.

Neben all dem Chaos im öffentlichen Verkehr, dem Stopp des Ausbaus von wichtigen Transitrouten, von wichtigen Autobahnen, von wichtigen Verbindungen, einer massiven Verteuerung des Individualverkehrs aus rein ideologischen Gründen muss die Frage schon noch erlaubt sein, Frau Bundesminister: Haben Sie sich vielleicht schon einmal darüber Gedanken gemacht, sich irgendwann beruflich umzuorientieren? – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.04


Präsidentin Margit Göll: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie inständig, wenn Sie in Ihrer Rede von anderen Personen sprechen, sie auch mit ihrem richtigen Namen zu erwähnen und so zu nennen. (Bundesrat Leinfellner:


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Wieso? Habe ich was verwechselt? Das würde mich aber jetzt interessieren, denn den Namen hab ich nicht verhunzt! – Bundesrat Steiner: Musst schon dazusagen, wer das war!) – Nein, das war natürlich richtig, aber bei der vorigen Rede (Bundesrat Leinfellner: Na, das musst du dazusagen! Er hat geredet!) hat Bundesrat Christoph Steiner statt Philip Kucher „Zappel-Philip“ gesagt. (Bundesrat Leinfellner: Das musst du dazusagen! Das musst du bitte dazusagen! Das war ja seine Rede! Bun­des­rat Steiner: Das ist eine halbe Stunde her! Das war vor einer halben Stunde! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte.


19.05.31

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Werte Zuseherinnen und Zuseher, ob Sie jetzt hier im Saal sind oder daheim vor den Bildschirmen! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, dass ich heute mit Ihnen über die Verkehrswende diskutieren kann, und ja, gerne auch über die Herausforderungen, vor denen wir aktuell stehen, denn Sie haben recht: Das ist eine große Aufgabe, das ist eine wichtige Aufgabe, es ist eine große Verantwortung für Politikerinnen und Politiker, wie Sie es sind, wie ich es bin.

Diese Verantwortung muss man auch wahrnehmen. Dazu gehören aber auch die Ehrlichkeit und der Mut zu einer faktenbasierten Debatte, und diesen Zugang vermisse ich in Ihrer Anfrage leider ein wenig, um es so auszudrücken. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Leinfellner: Na, das erklären Sie den ganzen Pendlern aus dem Osten!) Was Sie hier tun, ist geprägt von Unterstellungen und ist geprägt von dem Ziel, die Menschen in unserem Land zu verunsichern. Sie kennen die Antworten auf die Fragen teilweise sehr genau. Sie wissen daher auch, dass die Dinge, die Sie hier unterstellen, nicht richtig sind – und trotzdem tun Sie es, in der Hoffnung, dass am Ende etwas hängen bleibt. Das ist das Geschäftsmodell der Populisten: Sie wollen nur Probleme großreden (Bundesrat Leinfellner: Nein,


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die sind schon da! Wir sprechen sie nur an!), Sie wollen nicht nach Lösungen suchen. Sie wollen mit mir nicht darüber diskutieren, wie wir unser Verkehrssystem gut und zukunftsfähig weiterentwickeln. (Bundesrat Steiner: ... Bühne da!)

Sehr geehrte Damen und Herren, Stichwort Bühne: Die FPÖ nutzt jede Bühne für ihre Propaganda, so auch diese hier. Ich möchte mich aber auf dieses Spiel nicht einlassen (Bundesrat Leinfellner: Zu spät!), ich möchte dieses Land verbessern. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Weitere Rufe bei der FPÖ: Zu spät! Zu spät!) Ich möchte an die gute Zukunft in diesem Land glauben und daran arbeiten. Mir geht es nicht darum, Angst und Verunsicherung zu streuen (Ruf bei der FPÖ: Das passiert aber!), und ich werde Ihnen natürlich in gewohnter, ernsthafter Manier Ihre Fragen beantworten. Das ist meine Verpflichtung in einer parlamentarischen Demokratie.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch einen Wunsch äußern: Unsere Demokratie lebt von einer faktenbasierten Debatte, sie lebt vom wechselseitigen Respekt, sie lebt von einer wertschätzenden Auseinandersetzung. Wer von vornherein mit Unterstellungen und mit Unwahrheiten operiert, untergräbt dieses Fundament der Demokratie, und dagegen müssen wir uns auch zur Wehr setzen (Bundesrat Leinfellner: Ja, jetzt bin ich aber gespannt!), das können wir nicht einfach so hinnehmen. Tun wir das bitte alle gemeinsam! Darum bitte ich Sie als Staatsbürgerin dieses Landes. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Lassen Sie mich nun zur Beantwortung Ihrer Dringlichen Anfrage übergehen.

Zur Frage 1:

Die Entscheidung zur Reduktion der Zugsverbindungen ist eine Entscheidung der ÖBB-Personenverkehr AG, die darauf abzielt, unter den gegebenen einschränkenden Rahmenbedingungen, wie Lieferkettenverzögerungen bei Ersatzteilen und verspäteten Lieferungen von Neufahrzeugen, einer


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möglichst großen Fahrgastgruppe ein zuverlässiges und stabiles Angebot bereitstellen zu können und die negativen Auswirkungen der oben angeführten Faktoren möglichst zu verhindern. Die Grundlage für die Auswahl war – nach dieser haben Sie mich nämlich gefragt – geringstmögliche Kundinnen- und Kundenwirkung und der beste Effekt in der Instandhaltungszuführung und somit für die Werkstättenkapazitäten.

Zur Frage 2:

In einer durchschnittlichen Woche fallen 226 Züge – von insgesamt 13 400 Zügen – aus.

Zur Frage 3:

„Wie viele Pendler“ und Pendlerinnen „sind davon betroffen?“, war Ihre Frage 3 – ich erlaube mir, auch die weiblichen Pendler zu erwähnen –: Die ÖBB-Personenverkehr AG geht davon aus, dass rund 15 000 Personen in unter­schiedlicher Weise betroffen sind. Für 99 Prozent dieser Menschen, also für den überwiegenden Großteil, bedeutet dies, dass sie auf eine alternative Verbindung in zeitlicher Nähe – das heißt plus/minus 15 Minuten – ausweichen müssen. (Bundesrat Steiner: Schöne Grüße an den Nikolaus!)

Zu Ihrer Frage 4:

„Sind weitere Einschränkungen geplant?“ – Die ÖBB setzen alles daran, auch in der Ostregion Schritt für Schritt wieder ein wie gewohnt verlässliches, insgesamt zuverlässiges und qualitätsvolles Angebot sicherzustellen.

Zur Frage 5:

„Welche spezifischen Maßnahmen werden ergriffen[...]?“ – Es werden Zusatz­schichten eingeteilt und die Zertifizierung von neuen Lieferanten vorgenommen, um so die Lieferungen zu beschleunigen. Es wird die Instandhaltungspriorität für die Fahrzeuge des Nahverkehrs in der Region Ost erhöht, und es werden auch


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Fahrzeuge aus anderen Regionen in den Fuhrpark der Ostregion übernommen – mit Auslieferung der Neufahrzeuge, zum Beispiel in Tirol.

Zu Ihrer Frage 6:

„Wie wird sichergestellt, dass die Einschränkungen [...] bis Ostern aufgehoben werden können?“ – Die Auslastung der Wartungseinrichtungen wird auf die Behebung der derzeitigen Situation hin optimiert, Aufarbeitungsmaßnahmen bei Fahrzeugen werden priorisiert, die Lagerhaltung für Verschleißmaterialien wird langfristiger ausgerichtet und es werden auch Mehrleistungen und weitere Zuteilungen beim diesbezüglichen Wartungspersonal vorgenommen.

Zu den Fragen 7 und 8:

Gibt es auch andere Verkehrsbetriebe? – Sie wissen, die ÖBB sind das einzige Unternehmen, das flächendeckend Nahverkehrsleistungen in der Ostregion anbietet. Daher darf ich zur nächsten Frage kommen.

Zur Frage 9:

Die Gründe: Witterungsbedingte Ausfälle aufgrund der Schneefälle im Dezember, Lieferverzögerungen von bereits bestellten Zügen und eine anhaltende Lieferkettenproblematik führen für bestehendes Wagenmaterial dazu, dass es länger und intensiver eingesetzt werden muss. Das wiederum erhöht auch den Reparatur- und Instandhaltungsaufwand bei diesen Fahrzeugen.

Zur Frage 10:

Die Fahrzeugbeschaffungsprogramme, bei denen es bedauerlicherweise Ver­zö­gerungen gegeben hat – der Bahnbetrieb ist ein Netzbetrieb, jede Verzögerung wirkt sich im Gesamtsystem aus –, sind bereits seit Längerem im Laufen. In den nächsten Jahren werden rund 380 Neufahrzeuge angeschafft und schrittweise in den Bestand übernommen.


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Zu Ihrer Frage 11:

Nein ist die Antwort darauf. Die Bundesregierung bekennt sich im Einklang mit den internationalen und europäischen klimapolitischen Vereinbarungen dazu, bis 2040 den Zustand der Klimaneutralität zu erreichen. Die CO2-Bepreisung ist dazu eine notwendige Maßnahme. Wir haben aber mit dem Klimabonus, der progressiv wirkt, für alle Menschen in diesem Land die entsprechenden Schritte gesetzt, um die soziale Verträglichkeit dieser Bepreisung sicherzustellen. (Heiterkeit des Bundesrates Leinfellner.)

Zur Frage 12:

Ich werde mich dafür einsetzen, dass auch weiterhin emissionsfreie Familien­autos und auch emissionsfreie Kfz in KMUs von der NoVA komplett ausgenommen werden. Sie wissen, seit 1.7.2021 ist die NoVA stärker an den CO2-Ausstoß gekoppelt, wodurch sparsamere Autos billiger und Autos mit hohem Kraftstoffverbrauch teurer geworden sind. (Bundesrat Steiner: Was ist ein emissionsfreies Auto? – Bundesrat Schreuder: Das hast nicht gefragt!)

Zur Frage 13:

„Stimmt es, dass es in Ihrem Ministerium Planungen für einen autofreien Tag gibt?“ – Nein.

Zur Frage 14:

Es gibt in meinem Ressort keine Planungen für einen verpflichtenden autofreien Tag.

Zur Frage 15:

„Stimmt es, dass es in Ihrem Ministerium Planungen für flächendeckende Geschwindigkeitsbeschränkungen [...] gibt?“ – Nein.


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Zur Frage 16:

Wie zur Frage 15: Es gibt in meinem Ressort keine Planungen für flächen­deckende Geschwindigkeitsbeschränkungen. Es gäbe dafür auch keine parlamentarische Mehrheit, wie Sie wissen.

Zu den Fragen 17 und 18:

Eine Abschaffung des Pendlerpauschales ist seitens dieser Bundesregierung nicht geplant. Das habe ich auch bereits wiederholt öffentlich klargestellt. Im Regierungsprogramm ist dazu festgehalten: „Ökologisierung und Erhöhung der Treffsicherheit des Pendlerpauschales“. – Die Zuständigkeit für die weiteren Schritte liegt in diesem Bereich beim Finanzministerium.

Zu den Fragen 19 und 20:

Im Regierungsprogramm ist die „Bekämpfung des Tanktourismus sowie der Ausweich- und Umwegverkehre im internationalen Schwerverkehr durch Beseitigung von wettbewerbsverzerrenden Privilegien“ vereinbart. Durch die Einführung der CO2-Bepreisung ist dazu ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung bereits umgesetzt worden, aber auch da liegt die Ausgestaltung in der Zuständigkeit des Finanzministers.

Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.14


Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Wir gehen nun in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses.



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19.14.28

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Man hat jetzt gesehen, wie der Frau Ministerin der Parlamentarismus so richtig auf die Nerven geht. – So abschätzig und so abfällig, wie Sie hier gerade Ihre Anfragebeantwortung gemacht haben: Das haben wir in diesem Haus selten erlebt – nur zur Klarstellung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie stellen sich hierher und sagen im Eingangsstatement als – hoffentlich nicht mehr lange – Ministerin von oben herab: Alles, was die Parlamentarier hier herinnen fragen – es ist im Übrigen, da Sie ja nie Parlamentarierin waren, unser gutes Recht, Anfragen an Sie zu stellen (Bundesrätin Kittl: Das hat sie auch gesagt!) –, was wir von der Opposition hier mit unseren Fragen machen, sei Angstmache! – Ja, sagen Sie einmal: Wo waren Sie denn die letzten vier Jahre? Waren Sie im Ministerrat?! (Zwischenruf bei den Grünen.) Impfpflicht, Corona­diktatur, Maskenzwang – ich glaube, Sie haben mitgestimmt. Bei jeder einzelnen Schikane haben Sie, Frau Gewessler, mitgestimmt! (Beifall bei der FPÖ.) Sie haben auch noch von der Wahrheit geredet. Sie vertreten also die Hoheit der Wahrheit hier herinnen und wir von der Opposition lügen. (Bundesrätin Kittl: Das ist ein Blödsinn, eine Verdrehung der Tatsachen!)

Sie stellen sich auch hierher und beantworten die Fragen, lassen aber absichtlich Teile der Fragen weg, sodass Sie die Antwort so geben können, wie es Ihnen gerade passt, und deuten unsere Fragen, die wir ja schriftlich und nicht mündlich eingebracht haben, auch noch um. Diese Frechheit müssen wir hoffentlich nicht mehr lange ertragen, Frau Minister. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie besitzen auch diese Unverfrorenheit – Sie, ausgerechnet Sie, die Sie nur die Pendler mit zusätzlichen Steuern quälen, die Österreicher quälen, die eh schon nicht mehr wissen, wie sie sich das Leben leisten können –, uns zu erklären, dass Sie jetzt die Probleme lösen – eh nicht nur bei den ÖBB –, die wir ohne Sie erst gar nicht hätten. Sagen Sie einmal, was denn Sie für eine Ministerin sind! Sie können ja nicht Probleme schaffen und dann den Österreichern erklären, wie Sie


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die Probleme, die Sie selbst geschaffen haben, jetzt lösen. Sie kommen mir ja schon vor wie Kanzler Nehammer, der sich hinstellt und sagt: Wenn ich dann Kanzler bin, dann schaffe ich das Gendern ab! Mit einer linkslinken Regierung, mit nur noch 20 Prozent und einer linken Ampel schaffe ich dann das Gendern in Österreich ab, aber jetzt geht es nicht!

Frau Minister, seien Sie mir also nicht böse, das ist doch ein Wahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.) Frau Minister, spüren Sie das, merken Sie noch, was in diesem Land los ist? Merken Sie das Chaos bei den ÖBB? Kriegen Sie das mit? Legt Ihnen ein Mitarbeiter in der Früh die Presseartikel hin? Lesen Sie das? Wenn Sie ins Tablet schauen, poppt das bei Ihnen auf? Sie kriegen hoffentlich schon mit, was täglich auf den Bahnhöfen der ÖBB gerade los ist. Kriegen Sie das mit? Trägt Ihnen das jemand zu? (Bundesrätin Kittl: Wenn Sie bitte zur Sache kommen!)

Sie wissen also Bescheid. Das ist nicht nur bei den ÖBB so. Alles, was Sie anfassen, Frau Ministerin, endet auf kurz oder lang im völligen Chaos. (Bundes­rätin Kittl: Das stimmt doch gar nicht!) Wir haben – und ich warne jetzt schon davor; jetzt werdet ihr lachen – bald nahezu indische Verhältnisse bei den ÖBB. Kennt jemand die Videos indischer Züge auf Youtube? Wisst ihr, wo da überall die Leute sitzen, die drinnen keinen Platz mehr haben? Noch haben Sie ein Glück, Frau Minister, denn noch werden all jene, die Ihr tolles Klimaticket gekauft haben und eine Platzgarantie haben sollten, nur rausgeschmissen. Die setzen sich noch nicht aufs Dach des Zuges – aber vielleicht dann, wenn das so weitergeht, wenn Sie so weitermachen und Ihre völlig wahnwitzigen Geschichten weiterbetreiben.

