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64. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 30. März 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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64. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Freitag, 30. März 2001

Dauer der Sitzung

Freitag, 30. März 2001: 9.01 – 19.44 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen

Beratungsgruppe XII: Militärische Angelegenheiten

Beratungsgruppe IX: Wirtschaft und Arbeit; Bauten und Technik

Beratungsgruppe III: Äußeres

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 6

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Brunhilde Plank und Genossen, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 387/A der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 9. Mai 2001 zu setzen 6

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 6

Redner:

Mag. Brunhilde Plank 91

Heidrun Silhavy 94

Hermann Böhacker 95

Dr. Gottfried Feurstein 97

Karl Öllinger 98

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 99

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 6

Vertagungsbeschluss 158


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Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (500 und Zu 500 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen (540 d. B.) 6

Beratungsgruppe XII: Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten 7

Redner:

Anton Gaál 7

Wolfgang Jung 9

Dr. Evelin Lichtenberger 11

Walter Murauer 13

Bundesminister Herbert Scheibner 15, 43

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 20

Dr. Reinhard Eugen Bösch 21

Anton Leikam 23

Johann Loos 24

Marianne Hagenhofer 26

Ing. Herbert L. Graf 27

Rudolf Parnigoni 29

Astrid Stadler 30

Karl Freund 31

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 32

Katharina Pfeffer 33

Mag. Beate Hartinger 34

Arnold Grabner 35

Mag. Walter Tancsits 36

Ing. Erwin Kaipel 37

Roland Zellot 38

Mag. Ulrike Lunacek 40

Dr. Michael Spindelegger 42

Marianne Hagenhofer (tatsächliche Berichtigung) 45

Dr. Harald Ofner 46

Mag. Ulrike Lunacek (tatsächliche Berichtigung) 47

Werner Amon, MBA 48

Annahme der Beratungsgruppe XII 49

Beratungsgruppe IX: Kapitel 63: Wirtschaft und Arbeit, Kapitel 64: Bauten und Technik 49

Redner:

Mag. Maria Kubitschek 49

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 51

Mag. Werner Kogler 53

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 56

Heidrun Silhavy 58

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 61

Helmut Haigermoser 65

Karl Öllinger 66

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 70

Kurt Eder 72

lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher 75

Dr. Eva Glawischnig 76

Mag. Walter Tancsits 79

Sophie Bauer 80

Jakob Pistotnig 81


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Theresia Haidlmayr 83

Karlheinz Kopf 84

Georg Oberhaidinger 86

Sigisbert Dolinschek 87

Karl Dobnigg 89

Dr. Reinhold Mitterlehner 90, 100

Emmerich Schwemlein 101

Staatssekretärin Mares Rossmann 103

Mag. Rüdiger Schender 106

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 107

Mag. Dr. Josef Trinkl 108

Günter Kiermaier 110

Mag. Walter Tancsits (tatsächliche Berichtigung) 111

Norbert Staffaneller 111

Ing. Kurt Gartlehner 113

Ridi Steibl 114

Mag. Kurt Gaßner 115

Edith Haller 116

Ing. Erwin Kaipel 118

Ing. Leopold Maderthaner 119

Mag. Martina Pecher 121

Mag. Cordula Frieser 122

Reinhold Lexer 123

Mag. Helmut Kukacka 123

Dr. Kurt Heindl 124

Annahme der Beratungsgruppe IX 126

Beratungsgruppe III: Kapitel 20: Äußeres 126

Redner:

Dr. Josef Cap 126

Mag. Karl Schweitzer 129

Mag. Ulrike Lunacek 130

Dr. Michael Spindelegger 133

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 135, 153

Dr. Caspar Einem 138

Wolfgang Jung 140

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 142

Dr. Evelin Lichtenberger 142

Wolfgang Großruck 144

Inge Jäger 145

Dr. Gerhard Kurzmann 147

Mag. Christine Muttonen 148

Edeltraud Gatterer 150

Anton Heinzl 150

Dr. Reinhard Eugen Bösch 152

Mag. Karin Hakl 154

Mag. Beate Hartinger 155

Ing. Hermann Schultes 155

Dr. Gerhart Bruckmann 156

Annahme der Beratungsgruppe III 157

Eingebracht wurden

Antrag der Abgeordneten

Mag. Walter Posch und Genossen betreffend Erhöhung der Volksgruppenförderung (414/A) (E)


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Anfragen der Abgeordneten

Mag. Christine Muttonen und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Planstellenbesetzung im Bereich des Landesschulrates für Kärnten (2248/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheitsakademie (2249/J)

Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen an den Bundeskanzler betreffend österreichisches Staatsarchiv (2250/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Arzneimittel im Preisvergleich (2251/J)

Mag. Brunhilde Plank und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Integration behinderter Kinder nach der 8. Schulstufe in der HBLA Kematen (2252/J)

Mag. Brunhilde Plank und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Steuergruppe zu Fragen der Mitarbeiterausbildung für Dienstleistungen im Bereich Behindertenpädagogik (2253/J)

Mag. Brunhilde Plank und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die Steuergruppe zu Fragen der Mitarbeiterausbildung für Dienstleistungen im Bereich Behindertenpädagogik (2254/J)

Beate Schasching und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend: "Postenschließungen der Gendarmerie im Bezirk St. Pölten" (2255/J)

Mag. Ulrike Sima und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erhöhung des EURATOM-Kreditrahmens (2256/J)

Mag. Ulrike Sima und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Erhöhung des EURATOM-Kreditrahmens (2257/J)

Mag. Ulrike Sima und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Erhöhung des EURATOM-Kreditrahmens (2258/J)

Mag. Ulrike Sima und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Erhöhung des EURATOM-Kreditrahmens (2259/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1807/AB zu 1802/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1808/AB zu 1806/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1809/AB zu 1812/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1810/AB zu 1807/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (1811/AB zu 1814/J)


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des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1812/AB zu 1821/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (1813/AB zu 1848/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (1814/AB zu 1857/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1815/AB zu 1805/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (1816/AB zu 1844/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (1817/AB zu 1847/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1818/AB zu 1899/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1819/AB zu 1979/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (1820/AB zu 1795/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1821/AB zu 1801/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (1822/AB zu 1808/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen (1823/AB zu 1811/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner und Genossen (1824/AB zu 1835/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Reheis und Genossen (1825/AB zu 1852/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1826/AB zu 1906/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1827/AB zu 1901/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1828/AB zu 1804/J)

 

 


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, und eröffne die für heute, den 30. März, einberufene 64. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 62. Sitzung ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen, ohne Einspruch geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Dr. Kostelka, Huber, Schieder, Ing. Gerhard Bauer, Rosemarie Bauer und Dr. Pilz.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass die Anfragebeantwortungen 1807/AB bis 1828/AB eingelangt sind.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass Frau Abgeordnete Mag. Plank beantragt hat, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 387/A der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, eine Frist bis zum 9. Mai dieses Jahres zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da wir keine Dringliche Anfrage und keinen Dringlichen Antrag haben, wird diese Kurzdebatte um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Nach der Debatte wird über den Fristsetzungsantrag abgestimmt.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (500 und Zu 500 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen (540 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatte wie folgt erzielt: Es ist eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vorgeschlagen, aus der sich im Einzelnen folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 Minuten und Grüne 104 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes, die 20 Minuten überschreiten sollte, beziehungsweise die Redezeit eines Staatssekretärs, die 10 Minuten überschreiten sollte, wird auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Redebeiträge ressortfremder Regierungsmitglieder werden zur Gänze auf die Redezeit der betreffenden Fraktion angerechnet – falls sich solche zu Wort melden sollten.


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Über diesen Modus hat das Hohe Haus zu befinden. Ich frage daher: Gibt es Einwendungen gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Beratungsgruppe XII

Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Verhandlung über die Beratungsgruppe XII, Militärische Angelegenheiten.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Parnigoni  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Gaál –: Bravo, Anton! – Rufe bei der SPÖ: Hoppauf! – Bundesminister Scheibner: Auftrittsapplaus, oder was?)

9.04

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! (Abg. Edlinger: Wie sind die Wahlen in Favoriten ausgegangen, Toni?)  – Knapp an der 90-Prozent-Grenze, Herr Bundesminister. (Bundesminister Scheibner: Ich habe das jetzt nicht verstanden! Wie war das?)

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Bundesvoranschlag 2002 sieht für das Landesverteidigungsbudget einen Betrag von weniger als 23 Milliarden Schilling vor. Damit gehen die Mittel für die Landesverteidigung wieder geringfügig zurück – es ergibt sich ein Minus von 0,1 Prozent. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner. ) Und wenn Sie, Herr Minister, mir da von hinten einflüstern, das sei falsch, dann gehen wir von verschiedenen Berechnungen aus. Aber ich werde Ihnen beweisen, dass leider ich richtig liege! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Sie sprechen davon, dass das Budget 2002 gegenüber jenem von 2001 gleich bleibt, dass aber zusätzliche Mittel aus Material- und Liegenschaftsverkäufen einfließen und für Investitionen zur Verfügung stehen werden. – Herr Bundesminister! Ich darf erinnern: So argumentierte bereits – und ebenfalls erfolglos – Bundesminister Fasslabend. Sie haben damals als Oppositionspolitiker heftigst dagegen protestiert. Heute bedienen Sie sich selbiger Sprachregelung. Also ich würde sagen: Argumentationsnotstand pur!

Herr Bundesminister! Man kann daher zu Ihren Ankündigungen sagen: Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! – Und das gilt für das gesamte Landesverteidigungsbudget.

Daher stimmt es auch nicht, Herr Bundesminister, wenn Sie immer wieder sagen, Sie werden das Budget real erhöhen. – Sicher nicht! Dazu haben Sie ja gar keine Chance, denn eine Regierung, die solch einen radikalen Sparkurs verordnet, die Ambulanzgebühren einführt, die die Rezeptgebühren erhöht, die Unfallrenten besteuert – man könnte diese Liste beliebig lange fortsetzen; von den "kleinen Leuten" sprechen und dabei nur an deren Geldbörse denken –, eine Regierung, durch die die Armen immer ärmer, die Reichen immer reicher werden, hat jegliches Recht verwirkt, von einer Erhöhung des Militärbudgets – so berechtigt das auch sein mag – zu reden! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Scheibner: Was? Wie war das?)

Das würde auch die Bevölkerung nicht verstehen, wie letztlich auch die Wiener Wahlen bestätigt haben. Wenn Sie das Ergebnis genau analysieren, werden Sie mir darin Recht geben, denn Wien hat gegen diese unsoziale Politik gestimmt – und außerdem schaden Sie damit auch der Politik des österreichischen Bundesheeres, Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Was hat der Kollege Gaál heute?)

Nächster Punkt, Herr Bundesminister (Abg. Auer: Aber Anton, du warst doch immer ein seriöser Politiker!): Österreich hat sich dazu verpflichtet, bis zum Jahre 2003 2 000 Soldaten und


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Soldatinnen für die österreichischen Kriseninterventionskräfte, also für KIOP, bereitzustellen. Das erfordert vorbereitende Maßnahmen im Bereich der Ausrüstung, des Personals und der Organisation. Experten gehen dabei von Gesamtinvestitionen in der Größenordnung von 4 Milliarden bis 5 Milliarden Schilling aus. Finanzielle Vorsorgen sind jedoch aus den derzeitigen Budgetansätzen nicht ersichtlich, nicht erkennbar.

Und auch in der Personalfrage sind Sie gescheitert, Herr Bundesminister, denn es gibt zum Beispiel keine einzige Maßnahme in Richtung eines Anreizsystems zur Gewinnung von Freiwilligen für die KIOP-Einheiten.

Auch die Einschränkungen für die freiwilligen Waffenübungen von Milizsoldaten führen zu einer negativen Entwicklung: 1999 – ich habe mir das genau angeschaut – wurden noch 110 000 freiwillige Waffenübungstage geleistet, 2000 waren es weniger als 30 000, also rund 70 Prozent weniger! (Bundesminister Scheibner: Noch einmal, Herr Kollege: 1999 haben Sie gesagt?)  – 1999 wurden 110 000 freiwillige Waffenübungstage geleistet, 2000 waren es nur mehr weniger als 30 000, wie gesagt, um 70 Prozent weniger. Da der Milizanteil bei Auslandseinsätzen, wie Sie wissen, 70 Prozent beträgt, laufen wir auch in diesem Bereich Gefahr, die negative Entwicklung fortzuschreiben.

Herr Bundesminister! Es muss daher zum Thema KIOP, also den Kräften für internationale Operationen, festgehalten werden, dass die derzeit bekannten Vorgaben nicht ausreichen, um genügend freiwilliges interessiertes Personal zu finden. Zu viele vorhandene Unsicherheiten gefährden die rechtzeitige Umsetzung dieses politischen Auftrages. Leider bestätigen sich unsere Bedenken – und dieser Meinung schließen sich ja bereits viele Personalvertreter und so mancher Truppenkommandant an –, dass KIOP in der beabsichtigten Version, wenn überhaupt, nur mit größten Schwierigkeiten und zu Lasten des gesamten Rest-Bundesheeres umgesetzt werden kann, immer mehr.

Noch wäre Zeit, auf ein System einzuschwenken, das von allen getragen wird, machbar ist und dem verbleibenden Rest-Bundesheer die Aufgabenerfüllung innerstaatlicher Aufträge ermöglicht. (Bundesminister Scheibner: Und wie schaut das aus?)  – Wie schaut das aus, Herr Bundesminister? – Erfolg versprechende Alternativvorschläge liegen vor, Sie brauchen sich nur zu bedienen.

Herr Bundesminister! Sie wissen so gut wie ich, dass das österreichische Bundesheer auf Grund der personellen Gegebenheiten nicht mehr als ein kampfstarkes Bataillon im Rahmen von KIOP zur Verfügung stellen kann. Warum brauchen Sie dann ein Divisionskommando zur besonderen Verwendung? Ich ersuche Sie, erklären Sie mir bitte, für welche Aufgaben dieses Divisionskommando vorgesehen ist und wo es eingesetzt werden soll.

Herr Bundesminister! Es gibt viele offene Fragen im Zusammenhang mit der österreichischen Beteiligung am internationalen Krisenmanagement, meine Kolleginnen und Kollegen werden dann noch im Detail darauf eingehen. Zunächst ein paar Überschriften:

Beim Schutz und bei der Sicherheit der Soldaten besteht noch immer ein Defizit. Die Ausrüstung mit modernen Kampfhelmen und Splitterschutz ist nach wie vor nicht für alle Soldaten in vollem Umfang vorhanden. Die bereits 1996 im Rahmen des Mech-Paketes beschlossene Neuausstattung der Truppe mit "Pandur" und "Ulan" ist bis heute nicht realisiert worden beziehungsweise nicht im gewünschten Ausmaß.

Die Kommunikationsfähigkeit ist nicht sichergestellt, Herr Bundesminister. Es bedarf dringend einer Modernisierung etwa der Truppenfunkausstattung. Die Funkgeräte sind völlig veraltet, unzureichend und müssen erneuert werden. Und es fehlen im vorliegenden Budgetvoranschlag auch diesbezüglich ausreichende Ansätze.

Bei der für den Mannschaftstransport zur Verfügung stehenden LKW-Flotte ist die Einsatzbereitschaft nur teilweise gegeben, was zu einem überproportionalen Unfallrisiko führt. Wie Sie wissen, sind manche LKW doppelt so alt wie ihre Fahrer.


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Daher, Herr Bundesminister, kann es für das österreichische Bundesheer aus meiner Sicht nur einen Weg geben: Rationalisierung, Schaffung schlanker Strukturen und Umschichtung zur Truppe!

Noch ein paar Bemerkungen zu Ihren Reformüberlegungen, Herr Bundesminister: Es ist zwar begrüßenswert, wenn zwei Korpskommanden abgeschafft werden, die Sinnhaftigkeit dessen relativiert sich jedoch, wenn dafür wieder gleich große Kommanden eingeführt werden, nämlich in Form des Kommandos für Luftstreitkräfte, in Form des Kommandos für Landstreitkräfte sowie des heute schon hier angesprochenen Divisionskommandos zur besonderen Verwendung.

Wenn es nicht gelingt, Herr Bundesminister, die Personalkosten von derzeit 63 Prozent – und die Tendenz ist steigend – in Richtung 50 Prozent zu bringen, wird sich der geringe Investitionsspielraum weiter reduzieren.

Herr Bundesminister! Im Budget 2002 ist keine Prioritätenreihung erkennbar. Es erlaubt keine einschneidenden Veränderungen im Hinblick auf die Verbesserung der Einsatzfähigkeit und Effizienzsteigerung des österreichischen Bundesheeres. Im heute hier zu beschließenden Budgetkapitel militärische Angelegenheiten wird keine finanzielle Vorsorge für die personelle und materielle Ausstattung der Kräfte für internationale Operationen im Rahmen des europäischen Krisenmanagements getroffen – ein schweres Versäumnis für die Zukunft, Herr Bundesminister!

Daher findet dieses Budget nicht unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

9.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Ich erteile ihm das Wort.

9.14

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es wäre unehrlich, würde ich hier behaupten, dass ich über die Höhe des Verteidigungsbudgets glücklich bin. Das wäre Schönreden und Politik alter Art, über die wir hinwegkommen wollen.

Als Berufssoldat, aber vor allem als Sicherheitspolitiker schmerzt mich die nur geringe reale Erhöhung. Es sind zwar durch das Ausverhandeln des Ministers erstmalig doch noch 100 Millionen Schilling mehr für den Grenzeinsatz dazugekommen – das gab es früher nicht. Wir erhalten erstmalig alle Erlöse aus Verkäufen, und durch Umschichtungen, nämlich den Wegfall des Bosnien-Kontingents und des Zypern-Kontingents, entsteht zumindest ein gewisser, nämlich der notwendigste Spielraum. Trotzdem hätte ich natürlich gerne mehr Geld im Verteidigungsbudget gesehen.

Als Soldat habe ich aber auch gelernt, dass insbesondere in schwierigen Situationen – und die Budgetsituation, in die uns die SPÖ-Finanzminister mit ihrem Hang zur roten Farbe nicht nur in den Haaren, sondern auch im Budget gebracht haben, war wirklich eine katastrophale ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Edler und Dipl.-Ing. Kummerer. )  – Die 2 000 Milliarden Schilling waren kein Schmäh, das wissen Sie ganz genau. Wenn es so leicht wäre, Herr Kollege, dass die Roten zahlen für die roten Zahlen, die Sie uns hinterlassen haben, dann wäre es einfacher. Aber leider zahlen alle Österreicher für das, was Sie gemacht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In solchen Situationen geht es einfach darum, Prioritäten zu setzen. Daher können nicht die Gießkanne und die Interessenabgleichung 1 : 1 in der Koalition der richtige Weg sein, sondern es geht darum, Schwerpunkte zu setzen. Und die Prioritäten mussten zunächst bei der Sanierung des Budgets liegen.

Für 2002 liegt nun ein ausgeglichener Voranschlag vor, und im Folgejahr wird es zu einer Verbesserung und Aufbesserung im Verteidigungsbudget kommen müssen. Ich sage bewusst müssen, denn andernfalls können wir den gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtungen


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nicht nachkommen. Und diese Verpflichtungen zur gemeinsamen Sicherheitspolitik – ich erinnere die Damen und Herren von den Sozialdemokraten – wurden eingegangen und unterschrieben von einem sozialdemokratischen Kanzler! Und Sie sollten zu diesen auch stehen!

Damit bin ich schon beim wichtigsten Vorhaben der österreichischen Verteidigungspolitik – oder besser gesagt: der österreichischen Sicherheitspolitik, und zwar deswegen, weil diese umfassend sein soll, also viel mehr als rein militärisch und weit über die militärische Komponente hinausgehend – der nächsten Jahre: Ich komme zur Erarbeitung der neuen Sicherheitsdoktrin, die nun in ihrem ersten Teil einem Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses zugewiesen werden soll.

Es ist hoch an der Zeit und eigentlich schon fast zu spät, eine Bestandsaufnahme der österreichischen sicherheitspolitischen Situation zu machen und die längst veraltete Landesverteidigungsdoktrin auch formal außer Kraft zu setzen. Schließlich gibt es den Warschauer Pakt, den damaligen Hauptgegner der Freiheit im Westen, nicht mehr, und jene Soldaten, die heute einrücken, waren Volksschüler, als sich der Warschauer Pakt mehr oder weniger selbst auflöste.

Wir sollten daher den uns von der Bundesregierung übergebenen Analyse-Teil als Grundlage nehmen, uns zusammensetzen und zumindest ernsthaft versuchen, eine gemeinsame Bewertung der veränderten Lage und der daraus resultierenden Folgen für Österreich vorzunehmen.

Welche Gefahren sind weggefallen oder haben zumindest an Bedeutung verloren? Welche Risken haben sich verstärkt oder sind überhaupt neu dazugekommen? Und: Welches Instrumentarium benötigen wir, um sie zu bewältigen?

Dazu kommen unsere Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und der OSZE. Und dann muss schlussendlich eine Antwort auf die Frage, wie die künftige Sicherheitspolitik in ihrer Umsetzung erfolgen soll – allein oder abgestützt auf ein Bündnis –, gegeben werden. Und Letzteres – ich betone das ausdrücklich! – bedeutet nicht automatisch eine NATO-Mitgliedschaft, aber die Grundsatzentscheidung – was ist für Österreich besser, kostengünstiger, effektiver? – muss getroffen werden!

Die grundsätzliche Notwendigkeit zum Umdenken und zur Veränderung ist auch der Spitze der Sozialdemokraten nicht neu, nicht zuletzt deshalb, weil dieses Umdenken, insbesondere solange ihre Partei noch den Kanzler stellte, von den sozialdemokratischen Regierungschefs in ganz Europa immer wieder und immer drängender gefordert wurde. Das wissen die Sozialdemokraten ganz genau! Es wäre gut für die Gemeinschaft, und es wäre auch gut für Österreich.

Aber immer dann, wenn positive Signale – durchaus auch vom Parteivorsitzenden Gusenbauer – kommen, gibt es Störfeuer aus dem linken Eck. Einige stellen Totalopposition und faktische Gesprächsverweigerung durch Junktims – ich erinnere an die Frage des Kriegsmaterialgesetzes – vor die Interessen dieses Staates! (Zwischenrufe der Abgeordneten Edler, Dipl.-Ing. Kummerer und Grabner. )  – Ich habe gesagt, da meldet sich das linke Eck! (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Er hört in die falsche Richtung!)  – Hören Sie vielleicht auch einmal zu, es wäre gut für Sie und es wäre gut für Österreich, würden Sie ein bisschen die Ohren öffnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir bieten Ihnen in der Doktrinen-Frage eine intensive Diskussion über den künftigen Weg der österreichischen Sicherheitspolitik an – ohne Vorbedingungen, ausgenommen, dass am Ende ein sinnvolles Papier und keine Nullaussage windelweicher Natur stehen darf. Bringen Sie Ihre Ideen ein, machen Sie Vorschläge, kritisieren Sie von mir aus auch, aber nehmen Sie sich nicht selbst leichtfertig aus dem Spiel!

Wenn Sie dann irgendwann wieder einmal in einer Regierung sein sollten, was im demokratischen Spiel der Kräfte irgendwann einmal (Abg. Edler: Bald! Bald!)  – kann sein, kann aber auch nicht sein – kommen wird (Abg. Böhacker: Vielleicht!), dann müssen Sie mit den inzwischen geschaffenen Realitäten leben. (Abg. Edlinger: Oder ändern!) Wenn Sie sie nicht


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mitgestalten können und wollen, dann haben Sie einfach alles so hinzunehmen, wie es ist, andernfalls können Sie die Entwicklung mit beeinflussen.

Um es unmissverständlich zu sagen – aber es wurde ohnehin schon mehrfach festgestellt –: Bei dieser Diskussion geht es nicht darum, Österreich in dieser Phase in die NATO zu führen! Es geht nicht darum, die neutralitätspolitischen, rechtlichen Verpflichtungen über Bord zu werfen! Und es geht nicht darum, ohne Zustimmung der Bevölkerung eine Bündnismitgliedschaft einzugehen! Wer das jetzt noch immer behauptet, sagt eindeutig die Unwahrheit. Es wurde nämlich auch hier im Plenum gesagt, und es wird immer wieder behauptet. Wer es jetzt noch sagt, kann nur die Unwahrheit sagen in der Öffentlichkeit.

Abschließend noch einmal das Angebot zur Kooperation – nicht, dass wir die Doktrin nicht allein erarbeiten könnten, es wäre viel einfacher und viel leichter so –, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Sicherheitspolitik eines Staates nicht nur von der jeweiligen Regierung getragen sein soll, sondern eine möglichst breite Zustimmung aller staatstragenden – und ich betone: staatstragenden! – Parteien haben muss.

Sicherheitspolitik soll langfristig angelegt sein und darf sich nicht nach jedem Regierungswechsel ändern!

Wir werden uns nicht hinhalten lassen, und wir bieten in dieser staatspolitischen Frage die Hand zur Zusammenarbeit. Schlagen Sie sie nicht leichtfertig aus! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Ich erteile ihr das Wort.

9.22

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die Jubelmeldungen, die durch die Presse gegangen sind, auch beim Verteidigungsbudget werde gespart, auch da komme es zu keinen großen Mehrausgaben, werden auf jeden Fall durch eine ganz wichtige Information zu ergänzen sein, und zwar über all das, was nicht im Budget steht, was außerbudgetär finanziert werden soll und dennoch – und darüber sollte man sich keine Illusionen machen – aus dem Steuersäckel der Österreicherinnen und Österreicher bezahlt werden wird müssen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich spreche hier natürlich in erster Linie von der geplanten Beschaffung von Abfangjägern, die auch als außerbudgetär finanziert angekündigt wird. Die Beschaffung von Abfangjägern und deren extrem hohe Kosten in Milliardenhöhe – ich möchte hier nur ganz sachte das Verhältnis zu den Einkünften aus den Ambulanzgebühren andeuten – werden immer damit gerechtfertigt, dass Kompensationsgeschäfte in gigantischer Höhe, die also weit über die Beschaffungen hinausgehen würden, aus diesen Geschäften zu erwarten seien.

Dabei sind jedoch zwei Punkte zu berücksichtigen: Erstens gibt es bis heute keine nachvollziehbare, gültige Evaluierung der bisherigen Kompensationsgeschäfte, die jeweils bei Militärbeschaffungsaktionen angekündigt wurden. Zweitens ist, glaube ich, jedem, der sich mit diesem Thema hinreichend beschäftigt, bekannt, dass die Preise auf dem Sektor militärische Güter bei weitem überhöht sind! Das ist ja auch kein Wunder: Für diese gibt es einen Markt, auf dem der Beschaffer entweder selbst sehr, sehr viel Geld hat oder ungeniert in den Steuersäckel greifen kann, weil mit dem Argument Sicherheit immer wieder jegliche Beschaffung gerechtfertigt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Ich sehe nicht ein und kann es nicht akzeptieren, dass diese Kompensationsgeschäfte im Zuge von Beschaffungsaktionen immer hinter dem Vorhang und unter der Tuchent abgewickelt werden, dass es also diesbezüglich überhaupt keine Transparenz gibt, dass es keine Evaluierung, keine Klarheit gibt (Abg. Murauer: Dazu gibt es sogar einen Rechnungshofbericht! Das stimmt nicht ganz!), was natürlich auch für ein Staatsbudget interessant wäre, weil es ja dann


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schließlich darum geht, wie weitere Beschaffungsaktionen geplant und in die Wege geleitet werden.

Das betrifft jetzt in erster Linie den allergrößten zu erwartenden Ausgabenposten, die Abfangjäger. In diesem Zusammenhang ist zu fragen: Wie wird die Entscheidung denn wirklich ausfallen? Was ist denn dran an den Gerüchten über Russland-Kontakte, die Herr Kollege Leikam weitergegeben hat? Was ist denn da dran? Nach welchem außen- oder innenpolitischen Kalkül wird diese Beschaffung erfolgen? Wird das sozusagen das große NATO-Kalkül sein, um bei den dortigen Entscheidungsträgern freundliche Nasenlöcher für Österreich und für den angestrebten NATO-Beitritt zu erzeugen, oder wird man hier einer anderen Logik, die mit bestimmten Kontakten bestimmter Entscheidungsträger der Freiheitlichen Partei mit Russland zu tun hat, folgen?

Was wird die Logik hinter diesen Entscheidungen sein? Die österreichische Bevölkerung hat ein Anrecht auf diese Informationen. Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben! (Beifall bei den Grünen.)

Zu der schon gefallenen Beschaffungsentscheidung, nämlich zum Thema Black Hawk muss aber sicher noch etwas erwähnt werden: Mir sind Informationen zugegangen – ich hoffe, Herr Minister, dass Sie diese entkräften können; wenn nicht, muss diese Beschaffungsentscheidung aus meiner Sicht rückgängig gemacht werden –, die Folgendes besagen: Eine ganze Reihe von US-High-Tech-Waffensystemen ist mit unterschiedlichsten radiotoxischen Substanzen behandelt. In einem Bericht des deutschen Fernsehens über Erkrankungen von Starfighter-Piloten, die im Zusammenhang mit dieser Behandlung gesehen wurden, wurde das sogar schon festgestellt. Auch bei den Black-Hawk-Helikoptern, für die die Entscheidung ja schon gefallen ist, hat es offensichtlich Hinweise darauf gegeben, dass Gesamtradioaktivitäten von über 25 Becquerel vorliegen sollen, dies geht auch auf US-amerikanische Informationen zurück. Es ist eben nicht ein U238-Nuklid, sondern es ist das, was man als dramatisch und gefährlich bezeichnen kann.

Denken Sie an die ungeklärten Leukämie-Fälle von vor allem Soldaten aus Italien! Denken Sie daran, dass das nicht hingenommen werden kann! (Abg. Jung: Da geht es aber nicht um Hubschrauber, Frau Kollegin!) Wenn es Hinweise darauf gibt, haben vor allem die Menschen, die im Bundesheer tätig sind und mit diesem Gerät umzugehen haben, das erste und wichtigste Anrecht darauf, zu wissen, ob hinreichend gesichert ist, dass diese Informationen nicht stimmen. Aber auch die Öffentlichkeit hat ein solches Anrecht. Das halte ich für ganz zentral. Ich bitte daher, dem mehr als genau nachzugehen, um zu wissen, ob diese Fakten entkräftet werden können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Das sind ja keine Fakten, Frau Kollegin, das sind Gerüchte!)

Bei der Beschäftigung mit den eigentlichen Budgetdaten fällt mir ein Ungleichgewicht besonders auf – und das geht Hand in Hand damit, dass sich sehr viele Bundesheer-Angehörige meiner Ansicht nach legitimerweise immer wieder über eine völlig mangelhafte Personenausrüstung beschweren müssen, also darüber, dass Schutzausrüstungen fehlen oder nur in Teilen vorhanden sind. Gerade die unterste Ebene im Bundesheer muss mit großer Vernachlässigung fertig werden, was auf der anderen Seite im Gegensatz zu den Beschaffungen steht, die gigantisch viele Mittel kosten. (Abg. Jung: Was meinen Sie da konkret, Frau Kollegin? Was soll denn das sein?)

Ich möchte jetzt gar nicht noch einmal darauf eingehen, wie beklagenswert der Zustand in den einzelnen Kasernen in Bezug auf die baulichen Verhältnisse ist. Das wäre eine eigene Debatte, das möchte ich nicht näher ausführen.

In diesem Bereich werden teilweise nicht einmal Mindeststandards eingehalten. Daher wäre das für mich der allererste, der zentralste und wichtigste Bereich, in dem Verbesserungen stattfinden müssen.

Herr Minister! Im Budgetausschuss haben Sie uns auf eine Anfrage, die wir im Zuge der Beratungen gestellt haben, eine Antwort gegeben, die ich in dieser Form nicht akzeptieren kann. Es wiederholt sich also das, was letztes Jahr schon der Fall war. Ihre Antwort auf unsere


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Frage – ich zitiere sie, denn sie ist zweifellos hörenswert – zeigt, wie mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern, wenn sie Informationen haben wollen, umgegangen wird.

Die Frage lautete: Die Aufwendungen für Munition erhöhten sich ... um 30 Prozent. Wieso? – Die Antwort lautete: Der Mehraufwand im Budget 2002 ist im Wesentlichen auf die Beschaffung von Panzermunition für den Kampfpanzer ... zurückzuführen. – Das ist genau das Faktum, das in der Frage festgestellt wurde. Von einer Begründung, warum es diese überdimensionale Erhöhung in diesem Zusammenhang gibt, ist weit und breit keine Rede. (Abg. Jung: Weil sie gebraucht wurden!)

Herr Minister! Das ist aus meiner Sicht eine absolut unzumutbare Art und Weise, auf Fragen von Abgeordneten zu antworten. Ich ersuche Sie dringend, in Ihrer Rede, die Sie heute sicher noch halten werden, auf die Frage einzugehen, ob Sie gedenken, diese Art und Weise des Umgangs mit Informationswünschen, die Sie bisher an den Tag gelegt haben, beizubehalten. Das steht dem österreichischen Bundesheer nicht an, solch ein Verhalten verdient es sich keinesfalls. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Punkt, der jedenfalls noch angesprochen werden muss und auch im Budgetausschuss zur Debatte stand, betrifft die Sicherheitsdoktrin. Dazu fehlt nach wie vor eine breite Debatte über Sinnhaftigkeit, Kosten und die österreichische Rolle. Dies sei aber nur nebenbei bemerkt. Interessant ist, dass Sie im Rahmen der Budgetberatungen ganz klar nicht mehr von Neutralität, sondern nur mehr von Bündnisfreiheit gesprochen haben.

Herr Minister! Ihnen steht es nicht an und Ihnen steht es auf keinen Fall zu (Abg. Mag. Trattner: Jetzt erklärt sie es!), die österreichische Sicherheitspolitik und die österreichische Neutralität im Alleingang auf eine reine Bündnisfreiheit zu reduzieren, dass auf Grund einer Umdefinition (Abg. Jung: Aber nachdenken darüber darf man schon!) das, was Kollege Jung betreffend Befragung der Bevölkerung vorgestellt hat, letzten Endes obsolet wird, weil die Neutralität so weit ausgehöhlt wird, dass es keinerlei Möglichkeit mehr gibt, im Rahmen einer Abstimmung über eine aktive, klare Sicherheitspolitik und Neutralitätspolitik Österreichs sinnvoll zu debattieren. Sie werden sowohl mit Ihren Worten als auch mit Ihren Taten – ich lasse die Sozialdemokraten hier nicht aus der Verantwortung – die Neutralität so weit ausgehöhlt haben, dass sie keinerlei Chance mehr auf eine Verwandlung in aktive Politik hat, die ich aber von diesem Haus und auch im Sinne der österreichischen Neutralität verlange. (Beifall bei den Grünen.)

9.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Murauer. Die Uhr ist freiwillig auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

9.34

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Priorität der Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel, keine Schulden mehr zu machen und den nächsten Generationen keine Schulden mehr aufzubrummen, ist grundsätzlich zu unterstreichen und zu befürworten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Vollbeschäftigung dabei entsprechend Rechnung zu tragen – das gelingt in einem ausgezeichneten Ausmaß –, ein Kindergeld als Quantensprung der Familienpolitik einzuführen sowie der Bildung entsprechend Rechnung zu tragen, sind die Schwerpunkte der Politik dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Natürlich ist das Budget der Landesverteidigung den Grünen immer zu hoch. Dafür habe ich kein Verständnis, aber wir hören das immer bei den Budgetdiskussionen.

Das Budget der Landesverteidigung hat sich natürlich nach folgendem Prinzip zu richten: Das Landesverteidigungsministerium hat den Auftrag, mit 23 Milliarden und zusätzlich jenem Geld, das aus Liegenschafts- und Geräteverkäufen hereinkommt, auskommen zu müssen. Das ist


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eine durchaus schwierige Aufgabe. Es ist daher dem Herrn Bundesminister Dank zu zollen, dass er den Betrieb aufrechterhalten kann. Ich möchte mich aber auch bei allen Bediensteten des Ministeriums, bei den Soldaten, bei den Vertragsbediensteten, bei den Beamten, sehr herzlich bedanken dafür, dass sie mit hoher Motivation, mit einer großartigen Diensterfüllung die Veränderungen im Bundesheer zur Kenntnis nehmen, sogar zur Kenntnis nehmen, dass es in einigen Bereichen zu Gehaltsveränderungen und -kürzungen gekommen ist. Dafür, meine Damen und Herren, gebührt allen großer Dank, und diesen möchte ich in dieser Budgetdebatte aussprechen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! In diesem Budget sind zusätzliche 100 Millionen Schilling für den Assistenzeinsatz an der ungarischen Grenze vorgesehen. Es ist dies nur ein Teil der Abgeltung der Assistenzleistung des Bundesheeres, aber es ist hervorzustreichen. Warum? – Weil es dazu dient, unsere Soldaten an der Grenze besser ausrüsten zu können, um zum einen ihren Einsatz sicherer zu machen und zum anderen die Unterkünfte zu verbessern, aber auch um jenen Organisationen, Schleppern und den armen Flüchtlingen, den geschleppten Menschen, entsprechend entgegentreten zu können, um der internationalen Kriminalität Einhalt gebieten zu können.

Herr Bundesminister! Im nächsten Bundesvoranschlag wird auch das Landesverteidigungsbudget höher sein müssen. Wir müssen 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen, und Sie haben dabei unsere Unterstützung, weil sich die Österreichische Volkspartei für die Notwendigkeit der Landesverteidigung und des Bundesheeres ausspricht und ein modernes europäisches, aber auch finanzierbares Heer haben möchte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Budgetangelegenheiten wäre es natürlich hilfreich, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wenn Sie einigermaßen mit einer Zunge reden würden. Auf der einen Seite sind die Kollegen Gaál und Kummerer und all die anderen Genossen, die im Verteidigungsausschuss sind, und auf der anderen Seite lässt uns Herr Edlinger immer wieder wissen, dass gerade beim Bundesheer zu sparen sei, oder man schickt den Juso-Führer vor, der überhaupt für die Abschaffung des Bundesheeres eintritt. Mehr Berechenbarkeit und eine weniger populistische oder parteipolitisch gefärbte Vorgangsweise wären für die Sicherheitspolitik hilfreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Trotz dieses Budgets gelingt es, dem Bundesheer Beschaffungen zu ermöglichen, die äußerst notwendig sind, wie wir wissen. Wir bekommen Leicht-LKW. Es ist, Herr Bundesminister, noch mit einem Nachholbedarf von fast 1 000 LKW zu kalkulieren. Aber auch die Pioniere bekommen die notwendigen Schnellbrücken. Es geht um die "Ulan"-Panzer, es werden Radargeräte und Funkgeräte beziehungsweise Kampfanzüge beschafft. All das sind Dinge, die dringend notwendig sind, weil unser Gerät und das Material durch In- und Auslandseinsätze natürlich überbeansprucht sind.

Auf die internationalen Operationen wird Kollege Freund noch eingehen. Ich möchte lediglich die Notwendigkeit herausstreichen. Ich möchte die Verpflichtung der Bundesregierung, dass Österreich 2 000 Mann zu stellen hat, diese bereitzuhalten und in 30 bis 60 Tagen zur Verfügung zu stellen hat, unterstreichen. Diese Truppen mit entsprechendem Gerät und sicherem Gerät auszustatten ist Verpflichtung, und insbesondere ist die Freiwilligkeit, meine Damen und Herren, zu unterstreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da Herr Schieder in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam macht, dass in bestimmten Teilen auch von einer Verpflichtung gesprochen werden muss, möchte ich diesen Gedanken aufgreifen, und ich meine, dass dies durchaus diskutiert werden sollte.

Meine Damen und Herren! Die Strukturreform ist im Gange, eine Strukturreform, die beim Ministerium oben ansetzt und der Truppe ihren Bestand lässt. Das ist ein richtiger Vorgang, und mit dieser Grundtendenz sind wir, bin ich selbstverständlich einverstanden. Aber all das darf nicht ohne entsprechend sensible soziale Maßnahmen vor sich gehen und braucht eine zeitliche Komponente, die uns Überlegungen und Augenmaß sichert.


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Eine weitere soziale Leistung möchte ich hier ansprechen, weil es mir sehr wichtig ist, dass endlich, so wie im Exekutive-Hilfeleistungsgesetz, auch die Familien unserer Soldaten bei einem, wie wir nicht hoffen, aber durchaus auch möglichen tödlichen Ausgang im Einsatz finanziell abgesichert sind.

Meine Damen und Herren! Um Österreich in Europa und in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend einbinden zu können, diskutieren wir eine neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, und diese Doktrin wird uns in nächster Zeit sicherheitspolitisch begleiten. Ein entsprechendes Papier wurde erarbeitet und vorgelegt, und jetzt ist das Parlament aufgerufen, jetzt, meine Damen und Herren, sind die Abgeordneten aufgerufen, dieses Papier zu diskutieren. Eine Bestandsaufnahme soll von allen Parteien gemeinsam mit allen betroffenen Organisationen, um einen möglichst breiten Konsens zu erzielen, erfolgen. Ich darf Sie aufrufen, darüber zu diskutieren, einen Konsens zu finden, aber darüber hinaus auch entsprechende Möglichkeiten der Sicherheitspolitik unseres Landes zu definieren, also Optionen zu überlegen und festzusetzen, um unser Land in die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik entsprechend einbringen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich meine, dass jene nicht gut beraten sind, die aus populistischen oder parteipolitischen Überlegungen die Diskussion grundsätzlich verweigern oder sich vielleicht, wie in anderen Fällen, hinter der Neutralität verschanzen und sagen, dass wir neutral sind und daher keine Diskussion stattfindet. Meine Damen und Herren! Das ist im Bereich der Sicherheit nicht zulässig! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Dem Budget ist aus Sicht der Volkspartei zuzustimmen, zumal eine Erhöhung auf 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Aussicht gestellt ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

9.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. Die Uhr ist auf 15 Minuten gestellt. – Bitte.

