Stenographisches Protokoll

60. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 20. März 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

60. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Dienstag, 20. März 2001

Dauer der Sitzung

Dienstag, 20. März 2001: 9.02 – 9.05 Uhr

12.03 – 17.27 Uhr

*****

Personalien

Verhinderungen 13

Ordnungsrufe 102, 102

Geschäftsbehandlung

Erklärung der Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer zum Thema "Gewalttäter gefährden die innere Sicherheit und Demokratie – Sicherheitsbeamte schützen Bürger und Rechtsstaat" im Sinne des § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung 61

Bekanntgabe 15

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 61

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 15

Redner:

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 66

Rudolf Parnigoni 67

Dr. Helene Partik-Pablé 69

Dr. Alexander Van der Bellen 71

Paul Kiss 74

Rudolf Edlinger 76

Ing. Peter Westenthaler 77

Dr. Peter Pilz 82

Mag. Walter Tancsits 85

Anton Gaál 86

Mag. Karl Schweitzer 88

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 90

Mag. Terezija Stoisits 92

Dr. Andreas Khol 94

Dr. Peter Kostelka 96

Helmut Haigermoser 97

Werner Miedl 98

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 100


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60. Sitzung / Seite 2

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen gegen Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz zum Schutze der Bürger und des Rechtsstaates – Ablehnung 68, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend die innere Sicherheit in Österreich, insbesondere die Sicherheit von Menschen jüdischen Glaubens, und die Gefährdung der Demokratie durch antisemitische Äußerungen – Ablehnung 73, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend zusätzlich 1 000 SicherheitsexekutivbeamtInnen – Ablehnung 87, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend keine Kürzung der Budgetmittel für die innere Sicherheit – Ablehnung 88, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Gaál und Genossen betreffend Bewahrung der kulturellen und religiösen Vielfalt in Österreich – Gewalt mit Worten und die Verwendung von Antisemitismen gefährden die innere Sicherheit und Demokratie in Österreich – Ablehnung 88, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Paul Kiss und Genossen betreffend "Gewalttäter gefährden die innere Sicherheit und Demokratie – Sicherheitsbeamte schützen Bürger und Rechtsstaat" – Annahme (E 69) 90, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde angesichts der Gefährdung jüdischer MitbürgerInnen und der inneren Sicherheit sowie der Demokratie durch antisemitische Äußerungen – Ablehnung 93, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend Eintreten der Bundesregierung für den Schutz der Menschenrechte, der Stärkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – Annahme (E 70) 94, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend Verurteilung von Rassismus und Antisemitismus – Annahme (E 71) 97, 102

Unterbrechungen der Sitzung 15, 84

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend das von Bundesminister Mag. Herbert Haupt erwähnte Schreiben an den Verfassungsgerichtshof 28


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60. Sitzung / Seite 3

Wortmeldungen im Zusammenhang mit der Erklärung der Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer:

Dr. Alexander Van der Bellen 65

Dr. Peter Kostelka 65

Ing. Peter Westenthaler 65

Feststellung des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend Durchsicht des Protokolls über die Äußerungen der Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 65

Wortmeldungen im Zusammenhang mit den Äußerungen des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler sowie Ersuchen auf Erteilung von Ordnungsrufen:

Dr. Peter Kostelka 80

Dr. Alexander Van der Bellen 81

Dr. Andreas Khol 81

Ing. Peter Westenthaler 81

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die "gemeinsame Verantwortung aller" gegenüber der österreichischen Öffentlichkeit 85

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Bestehen eines inhaltlichen Zusammenhanges der in der Debatte über die Erklärung der Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer eingebrachten Entschließungsanträge zum Verhandlungsgegenstand 95

Ausschüsse

Zuweisungen 13

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Rudolf Edlinger 13

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren (407/A) (E) 15

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer 21

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 25

Debatte:

Rudolf Nürnberger 28

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 31

Dr. Helene Partik-Pablé 32

Dr. Erwin Rasinger 34

Dr. Kurt Grünewald 36

Doris Bures 38

Dr. Alois Pumberger 41

Mag. Walter Tancsits 42

Karl Öllinger 43

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 44

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 45

Heidrun Silhavy 46

Dr. Brigitte Povysil 49

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) 50

Karl Donabauer 50

Theresia Haidlmayr 52

Dr. Günther Leiner 53

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 55

Ing. Peter Westenthaler 55

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 57

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 59

Dr. Caspar Einem 59


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60. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Doris Bures und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten – Ablehnung 40, 60

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger, Dr. Erwin Rasinger und Genossen betreffend Fortsetzung der bereits eingeleiteten Gesundheitsreform – Annahme (E 68) 42, 60

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend  Wiedereinführung  der  beitragsfreien  Mitversicherung  –  Ablehnung 48, 60

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages (407/A) (E) 60

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 13

484: Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird

488: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau

Berichte 14

III-89: Stenographisches Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema "Lebensmittelsicherheit in Österreich und Europa"

III-90: Bericht betreffend Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Straßentunnel in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 2. Juni 1999, E 185-NR/XX. GP; BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

Anträge der Abgeordneten

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren (407/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend drohenden Ausverkauf der österreichischen E-Wirtschaft an Atom-Konzerne (408/A) (E)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend die innere Sicherheit in Österreich, insbesondere von Menschen jüdischen Glaubens und die Gefährdung der Demokratie durch antisemitische Äußerungen (409/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde angesichts der Gefährdung jüdischer MitbürgerInnen und der inneren Sicherheit sowie der Demokratie durch antisemitische Äußerungen (410/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde angesichts der Gefährdung jüdischer Mitbürgerinnen und der inneren Sicherheit sowie der Demokratie durch antisemitische Äußerungen (411/A) (E)


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60. Sitzung / Seite 5

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend umstrittene Begleitmaßnahmen zur Linderung der BSE-Krise (2116/J)

Dr. Günther Kräuter und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Verhandlungen des Bundesheeres mit steirischem Landesrat (2117/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Aufträge an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler" (2118/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Verdacht auf Tierquälerei bei Schweinemastbetrieb" (2119/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Verdacht auf Tierquälerei bei Schweinemastbetrieb" (2120/J)

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gewissensgefangene in österreichischen Haftanstalten (§ 209 StGB) (2121/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Regierungsvorlage zu einem Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz (Budgetbegleitgesetz 2001, Art. 70) (2122/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Versäumnisse des Innenministers bei der Bestellung des seit 1.1.2001 ausständigen Beirates für Asyl- und Migrationsfragen (2123/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Arbeitsleihverträge in den Ministerien (2124/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Arbeitsleihverträge in den Ministerien (2125/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend illegale Pflanzenschutzmittel auf Österreichs Feldern (2126/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend illegale Pflanzenschutzmittel auf Österreichs Feldern (2127/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Öl-Unfall im Bereich des Tanklagers Lobau (2128/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Preisgabe der Namen geschützter Zeugen in einem Strafverfahren "Russen-Mafia" durch die Untersuchungsrichterin Dr. Partik-Pablé (2129/J)


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60. Sitzung / Seite 6

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2130/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2131/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2132/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2133/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2134/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2135/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2136/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2137/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2138/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2139/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2140/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Fakten zum Begutachtungsverfahren (2141/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Büroleiterin Fabel-Kainz (2142/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Bahnstrecke Rohr–Bad Hall (2143/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Gesundheitsgefährdung der KonsumentInnen durch Kontrollversagen und fehlende Gesetzesinitiativen (2144/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Beschaffungswesen und integrierte Produktpolitik (IPP) (2145/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Beschaffungswesen und integrierte Produktpolitik (IPP) (2146/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vorfinanzierung von Straßenbauprojekten in Oberösterreich (2147/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Hebung der B 310 in den Rang der TEN (2148/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend illegal beschäftigte LKW-Fahrer (2149/J)


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60. Sitzung / Seite 7

Dr. Günther Kräuter und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Fischereirechte in Österreich (2150/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend gefährdete Arbeitsplätze in der Region Voitsberg–Köflach (2151/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Postverteilungszentrum in Villach (2152/J)

Werner Amon, MBA und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Sonderfinanzierung in Höhe von 2,1 Mrd. öS in drei Tranchen für Infrastrukturvorhaben – "Infrastrukturtranche 2001" (2153/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die öffentlich-rechtliche Anerkennung der Unteroffiziersaus- und Weiterbildung (2154/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Statistik über Kinderbetreuungsplätze (2155/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zivildienerzuweisung Juni 2001 (2156/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Integra 2000 (2157/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Führerscheinuntersuchung (2158/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Statistik über Kinderbetreuungsplätze (2159/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Budgetkosten durch ZD-Novelle und Ungleichstellung der Rechtsträger (2160/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Übergriffe auf behinderte Menschen (2161/J)

Josef Edler und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend notwendige Maßnahmen zur Bewältigung des Ost/Westtransit (2162/J)

Gerhard Reheis und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Alpenkonvention (2163/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gefährdung der Qualität der Postdienstleistungen in Österreich (2164/J)


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60. Sitzung / Seite 8

Kurt Eder und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den notwendigen Ausbau der Infrastruktur in der Ostregion (2165/J)

Kurt Eder und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gefährdung des Wirtschaftsstandorts durch eine unzulängliche Telekompolitik (2166/J)

Kurt Eder und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gefährdung der ÖBB und des weiteren Bahninfrastrukturausbaus (2167/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Führerscheinentzug an einem homosexuellen Niederösterreicher (2168/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bestrafung bei Verstößen gegen die Ökopunktepflicht (2169/J)

Gerhard Reheis und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend nach wie vor ungelöste Fragen des Transit (2170/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verwendung von Spendengeldern (Spendenbetrug) von Vereinen (2171/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umsetzung der EU-Zoorichtlinie 1999/22/EG (2172/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Umsetzung der EU-Zoorichtlinie 1999/22/EG (2173/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Bericht über einen Kontrollbesuch des Lebensmittel- und Veterinäramtes in Österreich vom 19. bis 23. Juni 2000 (Bezugsnr.GD(SANCO) 1099/2000) – Tiertransporte (2174/J)

Mag. Kurt Gaßner und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Ausbau des öffentlichen Verkehrs – Summerauer Bahn und Rollende Landstraße (2175/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend gesetzwidriges Vorgehen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zusammenhang mit dem Vollzug der Tiertransportbestimmungen (2176/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend gravierende Vollzugsmängel im Bereich der Tiertransportbestimmungen (2177/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Reorganisation der Finanzverwaltung 2001 – Expertengutachten (2178/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1720/AB zu 1715/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1721/AB zu 1741/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1722/AB zu 1748/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1723/AB zu 1757/J)


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60. Sitzung / Seite 9

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1724/AB zu 1783/J)

des Präsidenten des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1725/AB zu 1762/J)

des Präsidenten des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1726/AB zu 1984/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (1727/AB zu 1833/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1728/AB zu 1826/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen (1729/AB zu 1793/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (1730/AB zu 1815/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1731/AB zu 1759/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1732/AB zu 1785/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1733/AB zu 1730/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1734/AB zu 1747/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (1735/AB zu 1776/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen (1736/AB zu 1792/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1737/AB zu 1794/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerhard Hetzl und Genossen (1738/AB zu 1885/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1739/AB zu 1787/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (1740/AB zu 1724/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1741/AB zu 1749/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Gaál und Genossen (1742/AB zu 1777/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1743/AB zu 1723/J)


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60. Sitzung / Seite 10

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1744/AB zu 1769/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1745/AB zu 1754/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1746/AB zu 1760/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1747/AB zu 1768/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Beate Schasching und Genossen (1748/AB zu 1817/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1749/AB zu 1733/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1750/AB zu 1771/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen (1751/AB zu 1773/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1752/AB zu 1781/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1753/AB zu 1745/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1754/AB zu 1780/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1755/AB zu 1750/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1756/AB zu 1767/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1757/AB zu 1782/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (1758/AB zu 1738/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (1759/AB zu 1720/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1760/AB zu 1727/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (1761/AB zu 1735/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (1762/AB zu 1742/J)


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60. Sitzung / Seite 11

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1763/AB zu 1743/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1764/AB zu 1764/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1765/AB zu 1784/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (1766/AB zu 1772/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1767/AB zu 1758/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1768/AB zu 1761/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1769/AB zu 1751/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen (1770/AB zu 1725/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen (1771/AB zu 1728/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1772/AB zu 1746/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1773/AB zu 1797/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (1774/AB zu 1816/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1775/AB zu 1753/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1776/AB zu 1770/J)


Nationalrat, XXI.GP
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60. Sitzung / Seite 12

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1777/AB zu 1788/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Werner Kogler und Genossen (1778/AB zu 1737/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1779/AB zu 1819/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1780/AB zu 1796/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1781/AB zu 1755/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1782/AB zu 1836/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1783/AB zu 1763/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (13/ABPR zu 14/JPR)

 

 


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
60. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen und eröffne die 60. Sitzung des Nationalrates in dieser Gesetzgebungsperiode.

Diese Sitzung wurde auf Grund eines Verlangens nach § 46 Abs. 7 der Geschäftsordnung sowie eines weiteren Verlangens nach § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung einberufen.

Das Amtliche Protokoll der 59. Sitzung vom 12. März ist ordnungsgemäß zur Einsicht aufgelegen, ist ohne Einspruch geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind der Zweite Präsident des Nationalrates Dipl.-Ing. Prinzhorn (Zwischenrufe bei der SPÖ – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) sowie die Abgeordneten Dr. Keppelmüller, Ing. Gartlehner, Verzetnitsch, Rosemarie Bauer, Dr. Bruckmann, Mag. Frieser, Fink, Ing. Gerhard Bauer, Sodian und Reindl.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich auf die gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2116/J bis 2149/J.

2. Anfragebeantwortungen: 1720/AB bis 1783/AB.

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 13/ABPR.

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (484 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen der Bundes-Wertpapieraufsicht auf Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Fritz Verzetnitsch wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach §§ 91 Abs. 1, 92 Z 2 Börsegesetz,

Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten (32 E Vr 664/00, 32 E Hv 44/00) auf Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Rudolf Edlinger wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB.


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60. Sitzung / Seite 14

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 402/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend rückwirkende Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren,

Antrag 403/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend Anpassung der Pensionen zumindest mit der Inflationsrate;

Außenpolitischer Ausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau (488 der Beilagen);

Bautenausschuss:

Antrag 406/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen zur Gerichtsgebührenbefreiung im geförderten Wohnbau;

Gesundheitsausschuss:

Stenographisches Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema "Lebensmittelsicherheit in Österreich und Europa" (III-89 der Beilagen);

Landesverteidigungsausschuss:

Antrag 405/A (E) der Abgeordneten Ing. Erwin Kaipel und Genossen betreffend die Aufrechterhaltung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres im Burgenland und in Niederösterreich;

Umweltausschuss:

Antrag 400/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude auf Ökostrom,

Antrag 401/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Kontamination des österreichischen Parlaments mit gefährlichen Giftstoffen,

Antrag 404/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend eines Verbots der Verwendung von hormonell wirksamen Organozinn-Verbindungen in Alltagsprodukten sowie der Untersuchung und Sanierung von Schulen, Universitäten und anderen öffentlichen Gebäuden angesichts der Gesundheitsgefährdung durch hohe Innenraumkonzentrationen;

Unterrichtsausschuss:

Antrag 399/A (E) der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend Qualitätsoffensive an Schulen und in der Erwachsenenbildung;

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 398/A (E) der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend notwendige Reformschritte an den österreichischen Universitäten;


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60. Sitzung / Seite 15

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verkehrsausschuss:

Bericht der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Straßentunnel in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 2. Juni 1999, E 185-NR/XX. GP (III-90 der Beilagen).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der SPÖ hat nach § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, den Selbständigen Antrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen mit der Ordnungsnummer 407/A (E) betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren als dringlich zu behandeln.

Die Durchführung des Dringlichen Antrages kann frühestens drei Stunden nach dessen Einbringung, also um 12 Uhr, zum Aufruf gelangen.

Ankündigung einer Erklärung der Vizekanzlerin

Präsident Dr. Heinz Fischer: Darüber hinaus gebe ich bekannt, dass mir Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer in einem Brief mitgeteilt hat, dass sie die Absicht hat, in der heutigen Sitzung des Nationalrates eine Erklärung abzugeben.

Ich werde – nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz – die Frau Vizekanzlerin einladen, diese Erklärung nach der Debatte über den Dringlichen Antrag abzugeben.

Gibt es dagegen einen Einwand oder Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Im Anschluss an die Erklärung der Frau Vizekanzlerin wird es nach § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Debatte geben.

Damit habe ich alle notwendigen Mitteilungen für den heutigen Sitzungstag gemacht. Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 12 Uhr und werde nach Wiederaufnahme der Verhandlung den Dringlichen Antrag zum Aufruf bringen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 9.05 Uhr unterbrochen und um 12.03 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren (407/A) (E)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun – wie heute Früh angekündigt – zur dringlichen Behandlung des Antrages 407/A der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Fraktion.

Der Antrag ist nach den einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung im Sitzungssaal schriftlich verteilt worden; dadurch erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.


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60. Sitzung / Seite 16

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die Bundesregierung verursacht ein totales Chaos in der Sozial- und Gesundheitspolitik und verunsichert damit einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung. Wie zurzeit der Einbringung dieses Antrages noch unbestätigten Pressemeldungen zu entnehmen ist, wird der Verfassungsgerichtshof das Hauptstück der blau-schwarzen Regierungsarbeit, die unsoziale Pensionsreform, wegen Gesetzwidrigkeiten bei der Beschlußfassung und der Kundmachung aufheben.

Über die unsozialen Auswirkungen der Pensionsreform hat der Verfassungsgerichtshof noch gar nicht entschieden, damit hat der Verfassungsgerichtshof der blau-schwarzen Regierung eine Nachdenkpause verordnet. Diese Nachdenkpause sollte von der FPÖVP Regierung genutzt werden um einen von allen Seiten getragenen Kompromiss zu erreichen. Bleibt diese Nachdenkpause ungenutzt, wird die sozialdemokratische Parlamentsfraktion diese unsoziale Pensionsreform inhaltlich anfechten. Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion ist sehr zuversichtlich, dass der Verfassungsgerichtshof den inhaltlichen Argumenten der Anfechtung folgen und damit die unerträglichen Auswirkungen der blau-schwarzen Belastungspolitik auf die Bevölkerung zurücknehmen wird.

Die Aufhebung wird vermutlich auch für die unsoziale Ambulanzgebühr gelten, die einen der Höhepunkte der Verunsicherung durch die Politik der blau-schwarzen Bundesregierung auslöste. Den ÄrztInnen, den PatientInnen, den MitarbeiterInnen der Krankenhausverwaltungen und den verantwortlichen LandespolitikerInnen konnten von Minister Haupt und Staatssekretär Waneck keine Antworten auf viele offene Fragen gegeben werden:

So berichtete der ORF im Mittagsjournal vom 1. März 2001:

"Muss man für einen Ambulanzbesuch schon ab heute zahlen oder gilt diese Regelung erst in einer Woche? Rund um die Einführung der Ambulanzgebühren herrscht Verwirrung. Ursprünglich sollte die neue Regelung heute in Kraft treten. Gestern Abend hieß es dann aus dem Gesundheitsstaatssekretariat, die Einführung müsse um etwa eine Woche verschoben werden.

Heute Vormittag erreicht uns dann die Meldung, dass die Gebühr doch seit heute in Kraft sei. Während Sozialminister Herbert Haupt davon ausgeht, dass die Gebühr ab heute eingehoben wird, meldet der Verfassungsexperte Heinz Mayer rechtliche Zweifel an. Anlass der Auseinandersetzung ist eine nachträglich eingefügte Verordnung, mit der Regeln für Ausnahmefälle festgelegt werden. Wolfgang Geier hat versucht, Licht ins Dunkel der Einführung der Ambulanzgebühr zu bringen und er informiert auch noch einmal darüber, wer wie viel und wann zahlen muss."

Dieser unsoziale Selbstbehalt trifft ausschließlich Kranke und entlässt die Arbeitgeber aus ihrer solidarischen Mitverantwortung. Es ist verteilungspolitisch ungerecht, wenn zusätzliches Geld für die Krankenversicherung nicht von Gesunden und Kranken sowie ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen solidarisch aufgebracht wird, sondern nur von kranken Menschen. Im Gegenzug verteilt die FPÖVP Regierung Geschenke an die Unternehmer indem sie die Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung der Arbeiter um 0,3 Prozent gesenkt hat (Einnahmenentfall für die Sozialversicherung 900 Mio. ATS pro Jahr).

Durch den Ambulanzselbstbehalt sind vor allem Menschen mit schweren oder seltenen Krankheiten, Menschen mit erhöhter Krankheitshäufigkeit (z.B. alte Menschen), Menschen mit Nachbehandlungsbedarf nach einem Spitalsaufenthalt und MigrantInnen betroffen.

Der Ambulanzselbstbehalt verursacht sowohl für die Sozialversicherung als auch für die Spitäler enorme Verwaltungskosten.

Was nach Abzug der Verwaltungskosten von den Einnahmen aus den Selbstbehalten übrig bleibt, wird für die Finanzierung der erhöhten Inanspruchnahme der niedergelassenen Ärzte nicht ausreichen. Für die Sozialversicherung ist der geplante Selbstbehalt daher eine finanzielle Mehrbelastung.


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60. Sitzung / Seite 17

Auch die Krankenanstalten werden ihre Fixkosten für die Ambulanzen durch eine Stagnation der Patientenfrequenz kaum senken können. Mehr als die Hälfte der in einer Spitalsambulanz erbrachten Leistungen erfolgt an stationären PatientInnen. Der Großteil des in den Ambulanzen eingesetzten Personals sowie der apparativen und räumlichen Ausstattung wäre auch bei einem deutlichen Rückgang der Ambulanzfrequenz für die Aufrechterhaltung des Spitalsbetriebes erforderlich. Das Einsparungspotenzial wäre also gering, die Auslastung der ohnedies vorzuhaltenden Ressourcen würde sinken und die Stückkosten der Leistungen würden steigen. Durch den gleichzeitigen Ausbau paralleler ambulanter Angebote in Form von Ordinationen würden teure und nicht bedarfsnotwendige Doppelgleisigkeiten entstehen. Parallelangebote und die dadurch erzeugte angebotsinduzierte Nachfrage führen zu einem ineffizienten Gesundheitssystem und zu einer unnotwendigen Steigerung der volkswirtschaftlichen Kosten.

In Studien wird nachgewiesen, dass Kassenambulatorien und Spitalsambulanzen in der Regel billiger als Ordinationen arbeiten. Eine Schwächung dieser Einrichtungen zu Lasten teurerer Angebote kommt einer Verschleuderung von Steuer- und Beitragsgeldern gleich.

Ambulanzen haben für PatientInnen alle Vorteile einer "Gruppenpraxis".

Spitalsambulanzen bieten für die PatientInnen alle Vorteile einer "Gruppenpraxis": Deutlich längere Öffnungszeiten als Einzelordinationen mit einer 24 Stunden-Zugänglichkeit im Notfall; ein fächerübergreifendes, integriertes Angebot ("alles unter einem Dach", weniger PatientInnenwege); bestehende apparative Ausstattung; besonderes medizinisches Know-how der ÄrztInnen in den Spezialambulanzen (mehr Erfahrung mit schwereren und aufwändiger zu behandelnden Krankheitsbildern); etc. Daher besuchten 1999 über 5 Millionen PatientInnen die Spitalsambulanzen. Eine Diskriminierung der Spitalsambulanzen ist gleich bedeutend mit einer Verschlechterung des Angebotes für die PatientInnen.

Der Ambulanzselbstbehalt untergräbt die Qualität der Behandlung.

Viele AmbulanzpatientInnen kommen im Zuge der Nachbehandlung nach einem stationären Aufenthalt. Diese PatientInnen werden in Zukunft auch einen Selbstbehalt (150,- bzw. 250,- ATS) bei jedem Besuch zahlen müssen, da sie in die selbe Ambulanz wiederbestellt sind und keine Überweisung von einem niedergelassenen Arzt haben. Die blau-schwarze Bundesregierung verhindert damit, dass die Nachbehandlung – etwa nach einer Operation – in einem geschlossenen Behandlungszyklus von dem mit den Befunden und dem Therapieverlauf unmittelbar vertrauten Ärzteteam erfolgt. Die Nachbehandlung nach einem stationären Aufenthalt an der behandelnden Krankenanstalt ist aus Gründen der Qualitätssicherung wichtig und sinnvoll. Eine Unterbrechung der Behandlungskontinuität mindert die Qualität und kann die Heilungschancen gefährden.

Der unsoziale Ambulanzselbstbehalt ist als Steuerungsinstrument völlig ungeeignet.

Bis zu 80 Prozent der Ambulanzpatienten kommen auf Grund einer ärztlichen Zuweisung oder zur Nachbehandlung nach einem stationären Aufenthalt. Zur Vermeidung sehr weniger ungerechtfertigter Inanspruchnahmen werden sehr viele PatientInnen, die der Ambulanzbehandlung dringend bedürfen, mit einer völlig ungerechtfertigten Strafgebühr belegt.

Durch den unsozialen Ambulanzselbstbehalt werden den ÄrztInnen Ärmelschoner verordnet und unzumutbare Entscheidungen abverlangt.

Nach der neuen Regelung werden die ÄrztInnen in den Ambulanzen bei den PatientInnen überprüfen müssen, ob außerhalb der Ambulanz das jeweils notwendige Untersuchungs- und Behandlungsangebot "in angemessener Entfernung unzureichend" ist oder nicht. Darauf aufbauend müssen die ÄrztInnen dann die Entscheidung über die Zahlungspflicht der PatientInnen treffen. Wenn am Freitag um 14:00 Uhr PatientInnen die urologische Ambulanz bzw. die urologische Abteilung aufsuchten, müssten die ÄrztInnen dann wissen, ob um diese Zeit noch eine Ordination in angemessener Entfernung offen hat. Solche und ähnlich absurde Entscheidungen werden auf die SpitalsärztInnen abgewälzt. Es wäre keinem Arzt zu verdenken, würde er jeden Zweifelsfall zu Gunsten der PatientInnen auslegen. Dies um so mehr, als die Spitäler mit Öffentlichkeitsrecht verpflichtet sind, allen BürgerInnen ärztliche Hilfe zu leisten.


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60. Sitzung / Seite 18

Der unsoziale Ambulanzselbstbehalt bringt eine extreme Ausweitung der Bürokratie in den Spitälern.

Die heranrollende Bürokratielawine wird den ÄrztInnen viel Zeit und den Spitälern viel Geld für die PatientInnenbetreuung rauben. SpitalsärztInnen müssen vor Ort entscheiden, wer von den PatientInnen Ambulanzgebühr bezahlen muss und wer nicht. Dazu bedarf es einer bisher nicht vorgesehenen zusätzlichen Datenerhebung: Es muss geprüft werden, ob ein Notfall mit Lebensgefahr vorliegt, ob die Erreichbarkeit alternativer Angebote gegeben war, usw. Diese blühende Bürokratie nimmt den ÄrztInnen wertvolle Zeit, die viel besser für PatientInnengespräche genutzt werden könnte.

Aus diesem Grund kam es auch innerhalb der ÖVP zu sehr heftigen Auseinandersetzungen:

Schüssel-Vize: "Fehlentscheidung"

Für Tirols Gesundheitslandesrätin Elisabeth Zanon-zur Nedden (ÖVP), selbst Ärztin, ist der Befund in Sachen Ambulanzgebühr klar: "Das ist eine unüberlegte Geschichte und einfach falsch", so die seit 1994 im Gesundheitsressort "regierende" Politikerin, die seit April 1995 auch Schüssels Stellvertreterin an der ÖVP-Spitze ist. Im Gespräch mit dem "Standard" (3. März 2001) sagte Zanon-zur Nedden: Die Politik müsse den Mut haben, "Fehlentscheidungen" zurückzunehmen.

"Schon Grundgedanke falsch"

Zanon-zur Nedden kann dem Grundgedanken der Ambulanzgebühr, PatientInnen verstärkt von den Ambulanzen hin zu den niedergelassenen Ärzten zu verlagern, nichts abgewinnen. Sie argumentiert, dass das Leistungsangebot der freien Praxen meist nicht an jenes der Ambulanzen heranreiche.

Görg spricht von "Schwachsinn"

Wiens Landeschef Bernhard Görg unterstützt diese Position: "Diese Regelung – so weit ich sie verstehe – halte ich für Schwachsinn." Auch Görg kritisierte, dass der administrative Aufwand für Ärzte und Schwestern "Wahnsinn" sei. Ins Visier nimmt er vor allem Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck (FPÖ), der im Vorjahr das erste Kassen-Sanierungspaket mit der Ambulanzgebühr führend ausverhandelt hatte. Wörtlich spricht Görg von einer "Waneck‘schen Fehlleistung von kosmischen Ausmaßen".

Die Sorgen maßgeblicher ÖVP-Landesräte über den unsozialen Ambulanzselbstbehalt wurden in einem Brief an Gesundheitsminister Haupt zusammengefasst:

1. Die Behandlungsgebühr Ambulanz in der derzeitigen Form führt zu Ungerechtigkeiten, da die völlig unzulängliche Definition der Ausnahmetatbestände der Willkür Tür und Tor öffnet.

2. Der Behandlungsbeitrag Ambulanz in der derzeitigen Form ist unzumutbar, da er zu Rechtsunsicherheit bei den Patienten, bei den im Krankenhaus tätigen Ärzten und sonstigen Mitarbeitern und auch bei den Rechtsträgern und Spitalsverwaltungen führt.

3. Der Behandlungsbeitrag Ambulanz in der derzeitigen Form ist weder als Steuerungs- noch als Finanzierungselement geeignet, da er zu einem massiven Verwaltungsaufwand führt, der einen erheblichen Teil der Erträge sofort wieder bindet.

4. Die Tatsache, dass von Ihnen in die Verordnung über die Ausnahmen von der Einhebung des Behandlungsbeitrages Ambulanz ohne Begutachtung eine wesentliche Änderung eingefügt wird, nämlich, dass gemäß § 1 der Verordnung die Feststellung über die Ausnahme vom Behandlungsbeitrag allein dem behandelnden Spitalsarzt obliegt, ist sowohl von der Vorgangsweise, als auch voll inhaltlich abzulehnen.

Der Bundeskanzler kanzelte die Einwände als technische Fragen ab:


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60. Sitzung / Seite 19

APA267 5 II 0243 Siehe APA101/08.03 08.Mär 01 Soziales/Gesundheit/ÖVP/Schüssel

Grundsätzlich verteidigte Schüssel den Behandlungsbeitrag. Die Maßnahme sei in der vorliegenden Form durchaus sozial verträglich. Nun gehe es um eine "kostengünstige Umsetzung". Insgesamt unterstrich der Kanzler, dass ihm das Kindergeld ohnehin "um Lichtjahre wichtiger" sei als "technische Fragen" bei der Ambulanzgebühr, die man so oder so sehen könne.

Streichung der beitragsfreien Mitversicherung und Besteuerung der Unfallrenten.

Diese Ambulanzgebühr ist kein Einzelfall. Neben der Einführung der unsozialen Ambulanzgebühren, mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000, wurden durch die unsozialen Maßnahmen zur Treffsicherheit mit dem Budgetbegleitgesetzes 2001 (BGBl. I Nr. 142/2000 ), der Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung für kinderlose EhepartnerInnen/LebensgefährtInnen und die Besteuerung der Unfallrenten eingeführt.

Bisher konnten Angehörige von Erwerbstätigen in der Krankenversicherung beitragsfrei mitversichert werden.

Ab 2001 ist vom Versicherten für EhepartnerInnen bzw. LebensgefährtInnen ein Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung zu leisten.

Etwa 100 000 Personen (mehrheitlich PensionistInnen) werden hinkünftig zur Kasse gebeten.

Laut Bundesregierung werden Mehreinnahmen von 850 Mio. ATS erwartet – bei 100 000 Zahlern also im Schnitt 8 500,- ATS jährlich!

Hier einige Beispiele:

Kinderloses Pensionistenpaar mit 14.000,- ATS brutto monatlich. Ab April rückwirkend mit 1. Jänner 2001 476,- ATS monatlich an zusätzlicher Belastung. Fällig mit April vier Monatszahlungen in der Gesamthöhe von 1.904,- ATS; Jahresbelastung: 6.664,- ATS

Pensionistenhaushalt mit einer Pension von 16.500,- ATS brutto: pro Jahr sind etwa 7.900,- ATS für die Krankenversicherung zusätzlich zu zahlen!

Alleinverdienerarbeiterhaushalt mit einem Arbeitseinkommen von 20.000,- ATS brutto: im Jahr sind beinahe 10.000,- ATS zusätzlich zu zahlen!

Die angeführten Beispiele zeigen, dass die ohne jede Übergangsfrist eingeführte Neuregelung für viele Betroffene eine enorme Mehrbelastung bringt. Das Argument, die Betroffenen könnten als Alternative zur Beitragspflicht eine Erwerbsarbeit aufnehmen, ist unhaltbar. Allein auf Grund des Alters der Mehrheit der Betroffenen, besteht dafür keine ernsthafte Möglichkeit.

Dazu kommen folgende unsoziale Konsequenzen:

Wenn die betroffene Frau ihren Ehepartner pflegt, ist sie weiterhin mitversichert. Werden andere nahe Angehörige gepflegt, muss sie zahlen.

Arbeitslose Frauen, die wegen der Anrechnung des Partnereinkommens keine Notstandshilfe bekommen, werden mit der verpflichtenden Beitragsleistung für die Krankenversicherung ein zweites Mal getroffen.

Besteuerung der Unfallrenten

Die Unfallrentner gehören zu jener Bevölkerungsgruppe, die nicht nur vom Schicksal hart getroffen wurde, sondern auch durchschnittlich sehr geringe Einkommen bezieht. Durch die unsoziale Besteuerung sinkt dieses verhältnismäßig geringe Einkommen noch einmal um 30 bis 40 Prozent. Damit trifft diese Maßnahme der unsozialen Treffsicherheit gerade die Ärmsten der Armen und ist aus diesem Grund umgehend zurückzunehmen.


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60. Sitzung / Seite 20

Die Regierungspläne bringen sinnlose Geldumschichtungen. Dieser Ambulanzselbstbehalt ist gesundheitspolitisch kontraproduktiv und richtet sich ausschließlich gegen die Menschen. Der Regierung geht es mit der Einführung von Strafgebühren für AmbulanzpatientInnen, aus vordergründigen ideologischen Gründen und als Beispiel von gelebtem Lobbyismus, ausschließlich um eine Umsatzverschiebung hin zu niedergelassenen Ärzten. Der Selbstbehalt bildet eine Zugangsbarriere, die in vielen Fällen das Krankheitsrisiko der PatientInnen erhöht. Diese Maßnahme der Regierung zielt erklärtermaßen darauf ab, PatientInnen durch ökonomische Barrieren von einer Inanspruchnahme einer Ambulanzleistung abzuschrecken. MedizinerInnen werten diese Maßnahme als gesundheitspolitischen Rückschritt.

Daher hat die SPÖ schon immer argumentiert, dass dieser Ambulanzselbstbehalt unsozial und der Bevölkerung nicht zumutbar ist:

1. Die Ambulanzgebühr trifft ausschließlich Kranke. Das ist verteilungspolitisch ungerecht.

2. Der neue Behandlungsbeitrag Ambulanz kostet mehr als er bringt. Die Einhebung der Ambulanzgebühr verursacht sowohl für die Kassen als auch für die Spitäler enorm hohe Verwaltungskosten.

3. Die Ambulanzgebühr erhöht die volkswirtschaftlichen Kosten des Gesundheitswesens. Der Großteil des in den Ambulanzen eingesetzten Personals sowie der apparativen und räumlichen Ausstattung wäre für die Aufrechterhaltung des Spitalsbetriebs auch bei einem deutlichen Rückgang der Ambulanzfrequenz erforderlich.

4. Ambulanzen arbeiten im Durchschnitt billiger als Ordinationen.

5. Durch die Ambulanzgebühr werden notwendige medizinische Behandlungen unterdrückt oder verzögert. Der neue Behandlungsbeitrag bildet eine Zugangsbarriere, die in vielen Fällen das Krankheitsrisiko der PatientInnen erhöht.

6. Die Ambulanzgebühr untergräbt die Qualität der Versorgung. Viele Ambulanzpatienten in Nachbehandlung nach einem stationären Aufenthalt werden in Zukunft auch bei jedem Besuch einen Selbstbehalt (150,- ATS, 250,- ATS) zahlen müssen.

7. Die Ambulanzgebühr ist als Steuerungsinstrument ungeeignet. Rund 80 Prozent der Ambulanzpatienten kommen auf Grund einer ärztlichen Zuweisung oder zur Nachbehandlung nach einem stationären Aufenthalt.

8. Durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen werden Ärztinnen und Ärzten zu Gesundheitspolizisten degradiert.

9. Die Behandlungsgebühr Ambulanz in der derzeitigen Form führt zu Ungerechtigkeiten, weil die völlig unzulängliche Definition der Ausnahmetatbestände der Willkür Tür und Tor öffnet.

10. Der Behandlungsbeitrag Ambulanz ist somit insgesamt unzumutbar, weil er zu Rechtsunsicherheit für die PatientInnen, für die im Krankenhaus arbeitenden Ärzte und auch für die Rechtsträger sowie Spitalsverwaltungen führt.

11. Die Ambulanzstrafgebühr trifft insbesondere Familien mit Kindern.

Die Ablehnung der Ambulanzgebühr ist einhellig und geht quer durch alle politischen Lager und Interessenvertretungen. Dieser massiven Gegenbewegung soll sich die blau-schwarze Bundesregierung nicht länger verschließen und daher diesen unsozialen Ambulanzselbstbehalt rückwirkend aufheben.

Diese FPÖVP-Koalition ist mit dem Anspruch angetreten an ihren Taten gemessen zu werden, daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden


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60. Sitzung / Seite 21

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, alle Maßnahmen zu setzen, damit die unsozialen Ambulanzgebühren, rückwirkend mit 1. März 2001, abgeschafft werden."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile dem Antragsteller, Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer, zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort.

Nach § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit bei der Begründung eines Dringlichen Antrages 20 Minuten nicht überschreiten.

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer.

12.04

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das österreichische Gesundheitssystem zählt, und zwar nach allen internationalen Bewertungen, zu den besten Gesundheitssystemen der Welt. Und so empfindet das auch die Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind der Auffassung, dass unsere Gesundheitsversorgung, unser Gesundheitssystem, eine gute bis sehr gute Versorgung garantiert. Das ist eine Zustimmungsrate, die innerhalb der Europäischen Union, ja in der ganzen Welt, einmalig ist. Darauf sollten wir stolz sein, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir daher heute über das Gesundheitssystem als einem wesentlichen Teil der sozialen Versorgung diskutieren, dann sollte es das gemeinsame Anliegen des Hohen Hauses sein, dieses unser gutes Gesundheitssystem weiter zu verbessern – und es nicht zu verschlechtern! Darum geht es in der heutigen Diskussion. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die österreichische Bevölkerung hat wenig Verständnis für Kopfjagden gegen einzelne Verantwortungsträger der österreichischen Sozialversicherung. Die österreichische Bevölkerung hat wenig Verständnis für die Verunsicherungskampagne der letzten Wochen, und die österreichische Bevölkerung hat auch wenig Verständnis dafür, dass in Zeiten großen wirtschaftlichen Reichtums gerade bei ihrer Gesundheit gespart werden soll. – Wir sollten diese Meinung der Bevölkerung ernst und Abstand nehmen von Verärgerungsmaßnahmen, wie zum Beispiel der Einführung der Ambulanzgebühren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wozu haben diese Ambulanzgebühren geführt? – Jeder, der in den letzten Tagen und Wochen eine Ambulanz besucht und dort mit den Menschen gesprochen hat – ich habe das mit meiner Tochter getan –, hat genau mitbekommen, wie die Realität des Lebens aussieht: Diese sieht so aus, dass viele Menschen sehr erbost über die Einführung dieser Ambulanzgebühren sind, weil sie es nie für möglich gehalten hätten, dass ein solcher Einschnitt in die österreichische Gesundheitsversorgung von irgendeiner österreichischen Regierung geplant wird! Und was dazukommt, ist das Chaos in den Ambulanzen, das durch diese Einführung angerichtet wurde: Ärzte sind dort auf einmal damit beschäftigt, bürokratische Tätigkeiten auszuüben. Das Pflegepersonal ist mehr damit befasst, den Patienten zu erklären, wie sie Fragebögen ausfüllen sollen – als sich um die Gesundheit der Menschen kümmern zu können.


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60. Sitzung / Seite 22

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Unser Pflegepersonal und unsere Ärzte in Österreich sollen sich um die Patienten kümmern – und nicht um die Bürokratie! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als Argument wird ja bei allen Fragen seitens der Regierung immer gesagt, man müsse das aus Finanzierungsgründen machen. – Nun, wie sehen die finanziellen Zusammenhänge im Zusammenhang mit der Einführung der Ambulanzgebühren aus? – Es ist ziemlich einfach: Die Patienten, die Kranken, werden belastet – und gleichzeitig wird eine enorme, zusätzliche Bürokratie errichtet werden müssen, um diese Ambulanzgebühren einzukassieren. Nach allen Berechnungen – selbst einzelner Krankenhäuser bis hin zu den Sozialversicherungsträgern – kommt folgendes Ergebnis heraus: Die Bürokratie wird mehr Geld verschlingen, als die Einhebung der Ambulanzgebühren überhaupt bringt. Das ist eine sinnlose Aktivität, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist mir überhaupt völlig unverständlich, wie in Zeiten, in denen so viel über Verwaltungsreform gesprochen wird, über Vereinfachung der Verwaltung, über effizientere Verwaltung, sich die Frau Vizekanzlerin in der Öffentlichkeit täglich ein Schauspiel mit den Landeshauptmännern liefert, wie also in einer solchen Zeit eine Regierung eine Maßnahme einführt, die die größte Bürokratievermehrung in den letzten Jahren darstellt! – Das lehnen wir ab, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Viele Menschen haben den Eindruck, dass das aber nur der Beginn einer Entwicklung ist, denn es gibt ja bereits einzelne Äußerungen, die nicht nur in die Richtung gehen, dass es die Ambulanzgebühren geben sollte, sondern die auch in die Richtung gehen, dass die Selbstbehalte bei ärztlicher Versorgung erhöht werden sollen (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist doch nicht wahr! Das ist die Unwahrheit! Ihr wollt die Beiträge erhöhen!), dass es in Zukunft für alle Versicherten auch Kostenbeiträge bei Arztbesuchen geben soll.