Sie stellen sich auf einem Festival hin und reden den jungen Leuten ein, sie sollen sich so eine schiache Tätowierung mit dem Wort Klimaticket machen, damit sie das Klimaticket gratis kriegen. Frau Ministerin, auf welchem Trip sind Sie unterwegs? Wer berät Sie da? Ich kann ja nicht zu einem jungen Menschen sagen: Verschandle deine Haut mit dem Wort Klimaticket – das hat in zehn Jahren überhaupt keine Aussagekraft mehr und überhaupt keinen Bezug zu dem Menschen –, damit du ein gratis Ticket kriegst! – Wer berät Sie denn da? Das ist


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ja völlig verrückt, Frau Ministerin – um es einmal auf den Punkt zu bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sind, und diesen Titel haben Sie sich völlig zu Recht verdient, die oberste Klimakommunistin in diesem Land. (Oh-Rufe bei den Grünen – Bundesrätin Kittl: Sachlich ...!) Seit die ÖVP Sie leider Gottes schalten und walten lässt, ist in diesem Österreich für unsere österreichische Bevölkerung alles beschwerlicher, alles zeitaufwendiger und – das Schlimmste – alles viel teurer geworden.

Heizen und Energie sind teurer, und dafür brauchen wir aber immer noch, Frau Gewessler, zu 98 Prozent russisches Gas (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Huber und Kittl), wobei Sie uns vor einem Jahr erklärt haben: Wir müssen raus aus der Abhängigkeit, wir müssen jetzt die Verträge kündigen! – Was passiert? – Alles Schall und Rauch. Ich sage da ganz ehrlich: Gott sei Dank haben wir noch Liefer­verträge mit Russland (Zwischenruf der Bundesrätin Huber), weil sonst der Preis wahrscheinlich noch weiter in die Höhe gehen – explodieren – würde! Dann fahren wir in arabische Länder oder sonst wohin (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl), zu den Saudis, und holen das Gas von dort, Frau Gewessler, wo es freitags noch Steinigungen von Frauen gibt. Das ist Ihre verrückte Klimapolitik und Ihre Frauenpolitik. (Beifall bei der FPÖ.) Das geht ja, wie man bei uns in Tirol sagt, auf keine Kuhhaut mehr.

Frau Gewessler, Sie quälen die arbeitende Bevölkerung, ob das bei der ÖBB ist, ob das im Individualverkehr ist. Der CO2-Preis ist eine bodenlose Frechheit. Das ist eine Augenauswischerei. Jetzt erklär’ mir mal einer, wie der Österreicher, der an der Zapfsäule dann plötzlich 18,20 Euro mehr zu zahlen hat, mit dieser Abgabe in Österreich das Klima in der Welt rettet! – Das haben Sie noch nie geschafft und das werden Sie auch nicht schaffen.

NoVA-Erhöhung: Da spreche ich jetzt nicht vom Familienauto – davon spreche ich gar nicht –, sondern ich spreche von einem ganz kleinen Auto, das halt jemand kauft, damit er arbeiten fahren kann, von A nach B, das keinen Luxus hat,


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nichts. Da gibt es eine NoVA-Erhöhung von satten 300 Euro – ich spreche jetzt nicht von den 6 540 Euro bei einem Familienauto.

Dann schreibt mir zufälligerweise gestern Abend ein Versicherungsvertreter. Er schreibt: Klein- und Mittelbetriebe können aufgrund der hohen NoVA und der Motorsteuer jetzt plötzlich die Versicherungsprämien nicht mehr zahlen. Das liegt nicht am Prämienanteil. – Ja, da kann (in Richtung Bundesrat Gross) der Kollege von den Grünen aus Vorarlberg schon lachen, denn der hat ein gutes Salär. Er war Klubobmann im Landtag in Vorarlberg, dann hat ihn das Land Vorarlberg auch noch angestellt, und als Dankeschön ist er bis zur Pension noch in den Bundesrat gekommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Huber.) Er lacht, wenn sich ein KMU die Versicherungsprämie für das Dienstauto nicht mehr leisten kann. – Geh, schäm dich! Schäm dich in Grund und Boden! (Beifall bei der FPÖ.)

Und was machen wir damit? Was passiert jetzt? Der kann sich nicht einmal mehr die Versicherungsprämie leisten. Das heißt, ihr macht die Klein- und Mittel­betriebe mit eurer völlig marxistischen Klimapolitik kaputt. Mit eurer linkslinken, ideologischen Ministerin vernichtet ihr Arbeitsplätze und ihr macht – das kommt ja noch on top dazu – mit eurer Steuer auch noch alle Produkte in den Regalen doppelt so teuer.

Zum Klimaticket: Diese Einführung, Frau Minister, kann man gut finden, kann man beurteilen, wie man will. Zur Einführung selber sei aber schon noch etwas gesagt. Man kann ja nicht zu einem Betrieb hingehen, ob das jetzt die ÖBB oder wer auch immer ist, und sagen: Ich mache das jetzt so günstig (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl), dass ihr überlaufen werdet!, und ist es völlig wurscht – völlig wurscht –, ob der Besitzer eines solchen Tickets noch einen Platz im Zug hat oder nicht. Hauptsache, ich vermarkte das toll und sage: Jetzt kann jeder toll mit dem Zug fahren! – Frau Ministerin, dieses Klimaticket, die Einführung dieses Klimatickets (Widerspruch der Bundesrätin Kittl) war von vorne bis hinten ein Murks. (Beifall bei der FPÖ.)


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Es ist leider so, dass Österreich mit dieser Regierung in den letzten viereinhalb Jahren von A bis Z nur Probleme hat – nur Probleme. Deshalb habe ich Sie, Frau Ministerin, am Anfang auch gefragt, ob Sie sich noch spüren, ob Sie noch etwas merken, denn Sie sind oft, so kommt es mir vor, wie eine Geisterfahrerin unterwegs. In Wien funktioniert alles. Sie sind in Wien gewöhnt, dass Sie vor die Tür gehen (Zwischenruf des Bundesrates Spanring) und dann irgendwo in ein Öffi einsteigen und, wenn das Öffi zu voll ist, in den Dienstwagen oder in ein Taxi. In Wien aber, in Wien ist das - - (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Das funktio­niert am Land auch bei mir!) – Ja, bei dir hat auch das Impfzelt so gut funktioniert, Frau Kollegin (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Ja natürlich ...!), also alles gut. (Beifall bei der FPÖ.) Auf diese Zwischenrufe kann ich jetzt verzichten.

Es ist nicht überall Wien, Frau Minister. Ich weiß ja nicht, ob Sie schon einmal im Zillertal waren. (Bundesministerin Gewessler: Ja!) Wir sind zwar touristisch, würde ich einmal sagen, eine der Topregionen in Österreich, aber ein öffentlicher Verkehr findet im Zillertal ganz einfach nicht statt. (Bundesrätin Kittl: Das stimmt doch nicht!) – Was heißt: „Das stimmt doch nicht“? Was redest du denn? Wohnst du im Zillertal? Na, die Wienerin schreit mir da herein - - (Heiterkeit bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.) – Na bitte, die Grünen, na unglaublich! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Dir muss man die Zugverbindung raussuchen! – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Ich lebe seit meinem ersten Lebenstag im Zillertal, und dann schreit mir die Wienerin von den Grünen herein, wie es im Zillertal läuft. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Ja, manchmal ist man betriebsblind, Herr Steiner, es hilft nix!) – Danke, mehr brauche ich nicht, wenn das der ganze Beitrag von den Grünen ist; seid mir nicht böse. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Damit ich nicht vergesse, was ich zur Zillertalbahn sagen wollte: Sie kennen das leidige Thema der Zillertalbahn hoffentlich. Franz Hörl wird Ihnen bekannt sein, der ÖVP-Wirtschaftsbundobmann – jetzt ist er ja nicht mehr Wirtschafts­bundobmann. Der oberste Seilbahner im Zillertal und Nationalrat kämpft ja für


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den Wasserstoff. Es gab einen von ihm installierten Geschäftsführer, der behauptet hat, er habe in Sachen Wasserstoff einen Doktortitel abgelegt. Dann ist man draufgekommen: Hoppla, der hat den Doktortitel nicht zum Thema Wasserstoff gemacht, auch nicht zu einem anderen Thema, der hat überhaupt keinen Doktortitel!, und jetzt ist der Wasserstoff wieder gestorben.

Das ist die ÖVP-Politik in Mischung mit jener der Grünen, und dabei kommt im Zillertal dann heraus, dass wir bei der Zillertalbahn immer noch mit Dieselloks fahren, die schon am Auseinanderfallen sind, und wir die alten Dieselloks, die nicht mehr funktionieren, jetzt quasi als Reserve hernehmen, um die anderen alten Dieselloks dann wieder zu reparieren. – Das ist Ihre Verkehrspolitik, Frau Gewessler. Gratulation, tolle Geschichte! (Beifall bei der FPÖ.)

Nur damit wir das einmal sehen – weil es von Frau Gewessler dann wieder heißt, wir hätten da in der Anfrage gelogen oder was weiß denn ich –: Ich habe, ich weiß nicht, wie viele Artikel ausgedruckt. Ich lese nur die Überschriften vor: „ÖBB-Rauswürfe sorgen für Ärger bei Fahrgästen“; „Auch bei Klimaticket droht der Rauswurf aus dem Zug“; „Rauswurf aus vollem Zug?“

Und jetzt kommt es: Man muss nicht einmal bei der ÖBB reinschauen, denn da gibt es ja die Plattform, auf der man sich beschweren kann. Ich weiß nicht, wie viele Zettel das sind, aber es sind (in den Unterlagen blätternd) wahrschein­lich - ‑ Ja, es sind 25 – jetzt hätte ich bald 20 gesagt –, 25 Zetteln an Beschwerden (die Zettel in die Höhe haltend) allein in den letzten fünf Tagen. Frau Ministerin, lesen Sie sich das einmal durch! Ich traue mich jetzt gar nicht, es vorzulesen, weil dann die Frau Präsidentin hinter mir mit den Ordnungsrufen nicht mehr nachkommt. So viel hält der Klimaticketbesitzer, der CO2-neutrale Pendler von Ihnen als Klimaministerin. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)

Zum Abschluss – ich habe laut dem System eh erst 5 Minuten geredet, da hat sich hinter mir wieder wer verdrückt (Heiterkeit bei der ÖVP) –: Seien Sie nur froh, Frau Minister, dass Ihnen der Verkehrs- und Innovationsminister Hofer damals die Nahverkehrsmilliarde (ein Schriftstück mit der Überschrift „Bundesministerium


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für Verkehr, Innovation und Technologie, Legistische Vorhaben / Ministerrats­vorträge / Projekte bis Ende 2019“ in die Höhe haltend) hinterlassen hat (Heiterkeit der Bundesministerin Gewessler), weil Sie sonst wahrscheinlich so (seine Hände vor das Gesicht haltend) aus der Wäsche schauen würden! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.29


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Stotter. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


19.29.44

Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Nach diesen emotionalen Ausführungen von unserem Herrn Kollegen Steiner (Bundesrat Steiner: Wir müssen Kalorien verbrennen!) muss man vielleicht kurz noch einmal durchatmen – vielleicht lüften wir noch einmal und machen die Tür auf, damit wir alle wieder auf eine gewisse Sachlichkeit herunterkommen.

Ich habe ja bereits in meiner Rede vor Weihnachten (in Richtung Bundesministerin Gewessler) Ihnen gegenüber kurz auf einige Umstände seitens der ÖBB hingewiesen. Dass es Handlungsbedarf gibt, steht, glaube ich, außer Frage, und ja, es wurde darauf reagiert.

Für mich hat der Qualitätsanspruch der Kundinnen und Kunden oberste Priorität. Nein, es kann nicht sein, dass Waggons fehlen oder Sitzplatzreser­vierungen obsolet sind. Missstände sind einfach abzustellen. Ich sehe die Eigentümerver­treter, aber noch viel mehr das Management gefordert.

Sehen wir uns das aber doch einmal genauer an: Die Verantwortlichkeit ist ja vielseitig und vielschichtig. Alles auf die aktuelle Verkehrsministerin zu schieben erscheint einfach, entspricht aber einfach nicht der Realität. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Die – nennen wir es so – Versäumnisse über viele Jahre sind auf Verkehrs­minis­ter aus den Reihen von SPÖ und FPÖ zurückzuführen. (Bundesrätin Schartel – erheitert –: Ja, das ist gut, ...!) Ich darf auf den Vorgänger von Frau Bundesminis­terin Gewessler verweisen, Ihren geschätzten Norbert Hofer. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Da musst aber selber lachen!)

Wenn ich mir die Anfragepunkte durchlese, so fällt mir schon auf, dass es sich großteils um niederösterreichische Themen handelt. Wenn man da nachschaut, wer der zuständige Verkehrslandesrat ist (Bundesrat Spanring: Seit einem Jahr!), dann sieht man: Udo Landbauer.

Ich zitiere aus einer OTS-Aussendung vom 15.12.2023: „LH-Stellvertreter Landbauer: Größte Leistungsoffensive im NÖ Schienenverkehr gesichert“. „Neuer Verkehrsdienstevertrag bringt 11 Millionen Zugkilometer mehr und 170 neue Nahverkehrszüge bis 2033“. (Bundesrat Leinfellner: Das stimmt, NÖ zahlt und die ÖBB liefert nicht!) „‚Mit dieser Leistungsoffensive bringen wir den öffentlichen Verkehr in Niederösterreich bis 2033 auf die Überholspur‘, spricht Niederösterreichs Verkehrslandesrat LH-Stellvertreter Udo Landbauer von einer ‚echten Perspektive für Pendler, Schüler und Familien‘. ‚Wir gehen neue Wege und investieren zusätzlich zu den bestehenden Maßnahmen nochmals eine Milliarde Euro in die Verbesserung auf der Schiene und im Regionalverkehr‘, betont Landbauer. In enger Kooperation mit der ÖBB-Personenverkehr AG und der Raaberbahn AG“ - - – So viel zu Ihrer Mitverantwortung, liebe FPÖ. (Bun­desrat Leinfellner: Du hast ... nicht verstanden!)

Was macht unsere Bundesregierung? – Sie handelt und stellt den ÖBB-Rahmenplan 2024 bis 2029 vor, laut dem wir über 21 Milliarden Euro in die Bahninfrastruktur stecken werden. Für uns in Tirol geht es im Rahmenplan natürlich vor allem um den Brennerbasistunnel und den Brennernordzulauf. Auf dem Weg von Osttirol nach Wien möchte ich den Semmeringbasistunnel und den Koralmtunnel hervorheben. Das sind Projekte mit einem wirklichen Lenkungs­effekt (Beifall bei den Grünen), wenn ich zukünftig schneller mit dem Zug als mit dem Auto in Wien bin. In und rund um Wien fließen 1,4 Milliarden Euro


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direkt in die Bahninfrastruktur. Klares Ziel ist es, mehr Personen und Güter mit der Bahn zu befördern. Das sind klare Ziele und Maßnahmen dieser Bundes­regierung.

Zum Klimaticket: Seien wir doch dankbar, dass so viele Menschen das Angebot annehmen! Herr Kollege Leinfellner, es soll uns bitte nichts Schlimmeres passieren, als dass das Angebot zu stark genutzt wird! Es gibt gewisse Kinder­krankheiten, ja, aber im Gegensatz zur FPÖ suchen wir Lösungen und nicht Probleme. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Leinfellner: ... Lösungen ...!) Damit wir keine Zustände wie bei der Deutschen Bahn bekommen, müssen wir ja gemeinsam Lösungen finden. (Bundesrat Spanring: Zurücktreten, ganz einfach!)

Ein Beispiel aus meiner Region möchte ich auch noch erwähnen: Da unsere Bahnhöfe und Haltestellen ja bereits sehr gut ausgebaut sind und unser Park-and-Ride-Angebot sehr gut umgesetzt wurde, haben wir im Planungsverband 36 ein neues Projekt auf den Weg gebracht, mit freundlicher Unterstützung vom Klimaministerium und auch vom Land Tirol. Es nennt sich Alltagsradwege Stadt-Umland Lienzer Talboden. Dabei verbinden wir das Radwegenetz unserer Bezirkshauptstadt mit allen umliegenden Umlandgemeinden im Lienzer Tal­boden, um im Alltag das Rad zu einer echten Alternative zum Auto zu machen – das bei einem Projektvolumen von über 4 Millionen Euro netto.

Eine kurze Bemerkung am Rande sei mir zwischendurch erlaubt: Den Lobau­tunnel einfach aus dem Gesetz zu streichen ist kein Alternativvorschlag. Das wird es mit uns auch nicht geben. (Bundesrat Leinfellner: Ist schon passiert!) Es geht uns nicht um neue Autobahnen, sondern darum, Verkehrslücken zu schließen und besonders verkehrsgeplagte Regionen zu entlasten. Wenn es um Lärm und Sicherheit geht, müssen wir handeln.