9.44

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Abgeordnete! Die Diskussion um das Budget für das österreichische Bundesheer, für die österreichische Landesverteidigung sollte auch Gelegenheit geben, über grundlegende Fragen der österreichischen Sicherheitspolitik zu debattieren. Es sollte aber auch die Gelegenheit genützt werden, auf die – wenn manchmal auch unter schwierigen Bedingungen zu erbringenden – herausragenden und hervorragenden Leistungen unserer Soldaten, der Soldaten des österreichischen Bundesheeres, hinzuweisen. Ich glaube, wir sollten hier im Hohen Haus all unseren Soldaten Dank und Anerkennung bezeugen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das österreichische Bundesheer hat sich in den letzten zehn Jahren von einer Friedensarmee, von einer Ausbildungsarmee zu einer Einsatzarmee entwickelt. Heute, wenn wir hier über die Fragen der Landesverteidigung diskutieren, stehen 4 000 Soldaten – 4 000 österreichische Soldaten! – im Einsatz. Ob im Assistenzeinsatz in ganz Österreich, vor allem an der niederösterreichischen und burgenländischen EU-Außengrenze, oder in vielen Missionen in Europa und außerhalb Europas sorgen unsere Soldaten für Schutz und Hilfe. Und ich sage dazu: für Schutz und Hilfe dort, wo es andere nicht mehr können. Daher ersuche ich Sie, das auch gerade dann zu berücksichtigen, wenn es darum geht, über Aufwendungen für unsere Landesverteidigung zu diskutieren.

Wir sehen immer wieder, dass der Bedarf und die Notwendigkeit von Aufwendungen für die militärische Landesverteidigung, aber auch manchmal die Notwendigkeit einer Armee überhaupt in Frage gestellt werden, solange nichts passiert. Diese Stimmen verstummen aber sehr rasch, wenn dann ein Einsatzfall eintritt. Es muss kein militärischer Einsatzfall sein, aber wir sollten uns auch daran erinnern, dass es erst zehn Jahre her ist, nämlich 1991 war es, dass Soldaten des österreichischen Bundesheeres ausrücken mussten, um in einem Fall der militärischen Landesverteidigung die Grenzen Österreichs gegen Süden zu sichern. Das sollte man nicht


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vergessen, wenn die Sinnhaftigkeit der Landesverteidigung in Frage gestellt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Stimmen verstummen auch dann, wenn es darum geht, bei Hochwasserkatastrophen, bei Lawinenkatastrophen, bei Sturmschäden, bei all diesen Gefahren nach dem Bundesheer zu rufen. Wir sehen dabei, dass es zwar viele zivile Organisationen gibt, die selbstverständlich auch in diesem Bereich tätig sind, aber dann, wenn eine derartige Katastrophe ein gewisses Ausmaß überschreitet und vor allem die Bewältigung mehr als einige Tage dauert, dann ist es nur mehr möglich, mit Kräften einer Armee, in Österreich mit Kräften des österreichischen Bundesheeres diese Probleme zu lösen.

Wir sollten uns vergegenwärtigen, meine Damen und Herren – gerade auch Sie von der Opposition –, dass diese Soldaten in einem gefährlichen, in einem oft lebensgefährlichen Einsatz stehen, egal in welchem Bereich das ist. Angesichts dessen kann es doch nicht zu minder sein, dass wir als politische Vertreter die Verantwortung wahrnehmen, den Soldaten, die in unserem Auftrag wichtige Aufgaben erfüllen, ihren Einsatz unter möglichst sicheren Gegebenheiten zu ermöglichen und das Notwendige – ich sage nicht mehr, aber auch nicht weniger – für diesen Einsatz und vor allem für die größtmögliche eigene Sicherheit bereitzustellen. Dafür sollte es einen möglichst breiten, ja einen 100-prozentigen Konsens auch hier im Parlament geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Sinne, Herr Kollege Gaál, verstehe ich es nicht, dass man einerseits auch von Ihrer Seite im Landesverteidigungsausschuss das Budget als zu niedrig kritisiert, dass man aber andererseits, wenn es um eine öffentliche Debatte geht, wenn es darum geht, auch in der Öffentlichkeit, vielleicht auch gegenüber der eigenen Klientel, in der eigenen Partei genau dieses Prinzip aufrechtzuerhalten, in alte ideologische Schemata verfällt und wieder die Frage der Landesverteidigung und die Problematik der Geldmittelaufbringung aufwirft und diese gegen andere Aufwendungen, wie etwa im Sozialbereich, ausspielt. Das halte ich für absolut verantwortungslos, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es kann nicht die Frage sein, ob wir ausreichende Mittel ... (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) – Ja, Herr Kollege Edlinger, Sie sind einer von jenen, die bei den letzten Budgets von "Geschenken" für das österreichische Bundesheer gesprochen haben. Herr Kollege Edlinger! Wo sind die Geschenke? (Abg. Edlinger: Sie rauben die Pensionisten und andere aus!) Ich habe sie gesucht, ich habe sie leider nicht gefunden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist unverantwortlich, meine Damen und Herren, dass man Sicherheit gegen andere Aufgaben ausspielt. Wollen Sie die Verantwortung dafür übernehmen, Herr Kollege Edlinger (Abg. Edlinger: Pensionisten und Unfallrentner sind mir wichtiger als das Bundesheer!), dass wir Soldaten in einen Einsatz schicken, obwohl wir nicht davon überzeugt sind, dass die Soldaten entsprechend ausgerüstet sind? (Abg. Edlinger: Da haben Sie Recht, mir sind die Menschen wichtiger als das Militär! Da haben Sie Recht!) – Meine Damen und Herren! Das war interessant: Ihnen sind die Menschen in diesem Land wichtiger als das Militär. Sind die Soldaten des österreichischen Bundesheeres keine Menschen, Herr Finanzminister außer Dienst Edlinger? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich stelle Ihnen die Frage: Sind die Soldaten des österreichischen Bundesheeres, die tagtäglich auch für Sie (Abg. Mag. Trattner: Das ist die Präpotenz des Edlinger!) ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen – niemand von uns, auch Sie nicht, weiß, ob er nicht morgen auch die Hilfe dieser Soldaten braucht –, in Ihren Augen keine Menschen, die zumindest ebensoviel wert sein sollten wie alle anderen Bevölkerungsteile in Österreich? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Das sind die Pole, die wir haben, das sind die Widersprüchlichkeiten, die es auch in der Opposition gibt, meine Damen und Herren! Das sollte auch einmal hier dargestellt werden. (Abg. Dietachmayr: Das Geld, Herr Minister! Es geht um das Geld!) – Ja, es geht um das Geld, Herr Kollege! Es ist eben notwendig, gewisse Mittel für die Landesverteidigung, für die Ausrüstung bereitzustellen. Österreich ist das absolute Schlusslicht bei den Aufwendungen für die Landes


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verteidigung, und zwar nicht erst seit diesem oder dem letzten Budget, sondern Österreich hat in den letzten 40 Jahren die eigene Landesverteidigung nie so ernst genommen wie andere neutrale Staaten, wie etwa die Schweiz, die mehr als das Doppelte für die eigene Sicherheit aufgewendet hat. (Abg. Edlinger: Falsche Anschaffungen haben Sie gemacht!)

Wir haben jetzt das Problem, auf der einen Seite einmal Ihren Schuldenberg, Herr Kollege Edlinger, aufzuarbeiten und auf der anderen Seite die Defizite aus den letzten Jahrzehnten zu kompensieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Das ist der Schuldenberg der ÖVP!)

Wir stellen uns dieser Aufgabe, weil uns und auch mir als Verteidigungsminister die Zukunft unseres Landes und die Zukunft unserer Sicherheitspolitik ein Anliegen sind. Wir werden diese Defizite Schritt für Schritt beseitigen. Das Budget 2002 ist mit dem Budget 2001 identisch, Herr Kollege Gaál! Im Jahre 2000 haben wir noch 500 Millionen Schilling als Überschreitungsermächtigung dazubekommen, für die wir Beschaffungen vorgezogen haben. Also 23,5 Milliarden Schilling für die österreichische Landesverteidigung sind kein Anlass zu Freudensprüngen, aber es ist ein Weg in die richtige Richtung, sodass man in dieser Sanierungsphase zumindest einmal die notwendigsten betrieblichen Anforderungen abdecken kann. (Abg. Murauer  – in Richtung des Abg. Edlinger –: So hat nicht einmal der alte Marx gedacht!)

Wir werden auch in den eigenen Bereichen – das haben Sie hier vom Rednerpult aus nicht angesprochen – die Strukturen straffen, wir werden auch dafür sorgen, dass wir eine militärische Führungsstruktur bekommen, bei der das Verhältnis zwischen Einsatzorganisation und Verwaltung verbessert wird. Ich habe Ihnen vor wenigen Wochen diese Strukturen vorgestellt. Es sind vorgesehen: 20 Prozent weniger Personal in der Verwaltung, in der Zentralstelle, diese Bereiche sollen zur Truppe verlagert werden. Sektionen sollen zusammengelegt und Sektionen sollen aufgelöst werden und zur militärischen Struktur übergeleitet werden. Das ist die richtige Richtung, und ich bin sehr stolz darauf, dass es auch in meinem Ressort solch eine große Übereinstimmung für diesen Weg gibt, dass wir in den eigenen Bereichen bei der Verwaltung einsparen, um entsprechend glaubwürdig auftreten zu können, wenn es darum geht, zusätzliche Budgetmittel einzumahnen.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass erstmals seit zehn Jahren die Frage des Assistenzeinsatzes des österreichischen Bundesheeres an der burgenländischen und niederösterreichischen Grenze einer professionellen Lösung zugeführt wird. Das österreichische Bundesheer hat in den letzten zehn Jahren fast 6 Milliarden Schilling aus den eigenen Budgetmitteln dafür aufgebracht, dass eine Aufgabe, die eigentlich dem Innenministerium zukommt, übernommen worden ist. Wir bekennen uns dazu. Wir bekennen uns dazu, dass wir überall dort, wo ein Ressort die eigenen Aufgaben nicht ausreichend erfüllen kann, selbstverständlich Unterstützung leisten müssen. Es muss aber auch klar sein, dass die Kosten dafür refundiert werden und dass bei der Ausstattung und bei der Ausrüstung ein gleicher Standard zwischen den verschiedenen Exekutivkörpern, die diese Aufgabe übernehmen, gewährleistet sein muss.

Wir haben mit den 100 Millionen Schilling, die wir kürzlich im Ministerrat beschlossen haben, einen ersten Schritt in diese Richtung gesetzt, und ich kann sagen, dass wir mit dem Gerät, das wir damit anschaffen können, endlich auch eine Gleichheit bei der Ausrüstung mit unseren Gegnern zustande bringen. Ich sage hier deutlich: Unsere Gegner an der Grenze sind nicht die Flüchtlinge, sondern sind Schlepperorganisationen, kriminelle Organisationen, die hoch gerüstet und technologisch an der Grenze stehen, also genau mit diesem Gerät, das uns in den letzten zehn Jahren gefehlt hat. Jetzt wird endlich ein Gleichstand im Interesse der Sicherheit in der Ostregion geschaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine wichtige Aufgabe – einige Abgeordnete haben es angesprochen – wird auch in der Zukunft die Einbindung Österreichs in die internationalen Strukturen, die Beteiligung Österreichs auch an internationalen Einsätzen sein. Auch hier wird immer wieder gefragt: Wozu schicken wir österreichische Soldaten in das Ausland? – Dazu muss man eines klar und deutlich sagen: Gerade heute blicken wir wieder mit Sorge auf den Balkan und hoffen, dass aus der Krise in Mazedonien nicht wieder ein Flächenbrand wird, der nur mehr schwer und dann nur mehr mit


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militärischen Mitteln zu kontrollieren sein wird. Uns muss heute klar sein, dass es keinen Konflikt mehr in Europa, aber auch rund um Europa gibt, der nicht zumindest mittelbar Auswirkungen auch auf die Sicherheitsinteressen Österreichs hat. Es ist für uns von Interesse, da mit eingebunden zu sein und mitzuhelfen, dass entweder Krisen erst gar nicht entstehen – das wäre die wichtigste Aufgabe der Sicherheitspolitik, und diesbezüglich gibt es im Bereich Europa auch noch einiges nachzuholen – oder, wenn Krisen entstanden sind, zu verhindern, dass sie sich zu einem Flächenbrand entwickeln, und wenn auch das nicht mehr zu verhindern ist, dann derartige Krisen mit einer notwendigen militärischen Kapazität zu bewältigen.

Ich sage es noch einmal: Wir sollten uns daran erinnern, dass derartige Krisenherde auch an unsere Grenzen herangetragen werden können. Niemand kann vorhersehen, wie sich die Sicherheitslage in den nächsten fünf oder zehn Jahren gestalten wird. Deshalb leistet jeder Soldat, der im Bereich der Vereinten Nationen oder wie jetzt am Balkan im Rahmen von KFOR zur Sicherheit der Region beiträgt, auch einen Beitrag zur Sicherheit Österreichs.

Kollege Gaál hat gefragt: Wie sieht denn die Vorbereitung für KIOP, für unsere Krisenreaktionskräfte im Rahmen der Europäischen Union aus? – Herr Kollege Gaál! Nicht Österreich ist säumig, ganz im Gegenteil: Wir haben ein klares Konzept vorbereitet, wir haben es auch zur Umsetzung freigegeben, und wir haben unseren Beitrag der Europäischen Union gemeldet. Jetzt liegt es an der Europäischen Union, die nationalen Beiträge zu einem Gesamtbild zusammenzuführen, zu evaluieren und dann einen Stufenplan zur Realisierung der entsprechenden Vorhaben umzusetzen. Das bis jetzt noch nicht geschehen. Gerade Sie, Herr Kollege Gaál, mahnen doch immer eine effiziente Mittelverwendung ein. Es wäre doch völlig unsinnig, Geld in ein Projekt zu investieren, von dem noch gar nicht klar ist, wie es aussehen wird, weil die Europäische Union ihren Zeitplan mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht einhalten wird können.

Aber ich sage Ihnen, welchen Weg wir hier gegangen sind. Wir haben den Weg der Motivation eingeschlagen. Ich habe bei jeder meiner Veranstaltungen darauf hingewiesen, dass internationale Einsätze wichtig sind, dass das in Zukunft eine wichtige Aufgabe des österreichischen Bundesheeres sein wird. Und ich sage Ihnen mit Stolz, dass es gerade wieder die österreichischen Soldaten sind, die sich jetzt mit besonderem Engagement in diesem Bereich der internationalen Einsätze beteiligen, die vorbildhaft bei diesen Einsätzen wirken, gerade etwa im Kosovo, wo wir nicht Gefahr laufen, als Partei für die eine oder andere Konfliktpartei gesehen zu werden, sondern wo unsere Soldaten höchste Anerkennung von allen Seiten bei ihren Einsätzen erlangen. Das sollten wir auch entsprechend hervorheben.

Wir haben keine Probleme bei den Rotationen, weil sich ganze Kompanien aus den Kasernen für Auslandseinsätze melden. Es sollte uns doch Anlass zu Optimismus und zu Freude geben, dass unsere Soldaten trotz dieser manchmal schwierigen Rahmenbedingungen einsatzbereit, gut motiviert sind und ihren Auftrag, im Sinne Österreichs tätig zu sein, auch entsprechend wahrnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist selbstverständlich eine Priorität – Kollegin Lichtenberger hat es angesprochen –, gerade bei der Ausrüstung dieser Soldaten einiges zu tun. Ich habe den Auftrag gegeben, Frau Kollegin Lichtenberger – Sie wissen, dass gerade im Budget 2002 dafür Geldmittel reserviert sind –, dass es einen neuen Kampfanzug gibt, dass es eine neue Rüstung gibt, aber wenn es darum geht, auch unsere Soldaten entsprechend zu schützen – Sie haben gesagt, da braucht man kein schweres Gerät –, dann ist es auch notwendig, sie entsprechend splittergeschützt zu transportieren. Dazu sind Mannschaftstransportpanzer notwendig, dazu sind Schützenpanzer notwendig. Und das sind dann genau die Anschaffungen, die in die Milliarden gehen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber sie haben nicht einmal Helme!)

Wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, dann sind wir diesbezüglich einer Meinung. Was hindert uns dann, diesen nationalen Konsens auch bei diesen wichtigen Beschaffungsvorhaben entsprechend umzusetzen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Lichtenberger! Sie haben die Frage gestellt, ob es eine Kontaminierung bei den Hubschraubern gibt. Frau Kollegin Lichtenberger! Ich weiß nicht, ob Sie das ernst gemeint


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haben, aber ich würde wirklich ersuchen, nicht mit derartigen Gerüchten oder Verdächtigungen Politik zu machen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. ) Ich bin sehr stolz darauf, dass wir erstmals seit langem auch im Bereich der Großgeräte eine Neubeschaffung tätigen können, das heißt, diese Hubschrauber werden von A bis Z neu gefertigt. Es gibt überhaupt keinen Hinweis darauf (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger ), dass es eine Gefährdung geben kann.

Wenn Sie von Waffensystemen sprechen, Frau Kollegin Lichtenberger, dann muss ich Ihnen sagen, dass wir selbstverständlich alles tun – so wie bei allen Beschaffungen –, damit wir das militärisch beste Gerät zur bestmöglichen Sicherheit unserer Soldaten beschaffen können. Das allein hat Kriterium zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie von kontaminierten Waffensystemen sprechen, dann kann ich Ihnen sagen: Im Gegensatz zu dem, was Sie mir oft unterschoben haben, beschaffen wir keinen Kampfhubschrauber, und es umfasst diese Beschaffung auch keine Waffensysteme, sondern es wird dieser Hubschrauber von der Grundausstattung her beschafft, und es werden keine Waffensysteme mit eingebracht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Schauen Sie sich doch die Werbebroschüre an! Die müssen Sie doch kennen!)

Sie haben dann auch die Frage der Bündnisfreiheit, der Neutralität angesprochen und mir vorgeworfen, ich würde irgendetwas im Bereich der Sicherheitspolitik ändern. Frau Kollegin Lichtenberger! Ich ändere überhaupt nichts, ganz im Gegenteil: Ich befinde mich völlig im Einklang mit unserer Verfassungslage, und ich bin auch verpflichtet, mich auf deren Ebene zu bewegen. (Abg. Murauer: Zum Unterschied von Herrn Pilz, der das Bundesheer abschaffen will!)

Nur muss es im Zuge dieser Diskussion über eine Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, in der wir uns jetzt gerade befinden und die wir auch schon vor zehn Jahren hätten führen sollen – und ich hoffe doch, dass wir zu einer objektiven Diskussion zurückfinden –, doch auch möglich sein, Frau Kollegin Lichtenberger, endlich auch die Wahrheit zu sagen! Sie waren es doch auch mit Ihrer Fraktion, die gemeinsam mit uns in den letzten zehn Jahren immer wieder kritisiert haben, dass Maßnahmen, ja sogar Verfassungsänderungen gesetzt wurden, auch im Rahmen des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union, die mit einem ernst genommenen Status der völkerrechtlichen Neutralität unvereinbar gewesen sind. Da haben Sie uns doch zugestimmt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Da haben Sie uns zugestimmt!)

Wenn man heute endlich ehrlich sagt, dass all diese Maßnahmen, die früher gesetzt worden sind, heute Österreich den Status eines bündnisfreien Landes wie Schweden und Finnland geben und ehrlicherweise mit einer ernst genommenen völkerrechtlichen Neutralität nicht mehr viel zu tun haben, dann sollten Sie das unterstützen und nicht als verfassungswidrig kritisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir müssen endlich dazu kommen, gemeinsam mit der Bevölkerung offen und ehrlich über unsere sicherheitspolitischen Parameter zu diskutieren. Ich hoffe, dass wir dazu kommen werden, meine Damen und Herren, auch von der Opposition! (Abg. Dr. Lichtenberger: Wann denn? Wann?) Sie wissen, wir haben es angeboten, einen breiten Konsens in den Fragen der Sicherheitspolitik zu erlangen. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten umfassend, offen und, so hoffe ich, auch ehrlich über die Bedrohungs- und Sicherheitsszenarien diskutieren müssen. Wir werden daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen haben, und wir werden dann auch – hoffentlich gemeinsam – die Maßnahmen in diesem Bereich zu treffen haben.

Hier geht es nicht um eine Bündnismitgliedschaft, sondern es geht darum, die österreichische Sicherheitspolitik – von der politischen bis zur militärischen Komponente – so fit zu machen, so zukunftsorientiert neu zu gestalten, dass eines garantiert sein kann, nämlich dass wir einen Beitrag zur Sicherheit des Kontinents Europa leisten können, dass wir damit gleichzeitig aber auch mit einem gut ausgerüsteten, einem gut ausgebildeten und auch einem gut motivierten österreichischen Bundesheer dafür sorgen, dass Österreich in Zukunft von allen Kriegen und von allen Kampfhandlungen auf unserem Staatsgebiet verschont bleiben wird und dass auf


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Dauer eine Friedensordnung in Europa zum Wohle auch unserer Bevölkerung aufbereitet und umgesetzt werden kann.

Wir alle sollten unsere Verantwortung als Repräsentanten der Politik und der Gesellschaft wahrnehmen und die Fragen der österreichischen Sicherheit aus der parteipolitischen Diskussion heraushalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

10.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Bundesminister! So einfach ist es nicht. Sie können nicht immer versuchen, einen Keil in die Sozialdemokratie hineinzutreiben. Sie können nicht immer behaupten, es gibt unterschiedliche Aussagen, wenn es schlicht und einfach nicht stimmt. Ich komme darauf noch einmal zurück.

Herr Bundesminister! Gott sei Dank ist das österreichische Bundesheer ein Teil des Gesamten. Weil das so ist, muss sich das österreichische Bundesheer auch als Teil im Gesamten diskutieren lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es nützt nichts, Herr Minister: Solange Sie solche soziale Belastungen setzen, solange Sie den Lohnsteuerpflichtigen 111 Milliarden Schilling zusätzlich abnehmen, solange Sie Besteuerungen vornehmen, für die kein Mensch, nicht einmal ein "einfaches Parteimitglied" in Kärnten Verständnis hat, solange Sie die Besserverdienenden, die Firmen, die Stiftungen verschonen, so lange, Herr Minister, werden Sie es sich gefallen lassen müssen, dass die Sozialdemokratie jede einzelne Ausgabe, die Sie und Ihre Regierungsmitglieder setzen, penibel überprüft. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zur Situation in der Landesverteidigung selbst: Hier ergibt sich ein interessantes Bild – das wurde schon öfter angesprochen –, wenn wir vergleichen, wie der Wehrsprecher der Freiheitlichen Partei als Oppositionspolitiker agiert hat und wie er heute seinen Verpflichtungen als Minister nachkommt.

Ich behaupte, er nimmt viel von seinem Vorgänger an. Er ähnelt immer mehr Werner Fasslabend, der uns auch im Ausschuss mit wohlgesetzten und langen Worten Auskünfte gegeben hat, ohne etwas zu sagen. (Abg. Murauer: Das zeichnet ihn aus, wenn er Fasslabend ähnelt! Das zeichnet ihn sehr aus, Herr Kollege!)

Mir ist es genauso ergangen. Kollegin Lichtenberger war diesbezüglich wesentlich besser bedient, denn sie hat noch Antworten erhalten. Ich habe keine Antworten erhalten. (Abg. Dr. Lichtenberger: Es steht eh nichts in den Antworten! Nicht neidig sein!) " Leider" hat der Vorsitzende des Landesverteidigungsausschusses die Zensur, die er im Ausschuss zu verhängen versucht hatte, nicht durchgebracht – das ist schief gegangen. Ich habe mir zuerst überlegt, ob ich nicht gleich die Fragen an Herrn Jung stelle, denn vielleicht wäre da eine Antwort gekommen. Vom Herrn Minister ist sie nicht gekommen.

Was meine ich? – Wir haben uns über die Darstellung unterhalten, wie sich das Landesverteidigungsbudget im Zusammenhang mit dem Bruttoinlandsprodukt in den letzten Jahren entwickelt hat. (Bundesminister Scheibner: Negativ!) Sie haben keine Antwort gegeben. (Bundesminister Scheibner: Negativ!) Das Zahlenmaterial, um das ich Sie ersucht habe, wurde nicht genannt.

Ich habe es dann selbst errechnet, und ich bin auch gerne bereit, Ihnen die Aufstellung zu übergeben, Herr Bundesminister! Wenn man es durchrechnet und die Zahlen sieht, dann versteht man, warum Sie diese Auskunft im Ausschuss nicht gegeben haben. Wenn meine Rechnungen stimmen, dann sind Sie jetzt mit den Aufwendungen für die Landesverteidigung glücklich bei


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0,71 Prozent des Bruttoinlandsproduktes angelangt – Zahlen, die von jenen unter Edlinger, den Sie genannt haben, weit weg sind.

Sie legen heute Ihr drittes Budget vor, und Tatsache ist, dass es eine kontinuierliche Verschlechterung für das Bundesheer gegeben hat. Die Zahlen lassen das klar erkennen – sogar wenn ich Ihnen zubillige, diese zusätzliche Milliarde, die bereits für das Jahr 2000 verbucht ist, auf 2001/2002 aufzurechnen.

Wenn ich Ihnen zubillige, diese 100 Millionen, die Sie erwähnt haben, noch aufzurechnen, dann sind wir glücklich und endlich bei 0,726 beziehungsweise mit den 100 Millionen bei 0,729. Drei Tausendstel Prozent, Herr Bundesminister, bekommen Sie für den Grenzeinsatz. Damit möchte ich mich noch ein bisschen beschäftigen. (Abg. Murauer: Wer hat jetzt Recht: Edlinger oder Kummerer?)

Herr Bundesminister! Sie haben mehrmals erwähnt, Sie sehen den Sicherheitsbegriff globaler als den militärischen Sicherheitsbegriff. Dafür bin ich auch. Wenn wir uns mit dem globalen Sicherheitsbegriff beschäftigen, dann ist uns Abgeordneten aus dem Grenzland das ein besonderes Bedürfnis.

Meine Damen und Herren! Wie schaut es tatsächlich aus? – Der Landesverteidigungsminister droht, den Grenzeinsatz zu beenden, sich zurückzuziehen, und bekommt 100 Millionen Schilling, um ihn weiter fortzusetzen. Da muss man auch noch dazusagen, dass sich die Soldaten 50 Millionen von diesen 100 Millionen selbst zahlen, denn sie haben durch die Kürzungen von Einsatzgebühren 50 Millionen an den Finanzminister abgeliefert. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Der Unterschied ist: Die 100 Millionen Schilling bekommen sie einmal, die 50 Millionen Schilling zahlen die Soldaten jährlich. Und was macht der Innenminister? – Der Innenminister schützt uns, indem er Dienstposten abbaut – man hört 1 000 –, indem er Vorsorge dafür trifft, Gendarmerieposten zu schließen, indem er bei der Ausrüstung stoppt, indem der Funk zurückgestellt ist, indem kein Fahrzeugersatz kommt. Unsere Beamten bewegen sich in Fahrzeugen mit weit über 200 000 Kilometern und horrenden Reparaturkosten.

Scheibner meint, er zieht seinen Assistenzeinsatz vielleicht Ende des Jahres zurück, wenn nicht endlich Geld kommt. Auch das ist ein Zeichen der neuen Bundesregierung, das meiner Meinung nach interessant ist. (Abg. Zweytick: Wer hat sie ausgehungert?)

Es liegt betragsmäßig jetzt erstmals das Budget des Kapitels Inneres unter dem Budget des Kapitels Landesverteidigung – so betrachtet man die innere Sicherheit in Österreich unter dieser neuen Regierung. (Abg. Murauer: Du musst dich davon lösen, dass nur mit Geld Sicherheit zu vermitteln ist! Du musst dich davon lösen! Das hat man in der Vergangenheit gemacht! Es gibt auch andere Mittel, Sicherheitspolitik zu machen!) Den tatsächlichen Stellenwert, Herr Kollege Murauer, haben wir alle bei der Budgetrede des Finanzministers gehört: Diese beiden Kapitel, Inneres und Landesverteidigung, waren dem Finanzminister kein einziges Wort in der Budgetdebatte wert. Das interessiert in der neuen Regierung niemanden! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Jung. )

10.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bösch. – Bitte.

10.11

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Anteil des Landesverteidigungsbudgets am Bruttoinlandsprodukt wird im Jahr 2002 0,752 Prozent betragen, im Jahre 2001 waren es 0,778 Prozent; das ist eine Verringerung um 0,026 Prozentpunkte. Wir räumen das ein.

Aber durch eine Überschreitungsermächtigung zu 100 Prozent der Veräußerungen aus militärischem Altgerät und Material ist das zu kompensieren. Deshalb wird das Verteidigungsbudget für das Jahr 2002 ein stabiles Budget sein. Es ist knapp, aber für uns Freiheitliche akzeptabel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Dass die SPÖ bedauert, dass das Verteidigungsbudget so niedrig ist, darf ich auch heuer, wie ich es letztes Jahr getan habe, sehr begrüßen.

Meine Damen und Herren der SPÖ! Wir werden Ihre Unterstützung in der Anpassung des Landesverteidigungsbudgets auf einen europäischen Rahmen künftig wieder brauchen können. Aber – Kollege Murauer ist dankenswerterweise schon darauf eingegangen – das Hauptziel dieser Bundesregierung ist die Budgetsanierung! Wir sanieren die Staatsschulden der SPÖ, die Sie in den letzten 30 Jahren angehäuft haben. Daran, meine Damen und Herren, beteiligt sich auch das österreichische Bundesheer. (Abg. Parnigoni: Das glaubt kein Mensch mehr! Das hat man in Wien gesehen!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie werden doch nicht wieder Schulden zum Ankauf von Abfangjägern machen wollen. Mit dieser Bundesregierung wird das nicht gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Bundesminister Scheibner ist ein Garant für intelligente Beschaffungsvorgänge in allen Bereichen, die das Bundesheer betrifft. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das wäre mir aber neu!)

Herr Kollege Gaál! Sie haben auch eine Straffung der Organisation des Bundesheeres angesprochen, und Sie haben hier auch unsere Unterstützung. Sie haben klar gesagt, dass es zu Einsparungen und Umgliederungen von Dienstposten kommen muss. Genau das, Herr Kollege Gaál, hat Herr Bundesminister Scheibner in diesem Jahr eingeleitet. Durch seine umfassende Reorganisation der Spitze des Bundesheeres, durch eine Umgliederung von zirka 2 000 Dienstposten von der Verwaltung hin zu der Truppe wird genau das erreicht, was Sie angesprochen haben, Herr Kollege!

Deshalb ist es umso bedauerlicher, dass Ihre Genossen gestern in der Debatte zur Verwaltungsreform die Frau Vizekanzlerin angegriffen und von ihr gefordert haben, sie solle keine Einsparungen im Personalbereich bei den Ministerien zulassen. Ihnen, Herr Kollege Gaál, kann ich zustimmen: Das, was Ihre Freunde gestern gesagt haben, war falsch. Bundesminister Scheibner ist auch hier ein Garant dafür, dass die Einsparung von Dienstposten mit einer sozialen Verträglichkeit und mit einer Straffung der Organisation gekoppelt ist.

Meine Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer kann auch in dem Jahr, das hinter uns liegt, auf einige Erfolge verweisen. Es hat die Entscheidung in der Frage der Beschaffung neuer Hubschrauber gegeben. Frau Kollegin Lichtenberger ist darauf schon eingegangen. Mit diesen Hubschraubern wird die Assistenzfähigkeit des Bundesheeres und nicht seine Kriegsfähigkeit erhöht. Denken Sie nur an die Lawinenabgänge in Galtür in Tirol. Das wird Ihnen doch auch ein Anliegen sein, Frau Kollegin, dass hinkünftig dort das österreichische Bundesheer einen ordentlichen Einsatz durchführen können wird. (Abg. Dr. Lichtenberger: Eine absolute Instinktlosigkeit! Lassen Sie das bitte bleiben!)

Die Sicherstellung der Fortführung des Assistenzeinsatzes bis 2002 und die Kompensation der dort eingesetzten Mittel des Bundesheeres mit 100 Millionen Schilling sind ein weiterer Punkt. Die Ermöglichung der Milizlaufbahn für Frauen, erfolgreiche humanitäre Einsätze in Mosambik und anderen Bereichen der Welt, eine Forcierung des Heeresleistungssportes – ein wichtiger Beitrag zur Förderung in diesem Bereich –, eine unbürokratische Möglichkeit für Zivildienstwartende zur Ableistung des Wehrdienstes (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja genau! Das war das Ziel! Das war das Ziel!), humanitäre Akzente auch in der Initiative zur Behandlung von schwer verletzten Kindern in Heeresspitälern, die Verunmöglichung von Kindersoldaten – all das sind im vergangenen Jahr Schritte gewesen, die Beweis genug dafür sind, dass Bundesminister Scheibner die Armee in eine Richtung entwickelt und reformiert, die richtig ist.

Das Militärbefugnisgesetz trat in Kraft. Das Einsatzzulagengesetz, das Heeresgebührengesetz und vieles mehr sind verabschiedet worden. Es wird zur Beschaffung von 200 modernen LKW kommen, da die LKW zu Recht immer wieder in ihrem Zustand kritisiert werden. Die Mannesausrüstung wird verbessert, der Kampfanzug und der Splitterschutz des einzelnen Soldaten


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werden im kommenden Jahr endlich modernisiert werden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Meine Damen und Herren! Alles in allem: Bundesminister Scheibner stabilisiert das Budget der Armee auch in diesem Jahr, und er reformiert sie in die richtige Richtung weiter. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Kontraredner ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte.

10.16

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich habe Ihre Beantwortung der Ausführungen Ihrer vier Vorredner auch sehr aufmerksam mitverfolgt. Gestatten Sie mir, dass ich auch einige kurze Bemerkungen dazu mache.

Herr Bundesminister! Zunächst einmal muss ich den Vorwurf, den Sie in Richtung SPÖ-Fraktion zu richten versucht haben, nämlich dass wir gegen das Bundesheer wären, mit aller Entschiedenheit zurückweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich bekenne mich klar zum österreichischen Bundesheer und befinde mich damit durchaus im Einklang mit unserer Gesamtpartei. Sie werden in allen Parteiprogrammen der SPÖ ein klares Bekenntnis zur umfassenden Landesverteidigung finden (Abg. Fink: Seit wann? Seit wann?), und wir bekennen uns auch inhaltlich dazu. Aber es ist nun einmal so, Herr Bundesminister – ich habe es Ihnen auch schon im Ausschuss gesagt –: Wenn die Bevölkerung von den Regierungsparteien in einem unglaublichen Ausmaß belastet wird, dann ist es nicht vermeidbar, dass auch über Ausgaben des Bundesheeres eine Diskussion geführt wird.

Aber, Herr Bundesminister, ich weiß auch nicht, warum Sie ununterbrochen sagen, Sie bräuchten unsere Unterstützung. Sie brauchen sie in Wirklichkeit nicht, Herr Bundesminister! Ihr Gegner im Bereich des Budgets für das Bundesheer, für die Landesverteidigung ist nicht in den Reihen der Sozialdemokraten zu suchen. Ihre Zielansprache, um in der militärischen Sprache zu bleiben, muss sich in Richtung Himmelpfortgasse richten. Dort sitzt der Gegner des österreichischen Bundesheeres, meine Damen und Herren! Der Finanzminister ist es, der Ihnen die Mittel nicht zur Verfügung stellt, die Sie brauchen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Es geht ja nicht um Geld, Herr Kollege!)

Das ist nichts besonders Neues. Sie haben jetzt innerhalb von 14 Monaten dem Parlament drei Budgets vorgelegt, und bei jedem Budget hören wir das Gleiche: Sie sind mit Recht unzufrieden, Kollege Jung ist mit Recht unzufrieden; während Sie aber immerhin noch von einer leichten Steigerung sprechen, Herr Bundesminister, sagt Ihr Kollege Bösch genau das Gegenteil, nämlich dass es ein geringeres Verteidigungsbudget gibt. – Man muss einmal wissen, was wahr ist.

Faktum ist, dass Ihnen der Finanzminister nicht jene Mittel zur Verfügung stellt, die Sie brauchen würden, und das ist die Situation, mit der Sie sich herumschlagen müssen.

Herr Bundesminister! Sie sind auch weit von dem entfernt, was Sie als Oppositionspolitiker immer gefordert haben. Da sind Welten dazwischen. Ich lese auch die Briefe der Österreichischen Offiziersgesellschaft sehr genau. Sie sind mit dem derzeitigen Zustand, mit dem, was derzeit im österreichischen Bundesheer vor sich geht, unzufrieden. Aber ich gebe Ihnen Recht, und ich anerkenne Ihre Bemühungen, dass Sie es besser haben wollen – überhaupt keine Frage.

Ich glaube auch, dass es Kollege Jung besser haben will. Aber Sie haben einen Finanzminister in Ihren Reihen, der sagt: Nein, da wird nicht mehr Geld dafür ausgegeben. – Ich bin wirklich neugierig, Kollege Bösch, wie das zu verstehen ist, wenn Sie sagen, die Abfangjäger werden nicht mit fremdem Geld finanziert werden. Aus der Portokasse des Verteidigungsministers wird


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es nicht möglich sein, Abfangjäger anzuschaffen! (Abg. Murauer: Gerade halt nicht! – Abg. Jung: Eben!) Da machen Sie es sich doch ein bisschen zu leicht.

Ein weiterer Punkt, Herr Bundesminister, der auch den Finanzminister betrifft, weil Sie sich auch hier nicht durchgesetzt haben oder Sie der Finanzminister im Regen stehen gelassen hat, betrifft die Assistenzleistung. Wir haben im Ausschuss noch darüber diskutiert, und Sie haben angekündigt, dass eine zufrieden stellende Lösung bei der darauf folgenden Ministerratssitzung getroffen werden wird.

Seit Monaten diskutieren jetzt drei Minister – der Innenminister, der Verteidigungsminister und der Finanzminister – darüber, wie es mit der Assistenzleistung im Burgenland und in Niederösterreich weitergehen soll. Herausgekommen ist nichts, Herr Bundesminister! Nichts! Herausgekommen ist das, was es bisher schon gegeben hat. Ich weiß nicht, worüber Sie oder die drei Minister, und dann zwei Beamtenrunden, gesprochen haben. Und dann haben Sie auch noch die Beratungsfirma Anderson eingespannt, die ein Konzept hätte entwerfen sollen und angeblich auch eines entworfen hat, das dann von den Ministern wieder nicht akzeptiert worden ist. Besonders hartnäckig, so höre ich, war auch hier der Widerstand des Finanzministers. Sie haben also nichts zusammengebracht. Berge kreißten, und ein Mäuslein wurde geboren.

Herr Bundesminister! Ich glaube, dass damit auch eine große Verunsicherung eingetreten ist – eine Verunsicherung bei der Bevölkerung, weil sie nicht weiß, wie es weitergeht. Sie kündigen an, ab 2002 langsam oder sukzessive die Soldaten zurückzuziehen. Sie haben nicht die von Ihnen erwarteten 600 Millionen vom Herrn Bundesminister für Finanzen bekommen, sondern 100 Millionen für technische Ausstattung. Das begrüßen wir. Aber das, was Sie wollten, haben Sie nicht bekommen.

Sie werden ab 2002, wie Sie ankündigen, die Soldaten zurückziehen. Aber niemand weiß, wer dann kommt. Es ist völlig offen, da das, was Sie und der Innenminister wollen, nämlich dass die Zollwachebeamten dort hingehen, nach wie vor vom Finanzminister abgelehnt wird. Sie lassen also die Bevölkerung im Unklaren. Sie lassen auch die Beamten im Unklaren.

Das, Herr Bundesminister, muss man Ihnen vorwerfen: Es ist nicht allzu viel dabei herausgekommen. Die Zeitungskommentare gehen auch alle ganz klar in diese Richtung: Sie haben, wie ich es schon gesagt habe, in dieser Richtung, was die Assistenzleistung betrifft, nichts zustande gebracht. Das ist schade, weil ich weiß, dass Sie andere Absichten verfolgt haben. Es ist alles beim Gleichen geblieben. Die Verunsicherung ist sehr groß. (Beifall bei der SPÖ.)

10.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.

10.22

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte meinen Beitrag mit jener Feststellung einleiten, mit der der Herr Bundesminister seine Ausführungen beendet hat, nämlich dass man die Sicherheitspolitik keineswegs mit der Tagespolitik vermengen sollte. Mein guter Freund und Bekannter, Herr Abgeordneter Gaál, hat schon im zweiten Satz von den Wiener Wahlen, Ambulanzgebühren und so weiter gesprochen. Man hat geglaubt, er redet gar nicht zum heutigen Thema. Man soll Sicherheitspolitik von der Tagespolitik trennen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Eines möchte ich aber ganz ernsthaft mit Freude feststellen: Gerade hat Herr Abgeordneter Leikam gesagt: Wir alle – er hat für die gesamte SPÖ gesprochen – sind dafür, dass die Landesverteidigung in Österreich einen bestimmten, guten Stellenwert hat. Dafür möchte ich mich bei allen bedanken. Ich möchte das auch den anwesenden Militärattachés sagen: Sie können davon ausgehen, dass der größte Teil von Österreich hinter seiner Landesverteidigung steht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Womit wir aber unsere Probleme haben, ist, dass – mit einem zivilen Wort gesagt – manches Mal sehr zwiespältig vorgegangen wird beziehungsweise dass – mit einem etwas militärischeren


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Wort ausgedrückt – leider Gottes in der SPÖ eine gewisse Doppelstrategie angewendet wird. Der ehemalige Bundesminister Edlinger schreibt in seiner Presseinformation vom 9. März über das Budget 2002 Folgendes:

Die Ausgaben für das Heer werden 2002 um 83 Millionen Schilling höher sein als 1999, nachdem auch hier bereits 2000 und 2001 insgesamt 1,032 Milliarden mehr ausgegeben wurden als 1999.