Offensichtlich besteht die Intention des Herrn Westenthaler und seiner Kollegen darin, unser solidarisches Gesundheitssystem grundsätzlich zu beseitigen. Und davor haben die Menschen Angst. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das, was bei all diesen Maßnahmen, bei all diesen Selbstbehalten, bei den Ambulanzgebühren zum Ausdruck kommt, ist nichts anderes als die Verabschiedung von der gemeinsamen solidarischen Finanzierung unseres Gesundheitssystems – hin zu einem anderen System, bei dem letztendlich die Patienten, bei dem die Kranken in immer stärkerem Maße alleine dafür zahlen müssen, dass sie eine gute Gesundheitsversorgung haben wollen. Und ein solches System ist kein humanes System! Ein humanes System, ein solidarisches Gesundheitssystem verteilt die Kosten auf alle sozialen Gruppen in unserem Lande – und nicht nur auf die Kranken, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Daher sollten Sie heute die Chance wahrnehmen – nachdem Ihnen offensichtlich schon der Verfassungsgerichtshof ausgerichtet hat, dass diese Husch-Pfusch-Gesetzesaktionen nicht verfassungskonform sind, nachdem wir Ihnen seit Monaten klarmachen, dass es sich dabei um sozial ungerechte Maßnahmen handelt, nachdem die Bevölkerung mit Empörung reagiert –, sollten Sie also diese Chance wahrnehmen, und wir laden Sie dazu sein, diese unsoziale Maßnahme der Einführung der Ambulanzgebühren zurückzunehmen. Dazu laden wir Sie ein! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das Gesundheitssystem ist ein gutes Beispiel für die Frage der sozialen Balance, für die Frage der sozialen Gerechtigkeit und einer der zentralen Werte des Zusammenlebens in Österreich, eines Zusammenlebens, das darauf basiert, dass man in solidarischer Art und Weise versucht, in Österreich die Grundversorgung und einen sozialen Ausgleich zu organisieren. Das ist der Grund dafür, dass sich Österreich damit fundamental von anderen Wirtschaften auf der Welt unterschieden hat, in denen der Ellbogen im Vordergrund steht – und nicht die Solidarität. Wir wollen, dass dieses solidarische System aufrechterhalten bleibt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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60. Sitzung / Seite 23

Solidarität heißt aber auch, die Augen nicht vor jenen Gruppen in unserer Gesellschaft und ihrem Lebensschicksal zu verschließen, die es schwer gehabt haben, die es teilweise sehr schwer gehabt haben. Wenn wir seit Wochen eine Diskussion über die Besteuerung der Unfallrenten führen, dann muss man wissen, um welche Menschen es sich dabei handelt. Es geht um 100 000 Österreicher, die das Pech, die das Unglück hatten, zum Beispiel einen Arbeitsunfall erlitten zu haben, nachhaltig in ihrer körperlichen, manchmal auch geistigen Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein, also schwere Behinderungen zu haben – und die trotz all dieser Erschwernisse weitergearbeitet haben, hart gearbeitet haben. Für viele von ihnen war das manchmal beziehungsweise vielfach härter als für gesunde Menschen; ihre Einkommensmöglichkeiten waren aber eingeschränkt.

Zu diesem Zweck gibt es in Österreich das Instrument der Unfallrente, mit dem versucht wird, einen Schadenersatz in gewissem Ausmaß zu erbringen, damit jene Erschwernisse abgegolten werden, die diese Menschen über Jahre, ja über Jahrzehnte hatten. Und nun will diese Regierung 2 Milliarden Schilling einheben und führt eine Besteuerung dieser Unfallrenten ein, was zu einer ganz massiven Reduktion des Einkommens dieser Menschen führt, die sich nicht mehr helfen können. – Das ist soziale Kälte! Das heißt, die Augen vor der Lebensrealität von 100 000 Menschen in unserem Lande zu verschließen! Das empfinden wir als zutiefst unfair und die Debatte um diese Frage als zutiefst zynisch, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Da nach den ersten Meldungen über Betroffene – diese Menschen sind massiv betroffen – eine Diskussion darüber begonnen hat, dass man einzelne Härtefälle ausgleichen sollte, stelle ich Ihnen die Frage: Wo beginnt der Härtefall? – Wenn ein Arm fehlt, wenn ein Fuß fehlt, wenn andere schwerwiegende Behinderungen vorliegen? (Abg. Dr. Leiner: Das wissen schon die Ärzte!)

Sie von den Regierungsparteien definieren die Härtefälle in einem solchen Zusammenhang, dass dann irgendwelche Brosamen verteilt werden sollen. – Nein, meine Damen und Herren: Gerechtigkeit gibt es in diesem Zusammenhang nur, wenn die Besteuerung der Unfallrenten wieder gänzlich entfällt! Und das ist unsere Forderung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es muss sich im Übrigen jeder Betroffene seinen Teil denken, wenn auf der einen Seite Ankündigungen über die Rücknahme der Besteuerung gemacht werden, andererseits aber über die Einrichtung von Härtefonds gesprochen wird. Im Wiener Wahlkampf tut Frau Partik-Pablé so, als wäre sie die Vorkämpferin für die Beseitigung der Besteuerung der Unfallrenten, während gleichzeitig Kommissionen eingesetzt und Entscheidungen verschoben werden. Dieselbe Regierung, die sich damit brüstet, dass sie mit großer Geschwindigkeit alles erledigt, beweist Folgendes: Schnell ist sie nur beim Schaffen von Ungerechtigkeiten; langsam ist sie, wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten zu beseitigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der nächste Anschlag auf die soziale Balance, auf das Mitgefühl und auf das Herz der Österreicherinnen und Österreicher wird am 1. April 2001 stattfinden: Am 1. April werden 100 000 Menschen in unserem Land – größtenteils Pensionisten, die kinderlos geblieben sind – einen Bescheid zugestellt bekommen, aus dem hervorgeht, was es bedeutet, wenn die beitragsfreie Mitversicherung abgeschafft ist. Das werden größtenteils Pensionisten sein, die eine Nachzahlung für die ersten Monate dieses Jahres vorgeschrieben bekommen werden.

Wer sind denn diese 100 000 Menschen in Österreich? – Ein Pensionistenehepaar zum Beispiel, das gemeinsam 14 000 S brutto im Monat zur Verfügung hat, wird auf Grund der Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung eine Vorschreibung pro Jahr von mehr als 6 000 S bekommen. Dies trifft Menschen, die zu zweit mit 14 000 S brutto im Monat auskommen sollen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hat absolut nichts – absolut nichts!  – mit sozialer Gerechtigkeit zu tun! Das ist soziale Kälte in Reinkultur, die wir ablehnen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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60. Sitzung / Seite 24

Es geht dabei nicht darum, dass nicht Sie und wir, die wir hier sitzen und über gute Einkommen verfügen, unseren Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten sollten, sondern es geht darum, dass über die schwächsten Gruppen in unserer Gesellschaft, über diejenigen, die nicht die gleichen Möglichkeiten wie wir haben, nicht drübergefahren werden soll. Das ist soziales Mitgefühl, das ist soziale Balance, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Minister! Viele stellen sich die Frage: Wenn mit derartiger sozialer Einäugigkeit, mit dem Nichtsehen sozialer Problemlagen über 100 000 Menschen in Österreich drübergefahren wird, wie sieht es dann eigentlich in der Regierung aus?

Wenn man nun mitbekommen hat, dass im Ministerbüro des Herrn Haupt die Büroleiterin 200 000 S pro Monat verdient – was heißt, dass, wenn sich der Herr Minister an die in der FPÖ festgelegte Bezügebegrenzung hält, seine Büroleiterin netto bedeutend mehr als der Minister selbst verdient –, wenn dort ganz offensichtlich Günstlingswirtschaft betrieben wird und Privilegien geschaffen werden, dann muss sich doch jede Österreicherin und jeder Österreicher Folgendes denken: Diese Regierung ist großherzig zu sich selbst – aber hartherzig zur Bevölkerung! Und das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht bei sozialen Fragen und bei der sozialen Balance auch immer um den Vergleich. Wenn man nun auf der einen Seite Gehälter in einer Höhe bezahlt, wie Sie das tun, wenn es aber auf der anderen Seite zusätzlich zu den Gehältern – vom Rechnungshof kritisiert! – in der gesamten Regierung mehr als 50 Lehrarbeitsverträge gibt, die zu einem Teil in erster Linie über die österreichische Industrie organisiert werden, welche das ihrerseits damit argumentiert, dass sie sagt, sie wolle ja ganz gute Kontakte zur Regierung haben, dann haben viele Menschen in unserem Land den Eindruck: Dort wird Lobbyismus ausschließlich für industrielle Interessen gemacht – und nicht für die österreichische Bevölkerung! Und das Ergebnis sehen wir jetzt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr war außerordentlich hoch. Die Einnahmen des Finanzministers waren auch außerordentlich hoch. Die Steuerbelastung der gesamten Bevölkerung ist gestiegen. In einer solchen Situation stellen sich nun viele die Frage: Worin besteht die Notwendigkeit für die sozialen Härten, die die Regierung verordnet? Was treibt eine Regierung dazu, solche sozialen Nadelstiche gegen einzelne schwächere Gruppen der Bevölkerung zu initiieren? – Und es gibt nur zwei mögliche Gründe dafür (Abg. Dr. Pumberger: Schulden!): Es handelt sich entweder um eine politische Einäugigkeit, durch die man das Schicksal der Menschen nicht zur Kenntnis nehmen will, oder man will das österreichische Sozialsystem fundamental verändern.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ist Letzteres der Fall, müssen wir eine offene Debatte führen, denn die österreichische Bevölkerung ist stolz auf ihr System des sozialen Ausgleichs und will keinen Übergang zu einer Ellbogengesellschaft, die bereits in anderen Teilen der Erde gescheitert ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde eindringlich und mehrmals nachgewiesen: Ihre Maßnahmen sind sozial ungerecht! Es wird damit das soziale Balancegefühl der Österreicherinnen und Österreicher verletzt. Die Maßnahmen sind, wie der Verfassungsgerichtshof erkannt hat, dilettantisch beschlossen worden. Das ist offensichtlich die Konsequenz des Drüberfahrens und des wenigen Nachdenkens.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist Frühlingsbeginn, und Sie haben die große Chance, die Monate der sozialen Kälte zu beenden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Ein Klubmitarbeiter überreicht dem Redner einen weißen Erste-Hilfe-Kasten, auf dem vorne ein Pickerl mit einem weißen Kreuz auf grünem Grund und darunter ein rotes SPÖ-Pickerl klebt. – Lebhafte ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg.


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60. Sitzung / Seite 25

Ing. Westenthaler: Die SPÖ bekommt erste Hilfe! – Abg. Dr. Pumberger hält einen Abakus in die Höhe. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Parteikassa der SPÖ!)

Und da Sie offensichtlich nicht imstande sind ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Da ich vom Präsidium aus nicht sehen kann, was das Hohe Haus so erheitert (Abg. Ing. Westenthaler: Die Parteikasse der SPÖ!), bitte ich Sie, sich wieder zu beruhigen, und den Herrn Redner, fortzusetzen und abzuschließen! – Bitte.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Da Sie offensichtlich allein nicht imstande sind (Abg. Mag. Schweitzer: Redezeit! – Abg. Dr. Khol: Aus ist es! – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident, das ist Ihre Parteikasse! – weitere "Redezeit!"-Rufe bei den Freiheitlichen), die Anschläge auf das österreichische Sozialsystem zu korrigieren, leisten wir Ihnen erste ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Herr Präsident! Wenn es möglich ist, im Hohen Haus auszureden, bin ich beim Schlusssatz. (Abg. Ing. Westenthaler: Na wenn Sie Ihre Parteikasse daherbringen!)

Da Sie nicht imstande sind, alleine das österreichische Sozialsystem wieder auf einen Kurs der sozialen Gerechtigkeit zu bringen, leisten wir Ihnen erste Hilfe. (Abg. Dr. Krüger: Herr Präsident, es ist schon seit einer Minute aus!) Ich überreiche Ihnen drei Entschließungsanträge, die heute zur Abstimmung kommen, nämlich die Abschaffung ...

12.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich muss die Redezeit für alle einhalten. Diese ist nunmehr beendet! (Abg. Dr. Gusenbauer überreicht den Erste-Hilfe-Kasten dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Haupt. Dieser öffnet ihn und nimmt die drei darin enthaltenen Anträge heraus. – Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Gusenbauer. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Er überreicht uns die Parteikasse!)

Meine Damen und Herren! Gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung gelangt nach der Begründung der Dringlichen das zuständige Regierungsmitglied zur Abgabe einer Stellungnahme zu Wort.

In der Präsidialsitzung haben wir Konsens dahin gehend erzielt, dass von den Mitgliedern der Bundesregierung im Rahmen der Behandlung des Dringlichen Antrages einschließlich der Stellungnahme zum Antrag eine Redezeit von insgesamt höchstens 25 Minuten in Anspruch genommen wird.

Dies gesagt habend, erteile ich dem Herrn Bundesminister das Wort. – Bitte, Herr Minister.

12.27

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst auch im Namen der Österreicherinnen und Österreicher herzlichst für diesen Erste-Hilfe-Kasten bedanken, denn, Herr Kollege Gusenbauer, er ist vielleicht gerade für das nächste Wochenende hilfreich. Man sieht eine rot-grüne Verbindung (der Redner zeigt auf das grüne und das rote Pickerl auf der Vorderseite des Erste-Hilfe-Kastens), und dort, wo Hilfe drinnen sein soll (der Redner öffnet den nunmehr leeren Kasten), ist das, was Sie anbieten: nichts! (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: Das Ausräumen vergessen Sie nie! – Abg. Edlinger: Ausräumen ist Ihre ...! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)


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60. Sitzung / Seite 26

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenden wir uns aber nun wieder jenen Dingen zu, die eines Parlaments wirklich würdig sind, nämlich einer ernsthaften Debatte über ernsthafte Anliegen, die die Österreicherinnen und Österreicher Ihrer Ansicht nach bewegen. (Abg. Grabner: Ausräumer!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Als Erstes möchte ich einmal das klarstellen, was von der Rede des Kollegen Gusenbauer aus meiner Sicht klarzustellen ist. (Abg. Grabner: Er hat ihn ausgeräumt! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Es ist nicht euer Tag heute! – Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung SPÖ –: Ihr habt es ausgeräumt!)

Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben in Ihrer Rede mehrere Dinge behauptet, erstens: Die Bevölkerung sollte nicht verunsichert werden. – Da bin ich durchaus bei Ihnen, die Bevölkerung sollte nicht verunsichert werden. Stellen wir daher einmal klar: Von Selbstbehalten bei Arztbesuchen hat die Bundesregierung nicht gesprochen. Es können sich daher die Österreicherinnen und Österreicher ein Bild darüber machen, wer davon spricht und wer nicht.

Ich darf Sie, sehr geehrter Herr Kollege Gusenbauer, auch darauf aufmerksam machen, dass Sie davon gesprochen haben, dass diese Bundesregierung durch die Einführung von Selbstbehalten eine Entsolidarisierung durchgeführt habe. – Ich darf die Bevölkerung darauf hinweisen, dass sämtliche Selbstbehalte, die derzeit gültig sind, bereits von den Sozialisten, während der Zeit, als sie Regierungsverantwortung getragen haben, eingeführt wurden: die Rezeptgebühren, die Ambulanzgebühren, die Beiträge für Heilmittel, die Beiträge im Falle von Tagesaufenthalten im Krankenhaus, die unter Löschnak eingeführt wurden – und auch Ambulanzgebühren hat es als Verwaltungskostenbeiträge für 2 Millionen Versicherte immer schon gegeben.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen: Sie haben sich nie über die kleinen Eisenbahner, die kleinen Postbediensteten, die kleinen Mitarbeiter im handwerklichen Dienst, in den Gemeinden, in den Ländern und im Bund aufgeregt. Von denen haben Sie während Ihrer Regierungsbeteiligung die gleichen Behandlungskostenbeiträge kassiert, die nunmehr die Bundesregierung, auch aus Solidaritätsgründen, auf andere ausgedehnt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Kollege Gusenbauer! Ich möchte mich dafür bedanken, dass das österreichische Gesundheitssystem deswegen so gut funktioniert, weil Tausende Österreicherinnen und Österreicher als Mitarbeiter im Gesundheitssystem hervorragende Arbeit leisten. Ich möchte mich aber nicht dafür bedanken, Herr Kollege Gusenbauer, dass Sie und die frühere Bundesregierung uns ein Gesundheitssystem hinterlassen haben, das der Grund dafür gewesen ist, dass 1990 die Häussermann-Studie in Auftrag gegeben wurde, die 1993 dann enderledigt wurde. Die wichtigsten Punkte, nämlich die für das Budget wichtigsten und wirksamsten Punkte dieser Häussermann-Studie, haben Sie bis heute nicht umgesetzt. Peanuts im Ausmaß von etwa 90 Prozent des geschriebenen Textes haben Sie umgesetzt. Das aber, was gravierend gewesen wäre, nämlich die Verwaltungsreform und die EDV-Vernetzung, haben Sie von der SPÖ nicht umgesetzt.

Gerade am Ende des vorigen Jahres sind sehr viele Menschen in Österreich in Pension gegangen. Sie haben jahrzehntelang Beiträge gezahlt. Die vorläufige Pensionshöhe, die sie jetzt erhalten, ist häufig um ein Drittel niedriger als jene Pensionshöhe, die sie in Zukunft bekommen werden.

Herr Kollege Gusenbauer! Wie erklären Sie den Pensionisten, dass es auf Grund der Nichtvernetzung im EDV-Bereich, obwohl alle Daten bei den Krankenversicherungen und in den Pensionsversicherungen vorhanden sind, noch immer drei bis vier Monate dauert, bis die endgültige Pensionshöhe bekannt ist und sie diese auch ausbezahlt bekommen – und das, obwohl sie, so wie das auch bei Bundesbediensteten oft der Fall ist, 30 bis 40 Jahre beim gleichen Dienstgeber beschäftigt gewesen sind?! Herr Kollege Gusenbauer! Das sind Dinge, durch die Sie den Menschen tatsächlich Schaden zufügen, und zwar Tag für Tag und Woche für Woche in ungeahnter Höhe. (Abg. Edlinger: Das ist doch absurd!)


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60. Sitzung / Seite 27

Einer Studie, die ein Mitarbeiter von Frau Kollegin Hostasch im Auftrag des Hauptverbandes für den EDV-Bereich ausgearbeitet hat, ist zu entnehmen, dass infolge der Untätigkeit der früheren Regierung den Versicherten in den letzten drei Jahren etwa 1,8 Milliarden Schilling entzogen wurden, und zwar nicht, um Leistungen im Gesundheitsbereich zu finanzieren, sondern nur Verwaltungsaufwand, Verwaltungsaufwand und Verwaltungsaufwand.

Ich frage Sie, Herr Kollege Gusenbauer: Mit welcher Unverfrorenheit verlangen gerade Sie von der SPÖ, die Sie in der Regierung Mitverantwortung getragen haben, heute hier eine Änderung der Haltung der Bundesregierung, die sich darangemacht hat (Abg. Grabner: Weil ihr alles geändert habt!), das, was Sie uns hinterlassen haben, endlich in Einklang mit den Studien zu bringen, die Sie – aus gutem Grunde! – bereits 1990 in Auftrag gegeben haben? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben mir vorgeworfen, dass ich hinsichtlich der Gehälter der Leute in meinem Büro großzügig, hingegen hinsichtlich der Bevölkerung nicht großzügig sei. (Abg. Grabner: Sehr sogar! – Abg. Dietachmayr: So ist es!) Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass ich mit 1. März in meinem Hause eine Geschäftsordnungsreform durchgeführt habe, die in einigen Facetten bereits in Diskussion gestanden ist. Die Gehälter, die meine Mitarbeiter in meinem Kabinett beziehen, sind um durchschnittlich 25 Prozent niedriger als die Gehälter in der Zeit der sozialistischen Regierung. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie werden im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses die entsprechenden Berichte bekommen. (Abg. Grabner: Das sind Tatsachen!)

Ich sehe schon ein, dass es jetzt vor der Wiener Wahl attraktiv ist, solche Zahlen der Bevölkerung vor Augen führen zu wollen. Aber wenn Sie mich schon fragen, dann sagen Sie der Wiener Bevölkerung, ja allen Österreicherinnen und Österreichern auch, dass es in Ihrer Zeit in diesem Bereich deutlich höhere Bezüge gegeben hat, und dann bleiben Sie bei der vollen Wahrheit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Kostelka: Das ist die Unwahrheit!)

Noch etwas, Herr Kollege Gusenbauer, und zwar zu dem, was in den Zeitungen gestanden ist. Ich war immer der Meinung und werde immer der Meinung sein – und das ist vollkommen gesetzeskonform und entspricht auch den Richtlinien des Rechnungshofes –, dass Mitarbeitern, die im Rahmen eines Projektes Zusatzleistungen erbringen, auch dann, wenn sie pauschalierte Überstunden als Gehaltsbestandteil haben, diese Zusatzleistungen extra abzugelten sind. Wenn die Abgeltung für diese Zusatzleistungen dann zusammen mit dem Gehalt ausbezahlt wird, kann es durchaus zu einem entsprechenden Betrag kommen, der dann in der Öffentlichkeit genannt wurde. Ich hätte mir eigentlich erwartet, dass Sie der Bevölkerung klarmachen, wie diese Zusatzzahlungen auf Grund von Leistungen zustande gekommen sind. Aber Fairness besonders in Vorwahlzeiten war noch nie Ihre Sache, Herr Kollege Gusenbauer. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Gusenbauer! Als zuständiger Sozialminister kann ich Sie, aber vor allem jene, die durch die Unfallrentenbesteuerung zu Härtefällen geworden sind, beruhigen. Wir werden es nicht so machen, wie Sie es gemacht haben: Sie haben 1990 die eine Kommission eingesetzt, und 1995 auf Grund der KPMG-Studie die zweite Kommission, worauf es aber zu keinen Reaktionen kam. (Abg. Edlinger: ... abcashen!) Nein: Unsere Kommission unter Professor Mazal wird noch diese Woche die Rahmenbedingungen für Härtefälle fertig ausarbeiten und zahlenmäßig einschätzen. Menschen mit einem Einkommen unter 20 000 S, die zu den Härtefällen zählen, können sich darauf verlassen (Abg. Grabner: Versprochen – und gebrochen!), dass diese Bundesregierung dann bei Härtefällen zu einer Reparation antreten wird, so wie wir es den Österreicherinnen und Österreichern versprochen haben.

Das ist der Unterschied: Sie haben zweimal Studien in Auftrag gegeben, einmal 1990 und einmal 1995. Eine Umsetzung erfolgte in den wichtigsten Bereichen nicht. Bei uns wird eine Kommission eingesetzt, und die Reaktion wird eine Hilfestellung für die betroffenen Menschen, also für Härtefälle sein. Das ist der Unterschied! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )


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60. Sitzung / Seite 28

Sehr geehrte Damen und Herren! Man sollte, da heute auch über die Beschlussfassung diskutiert wurde, nicht übersehen, dass es nicht die Beschlussfassung der Bundesregierung war, sondern die Beschlussfassung hier im Hohen Haus, und dann die Übermittlung, die schlussendlich, wenn das, was derzeit nicht schriftlich, sondern offiziell in den Medien nachzulesen ist, die Ursache ist. (Abg. Öllinger: Das war der Herr Prinzhorn, nicht wir!)

Ich darf Sie auch noch darauf hinweisen, dass in einem Schreiben des Präsidiums des Parlaments an das zuständige Gericht nachzulesen ist, dass man auch hier im Präsidium des Nationalrates der Meinung war, dass die Beschlussfassung geschäftsordnungskonform war. (Abg. Öllinger: Das war der Herr Prinzhorn!) Dass ein Höchstgericht eine andere Meinung hat, ist in einem Rechtsstaat zu akzeptieren. Und die Bundesregierung wird selbstverständlich als den Rechtsstaat anerkennende Bundesregierung (Ruf: Redezeit!) die Erkenntnisse des Höchstgerichtes nicht nur akzeptieren, sondern auch vollinhaltlich im Interesse der Bevölkerung umsetzen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Darf ich unterbrechen? Meine Damen und Herren! Diese Redezeit hat mich der Herr Minister gebeten, als freiwillig einzustellen. Er hat eine Gesamtredezeit, wie vereinbart, von 25 Minuten.

Bitte, setzen Sie fort! (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Geschäftsordnung lernen! – Gegenruf der Abg. Silhavy. )

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Ich meine daher, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, dass Sie, wenn Sie tatsächlich an einer Debatte über die Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitssystems interessiert sind, die Erkenntnisse der beiden Studien, die Sie in Auftrag gegeben haben, als Grundlage nehmen sollten, so wie ich und die Sozialpartner auch.

Ich finde es durchaus positiv, dass die Sozialpartner im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Gusenbauer, zwei Dinge festgestellt haben: erstens, dass in Österreich genug Geld für das gute österreichische Gesundheitssystem in hoher Qualität und mit Zugang für alle vorhanden ist, dass es aber zweitens innerhalb des Systems durch Einsparungs- und Umlenkungsmaßnahmen zu einer deutlich besseren Verteilung des Geldes kommen muss.

Ich, mein Ministerium und die Bundesregierung sind, ebenso wie die Führung der Sozialpartner, daran interessiert, diese Weichenstellung im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher vorzunehmen. – Sie von der SPÖ aber sind offensichtlich nur an einer tagespolitischen Aussage vor dem nächsten Sonntag interessiert. Und das ist eindeutig zu wenig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich glaube, es liegt im Interesse aller Beteiligten, wenn ich klarstelle, dass ich in einem Schreiben an den Verfassungsgerichtshof nicht den Abstimmungsvorgang als korrekt bezeichnet habe, sondern vom Verfassungsgerichtshof um eine Stellungnahme zum Anfechtungsantrag ersucht wurde und darin den wiedergegebenen Sachverhalt im Anfechtungsantrag als korrekte Wiedergabe des Ablaufes im Nationalrat bezeichnet habe. (Abg. Mag. Posch: Das ist ein Unterschied!) Das sollten alle wissen. Dieses Schreiben wird in diesen Stunden auch veröffentlicht, damit es da keine Missverständnisse gibt. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist schon veröffentlicht!)  – Es ist schon veröffentlicht. Gut.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. Die freiwillige Redezeit ist 8 Minuten, gesetzliche Redezeit ist 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter Nürnberger.

12.40

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister, ein


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60. Sitzung / Seite 29

Kompliment: Sie haben wieder einmal schön gesprochen, Sie haben lange gesprochen, aber die Betroffenen haben von Ihren Aussagen überhaupt nichts! Im Gegenteil: Sie greifen den Ärmsten der Ärmsten tief in die Taschen, Sie dividieren hunderttausend mitversicherten Frauen, die in Zukunft zahlen müssen, viele Tausende Schilling auf, Sie nehmen 108 000 Unfallrentnern von 3 000 S oder 4 000 S Unfallrente 1 000 S oder noch mehr weg. Und von 5 Millionen Menschen, die die Ambulanzen besuchen – und das sind die Ärmsten der Ärmsten –, verlangen Sie Ambulanzgebühren.

Wenn wir Ihnen das vorhalten, dann lachen Sie. Und wenn wir Ihnen unsere Hilfe anbieten, dann greifen Sie zu Tricks – zu Tricks! –, Herr Bundesminister, denn der Erste-Hilfe-Kasten, die wir Ihnen überreicht haben, war nicht leer. Sie müssen einen Zauberkurs gemacht haben, dass man nicht sah, wie Sie das ausgeräumt haben. Ich darf Ihnen den Inhalt wieder überreichen. (Beifall bei der SPÖ. – Der Redner überreicht dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Haupt eine Mappe mit Unterlagen. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Geschätzter Herr Bundesminister! Sie haben nämlich die Anträge, die wir Ihnen mit diesem Kasten überreicht haben, herausgenommen. Nützen Sie unser Angebot, denn ich darf Ihnen sagen, soeben hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofes in einer Pressekonferenz mitgeteilt – via APA bereits um 12.20 Uhr ausgesandt –: Die Ambulanzgebühren werden vollständig aufgehoben. (Lebhafter Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ und Beifall bei den Grünen.)

Das zeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, diese unsozialen Maßnahmen, die Sie den Menschen aufbürden, auch ordentlich umzusetzen. Es ist Ihnen heute schon gesagt worden, dass Sie eine der höchstbezahlten Büroleiterinnen haben: 200 000S! Welche Qualifikation hat denn diese Dame, Herr Bundesminister? Wenn Sie die Verordnungen nicht ordentlich umsetzen können, werden Sie ja doch entsprechend ausgebildete Mitarbeiter haben. Aber in einer Wochenzeitung war ja zu lesen, diese Dame war vorher arbeitslos. Bei 149 S Tagsatz kann sie auch keine hohe Qualifikation gehabt haben. Und wenn sie eine so hohe Qualifikation gehabt hätte, hätte sie einen Job gehabt, Herr Bundesminister! (Abg. Haigermoser: Das ist eine Diskriminierung der Arbeitslosen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

Ich frage mich: Welche Qualifikation hat diese Ihre Mitarbeiterin?

Aber es wundert mich ja eigentlich nicht, denn es kommt noch besser. Ich habe ja Verständnis dafür, dass die Sekretäre nicht wissen, wie man Verordnungen macht. Es weiß ja auch der größte Schweiger der Nation, der Herr Bundeskanzler, nicht Bescheid, wie man Verordnungen macht. Wie könnte er sonst in der "Pressestunde" vom 12. März sagen – vor dem Fernsehschirm hat er ja antworten müssen  –, schuld sei der Hauptverband, der Hauptverband hätte eine Verordnung erlassen können.

Der Herr Bundeskanzler hat die besten Juristen im Bundeskanzleramt, beim Bundesverfassungsdienst. Er hätte sich ja nur erkundigen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und dann hätte er gewusst, dass der Hauptverband keine Verordnung erlassen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Zweite Nationalratspräsident Prinzhorn, der heute nicht anwesend ist, glaubt ja wirklich, die Vorsitzführung besteht nur darin, unliebsamen Abgeordneten der Opposition einen Ordnungsruf zu erteilen, aber über ein Gesetz ordentlich abstimmen lassen, das kann er nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungsbank! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich könnte mir meine Argumentation jetzt eigentlich sehr leicht machen und Ihnen nur vorhalten, was prominente Landeshauptleute oder Spitals- und Gesundheitsreferenten der Regierungspartei Ihnen schreiben. Es haben Ihnen vier davon am 3. März einen Brief geschickt, in dem es heißt, dass sie diese Form der Ambulanzgebühren ablehnen, weil das für die Patienten ungerecht ist, weil der Willkür Tür und Tor geöffnet werde, der Verwaltungsaufwand erheblich sei und die Erträge sofort wieder weg seien.


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60. Sitzung / Seite 30

Den Schlusssatz dieses Briefes, meine sehr geehrten Damen und Herren, will ich Ihnen nicht vorenthalten. Die vier Gesundheitsreferenten erinnern Sie, Herr Bundesminister, an die Aussage des Herrn Finanzministers, Ihres Parteifreundes Mag. Grasser, im Zuge der Budgetdebatte: "Österreich neu regieren", hat Bundesminister Grasser gesagt, "heißt auch, Fehler zu erkennen und zu korrigieren."

Wir bieten Ihnen die Chance, Herr Minister! Ergreifen Sie sie, korrigieren Sie Ihren Blödsinn, treten Sie unseren Abänderungsanträgen bei! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Herr Präsident! Ordnungsruf!)

Und weil wir wieder Wahlkampf haben, möchte ich Ihnen eine Aussage auch nicht vorenthalten. – Herr Präsident, ich bitte vorweg um Entschuldigung, es sind nicht meine Worte; ich zitiere Vizebürgermeister Görg, der Folgendes gesagt hat:

Diese Regelung, so weit ich sie verstehe – gemeint ist die Ambulanzgebühr –, halte ich für Schwachsinn. Das ist eine Waneck’sche Fehlleistung von kosmischen Ausmaßen. Der administrative Aufwand für Ärzte und Schwestern sei Wahnsinn. – Zitatende. Nicht meine Worte, sondern die des Spitzenkandidaten Görg der ÖVP-Wien. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich nun auch noch einige Worte zur Wiener Gebietskrankenkasse sagen. Sie haben ja geglaubt, Herr Bundesminister, dass Sie, wenn Sie uns nur recht geschwind Ihren Politkommissar in die Wiener Gebietskrankenkasse schicken, dort Wahlkampfmunition finden. Nichts haben Sie gefunden! Das ist ein richtiger Rohrkrepierer geworden! (Bundesminister Mag. Haupt: Nein, das ist falsch!)

Ich werde Ihnen jetzt aus dem Bericht zitieren: Aufnahmestopp seit Frühjahr 2000, Abbau von 51 Dienstposten innerhalb eines Jahres, Reduktion der Aufwendungen für Überstunden um 13 Prozent. Und – hören Sie bitte zu! –: Der soziale Aufwand ist mit 2,5 Prozent begrenzt. Wir haben nur 0,8 Prozent, und das sind zwei Kindergärten, alles andere wurde gestoppt.

Aber wissen Sie, was kritisiert worden ist? Wissen Sie, was? –: Sparmaßnahmen im Verwaltungsbereich erst nach gesetzlichem Zwang umgesetzt. Ich sage Ihnen jetzt etwas, was Sie nicht wissen können, denn da waren Sie noch lange nicht in der Regierung: Bereits im Jahre 1998 haben wir über meine persönliche Initiative, und da gibt es keine zweite Krankenkasse in diesem Land, eine private Beratungsfirma in die Wiener Gebietskrankenkasse geholt und haben diese gebeten, zu durchleuchten, wo man Personal einsparen kann. – Daraufhin haben wir die Personalzahl gesenkt.

Und wissen Sie, was noch kritisiert wird, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Krankengeld zu spät von 78 Wochen auf 52 Wochen abgesenkt.

Ich sage Ihnen jetzt in aller Deutlichkeit: Ein derartiges Krankengeld bekommen in der Regel nur Schwerstkranke, MS-Kranke, Menschen nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. Wie kämen wir dazu, dass wir uns dazu zwingen lassen? – Weil die Wiener Gebietskrankenkasse auf Kosten der Ärmsten in diesem Land nicht zu sparen bereit war, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Kritisiert wird: Krankenstandsdauer bei Arbeitslosen zu lang, keine verstärkte Kontrolle der Arbeitslosen. – Ich sage Ihnen: Die Wiener Gebietskrankenkasse kontrolliert nach medizinischen Kriterien alle Versichertengruppen gleich. Strafaktionen gegen Arbeitslose gehören nicht zu den Aufgaben der Wiener Gebietskrankenkasse und wird es auch in Zukunft nicht geben, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird weiters kritisiert: unzureichende Maßnahmen zur Kostenreduktion bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln. Aber gleichzeitig attestiert uns der Bericht, die Wiener Gebietskrankenkasse liege mit ihrer Zuschussgewährung in diesem Bereich in der untersten Branche aller Kassen. Durch marktorientierte Auftragsvergabe konnten Einsparungen in Millionenhöhe erzielt werden, heißt es.


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Ich garantiere Ihnen: Die Wiener Gebietskrankenkasse wird auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass jene Menschen, die Heilbehelfe und Hilfsmittel brauchen, die besten bekommen, die es auf dem Markt gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Da Sie, Herr Bundesminister, scherzhaft gesagt haben, die SPÖ werde am Sonntagabend einen Erste-Hilfe-Koffer brauchen: Ich bin überzeugt davon, dass wir einen solchen sicher nicht brauchen werden (Abg. Ing. Westenthaler: Abwarten!), aber ich würde Ihnen etwas empfehlen. – Jetzt weiß ich nicht, wie ich Sie ansprechen soll: Soll ich Sie mit "Jörg Partik-Pablé" ansprechen oder mit "Herr Partik-Pablé"? – Ich sehe nur: "Helene Partik-Pablé" und einen Mann daneben. Aber wissen Sie, was gut wäre? – Wenn Sie der Frau Partik-Pablé ein paar gute Laufschuhe geben, denn sie wird schnell laufen müssen. Alt werden wird sie in dieser Partei nämlich nicht mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

12.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

12.49

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Kollegen Nürnberger sind einige Dinge anzumerken:

Erstens, Herr Kollege Nürnberger, wundert es mich, dass es für Sie als Arbeitnehmervertreter offensichtlich eine Schande ist, wenn ein Bundesminister jemanden, der arbeitslos ist, einstellt. (Abg. Nürnberger: Um 200 000 S? – Abg. Edlinger: Polemisieren Sie nicht von der Regierungsbank! Das ist ein Skandal!)

Zum Zweiten darf ich feststellen, dass meine Mitarbeiterin, die jetzt bei mir als Kabinettschefin tätig ist, nicht eine mangelnde Qualifikation hat, wie Sie es ausgedrückt haben, sondern aus einer Beschäftigung zu mir gekommen ist, nämlich beim Amt der Kärntner Landesregierung, wo sie eine gleiche Funktion gehabt hat (Oh-Rufe bei der SPÖ), und dass sie zum Dritten ein akademisches Studium absolviert hat, was Sie auch geflissentlich übersehen.

Herr Kollege Nürnberger, Sie haben weiters gemeint, dass jener Beamte aus meinem Hause, der die Kontrolle im Bereich der Wiener Gebietskrankenkasse durchgeführt hat, ein "Politkommissar" wäre. Ich darf für die Öffentlichkeit feststellen, dass mein Mitarbeiter bereits in der Regierung, in der auch Sie Verantwortung getragen haben, als Aufsichtsbeamter für die österreichischen Gebietskrankenkassen und für den Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungen in mehreren Funktionen als Vertreter der Regierung dort die Rechte und Pflichten wahrgenommen hat, die das Gesetz dem Bundesminister und dem Sozialministerium als Aufsichtsbehörde zuordnet.

Wenn Sie diese Diktion aus dem Osten – "Politkommissar" – in die Diskussion einbringen, richten Sie sich selbst.

Und noch etwas: Der Bericht über die Wiener Gebietskrankenkasse, den Sie, Herr Kollege, hier als so gut darstellten, ist nicht so gut, wie Sie uns glauben machen wollen, denn zwei Dinge sind auch klar festzustellen: Im Hanusch-Krankenhaus werden der Wiener Gebietskrankenkasse Jahr für Jahr von Ihrer Wiener Stadtverwaltung 53 Millionen Schilling für Fremdpatienten-Regelungen vorenthalten. Vorenthalten, Herr Kollege!

Zum Zweiten ist klar anzumerken, dass diese Bundesregierung der Wiener Gebietskrankenkasse 100 Millionen Schilling gewährt hat, um dieses Defizit im Hanusch-Krankenhaus zu minimieren.

Zum Dritten, Herr Kollege Nürnberger, muss man auch klar anmerken, dass die Wiener Gebietskrankenkasse, nachdem 1998 und 1999 bereits erhebliche Mehrkosten im Medikamentenbereich feststellbar waren, erst verspätet mit den Verhandlungen zur Eindämmung der Medikamentenkosten begonnen hat, wodurch auch ein erheblicher Mehraufwand für die Wiener Gebietskrankenkasse entstanden ist.


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Ich glaube daher, Herr Kollege Nürnberger, wenn Sie nicht nur das zitieren würden, was Ihnen genehm ist, sondern das tatsächliche Resümee, wären Sie sicherlich meiner Meinung: dass nämlich die Wiener Gebietskrankenkasse in vielen Bereichen ihre Hausaufgaben machen muss. Dann wäre es um die Versorgung der Wienerinnen und Wiener als Beitragszahler in Wien besser bestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt; die gesetzliche Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.53

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Ich war sehr froh, als dem Herrn Klubobmann der SPÖ, Gusenbauer, ein Erste-Hilfe-Koffer überreicht wurde, denn er braucht ja für seine Oppositionspolitik dringend Erste Hilfe. Ich war aber dann enttäuscht, als ich sah, dass der Koffer leer ist. Also nicht einmal bei einem Erste-Hilfe-Koffer kann man sich auf Sie verlassen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da Sie schon von einem "Trick" gesprochen haben: Ist das kein Trick, wenn in einem Medikamentenkoffer Papierln statt Medikamente drinnen sind? (Neuerliche Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger  – ein Wahlplakat, auf dem Dr. Jörg Haider neben der Aufschrift "Dr. Helene Partik-Pablé" zu sehen ist – in die Höhe haltend: Waren Sie beim Friseur? Eine neue Frisur! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter! Wenn Sie nicht einmal eine Wahlpropaganda begreifen, dann, glaube ich, brauchen Sie ein bisserl Nachhilfe. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das ist eine Empfehlung, Herr Abgeordneter Edlinger. Aber ich will mich noch einmal mit Herrn Nürnberger auseinandersetzen:

Der Herr Nürnberger, ein Arbeitnehmer vertreter, hat hier gesagt – das ist wirklich sehr interessant –, dass jemand, der 149 S Arbeitslosengeld bezieht und arbeitslos ist, nicht qualifiziert sein kann, in der Folge einen gut bezahlten Job zu bekommen. (Abg. Nürnberger: Welche Qualifikation hat sie denn?) Also bitte, Herr Abgeordneter Nürnberger, das ist wirklich eine fragwürdige Politik für einen Arbeitnehmervertreter! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin ja froh darüber, dass diese Sitzung heute direkt übertragen wird, denn dann kann man auch gleich sehen, welche Hassausbrüche Sie alle haben, wie Sie von der SPÖ Politik machen – wahrscheinlich, weil Ihnen schon auf allen Linien die Felle davonschwimmen.

Aber damit auch Ihre Empörung über die Ambulanzgebühren einigermaßen relativiert wird: Herr Bürgermeister Häupl schickt für Wien mit einem Geburtstagsbrief aus: "Zum Hausarzt statt ins Spital". – Und dann stellt er fest: 86 Prozent der Fälle können durch niedergelassene Ärzte ebensogut geregelt werden wie im Spital. Damit würden die Spitalskosten drastisch eingedämmt werden. Und er sagt auch, es seien Strukturreformen notwendig, um eben diese Umleitung vom Spital zum Hausarzt durchzuführen. (Abg. Bures: Das ist Ihre freie Interpretation!)

Das ist nicht von mir, das ist vom Herrn Häupl! (Abg. Bures: Ihre Interpretation ist falsch! Das wissen Sie auch!) Nein, nein, Sie können es lesen. Es tut mir Leid, dass Sie als Wiener Abgeordnete nicht einmal wissen, was der Herr Häupl verschickt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ihre ganze Oppositionspolitik ist wirklich naiv und seicht, denn es genügt Ihnen schon, um in einen Freudentaumel auszubrechen, wenn der Verfassungsgerichtshof wegen eines Formalfehlers ein Gesetz aufhebt. Da ist schon diebische Freude bei jedem Wort von Ihnen zu merken. Herr Kostelka hat gestern vor Freude kaum reden können. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich weiß nicht, was die Staatsbürger von einer solchen Politik überhaupt halten sollen. Statt dass wir alle zusammen an einem Strang ziehen, freuen Sie sich diebisch, wenn der Verfassungsgerichtshof einen Formalfehler entdeckt!


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Sie haben ja keinen politischen Erfolg damit erzielt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es gibt keine Änderung, sondern die Pensionsreform, die von dieser Bundesregierung geschaffen wurde, ist das Fundament dafür, dass die Pensionen auch in der Zukunft gesichert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Als Sie in der Regierung waren, haben Sie es ja leider unterlassen, zukunftsorientierte Maßnahmen zu setzen. Ich kann mich noch genau erinnern: Alle zwei Jahre mussten wir ein neues Gesetz zur Pensionsvorsorge machen, und immer wieder hat es geheißen: Jetzt wird es aber halten, bis über die Jahrhundert- und Jahrtausendgrenze hinweg, jetzt werden wir bis zum Jahr 2010 ein sicheres Pensionssystem haben. Nur: Gehalten hat es dann eben nur zwei oder drei Jahre.

Das wird sich ändern. Diese Regierung sichert die Pensionen auch noch für die Zukunft, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Genau so, wie Sie sich jetzt naiv darüber unterhalten, dass der Verfassungsgerichtshof wegen eines Formalfehlers die Pensionsreform aufgehoben hat, genauso höhnisch beurteilen Sie auch die Korrektur der Unfallrenten. Finden Sie es eigentlich nicht richtig, dass eine Regierung, die einen Fehler einsieht, diesen Fehler auch korrigiert? (Abg. Edlinger: Dann tun Sie es doch endlich! Sie reden ja nur darüber!) In der Politik können so wie auch im täglichen Leben Fehler passieren, und diese Fehler muss man dann eben auch beheben. Und das hat die Regierung getan. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Obwohl diese Regierung dringend sparen muss, weil Sie ja Berge von Schulden hinterlassen haben, wird in Härtefällen die Unfallbesteuerung zurückgenommen werden. Und das finde ich gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und was die Debatte angeht, die sich heute hier abspielt: Sie werden wieder Schiffbruch erleiden mit Ihrem Dringlichen Antrag. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist schon passiert!) Eigentlich haben Sie ja schon Schiffbruch erlitten, denn der Erste-Hilfe-Koffer war ja wirklich ein "Anpumperer". (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Aber solche Diskussionen erleben wir ja schon zum x-ten Mal in diesem Haus, seit sich die schwarz-blaue Regierung etabliert hat. (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. ) Da können Sie herumschreien, wie Sie wollen, Frau Silhavy!