Abschließend zum Dreißiger in den Gemeinden: Wir sind für keine generellen Geschwindigkeitsbeschränkungen, sondern für maßgeschneiderte Lösungen in unseren Gemeinden. Für uns steht Sicherheit an erster Stelle: Sicherheit für


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unsere Kinder. Wenn es jährlich rund 15 000 Verkehrsunfälle mit 17 600 Ver­letzten und 80 Toten nur in Ortsgebieten gibt und die Übertretung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit der Hauptgrund dafür ist, dann sehe ich da schon einen großen Handlungsbedarf. Es braucht keine flächendeckenden Beschränkungen, sondern gezielte Maßnahmen in Bereichen, in denen sich besonders schutz­bedürf­tige Personen aufhalten. In meiner Heimatgemeinde prüfen wir diese Maß­nah­men gerade. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.36


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Nächster Redner ist Bundesrat Daniel Schmid. Ich erteile ihm das Wort.


19.36.31

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Zuhörerinnen und Zuseher! Viele von uns reisen regelmäßig mit der Bahn nach Wien, wie auch diese Woche wieder (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja!), und wenn ich in die Reihen der Bundesrätinnen und Bundesräte blicke, weiß ich, dass es wohl kaum jemanden gibt, der sich nicht schon ärgern musste.

Kolleginnen und Kollegen, das kam ja auch schon früher vor, jedoch nicht in dem Ausmaß, in dem wir es in den letzten Monaten erleben mussten. Viele sprechen ja schon von deutschen Zuständen, und, liebe Kolleginnen und Kollegen, genau diese deutschen Zustände wollen wir in unserem Land nicht haben. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau!)

Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Ich könnte hier – das mögen Sie mir glauben – eine Stunde lang darüber referieren, aber keine Sorge, ich versuche, mich angemessen kurz zu halten. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Danke!)

Als Erstes möchte ich mich aber bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bahn bedanken, und zwar für die tagtäglich großartige Arbeit, die sie oft unter widrigen Umständen leisten (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der Grünen


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sowie der Bundesrätin Eder), trotz regelmäßiger verbaler und auch tätlicher Angriffe, welchen gerade Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter ausgesetzt sind.

Festhalten möchte ich: Wir können uns auf unsere Eisenbahnerinnen und Eisenbahner immer verlassen, egal ob es um Flüchtlingskrisen oder Pandemien geht. Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner machen ihren Job und sind fähig und motiviert, Mängel zu puffern.

Unsere Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sind wirklich gut, aber leider gibt es zu wenige von ihnen. Das ist schon einmal ein grundsätzliches Problem: Wir sind mitten in der größten Pensionierungswelle der Eisenbahner und Eisenbahnerin­nen. Die von Frau Bundesministerin Gewessler vorgegebenen Prämissen bei der Personalaufnahme waren gelinde gesagt eher unzureichend. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gewessler.)

Wie konnte man die Leistungen massiv ausweiten, ohne die Voraussetzungen zu schaffen? Frau Ministerin, ich möchte da schon die politische Verantwortung von Ihnen einfordern. Durch Ihr Ministerium wurde Generalsekretär Herbert Kasser in den Aufsichtsrat der ÖBB geschickt, und der ist Ihnen gegenüber ja berichtspflichtig. Sie werden sich auch sicher mit ihm über die vorhersehbaren Personalengpässe ausgetauscht haben, aber anscheinend war das für Sie kein Problem, denn nach all dem krönen Sie ihn jetzt quasi noch und machen ihn zum Vorstand der Asfinag.

Somit erlaube ich mir den Schluss, dass Sie, Frau Ministerin, mit seiner Leistung mehr als zufrieden sein müssen, und das, obwohl die ÖBB mit den vorhan­denen Ressourcen das geforderte Leistungsniveau nicht erfüllen können. Können Sie mir erklären, warum Sie den für diese Situation Verantwortlichen auch noch befördern? Darauf erwarte ich mir eine Antwort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Mobilitätsbedürfnis der Menschen in diesem Land ist kontinuierlich gestiegen. Die Verkehrswende wird in Zeiten der Klimaerwärmung von einem großen Teil der Gesellschaft gefordert und von


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der Politik nicht nur propagiert, sondern auch forciert. Die Einführung des Klimatickets ist ein Paradebeispiel dafür. Grundsätzlich ist dies auch zu begrüßen, aber das eine ist es, Ideen zu haben und die daraus folgenden Forderungen an die Verkehrsunternehmen zu stellen, und das andere ist es, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen – und genau da spießt es sich eben.

Die Einführung des Klimatickets – das ich grundsätzlich großartig finde – erschwert dem Unternehmen auch die Planbarkeit. Knapp vor der Einführung des Klimatickets habe ich mich als Lokführer gefragt: Wie zum Teufel sollen wir das mit den vorhandenen Ressourcen stemmen? (Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Ein Problem ist die Verfügbarkeit von Wagen, Triebzügen und Triebfahrzeugen. Das betrifft sowohl den Fern- als auch den Nahverkehr. So wurde Wagen­mate­rial an andere Staatsbahnen verkauft, welches wir heute dringend benötigen würden, denn die Einführung des Klimatickets hat zu einem überdurchschnitt­lichen Fahrgastzuwachs geführt. So verzeichneten wir gerade für das Jahr 2023 einen Beförderungsrekord.

Gleich vorweg: Nein, man kann bei einer Railjetgarnitur keine Reisezugwagen, wie wir sie von früher her kennen, dazuhängen. Darüber war das Ministerium durch den Generalsekretär vollinhaltlich informiert. Frau Ministerin, warum wurde es trotzdem gemacht? Beim größten Unternehmen Österreichs Bestellun­gen nach dem Prinzip Hoffnung zu machen ist – ja –verantwortungslos.

Es ist unbestritten, dass vonseiten des Managements Fehler gemacht wurden, aufgrund deren uns heute die notwendigen Ressourcen fehlen. Ich erinnere an die völlig verkehrte Personal- und Beschaffungspolitik, unter der nicht nur das Service für die Kunden und Kundinnen, sondern vor allem die Bahnbeschäftigten leiden. Dazu muss man aber auch anmerken: Das Management ließ sich alles vom Aufsichtsrat absegnen, und dieser wurde direkt vom Ministerium bestellt. Über Jahre hinweg – über Jahre hinweg! – kamen Rufe aus der Politik, gerade


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aus ÖVP- und FPÖ-Kreisen, gerichtet an die ÖBB, sie müssen sparen, sie müssen effizienter und schlanker werden.

Es wurde das Spardogma ausgerufen, und das Management hat natürlich reagiert und versucht, die Wünsche der Politik zu erfüllen. Es wurden in der Vergangenheit beispielsweise Ausbildungen und Kurse eingestellt. An diversen Dienststellen wurde Bereitschaftspersonal gestrichen (Bundesrat Steiner: Unter SPÖ-Verkehrsministern!) – na, na, na, na! –, da nicht produktiv genug. Der Wartungs- oder Servicezyklus wurde erweitert, und Fahrzeug­reserven bekamen das Prädikat zu teuer und wurden verscherbelt.

Die Auswirkungen spüren wir heute. Hätten wir beispielsweise bei einem Zugumlauf von 58 Railjetgarnituren statt 60 Garnituren 65 Garnituren – immerhin zwei Railjets sind in der Regel für Reinigungs- oder Servicearbeiten außer Betrieb –, dann hätten wir im Dezember und Jänner dieses Chaos nicht gehabt.

An die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ gerichtet: Ich möchte Sie schon daran erinnern, dass einer Ihrer Leute als Vorstand in der ÖBB-Personenverkehr AG sitzt (Ruf bei der SPÖ: Oha!), unter anderem zuständig für Einkauf, Controlling und Personal. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Einer! Einer, und zehn von euch! Das ist ein Pech!) Daneben war der verkehrspolitische Berater der FPÖ, Arnold Schiefer, bis vor wenigen Monaten der Finanzvorstand der ÖBB und hatte den Kaputtsparkurs der ÖBB zu verantworten. (Beifall bei der SPÖ. – Bundes­rat Steiner: Er hat die ÖBB saniert!) – Genau!

Da wird ein interessanter politischer Diskurs von den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ gefahren. Ihre Leute in der ÖBB verursachen das Chaos wesentlich, und dann schreit die Fraktion der Täter im Bundesrat: Haltet den Dieb! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesrätinnen Eder und Jagl.) Werte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ: Bitte lassen Sie die Finger von der Bahn, denn das ist etwas, was Sie nicht können! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesrätinnen Eder und Jagl.)


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Zu euren Fragen 7, 8 und 9 möchte ich lediglich noch anmerken: Es ist ein Unterschied, ob man ein Eisenbahnverkehrsunternehmen mit 27 Zugfahrten pro Tag betreibt oder eines wie die ÖBB, die 7 000 Zugfahrten pro Tag meistern.

Lassen Sie mich aber wieder ein wenig auf die Ressourcen eingehen: Die Bundesbahnen können erst dann neue Fahrzeuge bestellen, wenn die Finanzie­rung gesichert ist. Da muss halt die Frau Ministerin die Voraussetzungen schaffen, bevor man mehr Leistung verlangt und Aufwand verursacht. Von der Bestellung bis zur Auslieferung von Schienenfahrzeugen dauert es mehrere Jahre. Da eine Ad-hoc-Lösung zu finden ist entsprechend schwierig, daher ist die jetzige Fahrplanausdünnung eine logische Folge von Fehlern der Frau Ministerin und der FPÖ-nahen Verantwortungsträger, die durch den ehemaligen FPÖ-Verkehrsminister Hofer eingesetzt wurden.

Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ: Bitte macht keine Kindesweglegung! Zu mindestens 50 Prozent gehört das Bahnchaos euch. Schließlich kann man die Personalia des ehemaligen Bundesministers Hofer vom Bahnchaos nicht trennen. (Bundesrat Spanring: Der hat aber die Roten drinsitzen lassen! – Rufe bei der SPÖ: Na geh! Ha, ha, ha! Immer Opfer, immer Opfer!)

Eine nicht zu unterschätzende Problematik sind auch die Lieferschwierigkeiten der Industrie, diverse Software- und/oder technische Probleme der neu gelieferten Zuggarnituren sowie die behördliche Zulassung. Ich möchte an dieser Stelle an den geplanten Deal beziehungsweise an den geplatzten Deal mit der Firma Alstom/Bombardier im Jahr 2021 erinnern. Letztendlich hat der Fahrzeug­hersteller Alstom/Bombardier keinen einzigen der 46 für den Regelbetrieb zugelassenen Talent-3-Züge geliefert. 21 Garnituren für Vorarlberg waren bereits fertig, aber es scheiterte an der Zulassung. Das führte zu einer Notbestellung bei Siemens (Bundesrat Spanring: So ein Zufall aber auch!) und einer vorübergehenden Umverteilung von Nahverkehrszügen vom Osten in den Westen; auch wurde die Nutzung von Fahrzeugen, die alt und wartungsintensiv sind, entsprechend verlängert.


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Dazu kommt, dass sich die Lieferungen der 2018 bestellten Railjets für den Italienverkehr gewaltig verspäten. (Bundesministerin Gewessler: Ja!) Auch deswegen muss älteres Rollmaterial eingesetzt werden. Diese Züge wären eigentlich als Reserve für – beispielsweise – Spitzenreisezeiten vorgesehen beziehungsweise als Überbrückung für die bis Ende 2025 auszuliefernden Nahverkehrs- und Regionalzüge der Firma Siemens.

Auch bei der Lieferung der neuen Nightjets gibt es Probleme. Gerade in der ersten Woche der Inbetriebnahme kam es zu erheblichen Verspätungen. Dafür gibt es mehrere Ursachen, die allesamt auf faktisch mitgelieferte – ich sage es noch einmal: mitgelieferte – technische Probleme am Zug zurückzuführen sind; da können die ÖBB überhaupt nichts dafür, auch die Frau Ministerin kann nichts dafür.

Abgesehen davon kam es auch bei der Auslieferung der Nightjets zu Liefer­verzögerungen. Warum sage ich das? – Es schreien ja alle gegen die Verantwortungsträger und gegen die ÖBB, aber im Hintergrund gibt es schon auch noch eine Industrie, die ihre Aufgabe nicht erfüllt (Bundesrat Spanring: Ja, wegen eurer Coronamaßnahmenpolitik!), und die Verkehrsbetriebe müssen – auf gut Deutsch gesagt – die Krot fressen. (Bundesrat Spanring: Wegen eurer Coronamaßnahmenpolitik! Das habt ja auch alles ihr verbockt!)

Die Verbindung von fehlenden Werkstattkapazitäten, zu wenigen Fahrzeugen und zu wenig Personal führt dazu, dass Züge mit beispielsweise abgesperrten Türen, abgesperrten WC-Anlagen oder sonstigen nicht sicherheitsrelevanten Störungen nicht gleich aus dem sogenannten Zuglauf genommen werden, denn das würde halt zu einem Zugausfall führen – und wenn eine sicherheitsrelevante Störung vorliegt: Na klar, dann kommt es mittlerweile zu einem Zugausfall, weil uns die Reserven fehlen.

Derzeit wird massiv in die Werkstätten investiert, siehe Wien oder Innsbruck, jedoch kommt man bei der Wartung der Fahrzeuge kaum hinterher; da fehlt es gewaltig an Personal.


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Der Personalbedarf ist horrend. Die Ausbildungskapazitäten stoßen bereits an ihre Grenzen, und, Kolleg:innen, da wäre es dringend – dringend! – notwendig, die Ausbildungskapazitäten zu erweitern, vor allem die Kapazitäten für die Lehrlingsausbildung. Dort steckt viel Potenzial, denn unsere Lehrlinge sind unsere Facharbeiterinnen und Facharbeiter von morgen.

Der Personalmangel ist ein Skandal, und dieser kann nicht vom FPÖ-nahen Ex-Finanzchef der ÖBB getrennt gesehen werden. Zuerst die erforderlichen Mittel blockieren und dann die Hände in Unschuld waschen? – Das lasse ich nicht zu! (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Kollegen der FPÖ, ihr werdet ja die Handynummer des Ex-Finanzchefs Schiefer haben: Ruft ihn einfach an und fragt, warum er das so gemacht hat!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen vor einem Ressourcenproblem, und das bei einer jährlichen Fahrgaststeigerung von rund 2,3 Prozent und einer Steigerung der Angebotskilometer im Personenverkehr von 3,8 Prozent. Ich bin seit 2015 bei den ÖBB und Lokführer. Seither haben wir fast eine Verdoppelung der Zugkilometer erlebt. Die Anforderungen an die Verkehrsunternehmen werden stetig weiter angehoben – dafür werden wir halt die notwendigen Ressourcen bereitstellen müssen.

So, und jetzt komme ich langsam zum Schluss: Kolleginnen und Kollegen! Ja, es sind Fehler passiert. Wir wurden unter der sozialdemokratischen Führung zum Bahnland Nummer eins in der EU. (Bundesrat Spanring: Ja, 1980! 1980!) Das möchte ich hier schon betont wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die FPÖ und die Grünen an den Hebeln der ÖBB haben uns gezeigt, dass solch ein Erfolg nicht von Gott gegeben ist. Frau Ministerin, Sie tragen da mitunter auch die Verantwortung, aber Sie sind damit nicht alleine: Zu einem wesent­lichen Teil wirken politische Entscheidungen des ehemaligen Bundesministers Hofer nach, denn so lange ist Herr Schiefer noch nicht weg.


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Ich bin stolz auf die tagtäglichen Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB und darauf, als Lokführer ein Teil dieser ÖBB-Familie sein zu dürfen (Beifall bei der SPÖ), aber es tut mir weh, was seit 2017 an Fehlern gemacht wurde. Dieses Land hat eine sozialdemokratische Verkehrspolitik verdient. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächster Redner ist Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


19.54.51

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bundesministerin! Es hat sich wieder einmal gezeigt: Eine politische Debattenkultur ist die Sache der FPÖ nicht (Bundesrätin Doppler: Na geh!), offensichtlich aber sehr wohl Hass.