Zwei Seiten weiter steht ganz groß: Vorschlag von Edlinger: Sparen bei Landwirtschaftsförderungen und Heeresausgaben. (Abg. Kiss: Der Mann ist eine Schande für dieses Land! Eine Schande!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Irgendetwas passt nicht zusammen. Faktum ist, wir beschließen heuer ein Budget, das gleich hoch ist wie das vorige. Dazu kommen 100 Millionen Schilling an Mitteln, die für den Assistenzeinsatz an das Bundesheer abgegeben werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein kleiner Erfolg, aber es ist ein Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Noch etwas, das mir besonders bei den Grünen auffällt, die sich aus dieser Debatte total zurückziehen, wie man merkt – sie haben eine Rednerin gestellt, die wichtige Worte von sich gegeben hat –: Bei den Grünen ist es so, dass sie das Geld für die Abfangjäger, das Geld für die Hubschrauber ungefähr 20- bis 30-mal vergeben – für soziale Einrichtungen, für irgendwelche Anliegen. Wenn man all das zusammenzählen würde, Herr Abgeordneter Pirklhuber, dann könnten Sie ein ganzes Jahresbudget damit gestalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie tun so, als würde man das 100-mal vergeben können. Entweder wir stehen zur Landesverteidigung, dann geben wir dafür Geld aus – oder wir stehen nicht dazu. Sie sind wenigstens so ehrlich und stehen, wie ich Ihren Bemerkungen entnehme, nicht für die Landesverteidigung. Das tut mir Leid.

Zum Grenzeinsatz, der heute bereits angesprochen wurde: Das ist übrigens ein ganz wichtiger Teil, bei dem man auch besonders den Zweck des Bundesheeres feststellen kann. Dies gilt auch für die internationalen Einsätze. Wir wissen – das ist leider so der Fall –, es gibt Konflikte in Europa und auf der ganzen Welt. Man hat jetzt die Möglichkeit, in diesen Konfliktherden mit einzuschreiten. Man kann friedenssichernde Maßnahmen ergreifen. Immer gelingt es nicht. Es kommt jedenfalls von jenen Gebieten aus, in denen es Konflikte gibt, zu einer Migration. Die Leute bewegen sich von diesen Konfliktherden weg, weil sie dort sozial und vielleicht auch körperlich geschädigt werden könnten. Sie begeben sich in Länder, in denen es besser aussieht.

Gott sei Dank ist Österreich ein Land, in dem es sehr gut aussieht, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Land, in dem man sehr gut leben kann. In dieses Land würden diese Migranten eindringen, würden sie nicht an der Grenze aufgehalten werden. Daher ist dieser Grenzeinsatz – leider Gottes ist meine Zeit schon ziemlich weit fortgeschritten – so sehr notwendig, damit wir in Österreich unseren sozialen Frieden und Frieden überhaupt aufrechterhalten können, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Murauer: So ist es! Richtig!)

Noch etwas zu Frau Abgeordneter Stoisits, das möchte ich schon noch sagen: Sie hat sich vor einigen Tagen furchtbar aufgeregt, weil diese 100 Millionen Schilling für Nachtsichtgeräte verwendet werden. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mir jetzt sicherlich einen Ordnungsruf einhandeln, aber es hat einer der Herren Abgeordneten gesagt, dass man für irgendjemanden Lobbying betreibt, wenn man für diese eintritt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schlepper werden aufgehalten, das Schlepperwesen wird hintangehalten! Und wer dagegen ist, dass man gegen Schlepper vorgeht, ist anscheinend dafür, dass man für die Schlepper ist. (Abg. Murauer: Richtig! Um das geht es!) Irgendetwas stimmt hier nicht zusammen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es gibt einen schönen Spruch der Grünen: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. – Sie wissen, wie es in der Praxis ausschaut, Sie brauchen nur nach Deutschland zu gehen und zu schauen, wie dort von den Grünen vorgegangen wird, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Es soll Visionen geben, wir sollen den Frieden immer wieder im Auge haben.

Mir ist es wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es diese Visionäre weiterhin gibt. Ich bin aber auch dafür, dass es Divisionäre gibt, die sich um unsere Landesverteidigung kümmern! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Gaál: Aber nicht alle!)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

10.28

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Es wurde heute von einem meiner Vorredner der Dank an das Kaderpersonal ausgesprochen, weil in einigen Bereichen – so ist zumindest gesagt worden – Gehaltskürzungen hingenommen werden mussten. – Ich denke mir, so einfach kann man das nicht stehen lassen. Man muss wissen, was das bedeutet. Das wollte ich ganz kurz erläutern: Es mussten nämlich 150 Millionen Schilling im Bereich der Einsatzzulage erwirtschaftet werden.

"Erwirtschaftet werden" heißt, es wurden dem Kaderpersonal 50 Millionen Schilling bei den Einsatzzulagen weggenommen und diese 50 Millionen Schilling direkt zur Budgetsanierung verwendet. 100 Millionen Schilling gingen zum Heeresgebührengesetz.

Meine Damen und Herren! 50 Millionen Schilling wegzunehmen, das ist nicht mit einem einfachen Danke abgetan, sondern man muss das Kaderpersonal um Verständnis bitten und hoffen, dass hinkünftig eine andere Regierung am Werk sein wird, die nicht nur das Nulldefizit als oberstes Gebot hat, sondern auch noch die Menschen dahinter sieht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Der Edlinger würde ihnen viel mehr wegnehmen!)

Ich möchte Ihnen gerne auch noch sagen, was das für diese Berufssoldaten bedeutet hat. Sie haben nämlich in dreifacher Hinsicht einen Beitrag im Zusammenhang mit der Einkommensverminderung geleistet: Erstens einmal waren sie von der allgemeinen Steuererhöhung betroffen. Zweitens war das Kaderpersonal, das aus öffentlich Bediensteten besteht, durch die Restriktion im Gehalts- und Pensionsrecht betroffen und ein drittes Mal über das Sonderopfer Einsatzzulagengesetz.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ofner! Das ist "neu regieren". Das wollten wir so nicht, aber Sie wollten es wahrscheinlich auch nicht. (Abg. Dr. Ofner: Ja, Sie haben Recht! Ihr wolltet es nicht, aber wir wollten es!) Sie sprachen immer davon, dass drei Viertel der Bevölkerung nicht belastet werden würden, meine Damen und Herren. An diesem Beispiel sehen Sie aber schon, dass das unwahr war, was da immer so hinausposaunt wurde.

Und nun zum Budget grundsätzlich. – Herr Minister, Sie haben bei der Debatte zu den Budgetbegleitgesetzen gemeint, die Auslandseinsätze seien Ihnen die wichtigste Aufgabe (Bundesminister Scheibner: Eine!)  – oder eine wichtige Aufgabe; genau – und Sie wollen keine Zwei-Klassen-Armee. Ich berichte Ihnen jetzt über das Befinden der Soldaten, wie es mir gegenüber von Soldaten zum Ausdruck gebracht worden ist.

Es herrscht derzeit große Unruhe insofern, als von den Soldaten und vom Kaderpersonal wahrgenommen wird, dass die Auslandseinsätze bestens ausgerüstet sind, während alle anderen das bekommen, was übrig bleibt. Und es stellt sich auch heraus, dass die Personen, die in Auslandseinsätze gehen, in der Regel, über den Daumen gepeilt, zu 70 Prozent Milizangehörige sind. Herr Minister! Da fehlt offensichtlich auch ein Anreiz für das Kaderpersonal, und vielleicht wünscht sich das Kaderpersonal das sogar.

Es ist auch insofern eine Verunsicherung im Bedienstetenstand festzustellen, als sich eigentlich die Frage stellt: Was soll das Bundesheer können? Gefordert wird vom Kaderpersonal, sage ich


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jetzt einmal, eine einheitliche Zielverfolgung und nicht die Erledigung von zehn, 15 anderen Dingen, und das womöglich noch gleichzeitig. (Ruf bei den Freiheitlichen: Da gibt es einen Zielkatalog!)

Dann müssen Sie aber die Information auch dorthin tragen, wo sie verlangt wird, und sie nicht nur in den obersten Reihen belassen. (Beifall bei der SPÖ.) Es werden Dinge verlangt, bei denen keiner weiß, wie es funktionieren soll. Es fehlt also die Information.

Herr Bundesminister! Sie haben auch gesagt, 20 Prozent des Personals – also ungefähr 2 000 Planstellen – werden Sie von den Zentralstellen zu den Kommanden umschichten. Wenn man sich jetzt die Heeresaltersstruktur näher anschaut, weiß man, dass das nicht so einfach gehen wird. Sie haben gesagt: hin zur Truppe. Wie soll das gehen? Ich denke auch, es braucht eine rechtzeitige Information des Kaderpersonals, es braucht Visionen (Abg. Dr. Ofner: Das darf aber der Vranitzky nicht hören! Der hat gesagt, wer Visionen hat, gehört zum Arzt!), es braucht Motivation, es braucht Vorbereitung, es braucht Flexibilität, es braucht Bewerbung von Maßnahmen, und es braucht meines Erachtens auch Kooperation mit der Wirtschaft. Es braucht Information über Berufsorientierung, es braucht Anreizsysteme, es braucht flexible Ein- und Ausstiegsmodelle, Sozialpläne und Vorruhestandsmodelle. Sonst, Herr Minister, werden Sie wahrscheinlich den Umstieg oder die Umschichtung nicht schaffen. Sie brauchen aber, um eine Reform zustande zu bringen, ein motiviertes Personal. Und ein motiviertes Personal haben Sie dann, wenn den Menschen auch eine Zukunft beruflicher Natur gegeben wird.

Was die KIOP-Kräfte betrifft, so haben Sie gesagt, es sei im Moment noch nicht notwendig, weil wir zwar Vorsorge getroffen haben, aber international sei man noch nicht so weit. Ich glaube das nicht ganz, Herr Minister, denn in Anbetracht des von der Regierung angekündigten Abbaus von 11 000 bis 15 000 Planstellen wird es nicht so so einfach machbar sein, dann, wenn es erforderlich sein sollte, plötzlich wieder Planstellen zu bekommen.

International gesehen müssen wir ja am Budgetziel festhalten, dass es ein ausgeglichenes Budget sein soll, und wir werden nicht im Jahre 2003, nicht im Jahre 2004 zusätzlich Planstellen für das KIOP-Personal bekommen. Ich bitte Sie daher, Herr Minister: Treffen Sie diesbezüglich in Form von Sozialplänen, von Vorruhestandsmodellen und auch von Anreizmodellen Vorsorge! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. – Bitte.

10.34

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kameraden Soldaten und deren Offiziere, ich begrüße Sie recht herzlich. Ich hätte auch gerne die Herren Militärattachés begrüßt, aber viele von ihnen sind schon gegangen. (Abg. Grabner: Die haben gesehen, dass du kommst, und sind gegangen!)  – Vielen Dank für das Kompliment, ich weiß es zu "schätzen". – Wahrscheinlich haben sie unsere Diskussion über 0,3 Tausendstelprozent als müßig erachtet. Offenbar genauso wie die Soldaten von einer Kompanie, die ich vorgestern hier im Hohen Haus empfangen habe und die mich dann gefragt haben: Sind die Abgeordneten denn nicht verantwortlich dafür, dass wir die gleichen Mittel bekommen wie diejenigen, die uns gegenüberstehen? Die Schlepperorganisationen haben alle Nachsichtgeräte, und wir sitzen dort und müssen in funktoten Räumen (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wer ist denn in der Regierung?) unsere eigenen Handys verwenden. – Was sollte ich ihnen erklären? (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Ich weiß noch immer nicht, wer in der Regierung ist! – Abg. Jung: 15 Jahre Pfusch kann man nicht in einem Jahr beseitigen!)

Herr Kollege Kamerad Hauptmann Kummerer! Genau das ist ja der Punkt. Was sollte ich ihnen erklären? – Das Diktat der leeren Kassen? Sollte ich ihnen das erklären? Sollte ich sagen, das ganze Verteidigungsbudget macht ein Fünftel der Zinsen aus, die wir zahlen müssen für die Schulden, die vorher aufgenommen worden sind? Was sollte ich ihnen erklären?


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Ich habe das nicht gemacht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. ) Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich mich geschämt habe, aber ich habe ihnen gesagt, dass das Budget natürlich nach den vorhandenen Möglichkeiten gestaltet worden ist.

Umso erfreulicher ist, dass es jetzt dem Herrn Bundesminister gelungen ist, einen Zusatzposten zu bekommen, um diese Nachtsichtgeräte anzukaufen, um diese Funkgeräte anzukaufen, die dringendst notwendig sind. Und ich finde es geradezu lächerlich, wenn hier vor zwei Tagen von den Abgeordneten der Grünen, nämlich von Frau Lunacek, gesagt wurde, dass Nachsichtgeräte und ähnliche Kampfmittel angekauft werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, Sie alle können unterscheiden, was für die Ausrüstung notwendig ist, was benötigt wird, was Kampfmittel sind und was das mit einer Aufrüstung zu tun hat.

Wir tragen die Verantwortung für die Soldaten, aber es ist auch unsere Pflicht, sie so auszustatten, dass sie den Auftrag, den wir ihnen geben, auch erfüllen können. Das ist einmal das Grundsätzliche, und ich glaube, darüber gibt es auch überhaupt keine Diskussion.

Dementsprechend hat der Herr Bundesminister weitere Einsparungen innerhalb seines Ressorts selbst vorgenommen. Wenn Sie sich das anschauen (eine Broschüre in die Höhe haltend) – das kommt aus Niederösterreich, aus der Nähe von Mistelbach –, dann sehen Sie hier die neue Spitzengliederung, und Sie erkennen, dass gerade hier in der obersten Führung gespart wird, dass gerade hier Dienstposten auf andere Bereiche aufgeteilt werden und dass gerade hier die Majorität der Mittel in diejenigen Aufgaben geht, die die Truppe zu erfüllen hat.

Ich sehe hier insbesondere auch die Möglichkeit, dass wir von einer ehemaligen Mob-Stärke von 300 000 Mann auf 110 000 Mann herunterkommen. Dadurch ist auch diese weitere Einsparung, die der Herr Bundesminister sofort in Angriff genommen hat, möglich.

Das entlässt uns aber nicht aus der Verantwortung, das notwendige Gerät zu besorgen, das die Soldaten benötigen. Ich sehe, dass der Herr Bundesminister auch diesbezüglich einen großen Schritt weitergekommen ist. Sie selbst haben ja in Ihrem Redebeitrag vorher gesagt: Was haben Sie damals gefordert, und was ist jetzt gemacht worden? – Ich komme gleich darauf zu sprechen, ich sage es Ihnen gleich. Jedenfalls hat er eine sehr, sehr wichtige Sache gemacht, indem er jenem Grundsatz gefolgt ist, den er auch in seiner "Pressestunde" am 14.1. zum Ausdruck gebracht hat, nämlich dass sich bei der Beschaffung die Politik zurückhalten und den Fachleuten das sachliche Urteil überlassen sollte: Dementsprechend ist es jetzt auch zur optimalen Möglichkeit der Beschaffung des "Black Hawk" gekommen.

Wenn Sie sich jetzt das Budget ansehen: Was ist möglich? Was ist nicht möglich? – Ich kann Ihnen sagen, mit den Ausgaben des Budgets 2002 werden weiters folgende zentrale Aufgaben durchgeführt: eine eingeschränkte Aufrechterhaltung des Betriebes des Bundesheeres, Aufrechterhaltung der Ausbildung der Wehrpflichtigen, Sicherstellung des Assistenzeinsatzes für das Bundesheer und für das Bundesministerium für Inneres, Sicherstellung der Erfüllung der eingegangenen internationalen Verpflichtungen, Beginn der Beschaffung bewaffneter Mehrzweckhubschrauber und Weiterführung der Modernisierung der Ausrüstung des Bundesheeres in bereits betraglich gebundenem Umfang.

Es ist doch noch eine ganze Menge, was hier durchgeführt werden kann, und Sie sehen daran, dass es auch das Bemühen des Herrn Bundesministers war, die Ausgaben des Budgets zweckgebunden dort optimal einzusetzen, wo auch das meiste herauskommt.

Ich habe heute früh in der "Presse" gelesen, dass es bei Ihnen ein Geheimpapier gibt, ein Geheimpapier, das angeblich von Herrn Abgeordnetem Kostelka verfasst worden ist und das weitere Einsparungen für das Bundesheer, auch eine Reduktion der gesamten Dienstzeit, vorsieht.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen noch einmal nur den Satz, den Herr Abgeordneter Gaál am 5. November 1998 hier in diesem Haus gesprochen hat, zitieren: "Gerade das Thema


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Bundesheer ist meiner Meinung nach verantwortungsvoll zu diskutieren und eignet sich für parteipolitisches Hick-Hack im wahrsten Sinne des Wortes nicht." (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Demgemäß wäre es angebracht, dass auch Sie, wenn Sie Vorschläge haben, diese auch einbringen.

Wenn Sie jetzt noch einmal weiterschauen – und ich empfehle Ihnen, diese Diskussion vom 5. November 1998 aus dem Internet herauszuholen –, dann werden Sie sehen, dass der Herr Bundesminister, der damals Abgeordneter und unser Sprecher für Landesverteidigungsfragen war, die Neubeschaffung von Hubschraubern gefordert hat. Und gerade das ist jetzt geglückt – immerhin etwas bei diesen angespannten Budgetmitteln, die leider Sie (zur SPÖ gewandt) zu verantworten haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Haben Sie gedient? – Abg. Parnigoni  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich habe gedient, keine Sorge!)

10.41

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eingangs zwei Sätze zu meinem Vorredner. Ich halte fest: Der Schuldenstand des Budgets 2002 ist der höchste seit 1945 und hat sich seit 1999 von 119 Milliarden j auf 124 Milliarden j entwickelt. (Abg. Jung: Und wenn Sie es noch so oft sagen: 2 000 Milliarden habt ihr hinterlassen! Rote Zahlen!) Das heißt, von den Schulden brauchen Sie von der FPÖ überhaupt nicht zu reden: Sie haben die höchsten Schulden in diesem Staat überhaupt erzeugt und sind dafür verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Das ist ja fast kindisch! – Weitere Rufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

Zum Zweiten darf ich meinem Vorredner schon auch noch sagen: Bei aller Freundlichkeit der Diskussion muss Kritik trotzdem erlaubt sein.

Meine Damen und Herren, zum Budget selbst. – Die "Wende"-Regierung hat versprochen, dass sie alles neu macht. (Abg. Dr. Ofner: Das macht der Mai! Da sind wir noch nicht! April ist noch nicht einmal!) Sie, Herr Bundesminister, im Besonderen die FPÖ, haben eine Position vertreten, die lautete: Deutlich mehr Geld für das Bundesheer – von 5 bis 7 Milliarden war hier die Rede – und für den Wehr-Etat. Und jetzt? – Egal, wie man nunmehr zum Bundesheer-Etat steht: So wie es jetzt ausschaut, haben Sie das nicht erreicht, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Bösch: Wollen Sie wieder Schulden machen, Herr Parnigoni?) Das haben Sie nicht durchsetzen können, das haben Sie bei Ihrem eigenen freiheitlichen Finanzminister nicht durchsetzen können. Das ist ein Faktum. Ihre Glaubwürdigkeit ist hier zutiefst erschüttert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Also, wenn Sie wirtschaften dürften, hätte schon das Parlament ein "Pickerl" auf der Türe!)

Lippenbekenntnisse sind das in Wirklichkeit, Herr Bundesminister!

Zum Zweiten: Da wird gejeiert und gejammert, es seien zu wenig Mittel da für den Assistenzeinsatz an der Grenze, es fehlten die Nachtsichtgeräte, da heißt es, eine intelligente Beschaffung muss her. – Ich frage Sie – und ich bin auch dafür, dass wir die richtigen Prioritäten setzen und nicht das Geld nach dem Gießkannen-Prinzip verteilen –, Herr Bundesminister: Welche Art von Hubschrauber brauchen Sie für den Assistenzeinsatz? – Einen, der Transportkapazität hat, oder einen, der Kampfkapazität hat? – Hätten Sie den mit Transportkapazität gekauft, dann hätten Sie eine halbe Milliarde gespart und hätten die notwendigen Gelder für die anderen Investitionen gehabt. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Jetzt kommen Sie mit dem gleichen Schmäh wie im Ausschuss! Sie sind nicht lernfähig! Oder Sie behaupten absichtlich etwas Falsches!)

Meine Damen und Herren! Für mich ist es wichtig, dass wir in der Infrastruktur vorrangig dazu kommen, dass die Betriebskosten gesenkt werden, weil die einzusparenden Mittel für die


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Investitionen und für die zukünftigen Aufgaben zur Verfügung gestellt werden können. Ich hoffe, Sie können sich dann im Rahmen eines Budgetüberschreitungsgesetzes beim Finanzminister durchsetzen, sodass Sie für die österreichische Verpflichtung in Richtung Europa, in Richtung KIOP die notwendigen Möglichkeiten haben. Da geht es nämlich um die Sicherheit von Soldatinnen und Soldaten, die sich freiwillig melden und unter Umständen im Rahmen eines europäischen Krisenmanagements ihr Leben einsetzen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass Sie das Problem der so genannten stehenden Kosten erkennen. Es wurde heute schon gesagt: Die Verringerung des Heeres-Umfanges von 300 000 in Richtung 100 000 ist erfolgt. (Abg. Jung: Von wie viel? Von 300 000?)  – Von 300 000 in Richtung 100 000. (Abg. Jung: Von wie viel?) Die Reduktion von der einstigen Gesamtmobilitätsstärke von 300 000 auf 100 000 ist schon 1998 erfolgt, und wir müssen natürlich auch über diese 100 000 Mann-Stärke nachdenken. (Abg. Jung: Sie reden immer etwas, von dem Sie nicht einmal wissen, was Sie sagen! Sie reden immer nach, was Ihnen irgendein Sekretär aufschreibt!)

Aber – aber! – die Kasernenstruktur, Kollege Jung, hat sich bisher nicht geändert (Abg. Jung: Also: Parnigoni ist für die Auflösung von Kasernen , von Kleinkasernen!), und für das Heeresministerium, darf ich festhalten, war bis jetzt immer ein Minister der ÖVP verantwortlich.

Da, Herr Bundesminister, haben Sie entsprechende Einsparungsmöglichkeiten, und ich frage Sie nur: Wie werden Sie das in Einklang mit Ihren Versprechungen bringen, etwa in Weitra, wo Sie eine Bestandsgarantie ... (Abg. Jung: Lesen Sie die heutigen Zeitungen!) Reden Sie doch keinen solchen Stumpfsinn daher, Herr Jung! In Weitra hat der Herr Bundesminister ganz klar eine Bestandsgarantie für diese Kaserne abgegeben. Die Experten sagen allerdings, dass eine Kaserne, die nicht Verbandsstärke hat, wenig Chancen hat und dass in Wirklichkeit nur bei einer Verbandsstärke eine wirtschaftliche Führung möglich ist.

Ich hoffe, dass Sie die Chance von KIOP nutzen, dass Sie da entsprechende Maßnahmen setzen, damit diese Kaserne auch in der Zukunft gesichert ist. – Sie wissen ja, dass diese Kaserne sich besonders dadurch auszeichnet, dass es eine hohe Freiwilligen-Quote gibt, eine hohe Kaderstärke gibt, dass es einen großen Übungsplatz dazu gibt und dass dort die Akzeptanz der Bevölkerung sehr wohl gegeben ist, Herr Bundesminister. Ich würde Sie einladen, dass Sie im Interesse Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit einen entsprechenden Schritt in diese Richtung setzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadler. – Bitte.

10.47

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren! Im Regierungsübereinkommen ist festgehalten, dass die Bundesregierung alles daransetzen wird, die Leistungsfähigkeit unseres Bundesheeres anzuheben, die materiellen Rahmenbedingungen sicherzustellen, und dass geplant ist, das Budget schrittweise anzuheben. Als Tirolerin aus dem Tiroler Oberland bin ich sehr froh darüber, dass neun Stück S-70 "Black Hawk" angeschafft werden.

Ich weiß, dass Sie jetzt sagen werden, ich darf nicht über Galtür reden, ich sage es aber trotzdem – und ich denke mit Schaudern daran zurück, Frau Lichtenberger –: Damals hat sich gezeigt, dass unsere alten Hubschrauber, die 36 Jahre alt sind, bei Katastrophen im alpinen Bereich nicht ausreichend sind. Bis die Groß-Hubschrauber eintrafen, musste wertvolle Zeit verstreichen, und vielleicht hätte man damals Valzur noch evakuieren können – vielleicht. Ich habe damals auch mit Bestürzung feststellen müssen, dass die größte Hilfsbereitschaft nichts nützt, wenn die technische Ausrüstung fehlt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Für den Ankauf der neun "Black Hawks", welche 36 Jahre alte Hubschrauber ersetzen, wurde Ende Dezember ein Vertrag über den wirtschaftlichen Ausgleich des Kaufpreises vereinbart. Dieser Vertrag sieht eine 200-prozentige Kompensation des Kaufpreises auf eine zehnjährige


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Laufzeit vor. Dieser Vertrag ist der größte in der bisherigen Geschichte der Kompensationsgeschäfte in Österreich, und ich bedanke mich bei Bundesminister Bartenstein für die hervorragende Ausverhandlung dieses Vertrages zur Schaffung und Erhaltung hoch qualifizierter Arbeitsplätze, für Förderung der Forschung, Entwicklung, des Technologie-Transfers und für die zusätzlichen Exportchancen Österreichs auf dem US-Markt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist auch zu erwarten, dass es Geschäftsverbindungen über diese zehn Jahre hinaus geben wird und dadurch die Rentabilität vielleicht noch erhöht wird.

Unser Bundesminister Scheibner und die Bewertungskommission haben – und davon bin ich überzeugt – auch die richtige Wahl getroffen. Auf den ersten Blick erscheinen die Kosten von 2,9 Milliarden Schilling höher, aber die "Black Hawks" haben im Vergleich zum französischen Modell geringere Betriebskosten, extrem hohe Leistungsreserven, eine umfangreiche Sicherheitsausstattung und vor allem eine hervorragende Hochgebirgs-Tauglichkeit. Und angesichts der geographischen Besonderheit im alpinen Raum – und man hatte in Galtür den direkten Vergleich – sind sie besser geeignet für den Einsatz in Österreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es reicht vielleicht nicht aus, sich nur hinter das Bundesheer zu stellen. Stellen wir uns vor das Bundesheer! Die Beschaffung der "Black Hawks", die zur Bergung von Österreichern in Not, zum Schutz von Österreichern, zur Bergung aus Katastrophengebieten dienen sollen, ist auch eine humanitäre Pflicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Als Tirolerin möchte ich mich auch für das schnelle Auswahlverfahren bedanken, denn es ist für uns in Tirol sehr beruhigend, dass die größte österreichische Hilfsorganisation, die das Bundesheer auch darstellt, endlich entsprechend ausgestattet wird. Zu einer Katastrophe im alpinen Bereich kann es jederzeit wieder kommen, plötzlich und ohne Vorwarnung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile als nächstem Redner Herrn Abgeordnetem Freund das Wort. – Bitte.

10.51

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Keine neue Schulden – dieses Ziel hat sich diese Bundesregierung gesetzt, und unter dieser Prämisse steht natürlich auch das Budgetkapitel Landesverteidigung.

Österreich hat sich verpflichtet, im Geiste der europäischen Solidarität und zum Zwecke der Gewährleistung der Sicherheit der Republik an der Entwicklung einer funktionsfähigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitzuarbeiten. In Zukunft werden neben territorialen Verteidigungsaufgaben vor allem auch internationale Solidaritätsleistungen im Vordergrund stehen. Gerade deshalb muss das Bundesheer schon jetzt auf diese Aufgaben vorbereitet werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mit den Helsinki-Beschlüssen von 1999 – also in Zeiten eines SPÖ-Bundeskanzlers – hat Österreich eine große Verantwortung übernommen. Wir haben uns auch dazu verpflichtet, im Rahmen der KIOP, also der Kriseneinsatztruppen, den europäischen Streitkräften ein Kontingent von 2 000 Mann zur Verfügung zu stellen.

Die Rahmenbedingungen dafür werden gerade geschaffen. Die Motivation unserer Soldaten ist hoch. Als Beispiel möchte ich Ihnen unsere Kaserne in Ried im Innkreis in Oberösterreich nennen, wo sich schon jetzt über 100 Freiwillige, darunter ein hoher Anteil an Grundwehrdienern, für die KIOP gemeldet haben. Für mich ist es nun schon fast eine Frage der Ehre, diese Truppe auch dem europäischen Standard gemäß auszustatten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wir Politiker tragen Verantwortung für unsere Soldaten. Deshalb wäre es unverantwortlich, unsere jungen Männer und Frauen mit veraltetem Gerät in Krisenherde zu schicken.

Ich bitte Sie, meine sehr geschätzten Damen und Herren, Herr Bundesminister, diesen Themen Ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Schon die vorige Bundesregierung, in der auch die Sozialdemokraten vertreten waren, hat sich durch Unterzeichnung des Vertrages von Amsterdam zur Erfüllung dieser Petersberger Aufgaben verpflichtet.

Nun beinhalten diese Petersberger Aufgaben friedensdurchsetzende Operationen. Unsere Soldaten leisten aber auch schon jetzt Großes, vor allem im Grenzeinsatz, bei den verschiedenen Assistenzeinsätzen, in der Katastrophenhilfe, und zwar nicht nur bei Hochwasser, sondern auch bei Aufräumarbeiten nach Sturmkatastrophen. Auch bei Lawinenunglücken ist unser Heer stets zur Stelle, wenn andere nicht mehr weiterkönnen. Unseren Bürgerinnen und Bürgern wird dadurch oft in auswegloser Situation rasch geholfen. Gerade deshalb muss den Grundwehrdienern und ihrer Versorgung wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Adäquate Unterkünfte, gute Verpflegung sowie eine funktionierende Infrastruktur sind eine Grundvoraussetzung dafür.

Diese Bundesregierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Heer zu kurieren. Verantwortung tragen heißt, Taten sprechen zu lassen. Die ersten Anschaffungen für das Heer sind bereits eingetroffen. Zum Beispiel hat uns der Herr Bundesminister darüber informiert, dass eine Pionierbrücke, moderne Simulatoren, Radpanzer und anderes Gerät angeschafft wurden.

Diese Regierung redet nicht nur, sie handelt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das, meine Damen und Herren, ist seriöse Sicherheitspolitik, denn im Ernstfall sind wir alle, auch die Kritiker, froh, wenn unsere Soldaten zur Stelle sind. Unsere Soldaten sind es, die bereit sind, Opfer für dieses Land zu bringen. Deshalb verdienen sie unseren Respekt und unsere Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.55


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Niederwieser zu Wort gemeldet. Ich bitte, die einschlägigen GO-Bestimmungen zu beachten. – Bitte.

10.55

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Kollegin Stadler hat als Vorvorrednerin begründet, dass der Ankauf des "Black Hawk"-Hubschraubers sich logisch aus der Lawinenkatastrophe von Galtür ergibt. (Abg. Großruck: Das ist ja keine Berichtigung! – Abg. Böhacker: Das ist eine Wertung!)

Nein, Kollegin Stadler hat mit dem Unglück in Galtür den Ankauf des "Black Hawk" argumentiert. (Abg. Böhacker: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Das ist unrichtig. Richtig ist vielmehr, dass nicht die "Black Hawks" in Galtür geflogen sind, als das Wetter schlecht war (Abg. Zweytick: Also sind sie doch geflogen?), sondern die "Black Hawks" sind geflogen, als es wieder schön geworden ist und die Massentransporte aus dem Tal durchzuführen waren. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Sie sind unter Lebensgefahr geflogen, die österreichischen Piloten, mit den alten Maschinen (Abg. Jung: Auch!) und haben noch Menschen gerettet zu einem Zeitpunkt, zu dem die "Black Hawks" auf dem Boden gestanden sind. (Abg. Jung: Was hat denn das mit dem Bundesheer zu tun?)

Das ist die Wahrheit, nicht das, was Kollegin Stadler hier behauptet hat. (Rufe bei der ÖVP: Unerhört! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Jung: Jetzt tun Sie aber den Amerikanern und den Deutschen Unrecht! Das ist unerhört! Diesen Leuten, die als Nicht-Österreicher in Österreich Einsätze geflogen sind! Das ist unerhört, Herr Kollege!) Und wahr ist auch, dass die Bundesregierung den Ankauf von Transporthubschraubern beschlossen hat. Was Sie da kaufen, sind Kampfhubschrauber, die eine halbe Milliarde mehr kosten. (Beifall bei der SPÖ.)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wir haben beim Kapitel Landesverteidigung eine sehr friedliche Stimmung, und darum begnüge ich mich damit, zu sagen: Nächsten Montag werden wir an alle 183 Mitglieder des Hohen Hauses einen Leitfaden für tatsächliche Berichtigungen verteilen, und dann werden alle sehen, dass zum Beispiel diese jetzt nicht ein Idealtypus gemäß diesem Leitfaden gewesen ist. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

10.57

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Jedes Jahr verdienen Schlepperbanden im EU-Raum bis zu 70 Milliarden Schilling. Die geschleppten Menschen kommen überwiegend aus wirtschaftlich ärmeren Ländern und müssen oft ihr ganzes Vermögen investieren, um die Schlepper zu bezahlen. Sie setzen in diesem Zusammenhang nicht nur ihre Gesundheit, sondern manchmal auch ihr Leben aufs Spiel.

Insgesamt sind im Jahre 2000 45 730 Menschen illegal nach Österreich eingereist und angehalten worden. Das ist ein Zuwachs von 6,8 Prozent gegenüber 1999. (Abg. Böhacker  – in Richtung der Rednerin –: Machen Sie bei "Leichter leben" mit?)  – Dieses Thema haben wir gestern schon besprochen. – Nur durch den Assistenzeinsatz kann einiges verhindert und ein hohes Maß an Sicherheit für die Bevölkerung garantiert werden.

Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die betroffenen Menschen von den Schleppern menschenverachtend behandelt und ausgebeutet werden. Ihre menschliche Würde darf trotz illegaler Grenzüberschreitung nicht nochmals mit Füßen getreten werden.

Dass die Bundesregierung im letzten Ministerrat die Verlängerung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres vorerst bis 2002 beschlossen hat, ist zwar begrüßenswert, aber nicht mehr als eine Interimslösung. Die eigentliche Entscheidung darüber, wie es in Zukunft mit dem Assistenzeinsatz des Bundesheeres weitergehen soll, wurde damit nur aufgeschoben.

Das Vorhaben der Bundesregierung, die Sicherheit der burgenländischen und niederösterreichischen Grenze ihren Sparplänen zu opfern, bleibt damit aufrecht. Minister Grassers Aussage, das Bundesheer mittelfristig von dieser Aufgabe zu entbinden, ist ein deutlicher Hinweis darauf. Weder eine Ausdünnung des Assistenzeinsatzes noch ein Abtausch zwischen Bundesheer und Zollwache kann in diesem Zusammenhang eine sinnvolle Lösung darstellen.

Die Verunsicherung der Bevölkerung wird mit dieser Politik leider nur fortgesetzt, und zwar sowohl den Sicherheitsaspekt als auch den wirtschaftlichen Aspekt betreffend. Viele Beherbergungsbetriebe haben sich darauf eingerichtet und entsprechend investiert, um die Soldaten und ihre Vorgesetzten unterzubringen.

Nach wie vor fehlt seitens der Bundesregierung eine klare und eindeutige Zusicherung zur Weiterführung des Assistenzeinsatzes. Was außerdem fehlt – und ich fordere das hier im Hohen Haus zum wiederholten Male –, ist die Aussage, dass Strafe allein keine wirksame Maßnahme zur Bekämpfung der Schlepperei sein kann. Damit werden ausschließlich die Symptome und nicht die gesellschaftlichen Ursachen bekämpft.

Ich fordere daher die Bundesregierung noch einmal auf, sich auch mit der Vorbeugung zu beschäftigen und die Verfahren effektiver zu gestalten, und zwar auf Grundlage der Menschenrechte. Die Wahrung der Menschenrechte muss eine Selbstverständlichkeit für uns alle sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Freund: Ist sie auch!) Anderen Menschen zu helfen muss aber ebenfalls eine Selbstverständlichkeit sein.

Ich sehe den Grenzeinsatz auch als eine Hilfsaktion für die Betroffenen. Die SPÖ verwahrt sich daher massiv dagegen, den Assistenzeinsatz mittelfristig aufzulassen. Auch ich möchte von dieser Stelle aus allen Soldaten und ihren Vorgesetzten, die im Assistenzeinsatz ihre Arbeit leisten, im Namen der ganzen Bevölkerung und vor allem der burgenländischen Bevölkerung


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herzlich für ihren Einsatz an der Grenze danken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Böhacker. )

11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hartinger. Sie hat das Wort. (Abg. Schwemlein: Ich werde nicht lachen, Frau Kollegin!)

11.01

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Ihnen wird das Lachen vergehen, Herr Kollege Schwemlein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Böhacker: Er hat eh schon lange nichts mehr zu lachen daheim!)

Herr Präsident! Herr Minister! Akzeptanz, Vertrauen in und Glauben an unser Bundesheer sind die Voraussetzung für die Sicherheit unseres Landes und damit von größter Bedeutung. Wenn Kollege Edlinger meinte, das Militär sei nicht so wichtig wie die Menschen in unserem Land, so muss ich sagen: Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie, da haben Sie etwas nicht verstanden, denn das Bundesheer ist für die Sicherheit der Menschen in unserem Land verantwortlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein modernes Unternehmen Bundesheer erfordert auch ein adäquates Budget, eine moderne Ausrüstung und motivierte Soldaten. Und da muss ich auch eines feststellen, meine Damen und Herren der Sozialdemokraten: Auf der einen Seite sagen Sie: Wir müssen einsparen, wir geben zu viel aus!, auf der anderen Seite sagen Sie: Der Herr Minister hat zu wenig gekämpft, hat zu wenig Budget! – Ich verstehe Ihre Strategie nicht so ganz, denn Kollege Parnigoni fordert einerseits mehr Geld und fragt, ob Kasernen erhalten bleiben, aber dann lese ich erstaunlicherweise in der heutigen Ausgabe der "Presse", er fordert eine Verringerung von fünf auf drei Brigaden und eine Senkung der Zahl der Kleinkasernen. – Ja bitte, wie ist das zu verstehen? Auf der einen Seite fragen Sie den Herrn Minister, ob die Kleinkasernen erhalten bleiben, auf der anderen Seite fordern Sie, diese zu schließen. Da verstehe ich Ihre Politik nicht mehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist die typische Doppelzüngigkeit der SPÖ. Ich kann Ihnen nur eines sagen, meine Damen und Herren der Sozialdemokratie: Ich bin froh, dass der Verteidigungsminister ein Freiheitlicher ist, denn wenn Sie in der Regierung wären, wenn einer von Ihnen Verteidigungsminister wäre, wäre das Bundesheer wahrscheinlich schon abgeschafft. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Gaál: ... hat das größte Budget!)  – Also das sehe ich etwas anders, aber bitte.

Die Modernisierung und Schaffung schlanker Strukturen ist eine Aufgabe, der wir uns im Verteidigungsbereich zu stellen haben. Mich freuen vor allem drei Dinge, die der Herr Minister eingeleitet hat. (Abg. Dr. Niederwieser: Nur drei?!)  – Zum Beispiel drei Dinge. Es sind so viele Dinge, aber meine Redezeit ist zu kurz, um alle aufzählen zu können.

Der erste Punkt ist die Öffnung des Heeresspitals Stammersdorf im 21. Bezirk für die Zivilbevölkerung. Tatsache ist, dass die Kapazität dieses modernen Spitals mit 177 Betten leicht den Einzugsbereich der Bezirke Floridsdorf und Donaustadt mit rund 200 000 Menschen mit betreuen kann. Dank der guten Infrastruktur vor allem in den Bereichen Unfallchirurgie, Augen, HNO und Dermatologie wäre dieses Spital ein ideales Schwerpunktkrankenhaus. (Abg. Zweytick: Ganz eine tolle Geschichte!)

Unser Minister versteht es perfekt, damit nicht nur die ausgezeichneten personellen und investiven Ressourcen zu nutzen und deren Qualität durch Frequenzsteigerung zu sichern, sondern auch Synergien zwischen dem Zivil- und dem Heeresbereich herbeizuführen. (Abg. Dr. Niederwieser: In Innsbruck machen sie das schon lange!)

Der zweite Punkt ist ein ganz interessanter, nämlich das moderne Unternehmen Bundesheer. Ich möchte hier zum Beispiel die 4. Panzergrenadierbrigade herausgreifen, die mit Beginn dieses Jahres auch ein Controlling eingeführt hat und eine Prozesskostenrechnung einführen wird. Das sind moderne Strategien, die wir brauchen und die wir auch umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Das Controlling-Instrument liefert nämlich wichtige Ergebnisse, die vorhandenen Ressourcen zielorientiert einzusetzen. Das Ziel ist es, mit den vorhandenen Mitteln die bestmöglichen Ergebnisse zu erreichen. Die Prozesskostenrechnung gibt dafür die wichtigsten Daten her, nämlich neben der Erhebung der Kosten auch den Zielerreichungsgrad mittels Überprüfung aller Rekruten festzustellen.

Der dritte Punkt, den ich als Frau besonders anschneiden möchte, ist natürlich: Frauen beim Heer. Derzeit gehören rund 150 Soldatinnen dem Bundesheer an, darunter fünf Offizierinnen, sieben Berufsoffiziersanwärterinnen und 16 Unteroffizierinnen.

Das Bundesheer ist einer der größten Arbeitgeber in Österreich und ist damit auch eine Zukunftschance für viele Frauen. Auch dies ist ein engagiertes Projekt unseres Ministers. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zusammenfassend kann ich sagen: Die Zukunft unseres Bundesheeres und die Sicherheit Österreichs liegen in freiheitlicher und damit in guter Hand. Damit, meine Damen und Herren, können alle Bürgerinnen und Bürger gut schlafen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grabner. Er hat das Wort.