Diese Verunsicherungskampagne von Ihnen, dieses Verbreiten ... (Abg. Edlinger: Frau Partik-Pablé, wissen Sie, was ein "Anpumperer" ist?) Herr Edlinger, ich war schon Sozialsprecherin, bevor Sie überhaupt noch im Parlament waren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Aber nicht sozial, Frau Partik-Pablé!) Also: Über die soziale Gesinnung von Ihnen und von mir kann man wirklich sehr lange diskutieren, und ich glaube, da werde ich auf der Gewinnerlinie liegen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben eine richtige Sucht entwickelt, zu verunsichern und immer wieder Halbwahrheiten zu verbreiten. Da gibt es zum Beispiel eine Wiener Wahlbroschüre von Ihnen, in der Sie von einer "Pensionsfalle" sprechen. Wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, was die "Pensionsfalle" ist? – Das ist die Sonderzahlung von 1 600 S für alle Pensionisten. Warum eine zusätzliche Leistung eine "Pensionsfalle" sein soll, das müssen Sie einmal den Leuten erklären, die das Geld jetzt in der Tasche haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie reden beispielsweise bei der Ambulanzgebühr von einer "Krankensteuer". Mit Absicht vergessen Sie, darauf hinzuweisen, dass sehr viele Leute davon ausgenommen sind: Notfälle, Kinder, Mindesteinkommensbezieher, chronisch Kranke, wenn kein niedergelassener Arzt in der Nähe ist. Sie alle sind ausgenommen von der Ambulanzgebühr. Sie tun so, als ob jeder, der krank ist, eine Steuer zahlen müsste. Und diese Kampagne des absichtlichen Verunsicherns verurteile ich wirklich. Sie tun damit den Österreichern überhaupt nichts Gutes, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und wissen Sie, was zum Beispiel in Wien Frau Stadtrat Brauner in ihrer Verunsicherungswut macht? Sie hat bei den Gehältern Jänner, Februar und März nicht den erhöhten Steuerbetrag


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abgezogen, sondern erst im März für alle drei Monate zusammen, damit ja im Monat März, wo der Wahltag ist, jeder einen geringeren Betrag auf dem Lohnzettel hat, als er normalerweise hätte.

Das sind Ihre Verunsicherungskampagnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Schwemlein: Das ist die Realität!) Sie brauchen überhaupt nichts zu sagen von sozialer Kälte, denn Ihnen sind die Staatsbürger völlig egal. Ihnen geht es nur um die Durchsetzung Ihrer politischen, miesen Ziele. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Empörte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Entschuldigung! Das nehme ich zurück. (Abg. Dietachmayr: Setzen Sie sich in ein Bierzelt hinaus! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe es schon zurückgenommen! Bei mir sind Sie so heikel, aber Herr Gusenbauer, der von "Raub" und "Diebstahl" gesprochen hat, als es um eine Steuer gegangen ist, hat es nicht zurückgenommen. Ich habe das Wort "mies" sofort zurückgenommen, bitte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fordere Sie auf: Lassen Sie doch diese lächerlichen Verunsicherungskampagnen! (Abg. Schwemlein: Verunsichern ist bei Ihnen System!) Tragen Sie doch endlich dazu bei, die Budgetkonsolidierung wirklich durchzuführen! Sie hätten die patriotische Pflicht, daran mitzuwirken, dass wir ein konsolidiertes Budget haben, denn Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass es jetzt nichts mehr zum Verteilen gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Wunschgemäß ist die Uhr auf 7 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.02

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gusenbauer hat uns heute in einer klassischen Rede gezeigt, wie man Menschen – vor allem arme, kranke, ältere – verunsichert.

Sie haben behauptet, die ÖVP und die FPÖ wollen die Solidarität in diesem Land aufkündigen: die Solidarität der Gesunden mit den Kranken, die Solidarität der Alten mit den Jungen. Das Gegenteil ist wahr! Sie verweigern mit Ihrer Politik jegliche Reform und verhindern eine Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitswesens. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Den Vogel bei dieser Verunsicherung hat Frau Geschäftsführerin Bures abgeschossen. Sie hat in einer Presseaussendung behauptet, dass Patienten, die Notfälle waren, abgewiesen wurden und dass sie deshalb Schaden erlitten haben, weil sie sich geweigert haben, 250 S Gebühr zu zahlen. Es ist ja noch überhaupt keine einzige Gebühr in Österreich eingehoben worden, also kann auch keiner abgewiesen worden sein! Und ein Notfall ist laut Gesetz zu behandeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Reden wir jetzt nicht lange herum! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Sind Ambulanzgebühren sinnvoll – ja oder nein? Schauen Sie, da gibt es sehr berufene Leute wie den Herrn Ärztekammerpräsidenten Pjeta, der sagt, sie sind sinnvoll. Da gibt es den Präsidenten der Wiener Ärztekammer, der sagt, sie sind sinnvoll. (Abg. Silhavy: Herr Dr. Rasinger, dass Sie sich trauen, das hier zu sagen!) Alle Experten sagen, es ist dringend eine Steuerung notwendig. Warum? – In den letzten zehn Jahren hat die Inanspruchnahme der Ambulanzen mit doppelter Geschwindigkeit stattgefunden als jene des niedergelassenen Arztes. Doppelt so viele Menschen sind in die Ambulanzen gegangen als zum niedergelassenen Arzt. 5,2 Millionen Patienten, insgesamt 17 Millionen Besuche! Und da wollen Sie sagen, es gibt keinen Handlungsbedarf? Ihnen sind überfüllte Ambulanzen lieber? (Abg. Silhavy: Die sind ja trotzdem überfüllt!)


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Alle Experten sind der Meinung, dass man Ambulanzen entlasten sollte, damit die Ärzte dort mehr Zeit für den Patienten haben. Sie wollen praktisch "Drehtürambulanzen", in denen die Leute husch, pfusch behandelt werden. Mit uns sicher nicht!

Aber den Vogel an falscher Gesundheitsökonomie hat Herr Abgeordneter Kostelka abgeschossen. (Abg. Bures: Ich habe geglaubt, die Bures!) Der hat ja wirklich allen Ernstes gesagt, Ambulanzen seien in allen Fällen billiger als niedergelassene Ärzte! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Edler: Görg! Was hat der Görg gesagt?)

Herr Abgeordneter Kostelka! Würden Sie bitte aufpassen, denn ich möchte Ihnen nämlich sagen: Lesen Sie die Berichte Ihrer eigenen früheren Ministerin Hostasch et cetera! Ambulanzen kosten im Schnitt drei-, viermal so viel wie der niedergelassene Arzt. Ein Hausarzt bekommt für einen Betreuungspatienten für das Quartal 440 S, ein Facharzt 650 S, und laut Berichten des Ministeriums kostet eine durchschnittliche Ambulanzbetreuung 2 200 bis 3 000 S. (Abg. Edler: Was sagt der Görg?) Wenn Sie jetzt sagen, alle Leute sollen wieder in die Ambulanzen gehen, ist das wirklich eine gefährliche Drohung für die österreichischen Spitäler.

Übrigens: Die Behauptung des Herrn Abgeordneten Gusenbauer, dass die Patienten jetzt zu Versuchskaninchen werden, entbehrt ja überhaupt jeglicher Grundlage. Wie kommen Sie zu so einer Behauptung, dass die österreichischen Patienten Versuchskaninchen sind? Nur weil dort ein Selbstbehalt eingehoben wird? Wie viele Selbstbehalte hat denn die SPÖ in der Zeit ihrer Regierung eingeführt? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Sie wollen Wahlkampf auf dem Rücken der Kranken und der armen Patienten machen! Das ist Ihre Idee. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Vorwurf Bürokratie: Jeder, der etwas Neues einführt, muss sich natürlich auch der Überprüfung stellen. Die Leute vor Ort sagen, dass die sehr vielen Ausnahmen Probleme machen. Man wird das ernst zu nehmen haben, und es ist schon eine Einladung an die Landesräte ergangen, ihre Erfahrung und ihre Verbesserungsvorschläge mitzuteilen.

Das Gesetz ist aber bereits neun Monate alt, und ich habe zum Beispiel von der Stadt Wien keinen einzigen Verbesserungsvorschlag gehört. (Abg. Edler: Der Görg hat es Ihnen schon gesagt!) Erst jetzt, wo es einen Wirbel gegeben hat, hat sich die Wiener Stadtregierung angehängt. Ich habe überhaupt nichts gehört. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Hören Sie auf den Görg! Hören Sie, was der Ihnen zu sagen hat!)

Das Ziel muss sein: weniger Bürokratie! Nehmen Sie Herrn Professor Vecsei, stellvertretender Direktor im AKH, der gesagt hat: Der Reformansatz ist richtig, aber wir müssen nachjustieren. Ist das ein Verbrechen, wenn man in Österreich sagt, wir können etwas besser machen? Mit Sicherheit nicht! (Abg. Edler: Was hat der Görg Ihnen gesagt?!) Aber das Gesamtkonzept, wonach man auch beim niedergelassenen Arzt einen Selbstbehalt einhebt und bei der Ambulanz einen etwas höheren, ist richtig und gehört weiter verfolgt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie tun heute nach 55 Jahren SPÖ-Regierung im Gesundheitswesen so, als ob die Selbstbehalte, die die FPÖ mit der ÖVP eingeführt hat, total unsozial wären. Ihre Eisenbahner, Ihre Beamten haben viel höhere Selbstbehalte gezahlt, und da habe ich von Ihnen nie etwas gehört. Ich lese, dass manche Patienten bis zu 50 Prozent Selbstbehalt, bei Prothesenreparaturen etwa, zahlen. Da habe ich von Ihnen überhaupt nichts gehört. Und wenn Sie sagen, wir brauchen die Selbstbehalte nicht, dann sagen Sie den Bürgern, woher die 11 Milliarden Schilling kommen sollen, die wir zur Finanzierung des Gesundheitswesens im Ausmaß von 140 Milliarden Schilling brauchen.

Wir von ÖVP und FPÖ wollen nicht, dass Selbstbehalte Barrieren für Patienten sind. Wir wollen nicht, dass irgendwelche Kranken von wichtigen Behandlungen abgehalten werden. Wir wollen mit diesen Selbstbehalten das Gesundheitswesen finanzierbar erhalten, aber sie werden nicht mehr als ein Beitrag sein. Die weitaus größte Last wird weiterhin aus Beiträgen und Steuermitteln getragen. Aber wenn wir die Mittel nicht haben, dann werden wir in Österreich keine Verbesserungen durchführen können, dann werden wir keine Kinderpsychiatrie auf Kassenkosten


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einführen können, dann werden wir keine Schmerztherapie einführen können, und dann werden wir nicht, wie wir uns das vorgenommen haben, tausend neue Stellen einrichten können, um die weißen Flecken zu schließen.

Sie verweigern jeglichen Fortschritt in der Gesundheitspolitik in Österreich. Sie wollen nur Wirbel, und wir wollen weiterentwickeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir reichen Ihnen trotzdem die Hand. Machen Sie mit bei unseren Bemühungen, die Versorgung in Österreich zu verbessern, unser Gesundheitssystem, welches Weltklasseniveau hat, weiter zu verbessern, die weißen Flecken zu entfernen, aber auch die Finanzierbarkeit zu erhalten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Freiwillige Redezeit: 8 Minuten. (Abg. Dr. Grünewald: Zehn!) 10 Minuten, bitte; das ist aber dann die Obergrenze.

13.10

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich darf Sie schon an die APA-Meldung erinnern, die hier vor wenigen Minuten angesprochen worden ist, worin zu lesen steht: Für die Ambulanzgebühren wird es keine Frist zur Sanierung geben. Sobald das VfGH-Erkenntnis kundgemacht ist, sind die Bestimmungen nicht mehr anzuwenden.

Wenn es um solch weitreichende Dinge geht, frage ich mich, Herr Minister, warum Sie ganz zentral über eine Bedienstete und deren Verdienst bei Ihnen reden. Warum wird von Frau Dr. Partik-Pablé Frau Stadträtin Brauner zitiert? Es dreht sich jetzt um 5 Millionen Patienten, die jährlich unsere Ambulanzen aufsuchen, und das ist mir wichtiger als eine Mitarbeiterin und ihr Gehalt.

Und wenn Sie, Herr Minister Haupt, sagen, die Bevölkerung sei nicht verunsichert, frage ich Sie: Zählen Patienten und Patientinnen, Ärzte, Schwestern und leidende Menschen für Sie nicht zur Bevölkerung? Sie sind verunsichert, und das nicht zu sehen, heißt, mit Blindheit geschlagen zu sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie sagen, Selbstbehalte hat es immer gegeben. Das stimmt schon, aber Sie haben sie erhöht, obwohl in mehreren Studien, und zwar in rezenten und wissenschaftlichen Studien, nachgewiesen wird, dass der private Beitrag an den Gesundheitskosten laufend gestiegen und der öffentliche Anteil an den Gesundheitskosten prozentuell gesunken ist. Warum reden Sie nicht davon?

Ich zeige Ihnen jetzt: So schaut dieser Ambulanzschein aus, über den wir reden wollen. (Der Redner hält ein rotes Formular in die Höhe.) Er verlangt fünf Unterschriften, vier davon mit Stempel; die einzige, die keinen Stempel braucht, ist die Unterschrift des Patienten. (Abg. Edlinger: Das kommt auch noch!) Und so schaut das Entscheidungsdiagramm aus (der Redner hält ein weißes Formular in die Höhe), das darstellt, wie man zur Entscheidung kommen soll, ob jemand ausgenommen wird von dieser Krankenbestrafungssteuer oder nicht.

Die Regierungserklärung hat relativ schnell in einer Flut von Zitaten gemündet. Man hat wehrlose SchriftstellerInnen, Poeten, Philosophen zitiert und sich auch nicht entblößt, die Bibel zu Hilfe zu nehmen mit dem Satz: Fürchtet euch nicht! – Wir sind zwar keine Gesellschaft der Angstkranken, aber wenn ich mir diese Diagramme anschaue, wenn ich mir diesen Ambulanzschein anschaue (der Redner hält neuerlich die beiden Formulare in die Höhe), meine ich schon, dass ein wenig Angst durchaus berechtigt sein mag. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn Sie, wenn Sie teilweise schon für diese Nöte keine Seele und kein Herz zeigen, zumindest musikalisch wären, dann wüssten Sie – da darf ich Sie nochmals an die Bibel erinnern –, es gibt auch ein Jericho, Jericho und die Posaunen. (Abg. Böhacker: Sehr musikalisch sind Sie


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auch nicht!) Sie haben vergessen, wer in diesem Orchester die Posaune bläst. Dies ist ein großes Orchester, angeführt von Adamovich und bestehend aus Höchstrichtern, Krankenschwestern, ÄrztInnen, Patienten und weiten Teilen der Bevölkerung. Also ich würde dieser Bevölkerungsgruppe schon zumindest ein wenig Aufmerksamkeit schenken. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir haben auch Ihrer Gesundheitspolitik immer etwas entgegengesetzt, nur haben Sie nie hingehört. Alles, was hier gesagt wird, wird nicht zum ersten Mal gesagt. Unsere Kritik wurde mit Studien, mit harten Daten und Expertenmeinungen untermauert. Und wenn du, lieber Erwin, sagst, dass das alles gut ist und nur nachjustiert werden muss, dass die Ambulanzen viel teurer sind und dass das auch Pjeta sagt – ich sage, er sagt auch hin und wieder etwas anderes, und Dorner sagt sowieso etwas anderes –, so muss ich dir schon entgegenhalten: Auch wenn man nicht "Faust" zitiert, sondern einen Ärztekammerpräsidenten, sollte man auch da punktgenau sein, würde ich meinen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben auch den Mythos der Bundesregierung entzaubert, dass das Finanzierungssystem vor dem Bankrott stehe. Das stimmt einfach nicht, und darin stimmen alle Experten überein, dass das nicht wahr ist. Man kann sparen, muss aber nicht den Bankrott predigen. Wir konnten zeigen, dass unser Gesundheitssystem, was Zugänglichkeit und Leistungsangebot betrifft, verglichen mit den finanziellen Aufwendungen, sogar sehr effektiv ist. Du hast nie widersprochen.

Wir konnten der Bundesregierung und ihren Abgeordneten nachweisen, dass diese Form von Selbstbehalten letztlich ausschließlich jene betrifft und jene darunter leiden, die ohnehin schon durch Erkrankungen oder Gesundheitsgefährdungen geschlagen sind. Ist das solidarisch? Ist das in Ordnung, dass man sich eine Gruppe, die schon durch Krankheit betroffen ist, aus dem Hut herauszupft und sagt: Ihr müsst dafür jetzt etwas zahlen!? Ist das die soziale Balance, die Abfederung, oder wollen Sie da nachjustieren? Da würde ich sagen, das ist dringlich angezeigt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben auch bewiesen, dass ärmere Bevölkerungsschichten – das untere Einkommensdrittel und bildungsfernere Schichten – häufiger und öfter erkranken als Reiche und Wohlhabende. (Abg. Sophie Bauer: Die sterben auch früher!) Wen treffen nun diese Gebühren? Und wenn ich mir jetzt nochmals anschaue, was im "Faust" steht – Khol wird das gelesen haben, hat es sogar sicher gelesen –, nämlich: Du musst es dreimal sagen!, dann muss ich feststellen: Auch etwas viermal zu sagen, was den Tatsachen entspricht, erweckt nicht das Interesse von Khol und Westenthaler. Die Ambulanzgebühren sind nachweislich unsozial und auch kein Steuerungsmittel. Experten sagen auch, dass Ambulanzen keineswegs viel teurer sind. Wenn ich privat im niedergelassenen Bereich zu einem Praktiker gehe, und der schickt mich dann zu einem Facharzt und der zum nächsten und der wieder zum übernächsten, dann rechnet sich das bloß pro Quartal. Habe ich jedoch dasselbe Angebot in Ambulanzen, dann rechnet sich das, was es kostet, auf ein Jahr. Also das ist höchst umstritten. Ich würde Ihnen raten, das in Ihrem eigenen Interesse – ich meine, solche Tipps sollte ich gar nicht geben – nicht mehr zu zitieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber ich frage: Warum besteht denn die Bundesregierung so hartnäckig auf etwas, was nicht nur umstritten, sondern nachweislich gesundheitspolitisch, sozialpolitisch und – was Sie jetzt vielleicht am besten als Beweis nehmen könnten – sogar wirtschaftlich unsinnig ist? Sie stellen einfach Macht über Vernunft und beharren, beharren, beharren – egal, was passiert. Ich finde das nicht gut, aber es steht auch irgendwo geschrieben: Da steht er nun, der arme – Punkt, Punkt, Punkt –, und ist so klug als wie zuvor. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ich würde schon glauben, dass Klugheit etwas ist, was Steigerungsraten haben sollte, Steigerungsraten wie jene des Wirtschaftswachstums, des Bruttoinlandsproduktes, das nachweislich stärker gestiegen ist als die Gesundheitskosten.

Gewinner und Verlierer stehen für Sie fest, und Sie haben das Chaos wirklich zum Prinzip erhoben. Wenn nun zur Verteidigung gesagt wird, all jene, die in den Ambulanzen stehen – sogar Ärzte werden jetzt bemüht und zitiert und auch Krankenschwestern –, versuchen nur aus Böswilligkeit, diese Verordnung, dieses Gesetz zu Fall zu bringen, so werde ich mich dagegen –


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das möchte ich wirklich sagen – auf das Schärfste verwahren. Ich habe viele Krankenhäuser besucht, und die haben sich entschlossen, eine patientenfreundliche und möglichst unbürokratische Regelung einzuführen. Das wurde auch akkordiert. Ich habe die Protokolle vom Krankenkassenhauptverband, unter Beteiligung von Ländern und Beamten und Beamtinnen Ihres Ministeriums, in denen dann plötzlich steht: Es ist nicht zuzumuten, dann, wenn ein praktischer Arzt eine Patientin in die Ambulanz zuweist, weil er seine Grenzen kennt, weil er die Patienten bestmöglich versorgen will, noch 150 S von der Patientin zu verlangen, sie zu bestrafen, weil ihr Arzt verantwortungsvoll war.

Aber alle Schreiben von Hauptverband, Krankenkassa, Ländern, Betroffenen an das Bundesministerium blieben bis zum heutigen Tag unbeantwortet. Und ich frage mich: Sind Ambulanzen Schiedsstellen, sind Ambulanzen ein Gerichtshof, oder sind sie Versorgungseinrichtungen, in denen sich die dort tätigen Leute um Patientinnen und Patienten kümmern sollten? Sollen Ambulanzen wirklich aufgerüstet werden mit Geographen oder Landvermessern, die ihnen dann sagen, ob die Entfernung zum nächsten Arzt zumutbar war oder nicht? Brauchen wir einen Zivilrichter, der darüber entscheidet, ob ein Raufhandel, eine Trunkenheit oder ein Suchtgiftmissbrauch selbst verschuldet waren?

Wenn Sie Ambulanzen so auffetten wollen, dann tun Sie es, aber dann sagen Sie nicht, dass sie billiger kommen, und dann sagen Sie auch nicht, dass für diese Entscheidungsfindung Ärzte und Ärztinnen den Kopf hinhalten müssen, wenn PatientInnen aus berechtigter Sorge und gutem Grund Ambulanzen aufsuchen! Wenn man nur vier Minuten für diese Arbeit der Entscheidungsfindung braucht und das mit 17,6 Millionen Frequenzen in Ambulanzen multipliziert, kommt man auf über eine Million Arbeitsstunden. Das entspricht mindestens 600 Arbeitsplätzen, die nur durch die Verwaltung okkupiert sind. Da sind aber jetzt noch keine Bescheide der Landesregierung dabei. (Abg. Dr. Pumberger: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Herr Pumberger, wenn Sie Ihre Intelligenz unter dem Scheffel hervorholen wollen – und das tun Sie ja öfter –, so kann ich Ihnen nur sagen: Es ist in diesem Raum dadurch noch nie einen Funken heller geworden. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Und wenn Sie die Rechenmaschine benützen – ich komme jetzt kurz zum Bildungssystem –, so kann ich nur sagen: Ihre Klassenschülerhöchstzahl war wahrscheinlich zu groß, um etwas Vernünftigeres zu lernen, als hier mit Kugerln zu spielen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Sie werden sehen, Sie bekommen einen Ordnungsruf! – Abg. Böhacker: So eine Arroganz!)

Noch einmal: Ich sage, die Ambulanzgebühren waren ein missglücktes Gesellenstück, an dem sich die ganze Kärglichkeit dieser Politik fast zu einer Supernova verdichtet, und um diese Supernova intellektueller Kurzschlüsse zu beobachten, braucht keiner der hier Anwesenden ein Teleskop. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt vor von Frau Abgeordneter Doris Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.21

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Verwunderung hat bei mir natürlich Frau Abgeordnete Partik-Pablé hervorgerufen, die der Sozialdemokratie Verunsicherung der Bevölkerung vorwirft.

Frau Partik-Pablé! Ich kann Ihnen sagen, die Wienerinnen und Wiener haben durch den Wahlkampf, den Sie in den letzten Tagen in Wien geführt haben, klar und deutlich verspürt, wer versucht, für Verunsicherung in diesem Land zu sorgen (Abg. Mag. Trattner: Sie sollten hier nicht wahlkämpfen!), wer für Verunsicherung sorgt mit Themen der Ausländerpolitik, mit Themen der Kriminalität, indem Sie Dinge hochspielen, die in Wien überhaupt nicht Realität


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sind. (Abg. Böhacker: Langsam! Langsam! Langsam!) Wenn jemand verunsichert, dann sind Sie es in Ihrem Wahlkampf und mit Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie verunsichern im Wahlkampf mit Ihrer Politik, und Sie verunsichern mit den Maßnahmen, die Sie auf Bundesebene im sozialpolitischen Bereich setzen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und Sie verbreiten die Unwahrheit!) Gerade jene Menschen verunsichern Sie, die die Hilfe des Staates und die Hilfe von uns eigentlich am meisten benötigen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Unwahrheiten verbreiten Sie! Sie verbreiten Unwahrheiten!)

Es ist auch kein Zufall, dass Sie in jeder Frage immer einen Reflex haben – und das haben beide Regierungsparteien gemeinsam –, nämlich den Reflex, die Flucht aus der Verantwortung anzutreten. Aber nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie Verantwortung dafür tragen, dass kranke Menschen von Ihnen zur Kasse gebeten werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und Sie sind dafür verantwortlich, dass Unfallopfer, die Ärmsten der Armen, zur Kasse gebeten werden. (Beifall bei der SPÖ.) Sie sind dafür verantwortlich, dass Hunderttausende – vor allem Frauen – in Zukunft keine beitragsfreie Versicherung mehr haben werden. Sie sind aufgestanden, haben das abgeschafft und haben genau diese Menschen mit Ihren Maßnahmen massiv belastet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz  – sich die Ohren zuhaltend –: Schreien Sie nicht so! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schreien Sie nicht so! Man kann besser zuhören, wenn Sie nicht so schreien!)

Ihre unsoziale, dilettantische und chaotische Politik, die Sie in den letzten Wochen betrieben haben, hat ihren Höhepunkt ohne Zweifel bei der Einführung der Ambulanzgebühren erreicht. Ich habe mir das angeschaut. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kann man das nicht abstellen, dass sie so schreit?) Ich war in Wien in Spitälern, in Ambulanzen, ich habe mir angeschaut, welchem bürokratischen Aufwand Ärzte und Pflegepersonal ausgesetzt sind und wie massiv die Menschen, die dort sitzen und auf dieses Gesundheitssystem hoffen, an dieses Gesundheitssystem glauben, von Ihnen belastet werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein bisschen leiser noch!) Und das haben Sie zu verantworten! Reden Sie daher darüber, dass Sie daran schuld sind, dass diese Menschen zur Kasse gebeten werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Das sind vor allem ältere Menschen, die betroffen sind – wo ist die Familienpartei ÖVP? –, das sind Familien mit Kindern, die davon betroffen sind, die auf Ambulanzen angewiesen sind und die durch Ihre Maßnahmen massiv zur Kasse gebeten werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht wieder schreien, bitte! Nicht schreien!) Bei all Ihren Regelungen gilt "speed kills". Sie sind schnell beim Ankündigen, Sie sind schnell beim Belasten genau jener Menschen, die Bezieher der untersten Einkommen sind, und Sie sind – das hat sich gezeigt – vor allem dilettantisch und chaotisch in der Umsetzung Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Rasinger! Diese Ambulanzgebühren wurden von allen Experten, ob es die Ärzte im Gesundheitswesen sind, ob es die Patientenvertreter sind, ob es die Gewerkschaften waren, kritisiert und in Frage gestellt, weil sie eine Belastung sind und auf der anderen Seite finanziell auch überhaupt nichts bringen. (Abg. Böhacker: Das ist gar nicht wahr!) Diese Ambulanzgebühren sind ein Schildbürgerstreich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Rasinger: Alle haben gesagt, das ist sinnvoll! Sie kennen sich überhaupt nicht aus!)

Und damit Sie sehen, dass das nicht nur die Meinung der Opposition ist: Kollege Nürnberger hat Ihren ÖVP-Kollegen Görg zitiert, der von den Ambulanzgebühren als einem absoluten Schwachsinn gesprochen hat. Aber es gibt auch die ÖVP-Gesundheitslandesräte – Sie kennen das Schreiben. Die sprechen bei den Ambulanzgebühren davon, dass sie für Patienten ungerecht, für die Mitarbeiter belastend und unpraktikabel und für die Finanzierung ineffektiv und unzureichend sind. Stellen Sie sich also nicht hierher und sagen Sie nicht, dass alle für die Ambulanzgebühren sind! Es gibt außer Ihnen überhaupt niemanden, der das für sozial sinnvoll und auch für finanziell sinnvoll hält. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben bei der Diskussion um die Einführung dieser sozialen Grausamkeiten alle Einwände aller Experten vom Tisch gewischt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schreien Sie bitte nicht so! Das ist


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unerträglich!) Sie haben dieses Maßnahmenpaket hochgejubelt, und Sie haben daher auch heute die Verantwortung zu tragen. Da nützt kein Distanzierungswettlauf: auf der einen Seite die ÖVP bei den Ambulanzgebühren, auf der anderen Seite die FPÖ bei dieser unsozialen Besteuerung der Unfallrentner. Das sind rhetorische Übungen. (Abg. Jung: Ihre Rede auch!) Das hilft den Menschen, die eine Unfallrente beziehen, die Sie mit einem Schlag um ein Drittel gekürzt haben, nichts, das nützt auch den Familien, die mit ihren Kindern die Ambulanz aufsuchen müssen, nichts. Ich fordere Sie auf, diese unsozialen Maßnahmen rasch zurückzunehmen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und weil Herr Rasinger gefragt hat, wie man denn darauf kommt, dass das nur ein Versuch sein soll: Ich rufe in Erinnerung, dass Bundeskanzler Schüssel – ein beschämendes Schauspiel, eine zynische Wortmeldung – gesagt hat: Na probieren wir es einmal ein Jahr mit den Ambulanzgebühren! – Das war seine Aussage, und ich sage Ihnen: Die österreichischen Patienten, die kranken Menschen, die da zur Kasse gebeten werden, sind nicht die Versuchskaninchen des Bundeskanzlers! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Frau Partik-Pablé! Ich freue mich über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, diese unsoziale, ungerechte Maßnahme der Ambulanzgebühren gänzlich zu streichen und zurückzunehmen. Ich freue mich darüber. Ich freue mich deshalb darüber, weil es zum Vorteil der Ärzte, des Ärztepersonals, der KrankenpflegerInnen ist, die damit ihren eigentlichen Aufgaben nachkommen können und nicht zu Ihren Bürokraten abgestempelt werden. Und ich freue mich im Interesse der kranken Menschen, die froh sind, ein Gesundheitssystem vorzufinden, das weltweit anerkannt ist, das Sie in Wirklichkeit jedoch zerstören wollen, weil Sie den Schritt in eine Zweiklassenmedizin antreten wollen. Das werden wir massiv verhindern, und das werden wir, weil die Menschen es spüren, mit den Menschen gemeinsam aufzeigen. (Abg. Ing. Westenthaler: Nichts werden Sie verhindern!) Und ich sage Ihnen: Das wird Ihnen auch nicht gelingen!

Es gibt natürlich eine Reihe von Grausamkeiten und massiven Belastungen von älteren Menschen, von kranken Menschen, die Sie beschlossen haben, und ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Doris Bures und GenossInnen betreffend Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Regierungsvorlage: Budgetbegleitgesetz 2002 (499 der Beilagen) gemäß § 25 GOG-NR so abzuändern beziehungsweise zu ergänzen, dass die bereits beschlossene unsoziale Besteuerung der Unfallrenten mit 1. Jänner 2001 rückwirkend aufgehoben wird."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir geben Ihnen damit die Gelegenheit, tätige Reue zu üben und diesen unsozialen Kurs, den Sie eingeschlagen haben, zu korrigieren. Korrigieren Sie Ihren sozialen Missgriff! Wenn Sie noch einen Funken an sozialem Gewissen haben, dann stimmen Sie dem Antrag zu, und beenden Sie die unsoziale Besteuerung der Unfallrenten! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Der vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterfertigt und steht mit in Verhandlung. (Abg. Ing. Westenthaler: Könnten wir nicht die Frau Bures für unsere Wahlkampfauftritte gewinnen?)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.


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13.30

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist nun die zweite Sondersitzung der SPÖ in diesem Jahr. Im Jänner haben Sie statt Steuersenkung Steuererhöhungen gefordert. Jetzt steht diese Sondersitzung unter dem Motto: "Stoppt die Zerstörung des Gesundheitswesens"! Sie rennen damit bei uns offene Türen ein. Wir stoppen 30 Jahre Zerstörung des Gesundheitswesens. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind auf dem besten Wege. (Abg. Edlinger: Wo ist der Scheffel?) Auf Grund hervorragender Maßnahmen dieser Bundesregierung ist es bereits zu einer Teilkonsolidierung der defizitären Krankenkasse gekommen. Weitere Schritte haben zu folgen. Daher freue ich mich, Frau Kollegin Bures, dass Sie dort sitzen, wo Sie sitzen, nämlich auf der Oppositionsbank. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihr Antrag, meine sehr verehrten Kollegen von den Sozialdemokraten, beinhaltet wirklich nichts Überraschendes. Von Ihnen bin ich gewohnt, dass Sie die Tendenz zur verstaatlichten Medizin verstärken wollen. Sie sagen: Selbstbehalte treffen ausschließlich Kranke!, und haben selbst Selbstbehalte in der Höhe von 10 Milliarden Schilling pro Jahr eingeführt. Ich erinnere an die 20 Prozent Selbstbehalt beim Wahlarzt, an die Erhöhung der Rezeptgebühr, an das Taggeld bei den Spitälern, bei den Kuraufenthalten und an vieles andere mehr. (Abg. Schwemlein: Herr Pumberger! Von Ihnen wissen wir nur, dass Sie drei oder vier Pensionen haben!)

Sie sagen: Kassenambulatorien sind kostengünstiger als der niedergelassene Arzt. Jeder Mensch, der auch nur ein bisschen rechnen kann und über das Rechenausbildungsniveau der Grundschule hinausgekommen ist, weiß, dass in einer Ambulanz pro Fall etwa drei- bis viermal höhere Kosten anfallen. (Abg. Schwemlein: Drei bis vier Pensionen!) Daher wollen wir mit der Einführung der Ambulanzgebühr erreichen, dass die Patienten bei gleich guter Behandlung, wenn es die Möglichkeit gibt, zum Facharzt oder zum praktischen Arzt, zum Hausarzt gehen und dort die Behandlung durchführen lassen. Wir sparen damit etwa das Drei- bis Vierfache ein, meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher ist dieser Antrag kaum das Papier wert, auf dem er steht.

Daher bringe ich einen Antrag ein, den Herr Kollege Rasinger und ich formuliert haben. Dieser weist in der Präambel darauf hin, was die Wiener Gebietskasse macht. Die Wiener Gebietskasse hat doch eine Sonderprüfung erfahren (Abg. Öllinger: "Wiener Gebietskrankenkasse" heißt das!), die der Herr Sozialminister veranlasst hat. Dabei wurde offen gelegt, was dort alles im Argen liegt. Der Vorstand der Kasse hätte ein Gesamtfinanzierungspaket, so wie es alle anderen Landesgebietskassen machen, beschließen sollen, aber das fehlt, das hat er nicht gemacht. Speziell im Personalbereich ist überhaupt nichts in Ordnung gebracht, ebenso bei der trägerübergreifenden Koordinierung beziehungsweise Unterstützung durch den Hauptverband. Der Hauptverband ist überhaupt nicht gefordert. Die Wiener Gebietskasse lässt sich auch vom Hauptverband nichts sagen. Ich frage mich: Wozu ist dieser Hauptverband dann überhaupt noch da, wenn sich Herr Sallmutter auch da nicht durchsetzen kann? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz im Argen liegt es beim AKH in Wien, obwohl es eines der weltbesten Spitäler ist, das es zu erhalten gilt. (Abg. Schwemlein: Im Argen liegt es mit Ihren Pensionen!) Den guten Ruf des Wiener AKH müssen wir erhalten. Daher hat die Bundesregierung, allen voran Herr Bundesminister Haupt mit dem Finanzminister, angeordnet, dass dem AKH pro Jahr 3,2 Milliarden vom Bund zugeführt werden. Was macht der Finanzreferent und ehemalige Gesundheitsstadtrat der Stadt Wien? – Nur einen Teil dieser 3,2 Milliarden führt er tatsächlich dem AKH zu. Sie können es im Antrag nachlesen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Kollegen betreffend Fortsetzung der bereits eingeleiteten Gesundheitsreform

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ersucht, alle geeigneten Maßnahmen zu setzen, um das gegebene Einsparungspotenzial im Bereich der Sozialversicherung sicherzustellen und die von ihm eingeleitete Gesundheitsreform fortzusetzen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Verzichten Sie einmal auf Ihre Pension!)

Diese Reform ist bereits voll im Gang. Wir werden sie fortsetzen. Herr Bundesminister! Unsere Unterstützung haben Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Auch dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Für das Protokoll: Bei der SPÖ-Sondersitzung ist die Hälfte der SPÖ-Abgeordneten nicht da!)

13.35

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das Thema "Gesundheit" und das Thema "Ambulanzgebühren" sind auf Aufforderung der SPÖ dringlich zu behandeln, die aber, wie wir schon oft erlebt haben, offensichtlich das Interesse an diesem Thema in den letzten anderthalb Stunden verloren hat. Schade, schade! (Abg. Silhavy: Das liegt an der "Qualität" Ihres Debattenbeitrages!) Man könnte nämlich in diesem Zusammenhang einiges berichtigen.

Berichtigen ist, so glaube ich, gegenüber der Bevölkerung notwendig. Wenn man nämlich die Debatte bis jetzt verfolgt hat, dann glaubt man nicht, dass Ambulanzgebühren in der Höhe von maximal 1 000 S im Jahr eingehoben werden (Abg. Dietachmayr: Pro Person! Familie mit drei Kindern!), dann glaubt man nicht, dass es eine Liste von Ausnahmen, die ebenfalls im Gesetz stehen, gibt. Diese Gebühr gibt es nicht in Notfällen, bei chronischen Krankheiten, bei von der Rezeptgebühr befreiten Personen (Abg. Schwemlein: Verzichten Sie darauf!), im Fall einer Mutterschaft, im Fall von Blutplasma-Spendern und auch dann nicht, wenn keine geeigneten Einrichtungen im niedergelassenen Bereich vorhanden sind. (Abg. Schwemlein: Sie haben noch immer nicht gemerkt, dass das ein Holler ist!)

Meine Damen und Herren! Das sind sozial gerechtfertigte Ausnahmen, die von uns getroffen wurden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich frage mich nur, meine Damen und Herren, was der Hauptverband, was die Träger angesichts dessen machen, dass diese Ausnahmen, das wahre Ausmaß, das wahre sozialverträgliche Ausmaß der Ambulanzgebühren der Bevölkerung offensichtlich zu wenig bekannt sind und das Wissen darüber ganz bewusst von den Verantwortlichen hintertrieben wurde. (Abg. Dr. Mertel: Von Schüssel!)

Meine Damen und Herren! Heute hat der Klubobmann und Parteivorsitzende der SPÖ so locker in seiner Rede gesagt: Wir sollten verhindern, dass wir uns in Richtung Ellbogen-Medizin bewegen. Jetzt frage ich Sie: Was ist Ellbogen-Medizin? (Abg. Schwemlein: "Ellbogengesellschaft" hat er gesagt!) – Meinen Sie damit jene Systeme, die von Ihren Parteifreunden im Ausland administriert werden? In Großbritannien wird bekanntlich die Behandlung von alten Leuten ausgesetzt und so lange von einem Termin zum anderen verschoben, bis sie keine Behandlung


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mehr bekommen. (Abg. Schwemlein: Sind wir für das auch schuldig?) Meinen Sie jenes System, das Ihre Parteifreunde in den Niederlanden administrieren, bei dem man 2 000 bis 3 000 Leuten im Jahr zum vorzeitigen Ableben verhilft? Ihre Fraktion hat im Europäischen Parlament verhindert, dass dieser europäische Menschenrechtsskandal behandelt wird! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Herr Kollege! Wir reden von der österreichischen Regierung!)

Das ist Zwei-Klassen-, das ist "Ellbogen-Medizin" und nicht das österreichische System. Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren, Hohes Haus: Wer verhindert, dass rechtzeitig Korrekturen und Reparaturen an unserem österreichischen Gesundheitssystem vorgenommen werden, der stellt tatsächlich die Weichen in Richtung Zwei-Klassen- und "Ellbogen-Medizin". (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Pumberger hat bereits den – meiner Ansicht nach – Skandal um das Wiener AKH angesprochen, für das vom Bund aus guten Gründen neben der Übernahme der Gehälter, neben der Übernahme der Betriebskosten zusätzlich für den klinischen Mehraufwand 3,2 Milliarden überwiesen werden. Stadtrat Rieder hat 814 Millionen im Jahr 2000 überwiesen und 814 Millionen für das Jahr 2001 vorgesehen. (Abg. Dr. Pumberger: Das ist skandalös!)

Ich fordere die Wiener Stadtverwaltung, ich fordere die Wiener SPÖ und vor allem den Finanzstadtrat auf, dieses Geld für die Wiener Patienten weiterzugeben und der Gesundheitsversorgung der Wiener zugute kommen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Uhr ist auf 5 Minuten freiwillige Redezeit gestellt. – Bitte.

13.40

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich möchte zu Beginn die Behauptung, die Sie, Herr Bundesminister, am Anfang in den Raum gestellt haben, das Parlament sei schuld an der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof, entschieden zurückweisen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.  – Bundesminister Mag. Haupt: Das habe ich nicht gesagt!)

Diese Behauptung ist genauso unrichtig und eine Verdrehung der Wahrheit in ihr Gegenteil wie die Behauptung, die Herr Westenthaler gestern aufgestellt hat, wonach es Präsident Fischer gewesen sei, der für die falsche Verlautbarung im Amtsblatt verantwortlich sei. Das muss man sich einmal vorstellen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schwemlein: Hat er einmal die Wahrheit gesagt?)

Herr Westenthaler! Heute erklärt der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Adamovich, dass der Fehler im Bereich des Bundeskanzleramtes gelegen habe, nämlich im administrativen Bereich. (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, das ist völlig falsch! Das sagt er nicht!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Diese Ihre Vorgangsweise hat Methode. Die Umdrehung der Wahrheit in ihr Gegenteil hat Methode, und ich versuche, Ihnen das auch noch anhand anderer Beispiele zu beweisen.

Herr Bundesminister Haupt! Sie waren derjenige, der heute gesagt hat: Warum werden die kleinen Eisenbahner und die kleinen Postbediensteten von den Sozialdemokraten nicht in Schutz genommen, die wesentlich höhere Selbstbehalte als der Rest der Sozialversicherten zu zahlen haben? – Herr Bundesminister! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist völlig falsch zitiert! Das ist Ihre Zitierung! Das ist eine unglaubliche Zitierung! Sie zitieren falsch! Das ist eine ganz unglaubliche Vorgangsweise! Das ist falsch zitiert!) Herr Westenthaler! Können Sie sich ein bisschen einbremsen, bitte? (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist völlig falsch zitiert! Da haben Sie falsch zitiert!)

Herr Bundesminister! Wenn Sie schon den Anwalt der kleinen Postbediensteten, der kleinen Eisenbahner abgeben möchten (Abg. Ing. Westenthaler: Dieselben Taschenspielertricks!),


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dann würde ich Sie genauso wie den Herrn Finanzminister und den Herrn Bundeskanzler ersuchen, eine klare Äußerung gegen das brutale Mobbing, das derzeit im Bereich der Telekom stattfindet, hier zu machen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Tausende Menschen bei der Telekom werden derzeit – durch die Politik Ihrer Bundesregierung verursacht – gemobbt, aus dem Job gemobbt, denen wird von einem Tag auf den anderen der Arbeitsplatz weggenommen, und denen werden Tausende Schilling Zulagen gestrichen. Auch das betrifft Soziales, Herr Kollege Westenthaler!