Sie arbeiten gezielt mit persönlichen Verunglimpfungen, Diskreditierungen, Klientelbedienung um jeden Preis: eine Rede von 20 Minuten von Kollegen Leinfellner ohne jede Sachdebatte, eine Dringliche mit Fakenews – siehe die Lüge betreffend Privatjet –, und dann kommt Herr Steiner lautstark und schließt sich mit null Argumenten an. Lautstärke, Herr Kollege Steiner, ersetzt noch keine Argumente. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

FPÖler und -innen, ich sage euch etwas: Ihr seid echte Mimosen, echte Mimosen! (Heiterkeit des Bundesrates Spanring.) Ihr teilt ohne Ende aus – nämlich jedes Mal und ohne Grenzen zu kennen –, aber wehe, es kommt Kritik zurück. Dann ist man beleidigt: Meine Güte, die bösen anderen, das ganze System ist schon wieder gegen uns! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich weiß nicht, FPÖ-Bundesrät:innen – ich schreibe und sage das übrigens mit Doppelpunkt, weil ich auch in der FPÖ die Damen anspreche (Zwischenrufe bei der FPÖ) –, ob Sie außer FPÖ-TV auch Nachrichten von unabhängigen Medien


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lesen. Berichte aus der Wissenschaft wären eine Empfehlung oder gar Forschungsberichte, Fachbücher oder – die lege ich Ihnen sehr nahe (Bundesrat Steiner: ... Coronawissenschaftler, oder? Coronawissenschaften oder was?) – IPCC-Berichte.

Irgendwie haben Sie wohl übersehen – oder Sie ignorieren das eher populistisch bewusst –, dass wir auf unfassbare Katastrophen zusteuern (Bundesrat Steiner: Nein, die Katastrophe in Österreich ist abgewendet ... Herbst 2024!), wenn wir die Klimakrise nicht schnellstens in den Griff bekommen. Jetzt müssen Sie einmal zuhören, ich weiß, dass Ihnen das wahnsinnig schwerfällt. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Steiner.)

Ich weiß nicht: Ist es Ihnen egal, dass die Zahl der Hitzerekorde zunimmt, schwere Unwetter häufiger werden, ganze Gegenden im Süden unfruchtbar werden, was Menschen zur Flucht zwingt? Gerade diese Woche zeigen wissenschaftliche Berichte, dass ein Zusammenbrechen des Golfstroms nahe sein könnte (Bundes­rat Steiner: Ich werde dich vermissen! Nach der Vorarlberger Landtagswahl werde ich dich vermissen!), dass wir auf Kipppunkte zusteuern – ich weiß, dass Sie das nicht aushalten –, die Situationen hervorrufen würden, die wir nicht mehr in den Griff bekommen können. (Bundesrat Spanring: Aber dann wird es eh wieder kälter nach der ...!) Was meinen Sie, was die nächste Generation dazu sagen wird? Ist es Ihnen egal, dass Sie mit einer Politik, die Sie vertreten, die Zukunft der jungen Leute zerstören? – Offenbar schon; offenbar ist Ihnen das egal.

Es ist Ihnen auch egal, dass wir auf exorbitante Kosten zusteuern, weil intensiver Klimaschutz nicht gelingt. Alle Studien zeigen, dass Anpassungsmaßnahmen drastisch teurer sind als Klimaschutzmaßnahmen, und vor allem, dass sie irgend­wann sowieso nicht reichen werden – und da ist von den Kosten der Katas­trophenmaßnahmen und -hilfe noch gar nicht die Rede gewesen.

Ach, wozu sich auch über so etwas Gedanken machen, gell? – Wichtiger ist es Ihnen, populistisch Klimaschutzmaßnahmen aufheben zu wollen, wie die CO2-Bepreisung mit dem Klimabonus, der mehr als vollständig zu den Haushalten


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zurückfließt (Bundesrat Steiner: Ja, wofür haben wir ihn dann?), und zwar – der Budgetdienst führt das aus – sozial treffsicher zurückfließt (Bundesrat Steiner: Ja, ... zu den Asylwerbern! Treffsicher!) und Haushalte mit geringem Einkommen besonders begünstigt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Wichtiger ist es Ihnen, als SUV-Partei aufzutreten, unter dem Deckmantel, die Pendler:innen schützen zu wollen. Wissen Sie übrigens, wem die Pendler­pau­schale nützt? – Ich habe hier eine Auswertung des Wifo: Das vierte Einkom­mens­quartil, also das oberste Viertel, erhält im Gesamtvolumen 16-mal so viel Pendler:innenpauschale wie das erste Quartil, das es eigentlich am dringendsten bräuchte – 16-mal, unfassbar!

Auf den Einzelfall bezogen, durchschnittlich, erhalten Personen aus dem vierten, dem obersten Einkommensquartil 13-mal mehr Pendlerpauschale als jemand aus dem ersten Quartil. Und wissen Sie, wo die mit ihren SUVs wohnen? – In den Speckgürteln. Sie sind der Anwalt dieser Personen. (Bundesrat Steiner: Da kommt der pure Hass aus dir heraus! – Ruf bei den Grünen: Da redet der Richtige!) – Ja, Fakten sind immer so eine blöde Sache.

Eine grundlegende Reform - - (Bundesrat Steiner: Da kommt der pure Hass aus dir heraus!) – (In Richtung Präsidium:) Ein bisschen mehr Ruhe wäre schon gut, das ist sonst doch anstrengend für mich! (Bundesrat Steiner: Wieso? Du hältst ...!) Ich weiß, dass ihr von der FPÖ euch schwertut, zuzuhören, aber 10 Minuten lang werdet ihr das wohl schaffen. (Bundesrat Steiner: Du musst ins Mikrofon reden!)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Ich darf um mehr Ruhe im Saal bitten und ich ersuche, den Rednerinnen und Rednern zuzuhören. Ich bitte darum! (Bundesrat Steiner: Er muss ins Mikrofon reden!)


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (fortsetzend): Ich höre Ihnen auch zu, auch wenn es wirklich schwer ist. (Ruf bei der FPÖ: Ja!) – Ja.


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Eine grundlegende Reform, die mehr soziale Gerechtigkeit in die Pendler:innenpauschale bringt (Bundesrat Steiner: Ein bisschen ...!) und den ÖV stärker betont, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Leider ist dafür derzeit keine Mehrheit zu finden, aber vielleicht gelingt ja noch etwas. (Bundesrätin Schartel: Nein, ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Übrigens kostet der MIV, also der motorisierte Individualverkehr, enorme Summen: 7 Milliarden Euro pro Jahr. 7 Milliarden Euro pro Jahr werden nicht durch die Verursacher bezahlt. Wissen Sie, wer das bezahlen muss? Jemand muss das ja bezahlen. Das bezahlen alle Steuerzahler:innen, auch die, die kein Auto besitzen, sich keines leisten können oder auch keines wollen, zahlen fleißig Quersubventionierung. (Bundesrat Steiner: Ja, ich will auch nicht für Flüchtlinge zahlen!) Kostengerechtigkeit: Fehlanzeige! (Beifall bei den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Herr Präsident, da gibt es permanent Zwischenrufe, das geht nicht!


Vizepräsident Dominik Reisinger: Herr Bundesrat Steiner, hilft es mehr, wenn ich mein Ersuchen in eine Bitte umformuliere? Man kann sich nicht konzen­trieren. Wir hören die Redner nicht mehr. Ein bisschen mehr Ruhe! (Bundesrat Steiner: Ja!)


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (fortsetzend): Kostengerechtigkeit: Fehl­anzeige! – Wurscht, oder? (Bundesrat Steiner: Ich will auch nicht für Flüchtlinge zahlen!)

Ein weiteres ganz großes Thema ist soziale Gerechtigkeit. Da geht es darum, eine Welt zu gestalten, in der alle, wirklich alle, anständig leben können, sich eine warme Wohnung und den Strom leisten können, sich Mobilität leisten können und in der es auch ein entsprechendes Angebot gibt.

Mit Blick auf die gesamten CO2-Emissionen in Österreich zeichnet der Verkehr für knappe 28 Prozent verantwortlich. Lässt man den Emissionshandel draußen,


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was eigentlich richtig ist, weil er ja europäisch geregelt wird, sind es 44 Prozent. 44 Prozent! – Wurscht, oder?

Völlig richtig und eine der entscheidenden Strategien für eine gute Zukunft für alle – vor allem eine gute Zukunft für die Kinder auf diesem Planeten; mit Blick auf die Kinder ist es unsere Pflicht, dass auch sie noch Entwicklungs­chancen haben – muss sein, dass auch sie in einem vernünftigen Ausmaß Ressourcen nutzen können, dass auch sie noch eine zumindest einigermaßen intakte Biosphäre – ohne die wir nicht leben können – vorfinden. Und darum geht es. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Über viele, viele Jahre wurde drastisch zu wenig getan. Seit wir in der Regierung sind, geschieht so viel wie noch nie. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin schon seit über 30 Jahren im Klimaschutz aktiv. Noch nie gab es zum Beispiel ein derartig starkes Gesetz für den Ausbau von Ökostrom; noch nie gab es so viel Geld für den öffentlichen Verkehr, nämlich 21 Milliarden Euro allein für die nächsten Jahre im ÖBB-Rahmenplan. (Beifall bei den Grünen.)

Wissen Sie, man kann immer einzelne Fälle herausgreifen, noch dazu in der Kompetenz eines Bundeslandes, um alles schlechtzureden, was insgesamt sehr gut funktioniert. Aber das ist halt Teil der FPÖ-Geschäftspolitik: um jeden Preis den Eindruck zu erwecken, alles sei schlecht. (Bundesrat Steiner: Ja, es ist schlecht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, außer der FPÖ sind lauter Deppen unterwegs. (Bundesrat Steiner: Das hast jetzt du gesagt!) 

Ich fahre mehr oder weniger jede Woche zwischen Bregenz und Wien hin und her, mit den ÖBB selbstverständlich, und nutze auch sonst ausschließlich den ÖV, und wissen Sie, es funktioniert super, zu 95 Prozent tadellos. (Bundes­rätin Schartel: ...viel Zeit ... super!) Mich würde interessieren, bei wem Sie sich beschweren, wenn Sie auf der Autobahn im Stau stehen. Wo gehen Sie dann hin? (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der FPÖ: ... Faschingsrede! – Heiterkeit bei der FPÖ.)


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Oder wenn es schneit und auf der Straße gar nichts mehr geht: Bei wem beschweren Sie sich dann? Die Hauptsache für Sie ist es, eine überzogene Autokultur mit allen Mitteln und Opfern aufrechtzuerhalten. Und die Opfer sind enorm: 350 Tote und 50 000 Verletzte pro Jahr. (Bundesrat Spanring: Gehen wir alle zu Fuß, dann passiert das nicht mehr! – Bundesrat Leinfellner: Fahren wir mit dem Lastenfahrrad zwischen ... und Graz hin und her! – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Noch nie gab es so viel Geld für den Ausbau des ÖV für die Bundesländer, wie­wohl das primär eine Länderverantwortung ist. Also Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, Herr Steiner, kümmern Sie sich doch darum in Ihrem Bundesland! (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Aber Sie, Herr Steiner, machen sich stattdessen lieber lustig über pakistanische Buslenker, wie in der letzten oder vorletzten Sitzung. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Sie haben sich lustig gemacht und gemeint, pakistanische Buslenker seien wohl nicht in der Lage, im Zillertal Schneeketten anzulegen. (Bundesrat Steiner: Na das stimmt!) Das ist halt Ihre Art, auf das Gemein­wohl zu schauen. (Bundesrat Steiner: Na das stimmt ja auch!)

Wenn man als Bundesland etwas will, dann geht das auch. Wir sind zugegebe­ner­maßen ein kleines Bundesland und haben daher auch weniger Mittel – wir können auch so argumentieren –, aber wir haben keinen Ort mehr, sei er auch noch so klein, der unter der Woche nicht wenigstens im Stundentakt an den ÖV angeschlossen ist. Man muss halt die eigene Verantwortung wahrnehmen und das eben tun. (Beifall bei den Grünen.)

Noch nie gab es dermaßen exzellente Förderprogramme in allen Bereichen, von der E-Mobilität in allen Segmenten über Radwege bis zur Ladeinfrastruktur, im Bereich der thermischen Sanierung, der Heizungserneuerung, in der Transfor­mation der Industrie – Milliarden stehen da zur Verfügung –, im Bereich Wasser­stoff, im Fernwärmeausbau, in der Bioenergie und so weiter.

Mit aller Kraft setzen wir Maßnahmen, um uns aus der Abhängigkeit von Despoten zu befreien, was die Energielieferungen betrifft – übrigens im Sinne der Versorgungssicherheit und der leistbaren Energie.


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Sie haben hoffentlich noch nicht vergessen, was in den letzten zwei Jahren war. Aber für euch in der FPÖ ist ja die Solidarität mit der Ukraine daran schuld, was ja an sich schon unfassbar und ungeheuerlich ist. Für euch in der FPÖ ist Putin ja ein wohlwollender Kollege, wie man heute wieder gut herausgehört hat. Sie pflegen gerne Freundschaften mit Orbán und seinesgleichen, Sie hofieren sogar ein brutales Terrorregime in Afghanistan.

Seit vielen Jahren gab es keine so umfassende Novelle der Straßenverkehrs­ordnung, die den Aktivverkehr, die Radfahrer:innen, die Fußgänger:innen stärker schützt und auf deren Interessen Rücksicht nimmt. Sie sind es, die mehr Schutz und Rechte brauchen. Zu lange wurde die gesamte Infrastrukturplanung zu einseitig auf das Auto abgestimmt. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Steiner: Keiner klatscht bei der ÖVP! Hört ihr zu? Habt ihr jetzt zugehört bei der ÖVP? Habt ihr zugehört? Ihr könnt alle zu Fuß ...!)

Und wie ich schon oft gesagt habe, ist es auch sozialpolitisch besonders wichtig: Wir brauchen eine Mobilitätswende hin zu menschengerechter Mobilität und leistbarer Mobilität; denn ein Auto ist teuer, es ist die mit Abstand teuerste Art, mobil zu sein. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Steiner: Ja, aber ihr ... ihr Wahnsinnigen!) – Nein, nein, nicht wegen uns! (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Deshalb hat der Großteil, mehr als die Hälfte der Menschen in der unteren Einkommensgruppe kein Auto. In der oberen Einkommensgruppe besitzt übrigens über die Hälfte der Menschen zwei oder mehr Autos. Die Verkaufs­zahlen der SUVs, die die öffentliche Infrastruktur massiv belasten, übrigens auch die Gemeindebudgets, steigen erschreckend und unvernünftig. Diese privilegierte Klientel steht aber unter dem Schutz der FPÖ. (Ruf: Das Budget steigt leider nicht!)

Ein extrem wichtiges Projekt für eine leistbare Mobilität ist – wir haben es heute schon mehrfach gehört – das Klimaticket. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Ich bin sehr stolz (ein Klimaticket in die Höhe haltend), eines zu haben (Bundesrätin


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Schartel: Ja fein!); und der Anstieg der Fahrgastzahlen zeigt, dass es richtig war. (Bundesrat Steiner: Ich habe auch so ein Ding!)

Natürlich merke auch ich, dass die Züge voller sind, aber (Bundesrat Steiner: Es ist dir wurscht!) solche Probleme habe ich mir immer schon gewünscht (Bundesrat Steiner – ein Klimaticket in die Höhe haltend –: Da, schau, ich habe auch so ein Ding!), dass plötzlich ganz viele Leute Bahn fahren und die Züge halt manchmal voller sind. (Bundesrat Steiner: Schau! Schau einmal!) Nur ist das einfach ein ganz normaler Prozess. (Bundesrat Steiner: Ich habe das Gleiche wie er!) Kollege Schmid hat ausgeführt, was bei den ÖBB alles passiert (Bundesrat Steiner: Ich bin der Einzige im Klub!), um das Angebot zu erweitern. Da werden neue Garnituren angeschafft et cetera, das passiert jetzt. (Bundesrat Steiner: Schau ...!)

Völlig richtig und logisch ist es, alte Straßenbauprojekte im hochrangigen Bereich darauf zu prüfen, ob sie noch zeitgemäß sind – und viele sind es eben nicht. Mutig und richtig war es daher von der Ministerin, diese heute nicht mehr angebrachten Projekte zu stoppen (Bundesrat Steiner: Ich habe das auch, schau!) und über andere, bessere Lösungen nachzudenken. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Das hat wirklich Mut gebraucht, und dafür gebührt dir großer Respekt, Leonore. Man hat ja nur in deine Timeline hineinschauen müssen, wie da reagiert wurde. (Bundesrat Steiner: Was?) Wer weiterhin Autobahnen baut, löst keine Ver­kehrsprobleme (Bundesrätin Schartel: Nein, ...!), sondern er verschärft sie und verlagert sie. Das ist das Verkehrsplanungseinmaleins. (Beifall bei den Grünen. – Weitere Zwischenrufe der Bundesrätin Schartel.)