11.07

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei jeder Bundesheerreform seit 1990 wurde über eine Anpassung der Infrastruktur des Bundesheeres an den tatsächlichen Bedarf des Heeres diskutiert. Das war ebenso bei der Reform ... (Zwischenruf des Abg. Auer. )  – Bleib bei der Landwirtschaft! Davon hast du eine Ahnung, aber beim Bundesheer hast du keine Ahnung! (Ruf bei der ÖVP: Grabner, bleib beim Sport!)

Das war bei der Reform 1992 ebenso der Fall wie auch bei der Strukturanpassung 1998. Das Verkaufspotenzial, das aus den Planungen jener Zeit vorliegt, bewegt sich in einer Größenordnung von zirka 2,5 Milliarden Schilling. Es rührt sich aber rein gar nichts. Von Seiten des Verteidigungsministeriums werden keinerlei Anstrengungen unternommen, um Kasernen und militärische Liegenschaften zu veräußern, obwohl es sich zum Teil um lukrative Grundstücke handelt, da sie mittlerweile in Wohngebieten liegen. Es versteht sich von selbst, dass sich mit diesen Objekten ein hervorragender Verkaufserlös erzielen ließe. (Abg. Böhacker: Fragt doch eure Landespolitiker, was die dazu sagen, wenn alles verkauft wird!)

Umso dringender, meine Damen und Herren, erscheint die Notwendigkeit des Verkaufs der Liegenschaften, da Finanzminister Grasser seinen Parteikollegen, dem Verteidigungsminister, sowohl im Budget 2001 als auch im Budget 2002 alleine im Regen stehen ließ. Die "Freundlichkeit", die der Finanzminister dem Verteidigungsministerium gegenüber an den Tag legt, kann man daran ermessen, dass die Mittel für die Landwirtschaft – Entschuldigung, für die Landesverteidigung – immer mehr schrumpfen. – Ich habe an dich (in Richtung des Abg. Auer) gedacht.

Die Einnahmen aus dem Verkauf der militärischen Liegenschaften und Kasernen könnten für die dringend notwendige Modernisierung aufgewendet werden. Es besteht die Notwendigkeit der Adaptierung der Mannschaftsunterkünfte an moderne Standards. Das betrifft nicht nur das oftmals veraltete Inventar, sondern es müssen vor allem die Massenunterkünfte beseitigt werden. Die Präsenzdiener verdienen, da sie ja ihren Dienst für die Allgemeinheit, für die Republik Österreich versehen, moderne, hygienische und zweckdienliche Unterkünfte. Schlechte Unterkünfte erhöhen den Frust der Grundwehrdiener. Das schlägt sich wiederum in einer nachlässigen Erfüllung des Dienstes nieder, wodurch die Qualität der Truppe Schaden nimmt.

Es existieren immer noch Kasernen, meine Damen und Herren, in denen bis zu 50 Personen in einem Raum untergebracht sind – oder besser ausgedrückt: zusammengepfercht sind. (Abg.


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Zweytick: Vier-Stern-Kategorie-Kasernen!)  – Das weiß ich eh. Du hast deinen Bauernhof, da hast du Platz genug. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Man bedient sich manchmal mobiler Holzwände, um die Räume zu teilen. (Abg. Böhacker: Wo hast du gedient? In welcher Kaserne hast du gedient?) Mangels finanzieller Aufwendungen werden diese Mängel auch weiterhin bestehen. In etlichen – vor allem älteren – Kasernen blättert der Putz von den Wänden und schließen die Fenster äußerst mangelhaft. Es gibt Unterkünfte, die man getrost als desolat und gesundheitsgefährdend für unsere Soldaten bezeichnen kann. Durch bauliche Mängel leidet nämlich besonders die Hygiene.

Da keine Anstrengungen unternommen werden, durch den Verkauf von militärischen Anlagen Geld zu akquirieren, das für die Modernisierung der Unterkünfte ausgegeben werden könnte, wird die Gesundheit der Rekruten weiterhin gefährdet. Verteidigungsminister Scheibner beklagt einerseits die mangelnden finanziellen Mittel seines Ressorts, andererseits lässt er die Möglichkeit zu Geldeinnahmen ungenutzt.

Es bleibt also für die Zukunft zu hoffen, Herr Verteidigungsminister, dass Sie es nicht nur verstehen, überteure Kampf hubschrauber – wir stehen zum Ankauf der Hubschrauber – anzuschaffen, sondern auch die vorhandenen Möglichkeiten zur Geldbeschaffung umzusetzen, damit die Modernisierung der militärischen Infrastruktur, der Baulichkeiten endlich vorangehen kann.

Ich sage noch einmal: Wir stehen zum Bundesheer, wir stehen zum Ankauf der Hubschrauber, aber nicht der um 500 Millionen Schilling teureren. Mit diesem Geld hätten wir schon vieles anderes machen können im Bundesheer. Ich habe schon einmal gesagt: Um diese 500 Millionen Schilling könnten 10 000 Studenten fünf Jahre lang gratis studieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas: Es wird immer gesagt, die Sozialdemokraten seien schuld. – Ich habe es gestern schon der Frau Vizekanzler gesagt: In 30 Jahren sozialdemokratischer Regierung sind viele Fehler geschehen, aber so viele Fehler, wie in dem einen Jahr der jetzigen Regierung geschehen sind, hat es in diesen 30 Jahren nicht gegeben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zweytick.  – Abg. Murauer: Weißt du, was wir um die Zinsen kaufen könnten?)

Und wenn Sie – gerade Freund Ofner – von der SPÖ und dem Bundesheer sprechen: Ich habe gar nicht gewusst, dass die letzten fünf Verteidigungsminister von der SPÖ waren. Da gab es einen Frischenschlager, einen Krünes, einen Lichal – und wie hieß der letzte Minister? Ich glaube, er ist jetzt der Zweite Präsident des Nationalrates. Das waren alle Sozialdemokraten? – Die waren die Unfähigen, die das hinterlassen haben, was heute der Zustand im Bundesheer ist! (Beifall bei der SPÖ.)

11.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Tancsits. – Bitte.

11.13

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! So eine Wehrbudgetdebatte hat etwas Gutes. Sie trennt schärfer als in vielen anderen Bereichen, wer sie zu gaghaften Vergleichen und Rechenbeispielen benützt und wer wirklich dazu bereit ist, Verantwortung für einen wesentlichen Teil des Staatsganzen zu übernehmen. (Abg. Murauer: Richtig!) Denn wie kann man sonst Vergleiche von Hubschraubern mit Studiengebühren verstehen? (Abg. Grabner: 500 Millionen ...!)

Herr Kollege! Was glauben Sie denn, wie viele Hubschrauber man um den Zinseszins, den Ihre Schulden verursacht haben, kaufen hätte können? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Murauer: So ist es!) Was sollen wir wirklich mit Vergleichen anfangen, wenn Kunstsubventionen gegen Nachtsichtgeräte aufgerechnet werden oder Ambulanzgebühren gegen das Heeresbudget, wie heute schon gesagt wurde? (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. )

Ich frage Sie: Meinen Sie das im Ernst? Meinen Sie das im Ernst, dass wir deshalb, weil etwa der Präsident des Hauptverbandes über Jahre die Heilmittelkosten nicht in den Griff bekommt,


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unsere Soldaten ohne entsprechenden Splitterschutz in den Kosovo oder in andere Krisengebiete schicken werden? (Abg. Murauer: So ist es!) Das werden wir nicht tun, und wir werden für das entsprechende Geld und die entsprechende Ausrüstung sorgen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Natürlich steht das Budget für Landesverteidigung auch im Zeichen der nationalen Kraftanstrengung, null Neuverschuldung zu erreichen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Nichts gemacht!) Wir stehen zu diesem Ziel, aber ich gebe zu bedenken: Einem Bereich, der bisher schon knapp gehalten wurde – und ich sage sogar: zu knapp gehalten wurde –, fällt das Sparen schwerer als anderen Bereichen, die bisher eher aus dem Vollen geschöpft haben. Wir tragen daher dieses Budget mit, vergessen aber nicht, dass es notwendig sein wird, nach gelungener Überwindung des Finanzdebakels, das Sie uns hinterlassen haben, in Zukunft für eine entsprechende Dotation der Landesverteidigung zu sorgen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bedanke mich, dass Sie wenigstens die letzten Verteidigungsminister nennen können. Wer Zweiter oder Dritter Präsident des Nationalrates ist, wissen Sie ja nicht, Herr Kollege Grabner! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass es aber notwendig ist, gerade im Zeichen dieses Sparbudgets, anzuerkennen, dass die Bediensteten des Ressorts und die Soldaten des Bundesheeres trotz schwieriger Bedingungen eine ungebrochene Dienst- und Einsatzfreude an den Tag legen, und ich möchte mich dafür im Namen meiner Kollegen bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Er hat das Wort. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

11.17

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jung und Herr Kollege Graf! Herr Kollege Jung meinte, er habe "rote Zahlen" von uns übernommen. – Da darf ich Sie korrigieren. Sie haben von uns ein Österreich übernommen mit höchstem Wohlstand, mit höchster Beschäftigung, mit niedrigster Arbeitslosenrate (Beifall bei der SPÖ – Abg. Murauer: Geh, hör auf! Höhere Verschuldung!), mit einer Schuldenquote unter dem europäischen Durchschnitt und mit einer Steuerquote im europäischen Durchschnitt. Sie haben das viertreichste Land Europas von uns übernommen! (Abg. Murauer: Schulden wie ein Stabsoffizier!)

Herr Kollege Graf! Wenn auch Sie die Schulden ansprechen, dann darf ich darauf hinweisen, dass der Schuldenstand in Österreich noch nie so hoch war wie jetzt. Er ist um 83 Milliarden Schilling höher als im Jahre 1999, und Sie werden mit dem Budget 2002 noch einmal 31 Millionen Schilling Schulden täglich produzieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als, glaube ich, letzten Redner meiner Fraktion noch einmal Ihre Aufmerksamkeit zum Grenzschutz hinlenken. Ich darf zu Beginn klarstellen, dass ich mich eindeutig zum Bundesheer bekenne und dass ich auch den Dank meiner Kollegen an das Bundesheer ausweiten möchte, nämlich an alle beteiligten Organisationen – auch an die Gendarmerie und die Zollwache, die gemeinsam mit dem Bundesheer vorbildlich ihren Grenzeinsatz leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweifellos hat das Jahr 1989 in der Sicherheitspolitik durch die stark gestiegene illegale Migration und Schlepperei neue Herausforderungen an uns gestellt. Es war im Jahr 1990 gerade die SPÖ, die das Bundesheer als tragende Säule für effiziente Grenzüberwachung eingesetzt hat. Das Ergebnis ist Ihnen bekannt; zumindest für die Bevölkerung an der Grenze ist das Ergebnis eine Erfolgsgeschichte. Daher wollen wir, dass dieser Grenzschutz auch in Zukunft erhalten bleiben kann, so lange, bis die neuen osteuropäischen Mitglieder der EU ihrerseits dazu in der Lage sind, ihre Ostgrenze schengenkonform zu sichern.


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Es ist daher für mich unverständlich, Herr Bundesminister, dass jetzt, da die Ostentwicklung absehbar ist, die Sicherheit der Bevölkerung diesem Sparwillen, dieser Sparwut untergeordnet werden soll.

Wir haben auch kein Verständnis dafür, Herr Bundesminister, dass Sie und Ihre Kollegen, und zwar der Innenminister und der Finanzminister, mit Ihren Machtkämpfen oder Eifersüchteleien die Einsatzkräfte permanent verunsichern. Ich bin sehr froh darüber, dass der Antrag der Burgenländischen Landesregierung, nämlich zur Erhaltung des Grenzschutzes im vollen Umfang, dem auch die Kollegen der ÖVP und FPÖ zugestimmt haben, den Ministerrat dann doch – wenn auch verspätet – zum Handeln gezwungen hat.

Leider ist das Ergebnis aber kein Ergebnis, und es fehlt auch ein klares Bekenntnis zur Weiterführung dieses Grenzschutzes. (Abg. Jung: Wer wird sich zur ewigen Weiterführung eines Provisoriums bekennen, Herr Kollege?) Es ist für alle Beteiligten und vor allem auch für die Bevölkerung unverständlich, wenn dann Aussagen kommen, wie beispielsweise vom Verteidigungsminister, der meint, dass die Soldaten bereits zu Beginn des nächsten Jahres, also in ein paar Monaten, abgezogen werden, und zum anderen vom Herrn Bundeskanzler, der meint, er sei froh darüber, dass es gelungen sei, den Grenzeinsatz langfristig außer Streit zu stellen. – Offenbar waren die beiden Herren auf verschiedenen Veranstaltungen.

Aber es zeigt zumindest, in welch kurzen Zeiteinheiten der Herr Bundeskanzler denkt. – Offensichtlich spürt der Herr Bundeskanzler, dass sein Ende bereits begonnen hat. (Abg. Wattaul: Das ist aber dein Wunschtraum!)

Sie, Herr Bundesminister, darf ich ersuchen, die Verunsicherungspolitik nach innen und außen zu beenden. Ich darf Sie ersuchen, sich für den maximalen Schutz Österreichs und seiner Bevölkerung einzusetzen. Und ich darf Sie ersuchen, sich für mehr Effizienz und vor allem auch für mehr Motivation im Bundesheer einzusetzen.

Die bestehenden Mängel sind heute schon mehrfach angesprochen worden: Mannausrüstung, technische Ausrüstung, auch der Mangel an klaren Befehlen – all das muss natürlich zu Demotivation und Chaos führen! Sie hingegen widmen sich der Anschaffung von Abfangjägern und wollen dafür 30 bis 40 Milliarden Schilling zusätzlich ausgeben. Ich muss dazu sagen, dass ich mich nicht grundsätzlich dagegen ausspreche, aber zuerst muss die Finanzierung gesichert sein. (Abg. Murauer: So wie bei den Draken!) Und wir sind uns, glaube ich, auch darüber im Klaren, dass diese 24 Abfangjäger keine Verteidigung sein können, sondern bestenfalls eine symbolische Funktion haben können. Jedenfalls muss die Finanzierung vorher gesichert sein.

Darüber hinaus ist es notwendig, dass zuvor die Strukturreform der Luftstreitkräfte abgeschlossen wird. Das wiederum setzt voraus, dass es eine umfassende Heeresdefinition gibt, deren Grundlage natürlich die neue Sicherheitsdoktrin ist, welche ihrerseits die vorherige Klärung der europäischen Sicherheitsfrage erfordert.

Herr Bundesminister! Es gibt eine ganze Reihe wirklich wichtiger Aufgaben. Daher lade ich Sie ein, sich nicht Kleinkriegen, sondern diesen wirklich großen Problemen zu widmen. Sie können sicher sein, dass wir unseren Teil dazu beitragen werden, dass es vernünftige Lösungen geben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zellot. Ich erteile ihm das Wort.

11.23

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass das österreichische Bundesheer nie ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gehabt hat. Es war im Großen und Ganzen immer auf Sparflamme gesetzt. Es gab wohl einige Aktivitäten entsprechend der jeweiligen Sicherheitslage, aber ich glaube jedenfalls, es ist nicht der ge


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eignete Zeitpunkt, die Schuld dafür, warum das Bundesheer nicht die notwendigen Mittel bekommt, hin- und herzuschieben.

Meine geschätzten Damen und Herren! Tatsache ist, dass ich mit verschiedenen Aussagen wie: Wir brauchen schlankere Strukturen! nicht übereinstimme. Das Bundesheer ist schlank genug, das Bundesheer braucht nur zeitgemäße Strukturen – und Bundesminister Scheibner steht dafür! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In letzter Zeit wurden sehr viele – und vor allem positive – Argumente für den Grenzeinsatz gebracht. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass es seit Einrichtung des Grenzeinsatzes im Burgenland nie sicher war – weder für das Bundesheer, für die Soldaten noch für die dortige Bevölkerung –, wie lange er dauert. Er wurde immer nur stufenweise verlängert, und es ist daher nichts Neues, wenn der Grenzeinsatz nun wieder um zwei Jahre verlängert wurde.

Meine geschätzten Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer hat seine Aufgaben zum Schutze der Bevölkerung immer zur vollsten Zufriedenheit erfüllt. In diesem Sinne möchte ich die heutige Debatte zum Anlass nehmen, vor allem den Rekruten und den Führungskräften unseres Heeres für ihre Leistungen zu danken. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vielleicht denken wir und viele Sportfunktionäre und öffentliche Funktionäre auch daran, dass das österreichische Bundesheer nicht dazu da ist, um irgendwelche Hilfeleistungen für Großveranstaltungen zu geben. Ich möchte aber vor allem im technischen Bereich an das System IFMIN erinnern, das alle Erfordernisse für die Abhaltung von solchen Veranstaltungen wie Ski-Weltmeisterschaften erfüllt, diese erleichtert und es ermöglicht, dass diese problemlos ablaufen.

Man soll das natürlich auch positiv sehen. Ich glaube, Bundesminister Scheibner ist für die nächste Zeit auch ein Garant dafür, dass die Garnisonen vor allem auf wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Ebene erhalten werden. Das ist natürlich ebenfalls wichtig.

Wenn jemand von diesem Pult aus feststellt, dass manche Kasernen noch nicht ganz in Ordnung sind, dass vielleicht gewisse Unterkünfte noch mangelhaft sind, dann, meine geschätzten Damen und Herren, muss ich sagen: Es ist ja die Aufgabe jedes Regionalpolitikers, dort tätig zu werden und zu zeigen, wie gut er ist, damit eben solche Missstände abgestellt werden. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Außerdem glaube ich nicht, dass es noch solche Massenunterkünfte gibt, von denen hier gesprochen wurde.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn Sie vom Einsatz und Ankauf dieser neuen Hubschrauber sprechen und sagen, sie seien zu teuer, so wie es hier von einem Abgeordneten schon getan wurde, sage ich Ihnen: Unsere Piloten waren noch mit den alten Hubschraubern im Einsatz, als die neuen Hubschrauber noch lange nicht angekauft worden sind. Das war gefährlich! Stellen Sie sich vor: Wenn unsere Piloten jetzt mit den neuen Hubschraubern fliegen, können sie in jeder Situation und bei jedem Wetter fliegen! Das ist doch positiv, und Österreich hat anerkannte Piloten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass nicht nur die Anschaffung von Hubschraubern, sondern auch die persönliche Mannesausrüstung wichtig ist. Deswegen ist es trotz Sparmaßnahmen natürlich auch für die Gesundheit der Soldaten wichtig, dass die Erprobung von Kampfanzügen und der Mannesausrüstung für die Zukunft oberste Priorität hat.

Ich glaube, wir brauchen im österreichischen Bundesheer nicht nur motivierte Soldaten und Führungskräfte, wir brauchen auch ein motiviertes Haus, das zu diesem Bundesheer steht. Deswegen kann ich ganz beruhigt sein; ein Mann steht dafür und schaut darauf: Bundesminister Scheibner! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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11.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lunacek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

11.28

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Zu Beginn muss ich zuerst eine kleine Richtigstellung anbringen. Herr Abgeordneter Herbert Graf von den Freiheitlichen hat vorhin in seinem Redebeitrag Frau Kollegin Stoisits und mich verwechselt. (Abg. Murauer: Das ist aber kein Fehler!) Herr Kollege Graf, in Ihrer Fraktion gibt es zwei mit Namen "Graf", ganz gleich geschrieben. Ich meine, da kann es vielleicht schon vorkommen, dass die verwechselt werden. Aber dass Sie die Namen "Stoisits" und "Lunacek" verwechseln, zwei so typisch ostösterreichische Namen, das hat mich schon sehr verwundert. Das habe nicht ich gesagt, sondern die Kollegin Stoisits. (Ruf bei den Freiheitlichen: Vielleicht habt ihr die gleiche Stimme!)

Aber nun zum Thema des heutigen Tages, dem Militärbudget. Herr Bundesminister! Sie haben auf die in einer unserer Anfragen enthaltenen Frage, welche Kosten für internationale Organisationen so gestiegen sind, dass sich der Betrag von 2000 auf 2002 verdreißigfacht hat, in der Anfragebeantwortung geschrieben, dass der Beitritt Österreichs zum Panel II der Westeuropäischen Rüstungsgruppe der Grund dafür ist und dass dieser Betrag ab dem Jahr 2002 inklusive des Beitrags für Forschung und Entwicklung insgesamt 38 000 j pro Jahr ausmachen wird, also etwa eine halbe Million Schilling. – Nun gut, das ist ein Beitrag, der sich verdreißigfacht hat, ein Beitrag zu den internationalen Organisationen, wozu gerade diese Westeuropäische Rüstungsgruppe sehr viel beiträgt.

Gleichzeitig ist aber, und das ist auch beschlossen worden, der Beitrag Österreichs zu den UNO-Truppen, zu jenen, die seit Jahren und Jahrzehnten im Ausland zu einem ganz tollen Bild Österreichs beitragen, halbiert worden. Auch Sie sagen immer, dass Österreich beweisen muss, wie solidarisch es auf internationaler Ebene ist, deswegen müssen wir Ihren Aussagen nach ja auch in Richtung NATO unterwegs sein. Die österreichischen Soldaten haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Krisengebieten weltweit oftmals bewiesen, dass Österreich mit der internationalen Gemeinschaft solidarisch ist! Aber diese Beiträge, zum Beispiel der österreichische Einsatz in Zypern, werden aufgelöst. Die Halbierung des Kontingentes ist bereits beschlossen, und bald werden die österreichischen Truppen dort ganz abziehen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Diesbezüglich gibt es eine Verringerung, und das ist für uns die falsche Richtung. (Beifall bei den Grünen.) Auf der einen Seite steht die westeuropäische Rüstungsgruppe, die Forschung im Bereich Rüstung, auf der anderen Seite aber werden dort, wo es darum geht, den Frieden zu sichern, dort, wo man wirklich eingreifen kann, um den Frieden abzusichern, damit es keine bewaffneten Auseinandersetzungen, keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr gibt, die Mittel gekürzt. Das ist die falsche Richtung!

In die falsche Richtung geht es auch, was das Eurokorps betrifft. Es ist beschlossen – aber im Budget findet sich nichts. Sie sagen, das stehe ja noch nicht auf der Tagesordnung, das sei noch nicht so weit (Abg. Jung: Kommt noch!), das komme schon noch. In der "Presse" vom 18. Oktober 2000 stand zu lesen, das solle halt dann Finanzminister Grasser refundieren. Ich frage mich nur: Woraus? Außerbudgetär geht das ja nicht wirklich, und so argumentieren wie bei den Abfangjägern, dass es dann Gegengeschäfte gibt, die ja sowieso außerbudgetär sind, kann man beim Eurokorps nicht wirklich.

Wie also, frage ich Sie, Herr Minister Scheibner, soll diese rund 1 Milliarde – oder wie viel auch immer – in den nächsten Jahren finanziert werden? Darauf haben Sie uns noch keine Antwort gegeben. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wattaul. ) Wir werden es sicher nicht finanzieren, Herr Kollege Wattaul! Von uns wird das Geld sicher nicht kommen. (Abg. Wattaul: Ihr kritisiert nur!)

Etwas anderes, Herr Minister Scheibner. Ich war letzte Woche wirklich sehr erstaunt und positiv überrascht – das kommt ja nicht so oft vor, dass Grüne positiv auf Ausführungen von Ihnen reagieren –, als Sie gesagt haben: Keine Ausweitung des KFOR-Mandats in Richtung Mazedonien, keine österreichischen Truppen nach Mazedonien! Ich habe mir gedacht: Super! Endlich einmal macht Verteidigungsminister Scheibner genau das, was wir auch immer sagen, nämlich


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die friedenssichernden Ideen in den Vordergrund zu stellen und nicht die militärpolitischen Ambitionen. Er hat nicht wie die Außenministerin gesagt, dass dieses KFOR-Mandat ausgeweitet werden soll, sondern er hat gesagt: Nein, das werden wir nicht tun!

Ich wurde dann neugierig, ob der Herr Verteidigungsminister auch noch andere Dinge fordern wird, so etwa: stärkere zivile Maßnahmen, mehr Verhandeln, mehr Vermitteln, ein stärkeres Einbringen auch in die EU, ob er vielleicht auch gegenüber der Außenministerin sagen wird, dass man im mediatorischen, im diplomatischen Bereich mehr machen soll, zum Beispiel auch mehr in die Bildung, in die Zivilgesellschaft investieren soll. Davon habe ich dann nichts gehört. (Bundesminister Scheibner: Habe ich gesagt!)  – Na gut, dann nehme ich jetzt zur Kenntnis, dass Sie das gesagt haben.

Dann ist mir aber noch etwas eingefallen. Letzte Woche hatten wir doch noch Wahlkampf für Wien, und da habe ich mir gedacht: Eventuell war das auch wahlkampfbedingt. Ich bin mir immer noch nicht sicher, warum Sie das gesagt haben. Ich würde es gerne wissen. Befürchtet habe ich schon, dass der zweite Grund, nämlich der Wiener Wahlkampf, dafür ausschlaggebend war, aber ich weiß es nicht. Vielleicht werden Sie mir das widerlegen und mir sagen, dass Sie sehr wohl in diese Richtung, nämlich weg von der militärpolitischen hin in eine friedenssichernde Richtung, gehen.

Was den Mazedonien-Einsatz betrifft, so stimmen wir sehr wohl darin überein, dass es notwendig ist, die Grenzen zwischen Mazedonien und dem Kosovo zu sichern. Das begrüßen wir, das ist notwendig. Das hätte die NATO, das hätten die KFOR-Truppen von Anfang an tun sollen. Ebenso hätten die KFOR-Truppen – und da ist etwas verabsäumt worden – auch schon im Kosovo die albanische Guerilla entwaffnen sollen, damit jetzt nicht wieder die Möglichkeit bestünde, dass sie guerillamäßig in Mazedonien agieren. (Abg. Murauer: Wer entwaffnet sie denn?) Aber die Außenministerin hatte die Idee, die NATO-Truppen jetzt in Mazedonien einzusetzen, genau jene Truppen, die im Kosovo-Krieg auf Seiten der Albaner gestanden sind und jetzt auf der anderen Seite stehen. Diese Truppen sind einfach Partei! (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Es hat aber so ausgesehen, da können Sie mir doch wirklich nicht widersprechen. (Abg. Jung: Die Österreicher waren auf keiner ...!) Nicht die Österreicher, die KFOR-Truppen insgesamt.

Diese Truppen sind nicht neutral! Das ist einer der Hauptgründe dafür, dass es aus unserer Sicht nicht möglich ist, sie in Mazedonien einzusetzen; abgesehen davon, dass die mazedonische Regierung das auch gar nicht will. (Beifall bei den Grünen.) Worum es in der Region geht, ist die Stabilisierung, und diese ist militärisch nicht zu erreichen.

Um das vielleicht auch einmal klar zu sagen: Natürlich sind die Anliegen der albanischen Minderheit in Mazedonien ernst zu nehmen, aber auch differenziert zu betrachten. Was da immer im Raum steht, ist die Forderung, dass sie als eigenes Staatsvolk anerkannt werden. (Abg. Jung: Vorher werden sie keine Ruhe geben!) Die Anerkennung, die sie schon haben, ist jene als Volksgruppe. Da fehlt aber noch sehr viel, da fehlt noch viel an Umsetzung, gerade im Bildungsbereich. Eine Universität allein zum Beispiel ist nicht genug. Es braucht noch viel mehr Bildung im Primär- und Sekundärschulbereich.

Das muss schon noch weiter entwickelt werden, aber diese Minderheit als Staatsvolk anzuerkennen, davor warne ich. (Abg. Großruck: Das will aber niemand!)  – Das wird von den Albanern schon gesagt, und das wird auch zum Teil in den Raum gestellt. (Abg. Großruck: Die Albaner, aber nicht die Europäer!) Auch der Bosnien-Beauftragte Petritsch hat sehr genau gesagt, dass diese Nationenbildung etwas ist, was die Gefahr einer Sezession in sich birgt. (Abg. Jung: Schrecklich!) Ich weiß schon, Herr Kollege Jung, dass Sie das sehr wohl befürworten, aber ich glaube, man muss hier die Stabilität der gesamten Region in den Mittelpunkt stellen.

Zum Schluss noch zu der von Ihnen und auch in der Debatte schon des Öfteren erwähnten Sicherheitsdoktrin, Herr Minister Scheibner. Sie haben vorhin gesagt, dass man darauf achten muss, dass diese Krise in Mazedonien nicht zu einem Flächenbrand wird. – Das stimmt! Sie


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haben weiters ganz richtig gesagt: Bei Krisen muss man in einer Weise ansetzen, dass sie erst gar nicht entstehen, man muss einen Flächenbrand verhindern, und wenn das alles nicht mehr geht, dann muss man militärisch eingreifen. (Abg. Murauer: Richtig!) Sie haben aber auch gesagt, dass niemand weiß, was in den nächsten fünf bis zehn Jahren passiert, und dass auch niemand weiß, ob solche Krisenherde vielleicht nicht doch wieder an unsere Grenzen herangetragen werden.

Herr Minister! Haben Sie diese Sicherheitsdoktrin, diesen Analyseteil, wirklich genau gelesen? Dort steht nämlich: Es ist nicht zu erwarten, dass es in den nächsten Jahren – bis zu zehn, steht da – solche Krisen in unserem Nachbargebiet geben wird, die auf Österreich übergreifen können. – Das steht in der Sicherheitsdoktrin. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner. )  – Militärische Bedrohung, das verstehe ich darunter, wenn Sie sagen, dass Krisenherde an unsere Grenzen herangetragen werden. (Abg. Murauer: Ein Angriff auf Österreich!) Krisenherde an unsere Grenzen heranzutragen heißt für mich schon, dass es an den Grenzen, für die österreichischen Grenzregionen Bedrohungen gibt.

Dass das passieren kann, haben Sie vorhin in den Raum gestellt! In der Sicherheitsdoktrin, in dem Analyseteil, der von Ihnen präsentiert wurde, steht dezidiert drin, dass es diese Bedrohungen nicht gibt und dass man sie für die nächsten zehn Jahre ausschließen kann. Allein aus diesem Grund, Herr Minister, Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, würde ich mir wünschen, dass – vier Monate haben wir darauf warten müssen – dieser Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses eingerichtet wird, wo wir jetzt endlich darüber diskutieren können, und hoffentlich auch bald der Auswärtige Rat einberufen wird, wo wir das diskutieren können, dass das nicht immer wieder verschoben werden muss. Ich weiß, ein Termin wurde wegen der Abhaltung einer Sondersitzung abgesagt, aber seit mehr als zwei Wochen warten wir auf einen neuen Termin.

Mein Appell zum Schluss: dass es endlich eine öffentliche und offene Debatte rund um diese Sicherheitsdoktrin gibt, damit genau diese Punkte, die jetzt für mich widersprüchlich sind, offen diskutiert werden können! (Beifall bei den Grünen.)

11.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.39

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sich mit den Grünen zu Fragen der militärischen Landesverteidigung, der Sicherheitspolitik auseinander zu setzen, ist schwierig. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist gegenseitig, Herr Kollege!) Wer den Grundsatz ablehnt, dass es überhaupt eine militärische Landesverteidigung gibt, für den ist es auch schwer, über irgendein Detail eine Einigung zu finden. Das nehmen wir einmal so zur Kenntnis, das ist so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was mich aber in dieser Debatte doch erschüttert hat, ist der Argumentationswechsel bei der SPÖ. Gerade aus dem Mund eines Anton Gaál oder eines Kollegen Kummerer, die früher in ihrer Argumentation ja immer ganz anders vorgegangen sind, diese Worte zu hören, ist wirklich bemerkenswert. Wir haben früher von Ihnen immer gehört, dass die Landesverteidigung zu wenig Geld hat, eigentlich müsste der Verteidigungsminister dafür sorgen, das Bundesheer besser auszustatten und auszurüsten.

Heute haben wir von Ihnen gehört, dass es, eigentlich solange es diese Sozialpolitik der Bundesregierung gibt, überhaupt keine Erhöhung geben soll, ja überhaupt jede Ausgabe im Bereich der Landesverteidigung zu hinterfragen ist. (Abg. Gaál: Das ist eine falsche Schlussfolgerung! Wir haben gesagt, die Bevölkerung wird das nicht verstehen!) Das, meine Damen und Herren, ist ein sehr gefährlicher Weg, den Sie hier gehen. Das ist ein Weg des Populismus in der Sicherheitspolitik, der sich mit Ihrer bisherigen Rolle nicht verträgt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich fordere Sie daher auf, zu Ihrer staatspolitischen Verantwortung als Partei zurückzukehren. Sicherheitspolitik hat mit Populismus nichts tun, dort sind Seriosität und Verantwortung gefragt. Ich erwarte mir gerade von den Kollegen von der SPÖ, die der Landesverteidigung sehr wohlmeinend gegenüberstehen, dass sie hier andere Worte verwenden.

Liest man die heutige "Presse", so muss man sagen, es liegt die Vermutung nahe, dass eine andere "Stallorder" in der SPÖ ausgegeben wurde. Wenn man versucht, Sicherheitspolitik, militärische Landesverteidigung wieder nach dem Motto: Ein paar Monate sind genug!, mit Wehrdienstzeitverkürzung oder damit – wie Sie das heute wieder vorgeschlagen haben –, dass man die grundsätzliche Struktur des Bundesheeres in Frage stellt, anzugehen, meine Damen und Herren, dann sind wir von vornherein auf dem völlig falschen Weg. Ich warne Sie vor diesem Weg!

Es ist wesentlich wichtiger, dass wir uns wirklich einmal inhaltlich grundlegend unterhalten. Ich mache Ihnen dazu einen konkreten Vorschlag: Wir werden am 19. April die Gelegenheit haben, einen Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses einzurichten, in dem wir nach Vorlage des Analyseteils der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin Punkt für Punkt die Probleme erörtern können, die für uns wichtig sind: Wie soll die Struktur des Bundesheeres ausschauen, wenn wir die Aufgaben neu definieren? Wie sollen wir im europäischen Rahmen weitertun? Wie schaut es mit dem Eurokorps aus, was wird das in der Struktur des Bundesheeres bedeuten? Was brauchen wir für den Assistenzeinsatz im Inland? Wie können wir den Aufforderungen, im Rahmen der UNO auch einen Hilfeleistungseinsatz im Ausland zu gewährleisten, nachkommen? – Das sind die Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Aber begeben Sie sich nicht auf das Niveau, zu sagen, Sozialausgaben müssen zu Militärausgaben aufgerechnet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bitte Sie darum und möchte Sie wirklich ersuchen: Gehen Sie mit uns den Weg, sich seriös Stück für Stück zu dieser Lage neu zu orientieren, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und dann gemeinsam – ich lade Sie wirklich dazu ein – eine Sicherheitsdoktrin für Österreich neu zu entwickeln! Ich bitte Sie darum! Unterlassen Sie Aussagen wie jene, die ich erwähnt habe, und versuchen Sie, auch diejenigen in Ihrer Partei, die diese "Stallorder" ausgeben, in eine andere Richtung zu bewegen! Ich bitte Sie darum. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte, Herr Bundesminister.

11.43

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es haben sich einige Abgeordnete in ihren Redebeiträgen zum Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres geäußert, und der Regierung wurde mehrmals von Abgeordneten der Opposition vorgeworfen, sie hätte diesbezüglich die Bevölkerung verunsichert.

Meine Damen und Herren! Diesen Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen, denn es waren nicht Vertreter der Regierungsparteien, die in öffentlichen Aussagen die Bevölkerung verunsichert haben, indem sie Befürchtungen geäußert haben, dass die Grenzsicherung reduziert wird, sondern das waren Vertreter der Sozialdemokratie, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie wissen ganz genau, meine Damen und Herren, dass es nie in Zweifel gestanden ist, dass die Grenzsicherung auf dem derzeitigen Niveau nicht nur aufrechterhalten werden muss, sondern, im Gegenteil – und das ist auch mein Bestreben gewesen –, dass durch eine bessere technische Ausstattung auch wirklich eine flächendeckende Kontrolle der Grenze erreicht werden muss. Und das mit dem jetzigen Beschluss auch gelungen. Aber es war selbstverständlich auch mein Bestreben als Verteidigungsminister, klar darauf hinzuweisen, dass wir nach zehn Jahren Provisorium endlich dazu kommen müssen, dass ein verfassungskonformer Zustand hergestellt wird. Und das wissen Sie ganz genau, denn bereits 1990, als Sie diesen Assistenzeinsatz eingerichtet haben, gab es ein Gutachten des Verfassungsdienstes, das eindeutig


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festgehalten hat, dass ein derartiger Assistenzeinsatz nur eine vorübergehende Hilfeleistung für das eigentlich zuständige Innenressort darstellen kann. Wenn dieser Assistenzeinsatz längere Zeit andauerte, müsste man eine eigene verfassungsrechtliche Grundlage dafür schaffen. Das allerdings haben Sie in zehn Jahren nicht zustande gebracht! Und Ihr sozialdemokratischer Innenminister hat es in zehn Jahren nicht zustande gebracht, diese Grenzsicherung aus eigenen Mitteln – obwohl er im Gegensatz zum Bundesministerium für Landesverteidigung das Geld bekommen hat, obwohl er das Personal bekommen hat! – sicherzustellen.

Die jetzige Bundesregierung hat die Weichen gestellt. Wir haben eindeutig sichergestellt, dass der Assistenzeinsatz vorerst einmal bis ins Jahr 2002 verlängert wird, dass nicht wie bisher immer nur eine jährliche Verlängerung stattfindet. (Abg. Leikam: 2002 ist in acht Monaten!) Wir haben sichergestellt, dass die technische Ausstattung auf einem entsprechenden Niveau erfolgt, und es ist unsere Zielsetzung, dass das eigentlich zuständige Ressort, nämlich das Innenressort, diese Grenzsicherung unter Beibehaltung der Qualität selbst übernehmen kann. Bis das erreicht ist, wird das österreichische Bundesheer diese Aufgabe selbstverständlich unterstützen.

Es ist auch festgehalten worden, dass ab dem Budget 2003 jenem Ressort, das die Grenzsicherung übernimmt, auch die notwendigen Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Ich weiß nicht, was Sie hier noch zu kritisieren haben. Es ist eindeutig sichergestellt: Der verfassungsrechtliche Zustand soll hergestellt werden, der Assistenzeinsatz ist gesichert (Abg. Leikam: Mit wem? Mit welchen Leuten?), und auch die Geldmittel werden zur Verfügung gestellt! Also eigentlich sollten Sie diese Regelung begrüßen und nicht kritisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Einsatzzulagen wurden von Frau Kollegin Hagenhofer angesprochen. Sie hat aber vergessen, dass das in Wirklichkeit auch eine Strukturmaßnahme ist, die immer wieder eingefordert wird. Es gab einen Kompromiss in Bezug auf die Einsatzzulagen für den Assistenzeinsatz. Sie haben aber vergessen, dazu zu sagen, dass wir durch diese Maßnahmen erreichen, dass die Grundwehrdiener, die die Hauptlast dieser Assistenzeinsätze tragen, ab 1. April im Monat 1 000 S mehr bekommen werden. Sie haben vergessen, dazu zu sagen, dass wir Krisenzuschläge haben, um auch eine Gewichtung unter den Assistenzeinsätzen zu schaffen. Sie haben vergessen, dazu zu sagen, dass jetzt auch die Auslandseinsätze höher dotiert werden. Und Sie haben auch vergessen, dazu zu sagen, dass der Litera a-Fall im § 2 Wehrgesetz, nämlich die militärische Landesverteidigung, wesentlich besser dotiert wird. – Das sollte man auch dazu sagen, wenn man in diesem Bereich Kritik übt.

Meine Damen und Herren! Zum Schluss wurde noch von Frau Kollegin Lunacek gesagt, die geplanten Maßnahmen in Mazedonien, die Forderung, das KFOR-Mandat nicht auszuweiten, seien ein Wahlkampfgag von mir gewesen. Darauf kann ich Ihnen antworten, Frau Kollegin Lunacek: Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass ich bei der Erfüllung meiner Aufgaben als Verteidigungsminister nicht irgendeiner Partei, auch nicht meiner eigenen, auch keinen Wahlkämpfen verpflichtet bin, sondern einzig und allein der Aufgabenerfüllung des österreichischen Bundesheeres und der größtmöglichen Sicherheit unserer Soldaten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Genau in diesem Sinne habe ich gesagt, dass eine Ausweitung des KFOR-Mandats in Mazedonien aus mehreren Gründen nicht sinnvoll wäre. Zum einen ist die Situation in Mazedonien glücklicherweise nicht vergleichbar mit jener im Kosovo. Es gibt dort eine funktionierende Regierung, und diese muss man unterstützen – durch Maßnahmen der Wirtschaft, auch durch Maßnahmen der Infrastruktur, des Know-how-Transfers, auch von politischer Seite! Eine Ausweitung des KFOR-Mandats wäre daher das falsche Signal.

Ich habe auch klar gesagt, dass ich mich auch dagegen verwahre – Sie haben das ein bisschen angedeutet –, dass man das Versagen der Politik, und das ist ein Versagen der Politik, der internationalen Politik, auch der Europäischen Union, immer damit entschuldigt, dass die NATO, KFOR oder das Militär versagt haben. Das Militär ist nur Ultima Ratio für politische Lösungen, auf die wir im gesamten Balkanbereich warten. Ich hoffe, dass es endlich einmal eine gemeinsame Sicherheitspolitik der Europäischen Union geben wird, wo man präventiv wirkt, wo man


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Krisenmanagement betreibt, sodass wir in Zukunft auf militärische Kapazitäten nicht mehr zurückgreifen müssen.

Sie haben einen angeblichen Widerspruch bezüglich der Bedrohungsszenarien angesprochen, Frau Kollegin Lunacek. – Wenn Sie die Sicherheitsdoktrin, wenn Sie den Analyseteil gelesen haben, dann werden Sie wissen, dass eines der Bedrohungsszenarien die völlig unkontrollierte Verwendung von atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen darstellt und dass niemand garantieren kann, ob nicht in den nächsten fünf oder zehn Jahren jene Staaten, die über diese Kampfstoffe verfügen, diese auch verwenden werden – durch Trägersysteme, die auch die österreichische Sicherheit gefährden könnten.