Sie, Ihre Bundesregierung, diese Regierungsparteien, tragen die Verantwortung dafür, dass sich Tausende Menschen bei der Telekom, demnächst wahrscheinlich bei den ÖBB, um die Konsequenzen Ihrer Politik (Abg. Ing. Westenthaler: Sie zitieren falsch! Sie sind ein Falschzitierer! – Gegenruf der Abg. Hagenhofer ), um ihre Existenz kümmern müssen, und zwar in einem Ausmaß, wie das bisher nicht möglich gewesen wäre. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kommen wir zum Thema "Ambulanzgebühren". Ich würde mir erwarten, Herr Bundesminister, dass Sie hier nicht nur – genauso wie die Redner der Regierungsparteien – irgendetwas zu den Ambulanzgebühren sagen. Sie wissen ganz offensichtlich noch immer nicht, was das Urteil des Verfassungsgerichtshofes heißt – auch ich bin froh darüber, dass dieses Urteil gekommen ist –: Es heißt: Die Ambulanzgebühren sind aufgehoben! Sie müssen sich etwas Neues einfallen lassen! Der Herr Bundesminister soll doch den Mut haben, jetzt hier und heute zu sagen: Das ist uns Wurst, dass sie aufgehoben worden sind. Wir beschließen diese Ambulanzgebühren ein neues Mal. – Stellen Sie sich her, Herr Bundesminister, und sagen Sie: Probieren wir es noch einmal mit diesen Ambulanzgebühren! Wir wissen zwar inzwischen schon, dass das Bürokratie bis zum Exzess bedeutet, aber wir machen es, denn es geht uns um etwas anderes: Wir wollen damit ein Gesundheitssystem, ein Sozialversicherungssystem in Verruf und ins Gerede bringen. Wir wollen dieses System ruinieren. – Das ist Ihre erklärte Absicht, das ist Ziel Ihrer Politik im Gesundheitsbereich, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich hätte auch ganz gerne von Ihnen, Frau Abgeordnete Partik-Pablé, noch eine Erklärung gehabt, meinetwegen auch vom Herrn Bundesminister. Sie haben gesagt: Die Regierung sichert die Pensionen für die Zukunft. Auch das ist eine Umdrehung der Wahrheit, Frau Partik-Pablé, oder wissen Sie nicht mehr, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat? – Er hat gesagt: In der nächsten Legislaturperiode wird das Pensionsalter neuerlich angehoben. Das hat auch Herr Wirtschaftsminister Bartenstein schon erklärt. Angesichts dessen kommen Sie her, stellen sich hier heraus und sagen: Wir sichern langfristig die Pensionen! – Das ist eine Umdrehung der Wahrheit.

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, werden auf politischer Ebene die Konsequenzen dafür und für vieles andere mehr hoffentlich zu tragen haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. Ich mache erstens auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam und informiere zweitens das Haus, dass wir ein Gentlemen’s Agreement dahin gehend getroffen haben, dass keine Fraktion mehr als eine tatsächliche Berichtigung im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag anmeldet.

Herr Abgeordneter! Sie haben das Wort. – Bitte.

13.46

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Öllinger hat festgestellt, dass für die beiden Aufhebungen des Verfassungsgerichtshofes nicht das Parlament verantwortlich sei, sondern der Bundeskanzler. – Ich stelle den richtigen Sachverhalt klar. (Abg. Öllinger: Prinzhorn!)


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Adamovich, Präsident des Verfassungsgerichtshofes, hat laut einer Aussendung wörtlich gesagt – ich zitiere –:

"Adamovich wies in der Pressekonferenz ausdrücklich darauf hin, dass das vom Bundespräsidenten beurkundete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Exemplar ‚der richtige Text war‘. Der Fehler sei nicht durch Anordnungen des Bundeskanzlers herbeigeführt, sondern auf administrativer Ebene passiert." (Abg. Öllinger: Ja, das habe ich auch gesagt!)  – Das ist die erste Richtigstellung.

Die zweite Richtigstellung betrifft die Pensionsreform. Da wurden nur Teile aufgehoben, und zwar jene des Sozialrechts-Änderungsgesetzes. Grund der Aufhebung war (Abg. Öllinger: Das ist eine tatsächliche Bestätigung! ) ein falscher Abstimmungsvorgang in diesem Hohen Hause. Daher liegt die Verantwortung ausschließlich in einem Formalfehler des Hohen Hauses. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei den Grünen: Prinzhorn! Prinzhorn! Prinzhorn!)

13.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. Seine Redezeit wird in die Redezeit von der Regierungsbank eingerechnet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

13.47

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich weiß, dass Politik vereinfacht, ich weiß auch, dass Politik von Wiederholungen lebt. Ich freue mich, dass sich die Abgeordneten dieses Hauses bester Gesundheit erfreuen, denn ich gehe davon aus, dass die Mehrzahl der hier Anwesenden in einer Versicherung versichert ist, die seit 30 Jahren so genannte Behandlungsbeiträge bei Inanspruchnahme einer Spitalsambulanz kennt.

Ich darf vielleicht daran erinnern, dass dies bei der BVA mit 80 S je Versicherungsfall je Quartal und je in Anspruch genommener Einrichtung der Fall ist. Ich darf daran erinnern, dass das bei den Bauern 146 S pro Behandlungsfall, unlimitiert, sind. Was mich aber am meisten wundert, ist, dass hier offensichtlich von jenen Auguren die Zahlen genommen, umgerechnet und hochgerechnet werden, die unser gutes Versicherungssystem durch falsche Prognosen bei Abgangsschätzungen im Bereich der Krankenkassen in Verruf gebracht haben, nämlich bei den Verwaltungskosten.

Wenn Sie nachfragen – Sie brauchen nur einen Anruf bei der BVA zu machen –, dann werden Sie sehen, dass die Verwaltungskosten für die Einhebung dieses Selbstbehaltes 6,6 Prozent vom eingehobenen Betrag ausmachen, und das ist wohl eine sehr günstige Maßnahme. Daher können Sie das nicht auf die andere Gebühr umlegen. (Abg. Silhavy: Da haben Sie die Spitäler nicht miteingerechnet, Herr Staatssekretär! Das ist eine sehr einfache Rechnung!)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Ein Fünftel der österreichischen Versicherten ist bereits seit mehreren Jahrzehnten von diesem Behandlungsbeitrag betroffen – und das ohne Probleme. Ich sage Ihnen aber noch etwas: Insgesamt sind es 50 Prozent der Patienten, die in unsere Ambulanzen kommen und von Ärzten eingewiesen werden. Sie sind administriert. 6 Prozent werden durch die Rettung gebracht. Das sind jene, die Sie als arme Notfälle hinstellen. Auch sie sind von jeglicher Gebühr ausgenommen. Es verbleiben 23 Prozent so genannte Spezialfälle und chronische Fälle, die ebenfalls ausgenommen sind. Nur der kleine Rest von 21 Prozent sind genau jene, die sich selbst einweisen, und etwa bei der Hälfte davon, also bei etwa 10 Prozent, muss der Arzt feststellen, ob die Behandlung jetzt oder zu einem anderen Zeitpunkt günstiger durchzuführen ist.

Ich sage auch in diesem Zusammenhang – ich habe es hier schon erwähnt, das ist also eine Wiederholung –, dass ich mich sehr freue, dass in den drei Sommermonaten 3,5 Millionen Österreicher Urlaub im Ausland machen konnten. Sie haben im vergangenen Jahr insgesamt 124 Milliarden Schilling im Ausland ausgegeben.


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60. Sitzung / Seite 46

Jeder Zweite von Übersee kommt krank zurück und wird durch unser System sehr gut behandelt. Gerade das ist jene Patientengruppe, die ein bisschen etwas zu ihrer Behandlung beitragen sollte, und zwar nicht mehr, als zum Beispiel die Abflug- oder Ankunftsgebühr am Flughafen Wien kostet. Auch das muss man einmal in Relation stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Wenn das Ihr freizeit- und tourismuspolitischer Ansatz ist, dann danke schön!)

Mir geht es gar nicht so sehr darum, jetzt mit Zahlen zu polemisieren, aber nur damit Sie eine Ahnung haben, sage ich, es wurden die Zahlen vom Jahr 1999 genannt. Wir haben im Bereich der Ambulanzen die Zahlen vom Jahr 2000. Es sind inzwischen über 18 Millionen Besuche in Spitalsambulanzen, und es sind über 5,5 Millionen Behandlungsfälle. Das heißt, es hat im vergangenen Jahr eine Steigerung in der Höhe von wiederum 5 Prozent gegeben, im niedergelassenen Bereich hingegen nur in der Höhe von 2,5 Prozent. – Daher auch die Fehlschätzungen in der Krankenkasse selbst, bei der die ärztlichen Honorare um über 200 Millionen Schilling zurückgegangen sind, aber in den Ambulanzen mal drei angestiegen sind.

Wir haben dementsprechend auch eine Kostensteigerung in den Ambulanzen um 7,5 Prozent. Jetzt komme ich zu Wien: Sie wissen, dass die Ambulanzkosten, die der Gemeinde Wien und damit allen hier lebenden Bürgern und Steuerzahlern erwachsen, nur mehr zu 17 Prozent von Krankenkassenbeiträgen gedeckt sind; den Rest zahlen wir inzwischen. Wenn man nicht anfängt, ein bisschen nachzudenken und gegenzusteuern, dann weiß ich nicht, wohin das Gesundheitssystem führen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Bericht der Wiener Gebietskrankenkasse wurde angesprochen. Es ist wohl richtig – das haben wir auch von Anfang an festgestellt, ich habe das jederzeit öffentlich vertreten, und es steht auch in der Stellungnahme der zuständigen Abteilung –, dass dem Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse eine "Vorwerfbarkeit" im Sinne einer Unterlassung von Maßnahmen, die zur Vermeidung eines ansonst mit großer Wahrscheinlichkeit eintretenden Schadens notwendig gewesen wäre, nicht unterstellt werden kann, aber er hat nicht gerade effiziente Management-Methoden angewandt. Ich glaube, das ist das vernichtende Urteil. In der Privatwirtschaft hätte das unweigerlich zur sofortigen Ablöse geführt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mir als Arzt geht es nicht um Zahlen, sondern um die Menschen. Mir geht es zum Beispiel um Folgendes: Ein Arbeiter, der einen Unfall erlitten hat, eine Operation am Knie hatte, bekommt nach der Entlassung aus dem Spital Lovenox vorgeschrieben – Sie wissen, das ist zur Thrombose-Vermeidung; jedem, der ins Ausland reist, wird empfohlen, sich ab dem 50. Lebensjahr damit zu versorgen –, geht mit Krücken in die Apotheke, erfährt dort, dass sein Medikament, das er für 14 Tage verschrieben bekommt, chefarztpflichtig ist, humpelt mit seinen Krücken zum Chefarzt und bekommt dann dieses Medikament, das für 14 Tage verordnet ist, nur für vier Tage bewilligt. Das läuft bei mir nicht unter kurativer Medizin, das ist bei mir Verwaltungsbürokratie, und das von der angeblich billigsten Verwaltung der Welt!

Zum Abschluss noch ein Beispiel, weil Sie so über die Ambulanzbeiträge sprechen: Wissen Sie, was die Gemeinde Wien von ihren Bürgern, die eine Ambulanz aufsuchen, verlangt? – Im Wilhelminenspital 40 S je angefangener Stunde, das heißt, sie verdoppelt ihr Körberlgeld. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Schlecht für die Ohren!)

13.54

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Pumberger hat heute mit einem Abakus, mit einer Kugelrechenmaschine hier herumgefuchtelt. Ich weiß nicht, ob das die Grundlage Ihrer Berechnungen war, aber wenn ich mir Ihre Zahlen und Ausführungen anhöre, dann muss ich sagen, es hat mir danach geklungen. Das sollte aber in einer Bundesregierung nicht üblich sein. (Beifall bei der SPÖ.)


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Herr Staatssekretär! Sie haben gesagt, es geht Ihnen um die Menschen. Wenn man Ihre Maßnahmen verfolgt, wenn man bedenkt, auf welche Auswirkungen wir Sie seit Beginn dieser Diskussion schon aufmerksam gemacht haben, dann kann es Ihnen nicht um die Menschen gehen. Die Menschen glauben es Ihnen aber auch nicht, denn sie spüren tagtäglich, dass Sie eine Politik gegen die Menschen machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass die heutige Sondersitzung im Fernsehen übertragen wird. Die Zuschauerinnen und Zuschauer haben nämlich wirklich Gelegenheit, sich über das Sittenbild dieser Regierung ein Urteil zu bilden, ein Sittenbild, bei dem die Bundesregierung betonen muss, dass auch Sie, Herr Bundesminister – das ist schon sehr erschreckend, denn das müsste nämlich eine Selbstverständlichkeit in unserer Demokratie sein –, ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes akzeptieren. Ich denke mir, das ist ein Sittenbild, über das sich die Bevölkerung selbst ihr Urteil bildet, es ist aber typisch für diese Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nicht nur, dass demokratische Grundrechte in Frage gestellt werden: Im Sozialbereich geht diese Bundesregierung mit einer Brutalität und Menschenverachtung vor, die vor ein paar Monaten in unserem Staat unvorstellbar gewesen wären. (Abg. Böhacker: Stell dir vor!) – Sie können sich ruhig darüber lustig machen, Sie sind wahrscheinlich nicht davon betroffen. Sie haben ja genug Einkommen, dass Sie in dieser Klassengesellschaft, die Sie anstreben, auch gut leben können. (Beifall bei der SPÖ.)

Nulldefizit, meine Damen und Herren, als Feigenblatt für einen radikalen Sozialabbau. – Die Menschen durchschauen das aber. Sie spüren es nämlich tagtäglich im Geldtaschl, dass ihnen das Geld durch Ihre Politik entzogen wird. Ausräumen und Abräumen – das ist das Motto Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich bin aufgeregt. Es berührt mich emotional. Ich habe ein Enkelkind, das drei Jahre alt wird. Nehmen wir an, dieses Enkelkind ist bei einer Tagesmutter, fällt von einer Schaukel und blutet. Was wird die Tagesmutter machen? – Sie wird in die Ambulanz fahren, oder? (Abg. Donabauer: Hoffentlich! – Abg. Dr. Povysil: Zum Kinderarzt kann sie auch fahren!) – Dort werden sie hoffentlich feststellen, dass das Kind nur eine Platzwunde hat, und alle werden erleichtert sein. Mich wird es nicht treffen, denn 250 S Ambulanzgebühren kann ich locker zahlen. Aber was ist mit der Mutter, mit der Alleinerzieherin, die das nicht zahlen kann? – Das ist Ihre Menschenverachtung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Miedl: Das ist ein Unfall! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Noch etwas anderes: Sie sagen, wir verunsichern. Verunsichert sind die Menschen. Keiner weiß, ob er von den Ambulanzgebühren betroffen ist oder nicht. (Abg. Dr. Rasinger: Haben Sie schon einmal von einem Hausarzt gehört?)

Noch etwas: Die Verteilungswirkung, die Sie damit behauptet haben, erfolgt nicht. Was ist jetzt? – Die Ambulanzen sind am Abend gefüllt, nicht über den ganzen Tag verteilt, sondern am Abend treffen sich die Menschen, weil sie dann hoffen, nicht von diesen Ambulanzgebühren erfasst zu werden. (Abg. Wurmitzer: Haben Sie in Graz keinen Hausarzt?)  – Das, meine Damen und Herren, sagen Ihnen alle. Es sagen Ihnen die ÖVP-Landesräte, es sagen Ihnen alle anderen Leute, es sagen die Ärzte. Jeder sagt Ihnen, dass das ein Unsinn ist. Nur Sie sind offensichtlich die einzigen, die nicht besserungsfähig sind. (Abg. Dr. Pumberger: Haben Sie das Gesetz gelesen? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Häupl auch! Herr Häupl will es auch haben!)

Herr Bundesminister! Sie kassieren 250 S für die Ambulanzgebühr, für die Behandlung eines Kleinkindes, und Sie genieren sich nicht. Zugleich ziehen Sie bei sich, in Ihrem Umfeld ein Privilegienparadies auf. Das ist menschenverachtend, und das erkennen die Menschen auch zunehmend.

Zur Unfallrentenbesteuerung, meine Damen und Herren. Wenn man einen Autoschaden hat, wird er einem ersetzt, und man braucht dafür keine Steuern zu zahlen. Wenn ich eine Hand, einen Fuß verliere, bekomme ich eine Unfallrente – nicht als Ersatz, denn die Hand, das Bein


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kann man mir nicht ersetzen. Aber für die Erschwernisse meines täglichen Lebens bekomme ich eine Unfallrente. Was macht diese Bundesregierung? – Sie zieht den Unfallrentnern einen großen Teil dieses Geldes aus der Tasche. Das ist menschenverachtend. Materielle Güter haben bei Ihnen mehr Wert als der Mensch, und das ist die Menschenverachtung pur! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: Was ist mit dem Privatunfall?)

Frau Dr. Partik-Pablé! Sie können noch so viele Flugblätter in Wien austeilen, dass Sie für eine rückwirkende Aufhebung der Besteuerung der Unfallrenten sind. Sie werden heute die Gelegenheit haben, es namentlich unter Beweis zu stellen. Wahrscheinlich werden Sie heute das 14. Mal dagegen stimmen. Ihnen glaubt wohl kein Mensch mehr etwas in diesem Lande. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Mehr als Ihnen!)

Ich möchte noch ganz kurz etwas zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Pumberger und Rasinger sagen. (Abg. Dr. Rasinger: Er ist hervorragend!) – Hervorragend? Herr Dr. Rasinger! Das ist eine Bedrohung für die Bevölkerung, das ist eine Bedrohung für die Menschen. Sie sind Arzt und sagen, das sei hervorragend? – Das ist ein Skandal, das muss ich Ihnen schon sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rasinger: Sie haben ihn ja gar nicht gelesen! Sie haben ihn ja gar nicht gelesen!)

Herr Bundesminister und Herr Staatssekretär! Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie bestätigt haben, dass Ihre Maßnahmen der Wiener Gebietskrankenkasse allein 99 Millionen Schilling gekostet haben. Alle anderen Ausführungen von Ihnen relativieren sich nämlich mit dieser Tatsache, dass Sie eine Politik zu Lasten der Kranken und auch zu Lasten der Krankenversicherung machen. Das ist eine Gesundheitspolitik, die wohl nur in eine Sackgasse führen kann. (Abg. Böhacker: "Menschenverachtend"!)

Herr Bundesminister – er ist nicht da. (Abg. Dr. Khol: Er ist da! Er ist da!) – Er hat heute gezeigt, der Mensch löst sich ungern von Gewohnheiten. Er hat es heute auch wieder so gemacht. Zuerst hat er den Erste-Hilfe-Kasten ausgeräumt, und dann hat er den leeren Kasten hergezeigt, so wie er es aus seiner Politik auch gewohnt ist, nämlich zuerst einmal auszuräumen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir bieten Ihnen aber trotzdem eine Chance, von Ihren Irrwegen abzugehen. Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy und GenossInnen betreffend Wiedereinführung der beitragsfreien Mitversicherung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Regierungsvorlage: Budgetbegleitgesetz 2002 (499 der Beilagen) gemäß § 25 GOG-NR so abzuändern beziehungsweise zu ergänzen, dass die bereits beschlossene unsoziale Streichung der beitragsfreien Mitversicherung mit 1. Jänner 2001 rückwirkend aufgehoben wird."

*****

Nehmen Sie diese Chance wahr – nicht uns zuliebe, sondern den Österreicherinnen und Österreichern zuliebe! (Beifall bei der SPÖ.)

14.01


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Der vorgetragene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

14.01

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Silhavy, ich kenne viele überbesorgte Großmütter, die sich um ihre Enkeln im Spital sehr sorgen. Mir ist das Problem bewusst. Wenn das Kind blutet, nachdem es von einer Schaukel gefallen ist, dann ist es ein Notfall – nur zu Ihrer Information. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten haben meiner Meinung nach einen bestimmten Reflex: Immer wenn sie von Reform sprechen, soll sich nämlich alles ändern, aber gleichzeitig soll alles tunlichst so bleiben, wie es immer war. Dafür haben Sie mit Ihrer Politik in den letzten 30 Jahren, auch bei steigender Belastung der Bevölkerung, gesorgt. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Unser Credo war immer, unsere Ansicht war immer, so viel wie möglich ambulant zu behandeln, und so wenig wie möglich – und nur wenn nötig! – stationär. Ziel des Behandlungsbeitrages ist es eben, zu lenken. Wen zu lenken? – Die Patienten; die Kinder können bei ihren Eltern bleiben, wenn sie ambulant behandelt werden. Die alten Leute können bei ihrer Familie bleiben, sie werden nicht entwurzelt. Die chronisch kranken Patienten bleiben mobil, sie sind in ihrem häuslichen Umfeld. Das ist der Hintergedanke des Lenkens der ambulanten Behandlung, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Kostelka: Deswegen dürfen sie nicht in eine Ambulanz! – Abg. Schwemlein: Der Hintergedanke ist Geldbeschaffung! – Abg. Dr. Kostelka: Für niedergelassene Ärzte!) Jedes Großunternehmen macht Reformen zur Leistungssteigerung – warum denn nicht auch das österreichische Gesundheitssystem? Warum denn gerade dieses nicht? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Außerdem, meine Damen und Herren, kommt die Einführung der Ambulanzgebühr doch nicht aus heiterem Himmel. (Abg. Schwemlein: Die kommt von Ihnen! ÖVP, Freiheitliche und aus!) Die wurden ja gemeinsam besprochen: der Hauptverband, die Länder, der Bund, der Staatssekretär für Gesundheit, der Minister – alle zusammen haben seit dem Vorjahr die Umsetzung dieser Gebühren miteinander verhandelt.

Es gibt ganz klare Datensätze in allen Spitälern, die an die Gebietskrankenkasse übermittelt werden können. Das ist doch nicht etwas ganz Neues, all das haben Sie mitbeschlossen, all das haben Sie mitverhandelt, und jetzt tun Sie so, als würde es aus heiterem Himmel kommen.

Nun zu den Vorwürfen.

Vorwurf 1: Die Ambulanzgebühr verursacht mehr Verwaltungsaufwand und Kosten. – Das ist schlicht falsch! Schon jetzt werden Daten von den Patienten an die Gebietskrankenkasse übermittelt, und jetzt werden eben diese Daten noch dazu übermittelt. Also schlicht falsch! (Abg. Schwemlein: Sie reden wider besseres Wissen!)

Vorwurf 2: Die Ambulanzgebühren untergraben die Qualität der Behandlung. – Das ist nicht schlicht falsch, meine Damen und Herren, das ist uninformiert falsch! Wir sagen: Qualität vor Quantität! Was haben Sie davon, wenn alle Patienten in die Ambulanzen strömen? – Es ist keine Zeit mehr, sie wirklich zu behandeln. Die Qualität sinkt durch die Quantität, die durch zu viele Patienten gegeben ist. (Abg. Schwemlein: Euer System ist: Geld vor Menschen! Euer System ist: Geld vor Menschen!)

Wissen Sie, wie lange ein Patient in einer Unfallambulanz auf eine Behandlung wartet, Herr Abgeordneter? Wissen Sie, wie lange? – Vier Stunden! Ein Notfall, ein Unfallpatient. Und


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warum? – Weil zu viele dort sind, nur deswegen! Wir wollen Qualität vor Quantität! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Vorwurf 3: Ungeeignetes Steuerinstrument. Das wurde nicht verstanden, "Nicht genügend", setzen! – Spezialambulanzen ja, wenn aber Ihre Schreibmaschine kaputt ist (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwemlein )  – Herr Abgeordneter, ich nenne Ihnen ein Beispiel –, wo gehen Sie dann hin? Zum EDV-Spezialisten? – Nein. Zum Praktiker, denn er kennt sich damit aus, und dahin gehört auch der betroffene Patient. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das, was ich hier sehe, ist gespielte künstliche Aufregung. In den Bundesländern gibt es im Großen und Ganzen keine Schwierigkeiten, dies umzusetzen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wie bitte?)

Ein politisches Schmankerl noch zum Schluss: Neun Bundesländer gibt es, aber nur vier sozialdemokratische Gegenanträge gegen die Ambulanzgebühren! Was heißt denn das? – Neun dafür, vier dagegen! Das heißt, die Mehrheit der Sozialdemokraten ist dafür!

Meine Damen und Herren! Der wiederholt gescheiterte Versuch der Opposition, diese Regierung an sinnvollen Reformen für dieses Land zu hindern, ist wieder einmal gescheitert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

14.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.05

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Meine Vorrednerin hat gesagt, dass bei Platzwunden keine Ambulanzgebühren zu zahlen seien. Ich verlese aus dem Text (Abg. Achatz: Kinder! Kinder!), den diese beiden Regierungsparteien beschlossen haben. (Abg. Achatz: Kinder sind ausgenommen!)  – Wo denn? Erzählen Sie doch keine Märchen, Kinder sind nicht ausgenommen!

Und besagter Fall ist auch kein Notfall, denn ein Notfall ist dann anzunehmen, wenn auf Grund objektiver Betrachtungsweise bei der zu behandelnden Person Symptome aufgetreten sind, durch deren Vorliegen eine unmittelbare Lebensbedrohung nicht ausgeschlossen werden kann. Und das wird in den seltensten Fällen bei einer Platzwunde der Fall sein, meine Damen und Herren! (Abg. Achatz: Das weiß man vorher nicht!)

Zum Zweiten hat Frau Dr. Povysil gesagt, wir hätten diese Gesetze mitverhandelt und mitbeschlossen. – Meine Damen und Herren! Wir haben Sie von Haus aus auf die unsozialen Folgen dieser Gesetze aufmerksam gemacht, und wir haben sie keinesfalls mitbeschlossen. Beschlossen haben diese unsozialen Gesetze die ÖVP und die FPÖ, die auch dafür die Verantwortung zu tragen haben. (Rufe bei den Freiheitlichen: Tatsächliche Berichtigung! Das ist ein Debattenbeitrag!)

Zum Dritten: Frau Dr. Povysil! Meines Wissens haben wir neun Bundesländer und nicht 13 in diesem Staat. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

14.07

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die konfliktfreie Welt gibt es nicht, auch nicht in der Gesundheits- und Sozialpolitik, auch nicht vor Wahlzeiten. Das muss man ganz klar wissen, vor allem weiß das jeder, der sich ein ganzes Jahr damit beschäftigt und nicht nur "punktös" vor dem Wahltag. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: So wie Sie!)

Wenn heute eine Kollegin in Wahlkampfrhetorik sagte: Sie haben alles zu verantworten!, dann sagen wir Ihnen klipp und klar: Jawohl, das, was wir beschlossen haben, verantworten wir auch,


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weil wir davon überzeugt sind, dass diese Maßnahmen notwendig und richtig sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Was hat der Verfassungsgerichtshof gemacht?)

Richtig war auch der Satz des Antragstellers Dr. Gusenbauer, der sagte, das österreichische Gesundheitssystem zähle zu den besten der Welt. – Nur, Herr Dr. Gusenbauer, es kostet auch Geld, das muss man wissen! Und es ist deshalb gut, weil wir, die ÖVP, in all diesen Bereichen bis heute erfolgreich mitgewirkt haben. Auch das darf gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Es ist natürlich so, dass wir ständig steigernde Verbesserungen bei den medizinischen Leistungen zu verzeichnen haben. Wir haben eine demographische Entwicklung, auf die wir auch Bezug nehmen müssen, und deshalb sind wir gefordert. Es wäre besser gewesen, wenn sich der Antragsteller auch einigen Lösungsvorschlägen zugewandt hätte und nicht nur als Angstmacher aufgetreten wäre. Ich habe es auch bedauert, dass Abgeordneter Nürnberger hier herausgehen musste und gejammert hat (Abg. Silhavy: Herr Kollege Donabauer! Sie haben drei Anträge, denen Sie zustimmen können!): Die Ärmsten der Armen trifft es.

Ich habe mir vorgestellt, nach 30 Jahren sozialdemokratischer Regierung darf es gar keine Armen mehr im Land geben. Also ich weiß nicht, wo die Orientierung ist. Ich meine, dass wir heute auch darüber sprechen sollten.

Die Regierung wendet sich den Lösungen zu, das wissen Sie. Wenn heute und hier mehrmals davon gesprochen wurde, dass die Pensionsreform anlässlich des Budgetbegleitgesetzes nun in Frage steht, so ist zu sagen: Wir haben eine Nachfrist bekommen, und das ist eine ganz normale Sache, wie es sie schon Dutzende Male hier in diesem Haus gegeben hat.

Fest steht: Diese Pensionsreform brauchen Sie nicht zu bejammern, denn eines müssen Sie schon wissen: dass die Reformen des Jahres 1995 und des Jahres 1997 bei weitem mehr Einschnitte gebracht haben als die Reform des Jahres 2000. Es ist eben notwendig, dass wir nacharbeiten und nachjustieren, und das werden wir tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir können uns nämlich hier herstellen und der Republik sagen, dass wir nicht an den nächsten Wahltag, sondern an die nächste Generation denken. Wir denken daran, dass wir nicht das Recht haben, heute alles zu verbrauchen und denen, die morgen kommen, nichts mehr zu lassen. Das ist nicht unsere Politik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Sie haben heute in Ihrem Antrag sehr viele Themen angeführt, aber einmal nicht die Unfallrenten angesprochen – das tun Sie so gerne –, sondern einfach darauf Bezug genommen, dass die SPÖ immer gegen die Ambulanzgebühr war. Dazu halte ich Folgendes fest:

Der ehemalige Wiener Gesundheitsstadtrat Rieder äußerte sich 1995 mehrmals zu den Finanzproblemen im Gesundheitswesen. Der "Kurier" vom 31. Mai 1995 schreibt Folgendes: "Eine Wohlstandsmedizin mit Spitzenleistungen für jedermann hat ihren Preis und ist zum Nulltarif nicht machbar." – Das sagte Stadtrat Rieder.

Rieders Vorstellungen, wie man Geld auftreiben könnte: "Die rasant steigenden Sport- und Freizeitunfälle sollten durch eigene Versicherungen gedeckt werden. Zum Beispiel: Liftkarte mit Tagesversicherung."

Stadtrat Rieder sagte außerdem, es sei unerhört, dass für Auslandsaufenthalte mehr Geld aufgewendet wird als für die gesetzliche Krankenversicherung.

Rieder sagte weiters, ein Ambulanzselbstbehalt solle in allen Spitälern eingehoben werden, wenn man dort dennoch behandelt werden will. Zwischen 200 S und 300 S könnten zugemutet werden. – Das waren Rieders Worte. (Rufe bei der ÖVP: Hört! Hört! – Abg. Dr. Rasinger  – in Richtung der SPÖ –: Das ist euer Stadtrat! Lauter Pharisäer!)


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Aber es wird noch schöner! Laut "Kurier" vom 18. August 1995 sagten der damalige Finanzstadtrat Edlinger und sein Kollege Rieder, sie wollen durchgreifende Reformen, um die Krankenhausfinanzierung besser in den Griff zu bekommen. Ihre Schlüsselforderung war ein neuer Selbstbehalt, zahlen sollten bloß jene Patienten, die eine Ambulanz aufsuchen. – Diese Aussagen sind alle dokumentiert. Diese Liste von Aussagen könnte ich noch sehr lange fortsetzen, meine Damen und Herren von der SPÖ. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Es ist Ihnen peinlich, ich merke das. Das verstehe ich, mir wäre es auch peinlich. Das sind Dinge, an die Sie denken sollten, und wenn Sie ernsthaft diskutieren, dann müssen Sie auch daran denken! Sie können sich von dem, was Sie vor fünf, sechs Jahren selbst gefordert haben, nicht verabschieden. Das ist nicht anständig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Das haben Sie beschlossen!)

Wenn Sie heute hier die Unzumutbarkeit der Ambulanzgebühren ansprechen, dann frage ich Sie: Wo waren Sie bei der Einführung der Ambulanzgebühren für den Bereich öffentlicher Dienst, für die Gewerbetreibenden, für die Bauern? Bei diesen Berufsgruppen wird das schon seit langem eingehoben, und das wird auch in der Zukunft so gelten. Das haben Sie nie aufgezeigt, das war Ihnen anscheinend recht! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )  – Frau Silhavy, Sie müssen, wenn Sie Sozialsprecherin sein wollen, schon ein bisschen weiter denken und nicht nur an den nächsten Sonntag. Ich bitte Sie darum! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Ich bitte Sie auch um ein Weiteres: Wenn Sie hier immer wieder anführen, was alles in Ihren Augen schlimm sei, dann denken Sie auch daran, dass die Finanzsituation vieler Spitäler – auch der Wiener Spitäler – leider keine gute ist. Deshalb haben wir alles zu unternehmen, damit wir diese Probleme gemeinsam lösen. Kommen Sie zu uns, wir gehen den richtigen Weg! Wir gehen nicht den Weg des Verschleppungsprinzips, sondern wir gehen nach wie vor den Weg des Solidaritätsprinzips – zum Wohle der Menschen in unserem Lande! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

14.13

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuallererst möchte ich den Vorwurf der Frau Povysil, die selbst Ärztin ist (Abg. Ing. Westenthaler: Primaria!), auf das Schärfste zurückweisen. Sie hat gesagt, Notfallpatienten würden vier Stunden auf eine Behandlung in den Unfallambulanzen warten.

Meine Damen und Herren! Diese Aussage stimmt ganz einfach nicht, denn würde wirklich jeder Notfallpatient in den Unfallambulanzen vier Stunden auf eine Behandlung warten müssen, dann würden ganz sicher 80 Prozent dieser Menschen vor Ort, also im Krankenhaus, unbehandelt versterben. So ist es aber nicht in Österreich!

Meine Damen und Herren! Machen Sie den Menschen nicht mehr Angst, als sie ohnehin schon vor dem Krankenhaus haben! Die Unfallabteilungen aller Krankenhäuser sind bemüht, Unfallpatienten sofort zu betreuen, sie lassen sie nicht vier Stunden lang irgendwo liegen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das tun die österreichischen Spitäler nicht! Ich ersuche Sie daher, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, nehmen Sie diese Unwahrheit zurück! Sie machen damit den Patienten Angst – Angst, die nicht gerechtfertigt ist.

Nun zur Debatte um die Ambulanzgebühren. – Herr Bundesminister und Herr Staatssekretär! Ich kann mich noch an die Debatte erinnern, als die Ambulanzgebühren hier im Plenum diskutiert wurden, und ich kann mich auch noch gut an die diesbezügliche Debatte im Ausschuss erinnern. Damals haben Sie beide – Sie, Herr Mag. Haupt, und Sie, Herr Dr. Waneck – behauptet, Ambulanzgebühren für Kinder werde es nicht geben.


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Ihre Kollegin, die Spitzenkandidatin der Wiener Freiheitlichen, Dr. Partik-Pablé, hat sich heute hier herausgestellt und gesagt, natürlich gebe es keine Ambulanzgebühr für Kinder.

Diese Aussagen sind unwahr, und zwar deswegen, weil selbstverständlich für alle Kinder die Ambulanzgebühr bezahlt werden muss, wenn es sich nicht um chronisch Kranke oder um so genannte Notfallpatienten handelt. Grundsätzlich ist für alle Kinder die Ambulanzgebühr zu bezahlen. Das, meine Damen und Herren, kostet eine Familie mit drei Kindern und zwei erwachsenen Personen, wenn sie wirklich das Pech hat, regelmäßig eine ärztliche Behandlung im Krankenhaus in Anspruch nehmen zu müssen, im Jahr 6 000 S. Aber diese 6 000 S muss man zuerst irgendwo absparen können, bevor man sie ausgeben kann.

Nicht alle können sich diesen hohen Betrag locker leisten. Auf Grund dieser horrenden Kosten ist für viele PatientInnen der Zugang zu den Ambulanzen eingeschränkt, er ist für viele Menschen mit finanziellen Barrieren versehen.

Herr Staatssekretär und Herr Minister! Sie haben auch behauptet, behinderte Menschen seien von der Ambulanzgebühr ausgenommen. – Auch diese Behauptung ist unrichtig! Jemand, der zum Beispiel beinamputiert ist und nicht über Stufen steigen kann, ist nicht chronisch krank, also hat er die Ambulanzgebühr selbstverständlich zu bezahlen. Er hat oft keine andere Wahl, weil viele Arztpraxen noch immer nicht barrierefrei, also ohne Stiegen steigen zu müssen oder mit einem Lift, erreichbar sind. Dafür werden sie noch mit der Einhebung einer Ambulanzgebühr sozusagen bestraft. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister, Herr Staatssekretär und sehr geehrte Damen und Herren von der Bundesregierung! Sie haben ein Lippenbekenntnis abgelegt, als Sie, einschließlich Ihres Bundeskanzlers, gesagt haben, es werde keine Mehrbelastungen mehr für behinderte Menschen und Einkommensschwache geben. Auch diese von Ihnen getroffene Aussage ist unrichtig!

Genau jene Gruppen, von denen Sie vorher gesagt haben, dass sie nicht belastet werden würden, wurden massiv belastet. Das sind die Gruppen, die alle Belastungen, die von Ihnen eingeführt wurden, zu tragen haben. Ich meine damit erstens die Gruppe der behinderten Menschen. Sie haben nicht nur die Ambulanzgebühr, sondern auch die Selbstbehalte bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln, die jetzt gestiegen sind, zu bezahlen. Es sind zweitens die UnfallrentnerInnen, weil, wie jedermann in diesem Haus und in der Bevölkerung nunmehr weiß, die Unfallrenten besteuert wurden, und zwar so, dass von 2 500 S Unfallpension in der Regel nur mehr 800 S übrig bleiben. Viertens ist niemandem in der Bevölkerung entgangen, dass Sie den Zivildienst drastisch reduziert haben, und die Reduzierung des Zivildienstes geht selbstverständlich auch auf Kosten von behinderten, alten und kranken Menschen.

Meine Damen und Herren! Das ist nur eine kleine Palette an Beispielen, die beweisen, dass Sie die Unwahrheit gesagt haben, dass Sie die Menschen falsch informiert haben. (Abg. Neudeck: Ihr seid so wehleidig! – Abg. Silhavy  – in Richtung des Abg. Neudeck –: Das ist die Brutalität ...! Das ist menschenverachtend!) Sie können diese Unwahrheiten nicht mehr leugnen, denn die Bevölkerung hat bereits die Folgen Ihrer Unwahrheiten zu spüren bekommen, indem Sie ihr alles wegnehmen, wo Sie nur können, und indem Sie jene, die ohnehin nichts haben, dazu zwingen, sich den Zugang zu ärztlicher Versorgung auch in Zukunft nicht zu leisten, zum Beispiel auf Grund der Ambulanzgebühren. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte.

14.20

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Gusenbauer, eigentlich hätte ich es sehr gerne gehabt, wenn Sie auch einmal da hingeschaut hätten (auf die Bänke der ÖVP und der Freiheitlichen deutend), aber Sie haben immer nur Ihre Leute angeschaut, anscheinend müssen Sie diese erst richtig überzeugen. Es ist aber auch tatsächlich sehr schwer zu glauben, was Sie gesagt haben. Das muss ich schon sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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60. Sitzung / Seite 54

Ich möchte auch auf die Ausführungen des Kollegen Nürnberger eingehen. Aber er ist auch nicht mehr da – so wichtig ist ihm diese Debatte. Aber durch die Gegend brüllen musste er. Ich wollte ihm nur sagen, dass die Verwaltungskosten in den Versicherungsanstalten nicht 2 Prozent betragen, sondern zwischen 15 und 20 Prozent liegen, und das macht ungefähr 20 Milliarden bis 25 Milliarden Schilling aus. Dass die teuersten Medikamente nicht immer die besten sein müssen, wie er hier gemeint hat, das wissen wir auch. Auch in diesem Bereich ist Spargesinnung angezeigt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wer verschreibt die Medikamente?)

Herr Professor Grünewald! Lieber Kurt! Ich möchte dir sagen, dass wir nicht bankrott sind. Ich bin auch deiner Meinung, dass wir genügend Geld haben, aber das bedeutet nicht, dass wir in Österreich nicht verpflichtet sind, möglichst kostengünstig unser Gesundheitssystem zu verwalten, denn der Steuerzahler ist es, der die Rechnung dafür begleichen muss. Und natürlich gibt es Einsparungspotentiale. Du und ich haben an derselben Klinik Nachtdienste, Samstag- und Sonntagdienste gemacht und wissen, welche Bagatellfälle da hereinkommen, die ohne weiteres vom Praktiker oder vom Facharzt vor Ort hätten behandelt werden können. Die Kosten dafür können wir einsparen.

Wenn wir die Ambulanzen verkleinern, indem wir Einschränkungen von außen her durchführen, dann kann es im Krankenhaus zu einer organisatorisch wesentlich besseren Durchführung der einzelnen Untersuchungen kommen. Ich selbst habe es erlebt, dass innerhalb von zwei Tagen Untersuchungen durchgeführt werden konnten, für die man sonst 14 Tage gebraucht hätte. Wir wissen ganz genau, dass viele Untersuchungen verschoben werden, weil kein entsprechender Termin frei ist. Wenn wir die ambulanten Patienten hinausbringen, dann haben wir die Chance, diese Organisation viel kostengünstiger, effizienter und schneller durchzuführen. Dadurch wird auch die Verweildauer in den Krankenhäusern wesentlich kürzer und daher auch billiger. Ich glaube, dass das außerordentlich wichtig ist.

Frau Bures – sie ist auch nicht da; Sie von der SPÖ entledigen sich Ihrer Debattenbeiträge, und dann sind Sie weg – sprach von Verunsicherung. (Abg. Dr. Khol: Aber der Herr Gusenbauer ist gekommen!) Er war schon da! Ich habe ihm ja gesagt, dass ich es mir sehr wünschen würde, wenn er einmal zu uns reden würde. Das wäre sehr nett.

Frau Bures! Die Verunsicherung ist von Ihnen ausgegangen. Obendrein ist es auch eine Irreführung. Wenn ich mir diesen Dringlichen Antrag anschaue, dann muss ich sagen: Sie haben darin Beispiele angeführt, die irreführend sind. Das ist skandalös und gegenüber der Bevölkerung unverantwortlich, denn Sie bringen diese immer wieder vor. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es stimmt einfach nicht, dass ein kinderloses Pensionistenehepaar mit einer Pension von 14 000 S Ambulanzgebühren in der Höhe von 6 664 S im Jahr zu zahlen hat. Woher nehmen Sie denn diese Zahl? Die ist total falsch und irreführend! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn man jeden Monat in die Ambulanz geht, dann ist man ja chronisch krank, und dann muss man ohnehin nichts zahlen. Und eine Behandlung, die in der Folge gemacht werden muss, kann bei einem praktischen Arzt oder bei einem Facharzt auch durchgeführt werden. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Solch unsinnige Beispiele werden von euch der Bevölkerung vorgelegt, und ihr meint, die Bevölkerung sei wirklich so dumm, euch dies zu glauben. Da unterschätzt ihr aber die Bevölkerung sehr!

Ich glaube, dass sich gerade die Ambulanzgebühren als Steuerungs- und Finanzierungsinstrument eignen – entgegen den Aussagen von Herrn Dr. Gusenbauer –, denn es kommen dabei doch ungefähr 1 Milliarde Schilling heraus. Aber vor allem werden die Patienten vom Krankenhaus zu den praktischen Ärzten oder zu den Fachärzten geschickt.


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60. Sitzung / Seite 55

Wir müssen uns natürlich schon überlegen – und da wären die Sozialversicherung, die Länderkammer und die Ärztekammer aufgerufen –, wie wir ein System entwickeln könnten, bei welchem die geographischen Gegebenheiten, die Bevölkerungsdichte und auch das entsprechende Einzugsgebiet berücksichtigt werden und bei welchem eine optimale Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden kann. Das wäre zum Beispiel mittels Gruppenpraxen und Tageskliniken und durch einen vernünftigen Aufbau der entsprechenden peripheren Versorgung mit der Hauskrankenpflege, mit den sozialen Diensten und mit Ärzten durchaus möglich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: 1 Milliarde Schilling nehmen Sie den Menschen!)

14.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.25

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Leiner hat in seiner Rede zwei falsche Behauptungen aufgestellt.

Die eine Behauptung des Herrn Abgeordneten Leiner hat gelautet, der Verwaltungskostenaufwand der Krankenkassen liege bei 15 Prozent bis 20 Prozent.