Völlig richtig ist es – und das hängt zusammen –, endlich ernsthaft zu versuchen, den völlig ausufernden Bodenverbrauch in den Griff zu bekommen. Da spielen Straßen eine große Rolle, aber auch der noch größere Baumarkt am Ortsrand auf der grünen Wiese.


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Richtig ist es, Gewohnheiten zu hinterfragen. Tempo 30 flächendeckend innerorts mit Ausnahme der wichtigsten Vorrangstraßen ist selbstredend gescheit. (Bundesrat Steiner: Das ist ein Wahnsinn!) Dort sind die Menschen mit Rädern unterwegs, auch Kinder; dort sind die Fußgänger unterwegs, auch Kinder. Dort wohnen die Menschen, Stichwort Lärmbelastung. Dort passieren aber die meisten Unfälle, was durch Tempo 30 massiv reduziert wird. Alles egal, oder? Menschenleben: egal! Fahrzeitreduktion, die immer wieder ins Spiel gebracht wird – Fehlanzeige, es geht um Sekunden. Aber für die FPÖ sind zu hohe Geschwindigkeiten innerorts Teil der Freiheit, ohne die man nicht leben kann.

Völlig richtig wäre es natürlich genauso, auf Autobahnen generell Tempo 100 einzuführen. Das ist die einfachste Maßnahme mit einer hohen Emissions­reduktion und bringt ein Plus in der Sicherheit. Aber nein, freie Raserei für die Freiheitlichen! Sogar dafür müssen in ihrer Argumentation die Pendler:innen herhalten (Ruf bei der FPÖ: Die Pendler!); ja, genau: im Frühverkehr mit Tempo 160! (Bundesrat Steiner: Ja, 200 auch, wenn’s gut geht!)

Das alles verursacht Diskussionen und ist oft nicht lustig auszuhalten, aber wir stehen klar für eine sozialökologische Transformation ein (Bundesrat Steiner – neuerlich ein Klimaticket in die Höhe haltend –: Schau, Adi!), auch gegen Wider­stände (Bundesrat Steiner: Ich habe das auch, schau!), für die Kinder auf diesem Planeten, für unsere Lebensgrundlagen. Dafür kämpfe ich jedenfalls gerne, und ganz bestimmt lassen wir uns von einer populistischen, rechtsradikalen, demokratiefeindlichen F (Oh-Rufe bei der FPÖ – Zwischenruf der Bundesrätin Doppler) nicht davon abhalten! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Doppler: ... kommunistisch ...! – Bundesrat Leinfellner: Also Adi, diesmal teile ich deine Rede statt den unsrigen, weil das bringt uns weit mehr ...!)

20.11


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlies Doppler. Ich erteile ihr dieses.



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20.11.24

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Tja, wie fange ich an? – Der Zauberlehrling – wer kennt ihn nicht, den Zauberlehrling? Viele von uns haben wahrscheinlich in der Schule das wunderschöne Werk von Goethe noch auswendig lernen müssen. Für mich ist er momentan aktuell wie nichts Zweites, in einer Zeit, in der Geister wie beim Zauberlehrling herumschwirren. Diese Geister sind für mich die Grünen. Die Grünen sind einzige Schreckgespenster: die Geister, die ich rief, die man dann halt schwer loskriegt. (Bundesrat Schreuder: Also „Geister“ will ich nicht! Wirklich nicht, Marlies!)

Und wenn ich dann einen Herrn Adolf Gross höre (Bundesrat Schreuder: Er ist auch kein Geist!), der sich hierherstellt und die Freiheitlichen aufs Übelste beleidigt (Bundesrat Schreuder: Mimose! Mimose!) – aufs Übelste beleidigt! –, dann kann ich nur sagen: eine kommunistische, rechtsradikale Partei! (Beifall bei der FPÖ.)

Er spricht davon, dass wir mimosenhaft sind! Er hat schon fast zu weinen begonnen, er hat so gezittert. Ich habe wirklich schon Angst gehabt, dass Adolf Gross hier heraußen zu heulen anfängt, weil er doch so arm ist. (Bundesrat Schreuder: Gleich auf einer persönlichen Ebene, das ist - -! Entschuldigung, auf einer so persönlichen Ebene, das geht nicht! – Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.) Ich fühle mich aber nur bekräftigt, ich fühle mich nur bestärkt, dass wir Freiheitliche mit unserer Linie am richtigen Weg sind. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Ich fühle mich nur bekräftigt, ich fühle mich nur bestärkt, und die Reaktion – es war so klassisch – ist ein Klassiker. Wie heißt das schöne Sprichwort? – Wenn man einem Katzerl auf den Schwanz steigt, dann schreit es und heult auf. (Zwischenruf der Bundesrätin Jagl.) Na was war denn das jetzt von Ihnen? – Mimosenhaftes Gezampere und Gezumpere, etwas anderes war das nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Und Sie erklären uns, werfen den Freiheitlichen vor, dass wir wegen eurer Klimahysterie vielleicht noch für Unfruchtbarkeit verantwortlich sind. Na wer


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sagt denn, dass die Menschen nicht wegen eurer Impfhysterie unfruchtbar sind, oder ist das erwiesen? (Beifall bei der FPÖ.) Jetzt kommen ja viele Fälle auf.

Ihre Ansage, Herr Adolf Gross – Sie begrüßen sogar die Frauen der Freiheitlichen –: Ja, was ist denn das für eine widerwärtige Ansage? Entweder Sie begrüßen alle Frauen, aber das extra hervorzuheben, dass Sie sogar die Frauen der Freiheitlichen begrüßen, ist widerwärtig und abwertend. (Bundesrat Schreuder: Er heißt Adi! Sag bitte Adi und nicht Adolf! Er heißt Adi Gross! – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Wir hatten die Diskussion! Das ist letzt­klassig! – Bundesrat Schreuder: Das ist wirklich letztklassig! Sprich ihn mit dem richtigen Namen an!) – Ja, mag schon sein, aber auf der Homepage des Landes Vorarlberg steht das immer noch, also bitte regt euch beim Land Vorarlberg auf! Es steht dort! (Beifall bei der FPÖ.)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Frau Bundesrätin Doppler, ich würde Sie ersuchen, die Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates mit dem richtigen Namen anzusprechen. – Bitte. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundes­rät:innen der ÖVP.)


Bundesrätin Marlies Doppler (fortsetzend): Herr Vizepräsident, was soll ich? Herr Vizepräsident, ich spreche gerne jeden mit seinem Namen an, ich will ja nicht respektlos sein, aber wenn dieser Name auf der Seite des Landes Vorarlberg steht (Bundesrätin Eder: Da steht überall Adi!), was soll ich denn dann tun, was soll ich machen? (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Respektvoll sein, ganz einfach! Das soll man machen!) Gut, das kann ja ich nicht riechen. (Bundesrat Schreuder: Respektvoll sein, ja! Respekt haben kann man schon, Frau Kollegin Doppler!) – Ich habe Respekt. (Bundesrat Schreuder: Nein!) Ich habe schon Respekt, doch, doch. (Bundesrat Schreuder: Nein, absolut nicht! Das ist unerträglich!)

Wenn ich jetzt weiter ein bisschen auf meine Vorredner replizieren darf, habe ich noch etwas für Herrn Kollegen Schmid. – Ihnen dürfte am Mieminger Plateau wahrscheinlich entgangen sein, dass vor Minister Hofer Leichtfried Minister war; davor hatten wir Klug, davor hatten wir Stöger, Bures und Faymann – also von


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jüngst rückwärts. (Zwischenruf des Bundesrates Schmid.) Es war aber schon Minister Leichtfried, der die Einstellung der Ausbildungen veranlasst hat. (Bundesrat Schmid: Stimmt ja nicht! Stimmt überhaupt nicht! ... ein Blödsinn!) Es war schon Minister Leichtfried, der die Bestellung der Garnituren und der Waggons eingestellt hat – also da ein bissl besser recherchieren! (Beifall bei der FPÖ.) Dafür – wir haben es heute schon gehört – hat Minister Hofer 1 Milliarde Euro für den öffentlichen Verkehr zurückgelassen, für Frau Minister Gewessler.

Und an Kollegen Stotter – er ist, glaube ich, gerade nicht da –: Kollege Stotter hat gesagt, „suchen wir Lösungen und nicht Probleme“. – Nein, wir brauchen keine Lösungen zu suchen, wir Freiheitliche hätten und haben Lösungen parat, man braucht uns nur zu lassen, und wir werden sie ab September dann hoffentlich wieder umsetzen können, sodass wir für die Menschen in diesem Land noch mehr arbeiten können.

Gut, wenn ich zuerst beim Zauberlehrling war und bei den Geistern, die herum­schwirren: Ich meine, das Tüpferl auf dem I ist schon, dass wir seit Jänner 2020 den negativen Geist einer Ministerin Gewessler hier in Österreich haben. Gleich wie der Zauberlehrling überschätzt sie ihre Fähigkeiten, und gleich wie der Zauberlehrling verliert sie die Kontrolle. Da gibt es wirklich viele Parallelen, das ist sehr aktuell. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist das Bittere, Frau Minister Gewessler: Sie agieren ausschließlich mit einer links-grünen Ideologie und treiben damit Tausende Menschen in die Armut oder in die Verzweiflung. Verbote, Gebote, Reglementierungen, Belastungen – das ist doch das Synonym für die Grünen; und ich wiederhole mich gerne noch einmal: Die Grünen sind die Verbots-, die Gebots-, die Reglementierungs- und die Belastungspartei. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Nach einer NoVA-Erhöhung, nach der Einführung einer CO2-Steuer in Zeiten höchster Teuerung, die wir haben, mit dem unsinnigen Pfandsystem, das nichts bringen wird, den hohen Gas-, Öl- und Treibstoffpreisen – ja, ihr treibt die


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Leute in die Verzweiflung. Ihr mischt euch sogar in die persönlichsten, höchst­persönlichsten privaten Bereiche von Menschen ein und wollt das reglemen­tieren. Eingesperrt habt ihr uns sogar!

Und jetzt folgt der nächste Streich, frei nach Wilhelm Busch: Es werden ganze Bahnstrecken gesperrt! Es werden ganze Bahnstrecken gesperrt, mit dem Argument, dass man dadurch die Pünktlichkeit der Züge verbessern möchte. Ja, Frau Minister, das ist doch ein Treppenwitz! (Bundesrat Schmid: Welche werden gesperrt? Welche? – Bundesrätin Schumann: Welche Bahnstrecken werden gesperrt?) Das ist doch ein Treppenwitz; ich würde sogar sagen: Schilda lässt grüßen! Es ist ein Schildbürgerstreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Maßnahme trifft die Pendler (Bundesrat Schmid: Welche Bahnstrecke wird gesperrt?), welche zur Arbeit fahren, Schüler, Arbeiter. Das bedeutet zusätzliche Kosten für die Menschen, weil sie nun mit dem Auto fahren müssen, wenn sie mit dem Zug nicht fahren können. Ihr bestraft die fleißigen Menschen in diesem Land mit dieser Aktion, und die Teuerung werden diese Menschen ganz gehörig spüren.

Frau Minister, Sie lassen da die Pendler wirklich im Regen stehen! Von der Pendlerpauschale haben wir heute auch schon kurz gehört, und dass die Pendlerpauschale doch in der Diskussion ist, dieses Damoklesschwert schwebt herum. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Du weißt genau, dass das nicht so ist!) Ihr riesengroßer Autofahrerhass und das Autofahrerbashing – ich traue es Ihnen wirklich zu, dass Sie die Pendlerpauschale streichen möchten, und das wäre ein Schlag ins Gesicht für Menschen, die auf diese Pauschale angewiesen sind. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Stimmt ja nicht!) Ich glaube es Ihnen einfach nicht!

Die ÖBB sind, seit Sie in Verantwortung sind, zum wahrlich unattraktivsten Verkehrsmittel geworden, sei es die Bahn, sei es der Bus: zu teuer. Die Preise für


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die ÖBB-Tickets sind teuer (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Es gibt das Klima­ticket!), sie sind innerhalb des letzten Jahres wirklich drastisch in die Höhe gegangen.

Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, dass Reisen mit den ÖBB für Menschen mit einem schweren Koffer, für behinderte Menschen, für Frauen mit Kinder­wägen beschwerlich sind, weil es immer noch keine Niederflurbusse oder im Zug keine Niederflurwaggone gibt. Die Takte passen nicht, es gibt zu wenige Zugverbindungen und, und, und. Mit solch einer bürgerunfreundlichen Verkehrs­politik werden Sie also sicherlich keinen Blumenstrauß gewinnen.

Und dann die ganzen Grauslichkeiten, die Sie uns und der österreichischen Bevölkerung ja bisher schon angetan haben: Ich erinnere, von der Corona­diktatur, in der Grund- und Freiheitsrechte massiv beschnitten wurden, sind wir dann geradewegs in eine Klimadiktatur hineingeschlittert – eine Klimadiktatur, die wieder unverhältnismäßige Reglementierungen bedeutet und finanzielle Belastungen für die Bevölkerung und die Unternehmen bringen wird; dies vor allem wieder in vielfacher Ausprägung auf Kosten der Freiheit von uns Österreichern.

Ja, man muss das so drastisch formulieren, weil Sie einfach nur blindwütig in einer links-links-grünen Ideologie agieren. Sie legen den Fokus nicht auf die Gesamtheit der volkswirtschaftlichen Gegebenheiten oder Notwendigkeiten. Vor allem Ihre – das haben wir heute auch schon gehört – sogenannten Evaluierungsmaßnahmen im Straßenbaubereich zeigen das ja wieder einmal in aller Deutlichkeit, denn tatsächlich sind das keine Evaluierungsmaßnahmen, sondern es war ein tatsächlicher Baustopp – ein tatsächlicher Baustopp! – der Straßenbauprojekte. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, dadurch produzieren Sie nicht nur einen volkswirtschaftlichen Schaden, sondern Sie riskieren tatsächlich den Verlust von Arbeitsplätzen, und es ist vor allem in Bezug auf die Verkehrssicherheit mehr als unverantwortlich.


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Ein Beispiel aus meinem Heimatbundesland: Aufgrund der Tunnelbaustelle ab dem Pass Lueg betragen die Zeitverzögerungen bis zu 3 Stunden – bis zu 3 Stunden! Tausende von Pendlern benutzen diese Strecke tagtäglich und werden schikaniert. Verschärft wird die Situation dann noch durch den Urlauberverkehr. Tausende Anrainer in den Anrainergemeinden ersticken im Verkehr, und was passiert? – Die Autofahrer nehmen die Abkürzung, fahren von der Autobahn ab und nehmen die Bundesstraßen. Sie stauen sich durch die Gemeinden, sodass die Einwohner nicht einmal mehr einkaufen gehen können, was dann zur Folge hat, dass Geschäftsleute in die Pleite schlittern werden, weil die Einheimischen nicht mehr einkaufen kommen.

Was machen Sie, Frau Minister? – Nichts machen Sie! Obwohl Sie der zuständige Verkehrslandesrat schon mehrfach kontaktiert hat, geschieht nichts. Es gäbe Lösungen, die in Ihren Bereich fallen, um das Stauchaos in Salzburg in den Griff zu bekommen. Werden Sie da bitte tätig, die Salzburger Bevölkerung braucht das dringend! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie gehen da aber lieber den einfacheren Weg und putzen sich bei der Asfinag ab (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gewessler), weil ihr Grüne immer jemanden anderen sucht, der Schuld hat, nur nicht die eigene Politik. Corona war schuld, Russland ist schuld, na vielleicht ist noch Helmi schuld, aber nie sind die Grünen schuld. Fakt bleibt: Sie sehen tatenlos zu, wie Salzburg im Stau versinkt.

Ich ersuche Sie nicht nur, sondern ich fordere Sie auf, dass Sie mit dem zustän­digen Verkehrslandesrat in Salzburg ordentlich verhandeln, damit – was in Ihren Bereich fällt – eine Lösung für Salzburg herbeigeführt wird, und das nicht nur zur Hauptreisezeit. (Beifall bei der FPÖ.)