Das war gemeint mit der Bemerkung: Konflikte, die weit weg sind, die aber an unsere Grenzen auch herangetragen werden können. Auch das sollten wir in der Diskussion über die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin mit berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Abgeordneter Grabner hat noch die Verkäufe von Kasernenareal angesprochen. In den nächsten zwei Jahren ist ein Potenzial von über 400 Millionen Schilling aus Verkäufen vorgesehen. Ich hoffe nur – Sie sind ja auch alle regionale Abgeordnete –, dass Sie auch auf Ihre Gemeindevertretungen und auf Ihre regionalen Strukturen einwirken werden, dass es dort zu keinen Verzögerungen kommt. Wenn es nämlich darum geht, im Wege von Umwidmungen und auch Zustimmungen zu derartigen Verkäufen diese erst möglich zu machen, dann merken wir, dass die Bereitschaft zur Unterstützung wesentlich geringer wird, als das vorher bekannt gegeben worden ist.

Ich sage Ihnen ganz offen, meine Damen und Herren auch von der Sozialdemokratie: Wenn ich die Maßnahmen, die Sie laut heutiger Presse verlangen, richtig beurteile, dann frage ich mich schon, auf welcher Berechnungsgrundlage und auf welchen Planungsgrundlagen Sie heute schon sagen können, dass Sie mit 60 000 Mann Mob-Stärke das Auslangen finden werden. Ich weiß auch nicht, wie Sie diesen Widerspruch erklären: sich auf der regionalen Ebene für Kasernenstandorte einzusetzen, in Ihrem Konzept aber zu verlangen, dass man Standorte reduziert!

Ich glaube, man sollte hier einen vernünftigen Weg gehen. Wir sollten jetzt einmal in der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin umfassend die künftigen Aufgaben für die österreichische Landesverteidigung definieren, denn nur auf Grund dieser Aufgaben werden wir klare Planungen – wie soll die Stärke des Heeres aussehen, wo sind die Standorte, wie sieht die Heeresgliederung aus? – umsetzen und auch die Fragen des Wehrsystems entsprechend beantworten können. – Das wäre ein sinnvoller Stufenplan, anstatt durch vielleicht populäre, manchmal auch populistische Forderungen in Wirklichkeit den Intentionen der österreichischen Landesverteidigung zu widersprechen!

Wenn wir uns zu diesem konsensualen Weg finden – ich würde es mir wünschen –, dann werden wir auch einen guten Weg für die Zukunft des österreichischen Bundesheeres finden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Hagenhofer zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen Sie den berichtigten Sachverhalt gegenüber.

11.52

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Der Herr Verteidigungsminister hat gesagt, ich hätte vergessen, dass Gelder für die Erhöhung der Einsatzzulagen eingesetzt worden sind, ich hätte vergessen, dass für die Assistenzeinsätze an der Grenze im Burgenland jetzt auch die Rekruten eine entsprechende Entlohnung bekommen.

Ich stelle tatsächlich richtig: Herr Bundesminister! Ich habe gesagt, 50 Millionen Schilling wurden den Beamten über das Einsatzzulagengesetz weggenommen, hin zum Budget transferiert, und


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der Rest, nämlich 100 Millionen Schilling, das habe ich auch gesagt, wird über das Heeresgebührengesetz verwaltet. Damit habe ich diese von Ihnen angesprochenen Zulagen gemeint, und das habe ich auch so gesagt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.53

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst mit den Ausführungen meiner Vorrednerin Lunacek ergänzend auseinander setzen. Sie hat den Standpunkt vertreten, dass man vorsichtig sein müsse, wenn es um die Beurteilung und Festschreibung der politischen und der rechtlichen Situation der albanischen Volksgruppe in Mazedonien gehe.

Ich glaube, dass man da nicht so rigide vorgehen kann, wie Sie es verstehen und wie Sie es auch vertreten, denn wo würden die österreichischen Minderheiten, die Volksgruppen in unserem Lande, hinkommen, wenn wir ihnen gegenüber nach ähnlichen Kriterien vorgingen?

Volksgruppe ist Volksgruppe – egal, wie groß sie ist. Wir haben in der Staatszielbestimmung, die diese Bundesregierung entriert hat und die dieses Haus beschlossen hat, den Standpunkt vertreten, dass sich alle Volksgruppen gleichwertig in das Staatsgefüge einbinden und in ihm einfinden. Man wird nicht das Kriterium anlegen können – das Sie gutgeheißen haben am Beispiel Mazedonien –, dass man sagt: Dann besteht die Gefahr des Sezessionismus. Recht muss überall gleich sein. Wenn eine Volksgruppe auch groß ist und damit beginnt, sich auf die Hinterbeine zu stellen und das Selbstbestimmungsrecht – das ja noch immer gilt – für sich in Anspruch zu nehmen, dann darf man nicht sagen: Erkennen wir sie lieber gar nicht an, sonst fördern wir diese Bestrebungen!

Entweder – oder! Entweder, man nimmt den Standpunkt von Staaten wie etwa Frankreich ein, das an jedem Eck und an jedem Ende Volksgruppen innerhalb seiner Grenzen hat, das aber abstreitet und sagt: Bei uns gibt es keine, bei uns gibt es nur Franzosen und sonst überhaupt nichts!, oder man nimmt einen rechtlich und politisch korrekten Standpunkt ein! Dann gibt es eben Minderheiten, dann gibt es Volksgruppen, und die wird man, auch wenn es einmal irgendwie unbequem sein sollte, anerkennen müssen und nicht unterteilen dürfen in gute und schlechte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das soll aber nur ein Präludium meiner kurzen Ausführungen gewesen sein.

Ich möchte dem Hohen Haus aus der Tätigkeit der Bundesheer-Beschwerdekommission, bekanntlich eine Einrichtung des Parlaments, einer Einrichtung, deren amtsführender Vorsitzender zu sein ich derzeit die Ehre habe, berichten. Sie wissen, dass es im Wehrgesetz anlässlich der Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht vor Jahrzehnten zur Einrichtung dieser Beschwerdekommission gekommen ist, weil der Gesetzgeber eine einfache, unkomplizierte, unbürokratische Rückkoppelungsmöglichkeit von Seiten der Grundwehrdiener vor allem gegenüber dem Gesetzgeber haben wollte.

Es ist eine parlamentarische Einrichtung, die drei Vorsitzenden, aus den drei größten Fraktionen des Hauses stammend, werden hier im Plenum gewählt. Die übrigen sechs Mitglieder werden nach der Zusammensetzung des Hauptausschusses aus den dort vertretenen Parteien entsandt. Berichtspflicht besteht gegenüber dem Hohen Haus. Angesiedelt ist die Kommission – das ist zwar grammatikalisch nicht sehr schön formuliert, aber zutreffend – beim  – nicht im – Bundesministerium für Landesverteidigung.

In Wirklichkeit ist es so, dass es ein bisserl anders verläuft, als der historische Gesetzgeber es sich vorgestellt hat. Es sind nicht nur Grundwehrdiener, die von dem Beschwerderecht, das ihnen eingeräumt ist, Gebrauch machen – etwa 50 Prozent davon sind Grundwehrdiener –, sondern es kommen alle Stufen und alle Ränge und alle Dienstgrade vor. Das geht von der Beschwerde des Grundwehrdieners, der sich nicht entsprechend behandelt fühlt, bis zur Be


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schwerde des Oberstleutnants über den Oberst und des Brigadiers über den Divisionär und des Divisionärs über den General. Also es ist wirklich das ganze Heer davon umfasst.

Was kann die Beschwerdekommission tun und tut sie auch? – Sie kann die Feststellung treffen, dass sich der Beschwerdeführer zu Recht beschwert hat. Sie kann die Feststellung treffen, dass sich der Beschwerdeführer zu Unrecht beschwert hat. Und sie kann auch die Beschwerde überhaupt nicht behandeln, etwa weil das Beschwerdevorbringen so geringfügig angesiedelt ist, dass sich die Beschwerdekommission auf Grund der diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmung nicht damit auseinander setzt. Aber die wahre Wirksamkeit liegt nicht dort, dass auf der Grundlage, die ich soeben erwähnt habe, die Beschwerdekommission eine bis jetzt, glaube ich, immer – oder vielleicht mit einer einzigen Ausnahme – einstimmige Empfehlung an den Minister heranträgt, der dann die entsprechenden Maßnahmen setzt, sondern sie liegt darin, dass schon während des Laufes des Verfahrens auf der Basis der Beschwerde in aller Regel die Missstände, um die es geht, abgestellt werden, und zwar rasch und unbürokratisch.

Im Jahr werden über 2000 telefonische Interventionen von betroffenen Soldaten, Militärangehörigen an das Büro der Beschwerdekommission herangetragen, und oft genügt schon die Erteilung einer entsprechenden Auskunft am Telefon oder die Weiterleitung irgendwelcher Wünsche oder Vorstellungen am Telefon, damit das Problem ausgeräumt wird und es gar nicht mehr zu einer förmlichen Beschwerde kommt.

Die Zahl der Beschwerden ist derzeit steigend; sie war für eine kurze Zeit sinkend, jetzt ist sie wieder steigend. Das ist kein Alarmsignal, sondern nur ein Zeichen dafür, dass die einzelnen Heeresangehörigen wissen, dass sie sich beschweren können, und dass sie das auch tun, wenn sie glauben, dass sie im Recht sind.

Das Klima innerhalb der Beschwerdekommission – und zwar fraktionsübergreifend; da gibt es auch noch das Liberale Forum drin, denn zu der Zeit, zu der die Beschwerdekommission beschickt worden ist, war das Liberale Forum auch noch im Hauptausschuss vertreten – ist ausgesprochen gut. Alle Fraktionen, von den Sozialdemokraten über die ÖVP, über die Freiheitlichen, über die Liberalen bis zu den Grünen, arbeiten in diesem Gremium außerordentlich konstruktiv zusammen, und auch der Kontakt zum Minister und seiner Umgebung ist ein sehr guter.

Es wird in absehbarer Zeit hier im Hohen Haus zur Beratung von Berichten der Beschwerdekommission kommen. Das wird Gelegenheit sein, sich weiter und näher und intensiver mit diesem Problemkreis auseinander zu setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.00


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Lunacek zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung. – Bitte.

12.00

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Kollege Ofner hat behauptet, dass ich die Anerkennung der mazedonischen Volksgruppe in Mazedonien (Rufe: Albanischen!), der albanischen (Abg. Kiss: Na, na!)  – was habe ich gesagt? –, der albanischen Volksgruppe in Mazedonien nicht anerkennen würde (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten es sich vorher aufschreiben!), der albanischen Volksgruppe in Mazedonien nicht anerkennen würde.

Herr Kollege Ofner! Ich habe tatsächlich gesagt (Abg. Kiss: Nein, was haben Sie gesagt? Suchen Sie es sich heraus!), dass ich die Anerkennung dieser Volksgruppe der Albaner sehr wohl richtig finde und auch politisch korrekt, dass das auch ausgeweitet werden müsste – einen Teil davon gibt es ja schon. Wogegen ich mich ausgesprochen habe, war die Anerkennung als Staatsvolk. Und darin liegt ein Unterschied, das wissen Sie ganz genau. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Weil Staatsvolk auch eine Sezession implizieren kann. (Beifall bei den Grünen.)

12.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.01

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lunacek, das war jetzt keine tatsächliche Berichtigung, sondern eine tatsächliche Bestätigung, die Sie hier gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: So ist es!)

Im Übrigen habe ich Ihren heutigen Redebeitrag ganz interessant gefunden, weil Sie eine Reihe von Bereichen im österreichischen Bundesheer angeführt haben, wo Sie geradezu bedauert haben, dass es zu Kürzungen kommt. Das ist eine völlig neue Position der Grünen.

Ich hätte gerne Ihre Argumentation gehört, wenn wir das Verteidigungsbudget in Zeiten der Budgetsanierung erhöht hätten. Die hätte ich mir dann gerne angehört. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben wörtlich gesagt, dass Sie es super finden, dass wir keine Truppen nach Mazedonien schicken. Eine geradezu pawlowsche Reaktion der Grünen, weil ja Truppen a priori etwas Schlechtes sind, völlig unabhängig davon, ob sie Frieden schaffend, Frieden stiftend oder Frieden erhaltend eingesetzt werden.

Ich möchte das unterstreichen, was Sie, Herr Bundesminister, gesagt haben – Sie haben immer das Gleiche gesagt, ich möchte das bestätigen. Herr Bundesminister! Sie haben immer gesagt, dass im konkreten Fall der Einsatz von militärischen Kräften nicht sinnvoll ist, weil hier die Politik gefragt ist. Und dieser Weg ist zweifelsohne der richtige, Herr Bundesminister. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Budgetansatz ist im Grunde der gleiche wie im vergangenen Jahr. Es wirkt ein wenig komisch, wenn insbesondere die SPÖ jetzt meint, dass man da nicht in Rechnung stellen dürfte, dass es gewisse Einnahmen aus Verkäufen von Liegenschaften gibt, denn selbstverständlich sind das dann Geldmittel, die dem Landesverteidigungsbudget zur Verfügung stehen.

Ich möchte als letzter Redner zu diesem Budgetkapitel noch auf eine Aussage des Abgeordneten Gaál eingehen, weil sie doch auffallend war. Wehrsprecher Gaál, den wir an sich als sehr verantwortungsvollen Wehrsprecher der SPÖ kennen – ich weiß nicht, wie viele Podiumsdiskussionen ich mit Ihnen, Herr Abgeordneter, schon absolviert habe, bei denen Sie immer davon gesprochen haben, dass es das erklärte Ziel der österreichischen Landesverteidigung sein und bleiben müsse, dass sie ein Budget von 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zur Verfügung gestellt bekommt –, hat heute hier folgendes Argument vorgebracht: Solange wir den Sozialstaat reformieren und auf das verträgliche Maß, auf das finanzierbare Maß zurückbringen, so lange ist im Grunde genommen jeder Schilling für die Landesverteidigung falsch. – Das ist ein Populismus, den wir ablehnen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Sie akzeptieren nur den Populismus der FPÖ! Ich "gratuliere"!)

Ich akzeptiere Populismus überhaupt nicht, das unterscheidet mich möglicherweise von Ihnen, Herr Kollege Kogler. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wäre ja interessant, einmal auszuheben, wie oft Sie das Geld, das wir für die dringend notwendigen neuen Hubschrauber einsetzen, im Rahmen dieser Budgetdebatte tatsächlich vergeben wollen. – Das ist Populismus, Herr Kogler, und nicht etwas anderes, was Sie hier ins Treffen führen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die SPÖ bemitleidet hier ja eigentlich sich selbst, nämlich dass sie in die Debatte über die sicherheitspolitische Vorgehensweise nicht eingebunden wäre, nicht eingebunden wäre in die Debatte über die Sicherheitsdoktrin. Ich möchte Sie daher hier sehr deutlich fragen – ich erlebe das ja im Verteidigungsausschuss jetzt auch schon einige Jahre –: Wer hat denn verhindert, dass es einen Optionenbericht zur österreichischen Sicherheitspolitik gibt? – Das war die SPÖ,


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weil sie nicht bereit war, über alle Optionen, die Österreich im Zusammenhang mit der Sicherheitspolitik hat, zu reden. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Gaál. )

Sie sehen nämlich – und das ist Ihr Problem; Sie müssen endlich einmal über dieses ideologische Dogma, das Sie haben, drübersteigen, drüberkommen – nur eine Option für die österreichische Sicherheitspolitik, und das ist die Neutralität. Wem gegenüber wir neutral sein sollen in einer Zeit, in der es dieses bipolare Verhältnis nicht mehr gibt, bleiben Sie uns schuldig. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. ) Überlegen Sie sich, ob Österreich nicht mehrere Optionen haben sollte, über die es nachdenken kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Abschließend möchte ich unterstreichen, Herr Bundesminister, dass Sie Wert darauf legen, dass wir in die Mannesausrüstung investieren, etwa im Bereich der neuen Kampfanzüge, im Bereich der neu angeschafften Nachtsichtgeräte, weil uns die Sicherheit und die Motivation der Soldatinnen und Soldaten besonders wichtig ist.

Ich möchte mich bei allen Angehörigen des österreichischen Bundesheeres bedanken für das Verständnis, das sie im Zusammenhang mit der Budgetkonsolidierung aufbringen, und dafür, dass sie im Grunde mit sehr knappen Mitteln einen ausgezeichneten Dienst versehen, dass sie einsehen, dass wir in einer Zeit der Budgetkonsolidierung Schwerpunkte und Erhöhungen des Budgets in den Bereichen Forschung, Bildung und Infrastruktur vornehmen müssen (Abg. Schwemlein: Woran merkst du das?), weil das tatsächlich die wichtigsten Zukunftsthemen sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Spezialberichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beratungsgruppe XII des Bundesvoranschlages für das Jahr 2002.

Diese umfasst das Kapitel 40 des Bundesvoranschlages in 500 der Beilagen, in der Fassung des Spezialberichtes in 540 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Beratungsgruppe IX

Kapitel 63: Wirtschaft und Arbeit

Kapitel 64: Bauten und Technik

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Beratungsgruppe IX: Wirtschaft und Arbeit.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kubitschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.08

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Minister Bartenstein, Ihre Partei hat sich seit jeher immer in ganz besonderem Maße als Wirtschaftspartei verstanden. Sie sind der Wirtschaftsminister in dieser Regierung, und auch wenn Wirtschaftspolitik nicht ausschließlich auf ein Ressort


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reduzierbar ist, so kommt Ihnen doch im Rahmen der Wirtschaftspolitik in diesem Lande ganz besondere Verantwortung zu.

Nach mehr als einem Jahr "neu regieren" stellt man sich tatsächlich immer öfter die Frage, worin eigentlich die Wirtschaftspolitik dieser Regierung und insbesondere, Herr Minister, die Wirtschaftspolitik Ihres Ressorts besteht. Was hat die Regierung im Bereich der Wirtschaftspolitik eigentlich wirklich gemacht, außer die Steuerquote zu erhöhen, die Investitionen und das Wirtschaftswachstum zu drosseln, die Telekom und die UMTS-Lizenzen zu verscherbeln und die Aktienanleger zu verschrecken? (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich weiß ich, Herr Minister, mittlerweile schon im Vorhinein, was Ihre Antwort auf diese Frage sein wird. (Abg. Dr. Mertel: Stehsätze!) Sie wollen ein Nulldefizit erreichen, und ich bestätige Ihnen an dieser Stelle auch gerne, dass Sie uns, was den sportlichen Ehrgeiz in dieser Frage betrifft, schlagen. (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht nur sportlich!) Aber das entbindet Sie noch lange nicht der Verantwortung, darüber hinaus die eine oder andere Initiative zu setzen, die wirtschaftspolitisch Sinn macht.

Wirtschaftspolitik hat dort, wo sie überhaupt noch sichtbar wird, heute maximal Event-Charakter. Ein Gesamtkonzept ist weit und breit nicht zu erkennen.

Eine solche Budgetpolitik ist, meine Damen und Herren, standortschädlich und zukunftsbelastend. Die heute veröffentlichte Wirtschaftsprognose des Wirtschaftsforschungsinstitutes gibt uns in dieser Einschätzung leider Recht.

Meine Damen und Herren! Sie können es heute ganz genau nachlesen: Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat die Wachstumsprognose für das Jahr 2001 von 2,6 Prozent auf 2,2 Prozent zurückgenommen. Als Grund für diesen Rückgang hat das Wirtschaftsforschungsinstitut neben der allgemeinen Konjunktursituation vor allem die geringe Inlandsnachfrage, die auf Grund – ich zitiere das jetzt – "umfangreicher Anhebungen direkter und indirekter Steuern" bestehe, angegeben.

Die Nettomasseneinkommen, meine Damen und Herren, sind von 2,25 Prozent im Jahre 2000 auf nur noch 0,5 Prozent im Jahre 2001 zurückgegangen. Das ist eine wirklich "großartige" Leistung, muss man sagen!

Auch das Wachstum der Bruttoanlageninvestitionen ist real deutlich gesunken. Im Jahre 1999 sind die Anlageninvestitionen noch um 3,2 Prozent gewachsen, heute ist dieser Wert auf 2,1 Prozent gesunken. Damit widerlegt das Wirtschaftsforschungsinstitut heute die Aussagen, die Herr Bundeskanzler Schüssel gestern zu den Auswirkungen Ihrer Wirtschaftspolitik noch hier im Plenum von sich gegeben hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister Bartenstein! Was haben Sie zum Beispiel gemacht, um sicherzustellen, dass die Konjunktur nicht abgeschwächt wird? – Wenn ich mir überlege, welche wirtschaftspolitischen Initiativen im letzten Jahr aus Ihrem Ressort das Licht der Welt erblickt haben, dann fällt mir neben der Energieliberalisierung, die allerdings bei Ihrer Amtsübernahme schon weitgehend vorbereitet war, eigentlich nur noch die Einkaufszentrenverordnung ein.

Abgesehen davon, dass Sie mit dieser Verordnung die Verantwortung auf die Landeshauptleute abgeschoben haben, muss ich wirklich sagen, dass das nicht unbedingt einen Schwerpunkt wirtschaftspolitischen Handelns darstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man sich die Leistungsbilanz in der Wirtschaftspolitik ansieht, dann drängt sich einem wirklich die Frage auf, ob das alles ist, was der ÖVP im Bereich der Wirtschaftspolitik noch einfällt. Zum Beispiel das Thema Technologiepolitik: Da verwöhnen Sie, Herr Minister, die Öffentlichkeit in einem wirklich zentralen Bereich der Wirtschaftspolitik auch nicht gerade mit sehr häufigen Wortspenden und schon gar nicht mit einer echten Offensive – und das, obwohl Sie für dieses Thema sehr wohl mitverantwortlich sind.


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Ich habe mir zum Beispiel in der APA die Meldungen durchgesehen, die Sie im gesamten letzten Jahr zum Thema Technologiepolitik abgegeben haben, und glaube, man kann daraus wirklich sehr deutlich schließen, dass Sie für dieses Thema kein besonderes Interesse haben. Dabei hat sich aber die Regierung in der Technologiepolitik tatsächlich ein sehr, sehr ambitioniertes Ziel gesetzt. Mittlerweile glaubt allerdings kaum noch jemand in diesem Land daran, dass sie dieses Ziel auch erreichen wird.

Man hat zunehmend vor allem auch den Eindruck, dass sich eigentlich niemand wirklich dafür verantwortlich fühlt, ob dieses Ziel erreicht wird oder nicht. Immerhin gibt es einen Rat für Forschung und Technologieentwicklung – und das muss offenbar für die viel beschworene Technologieoffensive einmal genügen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen versichern, dass das nur dann genügen kann, wenn man konsequente Realitätsverweigerung betreibt. Im wirklichen Leben muss man schon ein bisschen Politik machen, die über Lippenbekenntnisse und Sonntagsreden hinausgeht, wenn man Ziele, die man sich gesteckt hat, auch tatsächlich erreichen will.

Die Regierung hat es vorgezogen, die Technologiepolitik in den Rat für Technologieentwicklung auszulagern, in welchem Sie, Herr Minister, als mit zuständiger Wirtschaftsminister nicht einmal vertreten sind. Sie persönlich ziehen es offenbar vor, dieses für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich so entscheidende und zentrale Thema lieber Ihren FPÖ-Kollegen in der Regierung zu überlassen, was natürlich Ihre Entscheidung ist, was aber über die Wirtschaftskompetenz der ÖVP doch einiges aussagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf Dauer, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, wird das jedenfalls nicht ausreichen, wenn Sie verhindern wollen, dass die Wirtschaftsdaten nicht noch weiter absacken, insbesondere deshalb – und dieser Meinung bin ich –, weil in sehr vielen Bereichen dringender Handlungsbedarf gegeben ist. So hat die EU-Kommission einmal mehr aufgezeigt, dass wir einen ziemlichen Nachholbedarf im Bereich der Informationstechnologie haben, dass wir einen eklatanten Mangel bei IT-Fachkräften haben. Ich glaube, Aktienoptionen für Mitarbeiter, wie es uns zum Beispiel die Kollegin Hakl vor zwei Tagen erklärt hat, werden allein auch nicht ausreichen, um diesen eklatanten Mangel an IT-Kräften zu beseitigen. Man braucht nämlich zuerst einmal Arbeitskräfte, um ihnen dann überhaupt die Aktienoptionen überreichen zu können. Das heißt, aktive Arbeitsmarktpolitik und massive Investitionen in Aus- und Weiterbildung wären da mit Sicherheit jene Mittel, die mehr bewirken könnten.

Aber immerhin haben Sie, Herr Minister Bartenstein, vorige Woche im "Standard" einige Initiativen angekündigt, die Sie nach den Wiener Wahlen – ein interessanter Termin für Bundesthemen – präsentieren wollen. Zum Beispiel: die Ladenöffnungszeiten, die Gewerbeordnung, das Kartellgesetz – ein Thema, das mir ganz besonders wichtig ist. Ich darf Ihnen versichern, Herr Minister: Auch wenn wir vielleicht am Ende nicht mit Ihnen übereinstimmen werden, so freuen wir uns dennoch mittlerweile wirklich schon über jede Initiative im Bereich der Wirtschaftspolitik, die über reine Ankündigungspolitik hinausgeht. In diesem Sinne sehen wir auch freudig und in Erwartung Ihren angekündigten Initiativen entgegen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Ich bin immer wieder erstaunt – auch, wenn ich meine Vorrednerin höre –, nicht nur, dass der Blickwinkel der Opposition ein mitunter sehr eigenartiger ist, sondern auch, wie sehr und wie stark das Gedächtnis, sei es das Kurz- oder sei es das Langzeitgedächtnis, darunter leidet.

Sehr geehrte Frau Kollegin Kubitschek! Sie haben gesagt, dass Herr Minister Bartenstein sehr wohl die Verantwortung hat, dass aber keine Aktionen, keine wirtschaftspolitischen Maßnahmen


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gesetzt worden sind, und das alles wegen des angestrebten – und sicher auch zu erreichenden – Nulldefizits. Dazu Folgendes: Ich glaube, Sie haben vergessen, was im letzen Jahr tatsächlich geschehen ist, welche Maßnahmen in diesem Jahr gesetzt wurden! Sie haben vor allem – und das ist ganz entscheidend! – vergessen, von welcher Ausgangsbasis diese neue Bundesregierung ausgehen musste. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Würde das stimmen, was Sie sagen, warum sollte es dann in Österreich im Jahr 2000 um rund 1 800 Unternehmensgründungen mehr gegeben haben als im Jahr 1999, nämlich immerhin fast 24 000 Neugründungen. (Abg. Schwemlein: Kollege Hofmann, wie viele haben zugesperrt?) Auf Grund der Erhöhung der Jungunternehmerförderung ist auch für das Jahr 2001 mit einem weiteren Anstieg, also mit einer positiven Entwicklung im Bereich der Firmenneugründungen zu rechnen. Und ich betone: mit positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Wir haben gleichsam Vollbeschäftigung. (Abg. Schwemlein: Wirklich?)

Frau Kollegin Kubitschek, was Sie zu sagen vergessen haben: Es ist das Ergebnis der 30-jährigen sozialistischen Budget- und Finanzpolitik, das es der neuen Regierung mit Sicherheit nicht einfach macht. Oftmals in diesem Hause bereits erwähnt, ich nenne nur die Zahl: 2 200 Milliarden Schilling Schulden. (Abg. Schwemlein: Erzähl, was ihr vorhabt! Red von der Zukunft!) Davon müssen Sie ausgehen! Hier sind Reparaturarbeiten zu leisten: Zinszahlungen und Rückzahlungen haben zu einer hohen Steuer- und Abgabenquote geführt. Zinszahlungen und Rückzahlungen sind erforderlich, wenn man eine Schuldenpolitik macht, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten unter sozialistischen Finanzministern der Fall war. (Abg. Eder: Wer hatte den Wirtschaftsminister 20 Jahre lang?)

Im Zuge der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen – und das möchte ich hier an dieser Stelle auch sagen – ist es gerade die Wirtschaft, die einen, wie ich meine, besonderen Anteil an der Sanierung leistet. Es sind insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmungen unseres Landes, die einen erheblichen Beitrag leisten, um diesen Karren wieder flottzukriegen.

Ich sage Ihnen: Die Wirtschaftstreibenden unseres Landes sind sehr verständnisvoll, weil sie wissen, worum es geht. Sie sind bereit, einen Beitrag zu leisten, weil sie verantwortungsbewusst sind, weil sie wissen, dass es nicht angeht, dass wir einen Wohlstand auf Pump haben, nämlich auf Kosten der Zukunft, auf Kosten nachfolgender Generationen.

Jede zusätzliche Neuverschuldung macht es erforderlich, wieder Steuern und Abgaben zu erhöhen. Also: Nur ein saniertes Budget wird letztlich die Zukunft sichern, die Zukunft der Bevölkerung und die Zukunft der österreichischen Wirtschaft!

Die Erwartungshaltung der Wirtschaft ist berechtigterweise auch groß, sehr geehrte Damen und Herren, Herr Bundesminister. Es ist der Ruf laut nach einer Reduktion der betrieblich-administrativen Aufwendungen, hervorgerufen durch eine leider Gottes immer noch überbordende Bürokratie, die es abzubauen gilt. Verbesserungen gibt es bereits, aber es ist sicher noch sehr viel zu tun.

Die Unternehmer erwarten, meine Damen und Herren, dass das Jahr auch in steuerlicher Hinsicht wieder zwölf Monate bekommt. Der sozialistische Griff in die Kassen der Unternehmer mit der Einführung des 13. Umsatzsteuertermins ist rückgängig zu machen!

Es wird seitens der Unternehmer erwartet, dass es eine Steuerreform mit zwei wesentlichen Zielen gibt: dem Ziel einer Steuersenkung und dem Ziel einer wesentlichen Vereinfachung der Administration – und zwar noch in dieser Legislaturperiode!

Es wird seitens der Wirtschaft erwartet, dass die Lohnnebenkosten, wie auch im Regierungsübereinkommen festgehalten ist, in vollem Umfang gesenkt werden – und zwar noch in dieser Gesetzgebungsperiode!

Es wird eine weiter gehende Vereinfachung des Betriebsanlagenrechtes erwartet.


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Die Wirtschaft verlangt vernünftige Abschreibungsfristen für kurzfristige Wirtschaftsgüter. Ich führe dafür als Beispiel Hard- und Software an, deren Lebensdauer beziehungsweise Lebenszeit sozusagen überhaupt nicht in Einklang mit den Abschreibungsfristen steht.

Besonderes Augenmerk, sehr geehrte Damen und Herren, ist auf die klein- und mittelständische Wirtschaft, ist auf die Klein- und Mittelbetriebe zu legen. Die österreichische Betriebsstruktur ist geprägt von Klein- und Mittelbetrieben, die auch den wesentlichen Teil der Arbeitsplätze in unserem Land sichern.

Es muss also alles Erdenkliche getan werden, damit auch Kleinbetriebe in den Ortszentren, in den Gemeinden erhalten bleiben. Nahversorger sind bekanntermaßen nicht nur die Lebensmittelhändler, Nahversorger sind viele, viele mehr. Es geht darum, die gewachsenen Ortszentren sozusagen zu neuem Leben zu erwecken, eine Chancengleichheit herzustellen zwischen dem Betrieb im Ortszentrum und dem Einkaufszentrum an der Peripherie, figurierend unter dem Stichwort "Multis auf der grünen Wiese". Es geht darum, Kostenwahrheit herzustellen, insbesondere hinsichtlich der Infrastrukturaufwendungen, die letztlich die Allgemeinheit insgesamt trägt und wodurch es zu Wettbewerbsverzerrungen kommt.

In der bislang kurzen Zeit dieser Legislaturperiode ist Gott sei Dank schon viel Positives geschehen. Ich erinnere, nachdem Ihnen, meine Damen und Herren von der linken Seite dieses Hauses, das nicht so geläufig zu sein scheint, an das ElWOG 2000, wodurch es zu einer verbesserten Situation hinsichtlich des Strombezuges, der Strompreise gekommen ist. (Zwischenruf des Abg. Eder. ) Ich freue mich darüber, dass das Bundes-Beschaffungs-GmbH-Gesetz auch festhält, dass kleine und mittlere Unternehmungen bei den Vergaben gleichsam zu schützen sind, sodass sie auch die Chance erhalten (Abg. Eder: Das steht nicht im Gesetz, nur in den Erläuterungen!), vor Ort zu einem Auftrag zu kommen.

Ich freue mich – und das ist ein positives Signal an Jungunternehmer –, dass die Eintragungsgebühr gestrichen wurde und eine Absenkung der Mindestbeitragsgrundlage erfolgt ist.

Es ist einiges geschehen, aber es ist auch noch sehr, sehr viel zu tun. Es gibt eine Fülle von Aufgaben für den Herrn Wirtschaftsminister, für Frau Staatssekretärin Rossmann im Tourismusbereich, für die Bundesregierung, letztlich für uns alle. Die freiheitliche Parlamentsfraktion wird Sie, Herr Bundesminister, bei diesen Vorhaben im Sinne einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik bestmöglich unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

12.24

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Vorredner Hofmann hat hier ständig seine Freude über etwas bekannt gegeben – so viel Freude haben wir natürlich nicht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. )

Aber es liegt ja auch an der Konzeption des Budgets insgesamt, es ist ja nicht nur sozusagen ein Problem Ihres Ministeriums, sondern ein generelles Problem dieses Budgets. In Wirklichkeit ist es die Fortschreibung eines Trends, den wir seit vielen Jahren beobachten müssen.

Kollege Kiermaier nickt, es hat ihm bisher nicht so viel gemacht, aber jetzt, da er in Opposition ist, spürt er das. (Zwischenruf des Abg. Kiermaier. ) Es ist nämlich schon ein Problem, mit dem vorhandenen Datenmaterial wirklich konkludente Politik zu verfolgen. Gut, man könnte sagen: Na, die gibt es sowieso nicht!, aber ich möchte nicht a priori voraussetzen, dass da keine schlüssige Politik geschieht. Es ist jedoch, wenn jetzt die Debatte über das Wirtschaftskapitel und die entsprechenden Budgetkapitel ansteht, schon ein Problem, auf Grund dieses Zahlenwerkes bestimmte Orientierungen auszumachen. Aber das ist eben die Folge davon, dass der Grundsatz der Budgetklarheit seit langem immer mehr ausgehöhlt wird. Ich weiß mich mit den Experten etwa des Wirtschaftsforschungsinstitutes durchaus einig darin, dass das ganz anders


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gemacht werden könnte, dass jedenfalls dieser Trend wieder rückgängig gemacht werden müsste.

Beispielsweise ist ja – dies sei erwähnt, weil wir gerade beim Wirtschaftskapitel sind – nur noch sehr schwer nachvollziehbar, welche Verpflichtungen der Staat jetzt tatsächlich noch hat, was den Schuldenstand betrifft. Ich weiß schon, das würde grundsätzlich zum Finanzkapitel gehören, aber da Sie, Herr Bundesminister, die Privatisierungen ja immer wieder vorantreiben, stellt sich schon die Frage: Wo ist überhaupt noch erkennbar, was die Verpflichtungen des Bundes in seiner Summe betrifft?

Es "knabbern" ganz andere – da muss man nicht auf die Oppositionsredner warten – an diesem Problem, das wissen Sie, und deshalb wäre es gescheit, wenn das Budget wieder transparenter gestaltet werden würde. (Beifall bei den Grünen.)

Nächster Punkt: die angesprochenen Privatisierungen. – Obwohl das eine Angelegenheit ist, die in erster Linie den Finanzminister in der Ressortverantwortlichkeit tangiert, passt es doch, glaube ich, mindestens genauso gut zur Wirtschaftsdebatte. Ich denke, die Privatisierungsstrategie, die jetzt verfolgt wird, hat gewisse Parallelen – und das ist auch nicht zufällig – zur Nulldefizit-Debatte. Es wird ein Ziel vorangestellt oder überhaupt erst etwas zum Ziel gemacht, was eigentlich die Frage eines Instruments ist.

Es ist nicht die erste Frage, ob irgendetwas von privater oder von staatlicher Seite geleistet wird, sondern die erste Frage ist: Welcher Nutzen soll für die Gesellschaft von einem bestimmten Zweig – diesfalls Wirtschaftszweig – erbracht werden? Erst dann ist zu fragen, wie das am günstigsten bereitgestellt werden kann, und zwar mit allen Pro und Kontras. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ständig erleben wir jedoch eine Umkehrung der Debatte.

Immer wieder hören wir: Es müssen auch die Schulden reduziert werden, Maastricht-relevant auf maximal 60 Prozent des BIP! – mag sein, das ist eine politische Vorgabe im Euro-Raum, okay –, aber es ist dann immer noch zu fragen, was überhaupt sinnvoll privatisiert werden kann. Ich betone: sinnvoll!

Als Oppositionsabgeordneter darf ich es mir leisten, mich nicht länger darüber auszulassen, wo wir jetzt Privatisierung für sinnvoll hielten und wo nicht. Ich kann Ihnen aber schon versichern: Wir sind nicht grundsätzlich gegen jede Privatisierung, wie uns das gerne "umgehängt" wird – sicher nicht! Ich sehe zum Beispiel überhaupt nicht ein, warum Bundessportheime, die im Wesentlichen nur mehr bestimmten Gruppen dienen, ausgerechnet privat geführt werden müssen. (Abg. Öllinger: Staatlich!) Da wäre eine Öffnung gut. Ich kenne genug Beispiele aus dem Rechnungshofausschuss! (Beifall bei den Grünen. – Rufe: Umgekehrt!) Habe ich mich versprochen? – Ich danke für die Korrektur. Aber Sie haben gewusst, wie es gemeint ist, das spricht für Ihre Aufmerksamkeit. (Abg. Dr. Petrovic: Wir passen auf! – Abg. Dr. Puttinger: Wir passen gut auf!) Genau!

Ich darf mich als Oppositionsabgeordneter rascher dem zuwenden, Sie an Ihrem eigenen Konzept zu messen, zu fragen, was denn eine sinnvolle Privatisierung ist. Ein Kriterium ist ja wohl mindestens, dass der Erlös, der durch Privatisierungen erzielt werden kann, nicht weit unter dem liegt, was marktüblicherweise erreichbar wäre, wobei ich schon zugestehe, dass bei vielen Fragen die Bewertung sehr schwierig ist, weil es sich ja oft um Anteile des Bundes in Branchen, wo Marktmechanismen schwer zum Tragen kommen, handelt.

Trotzdem ist es ein Kapitalfehler jeder Privatisierungsstrategie, vollmundig am Anfang zu verkünden – möglicherweise noch unter Angabe der Fristen –, wie viel Geld durch eine bestimmte Privatisierungsaktion lukriert werden soll. Und dann sagt man noch dazu: Und am Soundsovielten hat das sozusagen abgeschlossen zu sein! (Heiterkeit bei den Grünen.)

Jeder Käufer leckt sich da die Finger. Die Konkurrenz unter den potentiellen Käufern wird dadurch beeinflusst, dass sie auch wissen, wie sich der Verkäufer verhält. – Das ist ja nicht nur


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meine Weisheit, sondern diese Standardkritik findet sich immer wieder im Rechnungshofbericht an den vorgelagerten Ausgliederungen und dann Privatisierungen, die stattgefunden haben.

Ich habe den "grausamen" Verdacht, dass diese Bundesregierung sich genauso wie beim Nulldefizit nachgerade von der Euphorie in die Hysterie begibt, um dieses Ziel, das eigentlich bloß zum Überziel gemacht wurde, in Wahrheit aber eine wirtschaftspolitische Nebenbedingung sein mag, derart ins Zentrum zu rücken.

Es ist dann – und das ist nicht viel anders als beim Nulldefizit – auch der Befund zu liefern. Und da muss ich sagen: Mit den jetzigen Privatisierungen haben Sie wirklich noch keine großen Vögel abgeschossen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Edlinger: Nur Vögel!) Ja, gut, das ist eine Frage der Semantik.

Das sollten Sie, Herr Bundesminister, schon bedenken, und Sie müssen sich auch nach Kriterien bewerten lassen, die eigentlich Ihrer Logik entsprechen.

Nächster Punkt, was diesen Bereich betrifft, ist die Frage des Verhältnisses von Markt und Staat an sich. Ich würde das durchaus voranstellen wollen, doch das betrifft natürlich auch die Privatisierungsfrage, aber ich möchte darüber hinausgehen.

Sie haben einmal anlässlich der Ladenöffnungsdebatte, auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, gesagt, Deregulierung sei sein Wert per se. Dazu stehen Sie, ich weiß, das ist aus Ihrer Sicht in Ordnung. (Abg. Öllinger: Das ist nicht in Ordnung!) Aus der Sicht des Ministers ist Deregulierung ein Wert per se. – Gemeint haben Sie, Herr Minister, offensichtlich, dass ein bestimmtes niedriges Niveau an Regelungsdichte besser sei als ein höheres. Sie gehen offensichtlich auch davon aus, dass Sie nach Ihrer Logik in Österreich jedenfalls ein zu hohes vorfinden, und deshalb ist Deregulierung für Sie ein Wert per se. Aber Sie entziehen sich damit einer elementaren Fragestellung.

Herr Minister! Gerade eine funktionierende Marktwirtschaft braucht – in bestimmter Weise jedenfalls – einen starken Staat, und zwar einen starken Staat, der nicht nur die Regelung verdichtet, nämlich im Sinne des Volumens der Regelungen, sondern auch klare Regelungen vorgibt. Dieser Staat muss darüber hinaus aber auch durchsetzungswillig auftauchen und darf für Lobbyismus nicht anfällig sein. Es braucht vielleicht ein bisschen eine couragiertere Wirtschaftspolitik, als sie von der Wirtschaftskammer in die ÖVP getragen wird. Das zu beachten ist, glaube ich, wichtig, wenn man sich diesen Fragen nähert. (Beifall bei den Grünen.)