Ich stelle tatsächlich richtig, Herr Abgeordneter Leiner: Wie aus einer Anfragebeantwortung des Herrn Sozialministers anlässlich der Budgetberatungen hervorgegangen ist – diese Anfrage hat er mir beantwortet –, liegt der durchschnittliche Verwaltungskostenaufwand der österreichischen Gebietskrankenkassen bei 3 Prozent. Ich wiederhole: Bei 3 Prozent! (Abg. Dr. Leiner: 13 Milliarden Schilling sind nur Personalaufwendungen!)

Der Herr Kollege von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern weiß – und daher ist er bei dieser Frage auch ruhig –, dass er höchstens bei den Bauern etwas höher liegt.

Die zweite falsche Behauptung, Herr Abgeordneter Leiner, die Sie hier aufgestellt haben, betraf das Beispiel, das Frau Abgeordnete Silhavy hier gebracht hat. Sie haben hier nämlich behauptet, dass Frau Abgeordnete Silhavy gesagt hätte, ein kinderloses Ehepaar mit 14 000 S zahle Ambulanzgebühren in der Höhe von 6 000 S. Dazu haben Sie gesagt: Wo nehmen Sie diese Zahl her?

Ich stelle tatsächlich richtig, Herr Abgeordneter Leiner: Kollegin Silhavy hat nicht von Ambulanzgebühren gesprochen, sondern von Kosten für die Mitversicherung, die dieses Ehepaar jetzt bezahlen muss, weil es kinderlos ist.

Das ist der Skandal, Herr Abgeordneter Leiner: 6 000 S jährlich bei 14 000 S brutto pro Monat! Stellen Sie sich das vor, und vergleichen Sie das mit den Aufwendungen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Leiner: Sie hat das im Zusammenhang mit den Ambulanzgebühren gebracht!)

14.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte.

14.28

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende dieser weiteren verunglückten Aktion der SPÖ – das ist ja jetzt schon ein Fortsetzungsroman: Sondersitzungen der SPÖ verunglücken grundsätzlich – hätte ich am Beginn meiner Rede eine Frage an Sie, Herr Kollege Gusenbauer, die Sie mir dann später vielleicht noch beantworten können. Sagen Sie, Herr Kollege Gusenbauer, wer oder was hat Sie eigentlich geritten, als Sie uns hier einen Koffer präsentierten, auf welchem ein Kreuz abgebildet war, unter welchem "Erste Hilfe" stand, und auf welchem Sie daneben das Logo Ihrer "Firma", der SPÖ, hingeklebt haben?


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Also: SPÖ – Erste Hilfe! – Wer oder was hat Ihnen das eigentlich eingeredet, wer hat Sie geritten, als Sie das machten? (Abg. Haigermoser: Kostelka!) Ein derartiger Selbstfaller ist in diesem Haus einzigartig. Aber es geht ja schon das Gerücht herum, dass Sie das, was Sie hier in Form von "SPÖ – Erste Hilfe" überreicht haben, in Wirklichkeit die leere SPÖ-Parteikasse war, die Sie hier zur Verfügung gestellt haben. Und das ist interessant, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber auch inhaltlich spottet das, was Sie heute hier geboten haben, jeder Beschreibung. Da geht die SPÖ her und kritisiert die Unfallrentenbesteuerung, obwohl sie diese selbst im Jahre 1988 hier im Hohen Haus mit einem Gesetz eingeführt hat, das der Verfassungsgerichtshof Jahre danach aufgehoben hat.

Herr Kollege Kostelka und Herr Kollege Gusenbauer! Sie haben als Erste die Unfallrentenbesteuerung eingeführt, doch heute wollen Sie den Menschen das Gegenteil davon weismachen. Das wird nicht gehen!

Sie kritisieren Belastungen, die es aus Ihrer Sicht angeblich für Behinderte gibt – ich finde keine solchen –, aber Sie selbst haben mit Ihrer Politik im Jahre 1996 die Behinderten massiv belastet. Beispiele: Sie haben das Pflegegeld gekürzt. Sie haben das Pflegetaschengeld halbiert. Aber jetzt fordern Sie die Rücknahme der Besteuerung der Unfallrenten, und zwar für Besserverdienende – für die Kleinen bringt die Regierung ohnehin wieder alles in Ordnung –, und damit würden Sie, würden wir das befolgen, die Behindertenmilliarde unmöglich machen.

Das ist unsozial! Das lehnen wir ab, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Und das geht so weiter. Sie sprechen sich hier gegen Selbstbehalte aus, aber Sie von der SPÖ waren es, die jahrelang Selbstbehalte eingeführt haben. Zwei Millionen Menschen in diesem Land zahlen heute Selbstbehalte – die Sie eingeführt haben, meine Damen und Herren von der SPÖ –, wenn sie die Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen. Sie sprechen hier von Belastungen, wiederholen aber jeden Tag nichts anderes als Ihre Forderung, Herr Edlinger, nämlich eine allgemeine Beitragserhöhung zu den Krankenversicherungen. (Abg. Silhavy: Und was sind Ihre Belastungen, die Sie getroffen haben, Herr Westenthaler?)

Das fordern Sie seit Jahr und Tag, und zwar gemeinsam mit Ihrem Kollegen Sallmutter. Ich frage mich, Herr Kollege Kostelka: Wo war denn heute der Antrag auf Erhöhung der Beiträge für alle Menschen in diesem Land? – Sie haben sich diesen Antrag deshalb nicht zu stellen getraut, weil am Sonntag eine Wahl ist und weil Sie wissen, mit dieser Regierung ist eine Belastung der Menschen nicht machbar, Herr Kollege Kostelka. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Deswegen haben Sie diesen Antrag nicht gestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie regen sich auf und behaupten, die Mitversicherung für Ehegattinnen werde gestrichen. – Das ist völlig falsch! Sie bleibt natürlich aufrecht, aber nicht für Kinderlose, sondern für jene, die Betreuungspflichten haben, die Kinder haben oder andere Familienmitglieder pflegen.

Wissen Sie übrigens, wer das 1996 gefordert hat – nachzulesen im "Standard"? (Der Redner hält einen Zeitungsartikel in die Höhe. – Abg. Silhavy: Aber Sie haben es abgelehnt!)  – Die SPÖ-Stadträtin von Wien, Brigitte Ederer!

Sie sagte, die alten Instrumente greifen nicht mehr, und eigentlich sollte jetzt die automatische Mitversicherung von Frauen gestrichen werden. – Das meinte Ihre Wiener Stadträtin Ederer. Sie wollten die Mitversicherung streichen, aber heute wissen Sie nichts mehr davon. Das ist unredlich, Herr Kollege Kostelka. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Oder: Sie gehen her und kritisieren Privilegien, etwa Privilegien von Mitarbeitern in Ministerien, dabei haben Sie in den eigenen Reihen den größten Privilegienfall der Republik Österreich: Viktor Klima, der mit 26 Millionen Schilling nach Argentinien abgehauen ist und dann hergeht und gnadenhalber sagt, er werde 178 000 S zurückzahlen. – Das ist eine Verhöhnung der Menschen! Sie greifen doch mit beiden Händen voll in die Kassen hinein! Sie setzen sich hier für


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die kleinen Leute ein, aber Ihre Parteigünstlinge und Ihre Parteivorderen kassieren 26 Millionen Schilling!

Heute haben wir im Ministerrat den Bescheid beschlossen, dass Klima das Bezügegesetz umgangen hat und die Pensionsauszahlung an ihn unrechtmäßig war. Das ist die Wahrheit, und das werden Sie noch argumentieren müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Sie kritisieren, dass Ministermitarbeiter zu hoch bezahlt sind. Anfragebeantwortung Grasser: Edlinger hatte in seiner Zeit elf Mitarbeiter, Grasser hat acht Mitarbeiter. Edlinger hatte als Finanzminister in einem Jahr Gesamtpersonalkosten von 16 Millionen Schilling, bei Grasser betragen diese Ausgaben 6 Millionen Schilling. (Abg. Silhavy: Ambulanzgebühr! – Abg. Mag. Schweitzer: Kostelkas Bauchfleck!)

Reisetage von Mitarbeitern: Bei Herrn Edlinger gab es 230 Reisetage ins Ausland in einem Jahr, bei Grasser waren es nur noch 90 Tage. Die Kosten dieser Reisen betrugen 2 Millionen Schilling bei Edlinger; bei Grasser nur noch 500 000 S. Oder: Überstunden im Ministerium: unter Edlinger 33 719, unter Grasser 19 161 Überstunden. (Abg. Mag. Schweitzer: Bravo!)

Das ist Ordnungmachen in Ihrer Misswirtschaft im Ministerium! Das hat Grasser getan, und dafür danken wir ihm auch, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie reden von Privilegien, Sie kritisieren, dass die kleinen Leute angeblich belastet werden, Sie setzen sich ein, und dann sitzt hier Herr Kostelka, der selbst vor wenigen Jahren gemeinsam mit Herrn Kollegen Fischer ein aktives Zusatzeinkommen, ein arbeitsloses Zusatzeinkommen in der Höhe von 1,5 Millionen Schilling zusätzlich zu seinem Bezug als Klubobmann kassiert hat. Präsident Fischer macht es noch teurer: 4,5 Millionen Schilling Zusatzeinkommen zu seinem Bezug als Abgeordneter. Das sind die großen Privilegien! (Abg. Mag. Schweitzer: Bauchfleck! Schon wieder ein Bauchfleck!)

Hier sitzen Herr Gusenbauer, Frau Bures, Frau Kuntzl, die zusätzlich zu 100 000 S Abgeordnetengehalt eine Gehaltsauffettung von 170 000 S aus der Partei kassieren. – Und Sie sprechen von sozialer Gerechtigkeit! Das wird Ihnen niemand glauben.

Herr Kollege Kostelka! Sie haben heute zwei Misstrauensanträge angekündigt. Wo sind sie denn? Das waren die kürzesten Ankündigungen von Misstrauensanträgen, seit es Misstrauensanträge gibt, möchte ich Ihnen in Anlehnung an einen Werbeslogan aus der Schokoladenbranche sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Sie sind hier von einem Fettnapf in den anderen getreten. Innerhalb von zwei Stunden mussten Sie Ihre Misstrauensanträge zurücknehmen, weil die Performance Ihres Klubs so schlecht ist, Herr Kollege Kostelka. Das bleibt Ihnen nicht erspart. Sie haben hier in Wirklichkeit ein trauriges Bild geboten!

Sie haben eine Nationalratssondersitzung einberufen lassen, um Wahlkampf zu machen, aber Sie beenden diese Nationalratssondersitzung mit einem ordentlichen Bauchfleck und mit einer Blamage sondergleichen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Restredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

14.34

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es ist immer wieder erstaunlich, die Redebeiträge des Abgeordneten Westenthaler zu hören. Man gewinnt den Eindruck, alle in dieser Republik machen Fehler, bloß nicht diese Regierung und bloß nicht diese Regierungsparteien.


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Um das noch einmal klar zu stellen: Es ist der Regierung eine legistische Panne, ein legistischer Fehler der Extraklasse passiert! – Der Verfassungsgerichtshof hat zwei Regelungen, die Sie landauf, landab angepriesen haben, schlicht und einfach aufgehoben.

Und was ist gestern Abend passiert? – Einmal mehr ist Westenthaler ins Fernsehen gegangen und hat erklärt: Herr Präsident Fischer war’s. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Mitnichten! Der Fehler ist sehr klar zuzuordnen, und da muss ich auch Herrn Klubmann Khol berichtigen, der sagt: Der Bundeskanzler war es nicht. – Erstens denke ich mir, der Bundeskanzler würde ja, wenn er überhaupt noch zu uns spräche, für sich selbst reden können. Aber offenbar zieht er es auch heute vor, zu dieser Thematik zu schweigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber ganz abgesehen davon: Herr Klubobmann Khol! Sie als Verfassungsrechtler wissen doch ganz genau, dass Ministerien – das hat Vor- und Nachteile – monokratische Behörden sind. Das heißt, dass jeder Fehler und auch alles, was dort an Positivem passiert, selbstverständlich dem Behördenleiter, der Behördenleiterin, in diesem Fall dem Bundeskanzler zuzurechnen ist. Es ist ein Fehler der Regierung, und zwar ein kapitaler Fehler! Und das Traurige ist einmal mehr: Die Kosten tragen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Ich erinnere Sie an all das, was Sie immer der Opposition an Kosten anlasten und vorwerfen, und bitte Sie: Rechnen Sie einmal nach, was allein die Fehler, die unter der Vorsitzführung Prinzhorn schon passiert sind, gekostet haben! Das sind Zig-Millionen-Beträge, angefangen von der Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zum Druck des Bundesgesetzblattes, bis zur Versendung und bis hin zu den Erlässen, die dann wieder von den Regierungsmitgliedern erfolgen müssen. Dazu kommen die Verwirrung bei den Behörden und die Verunsicherung bei den Leuten – zig Millionen Schilling an Kosten, durch Sie verursacht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Was kostet diese Sitzung?)

Ich komme aber einmal mehr zu dem Problem – weil das ein Punkt ist, der in der Sache wirklich so skandalös ist, dass man nicht aufhören soll, darüber zu reden – der Streichung der beitragsfreien Mitversicherung, und zwar für kinderlose Frauen, wie Westenthaler gerade vorhin noch einmal betont hat. – Herr Westenthaler! Eine falsche Regelung wird dadurch nicht besser, dass sie vielleicht irgendwann einmal auch ein anderer verlangt hat! Sie setzen das um, und die österreichischen Frauen werden Ihnen dafür auch die Rechnung präsentieren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das sind dramatische finanzielle Sanktionen, das ist ein Verstoß gegen Artikel 8 der Menschenrechtskonvention! Ob Menschen, ob Frauen in diesem Land Kinder haben oder nicht, gewollt oder ungewollt, das geht die Regierung nichts an, das geht das Parlament nichts an! Und es ist eine untaugliche Differenzierung in der sozialen Sicherheit. Frauen am Ende ihres Erwerbslebens, je nachdem, ob sie mit zwanzig ein Kind bekommen haben oder nicht, unterschiedlich zu behandeln beziehungsweise für Kinderlosigkeit zu bestrafen, das halte ich für eine politische Fehlleistung der Extraklasse! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete, die Redezeit Ihrer Fraktion ist zu Ende. Bitte um den Schlusssatz.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Es ist ein unsachliches Prinzip, es ist eine falsche Regelung. Und Österreich – das sollen Sie auch noch hören – ist der einzige Staat in Europa, der eine derart frauenfeindliche Regelung eingeführt hat. Die Frauen werden es dieser Bundesregierung danken! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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14.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. (Oje-Rufe bei der SPÖ.) Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

14.39

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die heutige Debatte aufmerksam verfolgt hat, wie ich es getan habe, dann haben sich mehrere Fakten sehr klar und deutlich ergeben.

Erstes Faktum: Es hat sich gezeigt, dass diese Sondersitzung von der SPÖ aus billigen wahltaktischen Überlegungen einberufen wurde, und zwar mit dem verwerflichen Ziel, den Menschen Angst zu machen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Kollege Leiner hat nachgewiesen: Ihre Beispiele sind unwahr! Sie wollen den Menschen Angst machen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Brix und Bures. )

Die heutige Debatte hat auch sehr schön gezeigt, dass die Ambulanzgebühren keine Erfindung dieser Bundesregierung sind! Es hat bereits vorher für 2 Millionen Versicherte, für Beamte, für öffentlich Bedienstete, für Gewerbetreibende, für Bauern, diese Ambulanzgebühr gegeben, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit! Das ist also keine Erfindung dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP.)

Und die Wahrheit ist auch, kein System der Krankenversicherung kann ohne Selbstbehalte auskommen. Seien Sie so ehrlich, Herr Kollege Grabner, den Menschen das zu sagen! Kein System kann ohne Selbstbehalt auskommen. Und Sie haben das alles mitbeschlossen während Ihrer Regierungszeit.

Zweites Faktum: Die heutige Debatte hat gezeigt, dass das Höchstgericht zwei Dinge auf Grund von zwei Formalfehlern aufgehoben hat, wobei die ASVG-Pensionsreform völlig unberührt geblieben ist. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Zur Pensionsreform im öffentlichen Dienst haben wir heute der APA entnehmen können, dass der Herr Bundespräsident, der die Verfassungskonformität zu beurkunden hat, nach "Rücksprache" – so heißt es in der APA – "mit dem Nationalratspräsidenten" und nach Rücksprache mit führenden Staatsrechtlern die Beurkundung als verfassungskonform durchgeführt hat. – Das ist die Wahrheit.

Herr Präsident Fischer! Wenn es nicht wahr sein sollte, dann korrigieren Sie die Aussendung der Präsidentschaftskanzlei. Hier steht: "... nach Rücksprache mit dem Nationalratspräsidenten und angesehenen Staatsrechtslehrern" hat auch der Herr Bundespräsident das als verfassungskonform beurkundet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Die Abgeordneten Öllinger und Dr. Lichtenberger: Es war ja der Prinzhorn!)

Drittes Faktum, meine Damen und Herren. Wir haben heute auch gesehen – und das sage ich als glühender Anhänger der Selbstverwaltung –, dass die SPÖ-Fraktion nicht davor zurückschreckt, auch ihre Spitzenfunktionäre in der Selbstverwaltung als Speerspitze der Opposition gegen diese Regierung einzusetzen. Wenn man im Internet liest, dass Herr Direktor Bittner von der Wiener Gebietskrankenkasse, der Gesetze vollziehen soll, dieser Regierung offene Sabotage an der Krankenversicherung vorwirft (Abg. Silhavy: Dann hat er Recht!), dann, muss ich sagen, ist er rücktrittsreif, meine Damen und Herren! Nach Sallmutter auch Bittner! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Restredezeit, Herr Abgeordneter: 1 Minute. (Abg. Ing. Westenthaler: "Auch ich habe für die Besteuerung der Unfallrenten gestimmt!", das geht sich genau aus mit einem Satz!)

14.42

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler: Die Zeit ist schon wieder um! – Heiterkeit.) Sie sind jetzt alle Zuseher und Zuhörer eines zum Teil wirklich erbärmlichen Schauspiels geworden. (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Ofner: Er legt ein Ge


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ständnis ab! – Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Vertreter der Regierungsparteien sind hier aufgestanden und waren nur in der Lage, zu sagen, wofür sie alles nicht zuständig sind, wofür sie überhaupt nicht verantwortlich sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Herr Westenthaler oder wenn Herr Stummvoll hier nur erklären können, wofür andere verantwortlich sind, dann erklären Sie bitte einmal den Menschen, die die Kostenbelastung spüren, wer jetzt die Ambulanzgebühren so eingeführt hat, dass sie der Verfassungsgerichtshof wieder aufheben musste, und wer jetzt die Ambulanzgebühren wieder einführen wird – zur Belastung jener, die ohnehin schon krank und schwer belastet sind! Und erklären Sie bitte den Menschen, die spüren, wie sie belastet werden, wer hier die Unfallrentenbesteuerung eingeführt hat!

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die Redezeit ist beendet, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (fortsetzend): Schieben Sie nicht ständig die Verantwortung ab! Übernehmen Sie die Verantwortung, die Sie angeblich da oben tragen! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 407/A (E) der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bures und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Lebhafte Rufe bei der SPÖ: Pablé! Pablé! – Weitere lebhafte Zwischenrufe. – Unruhe im Saal.)

Ich bitte, die Abstimmung nicht mit zu lauten Rufen – ich möchte den Ausdruck "Gebrüll" vermeiden – zu begleiten!

Ich wiederhole: Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen betreffend Fortsetzung der bereits eingeleiteten Gesundheitsreform.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Neuerliche Zwischenrufe und Unruhe im Saal.)  – Ich bitte noch einmal um etwas mehr Ruhe! – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 68.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy und Genossen betreffend Wiedereinführung der beitragsfreien Mitversicherung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, es ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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Erklärung der Vizekanzlerin zum Thema "Gewalttäter gefährden die innere Sicherheit und Demokratie – Sicherheitsbeamte schützen Bürger und Rechtsstaat"

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir kommen nun zur Erklärung der Frau Vizekanzlerin.

Auch dazu wurde in der Präsidialkonferenz vereinbart, dass Wortmeldungen von der Regierungsbank einschließlich der Erklärung nicht mehr als insgesamt 25 Minuten dauern sollen.

Ich erteile nun der Frau Vizekanzlerin das Wort.

14.46

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Abgesperrte Stadtviertel, Demonstrationszüge und Polizeiaufgebot in Hundertschaften, Vermummte, die mit Steinen werfen, eingeschlagene Schaufensterscheiben, verletzte Polizisten und Demonstranten, brennende Straßenblockaden, das sind Bilder, die man in Österreich lange Zeit nur aus dem Fernsehen gekannt hat, aus anderen Städten und aus anderen Ländern. (Abg. Edlinger: Antisemitische Äußerungen!)

Die Realität in Österreich ist aber eine andere geworden. Wir müssen heute feststellen, dass es in Österreich eine in hohem Maße gewaltbereite, linksextreme Szene gibt, die immer wieder Ausschreitungen und tätliche Angriffe auf Exekutivbeamte und unbeteiligte Passanten herbeiführt.

Die Bilanz eines Jahres sieht so aus, dass es mehr als 230 Demonstrationen gegeben hat, dass mehr als 57 Millionen Schilling an zusätzlichen Personalkosten für die Überstunden der Exekutive aufgewendet werden mussten, dass über 100 Beamte zum Teil schwer verletzt wurden, dass über 30 Polizeifahrzeuge schwer beschädigt wurden, dass es Sachschäden in Höhe von mehr als 25 Millionen Schilling gab – gar nicht eingerechnet wurden die Schäden für die Wirtschaft durch gesperrte Straßen – und dass es unzählige Festnahmen und Anzeigen gegeben hat: wegen Landfriedensbruchs, schwerer Körperverletzung, schwerer Sachbeschädigung, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und so weiter.

Der Höhepunkt all dieser Gewaltexzesse im vergangenen Jahr und im heurigen Jahr war die Opernball-Demonstration am 26. Februar dieses Jahres. 600 Demonstranten, unter ihnen auch gewalttätige Anarchos aus Deutschland und 150 Mitglieder des berüchtigten "Schwarzen Blocks" mit Totenkopffahnen, haben Müllcontainer in Brand gesetzt, Fahrzeuge beschädigt, Glascontainer auf die Straße geleert und Polizisten mit Steinen, Holzstangen, Flaschen, zugeschliffenen Stahlnägeln, Farbbeuteln und Krähenfüßen attackiert. Passanten und Ballbesucher wurden beschimpft, bespuckt, bedroht und attackiert. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine Zumutung für die Wiener Bevölkerung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist auch eine Zumutung für die Tausenden Exekutivbeamten, die sich permanenten Attacken ausgesetzt sehen, und es ist letztlich auch eine Zumutung für den Rechtsstaat insgesamt, weil es dadurch eine Gefährdung der inneren Sicherheit und der Demokratie in diesem Lande gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir alle, ob Regierung oder Opposition, haben eine gemeinsame Verantwortung dafür zu tragen, dass unser Rechtsstaat geschützt und verteidigt wird. Und ich stelle hier die Frage, ob wirklich alle hier in diesem Haus sich dieser Verantwortung bewusst sind und sie auch tatsächlich wahrnehmen. Ich stelle diese Frage deshalb, weil ich eigentlich mit Entsetzen sehe – und mit mir auch viele Österreicherinnen und Österreicher –, dass es hier immer wieder den Versuch gibt, diesen linken Chaoten das Mäntelchen der Legitimität umzuhängen – so, als würde es sich hierbei um kleine entrechtete Robin Hoods handeln, die gegen den bösen Sheriff kämpfen. (Abg. Dr. Mertel: Der Haider!)


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60. Sitzung / Seite 62

Die Wahrheit ist aber eine andere. Die Wahrheit ist, dass Demonstranten, die vor Gewaltanwendung nicht zurückschrecken, keine aufrechten Kämpfer für die Demokratie sind, sondern sie sind Gewalttäter, die genau diese Demokratie gefährden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wer die demokratische, auch kontroversielle Auseinandersetzung durch den Straßenkampf ersetzt, hat das Wesen der Demokratie nicht begriffen. Und zum Wesen dieser Demokratie gehört es auch, eindeutig und unmissverständlich jegliche Gewalt, und zwar egal, ob sie von rechts oder von links kommt, zu verurteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dieses eindeutige Bekenntnis gegen jegliche Art von Gewalt vermisse ich auch von einigen Abgeordneten dieses Hauses. Wenn zum Beispiel Herr Abgeordneter Pilz von den Grünen gemeint hat – ich zitiere –, die Demonstrationen seien die Ehrenrettung Österreichs im Ausland (Abg. Öllinger: So ist es!), dann muss ich Sie wirklich fragen: Glauben Sie ernsthaft, dass Bilder von Österreich mit blutigen Straßenschlachten und Massenkrawallen das Ansehen dieses Landes im Ausland fördern? (Abg. Öllinger: Wo leben Sie?) Glauben Sie das wirklich, Herr Kollege Öllinger? Aber das ist genau das Problem, das ich angesprochen habe: Ermunterungen wie diese oder gar die Teilnahme von Abgeordneten wie zum Beispiel von Ihnen und von Ihrer Kollegin Petrovic an gewalttätigen Demonstrationen (Rufe bei den Grünen: Was? Was?) geben nämlich den gewaltbereiten Chaoten geradezu das Gefühl, dass ein Teil der politischen Verantwortungsträger ihr Treiben unterstützt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Sie sollten sich schämen!)

Ich sage Ihnen gleich etwas dazu, Herr Kollege Öllinger, und ich erspare mir, aufzuzählen, wer aller von Rot und Grün an diesen Demonstrationen teilgenommen hat, wo es immer wieder auch zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist, von denen Sie sich nie wirklich distanziert haben. Es ist schon klar, dass Sie nicht selbst mit Steinen geworfen haben, aber wo bleibt Ihre Distanzierung von jenen, die es getan haben, Herr Abgeordneter Öllinger? Dazu habe ich bis heute kein Wort gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wo bleibt denn Ihr Ausdruck des Bedauerns auch gegenüber der Wiener Bevölkerung, die durch diese Demonstrationen seit Monaten schwer beeinträchtigt wird, und wo bleibt Ihre Solidarität mit den Tausenden Beamten, die unter Einsatz ihrer körperlichen Gesundheit für den Schutz der Wiener Bevölkerung Sorge tragen? Wo bleibt Ihre Solidarität mit diesen Beamten? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Halten Sie es wirklich für verantwortungsvoll, Polizisten, die so einen enorm schwierigen Dienst verrichten, auch noch als Schläger zu diffamieren, wie das in den vergangenen Tagen wiederholt passiert ist? Und ich sage das ganz klar auch an die Adresse mancher Medien, die nur zu gerne geneigt sind, jede an den Haaren herbeigezogene Beschuldigung gegen einen Exekutivbeamten gleich als Tatsache zu berichten. (Abg. Öllinger: Das ist unseriös, was Sie machen!)

Ich weiß nicht, ob sich wirklich alle eine Vorstellung davon machen, wie schwierig der Einsatz von Polizisten bei solchen Demonstrationen ist. Die Beamten werden beschimpft, bespuckt, verletzt und permanent provoziert. Das Privatauto eines Polizisten wurde angezündet und diese "Großtat" dann im "TATblatt" ausgiebig als Errungenschaft und Erfolg gefeiert, im selben "TATblatt" übrigens, das Herrn Ex-Bundesminister Einem nicht ganz unbekannt sein dürfte und in dem noch vor wenigen Wochen der ganze grüne Parlamentsklub gemeinsam auf einem Flugblatt nach einem Jahr des Widerstandes danke gesagt hat, aber nicht etwa den Polizisten und Exekutivbeamten, die die Wiener Bevölkerung geschützt haben, sondern den Demonstranten, und zwar dabei ohne irgendeinen Unterschied zu machen, ob es sich um friedliche oder um gewalttätige Demonstranten gehandelt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Unerhört! Unerhört!)

Wenn die oberste Vorgabe für die Exekutive bei diesen Demonstrationen zu Recht lautet, für Deeskalation Sorge zu tragen, dann würde ich mir wünschen, dass dieser Appell zur Deeskalation auch einmal an die Demonstranten ergeht.


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60. Sitzung / Seite 63

Bei solchen Einsätzen müssen sich Beamte oft auch noch zum Teil ungerechtfertigten Anschuldigungen stellen. Ich bin der Meinung, dass die Republik Österreich als Dienstgeber im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet ist, ihre Beamten gegen ungerechtfertigte Angriffe ausreichend zu schützen (Abg. Dr. Fischer: Auch die Richter!), entweder, indem wir eine entsprechende Rechtschutzversicherung für die Beamten abschließen, oder, indem wir die Anwaltskosten, die im Rahmen ihrer rechtlichen Verteidigung entstehen, übernehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) In meinem Ressort sind dazu schon entsprechende Vorbereitungen im Gange.

Ich halte es auch für vertretbar und angebracht, jenen Exekutivbeamten, die in besonders schwierigen Einsätzen verletzt wurden, Belohnungen zu gewähren. Das Besoldungsrecht räumt schon derzeit dem zuständigen Ressortminister mit Zustimmung des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport die Möglichkeit der Gewährung derartiger Belohnungen für Einsätze mit besonderen Erschwernissen ein, und ich werde einem diesbezüglichen Vorschlag des Herrn Innenministers gerne näher treten und ihn auch unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Darüber hinaus ist in meinem Ressort eine Reform des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes in Ausarbeitung. Wir haben einen akuten Anlassfall, an dem wir gesehen haben, dass die derzeitige Gesetzeslage nicht ausreichend definiert ist. Wir haben das gesehen bei dem Unfall auf der Tangente, bei dem zwei Polizisten von einem im Drogenrausch befindlichen LKW-Lenker getötet wurden und wo eine strenge Auslegung des Gesetzes eine Hilfeleistung aus diesem Titel eigentlich nicht möglich gemacht hätte. Ich habe entsprechend diesem Gesetz eine Weisung erteilt, je 1,5 Millionen Schilling an die Hinterbliebenen auszuzahlen, weil ich der Meinung bin, dass es sich hier um einen Dienstunfall gehandelt hat, nämlich eben unter besonders gefährlichen Umständen, und dass das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz so erweitert werden soll, dass Wachebediensteten beziehungsweise deren Hinterbliebenen die besonderen Hilfeleistungen nach diesem Gesetz bei jedem im Außendienst erlittenen Dienst- oder Arbeitsunfall zu gewähren sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich halte es darüber hinaus für notwendig, dass der Staat seinen im Diensteinsatz, zum Beispiel bei Demonstrationen, verletzten Beamten auch das Schmerzensgeld bevorschusst, das ihnen gerichtlich zuerkannt wurde, aber oft sehr schwer einbringlich ist. Gerade im Falle der Demonstrationen hat sich das wieder gezeigt, und ich glaube, dass hier der Staat auch entsprechend in Vorlage treten muss. Aufgabe der Exekutivbeamten ist es, den Staat, seine Einrichtungen und vor allem die Bevölkerung zu schützen, Aufgabe des Staates ist es aber genauso, seine Exekutivbeamten zu schützen, die notwendige Ausrüstung zur Erfüllung ihrer Aufgabe bereitzustellen und ihnen vor allem auch den notwendigen Respekt und die Anerkennung für die Erfüllung ihres schwierigen Dienstes entgegenzubringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Schutz des Rechtsstaates insgesamt setzt aber auch voraus, dass wir klar zwischen Demonstrationsfreiheit und Gewalttätigkeit unterscheiden. Das eine hat nämlich mit dem anderen nicht das Geringste zu tun. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht, das hart erkämpft wurde und an dem nicht gerüttelt werden darf. Die Rechtsordnungen anderer Staaten jedoch sind, was gewalttätige oder unangemeldete Demonstrationen betrifft, wesentlich strenger. Das französische, das deutsche, das englische Recht sehen diesbezüglich deutlich strengere Bestimmungen vor. Sie sehen vielfach auch ein Vermummungsverbot vor. Ich kann überhaupt nicht verstehen, weshalb sich angeblich friedliche Demonstranten vermummen müssen, weshalb Demonstranten, die angeblich nicht die Absicht haben, gegen die Gesetze dieses Landes zu verstoßen, ihr Gesicht nicht zeigen können.

Das ist genau das Problem, wenn wir über das Wort "friedlich" reden, denn Versammlungsfreiheit heißt nach der Menschenrechtskonvention Artikel 11 Abs. 1: "Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln ..." – Und genau darum geht es, weil Demonstrationen in den letzten Monaten eben nicht friedlich waren, und zwar weder in Worten noch in Taten. Was ist denn friedlich an Slogans und Parolen, die heißen: "Schüssel, Haider an die Wand"!? Was ist friedlich an Parolen auf Transparenten, die heißen: "Zyklon B für FPÖ!" "Nieder mit der FPÖ!"


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"Freiheitliche raus aus diesem Land!"? Was ist friedlich an den von mir zitierten Ausschreitungen? Was ist friedlich an der mehrfachen Beschädigung und Erstürmung der ÖVP-Zentrale? Was ist friedlich an der mehrfachen Zertrümmerung zahlreicher FPÖ-Bezirksbüros in dieser Stadt? – Sie lachen, Frau Kollegin Kuntzl. Ich weiß schon, dass Sie da keine Schmerzgrenze haben, wenn es um Gewalt von links geht, aber das ist genau das Problem, das wir in dieser Demokratie mit Ihnen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Das ist eine Polemik von der Regierungsbank, die unerträglich ist!)

Was ist friedlich an Plakaten, Herr Kollege, die am letzten Freitag auf dem Stephansplatz gezeigt wurden, auf denen zu lesen war: "Tötet Haider!"? (Abg. Dietachmayr: Diese Polemik von der Regierungsbank ist unerträglich!) Wie glaubwürdig ist denn Ihr Kampf für Menschenrechte und Demokratie in diesem Land, wenn er mit solchen Slogans verbunden ist?

Haben Sie sich schon einmal überlegt, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass dies nur die Weiterführung von Aussagen Ihrer Verantwortungsträger ist, von Aussagen wie des Herrn Bürgermeisters Häupl, der gesagt hat: Wir werden diese Bundesregierung aus dem Amt jagen!, von Aussagen wie jene des SPÖ-Gewerkschafters Kaske, der gesagt hat: Die Republik wird brennen!, von Aussagen wie von Ihrem Vorsitzenden Gusenbauer, der gesagt hat: Diese Regierung ist illegitim!? Haben Sie sich schon einmal überlegt, welches Meinungsklima Sie mit diesen Aussagen in diesem Land schaffen? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es war auch der Führer der Sozialdemokraten Alfred Gusenbauer, der eine sehr bemerkenswerte Aussage gemacht hat. (Abg. Dr. Mertel: Tiefer, tiefer! – Abg. Dietachmayr hält einen Zettel mit der Aufschrift "Tiefer geht’s nicht!" in die Höhe.) Er hat nämlich gesagt: Bei den Demonstrationen entstehe eine Zivilgesellschaft. Die Sozialdemokratie wolle hier mitarbeiten und sich einbringen. – Richten Sie Herrn Gusenbauer von mir ein Sprichwort aus: Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schieder: Herr Präsident, so geht es nicht!)

Der Gegensatz zwischen einer funktionierenden Zivilgesellschaft und vermummten und prügelnden Demonstranten könnte gar nicht größer sein, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn wir schon über Zivilgesellschaft reden – und Sie haben offensichtlich nicht wirklich verstanden, was das bedeutet –, dann sage ich Ihnen Folgendes: Die beeindruckendste Form der Zivilgesellschaft waren die Bürgerrechtsbewegungen in Mittel- und Osteuropa als Gegenentwurf zum herrschenden Staatssozialismus. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Diese Zivilgesellschaft hat nämlich mit friedlichen Mitteln ihre Ziele erreicht, und zwar die Schaffung von Verfassungen, die die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger achten, die Durchsetzung von Meinungsfreiheit, von freien Wahlen und freien Mehrheitsbildungen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Frau Kollegin Mertel, ich weiß, dass Sie damit ein Problem haben. Ein Grundprinzip dieser Demokratie ist, dass es freie Mehrheitsbildungen auf Grund der Entscheidung des Wählers gibt. Und das ist genau das, worum es geht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und genau gegen diese freien Mehrheitsbildungen mit Gewalt auf der Straße anzukämpfen hat mit einer Zivilgesellschaft nicht das Geringste zu tun, sondern das ist nichts anderes als eine Gefährdung der inneren Sicherheit in diesem Land, gegen die sich der Rechtsstaat mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zur Wehr zu setzen hat. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei den Freiheitlichen: Bravo! Bravo! Zugabe! Zugabe! – Abg. Dr. Kostelka : Zur Geschäftsordnung!)


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15.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Van der Bellen hat sich offensichtlich zur Geschäftsordnung gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Kostelka: Ich habe mich gemeldet, Herr Präsident!)

15.02

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte nur festhalten, dass laut Schreiben der Frau Vizekanzlerin vom 16. März dieses Jahres an den Präsidenten des Nationalrates von Folgendem die Rede war: Es wurde das Thema genannt (Abg. Ing. Westenthaler: Das muss euch unangenehm sein! – Abg. Grabner: Jetzt hört einmal zu!), und dann heißt es weiter: Ich teile Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, hiermit mit, dass ich beabsichtige, zum genannten Thema eine Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 GOG abzugeben.

Frau Vizekanzlerin! Mit allem Respekt, Sie verwechseln dieses Haus mit der Kurhalle in Oberlaa. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Wir sind hier nicht zusammengekommen, um uns eine derartige Wahlrede anzuhören, sondern um uns eine Erklärung der Frau Vizekanzlerin anzuhören. Dieses Thema haben Sie klar verfehlt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Klubobmann Kostelka, bitte.

15.03

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Auch ich möchte mich nachhaltig gegen solche Parteitagsreden verwahren. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Meine Wortmeldung gilt aber insbesondere dem Umstand, dass es die Frau Vizekanzler in einer einmaligen Art und Weise für notwendig befunden hat, Mitglieder meiner Fraktion, den Parteivorsitzenden, aber auch eine Bundesgeschäftsführerin, persönlich anzusprechen und zu beleidigen, sie in Verbindung mit Gewalt und mit Bereitschaft zu Gewalt zu bringen. (Abg. Mag. Schweitzer: Im Gegensatz zu Ihnen sagt sie die Wahrheit!) Das ist eine Vorgangsweise, die im Sinne der Geschäftsordnung klar zu ahnden ist, und ich ersuche Sie im Sinne der Geschäftsordnung, der Frau Vizekanzler einen Ordnungsruf zu erteilen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Mehr ist leider nicht möglich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Achatz: Weil sie die Wahrheit gesagt hat, deswegen soll es einen Ordnungsruf geben?!)

15.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Westenthaler, bitte.

15.04

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es ist schon interessant, welches Glaskinn Rot und Grün zeigen, wenn man ihnen den Spiegel der Gewalt vorhält, der ja offensichtlich voll zutrifft. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich ersuche Sie, Herr Präsident, da nichts außer einer wahrscheinlich wirklich grundlegenden Irritation von Rot und Grün eingetreten ist, weil sie sich von dieser Gewalttätigkeit nicht distanzieren, einfach in der Tagesordnung weiterzugehen, weil sonst überhaupt nichts vorliegt.

Was Sie hier machen, nämlich einer Vizekanzlerin den Mund verbieten zu wollen, das ist einzigartig und nur Ausdruck Ihrer Dünnhäutigkeit und Wehleidigkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Wir führen heute eine Debatte über die Erklärung der Frau Vizekanzlerin. Die Frau Vizekanzlerin hat eine Erklärung abgegeben, wobei ihr laut Geschäftsordnung nicht untersagt ist, darin auch Bezug auf Aussagen oder Verhaltensweisen von Abgeordneten zu nehmen.

Wenn in einem derartigen Fall beleidigende Äußerungen getroffen werden, so sind sie selbstverständlich zu ahnden. Ich habe keine derartige Beleidigung vernommen (Abg. Grabner: Weil du terisch bist da oben, genauso wie der Prinzhorn!), werde mir aber das Protokoll kommen lassen, und sollte sich herausstellen, dass eine beleidigende Äußerung gefallen ist, dann werde ich selbstverständlich geschäftsordnungsmäßig entsprechend verfahren.


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Wir gehen damit in die Debatte ein.

Es hat sich bereits Herr Abgeordneter Öllinger zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. (Abg. Mag. Schweitzer: Gibt es keine mehr! – Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsordnung!)

Ich gebe nur bekannt, dass wir in der Präsidialkonferenz darüber Konsens erzielt haben, dass jeder Fraktion in dieser Debatte eine Gesamtredezeit von je 25 Minuten zukommt, wobei kein Redner mehr als 10 Minuten Redezeit in Anspruch nehmen kann. Und wir haben auch vereinbart, dass tatsächliche Berichtigungen nur in einem sehr begrenzten Ausmaß – ich glaube, das ist Ihnen bekannt – in Anspruch genommen werden sollen, nämlich eine pro Fraktion.

Wenn es keine Einwendungen dagegen gibt, werde ich so vorgehen und als Erstem Abgeordnetem Öllinger die Möglichkeit zur tatsächlichen Berichtigung geben. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Martin Graf: Jetzt kommt die tatsächliche Bestätigung! – Abg. Grabner: Da müsstest aber du hinausgehen!)

15.07

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Die Frau Vizekanzlerin hat mich in ihrer Rede direkt angesprochen und gesagt, ich würde Polizisten als "Schläger" bezeichnen. (Abg. Ing. Westenthaler: Hat sie nicht gesagt! Das ist falsch! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Diese Behauptung, Frau Vizekanzlerin, ist falsch, ist unrichtig. Sie haben hier die Unwahrheit gesagt.

Ich habe niemals Polizisten als "Schläger" bezeichnet. Zeigen Sie mir ein Dokument, mit dem Sie das dokumentieren können!

Sie haben weiters behauptet, dass bei den Demonstrationen Transparente mit Sprüchen wie "Zyklon B für FPÖ!" oder Ähnlichem mitgeführt worden wären. – Auch diese Behauptung, Frau Vizekanzlerin, ist falsch. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Nein, nein!) Es ist noch bei keiner einzigen Demonstration ein Transparent mit einem derartigen Spruch mitgeführt worden. Zeigen Sie ihn her! (Heftiger Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und wenn – und damit bin ich bei der dritten Berichtigung –, Frau Vizekanzlerin, derartige Sprüche von jemandem im Mund geführt worden sind, dann ist er von den Demonstrantinnen und Demonstranten in der Regel auch dafür zur Rede gestellt und korrigiert worden.

Das betrifft auch die vierte Berichtigung. Frau Vizekanzlerin, Sie haben behauptet, die Grünen hätten sich nicht von der Gewalt distanziert (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt hast du Gelegenheit!), und als Beispiel dafür ein Flugblatt angeführt, das von den Grünen an die DemonstrantInnen der Donnerstag-Demonstration verteilt und auch im "TATblatt" dokumentiert wurde. – Auch diese Behauptung ist unrichtig. Wir haben die Demonstrantinnen und Demonstranten der Donnerstag-Demonstration ausdrücklich für ihr gewaltfreies Vorgehen belobigt. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und damit bin ich beim Punkt, Frau Vizekanzlerin: Was Sie nicht sehen wollen, ist, dass die Demonstrationen in der Regel alle gewaltfrei abgelaufen sind und die Demonstrantinnen und Demonstranten genauso über die Gewalt erschüttert waren und in der Regel von sich aus versucht haben, dagegen Vorkehrungen zu treffen, wenn es sie gegeben hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Redebeitrag!) Und das halte ich von Seiten der Demonstranten für genauso richtig wie von Seiten der Polizei, die auf Deeskalation setzt. Dass beides ...

15.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die Redezeit für die tatsächliche Berichtigung ist zu Ende, die 2 Minuten sind überschritten, Herr Abgeordneter. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Öllinger. )


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Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. (Abg. Dr. Martin Graf: Ich sage es ja, eine tatsächliche Bestätigung war das! Alles bestätigt! – Abg. Grabner: Da musst du hinausgehen, Graf!)