In Ihrer grün-ideologischen Getriebenheit haben Sie sich, Frau Minister Gewessler, offensichtlich zum Ziel gesetzt, in der Endphase Ihrer Amtszeit die Energiepreise noch weiter explodieren zu lassen und damit unseren Wirtschafts- und Industriestandort vollends gegen die Wand zu fahren. Aus den Gasliefer­verträgen zwischen der OMV und Gazprom auszusteigen wäre ein Wahnsinn. Wir


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haben es heute schon mehrfach gehört: 98 Prozent an Gas beziehen wir noch von dort. Das wäre ein Riesenfehler, das wäre ein Wahnsinn, denn ausbaden müsste es wieder die österreichische Bevölkerung – wieder ideologisch blind getrieben.

Die Folgen eines derartigen Ausstiegs wären eine Vervielfachung des Gaspreises (Unruhe im Saal – Bundesrat Spanring: Herr Vorsitzender! ...! Jetzt ist es wurscht, weil eine Freiheitliche redet?! Jetzt ist es wurscht, oder?), ein Anheizen der ohnehin weit über dem Schnitt liegenden Inflation und weitere Einbußen bei der Wettbewerbsfähigkeit heimischer Betriebe. Ein Aus für die Gaslieferverträge wäre daher der nächste politische Knieschuss, den Sie zu verantworten hätten. (Zwischenruf der Bundesrätin Huber.)

Darum – ich kann es mir nur wünschen und ich habe es schon öfters gesagt –: Erlösen Sie dieses Land von Ihrer Politik, treten Sie zurück und machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! Ich freue mich schon darauf, wenn wir einen Volks­kanzler Kickl haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.25


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günther Ruprecht. Ich erteile dieses.


20.25.50

Bundesrat Günther Ruprecht (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vize­prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte zeigt mir eines: In diesem Land gibt es nur eine vernünftige Kraft der Mitte, das ist die Österreichische Volkspartei mit Bundeskanzler Karl Nehammer. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Buchmann: Wo er recht hat, hat er recht!)

Ich habe daheim von meinen Eltern zumindest gelernt, Bitte und Danke zu sagen, und, sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich darf mit dem Danke


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beginnen, bevor ich mit einem steirischen Bitte folge. Und zwar: Es ist dir, glaube ich, wirklich gelungen, in den letzten Jahren eine gewisse Bewusstseinsbildung zu schaffen. Das muss man wirklich neidvoll anerkennen. Das Klimaticket ist wirklich ein großer Wurf. Ich glaube, viele haben ein Klimaticket gelöst, die das nie gelöst hätten, und du hast sicher viele zum öffentlichen Verkehr gebracht, die wir sonst nicht dorthin gebracht hätten. Für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs – ich glaube, Kollege Gross hat es schon gesagt – haben wir 21 Milliar­den Euro in den nächsten Jahren vorgesehen, und auch der infrastrukturelle Ausbau, was die Anschaffung von Zügen und Garnituren betrifft, ist großartig.

Ich komme aus dem Süden, aus der Steiermark, und ich erwähne es immer wieder gerne: Ich freue mich, wenn ab 2025 die Koralmbahn Richtung Kärnten fährt. Ich darf aber eine Bitte äußern, denn ich glaube, so etwas würde auf der ganzen Welt nicht passieren, dass, wenn eine neue Bahn eröffnet wird, der Zug beim Flughafen vorbeifährt. Frau Bundesministerin, ich darf dir diese Bitte mitgeben. Du hörst diese Bitte nicht zum ersten Mal, ich glaube, Landeshaupt­mann Christopher Drexler und auch Landeshauptmannstellvertreter Anton Lang haben ebenfalls diese Bitte an dich herangetragen.

Österreich ist aber natürlich auch das Land der Pendlerinnen und Pendler. 2,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher pendeln aktuell, und in den letzten 20 Jahren ist diese Zahl um 44 Prozent gestiegen. Ich darf eines sagen: Die Abschaffung des Pendlerpauschales ist mit der Österreichischen Volkspartei nicht zu machen. Ich möchte aber eine Lanze für dich brechen, denn du wurdest da falsch interpretiert. Das Pendlerpauschale muss bleiben und eventuell sogar noch ausgebaut werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrät:innen Schachner und Schumann.)

Ich darf dir liebe Grüße vom Obmann der Steirischen Pendlerinitiative und vom Obmann der Österreichischen Pendlerinitiative Peter Amreich übermitteln. Ich habe gerade noch einmal mit ihm geschrieben: Er hat dir mehrere E-Mails und einen Brief geschickt, aber er hat leider noch keine Antwort bekommen. Es geht


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um eine große Bitte aus der Steiermark, nämlich um den Ausbau der A 9, um die dritte Spur.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht dabei um einen Raum, der in den nächsten Jahren einwohnermäßig um 5 Prozent und betrieblich um 11 Prozent wachsen wird. Es gibt eine Studie der TU, die besagt, dass wir aktuell eine Auslastung von 103 Prozent haben. Versucht einmal, in einen Kübel mit Wasser 103 Prozent hineinzubringen, das würde überlaufen. Das Überlaufen funktioniert zurzeit so, dass die Pendlerinnen und Pendler in die Ortschaften ausweichen, dort ein Chaos herrscht, was für die Anrainer eine Katastrophe ist. Österreichische Berühmtheit erlangt die A 9 jeden Tag in der Früh – man braucht nur Ö 3 einzuschalten, dann hört man in den Nachrichten: Es staut sich!, Es staut sich!, dann passieren Unfälle, dann wird ausgewichen, und das ist eine Katastrophe.

Ich darf dazu sagen: Auch die E-Automobile brauchen eine Straße, und dafür plädiere ich und darum bitte ich dich, dass du dich einsetzt und – sagen wir es ganz einfach – nicht mehr blockierst.

Wir als ÖVP haben immer Lösungen parat, und die Lösungen stehen im Öster­reichplan unseres Bundeskanzlers. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen: Innovation durch Forschung! 1 Milliarde Euro in die Forschung investieren, 20 Milliarden Euro in die Infrastruktur, Ausbau des öffentlichen Verkehrs, eine Wasserstoffstrategie 2030, Forschung und Entwicklung vorantreiben, Technologieoffenheit – das ist die Mobilität der Zukunft. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das macht ihr dann, wenn ihr in der Regierung seid! Sobald ihr in der Regierung seid, macht ihr das! Sobald die ÖVP in der Regierung ist, setzt ihr das um!)

20.30


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.


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Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Horst Schachner. Es sei ihm erteilt. (Bundesrätin Miesenberger: Jetzt kommt der nächste Wunsch! – Bundesrat Schachner – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Na, wünschen tun wir uns nichts!)


20.31.08

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Lieber Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schauts, ich muss ja aufpassen, was ich hier sage, ich kann jetzt nicht Kasperltheater sagen, aber zwischendurch denke ich mir schon, dass ich im falschen Verein bin, denn wir sind hier schon im Parlament, und wenn man (Zwischenrufe bei der ÖVP) – hört zu, was ich sage! – so miteinander umgeht, dann ist das nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.) Ich sage es euch ganz ehrlich, es wird uns keiner mehr ernst nehmen, wenn man in einem Parlament so miteinander umgeht. Das wollte ich euch nur einmal mitgeben.

Vielleicht ganz kurz, für mich persönlich: Für ein Klimaticket werben, auf ein Klimaticket schauen, das ist gut gelungen, viele sind umgestiegen, aber wenn man dann nicht darauf schaut, dass die ÖBB wirklich fahren und dass sie ihr Angebot erweitern und nicht zurücknehmen, ist es ein riesengroßes Problem. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Allein was die Beschäftigten dort mitmachen! Die Beschäftigten werden jeden Tag beschimpft. Zu ihnen wird immer wieder gesagt: Was seid ihr für Leute? Ihr kommt zu spät, auf euch kann man sich nicht verlassen. – Das ist früher ganz anders gelaufen, und das sollte einfach nicht in dieser Form passieren.

Ich habe mir das ein bisschen angeschaut. Es ist heute schon so viel dazu gesagt worden, aber im heurigen Jahr gehen bei den ÖBB 3 500 Leute in Pension – 3 500! Ich bin ja neugierig, welche Maßnahmen vom Management gesetzt werden, damit man die 3 500 Leute ersetzt und damit die 15 Prozent, die wir mehr brauchen, auch noch dazu aufgenommen werden, denn dann erst


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können sie das Ganze bewältigen; geschweige denn die ganzen Garnituren, die sie noch brauchen. (Bundesrat Zauner: Wie soll das mit einer 32-Stunden-Woche funktionieren?) – Mach dir keine Sorgen, ich komme noch zur Arbeitszeit­ver­kür­zung! (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der SPÖ.)

Es sind 3 500 Leute, die die ÖBB jetzt aufnehmen müssen, und in den nächsten Jahren geht ein Fünftel der kompletten Belegschaft in Pension. Die stehen also vor Riesenriesenherausforderungen und da müssen sie auch etwas machen.

Ich kann vielleicht noch dazusagen: Man muss auch schauen, dass man die Lehrlingsausbildung anständig forciert, dass Lehrlinge da sind, dass man Lehr­­linge auch übernehmen kann, dass sie dann auch weiter in dem Job arbeiten können. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Was hat man in der Vergangenheit gemacht? – Auch in den letzten Jahren hat man immer gesagt: Nein, es sind zu viele Lehrlinge. Wir brauchen keine Lehrwerkstätten, sperren wir die zu, sperren wir dort zu, sperren wir dort zu! Da sage ich euch ganz ehrlich: Das ist der falsche Weg.

Wie kann man einen Arbeitsplatz eigentlich attraktiv machen? – Indem man die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten verbessert. (Bundesrätin Schumann: Ja, genau!) Und die Rahmenbedingungen verbessern heißt auch nichts anderes, als zu schauen: Wie schaut es mit den Löhnen aus? Wie schaut es mit den Arbeitszeiten aus?

Wenn einer hier herinnen glaubt, dass es am Samstag, am Sonntag, an einem Feiertag oder zu Weihnachten und Silvester lustig ist zu fahren, dann hat er sich schwer getäuscht. Es ist da nicht lustig zu fahren, und man findet auch ganz schwer Leute, die sagen: Okay, ich will zu Weihnachten fahren, ich will zu Silvester fahren! Was muss man da machen? – Da muss man bei den Löhnen etwas machen, man muss bei den Rahmenbedingungen schauen, und man muss auch über Arbeitszeitverkürzung reden. (Beifall bei der SPÖ.) Das wird nicht anders gehen. Da kannst du da hinten (in Richtung Bundesrat Zauner) deuten, wie


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du willst, es wird nicht anders gehen, denn sonst werden wir die Leute in Wirklichkeit nicht mehr kriegen. So schaut nämlich die Wahrheit aus.

Vielleicht noch ganz kurz zur A 9, weil sie heute angesprochen worden ist: Die ist für uns in der Steiermark ein wichtiger Punkt. Ich sage euch, wenn man tagtäglich von Leibnitz Richtung Graz fährt, steht man 1 Stunde, 1,5 Stunden im Stau. Viele, viele Autos weichen jetzt schon aus, fahren auf den Landesstraßen, durch die Ortschaften, die sind jetzt auch schon verstopft. – Also da muss jetzt etwas geschehen, diese Straße muss einfach ausgebaut werden!

Man muss auch sehen, dass gewisse Pendler, die noch dazukommen, dort fahren. Ich sage euch warum: Nicht alle wohnen in Leibnitz. Die schwirren ja von überall herein und kommen von überall herein, und wir haben nirgendwo Park-and-ride-Plätze, wo die Leute ihre Auto stehen lassen können. Außerdem hätten wir auch nicht die Kapazitäten hinsichtlich der Eisenbahn. Deshalb ist es immens wichtig, die A 9 auszubauen, weil wir die in der Steiermark einfach brauchen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und FPÖ.)

Weil es heute schon ein paar Mal angesprochen worden ist, vielleicht zum Schluss noch ganz kurz zu den Spritpreisen und wie es den Menschen geht, die tagtäglich pendeln: Irgendwer hat heute gesagt, Benzin oder Diesel kosten ungefähr 1,80 Euro. Ich sage euch etwas: Ich war vor zwei Wochen zwei Tage in Kroatien und habe meinen Augen nicht getraut, dass dort auf der Autobahn der Diesel 1,38 Euro gekostet hat. Ich habe meinen Augen nicht getraut, dass er in Slowenien – in unserem Nachbarstaat! – 1,45 Euro gekostet hat. Und bei uns kostet er 1,80 Euro! Heute bin ich über die Autobahn hierher gefahren, und auf der Autobahn kostet er über 2 Euro. Wirklich, jetzt frage ich euch: Wer soll sich das denn noch leisten können, wenn er tagtäglich auf das Auto angewiesen ist und pendeln muss? (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Richtig!)

Da gehört etwas gemacht. Jetzt sind Kroatien und Slowenien nicht die reichsten Länder, aber die haben gewusst, was ihre Leute brauchen, und das fordere ich auch von euch ein: dass ihr endlich einmal etwas tut, damit die Menschen nicht


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in Armut geraten und sich die Menschen das Autofahren auch einfach wieder leisten können! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

20.36


Vizepräsident Dominik Reisinger: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Bernard. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


20.36.52

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren – im Saal sind keine mehr anwesend, also nur mehr vor den Bildschirmen! „Stressfrei in die Arbeit pendeln – Lassen Sie den Stau stehen und kommen pünktlich ans Ziel“, so lautet das Motto auf der Homepage der ÖBB. Und dann noch der Slogan: „Die tägliche Autofahrt in die Arbeit kostet Zeit, Nerven und Geld.“

Wer tagtäglich mit dem Zug in die Arbeit pendelt, wird meiner Meinung nach jetzt eher an einen Scherz denken. Wenn es nicht so ernst wäre und es mittlerweile nicht massiv auf die Psyche vieler Pendler gehen würde, müsste man ja fast darüber lachen. In der Praxis sind es aber doch tagtäglich die ÖBB, welche den Pendlern und den zugfahrenden Gästen Nerven kosten.

Damit die arbeitenden Personen pünktlich in die Arbeit oder Kunden der ÖBB pünktlich zu ihrem Termin kommen, fahren sie mittlerweile zur Sicherheit zwei Züge früher. Schließlich weiß man ja schon, dass es durchaus wieder sein könnte, dass der Zug wie meistens Verspätung hat oder gar ausfällt.

Ist man dann einmal im Zug drinnen, fängt der ganze Stress so richtig an. Besonders zu den Stoßzeiten oder wenn eben wie so oft ein Zug ausgefallen ist, kämpft man um einen Sitzplatz. Vollgestopfte Züge sind Alltag. Wenn man einen Sitzplatz ergattert, hat man wirklich Glück. Meist stehen die Personen aber


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mittlerweile außerhalb des Abteils dicht gedrängt, manche setzen sich bei den alten Zügen, die eh schon aus dem Museum wieder reaktiviert worden sind, auch schon müde auf die Stiegen. Junge Menschen sitzen auf dem Boden.

Es wundert einen dann nicht, wenn man liest, dass man für eine Antwort auf einen Antrag zum Thema Fahrgastrechte und Erstattung im Durchschnitt eine Wartezeit von bis zu vier Wochen hat. Die Bahnkunden bezahlen für eine Dienstleistung, welche sie, wenn man die Versprechen auf der Homepage liest, nicht erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine weitere Farce sind die Pünktlichkeitswerte im Personennahverkehr. Da wird mit einer durchschnittlichen Zeitverzögerung von 5 Minuten geworben, wie uns ja die Frau Minister vorhin erzählt hat. Auch die Zotter-Entschuldigungs­scho­ko­lade-Verteilaktionen an den Bahnsteigen werden den Bahnkunden den Unmut und Ärger nicht versüßen. (Bundesrat Buchmann: Aber die Schokolade ist gut! Eine steirische Schoko!)

Ende 2018 zogen die ÖBB Bilanz: Ein Umsatz von 5,6 Milliarden Euro wurde genannt, plus 25 Prozent mehr zufriedene Zuggäste. – Ja, es war ja auch ein blauer Minister, welcher dieses Ressort über hatte, nämlich unser Norbert Hofer. (Beifall bei der FPÖ.)