Wie viel Markt und wie viel Staat soll es geben? – Diese Frage steht auch im Zusammenhang mit der Fragestellung, wo überall der Markt – und zwar nicht, weil er böse ist, das sage ich überhaupt nicht – aus sich heraus versagen muss, zwangsläufig, weil er auf das Individualkalkül abstellt und bestimmte Dinge halt individuell in der Form nicht zu lösen sind.

Ich sage da nichts Neues, es ist aber meiner Meinung nach notwendig, das zu erwähnen, und das ist mir geradezu ein Bedürfnis, weil dieser Aspekt in der aktuellen Debatte – von der Euphorie in die Hysterie geglitten, wie ich manchmal das Gefühl habe – völlig vom Tisch gewischt wird. Das steht ja eigentlich in jedem Lehrbuch des ersten Semesters in Mikroökonomie. Nur: Diese Dinge scheinen in Vergessenheit geraten zu sein. Diesen Eindruck hat man, wenn man Prinzhorn, Grasser und Bartenstein zuhört. Deshalb erlaube ich mir, das hier wieder einzubringen.

Der Markt versagt in vielen essentiellen Bereichen aus sich heraus. Ich sage das hier so wertfrei. Wo ist das zum Beispiel der Fall? – Bei zentralen gesellschaftlichen Anliegen, etwa im Bereich der Energiewirtschaft. Das ist ganz klar! Warum? – Weil wir da große leitungsgebundene Anbieterstrukturen vorfinden. Da gibt es bestimmte Phänomene, die dazu führen, dass der Wettbewerb nicht so funktionieren kann wie sonst. Und da brauchen wir eine Regelung, das wissen Sie ganz genau. Ich will gar nicht behaupten, dass es diese in Österreich nicht gibt! Aber wo ist da die Deregulierung als Wert per se?

Sie müssen doch zugestehen, dass es in diesem Bereich klarer und starker regulativer Behörden bedarf. Aber Ihr Kredo, das Sie überall drüberstellen, ist eben viel stärker von diesem


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Wert per se gekennzeichnet, und ich bin mir nicht sicher, ob Sie da nicht selbst in Ihrer eigenen Zielsetzung manchmal über genau dieses Ziel hinausschießen.

Es gibt aber noch viel klarere Bereiche, wo das eine Rolle spielt. Ich habe jetzt eines ausgewählt, bei dem ich gewusst habe, dass wir vielleicht noch eine Verständigung finden können.

Das ist zum Beispiel bei der Frage der Ökologie der Fall. Völlig klar! – Es braucht einen Staat, wenn das Ökosteuerkonzept und die ökosoziale Steuerreform und überhaupt die ökosoziale Marktwirtschaft, wie Sie von Ihren Vorgängern ständig gepredigt wurde, noch eine Chance haben sollen.

Es braucht einen starken Staat, der das Steuersystem umgestaltet! – Glauben Sie, die Unternehmer und die Haushalte werden freiwillig dieses oder jenes zahlen? Es geht ja nur darum, dass insgesamt die Steuerquote dadurch nicht steigt. Es geht darum, dass Dinge, die man nicht will, die ökologisch ungünstig sind, dass Dinge, die noch andere negative Effekte haben, teurer werden und dass Dinge, die man fördern will, billiger werden.

Dieses Prinzip ist ganz simpel! Aber es ist nur der Staat, wo das nach demokratischer Willensbildung zum Ausdruck kommen kann. Doch da lassen Sie von der ÖVP völlig aus. Sie von der ÖVP haben sich einmal mit dem Begriff der ökosozialen Marktwirtschaft geschmückt, aber wir haben das bedauert, weil wir gewusst haben, wo es hinführt, nämlich dazu, dass es drittklassig zu Grabe getragen wird, und genau das ist jetzt bei dieser Bundesregierung passiert. In der Budgetrede des Finanzministers findet sich das Wort "Umwelt" nicht ein einziges Mal.

In diese Richtung zeigen viele Indikatoren, aber da lassen Sie aus. Stichwort: "Wirtschaftspolitik". Es ist essentielle Aufgabe der Wirtschafts- und Steuerpolitik – wenn wir schon von Zukunft reden, muss das auch erwähnt werden –, dass diese Dinge korrigiert werden. Aber diese Bundesregierung hat da Rückschritte forciert. Wir waren, was die Frage Ökologie und Ökonomie betrifft, im europäischen und im österreichischen Kontext schon wesentlich weiter.

Herr Minister Bartenstein! Das, was momentan diese Bundesregierung hier anzubieten hat, ist eine einzige Enttäuschung! (Bravoruf des Abg. Öllinger.  – Beifall bei den Grünen.)

Ich sehe, meine Redezeit ist zu Ende. Ich möchte nur mehr so viel sagen: Sie haben mit Ihrer Prognose Recht gehabt: Ich bin enttäuscht! (Beifall bei den Grünen.)

12.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.37

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Nur eine Bemerkung zu meinem Vorredner, um klarzustellen, wie die Position der ÖVP aussieht: Selbstverständlich sind wir für eine freie Wirtschaft, aber die Grenzen und der Staat sind dort notwendig, wo der Einzelne oder wo die Gesellschaft geschädigt wird. Das ist eine ganz klare Definition, zu der wir stehen. Das ist unsere Positionierung, und von dieser gehen wir sicherlich nicht ab! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fest steht grundsätzlich, dass es einen echten Neubeginn in der Budgetpolitik gibt: von der Verschuldungspolitik zur Nullschuldenpolitik, ein Budget der Vollbeschäftigung und ein Budget für die Jugend.

Bei der Gesamtgebarung des Budgetkapitels "Wirtschaft und Arbeit" kann festgestellt werden, dass trotz der individuellen Lohnerhöhungen die Personalkosten mit 140 Millionen j gleich hoch geblieben sind. Im Gegensatz dazu konnten die Ausgaben für Sachaufwendungen von 4 235 Millionen j sogar wesentlich gesenkt werden. Interessant dabei ist, dass es bei der Position 7525 zu einer Steigerung kam, nämlich bei den Mitteln für die Gewerbestrukturverbesserungsaktion – eine wesentliche Maßnahme für Klein- und Mittelbetriebe –, und zwar von 13,3 Millionen j auf 20,5 Millionen j .


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Das bedeutet: Die Regierungsparteien tun etwas für die Klein- und Mittelbetriebe! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man über Wirtschaft spricht, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann muss man auch einige Daten anführen. Ich möchte schon vorwegnehmend sagen, da die Reaktion der Frau Kubitschek das Argument sein wird, dass das Wifo jetzt die Daten geändert habe, was ja tatsächlich richtig ist, dass auch die vom Wifo revidierten Zahlen europaweit gesehen zu den besten zählen, wenn nicht in mancher Hinsicht sogar die besten sind. (Abg. Edler: Nicht mehr!)

Schauen Sie sich Japan an! Kennen Sie die Zahlen aus Japan? Wissen Sie, was für ein Wachstum jetzt dort erwartet wird? – Ein solches von 0,2 Prozent. Aber wenn wir immerhin noch mit 2,1 Prozent rechnen können, dann haben wir effektiv wesentlich mehr als auf der ganzen Welt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meiner Meinung nach sind aber – das möchte ich schon mit Nachdruck sagen – natürlich die Faktoren, die sich auf den Wirtschaftsstandort Österreich auswirken, von wesentlicher Relevanz.

Als Stärken – und die gibt es genauso wie die Schwächen in allen Ländern, immer und überall, semper et ubique – haben wir in Österreich natürlich insbesondere die gesamte wirtschaftliche Performance zu nennen. Das ist die Arbeitslosigkeit, das ist das Wachstum, und das ist die Inflationsrate.

Wir haben im Vergleich hervorragende Werte bei der Gesamtarbeitslosigkeit. Wir haben vergleichsweise die besten Werte bei der Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen. Wir haben ein überdurchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen, eine wesentliche Verbesserung der Staatshaushalte, eine international hohe Kreditwürdigkeit – Stichwort: Triple A –, einen sozialen Frieden – Stichwort: Streikrate.

Aber lassen Sie mich auf eines der positiven Faktoren näher eingehen, nämlich auf die Unternehmensbesteuerung. Das ist ein eminent wichtiger Standortfaktor. Er ist von zentraler Bedeutung für den Unternehmer, und da liegt Österreich im internationalen Vergleich unwahrscheinlich gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Meistens – und das wissen Sie genauso gut wie wir – wird die Standortqualität jedoch nicht nach der Unternehmensbesteuerung, sondern nach der Abgabenquote beurteilt. Die Abgabenquote ist die Gesamtbelastung durch Steuern und Sozialabgaben im Verhältnis zum BIP, und da, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir viel aufzuholen. Die Abgabenquote liegt mit 44 Prozent deutlich höher als die Durchschnittsquote der OECD mit 37 Prozent und als die Durchschnittsquote der Europäischen Union mit 41,5 Prozent. USA und Japan können diese Werte mit 29,7 Prozent und 28,8 Prozent deutlich unterbieten. Das heißt für uns, dass wir uns in der Zukunft auf der einen Seite sehr wohl und sehr vehement mit der Steuer, sehr wohl und sehr vehement mit den Sozialausgaben und auf der anderen Seite sehr wohl auch mit den Arbeitskosten auseinander zu setzen haben. (Abg. Verzetnitsch: Wo ist der Treffsicherheitsbericht über die Steuer? Seit dem Vorjahr angekündigt! Kommt nicht!) Das hat, bitte, nichts mit der Budgetpolitik zu tun, sondern hat einen anderen Zusammenhang. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir das Niveau der Arbeitskosten so hoch haben, wenn wir der Spitzenreiter bei den Lohnnebenkosten sind, dann hat das eine politische Herausforderung zu sein. Und diese Herausforderung wird diese Bundesregierung bis zum Jahre 2003 auch meistern. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Verzetnitsch: Das stimmt doch gar nicht!)

Eine Sache, die Sie, Herr Kollege, immer wieder einwerfen, ist: Wir sollten uns nach den Lohnstückkosten richten. (Abg. Verzetnitsch: Eindeutig!) Das ist richtig! Ich gebe Ihnen da vollkommen Recht! Bei den Lohnstückkosten, wo man letzten Endes die Arbeitskosten mit der Arbeitsproduktivität vergleicht, haben wir in den letzten Jahren eine Senkung von 0,5 Prozent pro Jahr erreicht. Das ist also eine positive Entwicklung. Wir kommen aber dabei nicht darüber


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hinweg, dass wir bei den Gesamtkosten mit 94 Prozent an dritthöchster Stelle auf der ganzen Welt sind. Also das kann ich nicht nachvollziehen!

Wenn wir über Standorte sprechen, dann müssen wir natürlich auch über Forschung und Entwicklung sprechen. Wir haben in den Jahren 2001 und 2002 umfangreiche und weitreichende Initiativen gesetzt. Die Bundesregierung investierte in die Bildung 15 Milliarden Schilling mehr. Das ist ein gewaltiger Schub! Ich glaube, Österreich soll und wird, wie Bundeskanzler Schüssel gesagt hat, zur Wallstreet des Wissens gemacht werden.

Die Auswertungen der Daten des Community Innovation Survey zeigen aber, dass die Konzentration allein auf diese Rate zu wenig ist. Tatsächlich kommt es auf die Innovation der einzelnen Unternehmen an, und da ist Österreich hervorragend. Die Innovationsrate der Industrie zum Beispiel beträgt 67 Prozent und liegt damit weit über dem EU-Durchschnitt. 31 Prozent der Erlöse Österreichs aus dem Export kommen von neuen und innovativen Produkten.

Unser primäres Ziel der Wirtschaftspolitik ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren – und das erreichen wir mit dem Budget 2002 –, einerseits den künftigen Handlungsspielraum durch rasches Erreichen eines ausgeglichenen Haushaltes herzustellen und andererseits mittelfristig die Zinslast für die öffentlichen Schulden zu senken. (Beifall bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Es ist uns allein schon durch die bisher gesetzten Maßnahmen gelungen, mehr als 1 Milliarde Schilling an Zinsen einzusparen, und es muss unser Ziel sein, nicht nur das Nulldefizit langfristig zu erreichen, sondern auch, wie ich meine, Überschüsse anzustreben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die meisten Länder der Europäischen Union haben das schon erreicht. Wenn uns das gelänge, dann könnten wir das machen, was diese Länder jetzt schon machen. So kann zum Beispiel Dänemark mit einem Überschuss von 2,4 Prozent Schulden abbauen. Finnland kann mit einem Überschuss von 4,1 Prozent Einkommensbelastungen senken. Großbritannien kann mit einem Überschuss von 0,5 Prozent Mittel für Bildung, Gesundheit und Verkehr investieren. Irland kann Vorsorge treffen, um demographischen Entwicklungen entgegenzuwirken. Die Niederlande können mit 1 Prozent Plus eine Senkung der Körperschaftsteuer vornehmen. Schweden kann mit einem Überschuss von 2,4 Prozent Sozialausgaben erhöhen.

Das ist eine Zielsetzung, die wir im Auge haben!

Unter diesen Umständen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Österreicherinnen und Österreicher dann in einem Jahr oder in einigen Jahren sagen: Diese schwarz-blaue Regierung hat nicht nur vernünftig, sondern auch sinnvoll und Gott sei Dank noch zum allerletztmöglichen Zeitpunkt optimal gehandelt! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.46

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Puttinger! Das war ja beinahe kabarettreif, was Sie da geliefert haben. (Abg. Dr. Puttinger: Jö! Was zahlen Sie denn an Eintritt dafür?) Aber ich denke mir, in Ihrer Position wird Ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als mit Galgenhumor an die Sache heranzugehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Beweis für Ihre "gute" Leistung und für die "Güte" Ihrer Arbeit ist ja die Einführung der Ambulanzgebühren, die zwar nicht in das Kapitel 63 fällt, aber die doch eine gewisse Aktualität bekommen hat dadurch, dass, wie ich hörte, der Sozialsprecher der Freiheitlichen, Herr Gaugg, gesagt hat, er werde dem nicht zustimmen. Ich nehme an, er wird die Freiheitliche Partei dazu veranlassen, von diesem Antrag zurückzutreten, und Sie werden dann den Antrag zurückziehen


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müssen, was tatsächlich ein Segen für die Österreicherinnen und Österreicher wäre. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Sie sprechen nicht zum Thema!)

Das ist auch ein wichtiges Thema. Sie haben gerade ausgeführt, wie gut es den Österreicherinnen und Österreichern unter Ihrer Politik geht, und ich behaupte, dass genau das Gegenteil der Fall ist, und das ist auch faktisch beweisbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie hier auch gesagt haben, welch guten Werte wir bei den Lohnstückkosten erzielt haben. Auch ich meine, dass das unbestritten ist. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unseres Landes haben wirklich hervorragende Leistungen erbracht, haben qualitativ hervorragende und gute Arbeit geleistet. Aber eines ist in Ihrem Redebeitrag auch deutlich herausgekommen: Lohnnebenkostensenkung heißt nicht, dass die Arbeitnehmer mehr im Tascherl haben, sondern heißt, dass der Wirtschaft mehr übrig bleibt. Das haben Sie hier vorhin ganz unverblümt zum Ausdruck gebracht. Und das ist genau der Kernpunkt Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Na geh, das ist Klassenkampf!) Ja, aber von Ihrer Seite!

Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns jetzt mit dem Budgetkapitel 63, und das betrifft die Arbeitsmarktpolitik. Sie, Herr Bundesminister, haben sich schon im Ausschuss eine herbe Kritik von uns anhören müssen, weil Sie 15,4 Milliarden Schilling der Arbeitsmarktpolitik entziehen, damit Sie sozusagen zur Budgetsanierung beitragen können.

Herr Minister! Sie operieren immer mit dem Argument, welch gute Arbeitsmarktdaten wir in Österreich hätten – diese sind bei der Debatte nicht das Problem –, aber Sie haben die Leistungen für Arbeitslose verschlechtert, indem Sie den Familienzuschlag gekürzt haben. Sie haben den Zugang erschwert, indem Sie die Zweitanwartschaft von 26 auf 28 Wochen erhöht haben. Sie kennen ohnedies die Liste all dieser Maßnahmen, die Sie gesetzt haben, mit denen Sie arbeitslose Menschen treffen. In Wahrheit finden Sie es wirklich gerecht und sozial verträglich, dass arbeitslose Menschen in einem so hohen Ausmaß zur Budgetsanierung beitragen. Ich finde das ungerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Für den Fall, dass Ihrerseits wieder das Argument kommt, dass nun die Ersatzzeiten bezahlt werden – eine Forderung, die wir schon vor langer Zeit erhoben haben –, möchte ich Sie fragen: Warum werden sie nur mit Mitteln aus der Arbeitslosenversicherung gedeckt? Was ist mit den Zivildienern? Was ist mit dem Bundesheer? Was ist mit dem Familienlastenausgleichsfonds, wie sieht es da mit dem Deckungsgrad aus? Also es gäbe eine Vielzahl von Punkten, wo man das machen könnte. Warum fängt man dort an, wo man Arbeitslose für die Arbeitslosigkeit bestraft?

Ein weiterer Punkt: Herr Bundesminister! Durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes haben Sie – natürlich für den Fall, dass Frauen oder auch Männer es in Anspruch nehmen – das, was eigentlich das Karenzgeld bewirkt hat, nämlich dass man eine Zeit lang keine Arbeitsleistung erbringen musste und als Ersatz für das Gehalt Karenzgeld bekam, beseitigt. Sie kündigen jetzt an, falls jemand doch bei seinem Kind zu Hause bleiben will – und das wollen ja junge Eltern, sie wollen ihr Kind eine gewisse Zeit betreuen, und sie wollen auch ein Auskommen haben –, also falls jemand das Kinderbetreuungsgeld doch in Anspruch nimmt und dann, nach der Zeit des so genannten Familiengeldbezuges, keine Arbeit hat, dann wird diese Person auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeldbezug haben, auch wenn vorher die Anwartschaft dafür erfüllt wurde.

Ich verstehe überhaupt nicht, wie das möglich ist: Sie schaffen eine Versicherungsleistung aus der Arbeitslosenversicherung ab, und zugleich wollen Sie die Leute, die eine Familienleistung, die jeder in Anspruch nehmen kann, konsumieren, bestrafen, indem Sie ihnen danach keinen Arbeitslosengeldbezug gewähren.

Herr Minister! Das werden Sie mir noch erklären müssen! Ich halte das auch nicht für gleichheitskonform. Da werden Sie ganz große Probleme bekommen, und ich warne Sie jetzt schon davor, das zu machen. Aber ich habe schon gemerkt, dass auch bei anderen Gebieten und Kapiteln unsere Warnungen bei Ihnen leider ungehört bleiben – zum Leidwesen der Volksanwalt


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schaft, zum Leidwesen des Verfassungsgerichtshofes, zum Leidwesen der Menschen in unserem Lande, die durch Ihre Politik nur mehr verunsichert sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! In den schriftlichen Kurzanfragebeantwortungen haben Sie auch ganz interessante Positionen eingenommen, wo es darum geht, die Teilzeitkarenz und den Kündigungsschutz einzuführen. So schreiben Sie zum Beispiel Herrn Abgeordnetem Gartlehner, dass der Kündigungsschutz bis zum 24. Lebensmonat bleibt, die Frage aber, ob die Möglichkeit einer längeren Teilzeitbeschäftigung mit Kündigungs- und Entlassungsschutz vorgesehen wird, sei noch im Detail zu verhandeln.

Herrn Mag. Kogler schreiben Sie, dass Sie die Situation junger Mütter und Väter gegenüber der derzeitigen Situation verbessern wollen und die arbeitsrechtliche Möglichkeit der Teilzeitkarenz weiterhin bestehen bleiben soll.

Herrn Dr. Van der Bellen schreiben Sie: Durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes wird es zu keinen Nachteilen kommen. Es wird keinen Eingriff in bestehende Vereinbarungen und Ansprüche geben.

Also irgendwie passt das nicht ganz zusammen: Kommt es, oder kommt es nicht? Wie schaut denn das überhaupt aus? Sie haben zu einer Frage drei unterschiedliche Positionen eingenommen, und das finde ich für einen Bundesminister dieser Regierung sehr bemerkenswert. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Es wird von dieser Bundesregierung auch so gerne immer wieder von Integration gesprochen, davon, dass vor Zuzug Integration erfolgen soll. Das ist eine Politik, die wir durchaus teilen. Nur: Sie machen de facto etwas anderes. Sie vergrößern nämlich das Kontingent der Arbeitskräfte, die als Saisonarbeitskräfte eingesetzt werden.

Sie machen da ganz interessante Dinge: Es können Fleischpraktikanten aus Ungarn eingesetzt werden, obwohl Sie selbst wissen, welche Probleme wir in der Fleischindustrie haben – nicht zuletzt auf Grund einer Politik, die von dieser Regierung auch nicht ganz so gut war.

Es ist also möglich, Fleischpraktikanten oder Arbeitspraktikanten aus Ungarn einzusetzen. Einen einzigen nur muss man suchen, der aus Österreich ist, und wenn man diesen nicht findet, dann darf man ungarische Praktikanten einsetzen.

Ich finde das sehr "dienlich", und es zeigt, welchen "Vorteil" die österreichischen Arbeitskräfte bei Ihrer Politik haben, wenn es darum geht, dass es möglichst günstig für die Unternehmer sein soll. Da ist Ihre Position ganz eindeutig, denn in dieser Hinsicht sind Sie der Wirtschaftsminister und nicht der Arbeitsminister.

Aber Sie sagen auch immer so "großartig", auch die aktive Arbeitsmarktpolitik werde nicht zu kurz kommen. Herr Bundesminister! Wieso bekommen Sie dann von den sozialökonomischen Betrieben einen Brief zugesandt, in welchem steht, dass sie auf Grund der neuen Förderrichtlinien nicht mehr wissen, ob es bedingte Förderzusagen überhaupt noch geben wird. Das hat zur Folge, dass sie ihre Rücklagen auflösen müssen und damit in große Liquiditäts- und Bonitätsprobleme kommen.

Herr Minister! Können Sie mir das erklären? Das ist ja eine Umkehr der aktiven Arbeitsmarktpolitik schlechthin, und meiner Meinung nach widerspricht es genau dem, was Sie uns eigentlich hier so gerne verbal verkünden.

Angekündigt haben Sie auch, Herr Bundesminister, die Ladenöffnungszeiten zur Gänze freigeben zu wollen. Das heißt, die Menschen sollen rund um die Uhr unter der Woche, mit Ausnahme des Sonntags, arbeiten dürfen.

Offensichtlich haben Sie vor, das nicht nur bei den Ladenöffnungszeiten zu machen, denn laut einer Antwort von Ihnen auf eine schriftliche Anfrage planen Sie, ein Modell einzuführen, wonach


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Arbeitnehmer in den Dienstleistungsbetrieben, die mit Verkaufseinrichtungen vergleichbar sind, wie zum Beispiel Frisörinnen, auch so arbeiten sollen.

Herr Minister! Stimmt das, oder stimmt das nicht? Wollen Sie die Beschäftigten sozusagen überhaupt nur mehr flexibel im Sinne der Wirtschaft machen? In Ihren Augen ist es wahrscheinlich für die österreichische Bevölkerung enorm wichtig, dass sie um Mitternacht einkaufen oder zum Frisör gehen kann.

Letzter Punkt: Herr Bundesminister, Sie haben angekündigt, eine Effizienzsteigerung bei der Bekämpfung des Schwarzunternehmertums anzusteuern, und haben in diesem Zusammenhang von der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs gesprochen. Gibt es bereits diesen Gesetzentwurf? (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Freiwillige Redezeitbeschränkung, Herr Kollege Schwemlein!

Inwieweit kommt diese von Ihnen geplante Bekämpfung des Schwarzunternehmertums jenen Anträgen entgegen, die in diesem Hohen Haus von ÖVP und FPÖ bei den Beratungen blockiert werden? Es gibt nämlich einen Unterausschuss, der noch nicht einmal getagt hat, der sich noch nicht einmal zusammengesetzt hat, weil die Regierungsparteien das verhindern. Vielleicht können Sie, Herr Minister, mir diese Frage beantworten. Ich nehme an, dass Ihnen beide Anträge bekannt sind.

Allerletzter Punkt: Wir haben gestern über die Öffentlichkeit vernommen, dass sich die Sozialpartner hinsichtlich Verbesserungen des Arbeitnehmerschutzes geeinigt haben. Herr Bundesminister, Sie haben ja dramatische Verschlechterungen in diesem Bereich angekündigt. Werden Sie jetzt, nachdem offiziell das Verhandlungsergebnis bekannt ist, nach den Vorschlägen der Sozialpartner den ArbeitnehmerInnenschutz gestalten, oder halten Sie an Ihren Versionen fest? (Beifall bei der SPÖ.)

12.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

12.56

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Abgeordnete Silhavy hat eine Fülle von Fragen an mich gerichtet, ich werde versuchen, zumindest einen Teil dieser Fragen zu beantworten, aber gestatten Sie mir davor doch einige allgemeine Bemerkungen zum Budgetkapitel "Wirtschaft und Arbeit".

Es ist unser Ressort das Standort-Ministerium, und wir, Frau Staatssekretärin Rossmann und ich, versuchen, unsere Wirtschaftspolitik so zu gestalten, dass wir gemeinsam mit dem Hohen Hause den Standort Österreich zu optimieren und zu verbessern trachten.

Ich glaube, dass wir insgesamt im letzten Jahr gute Fortschritte erzielt haben. Frau Abgeordnete Kubitschek hat hier das Wifo zitiert, das eine Abschwächung der Konjunktur prognostiziert. Es ist aber nicht richtig, dass das Wirtschaftsforschungsinstitut seinerseits diese Konjunkturabschwächung vor allem auf inländische Konsolidierungsmaßnahmen zurückführt. Ich darf in diesem Zusammenhang aus der APA-Meldung von heute zitieren, in welcher es dazu heißt:

"Die von den USA ausgehende Abschwächung der Weltkonjunktur wirkt sich auch auf Österreichs Wirtschaftswachstum bremsend aus."

Weiter unten heißt es: "Die Revision der Wachstumsprognose nach unten sei vor allem exportseitig bedingt." – Zitatende.

Es ist richtig, dass auch eine Abschwächung der Inlandsnachfrage angezogen wird, aber es geht da um die Wertigkeit und um die Reihung, und da meine ich doch – und ich glaube, das wissen Sie genauso gut wie ich –, dass es vor allem die Unsicherheitsfaktoren, die aus den


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USA, die aus der Europäischen Union, zuvorderst aus Deutschland, zu uns kommen, sind, die die Wirtschaftsforscher etwas verunsichern.

Die Wirtschaftsforscher sind natürlich verunsichert, weil auf der anderen Seite das IHS beispielsweise für das Jahr 2002 gegenüber den bisherigen Prognosen wiederum mit einem leichten Aufschwung rechnet und seine Dezember-Prognose auf 2,5 Prozent nach oben revidiert.

Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Energiepreis- beziehungsweise die Ölpreisentwicklung des letzten Herbstes und die offenen Fragen bezüglich der amerikanischen Konjunkturentwicklung haben die Wirtschaftsforscher verunsichert und stellen sie letztlich vor Fragen in Sachen Konjunkturentwicklung.

Aber ich meine, dass Österreich insgesamt Standortpolitik betreibt, die eine bestmögliche Absicherung der Konjunktur gestattet und gestaltet.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Kubitschek! In einem bin ich diametral anderer Meinung: Es ist das Nulldefizit des Jahres 2002 ein ganz wichtiger Faktor zur Standortstärkung, und es ist nichts schlechter für den Wirtschaftsstandort Österreich als ausufernde Budgetdefizite, wie wir sie in den vergangenen Jahren leider immer wieder hatten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Diametral anderer Meinung als der gleichen Meinung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist hingegen richtig, das beispielsweise beim letzten EU-Gipfel in Stockholm in einer EU-weiten Benchmarking-Studie Parameter, die standortrelevant sind, in Bezug auf Österreich kritisch angemerkt wurden. Das hat sich wie ein roter Faden durch die Meldungen gezogen: Es wurden immer wieder die Frage der Ladenöffnungszeiten, die Frage des fehlenden Wettbewerbsrechts, die Frage einer fehlenden unabhängigen Wettbewerbsbehörde angezogen.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Kubitschek! Weil ich weiß, dass Ihre Interessen vom Prinzip her von meinen nicht so weit weg sind: Ja, wir werden eine engagierte Reform des Wettbewerbsrechtes durchführen. Es hat diese Regierung die Prinzipien dafür bereits beschlossen, und einer der wesentlichen Inhalte dabei ist die Schaffung einer unabhängigen Wettbewerbsbehörde, die zumindest eine Aufgriffs- und Ermittlungsfunktion samt der Möglichkeit einer Stellung eines Antrages an das Kartellgericht haben wird.

Ich selbst hätte mir auch den weiter gehenden Schritt einer auch entscheidungsbefugten Wettbewerbsbehörde vorstellen können. Der Kompromiss ist jedenfalls der – ich glaube, er kann sich in Europa sehen lassen, und er wird in ein Gesamtpaket hineingestellt –, in Österreich für ein besseres Wettbewerbsrecht, für ein schneller agierendes Wettbewerbsrecht, als wir es zurzeit haben, zu sorgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Sachen Ladenöffnung meine ich, dass es Zeit ist, Österreich von der Schlusslichtposition Europas wegzubringen. Es gibt kein zweites Land in Europa, das so restriktiv mit dem Thema Ladenöffnung umgeht. Und, sehr geehrte Frau Abgeordnete Silhavy, warum sollten denn Reisebüros, Banken, Friseurbetriebe, also Dienstleistungsunternehmungen, die sehr ähnlich strukturiert sind wie Handelsunternehmungen und auch an sehr ähnlichen Orten ihre Geschäfte tätigen, nicht an Samstagnachmittagen ihre Geschäfte ähnlich offen halten können wie Handelsunternehmungen per se? Ich glaube, das ist vernünftig und gut, und das wird ein wesentliches Element meiner Reformvorschläge sein. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Mertel und Schwemlein. )

Herr Abgeordneter Schwemlein, ich weiß von der Rednerliste, dass Sie dann ohnehin zu Wort gemeldet sind. Dann höre ich Ihnen gerne zu, aber jetzt würde ich Sie bitten, mich am Wort bleiben zu lassen.

Was Frau Abgeordnete Silhavy weiters unterstellt, ist, dass Arbeitskräfte rund um die Uhr arbeiten sollten. – Davon ist keine Rede! Keine Rede! Es gelten selbstverständlich das Arbeitszeitgesetz und alle anderen Schutzrechte, die das Arbeitsrecht bietet. Ein Unternehmen wird


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nach meinen Vorschlägen nicht einmal rund um die Uhr offen halten können, denn bei einer wöchentlichen Rahmenöffnungszeit von 72 Stunden wäre die Rund-um-die-Uhr-Öffnung am Mittwoch um 24 Uhr beendet, und das wird niemand wollen. Frau Abgeordnete, unterstellen Sie also hier keine Absicht, die meinerseits nicht gegeben ist!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines wundert mich aber schon ein wenig, und zwar, dass Frau Abgeordnete Kubitschek gemeint hat, außer der Einkaufszentrenverordnung sei nichts geschehen. – Gerade sie und viele ihrer Kollegen haben doch einen wertvollen Beitrag geleistet, um gemeinsam zu einem ganz wesentlichen Wirtschaftsgesetz, nämlich zur Voll-Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes zu kommen. Ich bedanke mich nochmals dafür.

Herr Abgeordneter Kogler hat gemeint, in der Energiewirtschaft habe der Markt versagt. – Dazu kann ich nur sagen: Falsch geraten, Herr Abgeordneter Kogler, jedenfalls aus meiner Sicht! Hier hat der Staat versagt, und dabei meine ich nicht so sehr den Bund, sondern es gibt ja auch noch andere Teile des Staates.

Der Bund hat mit seiner Energiepolitik auch als Eigentümervertreter in den letzten Monaten vernünftig agiert und hat der Marktwirtschaft den entsprechenden Stellenwert eingeräumt. Ich glaube, dass jetzt die Phase gekommen ist, in der es darum geht, unsere Energiewirtschaft so zu strukturieren, dass sie einerseits in Europa wettbewerbsfähig ist und auf der anderen Seite in Österreich die entsprechenden Dienstleistungen kostengünstig zur Verfügung stellt. Das ist jetzt noch möglich.

Das, was ich vermeiden möchte, ist, dass wir weiterhin glauben, den Status quo aufrechterhalten zu können – das können wir nicht –, und dann in ein, zwei, drei Jahren feststellen müssen, jetzt bleibt nur mehr die Übernahme durch irgendeinen europäischen Stromgiganten. Jetzt sind wir noch selbstbestimmt! Jetzt können wir das Asset Wasserkraft, das immer wertvoller wird, in Europa richtig positionieren, jetzt können wir an die Errichtung einer gemeinsamen Netzgesellschaft gehen, jetzt können wir das, was ein natürliches Monopol ist – wie das Netz – entsprechend strukturieren und so für Österreichs Energiewirtschaft, aber auch für die Wirtschaft insgesamt die richtigen Schritte setzen.

Aber noch einmal: Hier hat nicht der Markt versagt, sondern es wurde viel zu lange damit gewartet, durch entsprechende Liberalisierungsschritte dem Markt den notwendigen Stellenwert zu geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Arbeitsminister könnte ich jetzt auf die Vollbeschäftigung eingehen. Ich bin stolz darauf, dass wir sie haben. Das ist aber nicht etwa das Verdienst der Bundesregierung, das ist das Verdienst der Wirtschaft und auch der Konjunktur. Ich sage aber dazu, dass wir – abgesehen von der De-facto-Vollbeschäftigung – immer mehr Daten haben, die die ausgezeichnete Effizienz der aktiven Arbeitsmarktpolitik bestätigen. Wenn ich mir nämlich anschaue, was in den Problemgruppen – ältere Arbeitnehmer, Frauen, Jugendliche, Langzeitarbeitslose – weitergegangen ist, dann kann ich nur sagen, dort liegen die Erfolge unserer Arbeitsmarktpolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Erfolge der Arbeitsmarktpolitik werden mit einem AMS errungen, das sozialpartnerschaftlich strukturiert ist und das auch föderal die entsprechenden Realitäten in Österreich widerspiegelt. Ich betone, das ist so und das wird auch so bleiben, auch im Zuge einer Vollausgliederung des AMS als GesmbH; das sage ich hier im Hohen Hause ganz deutlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da ich hier gerade Herrn Abgeordneten Mitterlehner sehe und insbesondere auch Herrn Präsidenten Verzetnitsch: Herzlichen Dank von mir an die Sozialpartner, die gestern nach meiner Information zu einer, wie ich meine, wirklich wegweisenden Einigung in Sachen Arbeitnehmerschutzreform gekommen sind. – Das soll von mir auch noch vorgetragen werden; die Pressemeldungen habe ich allemal schon erhalten.

Gratuliere, meine sehr verehrten Damen und Herren der Sozialpartner! (Beifall bei der ÖVP.) Das ist mehr als nur ein Lebenszeichen, das könnte auch eine Weichenstellung für die zu


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künftige Zusammenarbeit zwischen Regierung und Sozialpartnern sein. Ich habe die Lösung, die Sie vorgetragen und offensichtlich erzielt haben, auch schon ein wenig analysiert.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Silhavy! Reden Sie ein bisschen mit Ihrem Sitznachbarn, Herrn Präsidenten Verzetnitsch! In Sachen Mindesteinsatzzeiten – es heißt jetzt ein bisschen anders, aber das ist egal – ist plus/minus das herausgekommen, was insgesamt auch von mir vorgeschlagen wurde. Und ich bin froh über diese Differenzierung. Ich habe schon früher gesagt, es ist doch viel gescheiter, zu sagen, ein Büroarbeitsplatz muss anders bewertet und geprüft werden als ein Industriearbeitsplatz, und wenn es sich um eine besonders gefährdende Arbeit oder um einen Nachtschwerarbeitsplatz handelt, dann muss man vielleicht noch etwas draufgeben.

In der ersten Runde waren die Sozialpartner ja noch nicht bereit, diese Differenzierung vorzunehmen. In ihren eigenen Verhandlungen haben sie es jetzt gemacht. Ausgezeichnet! Das wird eine Basis sein, auf der ein Begutachtungsentwurf auszuarbeiten sein wird.

Im Übrigen verweise ich darauf, dass schon im ersten Anlauf auf der Sozialpartner-Expertenebene fast alle der 50 Reformpunkte im Konsens abgearbeitet werden konnten. Und zu den zwei, drei politisch heiklen Punkten, etwa auch zu der Frage, inwieweit sich der Arbeitsinspektor in Zukunft wird anmelden müssen, ist jetzt eine Sozialpartnerformulierung da, die ich prinzipiell für vernünftig halte.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Silhavy! Wie gesagt: Nähere Informationen holen Sie sich bitte bei Ihrem Sitznachbarn, Herrn Präsidenten Verzetnitsch. Nochmals mein Dank an die Sozialpartnerschaft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Ich nehme Sie beim Wort!)

Herr Präsident Verzetnitsch! Sie können mich immer beim Wort nehmen, und ich stehe auch zu meinem Wort, wie Sie das im Übrigen auch halten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Silhavy hat aber auch gemeint, wir würden 15,4 Milliarden Schilling der Arbeitsmarktverwaltung, dem Arbeitsmarkt entziehen. So ist das nicht richtig! Abgesehen davon, dass Ihr Sitznachbar zu Ihrer Linken, der jetzt nicht da ist – der frühere Finanzminister Edlinger –, und auch alle anderen Finanzminister vor ihm, eine erhebliche Routine in der Abschöpfung aus diesen Bereichen entwickelt hat – diese Praxis wird jetzt noch bis zum Jahre 2002 von uns fortgesetzt –, kann ich Ihnen bestätigen, dass die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik weiterhin in voller Höhe fließen werden und dass selbstverständlich auch die passive Arbeitsmarktpolitik voll leistungsfähig bleibt.

Ich gestehe Ihnen zu, dass diese 15,4 Milliarden Schilling für das Budget 2002 abgeschöpft werden, aber nicht im Sinne eines Entzuges, denn es werden dadurch keine Leistungen gemindert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich damit zum Ende kommen. Ich meine, wir stehen vor einem Jahr, das uns in Sachen Beschäftigung weiterhin positive Aspekte und Zukunftsaussichten bringt. Wir werden die Arbeitslosigkeit trotz der revidierten Konjunkturprognosen ein wenig weiter reduzieren.

Wir wissen, dass wir in Wirklichkeit längst das Problem der austrocknenden Arbeitsmärkte haben. (Abg. Öllinger: Was ist ein "ausgetrockneter Arbeitsmarkt"?)

Ich verstehe im Übrigen nicht, warum der Österreichische Gewerkschaftsbund und die AK wesentlich restriktiver an das Thema Osterweiterung der Europäischen Union, an das Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit herangehen als etwa der deutsche Gewerkschaftsbund, der nämlich die Linie des Kanzlers Schröder, die siebenjährige Übergangsfrist, voll mitträgt.

Herr Präsident Verzetnitsch! In Österreich haben wir etwas über 3 Prozent Arbeitslosigkeit und de facto Vollbeschäftigung. In Deutschland gibt es etwa 8 Prozent Arbeitslosigkeit, in den neuen Bundesländern, weil sie näher an der Grenze liegen, doppelt so viel, und dort kann man die Position des Kanzlers Schröder mittragen. Sie tragen die Position unserer Regierung nicht mit.


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Das scheint mir nicht ganz ausgewogen zu sein. Aber vielleicht gibt es ja noch Gesprächsbereitschaft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie gesagt, es gibt Unsicherheiten in Sachen Konjunkturentwicklung – das steht außer Frage –, aber ich kann Ihnen versichern, dass Finanzminister Grasser und die Bundesregierung diesen Unsicherheiten im Budget entsprechend Rechnung getragen haben, sodass auf der Basis der gegenwärtig absehbaren Konjunkturentwicklung dieses Nulldefizit 2002 und damit dieser große Meilenstein für Österreichs Wirtschaft weiterhin erreichbar sind. – Ich danke Ihnen damit für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.09

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine kurze Anmerkung zum Thema Ladenöffnung. Meine Damen und Herren! Wir werden eine Lösung finden müssen und auch darauf hinarbeiten, die Interessen der 250 000 Mitarbeiter im Einzelhandel mit den Interessen der klein- und mittelständischen Betriebe und den Interessen der Gewerkschaft, der Kirchen und anderer gesellschaftlich relevanter Gruppen zusammenzufassen und zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen, Frau Kollegin. (Abg. Öllinger: Aber? – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Das ist zumindest die Absicht unserer Fraktion, und ich weiß, wovon ich rede, weil ich selbst, Kollege Schwemlein, trotz meiner jetzt schon angegrauten Haare noch immer hinter der Budel stehe, wie man landläufig dazu sagt. Daher vermeine ich auch die Interessen jener zu verstehen, die dieses "Schicksal" – unter Anführungszeichen – mit mir teilen dürfen. (Abg. Schwemlein: Du bist eh auf unserer Seite!)

Nun, meine Damen und Herren, wenn man das Hohelied auf die Klein- und Mittelständler, auf diese Betriebe singt und das auch mit Zahlen und Fakten untermauert, wie Herr Kollege Hofmann das bereits getan hat, dann muss man natürlich schon auch darauf hinweisen, dass diese Mittelständler mit ihren Mitarbeitern bereit waren und sind, mit da und dort nicht unerheblichen Belastungen die sozialistische Verschwendungspolitik der Vergangenheit mit aufzuräumen, und bereit sind, mit diesem Beitrag für einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu sorgen. Meine Damen und Herren! Wenn es nicht zu dieser Verschwendungspolitik gekommen wäre, dann könnten wir heute ent lasten.