15.10

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin nun seit 18 Jahren in diesem Haus als Abgeordneter tätig (Abg. Ing. Westenthaler: 18 Jahre zu lang!), aber ein derartiges Stakkato an Polemik von der Regierungsbank aus ist mir noch nicht untergekommen. Das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich verwahre mich dagegen, dass Sie, Frau Vizekanzler, ohne Grund Abgeordnete von der Regierungsbank aus beschimpfen. (Abg. Ing. Westenthaler: Parnigoni! Verteidige die Demonstranten!) Diese Rede war einer Vizekanzlerin zutiefst unwürdig. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Ofner: Geh, geh!) Ihre so genannte Erklärung zeigt, dass die Bundesregierung vereinzelte Gewalthandlungen einzelner Demonstranten als Anlass dafür nehmen will, um gegen die Ausübung des Demonstrationsrechts schlechthin und um gegen öffentlich sichtbare Kritik politischer Gegner Stimmung zu machen. Die Sozialdemokratie bezieht hier eindeutig Position. Wir verwahren uns gegen jede Gewalt, dagegen muss rigoros vorgegangen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Hohes Haus! Das Demonstrationsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind demokratische Grundwerte, die mit Entschiedenheit verteidigt werden müssen. Keinesfalls dürfen diese Grundrechte unter dem Deckmantel der Verhinderung von Gewalt angetastet werden. (Abg. Dr. Pumberger: Die Redezeit ist bald aus!) Wir Sozialdemokraten sind entschieden gegen jede Form von Gewalt. Gewalt – das ist uns klar, und das muss, so glaube ich, allen in dieser Republik klar sein – kann niemals ein legitimes Mittel zur Austragung von Konflikten und zur Durchsetzung von Interessen sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie das einmal Ihrer Jugendorganisation, der Sozialistischen Jugend!)

Ich sage daher ausdrücklich den vielen Polizistinnen und Polizisten meinen Dank für hervorragende Gesprächsbereitschaft, Kooperationsbereitschaft und für überlegtes Handeln in dieser Angelegenheit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Was ist mit den Jusos?)

Es darf aber nicht übersehen werden, Hohes Haus, dass soziale Gerechtigkeit die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung des gesellschaftlichen Friedens ist. Eine Politik, die das primäre Ziel hat, die Reichen noch reicher zu machen, und die dafür in Kauf nimmt, dass die Armen noch ärmer werden und die sozial Benachteiligten noch stärker an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, eine Politik, die Inländer gegen Ausländer ausspielt und nicht einmal davor zurückschreckt, Emotionen gegen Juden zu schüren, eine solche Politik gefährdet bewusst den sozialen Frieden. Sie schafft den Nährboden für Gewalt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese Regierung, Hohes Haus, schert sich nicht einen Deut um soziale Gerechtigkeit, sie vergießt aber dann Krokodilstränen (Abg. Dr. Ofner: Du kommst vom Thema ab!), wenn die sozialen Konflikte, die sie bewusst schürt, eskalieren. (Abg. Dr. Martin Graf: Keine Polemik vom Rednerpult!) Besonders schäbig ist es dann, wenn Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gezielt eingesetzt werden, um, wie im Wiener Wahlkampf, gegen Andersdenkende und Fremde ganz einfach die Emotionen zu schüren, um damit politisches Kleingeld zu machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Es wird verbale Gewalt eingesetzt, um gegen Menschen anderer Religion, anderer politischer Überzeugung oder anderer Herkunft Stimmung zu machen.

Hohes Haus! In dieser Frage sollten wir alle hier im Haus, hier im Parlament zu einer klaren und eindeutigen Haltung finden, die lauten muss: Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz haben in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren. (Beifall bei der SPÖ.) Gerade wir Österreicher haben die Verpflichtung, die Unverzichtbarkeit von Toleranz und Menschen


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rechten für die Erhaltung des sozialen Friedens in Erinnerung zu rufen. (Abg. Jung: Ist das nicht der "tolerante" Parnigoni, der seine Kollegin heruntergetrieben hat?)

Wir Sozialdemokraten bringen daher einen Entschließungsantrag ein, der Ihnen allen bekannt ist. Meine Damen und Herren! Wir werben um Ihre Zustimmung. Sie haben die Chance, dass Sie sich eindeutig gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit stellen. (Abg. Ing. Westenthaler: Was hat das mit der Exekutive zu tun? Was hat das mit der Erklärung der Vizekanzlerin zu tun?) Sie können damit ein Zeichen zugunsten des sozialen Friedens und gegen Gewalt setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir bringen daher folgenden Antrag ein:

Enschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Peter Kostelka und Genossen gegen Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz zum Schutze der Bürger und des Rechtsstaates; eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärung der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport

Die unterzeichneten Abgeordneten beantragen daher folgende

Entschließung

Der österreichische Nationalrat verurteilt alle Äußerungen, die Ausdruck von Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz sind oder als solche aufgefaßt werden können, und fordert daher zum Schutze der Bürger und des Rechtsstaates die Bundesregierung auf, mit allen Mitteln für ein Österreich zu arbeiten, in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden.

*****

(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Thema verfehlt! Klassische Themaverfehlung! Sagen Sie etwas zu den Demonstranten!)

Meine Damen und Herren! Es ist bemerkenswert, dass die Regierung erst vor wenigen Tagen, also wenige Tage vor der Wahl in Wien, ihr Herz für die Exekutive entdeckt hat. 13 Monate hatte die Regierung Zeit, Verbesserungen für die Exekutive herbeizuführen. Das Gegenteil, Hohes Haus, war in Wirklichkeit der Fall. Heute will uns die Frau Vizekanzler, die ja sichtlich das Amt des Innenministers übernommen hat, die ja statt ihm die Antworten gibt, erklären, dass sie die Situation der Beamtinnen und Beamten verbessern wird. Aber, Hohes Haus, was für ein Armutszeugnis für diese Regierung, wenn die eigenen Koalitionsparteien dazu auffordern müssen, endlich zu handeln. Es ist ganz einfach: Sie hätten in der Regierung all das, was Sie heute vorschlagen, ja nur beschließen müssen. Dann hätten wir das alles schon! Aber Sie wollen jetzt vor der Wahl ja nur Ihre Show abziehen, genau darum geht es. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist tatsächlich geschehen? – Diese Koalition von Freiheitlichen und Volkspartei hat beschlossen, dass Exekutivbeamte im Falle einer längeren Krankheit eine Gehaltsreduktion von bis zu 33 Prozent hinnehmen müssen. Sie hat zugelassen, dass Beamte, die unter Einsatz ihrer persönlichen Sicherheit im Dienst einen Unfall erleiden und deshalb erwerbsunfähig werden, volle Abschläge bei ihrer Pension hinnehmen müssen, und diese Koalitionsregierung hat beschlossen, dass auch Unfallrenten von Beamten, die im Rahmen der Ausübung ihres Dienstes ihre Gesundheit für die Gesellschaft geopfert haben, voll besteuert werden. Das ist Ihre Scheinheiligkeit, die Sie an den Tag legen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Hohes Haus! Unter Mithilfe von Frau Partik-Pablé wird ein Budget beschlossen, das zur Folge haben wird, dass in drei Jahren 2 067 Beamtinnen und Beamte weniger im Einsatz sein werden.


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(Rufe bei der SPÖ: Hört! Hört!) Und das heißt, dass es mit Ihrer Hilfe, Frau Partik-Pablé, weniger Aufklärung von Straftaten, weniger Gewaltprävention, weniger Präsenz von Exekutivbeamten auf den Straßen geben wird, dass es mit einem Wort weniger Sicherheit in Österreich geben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Wort, meine Damen und Herren: Verbaler Gewalt muss entschieden entgegengetreten werden. (Abg. Neudeck: Ist das Ihre Abschiedsrede?) Frau Vizekanzler, ich frage Sie daher: Wie gehen Sie damit um? Wie stellen Sie sich dazu, wenn die Freiheitliche Aktionsgemeinschaft AUF – Gründerväter Haider und Kleindienst – in einem Flugblatt den ÖVP-Innenminister als "Totengräber" bezeichnet? (Abg. Haigermoser: Ein guter Freund! – Abg. Dr. Ofner: Du bist gegen die Gewalt in der Sprache, aber nicht auf der Straße!) Das möchte ich gerne von Ihnen wissen.

Hohes Haus! Solange diese Verrohung der Sprache vorherrscht, solange das einfache Parteimitglied aus dem Bärental mit seinen antisemitischen Äußerungen um sich schmeißen kann, so lange ist diese Regierung das größte Sicherheitsrisiko für das Ansehen unseres Landes in der Welt. (Beifall bei der SPÖ.)

15.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird von mir auf seine inhaltliche Verträglichkeit mit dem Thema noch überprüft.

Ich weiß, dass das heutige Thema ein emotionales ist, und ich weiß auch, dass wenige Tage vor der Wiener Wahl sicherlich auch in diesem Hause die Emotionen sehr leicht hochgehen. Ich bitte daher, in der Debatte auf zwei Dinge ganz besonders Rücksicht zu nehmen: erstens darauf, dass wir die im Konsens erzielte Tagesordnung einhalten können. Wir haben sehr lange darüber diskutiert. Es ist Ihnen bekannt, dass ursprünglich zwei Dringliche Anträge vorgelegen sind, dass wir mit Rücksicht auf die Zeitökonomie versucht haben, das an einem Tag abzuwickeln. Dass es hier zu Änderungen gekommen ist, das bedarf allerdings auch einiger Disziplin.

Auf der anderen Seite ersuche ich darum, auch von der Regierungsbank her die Usancen in der Kommunikation mit dem Hohen Haus zu beachten und darauf Rücksicht zu nehmen, dass hier auch besondere Sensibilitäten vorliegen.

Wir setzen mit der Debatte fort, und ich ersuche als Nächste Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé um ihre Ausführungen.

15.20

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich gebe schon zu, dass mich die Personalpolitik der Sozialdemokraten nichts angeht, aber eines verstehe ich nicht: Sie hatten einen hervorragenden Sicherheitssprecher, den Herrn Leikam – und jetzt haben Sie den Herrn Parnigoni zum Sicherheitssprecher erkoren, der hier heute auch eine Rede gehalten hat, über die Herr Leikam nur mit schmerzverzerrtem Gesicht sinnieren konnte. Jetzt hat er den Saal verlassen. Ich glaube, Sie sollten Ihre Personalpolitik ein bisschen überdenken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Parnigoni! Wir sind ungefähr gleich lange im Parlament, nämlich 17 Jahre lang. Sie haben gesagt, Sie haben noch nie ein solches Stakkato an Polemik erlebt. (Abg. Schwemlein: Frau Kollegin! Wer ist die Frau auf dem Plakat, die Ihnen so ähnlich schaut?) Dann, muss ich sagen, haben Sie 70 Prozent der Sitzungen versäumt, denn 13 Jahre lang haben Sie die Freiheitlichen von der Regierungsbank aus angeschüttet und Jörg Haider mit dem gröbsten Verbrechen, nämlich mit dem Briefbombenterror, in Verbindung gebracht. (Abg. Schwemlein: Das macht er selber, der Haider! Schütten tut der Haider selber, das brauchen wir nicht zu machen!) Jetzt sind Sie wehleidig, wenn Ihnen die Frau Vizekanzlerin ein Zitat Ihres Parteivorsitzenden vorhält. Ich glaube, Sie sollten sich schon einmal selbst an der Nase nehmen, wenn es darum geht, Ihre Politik zu durchschauen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Herr Abgeordneter Öllinger! Folgendes, damit ich gleich mit meinen Vorrednern ins Reine komme. (Abg. Schwemlein: Ins "Reine"!) Sie haben heute auch zu der Demonstration am Stephansplatz Stellung genommen und erklärt, dass keine Parolen, wie die Frau Vizekanzlerin gesagt hat, verstreut worden sind. Jetzt möchte ich wissen, ob Sie auch abstreiten, dass die Parole "Tötet Haider" mehrfach am Stephansplatz affichiert worden ist. Auch diese Demonstration ist unter Ihrem Schutz, unter dem der SPÖ, gestanden. Die Teilnehmer waren: André Heller, Frau Jelinek, "SOS-Mitmensch", Herr Kabarettist Hirschal, lauter Leute, mit denen Sie auch immer korrespondieren. Also bleiben Sie endlich einmal bei der Wahrheit und gestehen Sie einmal zu, dass es bei diesen Demonstrationen gewalttätig zugeht und dass es solche Parolen gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe einen Pressedienst, der eigentlich alles über das Klima aussagt, in welchem sich die Innenpolitik seit einem Jahr abspielt und wie gerade von denjenigen aufgewiegelt wird, die das Wort "tolerant" ... (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )  – Herr Schwemlein, horchen Sie doch endlich einmal zu! Sie sind nämlich auch einer, der ununterbrochen mit erhobenem Zeigefinger herumrennt und weiß, wie sich andere zu benehmen haben, und im Grund genommen immer wieder auch alle möglichen Worte von sich gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Öllinger, horchen Sie nur zu! Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Ihnen einen Pressedienst zitiere, der all das beinhaltet, wie das politische Klima aufgewiegelt wird. Herr Chorherr hat am 4. Februar 2000 zu unserem Klubobmann im Wiener Landtag Kabas gesagt: Ich will Sie hier nur als "widerlichen, rassistischen Zündler" bezeichnen. – Das ist im Landtag gefallen. Die Gemeinderätin Maria Vassilakou von den Grünen hat anlässlich der Angelobung gesagt: Die Regierung musste sich durchschleichen, um den Demonstranten zu entgehen. Man sollte das "Wiener Kanalnetz mit roten Teppichen auslegen", schlägt sie vor. "Da gehört sie auch hin! Sie gehört nämlich unter die Erde, diese Bundesregierung." – Das sind Ihre Anregungen für die Regierung. Da sollten Sie sich einmal an der Nase nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Weiters gibt es massive Vorwürfe dahin gehend, wie sich diese Bundesregierung auf das wirtschaftliche Leben in Österreich auswirken wird, obwohl die gegenwärtige Lage genau das Gegenteil belegt. Wir haben Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Rückgang der Arbeitslosigkeit, Budgetkonsolidierung. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das hat die vorige Regierung nie zustande gebracht! Die vorige Regierung hat das nie zustande gebracht! (Abg. Schwemlein: Wissen Sie, wovon Sie reden?) Die Arbeitslosigkeit war in den letzten vier Jahren so hoch wie nie, Herr Schwemlein. Schauen Sie doch einmal nach! (Abg. Schwemlein: Zeigen Sie nicht immer mit dem Finger auf mich!) Sie setzen sich immer in die erste Reihe und tun so, als ob Sie alles wüssten. (Abg. Schwemlein: Um in Ihrer Nähe zu sein, Frau Kollegin!) In Wirklichkeit wissen Sie gar nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich kann auf Ihre Nähe verzichten, Herr Schwemlein. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Damit Sie auch noch ein paar Zitate dazu, wie von sozialdemokratischer Seite das Klima aufgeheizt wird, haben. Herr Bürgermeister Häupl hat am 1. Mai gesagt: Wir werden diese Regierung aus dem Amt jagen. – Dieses kriegerische Vokabular passt ja auch zu seinem Slogan, dass der Wiener Wahlkampf die Mutter aller Wahlschlachten sein wird. (Abg. Eder: Was hat der Haider gesagt?) Offensichtlich ist ihm dieses kriegerische Vokabular auf den Leib geschneidert. Er kann gar nicht anders reden. In demokratischen Kategorien kann Herr Häupl offensichtlich gar nicht denken. Für ihn gibt es nur ein Hinausjagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

"Die Republik wird brennen", sagte ein sozialdemokratischer Funktionär, und der Herr Gusenbauer, um ihn noch einmal zu zitieren, sagte: Bei der FPÖ handelt es sich um eine undemokratische, kriminelle Organisation ohne demokratische Berechtigung, in der Regierung zu sein. – Das hat er in einem internationalen Sender gesagt, und das können Sie ganz einfach nicht wegwischen. Das ist schwarz auf weiß belegt.


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Da ist ein Klima des Hasses aufgebaut worden, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie es das in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Sie lachen dazu. (Zwischenruf der Abg. Bures. ) Offensichtlich stehen Sie für ein Klima des Hasses. Ich würde mich schämen, Frau Bures und Herr Abgeordneter Einem. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die einzige Ursache für diese organisierte Empörung, die Sie immer wieder inszenieren, ist die, dass die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist, sondern dass es stattdessen in Österreich eine bürgerliche Koalition gibt. Deshalb schicken Sie die Demonstranten auf die Straße. Deshalb malen Sie täglich den Teufel an die Wand, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Diese Regierung macht ihre Arbeit gut – das beweisen die Daten –, und außerdem hat auch der Weisenrat dieser Regierung ein sehr positives Zeugnis ausgestellt. Aber aus lauter Zorn, dass Sie nicht mehr in der Regierung sind, versäumen Sie keine Gelegenheit, dieses Land in Aufruhr zu versetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Aus diesem Grund gibt es laufend Demonstrationen und gewaltige Auseinandersetzungen. Ich rate Ihnen einmal: Machen Sie nicht immer eine Zweiteilung von Gewalt: die gute Gewalt, die von links kommt, und die schlechte Gewalt, die autoritäre Gewalt des Staates, sondern sagen Sie doch einmal: Gewalt, egal, woher sie kommt, ist schlecht. (Abg. Schwemlein: Richtig!) Wir brauchen keine Gewalt in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

All Ihre Entschließungsanträge, die Sie einbringen, in denen Sie von Toleranz und Verständnis reden, sind nur Schall und Rauch, wenn Sie nicht auch die Inhalte wirklich auf sich selbst anwenden. Das würde ich Ihnen dringend raten, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Schwemlein: Jetzt ist leider die Redezeit aus!) Sie müssen auch danach leben. Sie dürfen nicht immer nur Anträge stellen, schöne Worte gebrauchen, sondern Sie müssen auch diese schönen Worte von Toleranz und Verständnis für einen politisch Andersdenkenden in die Tat umsetzen. Wenn Sie einmal diesen Rat befolgen, dann wird es auch eine gute Zusammenarbeit im Interesse Österreichs geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Wie hat der Travnicek gesagt? – "Eine matte Sache!")

15.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

15.29

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe kurz auf das ein, was uns die Frau Vizekanzlerin hier berichten wollte.

Die Frau Vizekanzlerin hat selbst zugestanden, jedenfalls erwähnt, dass die Versammlungsfreiheit ein Grundrecht ist. In der Tat, Frau Vizekanzlerin. Ich bin ja froh, dass Sie das erwähnt haben, dass Versammlungsfreiheit nicht nur in der österreichischen Verfassung, sondern EU-weit ein Grundrecht ist und dass zu dieser Versammlungsfreiheit selbstverständlich auch die Demonstrationsfreiheit gehört. Bei diesen Demonstrationen können Sie es sich halt nicht aussuchen. Mir gefallen auch nicht alle Demonstrationen. Es gibt welche, da würden mich keine fünf Pferde hinbringen. Aber das habe nicht ich zu entscheiden. Das haben die Menschen zu entscheiden, die eben ihrem Wunsch Ausdruck verleihen wollen und das im Rahmen einer Demonstration artikulieren wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es hat Demonstrationen gegen die Regierung gegeben – ja, das stört Sie, das verstehe ich. Es hat Demonstrationen gegen Temelin gegeben – da waren auch Freiheitliche dabei, nehme ich an. (Abg. Haigermoser: Da waren keine Gewalttätigen! Da hat es keine Gewalt gegeben! – Abg. Dr. Martin Graf: Dort, wo Freiheitliche sind, gibt es nie Gewalt!) Es hat Demonstrationen für die Menschenrechte gegeben, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Tod von Marcus Omofuma – das hat damals wiederum den Sozialdemokraten nicht so gepasst. Es hat Demonstrationen gegen die Studiengebühren gegeben. Es hat vor ein paar Monaten Demonstrationen der Hausbesorger gegeben. (Abg. Parnigoni: Der Bauern!) Immer wieder gibt es Demonstrationen: große, kleine und zum Beispiel die am Stephansplatz.


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Ich war neulich auch am Stephansplatz – ja, ich war dabei. Ich habe dieses Plakat "Tötet Haider!" nicht gesehen. (Abg. Haigermoser: Das glaube ich!) Rein wissenschaftlich gesehen ist das natürlich kein Beweis dafür, dass es nicht existiert hat. Was ich allerdings schon gesehen habe, war ein Plakat, auf dem sinngemäß zu lesen war – man musste dazu aber das ganze Plakat sehen –: Tötet Haiders blöde Wortspiele! (Ironische Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Das war semantisch sehr missglückt. Ich hätte so ein Plakat nicht geschrieben. Es ist aber mit Sicherheit, meine Kolleginnen und Kollegen, etwas ganz anderes als das, was Sie insinuiert haben. Ich will dieses Plakat gar nicht verteidigen. Es stammt nicht von uns, es stammt nicht von mir. (Abg. Jung: ... ein ehrenwerter Mann!) Aber es ist etwas ganz anderes als das, was Sie hier behauptet haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Grünen verabscheuen Gewalt, ob Sie es nun glauben oder nicht. Es ist tatsächlich so. (Abg. Dr. Leiner: ... unglaubwürdig!) Das steht seit vielen Jahren in unserem Parteiprogramm (Zwischenruf der Abg. Zierler ), und wir bemühen uns redlich, das auch zu leben. Es soll nicht sein, dass auch nur ein Polizeibeamter verletzt wird. Wirklich! Ich meine das ernst.

Wenn ich die Statistik richtig im Kopf habe, dann wurden im Laufe des letzten Jahres von Februar 2000 bis März 2001 im Zuge irgendwelcher Demonstrationen 84 Polizeibeamte verletzt, wobei von diesen allerdings 76 unmittelbar am darauf folgenden Tag wieder dienstfähig waren; der Rest hatte Krankenstandstage zu verzeichnen.

Jeder Einzelfall ist zu viel, aber (Abg. Jung: Heißt das, dass die anderen nur leicht verletzt waren, und das zählt nicht?)  – Herr Jung, Herr Schweitzer! – uns liegt auch im Zusammenhang mit der Opernball-Demonstration ein Konvolut von eidesstattlichen Erklärungen von Menschen vor, gar nicht so sehr von Demonstranten, sondern von Menschen, die im Zuge des Opernballs von der Polizei verletzt wurden, ohne dass sie irgendetwas damit zu tun gehabt hätten. (Abg. Jung: Geh! Zufällig?!) Es waren dies glaubwürdige Zeugen, Herr Kollege Jung! (Abg. Jung: So wie die Frau Petrovic!)

Insgesamt meine ich doch, es hat speziell im Fall des Opernballs auf beiden Seiten Fehler gegeben. Das hat sogar Bundesminister Strasser schon zugestanden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist ungeheuerlich!)

Bevor ich es vergesse, Kolleginnen und Kollegen: Die wirklich harte, mörderische Gewalt in diesem Land, in den wenigen Fällen, die es gibt, ist von rechts ausgegangen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Ebergassing! Ebergassing! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Vor 30 Jahren gab es den Fall des Pensionisten Kirchweger, dann die Roma in Oberwart, die von Herrn Fuchs in die Luft gesprengt wurden. (Abg. Dr. Martin Graf: Der Fuchs war ein Linker!) Das war ein rechtsextremer Gewalttäter – na was denn sonst?! (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: ... SPÖ-Mitglied!) Das geht bis zu jenem jungen Mann, der nach der FPÖ-Veranstaltung in der Stadthalle mit einem Schädelbruch ins Krankenhaus eingeliefert worden ist. (Abg. Dr. Martin Graf: ... ein Sozialist!)

Meine Damen und Herren! Genug damit. Die Frau Vizekanzlerin hat innere Sicherheit und Demokratie zum Thema der heutigen Sitzung gemacht. Innere Sicherheit und Demokratie werden nicht erst dann gefährdet, wenn es zu spät ist. Innere Sicherheit wird nicht erst dann gefährdet, wenn ein Gewaltakt stattfindet. Da muss erst der Boden dafür bereitet werden. (Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Achatz: Den bereiten Sie!) Und die Demokratie wird nicht erst dann gefährdet, wenn sie kurz vor ihrer Abschaffung steht. (Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Achatz: Sie bereiten ihn!) Deswegen ist der Umgang mit den Minderheiten so wichtig, hier und anderswo: mit der Minderheit, die jüdischen Glaubens ist, mit den Moslems, mit den Ausländern, mit den Roma, egal mit welcher Art von Minderheit. (Abg. Achatz: Und die Freiheitlichen sind vogelfrei, nicht wahr? – Sie bereiten den Boden!)  – Nein, es ist niemand vogelfrei in diesem Land, aber insbesondere nicht die Menschen jüdischen Glaubens! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden


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Entschließungsantrag ein – aus Zeitgründen bringe ich zuerst den Antrag ein, und danach werde ich mich bemühen, ihn zu begründen, soweit die Uhr mir das gestattet –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alexander Van der Bellen, Peter Pilz und FreundInnen betreffend die innere Sicherheit in Österreich, insbesondere die Sicherheit von Menschen jüdischen Glaubens, und die Gefährdung der Demokratie durch antisemitische Äußerungen; eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung der Frau Vizekanzlerin zu "Gewalttäter gefährden innere Sicherheit und Demokratie – Sicherheitsbeamte schützen Bürger und Rechtsstaat"

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler werden ersucht, folgende Erklärung in öffentlicher Weise abzugeben:

"Der Respekt vor dem Anderen, Toleranz und Verständnis für alle Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung sind Grundlage der Republik Österreich.

Die Bundesregierung und der österreichische Nationalrat verurteilen jeden Versuch, Menschen auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit oder auf Grund ihrer Position in einer Religionsgemeinschaft beleidigenden oder entwertenden Schmähungen auszusetzen. (Abg. Wenitsch: Dazu brauche ich doch keinen Antrag! Das ist doch selbstverständlich!)

Aussagen des Kärntner Landeshauptmanns Dr. Jörg Haider am 28. Februar 2001 in Ried im Innkreis, am 23. Februar 2001 in der Kurhalle Wien-Oberlaa sowie in seinem Kommentar in "Die Presse" am 17. März 2001 waren klar antisemitisch.

Diskriminierung, Intoleranz und Verhetzung, insbesondere aber Rassismus und Antisemitismus haben keinen Platz in diesem Land. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Sonst wäre die Grundlage der Demokratie und die innere Sicherheit in Österreich gefährdet.

Auf das Schärfste wendet sich die Republik Österreich gegen jeden Versuch, Menschen jüdischen Glaubens Schuld und Verantwortung für Antisemitismus zuzuweisen. Die Verantwortung für Antisemitismus liegt bei jenen, die ihn schüren."

*****

(Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist unser Antrag. – Der Antisemitismus, meine Damen und Herren, und die schrecklichen Folgen, die er im Lauf der Geschichte hatte – nicht erst im so genannten Dritten Reich –, hatte einen Boden, hatte Witze, Verschwörungstheorien, Klischees, Verleumdungen aller Art zur Voraussetzung. Erst dann konnte das passieren, was passiert ist. Unwahre Legenden, verzerrte Klischees, das war der Nährboden des Antisemitismus mit seinen schrecklichen Folgen.

Jörg Haider verwendet solche verzerrenden Klischees gleich in einer ganzen Reihe von Fällen: "Der Jud, der den Krieg erklärt" – ein klassisches antisemitisches Klischee. "Der heimatlose Jude", "Hätt’ der Jud den Mund nicht aufgemacht, gäb es keinen Antisemitismus" – das sind alles mehr oder weniger verdeckte Codes, die Haider verwendet (Abg. Dr. Martin Graf: Das hat er überhaupt nicht gesagt!) – ob bewusst oder unbewusst, weiß ich nicht. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ja ungeheuerlich!) Das sind antisemitische Klischees, die er in mehreren Reden in den letzten Wochen verwendet und gesagt hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Ein Provokateur steht da vorne am Rednerpult!)

Haider ist ein Provokateur, da gebe ich Ihnen Recht. Verbale Distanzierungen, meine Damen und Herren, insbesondere von der ÖVP, reichen jetzt nicht mehr. Ich hoffe, dass Sie es immer


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noch tun, sich zumindest noch verbal zu distanzieren. Aber es reicht nicht mehr. Jetzt sind Taten gefordert. Sie müssen sich von Haider trennen! Sie geben ihm die politische Legitimation in seinem Amt als Landeshauptmann. Sie lassen das zu, Herr Kollege Khol – ich hoffe, dass Sie mir zuhören. Sie laufen Gefahr, nicht nur eine Koalition mit der FPÖ eingegangen zu sein, sie laufen Gefahr, eine Koalition mit dem Antisemitismus in diesem Lande eingegangen zu sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Geh! Erzählen Sie doch nicht solche Märchen!)

Dafür tragen Sie die politische, die historische Verantwortung. Wenn Sie jetzt nicht handeln – jetzt, in den nächsten Tagen –, dann tragen Sie die Verantwortung für die politische Legitimation des Antisemitismus in diesem Land. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ein Aufwiegler! Ein Aufwiegler sind Sie!)

15.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird von mir ebenfalls auf seine inhaltliche Verträglichkeit mit dem Thema überprüft.

Ich möchte nochmals Folgendes zur Kenntnis bringen, meine Damen und Herren: Wir haben uns nach langen, mühevollen Diskussionen darauf geeinigt, dass wir hier am heutigen Tag zwei Themen abhandeln, und ich bitte, das auch entsprechend zu beachten. Ich glaube, es ist ein Gebot der parlamentarischen Fairness, darauf zu achten, dass wir nicht eine dritte Debatte bekommen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf.  – Abg. Edlinger: Was heißt das? – Abg. Dietachmayr: Die Einzige, die ausgefallen ist, war die Frau Vizekanzlerin! – Ruf bei der SPÖ: Sollen wir vielleicht noch die Redner approbieren lassen?)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

15.40

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich halte mich gerne an die Empfehlung, Herr Präsident, und will versuchen, in meinen Worten jene Tendenz nachzuvollziehen, die Sie vorgegeben haben.

Aber, Herr Kollege Van der Bellen, eines soll schon auch gesagt werden, und zwar in einer sehr unmissverständlichen Art und Weise: Denjenigen, mit dem wir auf Grund von Wahlen, die demokratisch sind und die auch von der Bevölkerung goutiert wurden, dann letztlich zu einem Ergebnis bei der Bildung einer Regierung kommen, suchen wir uns schon noch selbst aus. Von Ihnen lassen wir uns nicht vorschreiben, mit wem wir in eine Bundesregierung gehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich würde Ihnen, Kollegen Van der Bellen, schon vorschreiben, nein – das tue ich nicht –, aber vorhalten oder Sie nur daran erinnern, dass Sie sich auch nicht unbedingt große Vorbilder gesucht haben, wenn es darum geht, wo Sie sich gleichsam mit Kumpanen zusammensetzen. Da gibt es doch in Deutschland einen Grünen, der Außenminister ist und der noch vor Jahren gesagt hat, das "Bullenklatschen", also das Abwatschen von Polizisten, das sei doch alles rechtens! Das sei eines Rechtsstaates nicht nur nicht unwürdig, sondern das sei die Normalität.

Schauen Sie also, lieber Kollege Van der Bellen, mit wem Sie im selben Boot sitzen, und richten Sie den Finger nicht auf andere! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Er hat dazugelernt!)

Wenn wir schon bei den Tatsachen sind: Verdrehen Sie nicht Fakten wider besseres Wissen, Kollege Van der Bellen! Sie haben von Fuchs und von Rechtsextremismus geredet. Die Kollegen von der linken Seite dieses Hauses werden Ihnen bestätigen: Fuchs stammt aus einer SPÖ-Familie! (Rufe bei der SPÖ: Na und?! – Abg. Edlinger: Der Westenthaler auch! – Abg. Dr. Lichtenberger: Sippenhaftung gibt es nicht!) Fuchs hat, wie wir wissen, selbst bekannt, dass dies seine Wurzeln waren. Sie, der Sie jetzt daraus Rechtsradikalismus konstruieren, sind damit eindeutig auf der falschen Fährte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Für die Österreichische Volkspartei hat in der Vergangenheit gegolten, gilt jetzt und wird auch in Zukunft gelten, was ich postuliere: Wir sind gegen jegliche Form von Extremismen gewesen, gegen jegliche Form von Gewalt. Das war so, das ist so, das wird so bleiben, und Innenminister Ernst Strasser ist als Sicherheitsminister der beste Garant dafür, dass dieser Weg in Österreich konsequent gegangen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Darum darf er heute nicht reden!)

Seine Programmatik, die er ja im Parlament, nicht nur im Innenausschuss, sondern auch im Plenum, bereits des Öfteren vorgegeben hat, trägt auch reiche Früchte. Er sagt klar und deutlich – und zu dem stehen wir seitens der Bundesregierung –: Ja zu friedlichen Kundgebungen und selbstverständlich ein klares Ja zu Demonstrations- und Kundgebungsfreiheit, aber auch ein entschiedenes hundertprozentiges Nein dann, wenn es zu gewalttätigen Demonstrationen und blutigen Straßenschlachten in diesem Staat, in dieser Stadt Wien beispielsweise kommt. Dem schieben wir entschieden einen Riegel vor! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sagen namens der Parlamentarier zusätzlich noch ja zu einem sehr konsequenten Einschreiten unserer Exekutive bei Ausschreitungen. Das ist notwendig. Da haben unsere Beamtinnen und Beamten, unsere GendarmeriebeamtInnen und Polizisten unsere Unterstützung. Da haben sie all unsere Unterstützung, und sie haben sie auch höchst notwendig, denn wir sagen damit als Abgeordnete auch ein klares Nein zum Einsatz von Pflastersteinen, zum Einsatz von Krähenfüßen, zum Einsatz von pyrotechnischen Artikeln, die von gewalttätigen Demonstranten gegen genau diese Beamten geschleudert werden, geworfen werden und sie zu Hunderten und Aberhunderten verletzen. Das ist nicht die Sprache unserer Regierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe eingangs gesagt, ich werde versuchen, mich in der Wortwahl zu mäßigen, denn es ist zweifelsfrei – und das haben ja Vorredner festgestellt – die Gewalt der Worte, die den Boden aufbereitet für die Gewalt der Taten. (Abg. Dr. Hannes Bauer: Aschermittwoch! – Rufe bei der SPÖ: Aschermittwoch-Rede!)

Im Folgenden zwei Beispiele in exemplarischer Form, zu denen ich die Kolleginnen und Kollegen der SPÖ und die Grünen frage, ob sie jenen Aussagen, die ich zitieren werde, entsprechend entgegengetreten sind.

Am 4. Februar 2000 bei der Großdemonstration hat es Parolen gegeben – und sie wurden weltweit im Fernsehen gezeigt –: "Widerstand! Widerstand! Schüssel, Haider an die Wand!" (Abg. Haller: Das haben sie doch überhaupt nicht gesagt!)

Herr Kollege Van der Bellen! Haben Sie sich (Zwischenrufe bei den Grünen)  – natürlich waren Sie dabei – gegen diese Aussagen je gewehrt? Haben Sie diesen Sätzen jemals etwas entgegengesetzt? – Kollege Gusenbauer! Sie waren damals dabei – ich habe das Bild noch vor mir, als Sie Ihrem Altvorderen Klima die Hand geschüttelt haben. Ich kenne keine einzige Aussage Ihrerseits, in der Sie solchen Parolen der Gewalt ein klares und dezidiertes Nein entgegengesetzt hätten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Achatz. )

Ein Zweites: Ich bin am vorigen Freitag Gast am Rande der friedlichen, der angeblich friedlichen Demonstration am Stephansplatz gegen Rassismus und gegen Gewalt, gegen Menschenfeindlichkeit und wogegen auch immer gewesen. Was die Vizekanzlerin in Bezug auf Jörg Haider gesagt hat, das kann ich nur auch für Bundeskanzler Schüssel sagen. Mir wurden Zettel mit der Aufschrift "Tötet Schüssel!" in die Hand gedrückt. (Ruf bei der ÖVP: Wahnsinn!) – Ist das eine friedliche Demonstration? Hat man nicht da den Anfängen des Wortes und damit auch den Anfängen der Gewalt zu wehren? Das ist die Kumpanei, mit der Sie sich ins Boot setzen, und das verurteile ich auf das Entschiedenste! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Kollege Kiss! Zeigen Sie doch den Zettel her! – Abg. Dr. Petrovic: Zeigen Sie das doch her! Sie haben doch sonst alle Zettel!)

Ernst Strasser hat klar einer Politik der Deeskalation und der Verhältnismäßigkeit das Wort geredet. Er sagt: Mehr Exekutive im Außendienst! – Heute haben wir im Budgetkapitel Inneres unter anderem gehört, dass allein bei den Zahlen der Bundesgendarmerie in den letzten fünf Jah


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ren Dramatisches passiert ist. Waren es 1995 noch 11 703 Gendarmeriebeamte, sind es 2000 bereits 13 992 Gendarmeriebeamte gewesen, die für mehr Sicherheit in diesem Land sorgen.

Der Schutz des Rechtsstaates und auch mehr Sicherheit für den einzelnen Bürger, das ist das Programm dieser Bundesregierung. Dabei hat der Innenminister unsere Unterstützung, dabei sagen wir aber vor allem auch jenen Frauen und Männern Dank, die diesen Rechtsstaat und unsere Bevölkerung schützen: Das sind die Frauen und Männer der Gendarmerie und der Polizei. Ihnen gilt unser Respekt, ihnen gilt unser aufrichtiges Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Edlinger –: Keine Polemik vom Rednerpult! – Ruf bei der SPÖ – in Richtung des Abg. Dr. Martin Graf –: Der "Graf von Luxemburg"!)

15.47

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist ungefähr sechs Wochen her, seit sich der Nationalrat auf Grund einer Dringlichen Anfrage der Koalition mit einem ähnlichen Thema beschäftigt hat: Sicherheit und Demokratie in Österreich, insbesondere in Wien. Der gravierendste Unterschied zu heute ist: Damals antwortete der zuständige Innenminister Dr. Strasser seriös, korrekt und kompetent. Der Innenminister dürfte aber damit den politischen Absichten der damaligen Anfragesteller, der ÖVP und der FPÖ, nicht entsprochen haben. Heute berichtet die unzuständige Sport- und Beamtenministerin unseriös, parteiisch und inkompetent, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wieso ist sie unzuständig für die Beamten?)

Sie fand für ihr virtuelles Weltbild bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP weit größere Zustimmung als Strasser für seine Seriosität. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt lässt er den Gentleman heraus, der Edlinger! Ein richtiger Gentleman, der Edlinger!) Sie zeichnet ein Bild von Wien, das nicht der Realität entspricht. Nicht grölende Horden, zerstörerische Elemente terrorisieren Wien (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer ), sondern in ihrer Existenz bedrohte Menschen, Studenten, Arbeiter, Angestellte, Beamte demonstrieren gegen den Sozialabbau und gegen die Diskriminierung dieser Regierung! Nehmen Sie das zur Kenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der sehr geehrte Herr Innenminister hat am 1. Februar hier im Parlament wörtlich erklärt: Es "stellen die linksextremistischen Gruppierungen in Österreich nach wie vor weder hinsichtlich der Zahl noch hinsichtlich des Gewaltpotentials eine akute Gefahr für die staatliche Sicherheit dar." – (Abg. Ing. Westenthaler: Das kann sich alles ändern!)

Was heute hier abläuft, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eine von der Bundesregierung inszenierte bewusste Verunsicherung der Menschen in unserer Stadt und in unserem Lande. Sie wollen den Menschen Angst machen, um damit im Wiener Wahlkampf zu punkten. Das ist der wahre Hintergrund Ihrer heutigen Aktion! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich finde es in der Tat bemerkenswert, wenn fünf Tage vor der Wiener Gemeinderatswahl bei der Diskussion zu einem solchen Thema der Herr Innenminister nur mehr hier sitzen darf und die ehemalige Propaganda-Chefin Jörg Haiders (He-Ruf bei der ÖVP) als derzeitige Vizekanzlerin hier steht und ganz offensichtlich den Nationalrat mit einem Rieder Bierzelt verwechselt! – Das ist der Punkt, auf den ich hier hinweisen möchte. (Beifall und Bravo-Ruf bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

Die Wiener Spitzenkandidatin Partik-Pablé malt Schreckgespenster an die Wand, und in einem Interview sagte sie, sie fürchte sich in Wien. Und weiters sagte sie: In der Nacht möchte ich nicht mehr mit der U-Bahn fahren! – Ich kann Frau Partik-Pablé beruhigen: Ich wohne im 15. Bezirk und fahre sehr viel mit der U-Bahn, und ich sehe in der Nacht immer wieder ältere Damen, die sich in der U-Bahn nicht fürchten. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie brauchen sich nicht


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zu fürchten, Frau Partik-Pablé! Fahren Sie mit der U-Bahn: Es ist keine Gefahr für Sie gegeben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frau Partik-Pablé sagte weiters in einem Interview: New York ist möglicherweise sicherer als Wien! – Das ist wirklich ein Skandal! Meine Damen und Herren, die Gefahr, einem Mord zum Opfer zu fallen, ist in New York mehr als doppelt so hoch wie in Wien! Die Gefahr, einer Vergewaltigung zum Opfer zu fallen, ist in New York dreimal so hoch wie in Wien! Die Gefahr, ein Raubopfer zu werden, ist in New York fünfmal so hoch wie in Wien!

In New York: Auf 100 000 Einwohner kommen 1 063 Verbrechen, in Wien 97. In New York ist diese Zahl also zehnmal so hoch wie in Wien! Sie horrorisieren, Sie verängstigen die Menschen in dieser Stadt! Das ist Ihr historisches "Verdienst", Frau Vizekanzlerin – und das nimmt Ihnen niemand weg! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Innere Sicherheit und Demokratie ist nicht primär eine Aufgabe der Exekutive: Es ist Aufgabe der Politik, Demokratie, Toleranz, Dialog und Menschenrechte zu garantieren. Es kommt nicht von ungefähr, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass sich der Herr Bundespräsident angesichts der Regierungsbeteiligung der FPÖ veranlasst sah, dem Regierungsprogramm eine Präambel voranzustellen, die die Regierung zur Beachtung der Werte der Demokratie und der Menschenrechte mahnte. Dies geschah zu Recht! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es kam nicht von ungefähr, dass der Herr Bundespräsident zwei Personen, die Sie von den Freiheitlichen in die Regierung vorgeschlagen haben, sowohl das politische als auch das moralische Know-how absprach, nämlich dem nunmehrigen Zweiten Präsidenten Prinzhorn und dem "Humpdi-Dumpdi" in Wien, der auch unter dem Namen Kabas weniger Menschen bekannt ist als unter seinem Spitznamen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

In aller Deutlichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren: Damit es nicht so aussieht, als würde ich die Freiheitlichen allein für diese Polarisierung verantwortlich machen, möchte ich schon auch die Frage stellen, was die ÖVP in dieser Situation tut. Ja, was tut da die ÖVP? – Sie schweigt und genießt die Macht.

Ariel Muzicant wird in antisemitischer Weise von Jörg Haider beschimpft. – Die ÖVP schweigt und genießt die Macht.

Ausländische Staatschefs werden von Jörg Haider beschimpft. – Die ÖVP schweigt und genießt die Macht.

Ein altes Sprichwort sagt: "Wer schweigt, stimmt zu." – Die ÖVP ist damit zum geistigen Mittäter des neuen Antisemitismus in Österreich geworden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Unerhört! Unerhört ist das! – Abg. Schwarzenberger: Benehmen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die ÖVP ist damit zum geistigen Mittäter der Diskriminierung, der Ausländerhetze und des Rassismus in unserer Stadt geworden! (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Gegenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass die Wienerinnen und Wiener Ihnen beiden, den Freiheitlichen ebenso wie der ÖVP, dafür die Rechnung präsentieren werden! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Unerhört! Keine Manieren hat der Edlinger! – Weitere Rufe und Gegenrufe.)