2 Milliarden Euro wurden in Neu- und Ausbauten der Infrastruktur investiert. 400 Millionen Euro wurden 2018 in neue Züge und Garnituren investiert. Bis 2024 wollte man 2,8 Milliarden Euro in den Personenverkehr investieren. Auch die Pensionierungswelle hatte er im Fokus, deshalb brauchte es damals 10 000 neue Mitarbeiter.

Ich frage mich, Frau Minister: Was haben Sie in den letzten Jahren für die österreichischen Bahnkunden weitergebracht? Was haben Sie dafür geleistet? 2020 haben Sie den neuen ÖBB-Fahrplan mit dem Slogan „Mehr Züge – mehr Platz – mehr Sicherheit“ präsentiert. Im Nahverkehr haben Sie den Ausbau der


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S-Bahn versprochen. Längere Betriebszeiten, verbesserte Intervalle hätte es geben sollen, neue Doppelstockzüge hätten beschafft werden sollen. Ja, Sie hatten mit Ihrem größten Klimaschutzunternehmen, den ÖBB, zwar viel vor, aber irgendwie scheint es, Sie sind mit allen Ressorts überfordert und haben völlig den Überblick verloren. Sie zwingen der österreichischen Bevölkerung die grüne Transformationsideologie mit all Ihren Maßnahmen auf und verlieren völlig den Überblick über die wirklich wichtigen Dinge des täglichen Lebens für die Menschen.

Tagtäglich – wir haben eh schon das eine oder andere Mal gehört – pendeln 200 000 Niederösterreicher nach Wien und umgekehrt 80 000 Wiener zu ihrer Arbeit nach Niederösterreich. 120 000 Personen aus der gesamten Ostregion haben sich ein Klimaticket gekauft, also bestimmt auch viele Pendler. Dazu kommen noch die niederösterreichischen Region- und Metropolregiontickets. Allein diese machen in Niederösterreich 85 000 Tickets– plus 15 000 Jahres­streckenkarten – aus. Die ÖBB haben den Pendlern diese teuren Tickets verkauft, und nun verkünden dieselben letzte Woche am Montag den Notfall­fahrplan.

Es haben sich bereits mehrere Pendlergruppen auf Facebook etabliert, in denen die leidgeplagte Bevölkerung ihren Frust über die Verspätung der Züge und die vielen Komplettausfälle beschreibt.

Meinen Heimatbezirk Mistelbach betrifft das Versagen von Ihnen, Frau Minister, und der ÖBB doppelt. Auf der einen Seite haben wir die Nordbahn und auf der anderen Seite die Laaer Ostbahn.

Beginnen möchte ich mit der Nordbahn: Da geht es nicht um Einzelfälle, sondern da geht es bereits um Statistiken, wie oft welcher Zug ausfällt. Statistisch gesehen fallen am meisten zum Beispiel die Züge um 6.33 Uhr in Bernhardsthal aus, die Züge um 15.57 Uhr, 16.27 Uhr, 16.57 Uhr von Leopoldau nach Bernhardsthal, und so weiter.


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Mir hat eine Mutter geschrieben, die tagtäglich mit ihrer sechsjährigen Tochter auf den Zug angewiesen ist. Sie schreibt: Ich bin seit Anfang Jänner so weit, dass mein Wecker das erste Mal um 4.30 Uhr läutet, damit ich schaue, ob der Zug fährt. Sonst stehe ich um 5.30 Uhr auf. Falls nicht, habe ich noch Zeit, um mein Kind aufzuwecken und fertig zu machen. Es ist für meine sechsjährige Tochter auch extrem mühsam. Weiters sind meistens die Toiletten versperrt, die Fäkali­entanks voll und so weiter.

Ähnlich sind die Einträge der Bevölkerung, die auf die Laaer Ostbahn ange­wiesen und mit ihr unterwegs sind. Da sind die Pendler im Schnitt pro Woche 6 bis 9 Stunden länger unterwegs, um zur Arbeit und zur Schule zu kommen. Durch Ihre Versäumnisse, Frau Minister, der letzten Jahre verlieren Mitarbeiter mittlerweile ihre Jobs, Beziehungen gehen zu Bruch, Schularbeiten werden versäumt.

Sie, Frau Minister, haben noch mit den grünen Landtagsabgeordneten aus Niederösterreich Pressekonferenzen gegeben. Gemeinsam haben auch ÖVP-Bundes- und Landespolitiker die Durchführung des zweigleisigen Ausbaus der Laaer Ostbahn verkündet. Das waren wieder nur leere Versprechungen.

Der Einzige, der in den eineinhalb Jahren, in denen er Verkehrsminister war, etwas weitergebracht hat, war Norbert Hofer. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesministerin Gewessler.) – Ja, Sie können lachen, aber in diesem Zeitraum wurde wenigstens die Planung fertiggestellt. Was haben Sie, Frau Minister, daraus gemacht? – Sie haben auf der Strecke einen Teil des Unterbaus neu gemacht – ja, Frau Minister –, aber eingleisig, und eine neue Brücke eingleisig errichtet.

Jetzt rufen Sie zu mir am Rednerpult herüber, dass das eine Lüge ist. (Bundes­ministerin Gewessler: Ich habe gar nichts gesagt!) – Das stimmt nicht. Sie können hinausfahren. Setzen Sie sich in den Zug und schauen Sie sich an, ob der Unterbau, der neu gemacht wurde, eingleisig ist und ob die neue Brücke ein­gleisig ist! (Beifall bei der FPÖ.) Also sagen Sie nicht zu mir am Rednerpult als


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Ministerin, dass ich lüge! (Widerspruch der Bundesministerin Gewessler.) Das weise ich vollkommen zurück. Hören Sie auf, hören Sie auf! (Ruf bei den Grünen: Das hat sie nicht gesagt! Sie hat das nicht gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Das ist Ihre scheinheilige Verkehrspolitik. So sieht die grüne Verkehrspolitik aus, mit der zulasten der ländlichen Bevölkerung das Autofahren so - - (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger – in Richtung Präsidium –: Das geht so nicht!)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Herr Bundesrat Bernard, es hat am Präsidium kein Mensch einen Zwischenruf der Ministerin gehört.


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Sie hat zu mir gesagt, das ist eine Lüge. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Nein! Nein! Das ist eine Lüge! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) – Also ich bin ja nicht törisch! (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Na, Entschuldigung?) – Reden Sie! Sie können ja nachher noch herauskommen.

Der ländlichen Bevölkerung wird das Autofahren so verteuert, dass es für viele unleistbar wird. Um aber auf der anderen Seite die Bevölkerung zusätzlich vom Versagen der schwarz-grünen Bundesregierung abzulenken – natürlich aus wahlkampftechnischen Gründen –, wird schwarzer Sand mit falschen Beschul­digungen verteilt.

Ich fordere Sie auf, zum Wohle der Pendler die noch verbleibende Zeit zu nutzen, um die von Ihnen verursachten Missstände so schnell wie möglich zu beheben.

Jetzt kommen wir zur faktenbasierten Debatte. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.) –Ja, ihr könnt ruhig lachen.

Marlies Doppler hat mehrmals gesagt: Adolf Gross (Bundesrätin Schumann: Na geh!), und Sie haben die ganze Zeit gesagt, das stimmt nicht. Also auf der Website von Vorarlberg steht die E‑Mail-Adresse adolf.gross@vorarlberg.at, und ich habe jetzt (ein Smartphone in die Höhe haltend) in der Zwischenzeit ein E-Mail


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an diese E‑Mail-Adresse geschickt, und es ist nicht zurückgekommen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Also wird es stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber zur faktenbasierten Debatte: Was wollen Sie mehr? Wollen Sie (neuerlich das Smartphone in die Höhe haltend) von den Pendlerinitiativen die ganzen Zugausfälle des heutigen Tages sehen? Sie haben gesagt: 5 Minuten Verspätung im Durchschnitt, bis zu 15 Minuten. (Bundesministerin Gewessler: Das habe ich nicht gesagt!) – Da auf der Facebook-Seite sieht man, dass die Züge stunden­weise ausfallen. Also ist es keine 5-Minuten- oder 10-Minuten-Verspätung (Ruf bei den Grünen: Das hat niemand gesagt!), sondern die Leute stehen bis zu 1 Stunde auf dem Bahnsteig.

Unter Norbert Hofer wurde zum Beispiel eine Blaulichtgarnitur eingeführt, damit die Züge auf der Strecke der Nordbahn nicht mehr umdrehen. Sie waren diejenige, die das Ganze wieder abgeschafft hat – so viel zum Thema: Für die Pendler. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe bis jetzt immer geglaubt, Hasspolitik gibt es nur in den Moscheen, aber wenn man sich unseren Adolf Gross anhört oder Adi Gross, wie er sich nennen will (Zwischenruf der Bundesrätin Huber), dann weiß man, was Hasspolitik ist: Hasspolitik gegen die Autofahrer. Man hört das aus jedem Wort heraus.

Für mich selbst gibt es nur eines, Frau Minister: Es ist höchste Eisenbahn für Ihren Rücktritt. Ihr politischer grüner Zug ist schon längst abgefahren. (Beifall bei der FPÖ.)

20.47


Vizepräsident Dominik Reisinger: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Gibt es noch Wortmeldungen? – Es gibt eine Wortmeldung von Bundesrat Schreuder. – Bitte.



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20.47.56

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es war eine sehr emotionale Debatte. Ich bin schon so lange in der Politik, dass ich weiß, dass Verkehrspolitik immer sehr emotional besetzt ist. Das ist etwas, das die Demokratie auch aushält. Was die Demokratie meiner Meinung nach allerdings nicht aushält, ist absolute Respektlosigkeit und wenn nicht inhaltlich debattiert wird, sondern Menschen persönlich diffamiert und angegriffen werden. (Allgemeiner Beifall.)

Wir reden hier im Haus so oft über die Wertigkeit des Bundesrates, darüber, dass wir dazu beitragen sollten, dass man den Bundesrat ernst nimmt. Ich möchte hier jetzt einen kleinen Beitrag leisten. Schaffen wir es vielleicht, uns inhaltlich auseinanderzusetzen, ohne dass man Menschen auf einer persönlichen Ebene angreift? Schaffen wir es?

Wir wissen alle, mit welchem Namen Adi Gross geboren wurde, aber wir wissen auch, dass er sich hier im Parlament als Adi Gross angemeldet hat, dass er als Adi Gross auf der Website des Parlaments steht und dass er so genannt werden will. Mit einem Hauch Respekt und Anstand kann man ihn dann auch so nennen. Wenn man ihn nämlich nicht so nennt, wie er genannt werden will, dann will man ihn persönlich diffamieren. Darum geht es. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Eines noch: Wenn wir hier weiter so debattieren, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn immer mehr Menschen sagen, dass dieser Bundesrat keinen Sinn hat. Wenn wir wieder ernst genommen werden wollen, dann lasst uns bitte wieder auf eine sachliche, inhaltliche Diskussion zurückkommen! Die kann hart geführt werden – ich bin auch schon lange im Haus; inhaltlich darf sie hart geführt werden, kein Problem! –, es soll aber zumindest auf eine menschliche, kollegiale Art passieren.

Wenn zum Beispiel – und wir wissen es; sorry, Adi, dass ich das jetzt so sage – hier draußen jemand, von dem alle von uns wissen, dass er eine Hörbehinderung


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hat, nicht hört, dass extreme Unruhe besteht, dann kann man mit ein bisschen Empathie verstehen, dass das für ihn eine sehr unangenehme Situation ist. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Nun kann man nachlegen und ihm diese unangenehme Situation noch unangenehmer machen, man kann aber auch Respekt und Kollegialität zeigen (Bundesrat Steiner: Das gilt aber für ihn auch!) und wissen: Okay, ich rede mit ihm, ich melde mich nachher zu Wort. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

20.50


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christian Fischer. Ich erteile es ihm.


20.50.56

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen! So, ich komme noch einmal zur Sache. Die mangelnde Attraktivität des öffentlichen Verkehrs ist leider auch in unserer Region ein großes Problem. Das Angebot lässt bei uns sehr zu wünschen übrig.

Ihr Ministerium und das Land Niederösterreich bewerben die Attraktivierung der Traisentalbahn als Leuchtturmprojekt: umweltfreundlicher Elektrobetrieb mit hundertprozentig grünem Bahnstrom, die Neugestaltung aller Bahnhöfe, die Erweiterung der Park-and-ride- und Bike-and-ride-Anlagen, eine Reihe von Eisenbahnkreuzungen sollen aufgelassen werden. Das soll mehr Komfort und Qualität beim Bahnfahren und ein Plus an Sicherheit für Straße und Schiene garantieren. – So weit, so gut.

Erklären Sie bitte unseren Bürgermeistern von Sankt Aegyd, Hohenberg, Türnitz, Eschenau, Kleinzell, Ramsau oder Kaumberg, wie sie die Attraktivierung der Traisentalbahn ihren Gemeindebürgern schmackhaft machen sollen! (Zwischenruf der Bundesrätin Böhmwalder.)


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Ich darf Ihnen das Beispiel Hohenberg näherbringen: Hohenberg ist 35 Kilo­meter von unserer Landeshauptstadt entfernt. Mit dem Auto braucht man je nach Verkehrslage 40 Minuten nach Sankt Pölten. Mit dem Fahrrad braucht man je nach körperlicher Verfassung 1 Stunde und 30 Minuten nach Sankt Pölten. (Bundesrat Ebner: Bist du aber schlecht!) Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln muss man für dasselbe Fahrziel bis zu 1 Stunde und 38 Minuten einrechnen. Das wird sich nach der Attraktivierung der Traisentalbahn auch nicht ändern, da auf die abgelegenen Zubringergemeinden leider vergessen wurde. Diese Proble­matik betrifft natürlich viele Gemeinden in Niederösterreich. Ich ersuche Sie, stellvertretend für alle Betroffenen, um eine entsprechende Lösung dieses Problems!

Zum Schluss meiner Rede muss ich Sie noch loben, Frau Ministerin: Unserer langjährigen Forderung, den Halbstundentakt Richtung Hainfeld wieder einzuführen, wird endlich Rechnung getragen. – Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Böhmwalder.)

20.53


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlies Doppler. Ich erteile es ihr.


20.53.16

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Kollege Schreuder hat uns erklärt, wie sein Kollege genannt werden möchte und was er nicht haben möchte. – Ja, wir Freiheitliche möchten von Herrn Gross auch nicht als rechtsradikal bezeich­net werden – und ich gebe dieselben Worte zurück: Mit ein bissel Respekt und ein bissel Anstand, wenn man ihn zeigt, sagt man das nicht. Sonst gibt man den Menschen das Gefühl, dass man sie persönlich diffamieren möchte.

Ich bin nur deswegen rausgegangen, weil ich mich dezidiert nicht – und ich spreche da jetzt für die ganze Fraktion –, wir uns nicht von Ihnen als Rechts­radikale bezeichnen lassen – mit Sicherheit nicht! (Beifall bei der FPÖ.) Wir


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wissen uns zu wehren; das ist das Gleiche zurück. Ich werde sonst den Namen so nennen, wie er veröffentlicht ist – und da können Sie bitzeln, was Sie wollen.

Was die Hörbehinderung betrifft: Kollege Schreuder, bei allem Respekt, Sie wissen, ich bin am linken Ohr taub, ich habe einen Behindertenausweis. So, wie Sie reingeplärrt haben – ich meine, ich habe ja angefangen, Lippen zu lesen, das ist auch kein Problem. Ich bitzle auch nicht so herum oder bin so wehleidig deswegen. Ich sage es halt: Ja, ich bin hörbehindert oder bin auf einer Seite taub. Das hat man zu respektieren – aber wenn ich einmal etwas nicht höre, dann führe ich mich auch nicht so auf. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

20.54


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Daniel Schmid. Ich erteile es ihm.