Meine Damen und Herren! Ich bedauere wirklich, welche Haltung hier gegenüber dem Mittelstand oft eingenommen wird, und ich sage, es ist wirklich eine Gemeinheit, was Sie von der Sozialdemokratie immer wieder tun, indem Sie auf diesen Mittelstand einprügeln und von Milliarden an Steuergeschenken für diese Berufsgruppe fabulieren. Das ist ungerecht und darf auch nicht so hingenommen werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy, Parfuss und Mag. Prammer. )

Gerade von Ihrer Seite, Frau Silhavy, wird ja immer wieder fabuliert, dass es ein 15-Milliarden-Steuergeschenk-Paket seitens der Bundesregierung gebe. (Abg. Mag. Prammer: Ja, eh!)  – Wenn Sie damit allerdings meinen, dass wir im Dienste der Sicherung der Arbeitsplätze eine Entlastung um 15 Milliarden Schilling anstreben, dann haben Sie Recht, meine Damen und Herren, denn diese Entlastung ist mehr denn je notwendig, und zwar im Sinne der Mitarbeiter, der Betriebe und des Wirtschaftsstandortes Österreich (Abg. Eder: Das geschieht ja nicht!), weil wir nämlich – um auf Ihren Zwischenruf einzugehen, Herr Kollege – vernünftig arbeiten wollen und, wie gesagt, den Schuldenberg des Herrn Edlinger abzuarbeiten haben. Das sei Ihnen noch einmal ins Stammbuch geschrieben!

Aber ich darf mich in aller Kürze mit einem weiteren wichtigen Problem befassen. Darüber sind wir uns auch in der Koalition, wie ich meine, durchaus einig. Es geht um das Statistikproblem, um die Belastungen durch die Statistik, ohne jetzt insgesamt die Notwendigkeit der Statistik in


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Frage zu stellen. Es muss aber, Herr Bundesminister, Frau Staatssekretärin, eine tief greifende Statistikreform geben.

Ich darf das kurz mit einigen Anmerkungen untermauern. Es muss zu einer völligen Neuorientierung dieser statistischen Arbeit kommen. Die Informationsbedürfnisse der Wirtschaft müssen zumindest gleichrangig mit jenen der europäischen und der österreichischen Verwaltung gestaltet werden. Das ist zurzeit nicht der Fall.

Weiters sind erforderlich: eine Minimierung des bürokratischen Aufwandes, eine Nutzung aller administrativen Daten, die bereits vorhanden sind, die Ausschöpfung der Möglichkeiten der Informationstechnologie, mehr Freiwilligkeit, weniger Zwang, Koordinierung der Statistikaktivitäten, et cetera, et cetera. Dazu gehört natürlich auch das Spezialproblem INTRASTAT. Es darf in Hinkunft – und da bitte ich auch um entsprechenden Einsatz bei der EU – nur mehr einen Weg für die INTRASTAT geben, denn der derzeitige Zustand ist eine große Belastung für die importierenden klein- und mittelständischen Firmen in unserem Lande.

Ich darf mich in aller Kürze noch mit einem anderen Problem befassen, und zwar mit dem des Subventionsbetruges in der Europäischen Union. Auch das ist ein äußerst wichtiges wirtschaftspolitisches Problem, das natürlich auch den österreichischen Betrieben schadet, sei es in der Vorstufe, sei es in der Landwirtschaft, sei es in der Lebensmittelindustrie oder sei es durch die Beiträge des österreichischen Steuerzahlers in den Topf der EU.

Es freut mich, dass Herr Kollege Gradwohl und Herr Kollege Maier auf Grund einer Anmerkung meinerseits zum Flachs-Subventionsskandal in Spanien eine Anfrage an den Landwirtschaftsminister gestellt haben, er möge mich über diese Causa aufklären.

Da ich nicht mehr viel Redezeit habe, darf ich Ihnen nur stellvertretend einige Dinge bezüglich dieser Subventionsbetrügereien zur Kenntnis bringen. Zitat aus dem Bericht des zuständigen Ausschusses der Union: Es wurde ein kriminelles Netzwerk entdeckt, das jahrelang in großem Stil grenzüberschreitend Betrügereien mit gepanschter Butter betrieben hat. Inzwischen ist von 100 000 Tonnen an mit Pflanzen- und Rinderfetten und mit chemischen Substanzen gepanschter Butter die Rede, und der finanzielle Schaden dürfte weit über den ursprünglich angenommenen 45 Millionen j liegen. – Zitatende.

Ein wirklicher Skandal, meine Damen und Herren! Und der weitere Skandal ist, dass die hiefür ausgesprochene Strafe für die Firma, die das angestellt hat, von den irischen Behörden reduziert wurde. – So kann es wahrlich nicht gehen! Ich würde daher auch Ihnen von der Sozialdemokratie empfehlen, auf die großen sozialistischen EU-Kapazunder namens Schröder und Jacques Delors dahin gehend einzuwirken, dass sie ihre Kraft nicht dazu einsetzen, um gegen Österreich Sanktionen auszusprechen, sondern dafür sorgen, dass diese Betrügereien abgestellt oder zumindest eingegrenzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Darauf sollten diese Herren ihre Kraft verwenden, statt bei den Champagnisier-Treffen den Sanktionen gegen Österreich noch das Wort zu reden, meine Damen und Herren! (Widerspruch bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sind auch indirekt dafür verantwortlich, denn Sie haben sich dieses Themas leider Gottes noch nicht glaubwürdig angenommen. Daher meine ich, dass auch die Bundesregierung aufzufordern ist, in ihrer Kompetenz in der Union über Fischler und andere Kommissare diese Dinge anzusprechen, denn es ist ein eminent wirtschaftspolitisches Thema, das Geld kostet und auch den Verbraucherschutz insgesamt beinhaltet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte.

13.17

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Mit Interesse habe ich festgestellt, dass der freiheitliche Arbeitnehmer


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vertreter Gaugg in der Rednerliste durch den freiheitlichen Wirtschaftskämmerer Haigermoser ausgetauscht oder ersetzt wurde. – Das ist Symbolik, wie sie bei dieser Partei wahrscheinlich auch angebracht ist! (Beifall der Abg. Mag. Prammer. )

Das kann allerdings auch damit zusammenhängen, dass in den parteiinternen Beratungen Herr Gaugg momentan unentbehrlicher ist als Herr Haigermoser, der hier offensichtlich irgendwie zur Unterhaltung des Parlaments eingesetzt wurde. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich halte das nicht für einen Zufall, und zwar insofern nicht, als Herr Gaugg ja noch vor einer Stunde über die APA gegen die Ambulanzgebühr protestiert hat, und zwar vernünftig gegen die Ambulanzgebühr protestiert hat, sodass er offensichtlich bereits vor das Parteigericht oder was weiß ich wohin zitiert wurde. (Zwischenrufe der Abgeordneten Eder und Dr. Stummvoll. )

Meine Damen und Herren! Ich will mich aber nicht mit der Ambulanzgebühr und der etwas verworrenen Haltung der Freiheitlichen dazu beschäftigen, sondern zunächst noch eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen machen, Herr Bundesminister.

Ich finde, es ist schon sensationell, Herr Bundesminister, wie Sie es schaffen, die EU-Arbeitslosenquote herzunehmen und damit Vollbeschäftigung nachzuweisen. Sie wissen: Die EU-Arbeitslosenquote ist in ihrer Erhebungsmethode anderen Kriterien unterworfen, ist viel ungenauer, basiert auf Mikrozensus-Erhebungen und hat nichts mit der tatsächlichen Arbeitslosigkeit zu tun, weil die EU-Arbeitslosenquote schon geringste Beschäftigungen – eben auch geringfügige Beschäftigungen – als Arbeit misst, und zwar so, als ob der Betreffende vollbeschäftigt wäre.

Das heißt, auch ein Arbeitsloser, der in der österreichischen Arbeitslosenquote als Arbeitsloser registriert wird und zu Recht auch Arbeitslosengeld erhält, wird nach den EU-Erhebungen als Beschäftigter registriert. Stellen Sie sich das vor!

Und dann sagt der Herr Minister, wir haben ja – wunderbar! – einen ausgetrockneten Arbeitsmarkt. Das Bild muss man sich vorstellen: den ausgetrockneten Arbeitsmarkt. Wir haben nach wie vor Registerarbeitslosenquoten von 5 oder 6 Prozent, und der Herr Minister sagt, wir haben einen ausgetrockneten Arbeitsmarkt, wobei ich mich immer frage: Was ist ausgetrocknet? Meint er damit die Menschen? Dann ist es ein zynisches Bild. Was meint er damit? Das Angebot an Arbeitskräften? Auch das ist nicht ausgetrocknet, Herr Bundesminister!

Ich sage Ihnen nur eines: Genau so, wie man 3 Prozent Arbeitslosenquote – egal, ob es jetzt die EU-Arbeitslosenquote oder die österreichische Registerarbeitslosenquote ist – aus politischen Gründen als Vollbeschäftigung definieren kann, ist in den fünfziger Jahren beispielsweise von britischen Ökonomen ein halbes Prozent Arbeitslosigkeit als Vollbeschäftigung definiert worden, und alles, was darüber lag, war nicht mehr Vollbeschäftigung. (Abg. Dr. Trinkl: 3 Prozent!) Ein halbes Prozent! – Ja, Sie zucken mit den Schultern. Sie haben jetzt die 3 Prozent erfunden (Abg. Dr. Trinkl: Nein! ...!), und zwar nicht die 3 Prozent Registerarbeitslosenquote, sondern der Herr Minister hat die 3 EU-Prozent, die eigentlich völlig irrelevant sind, als Vollbeschäftigung definiert. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ah so? – Abg. Dr. Mitterlehner: Wieso sind sie irrelevant?)

Sagen Sie nicht "ah so", Herr Minister! Sie wissen selbst, wie die EU-Arbeitslosenquote definiert wird, und Sie sagen selbst – das habe ich zumindest von Ihnen auch schon gehört, zu Recht gehört –, dass sie wesentlich ungenauer ist als die österreichische Methode, Arbeitslosigkeit zu registrieren. Nach der österreichischen Methode, Arbeitslosigkeit zu definieren, sind wir von der Vollbeschäftigung noch weit entfernt, egal, ob Sie Vollbeschäftigung bei einem halben Prozent oder bei 3 Prozent ansetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist das eine, aber das ist noch immer nicht das Eigentliche, sondern das nur als Vorbemerkung, Herr Bundesminister, zum Thema Deregulierung per se. Dazu hat Ihnen ja Kollege Kogler schon einen Vortrag gehalten. Ich möchte das ergänzen.


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Deregulierung per se am Beispiel der Telekom-Privatisierung, Deregulierung allgemein. – Abgesehen davon, dass – und dafür sind nicht nur Sie verantwortlich, obwohl Sie damals auch in der Bundesregierung waren – schon seit Jahren die Telekom wirtschaftlich ausgehungert wurde und die Erträge der Telekom an den Staat abgeliefert und nicht in das Unternehmen investiert wurden, abgesehen davon, dass die Unternehmensform Telekom seit fünf oder sechs Jahren die verschiedensten Wandlungen durchgemacht hat, von der GesmbH bis hin zur AG, abgesehen davon waren der Börsegang und alles, was rundherum betrieben wurde, auch an die Adresse des Herrn Präsidenten, ein gigantischer wirtschaftspolitischer Flop dieser Bundesregierung – von einer seltenen Qualität!

Das muss man sich vorstellen: Da wird zunächst von den Vertretern der Bundesregierung, auch von Herrn Finanzminister Grasser, gesagt: 25 Milliarden bringt das Viertel. Wie viele sind es geworden, meine Damen und Herren? Knapp 11 Milliarden Schilling, und die sind nicht einmal sicher. Nach Abzug aller Taxen und Spesen nicht einmal 11 Milliarden Schilling! (Abg. Dr. Mitterlehner: 4 waren budgetiert!) Und da stellt sich die Bundesregierung, stellen Sie, Herr Bundesminister, sich vor das Auditorium und sagen: Wir feiern unsere wirtschaftspolitischen Erfolge.

War das ein Erfolg? War das ein Erfolg, Herr Kollege Mitterlehner? Halten Sie die Telekom-Privatisierung für einen Erfolg? Lesen Sie die "Kleine Zeitung" von heute: Eine neuerliche Gewinnwarnung steht bevor: Verlust von 6 bis 7 Milliarden Schilling für die Telekom. Das heißt, man schickt ein im Prinzip fast konkursreifes Unternehmen an die Börse, und man weiß es auch. Man weiß es auch, dass dieses Unternehmen in den vergangenen Jahren ausgehungert wurde, dass nichts investiert wurde, und trotzdem schickt man es an die Börse. Man macht die ÖsterreicherInnen vorher noch glücklich, ihnen den Mund damit wässrig, dass sie jetzt zu Volksaktionären werden können. Man verkauft den Österreicherinnen und Österreichern die Illusion, dass sie ihr eigenes Unternehmen, das sie, da es vorher staatlich war, noch einmal kaufen dürfen, dass sie über den Erwerb von Aktien einen Beitrag zum Kauf des Unternehmens leisten dürfen; Aktien, die sofort zu sinken beginnen und nicht einmal den niedrigen Ausgabekurs erreichen. (Abg. Dr. Trinkl: Wer war der Minister damals? – Abg. Dr. Stummvoll: Wer hat die Emission so lange verzögert? Wer?)

Ja, wir waren es nicht, Herr Stummvoll! (Beifall bei den Grünen.) Die Frage ist, ob man es will, dass dieses Telekom-Unternehmen ein wirtschaftlich potentes Unternehmen ist, und das wollten Sie offensichtlich genauso wenig, denn Sie waren ja Mitglied der vorigen Bundesregierung. Sie können sich doch nicht immer ausreden und sagen, Sie hätten von nichts gewusst. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Und zuletzt hätten Sie es jetzt beim Börsegang wissen müssen, dass man nicht an die Börse gehen kann mit einem Unternehmen, das ausgehungert ist, das knapp vor dem Ende steht. (Abg. Dr. Stummvoll: Einstimmigkeit im Ministerrat!)

Für den Standort Börse Wien ist das alles andere als erfreulich. Und da bin ich bei der Frage Deregulierung, denn Privatisierung allein ist noch nicht Deregulierung. Die Frage ist, meine Damen und Herren, Herr Mitterlehner: Funktioniert die Börseaufsicht? (Abg. Dr. Mitterlehner: Nicht sehr gut!) Funktioniert die? Kann es in einem Land passieren, dass ein Unternehmen wie die Telekom unter diesen Bedingungen, wie die Telekom an die Börse gegangen ist, an die Börse gehen darf, wenn die Börsenaufsicht funktioniert? Wir kommen, Herr Kollege Mitterlehner, in den nächsten Tagen noch darauf zu sprechen, was alles im Umfeld dieses Börseganges passiert ist, was nachher passiert ist, was jetzt noch passiert ist. – Wo ist da die staatliche Aufsicht?

Und wenn es keine staatliche Aufsicht in Form einer staatlich organisierten Börsenaufsicht ist: Wo sind die Organe, die all das überprüfen, was beim Börsegang hätte überprüft werden müssen? Wo sind sie? Funktionieren sie? – Nein!

Damit bin ich beim Thema Deregulierung. Ich hätte mir, auch an die Adresse der Gewerkschafter gerichtet, bezüglich Arbeitnehmerschutz etwas gewünscht. Ich halte die Änderungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes für verfehlt, weil sie ohne konkrete Zielvorgaben erfolgen,


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weil ich glaube, dass man mit dem starren Instrumentarium im Bereich des Arbeitnehmerschutzes Schluss machen muss. Und das starre Instrumentarium wird hinsichtlich der Vorgaben für die Einsatzzeiten nicht dadurch besser, dass man die Einsatzzeiten reduziert. Man sollte es an den Erfolgen orientieren. Man sollte Kriterien für den Erfolg des Arbeitnehmerschutzes einführen, den man beispielsweise messen könnte an der Zahl der Arbeitsunfälle als Zielvorgabe, den man messen könnte an der Zahl von Berufserkrankungen als Zielvorgabe, den man messen könnte an der Zahl von Invaliditätspensionen als Zielvorgabe für den Arbeitnehmerschutz. Das ist alles nicht passiert, sondern ausgehandelt wurde zwischen Wirtschaft und Gewerkschaft: Wir reduzieren ein bisschen die Einsatzzeiten. (Abg. Dr. Mitterlehner: Das stimmt ja nicht!)  – Sie können es dann gerne noch erklären, Herr Kollege Mitterlehner.

Aber es wird nicht nur beim Arbeitnehmerschutz reduziert. Ich weiß schon, das wäre differenzierter zu betrachten. Es gibt auch Punkte, die ich dabei durchaus positiv sehen könnte, etwa den Einsatz von Psychologen. Aber das Eigentliche ist, Herr Kollege Mitterlehner: Gleichzeitig wird neben diesem Zurücknehmen des Arbeitnehmerschutzes, das es für mich trotzdem noch ist, weil eben die Zielvorgaben fehlen, die Aufsicht über den Arbeitnehmerschutz reduziert. Laut "Standard" soll ein Abbau von 50 Arbeitsinspektoren geplant sein. Was wir aber brauchen und was wir seit Jahren fordern, ist ein Ausbau der Arbeitsinspektion. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wir brauchen eine mächtige Kontrollbehörde im Bereich des Arbeitnehmerschutzes und nicht eine, die reduziert wird, auch wenn es nur über "natürliche Abgänge" – unter Anführungszeichen – erfolgen soll.

Schauen Sie doch auf die Straßen! Die Kollegin Lichtenberger könnte Ihnen seitenweise Berichte liefern über die Vorfälle allein im Bereich des Verkehrs, allein im Bereich des LKW-Verkehrs, die durch Deregulierung auf EU-Ebene und durch Unterlaufen nationaler Schutzbestimmungen passieren.

Da sind ja nur mehr rollende Bomben unterwegs, da sind ja nur mehr übermüdete Fahrer unterwegs, Fahrer, die 12, 14, 16 Stunden unterwegs sind! Wo sind denn da in Österreich die massenhaften Kontrollen? Wo sind die massenhaften Strafen in diesem Bereich? Das wäre notwendig. Wenn Sie schon deregulieren auf der einen Seite – und die Deregulierung im Verkehrsbereich ist nicht nur eine nationale Angelegenheit, sondern eine internationale –, dann braucht es auch starke Kontrollen.

Sie können sich die Protokolle ansehen: Österreich ist im Bereich der Strafen, ob das jetzt den Arbeitnehmerschutz auf den Straßen oder auch den Arbeitnehmerschutz selbst betrifft, ziemlich weit hinten. Und offensichtlich will man das noch weiter entschärfen, indem man die Arbeitsinspektion als Kontrollbehörde zu einer Beratungsinstitution umbaut, obwohl wir, Herr Kollege Mitterlehner, schon eine Beratungsinstitution haben, eine große, die das auch könnte, nämlich die Unfallversicherung.

Jetzt haben wir zwei Beratungsinstitutionen parallel nebeneinander. Man sollte sich da ein vernünftiges Modell überlegen, aber nicht das machen, was getan wird, nämlich nicht nur den Arbeitnehmerschutz, sondern auch die Kontrollen über den Arbeitnehmerschutz zurücknehmen. Das ist der falsche Weg, und dieser Weg führt mit Sicherheit nicht vorwärts, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt: Interessenkonflikte in Ihrem Ministerium – das, was wir immer gesagt haben, schon seit der Einführung des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums beziehungsweise der Verschmelzung der beiden Bereiche Wirtschaft und Arbeit zu einem Ministerium. Wir haben immer befürchtet – "quod erat demonstrandum" am Beispiel des Arbeitnehmerschutzes –, dass die Interessen des Arbeitnehmerschutzes, des Arbeitsrechts zu kurz kommen. Am Beispiel Arbeitnehmerschutz, am Beispiel Ladenöffnungszeiten – und da gäbe es noch einige andere Beispiele – ließe sich das demonstrieren. Aber spannend ist schon die Frage, die im "Standard" aufgeworfen wurde, nämlich was das auch im weitesten Sinn verfassungsrechtlich heißt.

Herr Minister Bartenstein! Wer sind Sie? Als was agieren Sie? Als Wirtschaftsminister – oder als Arbeitsminister? Wer von Ihnen gewinnt in diesem Konflikt zwischen Wirtschaft und Arbeit – und


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es gibt Konflikte –: Ich oder ich? Wer ist das "Ich" von Ihnen beiden, das gewinnt? Ich behaupte, es ist immer der Wirtschaftsminister, der in diesem Konflikt gewinnt: Beispiel Arbeitnehmerschutz, Beispiel Ladenöffnungszeiten, und es gäbe noch viele andere. Aber das Spannende an diesem Beitrag im "Standard" aus der Sicht von Verfassungsjuristen ist doch auch das, dass Sie am Beispiel der Betriebsanlagengenehmigung in einer Person zwei unterschiedliche Interessen vertreten müssen.

Jetzt weiß ich schon, im Betriebsanlagenrecht ist schon so viel dereguliert worden, dass sich die Unternehmer im Prinzip das schon fast selbst organisieren können. Aber wenn eine Betriebsanlage von der einen Seite genehmigt wurde, von Ihrer wirtschaftlichen Seite, und die Arbeitsinspektion erhebt einen Einspruch, weil ihrer Meinung nach Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes nicht eingehalten wurden – was passiert dann? Führen Sie, Herr Bartenstein, über Ihr Ministerium dann eine Verfassungsbeschwerde gegen sich selbst? Machen Sie das? Können Sie das? Das ist politisch weder zu verantworten noch zu rechtfertigen. Und Sie können das mit Sicherheit nicht rechtfertigen. Das erklären Sie einmal jemandem: dass der Herr Bartenstein als Arbeitsminister gegen den Herrn Bartenstein als Wirtschaftsminister Verfassungsbeschwerde erhebt! (Beifall bei den Grünen.)

Wie soll das funktionieren, Herr Bundesminister? Sie werden das sicherlich nicht machen, aber es wird eines passieren: Da wird Druck ausgeübt, dass es nicht zu diesem Einspruch der zuständigen Abteilungen kommt, weil der Herr Bartenstein natürlich nicht gern gegen sich selbst Verfassungsbeschwerde führt.

Also das, was hier in diesem Beitrag im "Standard" beschrieben wurde, ist Realität, das kann jederzeit eintreten. Das haben prominente Verfassungsjuristen erkannt. (Abg. Dr. Puttinger: Dazu wird es nie kommen!) Es ist aber in der Vergangenheit schon dazu gekommen, dass das Sozialministerium als das für die Arbeitsinspektion zuständige Ministerium gegen einen Bescheid des Wirtschaftsministeriums betreffend Betriebsanlagengenehmigung Einspruch erhoben hat, der dann bis zum Verfassungsgerichtshof gegangen ist.

Jetzt kann das nicht mehr passieren, denn der Herr Wirtschaftsminister kann nicht gegen sich selbst bis zum Verfassungsgerichtshof gehen. Der Herr Arbeitsminister Bartenstein klagt den Wirtschaftsminister Bartenstein an, dass er Bestimmungen, das Verfassungsrecht verletzt hat – Herr Puttinger, glauben Sie das wirklich? Glauben Sie das wirklich, dass das passieren wird? Ich bin überzeugt davon, dass es nicht passieren wird.

Ich halte das für einen grundlegenden und fundamentalen Irrtum, der bei der Schaffung dieser Superministerien passiert ist. Und wir haben Ihnen gesagt, dass es Interessenkonflikte geben wird, die man so nicht lösen, die man so nicht zuordnen kann. Aber damals ist der Herr Bundesminister aufgetreten und hat gesagt: Es gibt ja keine Probleme zwischen Wirtschaft und Arbeit, und deshalb gibt es auch keine Konflikte! – Ich halte das für fatal, und das, meine Damen und Herren, werden sogar Sie noch einsehen müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

13.35

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur ein Wort zu den letzten Ausführungen meines Vorredners. Herr Kollege Öllinger, wenn man Ihnen zugehört hat, dann kann man nur froh darüber sein, dass das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit unter einem Minister Bartenstein steht und nicht unter einem Minister Öllinger. Bei Ihnen würde wahrscheinlich eine Persönlichkeitsspaltung eintreten, wenn Sie das Ministerium führen würden, denn man kann Wirtschaft und Arbeit nur mit einer klassenkämpferischen Grundhaltung so sehen, wie Sie es gerade dargestellt haben.


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Wenn man aber sagt, Wirtschaft und Arbeit gehören zusammen unter ein Dach, dann betrachten wir das als Fortschritt dieser Regierungspolitik! Nicht Klassenkampf, sondern Partnerschaft, Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Arbeit, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Diese Aussage passt wirklich zu Ihnen! Ich hätte Ihnen nichts anderes zugetraut!)

Wenn wir heute dieses Kapitel Wirtschaft und Arbeit diskutieren, an jenem Tag, an dem die Wirtschaftsforscher die Prognose nach unten revidiert haben, so können wir im Hinblick auf die allgemeine weltwirtschaftliche Konjunkturentwicklung trotzdem selbstbewusst sagen: Ein Wirtschaftswachstum, auch ein revidiertes, von 2,2 Prozent real, ein Verbraucherpreisindex von nur 1,7 Prozent, eine Arbeitslosenrate von 3,6 Prozent sind trotz Revision nach unten immer noch beachtliche Zahlen, um die uns viele Länder beneiden, meine Damen und Herren! Das soll man auch festhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gebe aber gerne zu, dass es eine Zahl in der Prognose gibt, wo wir sehr Acht geben müssen: Ein Leistungsbilanzdefizit von 85 Milliarden Schilling ist ein Schwächezeichen. Es signalisiert erstens die starke Rohstoffabhängigkeit unseres Landes und signalisiert zweitens, dass wir zweifellos noch strukturelle Schwächen in unserer Wirtschaft haben. So ehrlich müssen wir sein. Hier müssen wir sehr Acht geben, hier gibt es für die Zukunft noch Herausforderungen für die Regierungspolitik. Wir wollen ja nicht alles durch die rosarote Brille sehen. Man muss ganz objektiv sagen, was unsere Stärken sind und auch was die Herausforderungen für die nächsten Jahre sein werden, meine Damen und Herren. So sehen halt wir Politik: objektiv, ehrlich und fair. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Hannes Bauer. )

Das Zweite – und das haben wir gestern schon betont, Herr Kollege Bauer –: Wenn wir unsere Position im Hinblick auf die Ergebnisse von Stockholm sehen, dann können wir auch hier selbstbewusst sagen: Wir sind auf dem richtigen Weg im Sinne von Budgetkonsolidierung bei gleichzeitiger Vollbeschäftigung, meine Damen und Herren!

Eines muss man auch sagen – ich habe es schon gestern betont –: Unser Problem auf dem Arbeitsmarkt besteht heute darin – die Kollegen Kopf und Mitterlehner werden noch darauf eingehen –, dass jeder zweite Betrieb klagt, keine Arbeitskräfte zu bekommen, keine IT-Techniker, keine Fachkräfte, keine Hilfsarbeiter. Das ist unser Problem, meine Damen und Herren, und nicht die Frage, die Sie artikulieren! Das ist die Herausforderung für die Regierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Als Mandatar komme ich mir manchmal vor wie eine Außenstelle des Arbeitsmarktservice. Ständig bekomme ich Briefe von Unternehmern, die darüber klagen, keine Arbeitskräfte zu bekommen. Das ist die Herausforderung für die nächsten Monate, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Dritter Punkt: Wenn wir uns, Herr Kollege, ohne Oppositionsbrille, sondern ganz ruhig, nüchtern und sachlich die Standortfaktoren für den Wirtschaftsstandort Österreich anschauen, dann können wir nur sagen: positiv sind Stabilität, Produktivität, Liberalisierung und das Vertrauen, das wir international genießen.

Der Bundeskanzler hat gestern darauf hingewiesen: Im "Institutional Investors", einem halbjährlichen Ranking der Industriestaaten, ist Österreich im letzten halben Jahr vom 16. auf den 9. Platz vorgestoßen, was die Bonität, die Kreditwürdigkeit des Landes betrifft. – Meine Damen und Herren, ein schöner Erfolg in diesem halben Jahr unter dieser Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Obwohl Präsident Verzetnitsch, den ich in den letzten Monaten oft kritisiert habe unter dem Motto "Die Gewerkschaft fühlt sich immer mehr als Speerspitze der Opposition gegen Regierung und Parlament", jetzt nicht mehr da ist, muss ich heute wirklich anerkennend sagen: Das, was gestern als Sozialpartnerkonsens im Bereich Arbeitnehmerschutz präsentiert wurde, ist ein wesentlicher Fortschritt.


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Ich habe zufällig, ich glaube, in der "ZiB 1" gehört, wie der Herr Präsident gemeint hat – und ich halte das wirklich für einen großartigen Fortschritt im Denken –: Wir messen den Erfolg des Arbeitnehmerschutzes nicht an der Zahl der Strafmandate, die die Arbeitsinspektion verteilt, sondern an der Frage, ob die Zahl der Arbeitsunfälle zurückgeht. – Das ist genau die Position der Wirtschaft. Wir haben immer gesagt: Wir sagen ja zum Gesundheitsschutz, ja zum Arbeitnehmerschutz, aber nein zur Bürokratie, nein zum Papierkrieg und nein zur Schikane. Ein wesentlicher Fortschritt, was gestern präsentiert wurde – bravo den Sozialpartnern, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich muss die kurze Redezeit, die mir noch verbleibt, verwenden, um darauf hinzuweisen, dass wir natürlich nicht alle Probleme gelöst haben. Wir haben drei große Schwachstellen: Erste Schwachstelle ist die Bürokratie; das wissen wir. Hier haben wir zwar Fortschritte durch die Betriebsanlagengenehmigung, Gewerbeordnung 1997 erzielt, aber wir haben noch immer nicht das One-stop-shop-Prinzip verwirklicht.

Zweiter Schwachpunkt: Lohnnebenkosten. International stehen sicherlich die Lohnstückkosten im Vordergrund, aber in der Konkurrenzsituation zur Schattenwirtschaft, zum Pfusch sind die Lohnnebenkosten von eminenter Bedeutung, meine Damen und Herren.

Dritte Schwachstelle, wo wir auch noch Herausforderungen haben, ist zweifellos der Bereich Innovationskraft und Technologie. Zwei Beispiele: Die Hochtechnologie-Industrie ist immer noch unterrepräsentiert in unserem Land. Und wir importieren immer noch drei- bis viermal so viel technisches Know-how in Form von Patenten und Lizenzen, als wir exportieren. Also im Bereich Innovation, Technologie stehen wir zweifellos noch vor Herausforderungen, haben wir Aufgaben für die Zukunft zu bewältigen.

Aber insgesamt, meine Damen und Herren: Dank an den Wirtschaftsminister, Dank an die Frau Staatssekretärin! Wir sind gut unterwegs, wir sind auf dem richtigen Kurs, und wir werden diese Herausforderung bewältigen, nämlich Budgetkonsolidierung und Reformen durchführen, und das Ganze bei Vollbeschäftigung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

13.41

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist heute schon sehr viel über diese Wifo-Prognose gesprochen worden. Die kann man weder beschönigen noch anders darstellen; sie ist so, wie sie ist. Fest steht, dass das Wachstum 2001 von 2,6 auf 2,2 Prozent gesunken ist. Das Ganze ist hausgemacht durch ein umfangreiches Anheben von Steuern und andere Belastungen für die Bevölkerung. Das heißt im Klartext: Die Masseneinkommen sind dadurch wesentlich geringer geworden, gesunken von 2,25 Prozent im Jahre 2000 auf 0,5 Prozent im Jahre 2001. Und das bedeutet natürlich auch, dass die Kaufkraft zurückgeht. Und wenn die Kaufkraft zurückgeht, dann leiden als erste einmal die kleinen und mittleren Unternehmer, die Landwirtschaft und dann auch alle anderen. Das sind ganz einfach volkswirtschaftliche Binsenweisheiten.

Darüber hinaus ist heute vom Herrn Bundesminister hier angesprochen worden, dass die Krise, von den USA ausgehend, vielleicht auch über Europa hereinbricht. Ich kann nur sagen, hoffentlich kommt die Krise nicht auch noch dazu, denn dann wird es nämlich noch wesentlich schwieriger werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es nützt nichts, Herr Kollege Stummvoll, wenn Sie sich hier herstellen und versuchen, eine Reihe von Dingen gesundzubeten. Die Welt ist, wie sie ist, unser Land ist, wie es ist, und diese Bundesregierung ist auch, wie sie ist, nämlich unprofessionell. (Abg. Dr. Ofner: Die Opposition ist auch, wie sie ist! – Abg. Dr. Stummvoll: Weder Gesundbeten noch Krankjammern!) Nach eineinhalb Jahren Bestehen dieser Bundesregierung darf ich ein klares Wort sagen: Es sind eineinhalb verlorene Jahre für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)


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Während des Wiener Wahlkampfes hat diese Bundesregierung geglaubt, besonders schlau sein zu müssen, und hat nichts gemacht und hat einmal abgewartet. Es ist eine Reihe von Punkten gar nicht diskutiert worden, gar nicht besprochen worden. Ich werde Ihnen einige dieser Punkte aufzählen. Aber jetzt beginnt man wieder, weitreichendere Belastungen für die Bevölkerung und eine Minderung der Lebensqualität zu überlegen oder langfristig auch der Wirtschaft Österreichs zu schaden, vor allem den kleinen und mittleren Unternehmungen.

Es wurden heute schon die Ladenöffnungszeiten angesprochen. Ja, bitte, wer verlangt denn, die Ladenöffnungszeiten auf 72 Stunden auszudehnen? (Der Redner hält eine Ausgabe des "WirtschaftsBlattes" in die Höhe.) Da: Herr Veit Schalle! Den dürften Sie ja kennen, vielleicht gibt er Ihnen das eine oder andere Mal auch eine Wahlspende, damit die Ladenöffnungszeiten liberalisiert werden. Ich habe von den Mitgliedern der Wirtschaftskammer, den kleinen Greißlern, all jenen im Verkauf noch nie gehört, dass sie die Ladenöffnungszeiten geändert haben wollen. (Abg. Neudeck: Sie dürfen nicht vom "Konsum" auf den "Billa" schließen! Der Schalle ist nicht der Gerharter!) Ich habe es heute von Ihrem Herrn Haigermoser, der hier gestanden ist, auch gehört: Er denkt auch nicht daran, zuzustimmen, die Ladenöffnungszeiten zu verändern. (Abg. Neudeck: Sie wollen die Geschäfte so wie den "Konsum" zusperren!)

Aber hier kommt das, was Kollege Öllinger gesagt hat, sehr klar zum Ausdruck: Da gibt es einmal den Herrn Arbeitsminister Bartenstein, und dieser Herr Arbeitsminister Bartenstein will natürlich die Ladenöffnungszeiten ausweiten. Und dann gibt es den anderen, den Wirtschaftsminister Bartenstein, der keine sozialen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten für die Beschäftigten vorschlägt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Freiheitliche Partei lehnt die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten interessanterweise seit Jahren und auch heute, zwar schon ein bisschen komplizierter ausgedrückt, aber noch immer, klar ab. Die kleinen und mittleren Handelsbetriebe lehnen sie auch klar ab. Und die Sozialdemokraten lehnen jedenfalls (Abg. Neudeck: Alles ab!) alle Regelungen ab (Abg. Schwarzenberger: Alle, auch die vernünftigen!), die nur auf dem Rücken der bereits jetzt belasteten Arbeitnehmer und kleinen Handelsbetriebe ausgetragen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Wir sind für Liberalisierung, Kollege Ofner! Wir sind für Liberalisierung, warten aber auf Vorschläge des Herrn Ministers, die auch sozial verträglich sind und es den Frauen, die großteils in diesen Betrieben arbeiten, auch ermöglichen, weiterhin ein ordentliches Familienleben führen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt: das Mineralrohstoffgesetz. Man höre und staune: Kaum gibt es eine neue Regierung, wird das Mineralrohstoffgesetz schon wieder in Angriff genommen! Mit dem jetzigen Entwurf, der in Begutachtung ist und herumgeistert, wird der Herr Ex-Umweltminister Bartenstein – das war er nämlich auch schon einmal – den Abbau der Massenrohstoffe weiter beschleunigen und auch erleichtern. Insbesondere sollen die Schotterbarone (Abg. Kopf: Andere auch!) wieder Erleichterungen und die Möglichkeit eingeräumt bekommen, ohne Rücksichtnahme auf irgendjemanden abbauen zu können.

Das aber, meine Damen und Herren, wird alles wieder zu Lasten der Gemeinden, der Bürger und der Nachbarn und vor allem zu Lasten der Umwelt gehen. Die noch unter der SPÖ-Koalition geschaffenen Regelungen zum Schutz der Umwelt, der Nachbarn werden jetzt, zwei Jahre danach, auf Zuruf der Schotterbarone zurückgenommen, Gesetze, die von Ihnen, Herr Bartenstein – ich weiß nicht, ob er jetzt da ist, aber man wird es ihm ausrichten –, als Umweltminister mitgetragen wurden.

Das wiederum lehnen die Gemeinden ab, das lehnen die Bürger ab. Und diese Vorgangsweise wird auch von der Sozialdemokratischen Partei abgelehnt. Erworbene Rechte der Bürger und der Schutz der Umwelt müssen gewahrt bleiben. (Beifall bei der SPÖ.) Wirtschaftliche Interessen dürfen nicht ausschließlich zu Lasten der Gemeinden und deren Lebensqualität gehen.

Verwaltungsreform – offen. Herr Minister! Entweder wird die Reform im Einvernehmen mit den Ländern erledigt, oder Sie lassen lieber die Finger davon! Hier (eine Seite aus der "Kronen


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Zeitung" vorweisend) werden Ihnen Grüße vom Herrn Leitl aus der Bundeswirtschaftskammer ausgerichtet, der sehr wohl sagt: Verwaltungsreform ab sofort. – Was geschieht in der Regierung? Gestritten wird. Nichts geschieht, nichts geht weiter bei der Verwaltungsreform!

Oder, ein weiterer Punkt, wenn wir über die wirtschaftliche Entwicklung, die Wirtschaft sprechen: Was ist denn mit den Tausenden Menschen, die täglich in die Arbeit fahren müssen, auf ihr Auto angewiesen sind und sich die Autos auf Grund Ihrer Belastungen kaum mehr leisten können, die jetzt endlich einmal eine Kilometergelderhöhung bräuchten, ein entsprechendes Pendlerpauschale? Diese Menschen berücksichtigen Sie überhaupt nicht, meine Damen und Herren. Ich würde an Ihrer Stelle nicht so viel lachen, denken Sie an Ihr Wiener Wahlergebnis! Da haben Sie überhaupt nichts zu lachen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Ofner und Neudeck. ) Denken Sie an Ihr Wiener Wahlergebnis! Da haben Sie so verloren, dass Sie hier überhaupt ganz still sein müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder: Arbeitskräftemangel im IT-Bereich, im Facharbeiterbereich, im Tourismusbereich. – Frau Staatssekretärin, ich bin überhaupt überrascht, dass ich Sie wieder einmal sehe. Ich habe Sie schon sehr lange nicht mehr gesehen und gehört. (Staatssekretärin Rossmann: Weil Sie nicht da waren!) Ich habe gehört, Sie waren einmal kurz in Floridsdorf, aber leider haben wir uns dort nicht getroffen.

Damit komme ich schon zu einem weiteren Punkt, nämlich zur Energiepolitik. Da hat heute der Herr Bundesminister versucht, etwas gesundzubeten. Man muss sich einmal anschauen, wie die Verflechtung der österreichischen Energiepolitik zurzeit ausschaut, und darf dabei nicht vergessen, dass die Energiepolitik seit Jahren in der Hand der ÖVP ist. Minister Schüssel hat damals schon als Energieminister nichts weitergebracht. Minister Ditz hat als Energieminister nichts weitergebracht. Dafür soll er jetzt Generaldirektor bei der ÖIAG werden, denn wenn man dort nichts weiterbringt, muss man etwas anderes Wichtiges werden. Der Herr Farnleitner hat in diesem Bereich schon nichts weitergebracht, und der Herr Bartenstein bringt genauso nichts weiter.

Das Einzige, was er immer sagt, ist: Liberalisierung, die Strompreise werden billiger – was übrigens auch von den Freiheitlichen plakatiert worden ist und nicht wahr ist –, das ist aber schon alles in diesem Zusammenhang. Strom ist teurer geworden, die Menschen kennen sich nicht mehr aus. Öko-Strom, Öko-Energie, das ist überhaupt kein Thema mehr, davon wird nicht mehr gesprochen, Kernenergie ist auch Wurscht, es kann alles wieder vermanscht, vermischt werden. Wo sind die großen Aussagen, für die die Freiheitliche Partei vor einigen Monaten noch hier gestanden ist?

Für diese komplizierten Verflechtungen in den in- und ausländischen Beteiligungen ist eine Koordinierung erforderlich, ist ganz einfach eine Rahmenpolitik erforderlich. Die Energiewirtschaft unseres Landes ist Motor jeglicher Wirtschaftskraft und darf nicht dem Zufall und offenbar auch nicht dieser Regierung überlassen werden.

Von Ihnen, Herr Bundesminister, gab es keine Vorgaben. Sie lehnen sich zurück, schauen zu, wie da einige wildgewordene Generaldirektoren Aktien hin- und herschieben, verteilen und glauben, das irgendwie lösen zu können. Aber die Energiewirtschaft in Österreich steht ungefähr seit einem halben Jahr vor der gesamten Liberalisierung, und es kennt sich kein Mensch in diesem Land aus, wie es da weitergeht. Es gibt kein taugliches Instrument.

Auch der Energiebericht wird nicht mehr geliefert. Das brauchen wir alles nicht mehr. Das ist das neue Regieren. "Neu Regieren" heißt, alles anders, aber nichts besser zu machen.

Es darf in Österreich nicht zu Verhältnissen wie in Kalifornien kommen. In Kalifornien muss man jeden Augenblick damit rechnen, dass der Strom abgedreht wird. Hoffentlich passiert das angesichts dieser Politik nicht auch bei uns.