15.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Oje, oje!)

15.54

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Innenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Edlinger, Sie haben einen


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Vorteil: Es hat Ihnen bisher in Ihrer Zeit in der Politik noch niemand den Vorwurf gemacht, dass Sie Anstand haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dieses "Privileg" werden Sie auch heute nicht haben, denn diese Beflegelungen, die Sie heute hier von diesem Rednerpult aus zwei Frauen gegenüber, zwei Politikerinnen gegenüber losgelassen haben, war letztklassiges Macho-Dasein, das wir ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Bevölkerung kann jetzt ganz genau sehen, dass jene Damen, die da herinnen sitzen und sich sonst so einsetzen für Frauenrechte, gegen Macho-Verhalten, alle applaudiert haben (Zwischenrufe der Abg. Silhavy ), als Herr Edlinger seine hasserfüllten Reden und seine Flegeleien sowohl gegen die Frau Vizekanzlerin als auch gegen Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé hier losgelassen hat.

Davon, Herr Edlinger, distanziere ich mich! Und ich entschuldige mich bei der Bevölkerung, ich entschuldige mich bei allen Frauen, die uns zuschauen, für Ihr Verhalten, Herr Edlinger! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Edlinger und auch Herr Öllinger haben es kurz zustande gebracht – ich werde Ihnen aber nicht darauf hereinfallen –, von ihren Gewalttätigkeiten abzulenken, und zwar mit irgendeiner anderen Debatte. Sie haben hier behauptet, das seien doch alles so friedliche Demonstrationen, lauter anständige Demonstranten; das hat Herr Edlinger uns heute gesagt. Herr Öllinger hat überhaupt gemeint: Da passiert gar nichts, diese Demonstrationen sind doch gewaltfrei!

Es müssen wohl alle, die diese Bilder von der Opernball-Demonstration gesehen haben, eine Halluzination gehabt haben. – Ich habe diese Bilder mitgenommen, damit Sie sie noch einmal sehen und damit jene Menschen, die sie noch nicht gesehen haben, das auch im Fernsehen sehen können. (Der Redner hält großformatige Fotos in die Höhe und stellt diese dann einzeln vor sich auf das Rednerpult.) Das sind Ihre "gewaltfreien Demonstrationen": Feuer, Gewalt, verletzte Menschen, Sachbeschädigungen! Das sind Ihre Gewalttäter, das sind Ihre Kumpanen! (Abg. Edlinger: Das ist Ihr Stil! Das ist Ihre Sprache ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Hier sehen Sie: abgeschlagene Flaschen, mit denen auf Polizisten losgegangen wird. Vermummte Menschen, die losgegangen sind auf Polizisten. Das sind Ihre "gewaltfreien Demonstrationen"! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.) Lauter "anständige Menschen": mit der Flasche in der Hand ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren ! Ich bitte, einen entsprechenden Lärmpegel einzuhalten, sodass man den Herrn Abgeordneten Westenthaler bei seinen Ausführungen versteht! (Rufe bei der SPÖ: Ist wirklich nicht notwendig ...!)

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (fortsetzend): Mit Flaschen in der Hand, mit Waffen in der Hand, das sind Ihre Kumpanen. (Abg. Edlinger: Das ist sehr "stilgerecht"! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Und jetzt wird es interessant: Wenn man dann noch weiß, dass der Wiener Bürgermeister am 1. Mai vergangenen Jahres sozusagen den Kampfruf für solche Aktionen gegeben hat, und zwar mit dem Ausspruch, diese Regierung müsse "aus dem Amt gejagt" werden, kann man erkennen, dass mit solchen Aufrufen der Wiener Bürgermeister eine Mitverantwortung dabei hat! Und das muss er auch verantworten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Wiener Bürgermeister Häupl kennt ja die Gewaltszene schon. Er will ja in Wien mit den Grünen, eben nach dem 25. März, koalieren. Und da schicke ich ihm noch ein schönes, ein hochinteressantes, ein aufschlussreiches Bild. (Der Redner hält neuerlich ein großformatiges Foto in die Höhe und stellt dieses dann vor sich auf das Rednerpult.) Die "Frontline" der Demonstranten sehen Sie hier: vermummt, mit abgeschlagenen Flaschen in der Hand! Und wissen Sie, wer da steht? – Niemand anderer als die Abgeordnete der Grünen Petrovic. (Aha- und Oho-Rufe bei


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Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP sowie ein laut hörbarer Pfiff aus einer dieser beiden Fraktionen.)

Hier sehen Sie also: Die grüne Abgeordnete Petrovic direkt an der "Frontline", mit gewalttätigen Demonstranten – und sie hat beide Hände im Sack. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Rufe: Na so etwas!)

Vor dem Hintergrund der Dinge, die in Deutschland passiert sind, Frau Kollegin Petrovic: Kommen Sie hier heraus und sagen Sie, warum Sie da beide Hände im Sack haben! Was hatten Sie denn da im Sack? (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Ihre Gewalt lehnen wir ab! Das können Sie sich abschminken! Das werden wir immer verurteilen, meine Damen und Herren von den Grünen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Sie sind der Gewalttätigkeit überführt, auch bei den Demonstrationen. Wir werden den Wienerinnen und Wienern sagen, was ihnen am 25. März blüht, wenn sie SPÖ wählen, wenn sie die Grünen wählen, wenn Rot-Grün in Wien kommt.

Ein Beispiel: Da gibt es einen Wiener Abgeordneten, den Abgeordneten Pilz, der dann nach mir hier ans Rednerpult kommen und dann gleich die Gelegenheit haben wird, dazu Stellung zu nehmen. Pilz wurde im Zuge eines Interviews mit der Zeitung "Grün" gefragt: Wie sieht denn für dich eine funktionierende Gesellschaft aus? – Darauf Pilz, wortwörtlich: Das schaut so aus, dass es keinen Staat gibt; das ist einmal das Erste. Dieses Gewaltinstrument des Staates darf es nicht mehr geben. – Zitatende.

Der Wiener Abgeordnete Pilz, der hier herinnen auf einem Abgeordneten-Mandat sitzt, das er bei einer demokratischen Wahl bekommen hat, will einmal als erstes den Staat abschaffen, Anarchie will er ausrufen. (Abg. Dr. Pilz macht in Richtung des Redners die so genannte Scheibenwischer-Bewegung.) – Nein danke, Herr Pilz! Nein danke, am Sonntag "grün" wählen! Nein danke zu einer Regierungsbeteiligung der Grünen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Das geht aber weiter. Da gibt es den Herrn Öllinger, seines Zeichens früherer Bezirksrat in Wien, die Frau Jerusalem, die in Wien Abgeordnete ist. Da muss man schon fragen: Will man, dass solche Personen nach dem 25. März gemeinsam mit Herrn Häupl – er will ja diese rot-grüne Koalition machen! – in der Regierung in Wien sitzen?

Da gibt es einen alten Bekannten, jemanden, der nie im Leben mit den Grünen eine Koalition gemacht hätte, nämlich Hans Mayr, den Doyen der SPÖ-Wien, den ich hier zitieren darf. Er möge den Sozialisten in Wien auch ein Angedenken sein, auch in Bezug darauf, was er damals im Wiener Gemeinderat gesagt hat. Ich zitiere wortwörtlich das "profil" vom 9. März 1992:

"Jean Margulies von der Grünen Alternative hatte sich am Ende eines langen Tages im Wiener Stadtparlament gegen vier Uhr früh fast ein wenig weinerlich bei Hans Mayr beschwert, dass ihn dieser nicht leiden könne. Er, Margulies, verstehe das nicht."

Margulies, der grüne Abgeordnete, fragte Mayr daher, weil er keine Zuneigung von diesem spürte, warum er ihn nicht leiden könne. – Darauf antwortete Herr Vizebürgermeister Mayr – ich zitiere das "profil" –:

",Das kann ich Ihnen erklären‘, donnerte der ungnädige sozialdemokratische Stadtvater ins Plenum: ,Wären Sie‘ – und Ihresgleichen von den Grünen! – ,in Ihrer Jugend politisch erfolgreicher gewesen, wäre ich heute in Sibirien.‘" – Zitatende.

Nein danke zu Rot-Grün in Wien, kann ich nur sagen: Das wollen wir nicht! Eine solche Entwicklung von Gewalt in der Politik wollen wir nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Das lehnen wir ab, und daher finde ich es richtig und in Ordnung, dass wir deshalb auch die Polizei schützen und entsprechende Überlegungen anstellen, um diese vor solchen Gewalttätern in Schutz zu nehmen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Die Gewalttätigkeiten nehmen zu. Ich bin froh, dass am Sonntag in Wien Wahl ist, denn es spitzt sich wirklich immer mehr zu. Ich erzähle Ihnen dazu folgenden Vorfall:

Am 17. März, also vor wenigen Tagen, hat ein Sympathisant der FPÖ, und zwar bei einer politischen Diskussion mit Jugendlichen, bei einem Kolpingheimfest im 9. Bezirk, in der Althanstraße, einen "Fehler" gemacht: Er hat dort mit diskutiert und sich als Wähler der Freiheitlichen deklariert. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Daraufhin, so der Bericht der Polizei, schlugen mehrere Personen, die offenbar die Veranstaltung des Brigittenauer Gymnasiums im Kolpingheim verlassen hatten, mit Fäusten auf das Gesicht des Passanten ein, der mit einem Nasenbeinbruch und schweren Gesichtsverletzungen ins AKH eingeliefert werden musste. – Und das alles nur, weil er sich zur FPÖ bekannt hat. (Abg. Dr. Martin Graf: Sehr "tolerant"!)

Ich sage Ihnen klipp und klar: Wir werden diese Menschen immer in Schutz nehmen, wenn sie ihr freies politisches Bekenntnis auch in der Öffentlichkeit kundtun! Wir werden diese Menschen in Schutz nehmen vor Ihren Hooligans, die Sie von der SPÖ und den Grünen zu verantworten haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Deutschland erlebt Rot-Grün. In Deutschland – wir kennen ja die Geschichte des Herrn Joschka Fischer – sitzen die Täter schon in der Regierung. – Die "Joschkas" von Wien und von den Grünen hier in Österreich zielen offenbar gerade darauf ab, nach einem Wahlerfolg am 25. März in Wien gemeinsam mit Bürgermeister Häupl in der Regierung zu sitzen. (Abg. Öllinger: Unglaublich ...!)

Als Bürger von Wien, als Wähler in Wien werde ich alles daransetzen, dass nicht nach dem 25. März die grünen Täter auch in der Wiener Regierung sitzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

16.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen mir jetzt mehrere Wortmeldungen zur Geschäftsbe-handlung vor. – Meine Damen und Herren! Wir werden jetzt die Sitzung ruhig und präzise weiterführen.

Zuerst gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kostelka zu Wort, dann Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte. (Abg. Öllinger  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler –: "Dem Ingenieur ist nichts zu schwör!")

16.02

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es fällt schwer, die Sitzung angesichts eines solchen Auftrittes ruhig weiterzuführen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das glaube ich, dass Ihnen das schwerfällt! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Herr Präsident, der Klubobmann der Freiheitlichen Partei hat es für notwendig befunden (Ruf bei den Freiheitlichen: Die Wahrheit tut weh!), meine Fraktion pauschal als "Kumpane" der Gewalt zu bezeichnen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Das stimmt nicht! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist unrichtig!)

Und der Klubobmann der Freiheitlichen hat weiters von den "Hooligans" der SPÖ gesprochen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist unrichtig! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Gegenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Präsident, für beide Ausdrücke verlange ich dezidiert einen Ordnungsruf.

Ich möchte aber noch etwas anschließen, Herr Präsident. Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler hat aus einem Polizeiakt zitiert. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ein Redebeitrag!) Es wäre in


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höchstem Maße interessant, woher Herr Ing. Westenthaler diesen Polizeiakt hat. (Abg. Dr. Martin Graf: Das war ein Zitat aus einer Zeitung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Jeder in diesem Haus weiß, dass sich die Freiheitliche Partei illegaler- und strafrechtswidrigerweise immer wieder derartiger Dinge bedient. Ich bitte, das auch zu untersuchen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Ein Redebeitrag war das! – Abg. Dr. Martin Graf: Wenn man aus der Zeitung zitiert, ... ist das doch nichts Schlechtes!)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ruhe!

Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte.

16.03

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sie wissen, dass ich sehr zurückhaltend bin im Verlangen nach Ordnungsrufen (Widerspruch bei den Freiheitlichen), weil ich es irgendwie als peinlich empfinde, zu versuchen, jemanden in dieser Art und Weise zur Ordnung zu rufen.

Nichtsdestotrotz – fürs Protokoll – wäre ich dankbar, wenn der Ausdruck "Kumpane" der Gewalt mit einem solchen Ruf bedacht werden würde. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

16.04

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich – den allgemeinen Ermahnungen folgend und angesichts der Verantwortung, dass uns jetzt ganz Österreich via TV zuschauen kann und wir selbst auch für das Prestige dieses Hauses verantwortlich sind – von den Bemerkungen des früheren Finanzministers Edlinger nicht provozieren lassen, der uns mit übelsten Schimpfworten bedacht hat. (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.)

Ich bitte, das Protokoll herbeizuschaffen. Und: Wenn Ordnungsrufe gegeben werden, dann bitte nach dem gleichen Maßstab!

Uns pauschal als Antisemiten zu verdächtigen ist ungeheuerlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Westenthaler.

16.05


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Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler
(Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Es amüsiert uns immer wieder, wie es Herr Kostelka schafft, innerhalb kürzester Zeit in mehrere Fettnäpfchen gleichzeitig zu treten. Er wirft mir hier vor, ich hätte aus einem Polizeiprotokoll zitiert. – Ich darf das gleich richtigstellen: Das, was ich hier zitiert habe, war ein Bericht, ein Protokoll der anwesenden Passanten, die unterschrieben haben und die sich auf Aussagen der Polizisten, die dort anwesend waren, beziehen.

Ich habe aus keinem Polizeiprotokoll berichtet! Aber es bleibt Ihnen von der SPÖ überlassen, einmal mehr eine Unwahrheit in den Raum zu stellen. Das führe ich aber auch auf Ihre Nervosität zurück, weil wir Sie von der SPÖ heute ordentlich überfahren haben und weil Sie vor dieser Wiener Wahl enorm nervös sind, weil Sie merken, dass die Wiener ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir sind bitte bei der Geschäftsbehandlung und nicht bei der Wiener Wahl!

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (fortsetzend): Herr Präsident! Aber ich darf schon fertig reden: Und weil Sie merken, dass die Wienerinnen und Wiener Rot-Grün nicht wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das ganze Haus – und auch die österreichische Öffentlichkeit – ist Zeuge, dass in der Debatte, die in den vorhergehenden zwei Stunden unter dem Vorsitz des Kollegen Fasslabend gelaufen ist, von ihm die Ermahnungen und Erklärungen abgegeben wurden, die notwendig waren.

Als wir den Vorsitz gewechselt haben, hat mir Kollege Dr. Fasslabend erklärt, dass auch schwierige Rechtsfragen im Zusammenhang mit Entschließungsanträgen zu lösen sind. Daher haben wir beide in dieser Phase diese Rechtsfragen kurz erörtert und vielleicht die Debatte nicht so genau verfolgt. Ich werde mir daher das Protokoll vorlegen lassen. Wenn eine Fraktion pauschal als "Kumpane der Gewalt" bezeichnet worden wäre, was ich prüfen werde, dann weiß ich, was zu tun ist.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Er hat das Wort. (Abg. Ing. Westenthaler: Pauschal uns Antisemitismus vorzuwerfen, dazu sagen Sie nichts, Herr Präsident! Das ist auch bezeichnend! Eine ganze Fraktion ist als antisemitisch bezeichnet worden!) – Das war nicht unter meinem Vorsitz, Herr Abgeordneter! Sie haben ja alle geschäftsordnungsmäßigen Möglichkeiten! (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dr. Fischer –: Selektive Wahrnehmungsfähigkeit!)

16.07

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von vielem, was heute einmalig war, war der erste "polizeiliche Akt" in diesem Hause wahrscheinlich das Bemerkenswerteste, diese Erklärung des Abgeordneten Westenthaler an meine Kollegin Madeleine Petrovic: Frau Petrovic, Sie sind überführt! – Und jetzt, Madeleine, fordere ich dich auf, ein Geständnis abzulegen! Gib zu, du hattest beide Hände in der Manteltasche! Gib es zu! (Heiterkeit bei den Grünen.)

Da frage ich schon den Abgeordneten Westenthaler, ob man nicht einmal mehr die Hände in der Manteltasche haben darf, ob es schon so weit geht, dass die Freiheitliche Partei nicht nur sagt, was der ORF bringen darf und was nicht, dass die Freiheitliche Partei nicht nur Zensuren an Richterinnen und Richter verteilt und sagt, wer freizusprechen, welches Verfahren einzustellen ist und gegen welche Oppositionspolitiker Verfahren zu führen sind, sondern in Zukunft wird der Abgeordnete Westenthaler vielleicht mit einem Initiativantrag von Schwarz-Blau kommen: "Bekleidungs-, Sack- und Mantelvorschriften für Oppositionsabgeordnete". (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Grabner  – in Richtung der Freiheitlichen –: Hast du schon wieder zuviel? – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch einmalig ist (Abg. Dr. Martin Graf: Wie stehen Sie zum Vermummungsverbot?), dass in einem Hause, in dem zu Recht immer wieder hart diskutiert wird, sich eine Vizekanzlerin das Recht nimmt, anstelle einer Erklärung eine Beschimpfung der Opposition zu setzen. So etwas habe ich in dieser Art in diesem Hause noch nicht erlebt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Sie sind ja nie da! – Zwischenbemerkung der Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. )

Ein Drittes, und zwar zu den weinerlichen Erklärungen der Freiheitlichen in eigener Sache: Ja, es ist richtig, es gibt einige Transparente gegen die Regierung, die auch mir unangenehm aufgefallen sind. Es gibt manche Slogans, die besser unterblieben wären. (Ruf bei der ÖVP: Entschuldigen Sie sich!) Ja, ich habe gesehen, dass der freiheitlichen Spitzenkandidatin auf einigen Plakaten Brillen aufgemalt wurden, und ich habe auch gesehen, dass dem freiheitlichen Ex-Parteiobmann Bärte auf die Oberlippe gezeichnet wurden. – Aber gehen Sie einmal zu den


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Verwandten und Angehörigen der Opfer der Bomben von Oberwart und bejammern Sie dort die Verhunzung eines FPÖ-Plakates! Gehen Sie einmal zu den Briefbomben-Opfern, vom Altbürgermeister bis zu vielen anderen, an die Sie schon längst nicht mehr denken, und erzählen Sie ihnen von Transparenten gegen die Regierung! – Ich möchte sehen, was die Opfer des wirklichen Terrorismus, des lebensbedrohlichen Terrorismus (Abg. Ing. Westenthaler: Sprich zum Sozialisten Fuchs!) Ihnen dann zu Ihren weinerlichen Vorhaltungen sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unser Verhältnis zu politischer Gewalt ist vollkommen klar. (Abg. Dr. Ofner: Ebergassing!) Eines unserer vier Prinzipien als Grüne ist absolute Gewaltfreiheit! (Lebhafte ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wir haben, rund um Temelin, rund um Hainburg, sogar oft darüber diskutiert: Was ist angemessen, und was geht nicht? (Abg. Jung: Können Sie das wiederholen?) Aber ich habe heute Bundesminister Strasser im Budgetausschuss gefragt, wie es denn wirklich mit politisch motivierter Gewalt in dieser Republik aussieht. Was von links kommt, hat die Frau Vizekanzlerin in maßlos übertriebener Art und Weise bereits dargestellt. (Abg. Dr. Ofner: Jeder Zeitungsleser ...!)

Innenminister Strasser – ich hoffe, er wird es heute selbst wiederholen – hat dem Budgetausschuss Folgendes berichtet: Im Jahr 2000 239 Verstöße gegen das Verbotsgesetz, 27 Fälle von Verhetzung, 22 Fälle nach dem Naziabzeichengesetz, 44 sonstige Fälle im Bereich Wiederbetätigung (Abg. Dr. Ofner: Und wo ist die Gewalt?) und 117 Fälle sonstige rechtsextrem motivierte Delikte (Ruf: Wo ist die Gewalt? – Abg. Edlinger: Schimanek!), insgesamt 450 einschlägige rechtsextrem motivierte Delikte. (Abg. Dr. Ofner: Von der Gewalt wollen wir etwas hören!)

Die Hintergründe sind klar. Der Oberste Gerichtshof erlaubt mir mit einem Erkenntnis, nicht unter dem Schutz der Immunität, sondern wo und wann immer ich will, zu erklären (Abg. Ing. Westenthaler: Sie dürfen alles erklären! Sie nimmt niemand ernst!): Der geistige Ziehvater und Ideologe des rechtsextremen Terrorismus heißt Dr. Jörg Haider. (Abg. Dr. Ofner: Danke für die Fernsehübertragung! Das war wieder ...!)  – Dafür habe ich die Bestätigung (Abg. Ing. Westenthaler: Danke!) und die amtliche Erlaubnis des Obersten Gerichtshofes.

Jetzt kommen wir zu dem, was in den letzten Tagen und Wochen wirklich passiert ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Wahlkampf ist vorbei, Herr Van der Bellen!) Jetzt kommen wir zur Affäre Haider und zu den Angriffen auf Herrn Muzicant und viele andere auch.

Ich glaube nicht, dass sich jemand von Ihnen einmal ernsthaft überlegt hat, was es bedeutet, auch in einem demokratischen Rechtsstaat wie Österreich, Angehöriger oder Angehörige einer Minderheit, einer kulturellen, einer religiösen Minderheit zu sein, und was das bedeutet, wenn zuerst eine Oppositionspartei und dann eine Regierungspartei und dann Minister, Klubobmänner und ein Landeshauptmann beginnen, immer deutlicher zu hetzen (Abg. Dr. Ofner: Ein Erfinder!), und wenn die Menschen das Gefühl haben, dass es immer enger wird, dass es immer bedrohlicher wird und dass sie nicht die Sicherheit haben, dass der Schutz ausreicht (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner )  – weil nämlich diejenigen, die sie bedrohen, zum ersten Mal auf der Regierungsbank sitzen. (Ruf bei der SPÖ: Jawohl!) Und das macht den Unterschied aus. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Deswegen ist es so unverständlich, dass ein Bundeskanzler namens Dr. Wolfgang Schüssel nichts anderes dazu tut als schweigen. (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt nicht!) Von den Opfern, von den Bedrohten wird dieses Schweigen als ein Wegdrehen, als ein Ignorieren, als Desinteresse verstanden. (Abg. Mag. Kukacka: Sie wollen nicht hören! – Abg. Schwarzenberger: Er hat in der "Pressestunde" dazu gesprochen!) Gerade heute bräuchten die kulturellen und religiösen Minderheiten in der Republik Österreich einen Bundeskanzler, der seine Stimme wieder findet und ihnen den Schutz garantiert, der ihnen auf Grund unserer Verfassung zusteht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Und genau das fehlt!

Herr Dr. Khol! Wir kommen jetzt an einen Punkt, an dem die Österreichische Volkspartei seit Jahrzehnten noch nicht war. Sie werden sich entscheiden müssen, ob Sie zu den stillen Komplizen des Antisemitismus in dieser Republik werden. (Abg. Dr. Trinkl: Also bitte! – Abg. Dr. Khol:


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Herr Präsident! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dr. Fischer –: Das haben Sie jetzt aber schon gehört?) Und die Gelegenheit zur Entscheidung werden Sie heute bei der Abstimmung über unseren Entschließungsantrag haben. (Abg. Steibl  – in Richtung des Präsidenten Dr. Fischer –: Zum zweiten Mal schon!) Wenn Sie mit "Nein" stimmen, dann dokumentieren Sie ganz klar, wo Sie stehen. Dann haben Sie sich für die freiheitliche antisemitische Politik entschieden (Ruf bei der ÖVP: Also jetzt reicht es aber! – Abg. Dr. Khol  – in Richtung des Präsidenten Dr. Fischer –: Ich lasse mir das nicht gefallen! – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ja unglaublich, was der ...!), und dann haben Sie die bedrohten religiösen ...


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Kollege Pilz! Ich habe volles Verständnis dafür, wie sensibel die Debatte ist. Aber wenn wir der einen Fraktion einen Pauschalvorwurf ersparen wollen, dann muss das in alle Richtungen gelten. Man kann nicht eine Fraktion als Ganzes als antisemitisch bezeichnen. Ich bitte, das ganz ernsthaft zu berücksichtigen und im weiteren Teil Ihrer Rede darauf Bedacht zu nehmen! (Abg. Mag. Schweitzer: Ein ...pinsler!)

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Herr Präsident! Sie wissen, dass ich Ihre Vorsitzführung schätze. Wenn der Eindruck einer pauschalen Verurteilung aller Personen entstanden ist, dann möchte ich das präzisieren: Kein einziger Freiheitlicher, aber leider auch kein einziger führender Politiker der Österreichischen Volkspartei, hat in der gebotenen Weise, in der gebotenen Deutlichkeit und in der gebotenen Konsequenz klargemacht (Rufe bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht! – Abg. Dr. Brinek: Stimmt nicht! ... Morak ...!), dass diese Politik gestoppt werden muss. (Abg. Ing. Westenthaler: Mit Steinen, oder was? Mit Steinen und Flaschen?)

Herr Dr. Khol! Sie kommen jetzt an einen entscheidenden Punkt der politischen Entwicklung der Österreichischen Volkspartei, und ich ersuche Sie, das jenseits von Parteitaktik wirklich ernst zu nehmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollen ja nur Straßenkampf!) Wenn die Österreichische Volkspartei nicht in der Lage ist (Abg. Ing. Westenthaler: Joschka Pilz!), über einige verbale Distanzierungen hinaus (Abg. Großruck: Wir brauchen das nicht!) Konsequenzen daraus zu ziehen, dass Antisemitismus mit ein Kern des politischen Programmes und des Handelns von Regierungspolitikern der anderen Fraktion ist (Abg. Dr. Ofner: Ungeheuer! – Abg. Dr. Pumberger: Herr Präsident!), wenn Sie nicht verstehen, dass die einzige Konsequenz nur sein kann, zumindest den politischen Rücktritt derer zu verlangen, die für diese Vorkommnisse die Verantwortung tragen, dann übernehmen Sie diese Verantwortung mit!

Wir mussten heute diesen Entschließungsantrag stellen, weil uns die Menschen zu Recht fragen: Gibt es noch eine Mehrheit im österreichischen Nationalrat, die in der Lage ist, sich zu Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit unmissverständlich zu äußern? Ist das noch eine sichere Mehrheit? Steht die ÖVP noch auf der Seite derer, die den Menschen, die sich heute in Österreich bedrängt fühlen, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist der beste Satz!)

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Steht die ÖVP noch auf Seiten derer, die sich heute in Österreich, leider zu Recht, bedroht fühlen? (Abg. Mag. Schweitzer: Der war nicht krank, der ist noch krank!)

Das ist die Frage, auf die Sie mit Ihrem Abstimmungsverhalten bei diesem Entschließungsantrag eine Antwort geben müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Es liegen mir jetzt wieder Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vor. Stattdessen unterbreche ich kurz die Sitzung und bitte die vier Klubvorsitzenden zu mir.

(Die Sitzung wird um 16.18 Uhr unterbrochen und um 16.20 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir haben jetzt die Probleme, die sich in der letzten Stunde ergeben haben, kurz erörtert und die atmosphärische Situation besprochen. Wir haben alle gemeinsam eine Verantwortung gegenüber der österreichischen Öffentlichkeit. Bitte verstehen Sie das auch als Appell, eine noch so schwierige Debatte hart, aber in Grenzen zu führen!

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Tancsits. Ich erteile ihm das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.21

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! (Der Redner hat die linke Hand in der Hosentasche. – Abg. Dr. Mertel: Warum haben Sie die Hand in der Tasche?) In Anbetracht des Appells des Herrn Präsidenten möchte ich wieder zum Thema (Abg. Silhavy: Sie haben auch die Hand in der Tasche! – der Redner nimmt seine Hand aus der Hosentasche – Abg. Dr. Mertel: Wir haben es gesehen!), nämlich Sicherheit und Demokratie in Österreich, zurückkehren und auf dieses eingehen.

Wir haben vor etwa fünfeinhalb oder sechs Wochen eine ähnliche Diskussion hier abgeführt, vor allem über die Gefährdungen in Wien durch linksextreme Gewalt. Blauäugig wurde uns damals von einem Teil von Ihnen erklärt, dass wir das alles viel zu dramatisch sehen, dass die Bevölkerung zu Unrecht das Gefühl hat, dass in den U-Bahn-Stationen mit Drogen gedealt wird, dass sie zu Unrecht das Gefühl hat, dass sie benachteiligt wird, weil sie sich an Verwaltungsvorschriften halten muss, während andere Personen Demonstrationen nicht anmelden müssen.

Wir haben in den letzten Monaten und Wochen eben erlebt, dass eine andere Demonstrationskultur in Österreich Platz gegriffen hat. Das ist an sich nichts Schlechtes, und in anderen und älteren Demokratien hat das Tradition. Ich verstehe nur nicht, wenn man sich schon als Teil dieses politischen Spektrums versteht und eben nicht nur die verbale Auseinandersetzung hier im Plenum des Nationalrates, sondern auch die Auseinandersetzung auf der Straße sucht, warum man sich dann nicht dazu bekennt. Meine Damen und Herren! Diese Ehrlichkeit fordere ich vor allem von der linken Seite dieses Hauses ein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das sind – damit Sie mich nicht missverstehen – durchaus geregelte Auseinandersetzungen. Denken wir alleine an die vom ÖGB organisierten Demonstrationen, über die Kollege Edlinger erst unlängst wieder gesagt hat, dass dabei die Arbeiter und die Angestellten auf die Straße gehen! – Das ist aber nicht der Fall! Es sind Berufsschauspieler. Einen davon habe ich selbst im abgelaufenen Jahr einmal als demonstrierenden Hausbesorger, einmal als demonstrierenden Bauarbeiter und vor 14 Tagen als demonstrierenden Unfallrentner auftreten gesehen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass der betreffende Schauspieler für diese Tätigkeit eine zweite Lohnsteuerkarte hat, denn die Versteuerung von bezahlten Tätigkeiten ist ja im ÖGB bekanntlich nicht immer üblich. (Neuerliche Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Den Höhepunkt hat aber unzweifelhaft die so genannte Opernball-Demonstration am 22. Februar geliefert (Abg. Edlinger: Was macht er bei den Demonstrationen? – Abg. Mag. Kogler: Lohnsteuer kassieren!): Brennende Barrikaden, verletzte Polizisten, Herumziehen – nichts von Anmeldung! – quer durch die Stadt und den Verkehr lahm legen – das ist das Ziel!

Auf der einen Seite versteckt sich hinter der gemütlichen Maske des Fiakers jener Bürgermeister, der plakatiert, das sei die sicherste Stadt Europas. Aber auf der anderen Seite hat ein Teil der linken Opposition Interesse daran, dass den Medien des Auslands in Fernsehbildern ein Bild von brennenden Barrikaden und Auseinandersetzungen auf der Straße geliefert wird. (Abg. Edlinger: Das ist falsch! Ganz falsch, Herr Tancsits!) Ich finde, es ist heute an der Zeit, diese


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Doppelzüngigkeit, diese Doppelbilder hier aufzuzeigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Trotzdem – und ich habe durchaus Vertrauen zu ihr – hat die Exekutive auch an diesem 22. Februar die Sache im Griff gehabt. Unsere Polizei- und Gendarmeriebeamten, die Frauen und Männer der Sicherheitsexekutive, treten für unsere Sicherheit ein und sind bereit, ihren Kopf dafür hinzuhalten. Sie bezahlen das auch mit Verletzungen.

Ich unterstütze daher nicht nur den heute eingebrachten Entschließungsantrag für einen verbesserten Rechtsschutz der Exekutivbeamten, sondern wende mich abschließend mit einer Bitte an Sie, Frau Vizekanzler und Herr Innenminister – und bin sicher, bei Ihnen ein offenes Ohr zu finden –: Wir wissen, dass die Abschläge nach Dienstunfällen zwar nicht so, wie es Kollege Parnigoni dargestellt hat, eintreten, es herrscht aber Rechtsunsicherheit ab dem Jahr 2002.

Ich bitte Sie, diesbezüglich Klarheit zu schaffen, unsere Leute und unsere Exekutivbeamten zu beruhigen und diese Maßnahme der Freiheit von Abschlägen ins Dauerrecht zu übernehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Tancsits, ich nehme an, dass der Entschließungsantrag später eingebracht wird, denn er liegt noch nicht vor. (Abg. Mag. Tancsits bejaht.) – Okay.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

16.27

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Kollege Tancsits, ich kann Ihnen versichern: Wenn der Wiener Bürgermeister von einer sicheren Stadt spricht, dann kann man sagen, dass sie nach wie vor sicher ist! Ich mache mir nur auf Grund der rigorosen Sparmaßnahmen Sorgen, ob wir das auch weiterhin bleiben. Wir werden jedenfalls unseren Beitrag dazu leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Vizekanzlerin, Sie haben da in Ihrer Nichterklärung davon gesprochen, dass Gewalttäter die Sicherheit und Demokratie gefährden, und dabei auf die Donnerstag-Demonstrationen Bezug genommen. – Lassen Sie mich einfach einmal klarstellen: Diese Donnerstag-Demonstrationen sind keine Initiativen der SPÖ! Wir schicken niemanden auf die Straße!

Vielmehr muss man sich fragen, meine Damen und Herren: Warum gibt es diese Demonstrationen noch immer? Und: Haben sie ihre Berechtigung? (Abg. Murauer: ... nicht!) Wenn ich mir den radikalen Sparkurs in Erinnerung rufe, durch den die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer (Abg. Mag. Kukacka: ... schon gehört!), durch den jene, die wenig haben, in die Verarmung getrieben werden, dann kann ich Ihnen sagen, dass ich für friedliche Demonstrationen sehr wohl Verständnis habe.

Zu all dem, was heute über vermummte Gesellen gesagt worden ist, kann ich nur auf Folgendes hinweisen: Vielleicht kann uns Herr Schimanek hier weiterhelfen, denn er war am darauffolgenden Abend im Gefangenenhaus, wo er vermummte Gesellen mit einem Freund besucht hat – vielleicht können wir von ihm Namen erfahren. Aber es werden sicher keine Linken gewesen sein, die Herr Schimanek dort besucht hat.

Noch eine Klarstellung, meine Damen und Herren: Wir Sozialdemokraten lehnen Gewalt, in welcher Form auch immer und wo immer sie zutage tritt, auf das Entschiedenste ab! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn bei diesen Demonstrationen Polizisten oder Zivilisten verletzt werden oder Sachschaden in Millionenhöhe entsteht, dann wird das von uns abgelehnt, ebenso wie Gewalt in der Familie, Gewalt gegen Frauen und Kinder.


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Und wenn wir schon über Gewalt reden, meine Damen und Herren von der FPÖ – Frau Partik-Pablé ist im Moment nicht im Saal –, diskutieren wir doch auch über jene Gewalttätigkeiten in der Gesellschaft, die wirklich stattfinden, nämlich jene in den Familien! Reden wir über die reale Gewalt, die sich gegen Kinder und Frauen richtet, oder über die Gewalt einer unverantwortlichen Steuer- und Abgabenpolitik gegen die sozial Schwächeren, wodurch letztlich auch Frauen und Kinder schwerstens benachteiligt werden!

Was aber – da heute schon so viel vom Wiener Wahlkampf die Rede war – macht die FPÖ, meine Damen und Herren? – Die FPÖ macht sich Sorgen um die Tauben in Wien und verlangt die Errichtung von Taubenhäusern zur Verminderung der Taubenbestände! – Aber von Frauenhäusern etwa, wo Frauen und Kinder vor Gewalttätern geschützt werden, steht in Ihrem gesamten Wahlprogramm kein einziges Wort! Kein Wort über private Schusswaffen und deren Gefährlichkeit für die Sicherheit! Daran sieht man Ihre Prioritäten! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Frau Vizekanzlerin, was mir ganz große Sorgen bereitet, sind die rigorosen Einsparungspläne der Bundesregierung im Sicherheitsbereich, die sehr deutlich Ihre Handschrift, die Handschrift der Freiheitlichen Partei tragen. Sparen bei der Sicherheit ist ein Sparen am falschen Platz, denn die Budgetkürzungen gehen zu Lasten der Sicherheit. Die Sicherheit nimmt dadurch ab, und die Bürger fühlen sich daher nicht mehr sicher.

Sie von der FPÖ fordern – vor allem die Frau Partik-Pablé, die jetzt wieder im Wiener Wahlkampf unterwegs ist – mehr Polizei für Wien. Nur verschweigt Frau Partik-Pablé, dass mit ihrer Zustimmung ihr Finanzminister für die Jahre 2001 bis 2002 bei der Sicherheit insgesamt rund 2 000 Dienstposten einspart. Für Wien bedeutet das immerhin ein Minus von 300 Planstellen und eine dramatische Verschlechterung beim tatsächlichen Personalstand.

Diese Ihre Politik, meine Damen und Herren, gefährdet den Erfolgskurs der bisherigen Sicherheitspolitik. Wir brauchen uns unserer Vergangenheit nicht zu schämen, denn wir haben Österreich sicher und sozial gerechter gemacht. Wir haben eine Politik gemacht, die es ermöglichte, dass sich die Menschen in diesem Land, in dieser Stadt wohl und sicher fühlen und gerne hier leben. Aber nach elf Monaten ist die Stimmung eine andere. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher, meine Damen und Herren, möchte ich nun drei Entschließungsanträge einbringen.

Der erste Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni, Gaál, Leikam und GenossInnen betreffend zusätzlich 1 000 SicherheitsexekutivbeamtInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, durch welche in den nächsten vier Jahren 1 000 zusätzliche Planstellen für die Sicherheitsexekutive geschaffen werden, die insbesondere in den Bereichen Verkehrssicherheit, der Bekämpfung der Schlepperei, der Meldestelle für Kinderpornografie im Internet, der Umweltkriminalität und der Wirtschaftskriminalität sowie für die personelle Aufstockung der Polizeiwachzimmer und Gendarmerieposten Verwendung finden."

*****


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Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni, Gaál, Leikam und GenossInnen betreffend keine Kürzung der Budgetmittel für die innere Sicherheit

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, keine weiteren Kürzungen bei den für die innere Sicherheit vorgesehenen Budgetmitteln vorzunehmen und diese auf das Niveau des Budgets von 1999 anzuheben, um die hohe Qualität der Sicherheitsvorsorge in Österreich weiter zu gewährleisten."

*****

Ein weiterer wichtiger Entschließungsantrag, dem ein hoher Stellenwert zukommt – meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie stimmen diesem zu –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaál, Dr. Gusenbauer, Dr. Kostelka und GenossInnen

Betreff: Bewahrung der kulturellen und religiösen Vielfalt in Österreich – Gewalt mit Worten und die Verwendung von Antisemitismen gefährden die innere Sicherheit und Demokratie in Österreich

Die Bundesregierung möge mit der Israelitischen Kultusgemeinde umgehend in Verhandlungen treten, um Lösungen für die anstehenden Probleme (wie die finanzielle Absicherung der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich in Zukunft, die Tragung der finanziellen Aufwendungen für Sicherheitsmaßnahmen, die mit der Erhöhung des Gewaltpotentials gegenüber Angehörigen der Israelitischen Kultusgemeinde verbunden sind, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Nachkommen der Opfer des Nationalsozialismus, die zwischen 1938 und Mai 1945 emigrieren mussten, die Erhaltung der Mahnmäler als Gedenk- und Erfahrungsstätte für nachkommende Generationen und die Tragung der Kosten im Bereich der Friedhofserhaltung) zu finden und dem Nationalrat binnen sechs Wochen darüber zu berichten.

*****

Ich lade Sie ein, dazu mit uns gemeinsam ein Ja zu sagen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

16.33

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und vor allem: Lieber Toni Gaál! Du machst dir berechtigterweise Sorgen. Aber ich erlaube mir jetzt auch auszudrücken, was mir so alles Sorgen bereitet.


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Mir bereitet Sorgen, dass sich bei denen, die im letzten Jahr permanent zur Teilnahme an den diversen Demonstrationen aufgerufen haben, so viele Vorfeldorganisationen der Oppositionsparteien befinden, Vorfeldorganisationen, die eindeutig zuordenbar sind, wenn es um Aufrufe zu diesen Demonstrationen geht, bei denen es im Endeffekt sehr, sehr viel Gewalt und Zerstörung gegeben hat.

Ich nenne nur einige: Da wären beispielsweise die "Aktion kritischer Schüler" – der SPÖ zuzuordnen –, dann die Grünen selbst, die Grünen Frauen, GRAS, GrünAlternative Jugend Wien, Peter Kreisky als Vorsitzender der Beschäftigten-FSG in der AK, die Sozialistische Jugend, die SPÖ-Frauen, das "TATblatt" – das gehört nicht direkt dazu, aber da gibt es auch Verbindungen –, der VSStÖ, also durchwegs Vorfeldorganisationen der Sozialdemokratischen Partei, Vorfeldorganisationen der Grünen und die Grünen selbst.

Die Bilanz all dieser Demonstrationen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die auch durch Aufrufe dieser rot-grünen Vorfeldaktionen zustande gekommen sind, wurde heute schon einmal genannt. Und diese Bilanz ist erschreckend: 231 Demonstrationen hat es gegeben, 109 verletzte Polizisten, 60 Millionen Schilling an Kosten allein für Überstunden und Sachschaden in Höhe von vielen Millionen Schilling

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und da sagen grüne Aktivisten, mit diesen Demos solle die Konfliktkultur in Österreich angeregt werden. – Herr Professor Van der Bellen: Mit diesen Demonstrationen soll die Konfliktkultur in Österreich angeregt werden, liest man bei Ihnen auf der Homepage, wenn Sie sich da einmal vergewissern wollen.

Ich bin überzeugt davon, viele sozialdemokratische Politiker – nicht alle! – und viele grüne Politiker blicken – und ich will es, weil zur Sachlichkeit aufgerufen wurde, so ausdrücken – zumindest mit großem Wohlwollen auf diese Demonstrationen, Herr Professor. Einige sind ja, wie wir heute schon gehört haben, immer wieder aktiv dabei gewesen, wenn es um Widerstand gegen diese Bundesregierung ging. (Abg. Öllinger: Glaubst du das eigentlich, was du da sagst?)

Da fällt mir ein, Herr Professor Van der Bellen, dass Sie mir noch immer eine Antwort schuldig sind: Was wurde damals bei der Pressekonferenz, die Sie gemeinsam mit "Checkpoint Austria" in Ihrem Parlamentsklub abgehalten haben, tatsächlich getan? Wie ist Ihre Verbindung zu den Organisatoren von "Checkpoint Austria", deren Ziel es war, Österreich lahmzulegen, die Österreicherinnen und Österreicher daran zu hindern, ihrer Arbeit nachzugehen? Warum machen Sie mit denen gemeinsame Sache, Herr Professor Van der Bellen? Warum stellen Sie den Grünen Klub für eine gemeinsame Pressekonferenz zur Verfügung? Kommen Sie hier heraus und geben Sie darauf einmal eine Antwort! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vielleicht stimmt das alles nicht so, wie es sich für uns darstellt. Aber dann erklären Sie, welche gemeinsame Sache Sie mit diesen Österreich-Blockierern machen! Sie präsentieren ja auch auf Ihrer Homepage unter dem Titel: "best of widerstand" täglich Informationen von POPO.AT, von BLACKBOX.NET, von BALLHAUSPLATZ.AT. Das sind genau die, Herr Professor Van der Bellen, die auch immer wieder zu diesen gewalttätigen Demonstrationen aufrufen. Und die präsentieren Sie auf Ihrer Homepage!