20.54.46

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, es ist spät. (Ruf bei der FPÖ: ... spät!) Ich halte mich auch kurz, aber ich muss jetzt noch auf die Worte des Herrn Bundesrates Bernard replizieren. Er hat nämlich vom Versagen der ÖBB gesprochen – und ich glaube, werter Kollege, Sie haben ganz offensichtlich bei meiner Rede nicht zugehört.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB schaffen unter enormen Anstren­gungen am Tag 7 000 Fahrten – 7 000 am Tag! Wir reden von 4 Millionen Überstunden. (Zwischenruf bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Wahnsinn!) Wir reden von einer halben Million Urlaubstagen, die noch offen sind, und von 1,3 Mil­lionen Nachtfaktorstunden – und da reden Sie von Versagen der ÖBB?! Wissen Sie was? – Wenn wir, die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, nicht so hackeln würden, wie wir hackeln, dann würde der Laden schon gar nicht mehr laufen – also reden Sie nicht vom Versagen der ÖBB! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­rät:innen der ÖVP. – Bravoruf bei der SPÖ.) Das ist absolut respektlos gegenüber diesen Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern, die sich tagtäglich den Arsch


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aufreißen, damit wir hier in Österreich eine ordentliche Eisenbahn haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

20.56


Vizepräsident Dominik Reisinger: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Spanring. Ich erteile es ihm.


20.56.28

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich merke, die Freude ist wieder einmal groß, wenn ich ans Rednerpult trete. Es ist leider so: Ich habe jetzt nur 20 Minuten Zeit, aber ich werde wahrscheinlich knapp damit auskommen.

Ich möchte ganz kurz auf einige Kollegen replizieren, und zwar besonders auf die Rede des Herrn Schreuder, der heute wieder einmal imposant gezeigt hat, wie man hier heraußen mit Gutmenschlichkeit umgeht, und uns erklärt hat, wie man mit Respekt miteinander umgeht. Viele haben schon wieder vergessen, dass auch er es war, der einmal bei unserer Fraktion vorbeigegangen ist – damals noch bei Monika Mühlwerth – und zu uns Scheißnazis gesagt hat. Nur so zum Drüberstreuen! (Bundesrat Schreuder: Na, das hab ich nicht gesagt! – Ruf bei der FPÖ: O ja! – Bundesrat Schreuder: Ich hab Rechtsextreme gesagt!) – Nein, Nazis hast du gesagt, aber es ist okay, weil du dich dafür entschuldigt hast. Das soll so sein, aber ich will nur sagen: Manchmal geht es halt in der Emotion mit einem durch.

Das Zweite ist: Herr Gross ist sehr wohl auch derjenige, der heute alle von der FPÖ als Rechtsradikale bezeichnet hat. – Ja, wir nehmen das zur Kenntnis, aber sich dann hierherzustellen und zu sagen, dass wir mit mehr Respekt miteinander umgehen müssen, das ist halt schon ein bisschen sehr (Ruf bei der FPÖ: Heuch­lerisch!), ja, doppelbödig und heuchlerisch. (Beifall bei der FPÖ.)


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Zur Rede von Herrn Gross gibt es eigentlich gar nicht viel zu sagen. Es gäbe einiges, das man korrigieren könnte (Unruhe im Saal), aber ich mache es nicht, weil es eine einfache Methode gibt: Normalerweise ist es so, dass wir unsere Reden einfach immer auf Facebook posten, und dann sehen die Leute sie, aber das war heute die beste Werbung für uns. Ich poste heute seine Rede, weil mir keine meiner Reden mehr Stimmen bringt als seine Rede. Das ist fix. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn davon geredet wird, dass es nie der Fall war, dass das Pendlerpauschale abgeschafft werden soll, dann möchte ich schon eines sagen: Gerade ist Herr Adi Gross hier heraußen gestanden und hat uns groß verkündet: Na ja, es wäre schon gescheit, wenn es so wäre, weil es ja so unfair ist. – Die Frau Minister oder irgendjemand hat gesagt: Na ja, wir würden ja niemals eine Mehrheit dafür finden. (Heiterkeit und Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Ihr habt also schon damit geliebäugelt, ihr wolltet das schon machen. Seid also bitte ehrlich zu uns, dann können wir auch wirklich darüber reden. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann zu Bundesrat Schmid: Immer, wenn es um die ÖBB geht – ich verstehe das –, fühlst du dich als Lokführer persönlich angegriffen, aber es ist kein Angriff gegen dich. Und auch, was Michael Bernard gesagt hat, war natürlich bitte nicht gegen die Mitarbeiter. Wir wissen doch, was die Mitarbeiter draußen leisten. Es geht um die unfähige Führung der ÖBB und vor allem um das unfähige Minis­terium. (Bundesrätin Schumann: ... die ÖBBler ...!) Darum geht es. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege, das ist das Gleiche, wie wenn wir den Grenzschutz bei uns kritisieren: Dann kritisieren wir – und das weißt du genau – auch nicht die Polizisten und die Soldaten, die draußen stehen, sondern die Unfähigen im Ministerium, die halt nichts auf die Reihe kriegen oder auch beim Personal leider nichts auf den Weg bringen.

Nur eines möchte ich dir schon auch sagen, lieber Kollege Schmid: Du hast gesagt, Norbert Hofer war es. – Norbert Hofer war weniger als eineinhalb Jahre


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als Verkehrsminister im Amt, und er war es, der nach elf Jahren SPÖ-Verkehrs­ministern und wirklich vielen Verschlechterungen als Erster die Nahver­kehrsmilliarde – die hat es vorher noch nie gegeben – auf den Weg gebracht hat.

Wenn du dann sagst, Bestellungen sind im Jahr 2021 nicht gekommen, dann gebe ich dir recht. Das ist dann an die Firma Siemens übergeben worden. Welch Zufall, das Gut Aiderbichl der SPÖ, großer Zufall! Ja, gut! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Das Zweite ist, es sind dann Zuggarnituren, Züge nicht geliefert worden. Ja warum sind die nicht geliefert worden? Kann es vielleicht sein, dass sie aufgrund der Coronamaßnahmenpolitik, die die SPÖ mitgetragen hat, nicht fertiggestellt worden sind und auf einmal keine Chips und keine Kabel mehr lieferbar waren? Kann das sein? – Genau so war es. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wir behaupten aber, Norbert Hofer war es, ja, genau. (Beifall bei der FPÖ.) Also da sind wir schon weit weg von der Realität.

Auch dem Kollegen Stotter möchte ich etwas mitgeben. Kollege Stotter hat in ein ähnliches Horn geblasen, hat aber selber dabei immer lachen müssen, weil er genau gewusst hat, dass das jetzt nicht ganz ernst gemeint sein kann. Unter anderem hat er auch in Niederösterreich den Verkehrslandesrat Udo Landbauer kritisiert, der gerade einmal weniger als ein Jahr im Amt ist. (Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen: Mah!)

Jetzt muss man sich das einmal geben: Es hat noch nie vorher so viel Geld wie jetzt für den öffentlichen Verkehr in Niederösterreich gegeben. Noch nie! Nur, man muss unterscheiden: Udo Landbauer ist der –ich habe es mir aufge­schrieben –, der drei Millionen zusätzliche Zugkilometer bei den ÖBB bestellt hat. Aber wer ist schuld? Wenn man einen Bus für 50 Personen bestellt und das Busunternehmen unfähig ist, dafür zu sorgen, dass er kommt, wer ist dann schuld? Der, der den Bus bestellt hat, oder der, der den Bus verwaltet und unfähig ist? – Also in dem Fall das Ministerium.


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Wenn ich sage die ÖBB, dann meine ich nicht die Mitarbeiter wie einen Zug- oder einen Lokomotivführer oder einen Zugbegleiter oder einen Sonstigen, denn wir wissen, die leisten großartige Arbeit. Da muss man schon die Kirche im Dorf lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wirklich ein Problem ist und weil heute auch von Verkehrstoten geredet wurde: Herr Gross, Sie haben das angesprochen. Ihnen ist schon klar, dass Ihre Ministerin es ist, die einfach Nationalratsbeschlüsse negiert und nicht umsetzt. Das, was sie macht, ist ein Gesetzesbruch, und das wird mit Sicherheit auch noch ein Nachspiel haben. Gerade in Wiener Neustadt – ich weiß jetzt leider die Bezeichnung der Straße nicht, aber da hinaus Richtung Burgenland – ist schon wieder ein schwerer Verkehrsunfall passiert. Warum? – Weil die Frau Ministerin mit der Umsetzung der Straße säumig ist, weil es ihr einfach wurscht ist, denn sie will halt die Autofahrer nicht, und darum bauen wir keine Straßen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Zauner: S 8!) – S 8, danke dir, Herr Kollege.

Auch ganz interessant, weil immer dieses Stadt-Land-Gefälle kommt: Ja, es ist richtig, wenn man in Wien wohnt, dann braucht man kein Auto, dann steigt man wahrscheinlich vor der Türe in die nächste Bim, in den nächsten Bus, in die nächste U-Bahn ein. Aber wenn man im Waldviertel zu Hause ist oder in Lilienfeld oder in Wiener Neustadt – gut, da geht es vielleicht noch mit dem Zug –, in einem Flächenbundesland wie Niederösterreich, dann hat man das dort nicht, dann geht das nicht.

Herr Adi Gross hat uns gerade erklärt, dass wir zukünftig wahrscheinlich auch mit dem Zug ins Krankenhaus fahren werden und mit dem Zug wahrscheinlich der Billa beliefert wird. – Das funktioniert alles nicht. Wir werden Straßen brauchen, ansonsten ist unser Leben kaputt.

Jetzt wieder zurückkommend nach Wien: Es ist schön, wenn man 365 Tage im Jahr die Öffis für 365 Euro benutzen kann. Jetzt frage ich Sie aber: Sind diese 365 Euro kostendeckend? – Nein, das glaube ich nicht. Was ist also der Fall? – Alle anderen, und zwar in erster Linie die Autofahrer, können das bezahlen,


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nämlich die Autofahrer, die am Land draußen gerne die Möglichkeit hätten. Wenn ich eine U-Bahn vor der Türe hätte, würde ich auch sofort einsteigen. Ich habe keine, ich brauche ein Auto. Wir draußen, wir müssen das alles zahlen, damit ihr schickimicki hier herinnen sagt: Oh, es ist so schön, mit den Öffis zu fahren. – Also nicht böse sein, das ist alles eine unehrliche Diskussion. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Schumann: Sollen in Wien U-Bahnen ...?)

Gleich weiter, weil die Frau Minister auch gesagt hat, wir sollen bei der Wahrheit bleiben: Sie redet von emissionsfreien Fahrzeugen. Emissionsfrei! Zeigen Sie mir einmal das Fahrzeug, das emissionsfrei ist! Wir haben gestern im EU-Ausschuss zum Thema emissionsfrei geredet. Wissen Sie, ich war voriges Jahr – ich erzähle es jetzt gerne noch einmal – in Tulln bei der Feuerwehr. Unter anderem haben wir uns dort verschiedene Systeme angeschaut. Wir waren auch auf der Donau und haben uns dort Kreuzfahrtschiffe angeschaut. Das Kreuzfahrtschiff, ein ganz großes auf der Donau, wird durch einen Elektromotor angetrieben, alles, was es gibt, wird dort elektrisch betrieben. Der Motor ist voll super, weil natürlich die Effizienz eine sehr große ist. Laut der Frau Minister ist dies ein emissionsfreies Fahrzeug. Was aber nicht dazugesagt wird, ist, dass natürlich für die Stromerzeu­gung ein Riesendieselmotor drauf ist, der ich weiß nicht wie viele Tausend PS hat, um den Strom zu erzeugen, damit das Schiff  angetrieben werden kann.

Wenn Sie emissionsfreies Auto sagen: Wir wissen, der Renault Zoe, das ist ein ganz kleines Auto, hat eine Batterie mit, ich müsste jetzt lügen, ich glaube, 250 Kilo, der Tesla S hat eine 750-Kilo-Batterie. Und Sie wollen jetzt, dass die Lkws auch mit Batterien betrieben werden, da reden wir von 2 000- bis 4 000-Kilo-Batterien. Und Sie reden von emissionsfrei?! Meine Damen und Herren, das ist alles glatter Lügenpopulismus. Seit heute weiß ich, Lüge darf ich nicht sagen, Lügenpopulismus darf man sagen, dafür bekommt man keinen Ordnungs­ruf. Darum sage ich: Das ist ein glatter Lügenpopulismus. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir von der E-Mobilität reden: Sie tun immer so, als wären wir gegen E-Mobilität. Nein, das sind wir nicht. Die E-Mobilität hat dort, wo sie gut und sinnvoll ist, ihre Berechtigung. Das Problem, das Sie haben: Sie wollen wieder


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einmal, wie bei vielen anderen Dingen, alles übers Knie brechen. Sie gehen her und sagen: So, ab jetzt gibt es nur das. Ich habe es auch gestern im EU-Aus­schuss gesagt: Wenn die E-Mobilität der Weisheit letzter Schluss wäre, dann würde sie sich sowieso durchsetzen, dann braucht man doch gar nichts anderes zu ver­bieten. Weil es eben aber nicht so ist, kommt die grüne Verbots- und Gebots­politik.

Jetzt im Moment hört man laufend Berichte, dass sich die E-Fahrzeuge immer schlechter verkaufen, und das, obwohl sie hoch subventioniert werden. Wenn man ein Dienstauto hat, zahlt man 1,5 Prozent Sachbezug, beim E-Auto zahlt man 0 Prozent Sachbezug. Also da geht es um richtig viel Geld, trotzdem steigen deshalb nicht mehr um.

Jetzt kommen wir noch zu den ÖBB und zum Zug. Noch einmal, Herr Kollege Schmid: Wenn ich die ÖBB kritisiere, meine ich nicht die Mitarbeiter, die machen einen tollen Job, sondern da meine ich wirklich das Ministerium. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Sie von den Grünen, gemeinsam mit der ÖVP – das müssen Sie sich leider gefallen lassen –, klopfen sich auf die Schulter und sagen: Wie toll, es gibt das Klimaticket, mit dem man das ganze Jahr gratis mit dem Zug fahren kann. Jetzt hat jeder die Möglichkeit, und es nutzen sie so viele mehr. Wissen Sie, warum jetzt so viele Leute mehr das Klimaticket nutzen? – Es wird schon sein, dass es der eine oder andere tut, weil es dort, wo man eine Verbindung hat, wirklich eine günstige Alternative ist. Alle anderen aber nutzen es deshalb, weil Sie das ganze Leben und auch das Autofahren so teuer gemacht haben, dass ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, anstatt der Stunde, die sie normal mit dem Auto in die Arbeit gefahren wären, jetzt zwei Stunden im Zug zu verbringen (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder), und zwar in vollen Zügen, denn einer fällt regelmäßig aus und kommt nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Schreuder hat jetzt hereingerufen: Na das ist so. (Bundesrat Schreuder: Habe ich gar nicht gesagt!) – Nicht, was hast du denn gesagt? (Bundesrat Schreuder: Öffi fahren ist aber auch schön!) Nein, nein, du hast gesagt, das ist so. Ja, da sind wir wieder bei dem, gell? Also ich bin nicht törisch, ich höre es.


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(Zwischenrufe bei den Grünen.) Da muss man schon sagen, wenn die Frau Minis­terin davon spricht, bei der Wahrheit zu bleiben, dann müssen wir auch wirklich bei der Wahrheit bleiben. Wir reden von Verspätungen, wir reden von Zug­ausfällen, wir reden von überfüllten Zügen.

Ich glaube, die Frau Ministerin hat das einfach falsch verstanden. Sie hat geglaubt, das Leben in vollen Zügen genießen bedeutet das, was wir jetzt haben. Da hat sie aber wirklich etwas falsch verstanden. Darum wird es Zeit, bitte, liebe Regierung: einmal Rücktritt und Neuwahlen! Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.09


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Adi Gross zu einer tatsächlichen Berichtigung. – Bitte.


21.09.08

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Apropos Wahrheit: Herr Abgeordneter Spanring hat behauptet, die Frau Ministerin und ich hätten gesagt, dass die Pendlerpauschale abgeschafft werden soll. Ich berichtige tatsächlich: Das haben weder sie noch ich gesagt. Im Gegenteil! Die Frau Ministerin hat gesagt, dass die Pendlerpauschale beibehalten wird. Wir haben beide gemeinsam gesagt, dass sie selbstverständlich reformiert gehört, und zwar zugunsten der Leute, die ein geringes Einkommen haben, um mehr soziale Gerechtigkeit bei der Pendlerpauschale herzustellen. (Beifall bei den Grünen.)

21.09


Vizepräsident Dominik Reisinger: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

21.10.01Einlauf


Vizepräsident Dominik Reisinger: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 15 Anfragen, 4143/J-BR/2024 bis 4157/J-BR/2024, eingebracht wurden.


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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 14. März 2024, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 12. März 2024, 14 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

21.11.02Schluss der Sitzung: 21.11 Uhr

 

 

 

 

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