Hier der Beweis dafür, Herr Professor: Die Grünen: POPO. AT, BLACKBOX.NET, BALLHAUSPLATZ.AT. – Das sind genau die Organisationen, die hinter diesen Demonstrationen stehen, wo dann auch die Kollegin Petrovic immer auftritt – egal, ob am 20. Oktober 2000 vor der Wiener Stadthalle, wo sie anderen das Zusammenkommen zu einer politischen Veranstaltung verbieten oder es zumindest verhindern wollte, oder zuletzt bei der Opernballdemonstration, wo sie dann versucht hat, sich als Opfer darzustellen.

Ich glaube, Frau Kollegin Petrovic, dass spätestens bei dieser Opernball-Demonstration auch bei Ihnen der Groschen gefallen ist und Sie gemerkt haben: Da haben wir gezündelt, und jetzt ist etwas entglitten, jetzt haben wir es nicht mehr in der Hand. Spätestens seit damals wissen Sie und wissen wir, dass die gewaltbereite Szene durch Ihre Agitation zu einer gefährlichen Bewegung geworden ist, zu einer extrem gefährlichen Bewegung, wie dies mein Klubobmann


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bereits anhand von Bildern dargestellt hat und wie auch ich das noch einmal anhand eines Bildes darstellen will. (Der Redner stellt ein Foto, auf dem brennende Container zu sehen sind, vor sich auf das Rednerpult.)

Da sind Sie dann auch etwas erschrocken. Aber, Frau Kollegin Petrovic: Nachher zu beteuern, dass das nicht so sein hätte sollen, und entrüstet darüber zu sein, dass es dort auch zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist, ist so etwas wie Kindesweglegung.

Keine Frage: Demonstrationen müssen möglich sein – egal, ob gegen einen Ball oder gegen die Bundesregierung. Aber wer sie lostritt, wer sie wohlwollend begleitet, Herr Professor, kann dann nicht seine Hände in Unschuld waschen, wenn Pflastersteine fliegen, kann seine Hände nicht in Unschuld waschen, wenn Polizisten verletzt werden. Sie werden auch für diese gewalttätigen Demonstrationen die Verantwortung übernehmen müssen, Herr Professor, Sie und Ihre Grünen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Lassen Sie mich abschließend noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Kiss, Jung, Tancsits und Kollegen betreffend "Gewalttäter gefährden die innere Sicherheit und Demokratie – Sicherheitsbeamte schützen Bürger und Rechtsstaat"

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport wird ersucht, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres die bestehenden Regelungen zur Absicherung der Sicherheitsbeamten und ihrer Hinterbliebenen zu verbessern.

Weiters wird die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie ersucht, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres umgehend alle erforderlichen Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch Konsum von Suchtgiften zu treffen.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Strasser. – Bitte.

16.40

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf drei Punkte zur Erklärung der Frau Vizekanzlerin ansprechen.

Zum Ersten gilt mein Dank dem Sicherheitsapparat und der zuständigen Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistungen für die Initiative, denn sie machte deutlich, dass die Bundesregierung das Schmerzensgeld sowie den Rechtsschutz für Exekutivbeamte und das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz verbessern wird. Das ist eine Initiative, die diese Regierung ergriffen hat und die auch ein Teil dessen ist, was neu regieren heißt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist einer der Punkte, die wir in unserer Arbeit für die Verbesserung der Bedingungen für unsere Beamtinnen und Beamten vorsehen und mit den Sozialpartnern, mit den Arbeitnehmervertretungen besprechen wollen. Ein anderer Punkt ist das in der Debatte schon angesprochene Exekutivdienstgesetz. Auch die Frage des § 13 Gehaltsgesetz und das in Ausarbeitung


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befindliche Lebensarbeitszeitmodell sollten Punkte sein, die wir in guter sozialpartnerschaftlicher Art und Weise miteinander besprechen sollten.

Zum Zweiten möchte ich gerne auf die aktuelle Diskussion zu den Themen Gewalt und Kriminalität eingehen. Es ist selbstverständlich, dass der Sicherheitsapparat für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zuständig ist, und diese Aufgaben hat die Exekutive auch bei den in Diskussion stehenden Opernball-Demonstrationen wahrgenommen: die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

Nach dieser Demonstration, nach diesen Ereignissen muss leider festgehalten werden: Es gab Prügelszenen, es gab gewalttätige Auseinandersetzungen, es gab Hunderte gewaltbereite Anarchos, die Pflastersteine und so genannte Krähenfüße auf die Polizei geworfen haben. Container haben gebrannt, Auslagenscheiben sind zertrümmert worden. 23 Beamte und Beamtinnen wurden an diesem Abend verletzt. Insgesamt waren es 84 Beamtinnen und Beamte, die im letzten Jahr im Zusammenhang mit den Donnerstag-Demonstrationen und ähnlichen Auseinandersetzungen verletzt worden sind. Über 100 Tage Krankenstand sind die Folge davon. Das hat Herr Klubobmann Van der Bellen in seinen Ausführungen leider nicht erwähnt.

Ganz klar sagen möchte ich: Wir haben insgesamt 17 Hinweise auf angebliche und zu überprüfende Übertretungen unserer sicherheitspolizeilichen Anordnungen erhalten. Es waren ganze zwei Anzeigen! Selbstverständlich wird jedem Hinweis auf ein nicht korrektes Verhalten unserer Beamtinnen und Beamten im Detail nachgegangen und das, so wie es vorgesehen ist, der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Untersuchung übermittelt.

Trotz dieser gewalttätigen Bilanz, trotz dieser zum Teil auch blutigen Auseinandersetzungen – die Fotos hier haben ja eine ganz klare Sprache gesprochen – werden wir keinen Millimeter von dem guten österreichischen Weg, vom Versuch einer Deeskalation bei allen Auseinandersetzungen, abweichen. Wir suchen die Zusammenarbeit mit friedliebenden Kundgebungsteilnehmern, die ihre Demonstrationen oder Kundgebungen entsprechend anmelden. Wir werden aber sehr klar weiter an unserem Weg festhalten: friedliche Kundgebungen ja, Blockaden nein! Das gilt für Gewalt – egal, ob sie von Links oder Rechts kommt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das heißt auch sehr klar: Wer österreichische Gesetze verletzt, wer Personen gefährdet, wer Sacheigentum zerstört, muss damit rechnen, dass konsequent eingeschritten wird. Dort liegt unsere Aufgabe. Es ist unsere Aufgabe, den Rechtsstaat, den wir wollen, zu verteidigen – auch zu verteidigen gegenüber jenen, die gerade diesen Rechtsstaat eben nicht wollen.

Das ist die Aufgabe der österreichischen Sicherheitsexekutive, und daher sage ich auch sehr klar: Die Räumung einer Kundgebung dieser Art ist noch nie ein "Spaziergang" gewesen, schon gar nicht, wenn gewaltbereite und bewaffnete Mitglieder dieser Szene das Ziel dieser Räumung sind.

Zum Dritten lassen Sie mich auch bezüglich der Personalentwicklung im Sicherheitsapparat etwas klarstellen. Ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich Veröffentlichungen, die ich in den letzten Tagen, unter anderem auch vom Herrn Klubobmann Kostelka, gelesen habe, entgegentreten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es hat in den letzten fünf Jahren noch nie so viele Beamtinnen und Beamte im Außendienst gegeben, die Arbeit für die Sicherheit der Bevölkerung gemacht haben, wie das eben im Jahre 2000 der Fall war. Das ist Beschäftigungsrekord, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir gehen bei diesem Bemühen um die Sicherheit der Bevölkerung sehr bewusst von zwei Zielen aus. Das erste Ziel ist: Wir sparen in den mittleren und höheren Führungsetagen, damit wir die Wachzimmer und Gendarmerieposten ordentlich ausstatten können. Und wir führen eine Strukturreform durch, damit die Verwaltungsabläufe effizienter gestaltet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Das heißt für uns sehr klar: Wir sparen in der Verwaltung, damit wir in die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger, in die Sicherheit der Republik investieren können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Stoisits. – Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

16.47

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzte Woche gab es im Innenausschuss des Parlaments ein Novum in diesem Hause: Nicht wie sonst alljährlich üblich wird heuer der Bericht über die innere Sicherheit in Österreich im Plenum des Nationalrates, das heißt öffentlich, diskutiert, sondern zufällig heuer erstmals – und jetzt eine Anmerkung: 25. März Wiener Wahlen – wurde der Bericht zur Lage über die Sicherheit in Österreich – das ist so ein umfassender Bericht, meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen Sie sich das an (die Rednerin hält einen umfangreichen Bericht in die Höhe)  – im Innenausschuss enderledigt, wie das technisch so schön heißt, selbstverständlich unter Zustimmung von Herrn Bundesminister Dr. Strasser.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Parallel dazu, zeitgleich, haben die Regierungsfraktionen die heutige Sondersitzung beantragt, weil ihnen doch die innere Sicherheit in Österreich so wichtig ist, weil doch Gewalttäter die innere Sicherheit und Demokratie gefährden und Sicherheitsbeamte Bürger und Rechtsstaat schützen. – Wahrlich, sie tun es, die Sicherheitsbeamten!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehen Sie diesen Widerspruch? Wenn es darum geht, was der Herr Bundesminister für Inneres uns über die innere Sicherheit vorlegt, wollen ÖVP und Freiheitliche das still und heimlich, im wahrsten Sinne des Wortes unter Ausschluss der Öffentlichkeit, im Ausschuss diskutieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus diesem umfassenden Bericht geht nämlich hervor, dass Gewaltverbrechen in Österreich im Jahre 1999 und, wie wir inzwischen wissen, auch in den folgenden Jahren keineswegs zugenommen haben, dass Österreich ein sicheres Land ist, dass man sich in einer Stadt wie Wien, in einer Großstadt, einer Millionenstadt wie Wien so sicher fühlt wie in keiner anderen Stadt auf dieser Welt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das sind die Zahlen, die hier drinnen stehen, aber über diese Zahlen, meine Damen und Herren, will Blau-Schwarz nicht reden, weil diese Zahlen nämlich zu gut sind. Mit diesen Zahlen wird der inneren Sicherheit Österreichs und damit auch den Exekutivkräften Ihrer Ansicht nach ein zu gutes Zeugnis ausgestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die innere Sicherheit unseres Landes wird – und das ist eine Wahrnehmung, die ich mit Tausenden Menschen teile – in erster Linie dadurch gefährdet, dass Diskriminierung, Intoleranz, Verhetzung, Rassismus und insbesondere Antisemitismus in diesem Land salon- und hoffähig geworden sind, seit die blau-schwarze Regierung an der Macht ist und Lust an der Macht hat, wie wir heute vielfach gehört haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die tätlichen Angriffe, die es auf Bürgerinnen und Bürger gibt und die rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Hintergrund haben, sind in diesem Bericht dokumentiert, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie treffen – das sind Entwicklungen, die in der Geschichte der Zweiten Republik neu sind – Menschen anderer Glaubensrichtungen, sie treffen, sagen wir, Nicht-Römisch-Katholische, das ist die Hauptreligion in unserem Land, und es sind besonders jüdische Bürgerinnen und Bürger Österreichs davon betroffen. Darum ist uns von der grünen Fraktion, von der grünen Partei die Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde angesichts der Gefährdung jüdischer MitbürgerInnen und der inneren Sicherheit sowie der Demokratie durch antisemitische Äußerungen ein besonderes Anliegen. (Abg. Großruck: In welchem Land leben Sie?) Wir haben deshalb für diese heutige Sitzung einen Entschließungsantrag formuliert (Abg. Großruck: Von welchem Land sprechen Sie?), um dieser Sorge, die durch diese Gefähr


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dung täglich weitergetragen wird und die in den Herzen der Menschen groß ist (Abg. Großruck: Von welchem Land sprechen Sie?), auch Ausdruck zu verleihen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher bringe ich jetzt diesen Antrag, bei dem es in erster Linie um die Gegenwart und um die Zukunft der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich geht, zur Verlesung:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und FreundInnen betreffend die Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde angesichts der Gefährdung jüdischer MitbürgerInnen und der inneren Sicherheit sowie der Demokratie durch antisemitische Äußerungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"1. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen werden ersucht, im Bewusstsein um die Verantwortung für den Fortbestand der kulturellen und religiösen Vielfalt in Österreich der Israelitischen Kultusgemeinde jene Unterstützung zukommen zu lassen, die zur Bewältigung der finanziellen Krise ohne Einschränkung des religiösen, kulturellen und sozialen Lebens der Gemeinde notwendig ist."

*****

Das ist der erste Punkt unserer Entschließung.

Es geht um das Überleben der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich. Es geht darum, dass es historische Versäumnisse gibt, die das Überleben und den Fortbestand der Gemeinde gefährden, und deshalb ist jetzt Handeln angesagt.

Der zweite Teil unseres Entschließungsantrags, meine sehr geehrten Damen und Herren, betrifft den physischen Fortbestand der Gemeinde, also die Größe der Gemeinde. Wir sind voller Sorge, dass jüdisches Leben in Österreich sukzessive zurückgeht, weil die Gemeinde aus eigener Kraft nicht imstande ist, das wieder herzustellen, was zwischen 1938 und 1945, also in der Zeit, als industrielle Massenvernichtung von Menschen auf der Tagesordnung stand, passiert ist. Es geht auch um das Leid, um die Versäumnisse, die auch nach 1945 zugefügt wurden. Die Gemeinde wurde nicht wieder aufgebaut und bekam auch nicht die entsprechende Unterstützung für den Wiederaufbau. Daher ist jetzt – es ist noch nicht zu spät" – Handeln am Platz.

Daher lautet der zweite Teil unseres Entschließungsantrages:

"2. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Inneres werden ersucht, im Bewusstsein um die Verantwortung für den Fortbestand der kulturellen und religiösen Vielfalt in Österreich sowie um die historischen Ursachen der geringen Zahl von Menschen jüdischen Glaubens in Österreich eine Möglichkeit zur zusätzlichen Einwanderung zu schaffen, sodass der Fortbestand und die selbständige Weiterentwicklung des religiösen, kulturellen und sozialen Lebens der Kultusgemeinde auf Dauer gesichert ist."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind die Fragen, bei denen es um das Überleben der Israelitischen Kultusgemeinde geht. Es gab da Versäumnisse in der Vergangenheit, die nicht wieder gutzumachen sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was passiert ist, ist passiert, aber für die Zukunft tragen jene Verantwortung, die heute an der Macht sind und die diese so lustvoll ausüben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Rufe bei den Freiheitlichen: Redezeit!) Diese Bundesregierung (Abg. Mag. Schweitzer: Da ist keine Uhr eingestellt! Das gibt es nicht!) trägt Verantwortung für den Fortbestand der Israelitischen Kultusgemeinde.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Frau Abgeordnete, bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Die Uhr, Herr Präsident, hat nicht geleuchtet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich habe irrtümlich die Uhr nicht korrekt gestellt, weil ich nicht gesehen habe, dass Ihre Fraktion nur mehr 5 Minuten hat. Daher bitte ich Sie jetzt um den Schlusssatz.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Sehr gerne, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie um die Zustimmung zu diesem Entschließungsantrag, damit nicht das weiter geschieht, was in den letzten Tagen passiert ist. Antisemitismus trägt einen Namen in Österreich: Er heißt Jörg Haider! Aber das Parlament hat Verantwortung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: 3 Minuten hat sie länger geredet! Das ist unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

16.55

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollten heute eigentlich über Gewalt auf der Straße, über den Schutz der Bürger und über den Schutz der Exekutive vor gewalttätigen Chaoten diskutieren. Das wollten wir. Einige haben unter großzügigster Ausdehnung der Geschäftsordnung – ich glaube: unzulässigerweise – diese Debatte zu einer Debatte über Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz umfunktionieren wollen. Dieses Spiel haben unsere Fraktionen nicht mitgespielt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch die Österreicherinnen und Österreicher, die dieser heutigen Diskussion seit zwei Stunden folgen, müssen den Eindruck haben, in diesem Land gibt es nur mehr dieses Thema, und in diesem Land ist es notwendig, dass solche Entschließungen gefasst werden, wie sie gerade eingebracht wurden.

Um dem entgegenzutreten, bringe ich namens der Regierungsfraktionen der ÖVP und der Freiheitlichen den Antrag der Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler ein, in dem wir klarlegen, was diese Regierung seit einem Jahr getan hat, um gegen Rassismus und Intoleranz aufzutreten, um altes Unrecht zu tilgen, um Zwangsarbeiter, Sklavenarbeiter zu entschädigen, um nicht aufgearbeitete Überreste des Unrechtsstaates des Nationalsozialismus in Österreich zu beseitigen; in dem wir aufzählen, was wir tun, um die Präambel unserer Regierungserklärung umzusetzen, wonach wir für Toleranz, Verständnis für alle Menschen und gegen jede mögliche Form von Diskriminierung, Verhetzung und Intoleranz auftreten.

Ich lese vor, was der operationelle Teil dieses Entschließungsantrages ist:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Kollegen betreffend Eintreten der Bundesregierung für den Schutz der Menschenrechte, der Stärkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Nationalrat begrüßt das Eintreten der Bundesregierung für den Schutz der Menschenrechte, die Stärkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; ihr Eintreten für eine verantwortliche Auseinandersetzung mit Österreichs Geschichte und die rasche Vorbereitung von Maßnahmen zugunsten von Opfern des Nationalsozialismus, und unterstützt die Bundesregierung in ihrem Eintreten gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus.


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Der Nationalrat bekennt sich zum Bestand aller in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften, insbesondere auch der Israelitischen Kultusgemeinde, und garantiert die Freiheit der Religionsausübung. Darüber hinaus unterstützt der Nationalrat ausdrücklich die im Notenwechsel zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten zur Regelung von Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus und der Rückgabe von arisiertem unbeweglichen Vermögens vereinbarten Maßnahmen und ersucht die Bundesregierung, die ehestmögliche Inkraftsetzung des Entschädigungsfonds mit allen geeigneten Mitteln anzustreben und gemeinsam mit allen Partnern mögliche Verzögerungen hintanzuhalten und die rasche Durchführung der Maßnahmen dieser Fonds sicherzustellen."

*****

Das ist unser Antrag, meine Damen und Herren, womit wir allen Verdächtigungen entgegentreten wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich halte es für unerträglich, dass hier im Hohen Hause, ohne dass vom Präsidium her die Möglichkeit besteht, dies abzustellen, ungestraft pauschal von einem ehemaligen Mitglied der Bundesregierung eine ganze Fraktion des Rassismus und des Antisemitismus geziehen werden kann! Ich weise das am Ende dieser Debatte mit Deutlichkeit und Entschiedenheit zurück! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eines möchte ich auch noch sagen: Was zählt, meine Damen und Herren, sind nicht die Worte, sondern die Taten! Wir können sagen: Wir haben mehr getan als viele Regierungen vor uns, um altes Unrecht wieder gutzumachen – sofern man wieder gutmachen kann – und um alte Wunden zu schließen. Wer diese Wunden aufreißt, muss die Folgen selbst tragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger  – eine Karikatur in die Höhe haltend –: So sieht das der Karikaturist im "Kurier"!)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem zuletzt eingebrachten Entschließungsantrag liegen uns jetzt insgesamt acht Entschließungsanträge vor.

Laut § 55 der Geschäftsordnung ist es so, dass zu entscheiden ist, ob ein inhaltlicher Zusammenhang von einem Entschließungsantrag zum Verhandlungsgegenstand gegeben ist. Das ist oft schwer genug und hat uns oft schon Schwierigkeiten gemacht, wenn der Verhandlungsgegenstand ein Gesetz ist. Aber immerhin hat ein Gesetz vom ersten bis zum letzten Wort einen klar umrissenen Inhalt.

Den inhaltlichen Zusammenhang festzustellen, ist noch viel schwerer, wenn der Verhandlungsgegenstand eine Erklärung ist. Ich habe der Rede der Frau Vizekanzlerin auch unter diesem Gesichtspunkt sehr sorgfältig zugehört, um festzustellen, ob man den inhaltlichen Zusammenhang bei allen oder bei einem Teil oder bei gar keinem Entschließungsantrag feststellen kann.

Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass der inhaltliche Zusammenhang bei fünf Anträgen völlig eindeutig ist. Das ist der Antrag Dr. Gusenbauer gegen Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz zum Schutz der Bürger und des Rechtsstaates. Das ist der Fall beim Antrag Van der Bellen betreffend die innere Sicherheit in Österreich, insbesondere die Sicherheit von Menschen jüdischen Glaubens, und die Gefährdung der Demokratie durch antisemitische Äußerungen. Das ist der Fall beim Antrag Parnigoni, Gaál, Leikam und GenossInnen betreffend zusätzlich 1 000 SicherheitsexekutivbeamtInnen. Das ist der Fall beim Antrag Parnigoni, Gaál, Leikam und GenossInnen betreffend keine Kürzung der Budgetmittel für die innere Sicherheit. Das ist auch der Fall beim Antrag Gaál, Gusenbauer und Kostelka und GenossInnen betreffend "Bewahrung der kulturellen und religiösen Vielfalt in Österreich – Gewalt mit Worten und die Verwendung von Antisemitismen gefährden die innere Sicherheit und Demokratie in Österreich". Das ist auch der Fall beim Antrag der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Kiss, Jung und Tancsits betreffend "Gewalttäter gefährden die innere Sicherheit und Demokratie – Sicherheitsbeamte schützen Bürger und Rechtsstaat".


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Bei drei Anträgen hätte man zweifeln können, weil das Schwergewicht des Antrages auf der finanziellen Absicherung der Kultusgemeinde, natürlich im Zusammenhang mit einem bedrohten oder angeblich oder vermutlich bedrohten Teil der österreichischen Bevölkerung, liegt. Da aber diese Anträge, hinter denen man ein Fragezeichen nach § 55 machen könnte, teilweise von der Regierung, teilweise von der Opposition stammen, werde ich alle Anträge zur Abstimmung bringen. Das Hohe Haus hat dann erstens die letzte Entscheidung darüber, ob es akzeptiert wird oder nicht, und wir haben uns zweitens vorgenommen, dass wir darüber sprechen, ob es in Hinkunft eine Kriterium gibt, dass wir diese Bestimmung enger anwenden, als wir das in den letzten Monaten getan haben.

Daher stehen nunmehr alle acht Anträge, die bisher eingebracht wurden, zur Verhandlung.

Es liegt mir noch eine Wortmeldung von Herrn Klubobmann Dr. Kostelka vor. Herr Abgeordneter, die restliche Redezeit ist 3 Minuten. – Bitte.

17.02


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Abgeordneter Dr. Peter Kostelka
(SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Khol, Sie haben im Zuge Ihrer Rede gesagt: Wir, die ÖVP, spielen dieses Spiel nicht mit! – Sie haben mit diesen Worten die Diskussion über die Frage gemeint, ob in Österreich antisemitische Äußerungen in der Politik als Instrument zulässig sind oder nicht. (Abg. Dr. Khol: Das Umfunktionieren habe ich gemeint!)

In diesem Zusammenhang ist gerade Ihr Verhalten, Ihre mangelnde Bereitschaft, klar und deutlich die Position der ÖVP zu sagen, unser Problem. (Abg. Dr. Khol: Völlig klar habe ich das gesagt!) Sie genießen, wie Kollege Edlinger gesagt hat, die Macht und schweigen. – Das ist unser Problem! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Kollege Khol! Sie haben auch die Politik im Zusammenhang mit den Entschädigungsleistungen, mit dem Versöhnungsfonds missverstanden. Das ist kein Freikauf, Herr Kollege Khol, sondern das ist eine Handlung, die wir in Österreich unseretwegen setzen! Glauben Sie nicht, dass Sie auf diese Art und Weise einen Bonus erhalten können, um genüsslich die Macht zu genießen und schweigen zu können (Abg. Großruck: "Genießen"?!), wenn Antisemitismus in Österreich langsam wieder als Stilelement der Politik eingeführt wird! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das ist kein leerer Vorwurf, Herr Kollege Khol, sondern das ist eine Tatsache: Sie haben zu Haider nicht nur im Zusammenhang mit dem Präsidenten der Kultusgemeinde, im Zusammenhang mit Experten aus den Vereinigten Staaten geschwiegen, sondern auch im Zusammenhang mit Schumann und Amhof. Der Herr Bundeskanzler hat acht Tage gebraucht, um dann zur Stilfrage, welche Witzchen zulässig sind oder nicht, ein paar sehr verhaltene Worte zu finden.

Das ist Ihre Mitschuld! In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, sage ich Ihnen: Wer schweigt – so hat Herr Kollege Edlinger gesagt –, stimmt zu! In diesem Zusammenhang wird die ÖVP, so hat Edlinger gemeint – ich wiederhole es –, zum Mittäter des neuen Antisemitismus, indem Sie schweigen. Ich wiederhole das und unterstreiche es! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Unerhört! – Abg. Miedl: Das lassen wir uns nicht gefallen!)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es wurde auch ein Antrag im Zusammenhang mit der Absicherung von Sicherheitsbeamten und ihren Hinterbliebenen sowie betreffend Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit Drogen eingebracht. (Abg. Ing. Westenthaler: Redezeit, Herr Präsident! – Rufe bei den Freiheitlichen: Redezeit!) Wir werden nicht – das steht auch nicht zur Frage ...


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60. Sitzung / Seite 98

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Abgeordneter, bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (fortsetzend): Das ist mein Schlusssatz, Herr Präsident!

Wir werden der Begründung nicht zustimmen, sehr wohl aber dem Inhalt. Eines ist auch noch bemerkenswert: Mehr ist Ihnen zu dieser Debatte heute nicht eingefallen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Die restliche Redezeit Ihrer Fraktion beträgt 3 Minuten. – Bitte.

17.06

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich erlaube mir, einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol betreffend Verurteilung von Rassismus und Antisemitismus einzubringen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich bin gespannt, ob ihr da auch mitstimmt!)

Ich darf auszugsweise aus der Einleitung dieses Entschließungsantrages zitieren – meine Damen und Herren von der Linken hergehört! –:

"Der Vorsitzende des SPÖ-Pensionistenverbandes Karl Blecha wird im ‚Format‘ 2/2001 unter der Überschrift ‚Blechas neue Intifada‘ wie folgt zitiert:

,Die Zionisten, die in ganz Palästina einen exklusiven Judenstaat errichten wollen, sind durch ihre Reaktion entlarvt worden als das, was sie sind, nämlich als Rassisten, und ihr Staat wurde zum Muster eines Unrechtsstaates der Rassendiskriminierung.‘" – (Abg. Ing. Westenthaler: Ein unglaublicher Skandal! – Abg. Dr. Khol: Blecha! Blecha!)

Weiter heißt es: "... daß ,Wortbrüche eine zionistische Tradition‘ haben." – Originalton Karl Blecha. Der Rücktritt Blechas ist die einzige Antwort auf diese Ungeheuerlichkeit, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher sollten Sie vor der eigenen Tür kehren, Herr Kostelka, bevor Sie unqualifizierte Anschüttungen gegen die Regierungsparteien von diesem Rednerpult aus in den Saal schleudern.

Ich hoffe, dass Sie heute mitstimmen werden. Wenn nicht, dann werden wir und die Öffentlichkeit uns unseren Reim darauf machen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol und Kollegen betreffend Verurteilung von Rassismus und Antisemitismus

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat bekennt sich zu einem Österreich, in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden dürfen. Er verurteilt daher Aussagen, wie sie im "Format" 2/2001 wiedergegeben wurden, in denen der Staat Israel pauschal als "Muster eines Unrechtsstaates der Rassendiskriminierung" bezeichnet und behauptet wird, dass "Wortbrüche eine zionistische Tradition" haben, als menschenverachtend und antisemitisch, und ersucht die Bundesregierung, diesen Aussagen in gleicher Weise entgegenzutreten.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt heißt es: schnell denken!)

Meine Damen und Herren! Dazu gäbe es noch vieles zu sagen, aber ich werde wahrscheinlich nicht das Privileg haben, 3 Minuten überziehen zu dürfen, wie es die Rednerin der Grünen – dank der Nonchalance des Herrn Präsidenten Fischer – gehabt hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich verbitte mir Kritik (Abg. Haigermoser: Was verbitten Sie sich, Herr Präsident?) an der Vorsitzführung in dieser Art! Ich habe den Grund dargelegt, warum mir das passiert ist. Das ist keine "nonchalante" Vorsitzführung. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben drei Minuten weiterreden lassen!)

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): "Nonchalant" ist, so glaube ich, eine ganz normale Erklärung und im Sprachgebrauch keine Gemeinheit! (Abg. Ing. Westenthaler: Frau Stoisits hat drei Minuten weitergeredet! – Gegenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Meine Damen und Herren! Nun komme ich zu den Grünen: Frau Stoisits hat heute mit Kreidestimme verkündet, dass man sich für die Minderheiten und für die freie Religionsausübung einsetze. Da gibt es einen Antrag der Grünen, Frau Stoisits, im Justizausschuss, der am 16. November 2000 diskutiert wurde, in dem Sie die Abschaffung des Schutzes der Religionsgemeinschaften verlangen, und zwar dergestalt, dass Sie sagen: Der Staat hat sich nicht zum Hüter der Lehren der in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften aufzuspielen.

Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns zum Schutz der christlichen, aber auch der mosaischen und aller anderen Religionsgemeinschaften, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie sind auch damit ein weiteres Mal entlarvt, dass es nur um Lippenbekenntnisse geht, wenn es darum geht, die Freiheit der Religionsausübung auch in diesem Lande sicherzustellen.

Sie setzen dem Ganzen noch ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): Ich komme schon zum Schlusssatz. Sie setzen dem Ganzen auch noch eines drauf, und zwar wollen Sie auch abschaffen, dass die Symbole des Staates geschützt sind. Das ist ein weiterer Beweis dafür, was Sie gemeinsam mit Peter Pilz, Joschka Fischer und wie sie alle heißen wollen, nämlich die Gewalt und die Anarchie. – Dem entgegen steht diese Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt heißt es: schnell denken, Herr Kollege Van der Bellen!)

17.10

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem Kollege Edlinger! Ich bin tief betroffen, Herr Kollege Edlinger, über Ihren pauschalen Vorwurf des Antisemitismus, und ich werde Ihnen auch sagen, weshalb. (Abg. Silhavy: " Kleine Zeitung!") Mein Vater ist mit einem Fuß aus dem Krieg heimgekommen. Als Kind habe ich mir immer gewünscht, mein Vater hätte zwei Füße. Mir hat mein Vater erklärt, was das Unrechtsregime von damals anzurichten in der Lage war. Ich habe mir geschworen, bei solchen Dingen nie mitzutun. Von Ihnen lasse ich mir den Vorwurf des Antisemitismus nicht gefallen, Herr Kollege Edlinger! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Herr Kollege Kostelka! Politische Kalküle können aufgehen. Ihr politisches Kalkül ist in Wirklichkeit nicht, dem Antisemitismus entgegenzutreten, sondern Sie wollen ein billiges politisches Geschäft machen! Und das hasse ich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Pilz! Sie haben auch mit Schalmeientönen von hier aus gesprochen. Wissen Sie, von wann an Sie für mich glaubwürdig sind, Herr Kollege? – Von dem Zeitpunkt an, zu dem Sie sich von solchen Aussagen ganz klar distanzieren können, ich meine damit auch Herrn Ex-Minister Einem, vom "TATblatt", das bei Gott keine gewaltfreie Sprache zu sprechen in der Lage


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60. Sitzung / Seite 99

ist. (Abg. Edlinger: Distanzieren Sie sich von den Äußerungen von Haider, dann reden wir weiter!)

Haben Sie sich, Herr Kollege Öllinger, dessen Aufrufe im Internet angesehen? – Da wird zur Ausübung von Gewalt aufgefordert. Da werden Anleitungen gegeben, wie man Autos und PKWs von Polizisten anzündet. (Abg. Silhavy: Was sagen Sie zu Haider, Herr Kollege Miedl?) Das ist nicht die Gewaltfreiheit, die wir meinen, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Van der Bellen! Ich habe es das letzte Mal schon gesagt: Wissen Sie, wann Sie für mich glaubwürdig sind? – Dann, wenn Sie sich endgültig und ein für alle Mal von einem Außenminister Fischer distanzieren, der auf Polizisten, die auf dem Boden lagen, eingetreten hat, meine Damen und Herren! Das ist nicht die Gewaltfreiheit der Grünen, und Sie sind auch nicht glaubwürdig für mich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

"Die ÖVP schweigt und genießt die Macht." – Herr Edlinger, das war Ihr Vorwurf. (Abg. Dr. Mertel: Wann distanzieren Sie sich von Haider? Wann distanzieren Sie sich von Haider?)  – Ich komme auch zu Ihnen, Frau Kollegin, haben Sie keine Sorge! (Abg. Dr. Mertel: Schön! Der "Intellekt" blüht heute wieder!) Jetzt möchte ich aber Folgendes sagen: Wir hatten im Jahre 2000 70 Drogentote in Wien. Über 200 Kilogramm Heroin hat die Polizei heuer schon sichergestellt, Frau Kollegin. Für mich ist das nicht zum Lachen, wenn es darum geht, über die Wiener Jugend und deren Zukunft zu reden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bei einem bedauerlichen und tragischen Unfall sind vor kurzem zwei Polizisten ums Leben gekommen, Frau Kollegin (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel )  – verursacht von einem Lenker, der unter Drogeneinfluss stand. Frau Kollegin! Ich orte österreichweit eine Zunahme beim Drogenkonsum, wie wir sie in Österreich noch nie hatten. Österreichs Jugend rennt immer mehr illegalen Drogen nach und konsumiert sie leider auch.

Ich habe vor kurzem eine Diskussion – ich habe das schon im Justizausschuss erwähnt – mit Jugendlichen in einer Grazer Schule durchgeführt. Da meldete sich eine junge Dame zu Wort und sagte: Herr Abgeordneter! So dramatisch kann es mit den Drogen ja gar nicht sein, denn soweit ich weiß, hat die Wiener Gesundheitsstadträtin und Ärztin doch gesagt, dass man Drogen wie Cannabis und Haschisch eigentlich konsumieren könnte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka. )

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kostelka! Wir wissen ganz genau, dass das die Einstiegsdrogen sind, dass genau dort der Anfang vom Unheil beginnt. Wenn prominente Vertreter der SPÖ indirekt zum Drogenkonsum auffordern, dann ist das keine Absage von der Politik, die wir meinen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Einen Satz zum Haider! Distanzieren Sie sich einmal! Das wäre gescheiter!)  – Ich würde mir wünschen, dass sich die Gewerkschaft auch ein bisschen um die Drogenpolitik kümmert, das ist nämlich eine andere als jene, die wir meinen. (Abg. Dr. Mertel: Distanzieren Sie sich von Haider!)

Als ich vor kurzem einen Kollegen von der Drogenpolizei besucht habe, habe ich am Gang einen ganz jungen Menschen getroffen, der noch keine 14 Jahre alt war, er war noch nicht einmal im Stimmbruch. Seine Unterarme waren von Heroininjektionen zerstochen.

Meine Damen und Herren! Wer solche Dinge erlebt, kann einer Aufforderung zum Drogenkonsum nicht unwidersprochen zusehen. Das ist Gewaltausübung auf eine andere Art und Weise, da tragen wir alle Verantwortung (Zwischenruf des Abg. Schwemlein ): die SPÖ, die Grünen, die ÖVP und die FPÖ. Meine Damen und Herren, die Politik, die Sie vertreten, die Sie in Wien praktizieren, ist unmöglich die unsrige! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Haigermoser eingebracht hat, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


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Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Abgeordnetem Dr. Puttinger. Herr Abgeordneter, Ihr Klub hat eine restliche Redezeit von 4 Minuten. – Bitte.

17.16

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Aussage des Herrn Kollegen Kostelka kann ich eigentlich nur als ungeheuren Vorwurf mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Er hat sich demaskiert, und er hat heute in der Debatte gezeigt, welcher Gesinnung eine ganze Gemeinschaft ist, wenn man die Worte der Gewalt so in den Mund nimmt wie in dieser letzten Beschuldigung von ganzen Fraktionen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Kostelka hat sich demaskiert, meine sehr verehrten Damen und Herren, da er Pauschalverurteilungen abgab in eine Richtung, die der Vergangenheit angehört und die es längst nicht mehr geben sollte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Kostelka, zu sagen, Mittäter eines neuen Antisemitismus zu sein, finde ich das Schlimmste! Und das zu wiederholen, wenn es Herr Edlinger vorher gesagt hat, finde ich überhaupt unzumutbar für jeden Österreicher, der ein gerechter und objektiver Mensch in diesem Staat sein will. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Da seid ihr selbst schuld! Selbst schuld!)

Frau Kollegin Stoisits! Ich freue mich, dass Sie aus dem Bericht des Innenministers ersehen, dass die Sicherheitskräfte gut arbeiten, aber eines vermisse ich bei Ihnen total, nämlich dass Sie sich einmal für das bedanken, was diese Sicherheitskräfte bei Demonstrationen leisten. Was machen Sie ? – Schauen Sie einmal ganz kurz ins Internet! Was finden Sie im Internet? – Sie finden im Internet folgende Aufforderung: Kommt zu uns! Rechtshilfe wird durch uns gemacht! Unter www.gruene.at bekommen alle Rechtshilfeformulare, die sich an Demonstrationen beteiligt haben. – Danke vielmals – wenn das die ordnungsgemäße Behandlung unserer aktiven Sicherheitskräfte ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider ist festzustellen, dass sich die linken Demonstranten zu einer gewalttätigen Szene entwickelt haben. Damit richten diese Demonstranten nicht nur in Österreich Schaden an, sondern auch besonders im Ausland.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass Spitzenpolitiker bei Demonstrationen dabei sind und sich positiv über Blockaden äußern! Es kann nicht sein, dass Frau Kollegin Petrovic von den Grünen den Opernballdemonstranten ihre Sympathie ausspricht, wenn sogar Polizei-Vizepräsident Marek diese Nacht nicht gerade als Kriegserklärung, aber als Affront gegen den Rechtsstaat sieht! Es kann nicht so sein, dass mehr als 50 Millionen Schilling im Jahr für 230 Demonstrationen hinausgeschmissen werden, die letzten Endes nur der Zerstörung des österreichischen Staates dienen!

Ich glaube, es kann nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass einfach Beschädigungen am Parlament, an der Pallas Athene stattfinden! Es kann nicht sein, dass die rot-weiß-rote Fahne heruntergerissen wird und man den weißen Mittelstreifen herausreißen will! Das erinnert an den 12. November 1918, als bei der Ausrufung der Republik die Rotgardisten ebenfalls das weiße Mittelstück der rot-weiß-roten Fahne herausgerissen haben und die roten Überreste zusammengeknüpft und gehisst haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können dies nicht dulden! Das ist nicht jene Politik, die wir von der ÖVP haben wollen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Abschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich uns bei der Exekutive bedanken, die immer besonnen gehandelt und damit die Eskalation der Gewalt verhindert hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist der Exekutive zu verdanken, dass wir im Plenum alle Sitzungen so durchführen konnten.


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60. Sitzung / Seite 101

Unser Weg lautet: Ja zu friedlichen, ordnungsgemäß angezeigten Versammlungen, aber ein Nein zu jeder gewaltsamen Demonstration oder zu einer gewaltsamen Straßenblockade! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Daher schließe ich die Debatte, und wir gelangen zu den Abstimmungen .

Wir stimmen als erstes ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen gegen Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz zum Schutz der Bürger und des Rechtsstaates.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Van der Bellen betreffend die innere Sicherheit in Österreich, insbesondere die Sicherheit von Menschen jüdischen Glaubens, und die Gefährdung der Demokratie durch antisemitische Äußerungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Van der Bellen zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Als Nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Parnigoni betreffend "zusätzlich 1 000 SicherheitsexekutivbeamtInnen".

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Als Viertes stimme ich ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Parnigoni und Genossen betreffend "keine Kürzung der Budgetmittel für die innere Sicherheit".

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag hat nicht die Mehrheit gefunden und ist somit abgelehnt.

Wir gelangen als Nächstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaál betreffend Bewahrung der kulturellen und religiösen Vielfalt in Österreich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein dementsprechendes Zeichen. – Der Antrag Gaál findet nicht die Mehrheit und ist somit abgelehnt.

Als Nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Kiss und Genossen betreffend "Gewalttäter gefährden die innere Sicherheit und Demokratie – Sicherheitsbeamte schützen Bürger und Rechtsstaat".

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein dementsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen. (E 69.)

Wir stimmen als Nächstes über den Antrag der Frau Abgeordneten Stoisits betreffend die Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde angesichts der Gefährdung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler betreffend Eintreten der Bundesregierung für den Schutz der Menschenrechte, der Stärkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag stimmen, um ein dementsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen. (E 70.)


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60. Sitzung / Seite 102

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Westenthaler und Khol betreffend Verurteilung von Rassismus und Antisemitismus.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 71.) – (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)


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60. Sitzung / Seite 103

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 407/A bis 411/A eingebracht wurden.

Meine Damen und Herren! Auf Ersuchen des Kollegen Fasslabend übergebe ich ihm jetzt den Vorsitz. – Bitte.

Präsident Dr. Werner Fasslabend (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich übernehme noch einmal den Vorsitz, weil in der Zwischenzeit das Protokoll über Debattenbeiträge herbeigeschafft wurde. Im Zuge der Debatte hat Herr Abgeordneter Edlinger Folgendes ausgeführt:

"Ausländische Staatschefs werden von Jörg Haider beschimpft. – Die ÖVP schweigt und genießt die Macht.

Ein altes Sprichwort sagt: ‚Wer schweigt, stimmt zu.‘ – Die ÖVP ist damit zum geistigen Mittäter des neuen Antisemitismus in Österreich geworden! (...)" – (Abg. Dr. Stummvoll: Unerhört! – Abg. Dr. Khol: Unerhört!)

"Die ÖVP ist damit zum geistigen Mittäter der Diskriminierung, der Ausländerhetze und des Rassismus in unserer Stadt geworden!"

Dafür erteile ich Herrn Abgeordnetem Edlinger einen Ordnungsruf. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Es ist trotzdem wahr! Es ist trotzdem wahr! Es ist trotzdem wahr, Herr Präsident!)

Herr Abgeordneter Edlinger! Wenn Sie einen Ordnungsruf bekommen und dann nicht die Einsicht aufweisen, zumindest still zu sein (Abg. Edlinger: Nein! Sicher nicht!), dann muss ich dazu sagen, dass Sie die Geschäftsordnung auf das Höchste strapazieren. Das möchte ich sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weiters möchte ich zitieren, was Herr Abgeordneter Westenthaler ausgeführt hat. Zitat:

"Es müssen wohl alle, die diese Bilder von der Opernball-Demonstration gesehen haben, eine Halluzination gehabt haben. – Ich habe diese Bilder mitgenommen, damit Sie sie noch einmal sehen – und damit jene Menschen, die sie noch nicht gesehen haben, das auch im Fernsehen sehen können. (...) Das sind Ihre ‚gewaltfreien Demonstrationen‘: Feuer, Gewalt, verletzte Menschen, Sachbeschädigungen! Das sind Ihre Gewalttäter, das sind Ihre Kumpanen! (...)" – (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist da schlecht?)

"Hier sehen Sie: abgeschlagene Flaschen, mit denen auf Polizisten losgegangen wird. Vermummte Menschen, die losgegangen sind auf Polizisten. Das sind Ihre ‚gewaltfreien Demonstrationen‘! (...) Lauter ‚anständige Menschen‘: mit der Flasche in der Hand ..."

Es ist für mich nicht in der gleichen Art und Weise eindeutig gewesen wie bei der Aussage von Edlinger, aber im Zweifelsfall – ich sage es deshalb aus der Situation heraus – erteile ich auch Herrn Abgeordnetem Westenthaler dafür einen Ordnungsruf.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass die Anfragen 2150/J bis 2178/J eingelangt sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Dienstag, den 27. März 2001, 10 Uhr, in Aussicht genommen wird, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 17.27 Uhr