Ich frage mich auf Grund der heutigen Debatte: Welche Vorhaben wurden bis jetzt im Rahmen dieser Diskussion, die von der Regierungsbank her gekommen ist, zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich eingeleitet? Ich habe bis jetzt von keinem einzigen gehört!


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Sicher ist, dass die vergangenen eineinhalb Jahre in Österreich verlorene Jahre sind – eineinhalb Jahre ohne Konzept für eine langfristige Planung, ohne Impulse für einen starken Wirtschaftsstandort.

Aber eines kann man schon sagen: Unserer Wirtschaft geht es derzeit noch gut – aber nicht wegen Ihrer Wirtschaftspolitik, sondern trotz dieser Bundesregierung. Die Wirtschaft in Österreich wird derzeit von den Sozialpartnern, den arbeitenden Menschen und den unermüdlich arbeitenden kleineren und mittleren Unternehmungen getragen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Wer soll es denn machen? Ist ja logisch!)

Die Wirtschaftspolitik der Regierung fehlt in Österreich. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Die sollten Sie nämlich machen, Herr Ofner. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schoettel-Delacher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.51

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich bin eine entschiedene Gegnerin von unangebrachtem Konjunktur- und Wirtschaftspessimismus. Man kann nämlich alles schlecht reden, wenn man sich nur genügend Mühe gibt. Und die Opposition gibt sich jedenfalls redlich Mühe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Gaßner: Das ist gar nicht so schwer!)

Ob es dem Wirtschaftsstandort Österreich allerdings zuträglich ist, wage ich zu bezweifeln. Ich komme deshalb wieder zu den durchaus positiven Wirtschaftsdaten, die die Wirtschaftspolitik dieser Regierung vorzuweisen hat. Neben erfreulichen Beschäftigungs- und Arbeitslosenzahlen, einem gesunden Wirtschaftswachstum, einer moderaten Inflationsrate und dem mit 22,5 Prozent vom BIP höchsten Privatinvestitionsvolumen in der EU sind besonders zwei weitere Kennzahlen wichtig.

Im Jahre 2000 wurden in Österreich rund 24 000 neue Unternehmen gegründet, 10 Prozent mehr als 1999 und rund doppelt so viel als zu Beginn der neunziger Jahre. Die Zahl der Neugründungen stellt zwar ein erfreuliches Bild dar, aber im Vergleich zu anderen europäischen Staaten besteht da noch Aufholbedarf. Es wird an uns liegen, die notwendigen Rahmenbedingungen hiefür zu schaffen. Mit jeder Neugründung, mit jedem Selbständigwerden werden ja nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern zahlreiche weitere positive wirtschaftliche Faktoren ausgelöst.

Die zweite besonders wichtige Kennzahl, auf die ich noch hinweisen möchte, die heute auch in allen Medien zu lesen war, ist die sensationelle Exportquote. Lag die Gesamtexportquote im Jahre 1999 noch bei rund 30,6 Prozent vom BIP, wird sie 2001 bei rund 36 Prozent vom BIP liegen und erstmals die magische Grenze von 1 000 Milliarden Schilling überschreiten. (Abg. Dr. Cap: Wie viel?) – 1 000 Milliarden Schilling. (Abg. Haigermoser: Müsstet ihr eh wissen bei euren Schulden!) Eine Erfolgsstory, die sich wirklich sehen lassen kann! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da jedoch das Auslaufen der Exportoffensive der Bundesregierung ansteht, werden entsprechende Nachfolgeprogramme zu erarbeiten sein, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Exporteure aufrechtzuerhalten.

Erfreuliche Wirtschaftsdaten dürfen jedoch nicht vertuschen, dass auch die österreichischen Unternehmer durch Verzicht und teilweise nicht unerhebliche Einschnitte dazu beigetragen haben und dadurch den Konsolidierungskurs dieser Bundesregierung unterstützen. Erwähnt seien hier nur die Neuregelungen beim IFB, bei den Rückstellungen und bei den Verlustabschreibungen. Im Gegenzug dazu erwartet sich die Wirtschaft jedoch, dass die versprochene Lohnnebenkostensenkung konsequent durchgezogen und die angekündigte Steuerreform 2003 auch tatsächlich stattfinden wird. Es ist besonders wichtig, den Vertrauensvorschuss – in


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diesem Fall der Wirtschaft – nicht zu verspielen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei einer Steuerreform aus Sicht der Wirtschaft – und wir sprechen ja hier zum Kapitel Wirtschaft – sollten in erster Linie die Klein- und Mittelunternehmen, denn sie sind die größten Arbeitgeber Österreichs, als Gewinner hervorgehen. Gerade Klein- und Mittelbetriebe sowie Neugründungen sollten weder durch komplizierte Steuersysteme noch zu hohe Abgabenquoten oder überbordende Bürokratie und Verwaltungsaufwand in ihren eigentlichen Tätigkeiten und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit behindert oder eingeschränkt werden. Die vom Kollegen Stummvoll erwähnten Schwachstellen müssen deshalb möglichst rasch beseitigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie wir bereits gehört haben, liegt Österreich laut dem jüngsten Synthesebericht der EU-Kommission, in welchem die Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU-Staaten anhand von rund 50 Indikatoren gemessen wird, an achter Stelle und somit im Mittelfeld. Ich bin überzeugt davon, dass wir bei konsequenter Weiterverfolgung des eingeschlagenen Weges der Bundesregierung Österreichs Position rasch weiter verbessern werden können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

13.56

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Der Wirtschafts- und Arbeitsminister hat uns sichtlich schon verlassen. Das ist bedauerlich. (Staatssekretärin Rossmann: Kommt sofort wieder!) Er kommt sofort wieder, sehr schön.

Ich möchte zuerst noch einmal auf diesen Widerspruch zwischen Wirtschaft und Arbeit eingehen, den Kollege Öllinger bereits aufgezeigt hat, und da noch fortsetzen. Die Ladenöffnungszeiten waren heute hier schon ein Diskussionspunkt. Ich persönlich bin genau so ein Fall: Ich stehe oft spät abends vor dem Kühlschrank, schaue hinein und finde nichts drinnen. (Abg. Parfuss: So bleibt man schlank!) Ich bin ein typischer Fall: Ich würde gerne später einkaufen, sage ich jetzt einmal persönlich.

Aber wenn man jetzt eine faire Abwägung zwischen den Vor- und Nachteilen trifft, die diese Regelungen unter Umständen haben könnten, und vor allem die Nachteile betrachtet, die so etwas auch haben könnte, dann müsste meiner Ansicht nach die Antwort für einen Wirtschafts- und Arbeitsminister, der beide oder mehrere Seiten fair betrachtet, ganz einfach sein. Was macht der Wirtschaftsminister? – Er positioniert sich sehr klar, nämlich ausschließlich für Großhandelsbetriebe. Gerade im Wiener Wahlkampf und auch in der ganzen Wiener Diskussion gibt es einige Fachargumente, die dem eigentlich fundamental widersprechen.

Erstens: Bei der Wiener Bevölkerung zum Beispiel gibt es eine sehr große Zufriedenheit, was die Ladenöffnungszeiten betrifft. Sie wünscht an und für sich keine weitere Flexibilisierung, bis auf ein paar wenige kleine Gruppen. Die Wiener Handelsbetriebe zum Beispiel sprechen sich bei jeder einschlägigen Befragung – wirklich bei jeder! – mit einer ganz massiven Mehrheit gegen eine weitere Ausweitung aus. (Abg. Kiermaier: Zur Gänze!) Nur einige Großhandelsketten würden sich dafür aussprechen.

Ein recht relevanter Punkt, der in der Diskussion überhaupt nicht aufscheint, ist: Die derzeitigen Rahmenöffnungszeiten werden überhaupt nicht ausgeschöpft. Im Durchschnitt gibt es Öffnungszeiten zwischen 56 und 60 Stunden. Das ist die Regel. Die Geschäfte könnten derzeit 66 Stunden geöffnet sein.

Zahlreiche Studien belegen auch, dass unter Umständen vielleicht Touristen gerne länger einkaufen würden, aber auch in diesem Fall wird nicht das ausgeschöpft, was eigentlich schon möglich wäre. Zum Beispiel für die Innere Stadt Wien wäre es durchaus möglich, die


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Ausnahmeregelungen in Anspruch zu nehmen und auch am Sonntag Einkaufsstraßen zu öffnen. Auch das wird nicht in Anspruch genommen. – Also sichtlich gibt es für niemanden einen Bedarf – außer für ein, zwei Großhandelsketten. (Beifall bei den Grünen.)

Dafür möchte der Wirtschafts- und Arbeitsminister massiven Druck auf ArbeitnehmerInnen, vor allem Frauen, und massive Arbeitsverschlechterungen für ArbeitnehmerInnen in dieser Branche in Kauf nehmen, um dieser sehr ausgeprägten kleinen Lobbyistengruppe entgegenzukommen. – Ich denke, das ist eine klare Antwort auf diese Interessenkonfliktsituation Wirtschaft und Arbeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Stummvoll hat die Schwachpunkte, die es noch zu lösen gilt, irgendwie aufgezählt.

Was mir immer wieder abgeht und was auch in vielen internationalen Standortstudien bei der Bewertung Österreichs an erster Stelle oder zumindest auf den Rängen eins bis vier immer wieder steht, sind unsere restriktiven Ausländerbeschäftigungsregelungen. Das kommt nicht vor. Wenn man Befragungen durchführt, dann sieht man, es versteht niemand, was bei den IT-Fachkräften wirklich die Logik hinter der Argumentation der Regierung ist. Die Absicht, die Paarung von Wirtschaftsfeindlichkeit und Xenophobie in einer solchen Weise umzusetzen, ist absurd. Wenn Sie die internationalen Standortstudien wirklich ernst nehmen würden, dann würden Sie in diesem Bereich als Erstes einmal etwas ändern oder etwas lösen. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Bereich: Lohnnebenkosten. Wir haben schon sehr oft vorgeschlagen, man möge die Situation in der Energiewirtschaft, die tendenziell sinkenden Preise, dafür nutzen, um eine ökologische Steuerreform umzusetzen und Lohnnebenkosten zu senken. Wir haben durchaus nichts dagegen, das in Angriff zu nehmen. Es ist jetzt der Zeitpunkt, zu dem es – unter Anführungszeichen – "am wenigsten wehtut" und zu dem es am sinnvollsten wäre. Und auch der Wirtschaftsminister, Ex-Umweltminister, hat das wiederholte Male ab 1995 als eines seiner wichtigsten Vorhaben immer wieder angekündigt, aber bis zum heutigen Tag nicht umgesetzt. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Zwei Sätze noch zu den Schwachpunkten Infrastrukturpolitik und Technologiepolitik. Wir haben nach Inkrafttreten der neuen Ministerienstrukturen jetzt erstmals die Möglichkeit – das haben wir im Übrigen belobigt –, dass im Bereich Verkehrsinfrastruktur die Proporzstreitereien zwischen dem roten Schieneninfrastrukturministerium und dem schwarzen Straßenbauministerium beendet werden könnten und in irgendeiner Form gebündelt eine vernünftige Gesamtverkehrslösung angestrebt werden könnte. – Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben im Bereich Infrastrukturpolitik im Moment Wunschzettel-Lösungen für Landeshauptleute. Da regt sich jemand auf, dann bekommt er einen Koralm-Tunnel, und so weiter. Das ist im Moment Infrastrukturpolitik. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Punkt war noch angesprochen: Exportquote und Technologiepolitik. Was mir persönlich immer sehr Leid tut, ist, dass die Chancen, die sich jetzt im Bereich EU-Erweiterung auftun, von Österreich so wenig genützt werden. Die Deutsche Bundesstiftung für Umwelt schätzt die Gesamtaufwendungen in Mittel- und Osteuropa und auf dem Balkan für die nächsten Jahre auf 22 Milliarden Schilling. Das sind Märkte, die für unsere Umwelttechnologie extrem interessant werden. Und was braucht man dafür? – Dafür braucht man eine gewisse Exportstützung, dafür braucht man gewisse Anreizfinanzierungen. Und was macht unsere Bundesregierung? – Sie kürzt genau in diesem Bereich – im Bereich Ostzusammenarbeit – die Mittel um sage und schreibe 100 Millionen Schilling. Das ist eine kurzsichtige Wirtschaftspolitik und im Übrigen auch umweltpolitisch verantwortungslos, wenn man sich ansieht, was im Bereich Balkan an ökologischem Wiederaufbau zu tun ist.

Zu meinem letzten Themenbereich – ich wollte ursprünglich eigentlich nur zur Energiepolitik reden, aber all diese Stark- und Schwachpunkte waren durchaus noch erwähnenswert –, zur Energiepolitik. (Abg. Böhacker: Schöne Formulierung "Stark- und Schwachpunkte", das gefällt mir!) Sie können diese Formulierung gerne übernehmen. (Abg. Böhacker: Darf ich nicht auch


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einmal etwas Positives sagen? – Beifall bei den Grünen.) Ich habe Sie ohnehin angelächelt, das passt sowieso.

Zur Energiepolitik – da muss ich jetzt aufhören zu lächeln, das ist wirklich eine sehr ernste Angelegenheit –: Irgendwie wird hier so getan, als wären wir nicht im Jahr 2001, sondern im Jahr 1999, noch sehr weit entfernt von der Vollliberalisierung und von einer Strukturbereinigung auf dem österreichischen Stromversorgermarkt, der sich wahrlich "gewaschen" hat. Ich finde es wirklich verantwortungslos, dass ein Wirtschaftsminister auf diese drohende Problematik, dass unsere Energieversorgung Stück für Stück auf dem Silbertablett ausländischen Stromversorgern sozusagen als kleine Happen angeboten wird, keine Antwort weiß, außer ein bisschen Kritik an den Landeshauptleuten und den Landes-EVUs zu üben.

Es ist unbedingt notwendig, endlich eine österreichweite Netzgesellschaft als das Rückgrat unserer Stromversorgung zu etablieren und dafür zu sorgen, dass diese "Wadelbeißerei", diese falsch verstandene föderalistische Dummheit, die da teilweise vorherrscht, mit gegenseitigem milliardenschwerem Einkaufen, um sich gegenseitig ausschließlich zu behindern, ein Ende hat.

Man möge sich vor Augen führen, welche Betriebe das sind, die sich da jetzt für österreichische Anteile interessieren. Die E.ON ist nicht irgendein Konzern, sondern die haben einen Jahresumsatz von 980 Milliarden Schilling. Das ist mehr als unser Budget, eine Kriegskasse von fast 500 Milliarden Schilling. Also für die ist das wirklich ein "Schlapf", sich hier in Österreich einzukaufen. Und was noch dazukommt und immer übersehen wird – mittlerweile durch die Verbindung der Stromversorgung und der Wasserversorgung; Stichwort NÖSIWAG in Niederösterreich –, ist, dass damit nicht nur die österreichische Stromversorgung ausländischen Atomkonzernen auf dem Silbertablett angeboten wird, sondern auch die Wasserversorgung. (Beifall bei den Grünen.)

Da frage ich jetzt auch in Richtung der Kollegen von den Freiheitlichen: Sie sind es, die sich immer wieder gegen Atomkraftwerke, gegen Temelín und so weiter, "aus dem Fenster hängen", aber es wundert mich, dass Sie sich bei diesen Verkaufsoptionen, die jetzt im Raum stehen mit der EVN, mit dem Verbund, mit den Anteilen, die jetzt zur Diskussion stehen, nicht massiv zur Wehr setzen und diesen Einkauf verhindern. Es geht doch um die Sicherung Österreichs als Produktionsstandort! Es geht nicht nur um Anti-Atompolitik, es geht auch um die Sicherung als Produktionsstandort. Ich finde es so bedauerlich, dass es nicht möglich ist, unterschiedliche Ziele zu definieren und parallel miteinander zu verfolgen.

Ich habe immer das Gefühl, dass die Anti-Atompolitiker belächelt werden, wobei es durchaus möglich sein muss – auch für einen Wirtschaftsminister –, dass man wirtschaftspolitische Ziele, energiepolitische Ziele und selbst gesteckte Umweltziele – das sind Ziele, die wir uns in der Anti-Atompolitik und im Klimaschutz selbst gesteckt haben – einfach ernst nimmt.

Es entspricht eher einer "Kindergarten-Diskussion", wenn man bei Kritik an der Übernahme ausländischer Stromkonzernanteile sagt, man würde ihnen quasi internationale Kontakte verbieten. Das ist wirklich absurd. Es muss doch für Sie als Wirtschaftsminister durchaus möglich sein, energiewirtschaftliche Ziele, unternehmenspolitische Ziele und selbst gesteckte umweltpolitische Ziele parallel miteinander zu verbinden und zu erreichen, ohne dass die Anti-Atompolitiker in diesem Lande verunglimpft werden und die Diskussion über diese Probleme irgendwie als "Kindergarten-Diskussion" abgetan wird.

Ich habe immer den Eindruck, dass da auch wieder folgende Reihung erfolgt: Da gibt es die wichtigen wirtschaftspolitischen Ziele, während Umweltpolitik und ArbeitnehmerInnenschutz, diese Soft-Themen, zweitrangig sind. Und das ist eine falsche Prioritätensetzung.

Ich würde mir wünschen, Herr Wirtschaftsminister, dass Sie im Bereich Stromlösung für Österreich endlich einmal etwas weiterbringen, denn in sechs Monaten ist es zu spät. Ab Oktober werden wir mit der Vollliberalisierung auf dem österreichischen Markt ein massives Problem haben.


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Einen Satz vielleicht noch zu Herrn Eder, weil er sich heute auch für Öko-Strom stark gemacht hat – was für mich erstaunlich ist, weil die SPÖ ja dem Stromliberalisierungsgesetz, dem ElWOG, zugestimmt und es verabsäumt hat, einen massiven Vorteil wahrzunehmen. Es ist ohnehin bekannt, es ist das berühmte "Atomstrom-Vergolden" über den Pumpstrom: Da wird über importierten vorwiegend Atom- und Kohle-Strom Wasser nach oben gepumpt und dann zu Spitzenzeiten sehr teuer verkauft. – Und man höre und staune: Diese Stromleitung durch das österreichische Netz ist völlig mautbefreit, die zahlen keinen Groschen für die Durchfahrt durch das österreichische Netz. Und was macht der Öko-Strom? – Der Öko-Strom muss bis zu 1,40 S bei der Durchfahrt durch das öffentliche Netz zahlen. – Das finde ich skandalös! (Beifall bei den Grünen.)

Mir tut es im Nachhinein noch Leid, dass gerade die Sozialdemokraten bei den Verhandlungen – wir waren ja nicht eingebunden – diesen Punkt nicht massiv thematisiert haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Wenn Sie in 50 Jahren in der Regierung sein sollten, dann geht es Ihnen so wie den deutschen Grünen jetzt! Seien Sie vorsichtig, was Sie sagen!)

14.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Mag. Tancsits ist der nächste Redner. – Bitte.

14.07

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Frau Pfeffer, die mich besonders begrüßt! Ich wollte als Vorsitzender des Bautenausschusses eigentlich in erster Linie zu Fragen der Wohnbaupolitik Stellung nehmen, aber die vorangegangene Debatte zum Thema Arbeitsmarkt erfordert doch einige Anmerkungen.

Es gab eine Diskussion über die Frage: Was ist Vollbeschäftigung? – Die Drei-Prozent-Definition von Arbeitslosigkeit ist keine Erfindung dieser Regierungsfraktionen, sondern ist gängiges Wissen der Volkswirtschaftslehre, ist gängige EU-Definition, ist gängige OECD-Definition. Ich merke dazu an, dass innerhalb dieses Prozentsatzes in Österreich ein erheblicher Teil – nämlich fast die Hälfte – der zu einem bestimmten Zeitpunkt arbeitslos Gemeldeten eine Wiedereinstellungszusage hat, was diesen Prozentsatz, den wir als Vollbeschäftigung definieren, noch weiter herabsetzt.

Aber wem diese Statistiken zu schwierig sind, dem empfehle ich, eine der zahlreichen im Saal herumliegenden Tageszeitungen zur Hand zu nehmen, den Stellenmarkt aufzuschlagen, und Sie werden sehen, was Vollbeschäftigung ist und was nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was die Frage betrifft, was nicht Vollbeschäftigung bedeutet, würde ich wiederum empfehlen, Tageszeitungen von vor etwa zwei, zweieinhalb oder drei Jahren zur Hand zu nehmen. (Zwischenruf des Abg. Eder. ) Dann können Sie nämlich – auch Sie, Herr Kollege Eder! – den Unterschied zwischen einer sozialen Politik – und sozial ist, was Arbeit schafft – und einer sozialistischen Politik, die von Arbeit und Beschäftigung redet, aber diese nie zustande gebracht hat, sehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist heute schon mehrmals auf den erwähnenswerten Beitrag der Wirtschaft und der Arbeitnehmer zur Sanierung unserer Finanzen eingegangen worden. Das ist richtig, und es wird hier ein Heruntergehen von der hohen Belastungsquote notwendig sein. Ich merke aber bereits jetzt an, dass diese Entlastung etwa im Bereich der Steuern – der Lohn- und Einkommensteuern – nach erfolgter Budgetsanierung genauso für die Arbeitnehmer durchgeführt werden muss.

Ich erwarte genauso, dass eine Absenkung der Lohnnebenkosten, zu der wir uns als mitdenkende Arbeitnehmervertreter ja bekennen, weil es nicht sinnvoll sein kann, Arbeit zu belasten, natürlich gleichermaßen auch den Arbeitnehmern zugute kommen muss, etwa bei der ausstehenden Senkung des Arbeitslosenbeitrages, der Dienstgeber und Dienstnehmer gleicher


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maßen entlasten wird und entlasten muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Letzter Punkt: Thema Wohnbau. Dieses ist ja auch in diesem Budget angesiedelt, aber es ist nicht eine mächtige Behörde, wie Herr Öllinger vorhin gemeint hat, mit vielen Köpfen, sondern eine wichtige ordnungspolitische Funktion. Wohnbau ist ja in erster Linie Wohnbauförderung, Wohnbaupolitik und als Ländersache auch in den Ländern angesiedelt. Die ordnungspolitische Funktion scheint mir aber eine wichtige zu sein, und da wurden Weichen gestellt, Weichen in Richtung Wohnbauförderung, Weichen in Richtung Eigentumsbildung.

Ich erinnere an das, was etwa beim letzten Budgetbegleitgesetz vorgefallen ist, wo uns von der linken Seite des Hauses erzählt wurde: Wenn der Bund seine Wohnbaugesellschaften verkaufen wird, dann wird das einen Domino-Effekt auslösen. Die Gemeinnützigkeit wird abgeschafft. (Abg. Eder: Sie haben keine einzige verkauft!)

Wie sieht es in Wirklichkeit aus? – Alle neun Bundesländer, egal, unter welcher politischer Führung, haben sich für die Gemeinnützigkeit entschieden – das ist auch richtig und gut so –, weil es Zeichen eines wohlverstandenen Föderalismus ist, dass nicht der Bund selbst Wohnungswirtschaft betreibt, sondern dass das Wahrnehmen dieser Dinge Länder- und Gemeindesache ist.

Weiters wurde uns prophezeit, dass die Mieten steigen werden (Abg. Eder: Sie sind ja gestiegen!), dass 106 000 Mieter einer unsicheren Wohnzukunft – so, glaube ich, haben Sie es genannt – entgegengehen werden. Wir haben schon die vazierenden Mieter aus der BUWOG in Wien biwakieren gesehen. Zeigen Sie mir eine Miete, die gestiegen ist, und dann können wir weiterreden, Herr Kollege Eder! (Abg. Eder: Um 2,5 Prozent sind die Bauspardarlehen allein gestiegen!) Das ist nicht der Fall. Daher werden wir diese Wohnbaupolitik auch weiter so fortsetzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Sophie Bauer ist die nächste Rednerin. – Bitte.

14.13

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Abgeordneten Tancsits möchte ich nicht eingehen, aber eines möchte ich Ihnen ans Herz legen, Herr Abgeordneter Tancsits: Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen vergessen immer, dass Sie fast 14 Jahre in der Regierung waren. Die Maßnahmen, die Sie jetzt setzen, sind wir nicht bereit gewesen mitzutragen. Das möchte ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Sie haben heute zwar den Sozialpartnervorschlag positiv erwähnt, es ist aber bedauernswert, dass im Budget 2002 keine Erhöhung der finanziellen Mittel für eine weitere Verbesserung der Vorsorgemaßnahmen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes vorgesehen ist. Ich möchte schon festhalten, dass sich durch das neue Arbeitnehmerschutzgesetz, das mit 1. Jänner 1995 stufenweise in Kraft getreten ist, die Zahl der Arbeitsunfälle um 25 Prozent vermindert hat. Das sind rund 40 000 Arbeitsunfälle weniger.

Es ist auch eine Tatsache, dass durch den Rückgang der Arbeitsunfälle erstens sehr vielen Menschen Leid erspart wurde, und zweitens hat sich die österreichische Volkswirtschaft allein im Jahre 1998 12 Milliarden Schilling erspart.

Herr Bundesminister! Genauso schwerwiegend, wenn auch schwerer erfassbar als Unfälle, sind arbeitsbedingte Erkrankungen, hervorgerufen durch Stress am Arbeitsplatz oder durch Mobbing. Wettbewerbsdruck, Leistungsverdichtung sind Faktoren, die eine ernste Gefahr für die Gesundheit darstellen. Das Abschlanken betrieblicher Strukturen, Ausgliederungen und Personalabbau stehen auf der Tagesordnung. Die verbleibenden Mitarbeiter sollen immer schneller, aber qualitativ hochwertiger arbeiten. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Für diese Formen der Gesundheitsschädigung gibt es keine Messinstrumente wie für das Unfallgeschehen.


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Dass Stress immer mehr zu einem Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz wird, war auch das Ergebnis einer EU-weiten Studie der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit. Zwischen 1994 und 1998 sind die psychischen Erkrankungen, die zu einer Invaliditätspension führen, von über 7 Prozent auf 24,6 Prozent angewachsen. Dies betrifft vor allem ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einem jahrzehntelangen Druck ausgesetzt waren.

Herr Bundesminister! Die Arbeitgeberseite hat ja in den vergangenen Monaten immer wieder ihre Vorstellungen zu Änderungen im Arbeitnehmerschutzbereich eingebracht. Es wird die Kontrolltätigkeit der Arbeitsinspektion in Frage gestellt. Eine Forderung wäre die Kürzung der Mindesteinsatzzeiten von Präventivfachkräften. Herr Bundesminister! Diesen Forderungen nachzugeben, wäre ein Rückschritt ins 19. Jahrhundert. Wer beim Arbeitnehmerschutz spart, spart am falschen Platz! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben in einer Presseaussendung im Dezember des Vorjahres auch gesagt: Der Arbeitsinspektor weiß, dass alles viel zügiger geht, wenn der Besuch vorbereitet wird. Wir leben ja in einer Arbeitswelt, in der nicht Verstecken gespielt werden muss. – Ich frage mich schon, Herr Bundesminister, wie Sie sich dann erklären, dass der Anteil der Schattenwirtschaft in Österreich von 4 Prozent auf 6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen ist. Das sind zwischen 120 und 180 Milliarden Schilling. Um genau diese Situation in den Griff zu bekommen, dürfen die Präventionszeiten generell nicht gesenkt werden. Die Arbeitsfachkräfte müssen auf den Baustellen und in den Betrieben ihre Tätigkeit umgehend aufnehmen können.

Herr Bundesminister! Sie haben bei der Beantwortung einer Frage zum Arbeitnehmerschutz gemeint, ein Schwerpunkt in Ihrem Ressort sei die Erstellung der Verordnung über krebserzeugende Stoffe. Daher meine ich, dass gerade in Betrieben und Unternehmungen, wo viele Chemikalien unterschiedlicher Art eingesetzt sind, die Kontrolle durch die Einsatzkräfte des Arbeitsinspektorates ohne Anmeldung wichtig ist und die Präventivzeiten nicht gekürzt werden dürfen, denn nach Berechnungen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt kostet jeder Arbeitsunfall den Betrieb im Durchschnitt 27 000 S.

Herr Bundesminister! Dies ist ein Beweis dafür, dass dem betrieblichen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz größte Bedeutung für die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen beizumessen ist. Den Sparstift bei den Vorsorgemaßnahmen durch Kürzung von Einsatzzeiten der Präventivkräfte anzusetzen, wäre daher ein falscher Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

14.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Pistotnig ist der nächste Redner. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Jakob Pistotnig (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als einer, der 20 Jahre lang Arbeitnehmer war und 15 Jahre lang selbständig und Arbeitgeber ist, kommen mir die Argumente der Opposition so vor, als würde die Welt verkehrt laufen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kubitschek geht hier heraus und sagt, das Erreichen des Nulldefizits sei im Grunde genommen eigentlich überhaupt nicht notwendig, obwohl Herr Caspar Einem gestern gesagt hat, das Ziel der Sozialdemokratie sei es, dass es allen Menschen gut gehen soll. Da sind wir ganz einer Meinung. Herr Öllinger und Frau Glawischnig sagen, es passe nicht zusammen, dass Wirtschaft und Arbeit in einem Ministerium vereint sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist Wirtschaft eigentlich? Wirtschaft – wenn Sie es nicht wissen, will ich Ihnen auf die Sprünge helfen – ist das Zusammenwirken von einem Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Wenn ich keinen Arbeitnehmer habe, kann ich kein Arbeitgeber sein, und wenn ich keinen Arbeitgeber habe, dann kann ich kein Arbeitnehmer sein.

Verlassen Sie sich darauf, Herr Cap! – Sie brauchen da gar nicht mitzureden! Und wissen Sie, warum nicht? – Sie sind nämlich einer von jenen, die hier auf Ihrer Seite sitzen, die ihr Leben lang von Wirtschaft reden, jedoch nicht einmal auch nur eine Sekunde in ihrem Leben einen


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einzigen Groschen auf eigenes Risiko verdient beziehungsweise dafür Geld eingesetzt haben! Das muss ich Ihnen einmal sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Aber der Gaugg schon!)

Wenn ich von etwas nichts verstehe, Herr Cap, dann rede ich nicht groß, sondern dann höre ich zu und lerne. Und das würde ich auch Ihnen empfehlen! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Der Gaugg war auch in der Privatwirtschaft!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft weiß ganz genau, dass sie Arbeitnehmer braucht, die gut verdienen, ist dieser Arbeitnehmer doch auch ein Konsument, der Geld sozusagen wieder in die Wirtschaft zurückfließen läßt. Daher ist selbstverständlich jeder Arbeitgeber bestrebt, dass ein Arbeitnehmer gut verdient, damit dieser eben auch konsumieren kann.

Natürlich: Wenn man der Ansicht ist, wie das beim Herrn Öllinger der Fall ist, dass der einzige soziale Gewinn der Gewinn des Unternehmers ist (Abg. Dr. Cap: Das sagt der Gaugg aber nicht!), und der Rest interessiert ihn nicht, dann braucht man darüber hier nicht weiterzureden! Aber Herr Öllinger ist ja jetzt leider nicht hier.

Was passiert denn, Herr Cap, wenn es keinen Gewinn gibt, wie das ja in der Regierungszeit Ihrer Partei lange genug der Fall war? Wie wurde denn damals gewirtschaftet? Kreisky hat als Oppositionspolitiker gesagt: 4 Milliarden Schilling Staatsdefizit sind eine Katastrophe, eine Frechheit! – Als Regierungschef aber hat er gesagt: 1 Milliarde Schilling Schulden sind mir lieber als Arbeitslose! – Letztendlich hatten wir fast 2 Billionen Schulden! Und in Ihrer Regierungszeit gab es die höchste Arbeitslosenrate überhaupt! Erst unter dieser Bundesregierung gibt es in Österreich wieder annähernd Vollbeschäftigung: dank einer funktionierenden Wirtschaft, die selbstverständlich auch von Europa kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Das sagt jetzt der Gaugg wieder! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ, was haben Sie denn gemacht in Ihrer "Wirtschaftskunst"? – Sie haben die kleinen und mittleren Betriebe fast kaputtgewirtschaftet, aber die Industrien unterstützt! Zum Schluss hatten wir in Österreich Schulden – und keine Arbeitsplätze!

Der Stamm der Cheyenne hat dazu ein passendes Sprichwort: Reiter, wenn du bemerkst, dass dein Pferd tot ist, dann steig ab! – Sie haben bemerkt, dass Ihr Pferd tot ist, haben aber nie das Pferd ausgewechselt, sondern noch drei tote Pferde dazu gekauft und wahrscheinlich gedacht, dass Sie damit das Rennen machen werden. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Das sagen aber nicht die Cheyenne, sondern nur Sie!)

Sie haben das Rennen aber verloren! Und Sie haben es "geschafft", dass Österreich diesbezüglich das Schlusslicht Europas wurde! Das war Ihr "Erfolg"! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Nürnberger, Sie haben – außer Forderungen zu stellen! – Ihr Leben lang nichts gemacht! Haben Sie einmal einen Groschen Geld verdient, wo Sie Ihr Kapital eingesetzt haben? – Kein einziges Mal! Das lassen Sie sich von einem Unternehmer einmal sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe des Abg. Nürnberger. )

Zu den Gewerkschaftern und zu Ihnen, Herr Nürnberger: Wenn heute ein ausgebildeter Kfz-Mechaniker laut Kollektivvertrag monatlich netto 12 000 S verdient, dann frage ich Sie schon, wozu Sie hier sitzen. Handeln Sie zumindest 14 000 S heraus, und dann wird es diesem Kfz-Mechaniker besser gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Lesen Sie doch einmal, was in diesem Kollektivvertrag wirklich drinnen steht!)  – Dann bräuchte ich diesen Kfz-Mechaniker nicht 20 Prozent über dem Kollektivvertrag zahlen, denn dann würde ihm das auch so zustehen. (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Nürnberger. )


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Das ist die Wahrheit, Herr Nürnberger! Groß reden kann jeder, nur: Es müssen auch Taten folgen! Das sage ich Ihnen heute auch einmal! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Sagen Sie das einmal dem Haider: groß reden kann jeder!)

Bei dieser verkehrten Welt, meine Herren von der Sozialdemokratie und von den Grünen, die Sie da aufziehen wollen, werden Sie wahrscheinlich auch Sprichwörter falsch deuten, und zwar gerade folgendes: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!" – Wissen Sie, wie Sie das offensichtlich verstehen? – Spare in der Not, da hast du Zeit dazu! Das haben sich aber die braven und fleißigen Bürger Österreichs nicht verdient!

Wir werden jedenfalls Ihre "Wirtschaft" und all diese Ihre Forderungen zu verhindern wissen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap  – in Richtung der Freiheitlichen –: Ist das der Klubdichter bei Ihnen? – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Cap –: Der hat aber was zu sagen!)

14.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Wo ist denn der Gaugg? Sucht der das "Klubherz"? – Abg. Haigermoser: Cap, ohne Partei bist auch du nichts!)

14.24

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Ich versuche, die Debatte jetzt wieder dorthin zu bringen, wohin sie gehört: Arbeitsmarktpolitik in Österreich ist nämlich kein Show-Kabarett, sondern eine sehr ernste Angelegenheit, ein Problem, mit dem nach wie vor sehr, sehr viele Menschen in Österreich zu kämpfen haben, weil sie eben arbeitslos sind und weil sie keine Chance haben, auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen.

Herr Minister Bartenstein, Sie haben gesagt, in Österreich hätten wir einen "ausgetrockneten Arbeitsmarkt". – Das hat mir schon zu denken gegeben. Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Minister, ernsthaft davon überzeugt sind – oder ob das Zynismus war, den Sie hier spielen ließen.

Herr Minister! Ist ein Arbeitsmarkt "ausgetrocknet", wenn allein 33 000 begünstigte behinderte Menschen seit Jahren auf einen Arbeitsplatz auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt warten?

Herr Minister Bartenstein, das sind doch nicht irgendwelche von irgendwo hergeholte Zahlen, die ich Ihnen jetzt vorgetragen habe, sondern das ist tatsächlich der Stand vom 1. Februar 2001: 33 000 behinderte begünstigte Personen sind arbeitslos; 21 691 Männer und 11 309 Frauen suchen Arbeit! – Sie aber, Herr Minister, meinen, der Arbeitsmarkt in Österreich sei "ausgetrocknet", was doch so viel heißt wie: Alle Menschen haben eine Beschäftigung.

Herr Minister! Wenn Sie das, was Sie da gesagt haben, auch nur ein wenig selbst glauben, dann frage ich Sie schon allen Ernstes: Warum hat man dann UnfallrentnerInnen 2,7 Milliarden Schilling weggenommen, um dann wieder 1 Milliarde Schilling davon für Behinderten-Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, wenn es Ihrer Ansicht nach ohnehin keine arbeitslosen behinderten Menschen gibt? (Beifall bei den Grünen.)

Da, Herr Minister, drängt sich auch die Frage auf: Was machen Sie mit dieser Milliarde, wenn dieses Geld behinderte Menschen angeblich ohnehin nicht mehr brauchen? Wird das auch dem Budget zugeführt, eben auf Kosten behinderter Menschen?

Ich habe diesen Verdacht schon lange, Herr Minister, und dieser mein Verdacht, dass Sie auch diese 1 Milliarde Schilling irgendwo im Budget verschwinden lassen werden, hat sich heute mit Ihrer Aussage noch massiv verstärkt.

Und ich frage Sie auch, Herr Wirtschaftsminister: Was sagen Sie dazu, dass einerseits – und das sind die Daten des Bundes per 1. Februar 2001 – 33 000 behinderte Menschen arbeitslos sind, andererseits aber auch in Ihrem Ministerium die Behinderten-Einstellungspflicht nicht erfüllt wird?


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Sie, Herr Minister, haben die Verantwortung dafür zu tragen, dass auch in Ihrem Ministerium dieses Gesetz eingehalten wird! – Das gilt aber nicht nur für Sie, Herr Minister Bartenstein, sondern auch für Ihre Kollegin Gehrer, denn diese könnte in ihrem Bereich 1 700 Arbeitsplätze mit behinderten Menschen besetzen, tut dies jedoch nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Auch Herr Innenminister Strasser könnte in seinem Bereich mehr als 1 000 behinderte Menschen einstellen, tut dies aber gleichfalls nicht! Und warum wird das überall nicht getan? – Nicht deshalb, weil es behinderte arbeitslose Menschen in Österreich nicht mehr gäbe, sondern weil Sie den Boden dafür geschaffen haben, dass man sich für 2 000 S im Monat – ich betone: für 2 000 S im Monat! – von der Einstellung behinderter Menschen sozusagen freikaufen kann! (Beifall bei den Grünen.)

Südtirol ist ja nicht weit weg von hier, und wenn Sie sich diesbezüglich ein bisschen umhören würden, müsste Ihnen bereits bekannt sein, wie man dort der Behindertenarbeitslosigkeit entgegengetreten ist. Nicht so, wie das in Österreich geschieht, dass man einer Gruppe von behinderten Menschen etwas weggenommen hat, um dann einen geringen Teil wieder einer anderen Gruppe von behinderten Menschen zu geben. Nein, das hat man in Südtirol nicht gemacht! Eine solche schändliche Methode gibt es dort nicht, sondern in Südtirol hat man die Ausgleichstaxe angehoben, aber nicht um 10 S oder um 15 S, sondern in Südtirol wurde diese Ausgleichstaxe auf 40 000 S pro Monat für jeden nicht mit einem behinderten Menschen besetzten Arbeitsplatz angehoben! (Beifall bei den Grünen.)

Und wissen Sie, Herr Minister, was daraufhin in Südtirol geschehen ist? – Die Arbeitslosenrate behinderter Menschen ist auf Grund dieser Maßnahme von 12 auf 2,3 Prozent gesunken! Diese Forderung, Herr Minister, die in Bozen Realität wurde, diese Idee, die in Bozen umgesetzt wurde, stelle ich seit Jahren hier in diesem Hause, aber immer wieder werden auch diese Anträge von uns Grünen, wenn es darum geht, eben diese Ausgleichstaxe auf 40 000 S zu erhöhen, abgelehnt! Und solange diese Anträge abgelehnt werden, so lange werden wir in Österreich eine Arbeitslosenrate von 40 Prozent bei behinderten Menschen haben! (Beifall bei den Grünen.)

Da bringt Ihnen Ihre "Behinderten-Milliarde", die Sie einer Gruppe von behinderten Menschen geraubt haben, um sie einer anderen Gruppe zu geben, nichts, Herr Minister! Nichts! Das bringt Ihnen so lange nichts, solange Sie und auch der Herr Sozialminister die Möglichkeit aufrechterhalten, dass man sich zu Dumpingpreisen, eben für 2 060 S, von der Behinderten-Einstellungspflicht freikaufen kann.

Herr Minister Bartenstein! Ich erwarte heute und hier von Ihnen klare Worte zu einer Anhebung der Ausgleichstaxe – und auch klare Worte dazu, warum sowohl in Ministerien als auch in staatsnahen Betrieben diese Einstellungspflicht nicht erfüllt wird, beziehungsweise erwarte ich mir eine Antwort auch darauf, was Sie dagegen zu unternehmen gedenken.

Herr Minister! Wir Grünen lassen es nicht mehr zu – und mit "wir" meine ich auch die behinderten Menschen Österreichs –, dass Sie auf Kosten behinderter Menschen eine Arbeitsmarktpolitik betreiben, mit der Sie eine Arbeitslosenrate von 40 Prozent zulassen! – Jetzt, Herr Minister, muss Schluss sein! (Anhaltender Beifall bei den Grünen.)

14.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

14.33

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Ich bin einigermaßen erstaunt darüber, auf welche Art und Weise hier das Thema "Beschäftigung" diskutiert wird, wie vor allem das objektiv nachvollziehbare Faktum, dass es in Österreich nahezu Vollbeschäftigung gibt, hier umzuinterpretieren versucht wird.

Kürzlich haben wir vom ÖVP-Wirtschaftsbund eine Umfrage bei Betrieben in Auftrag gegeben – die Ergebnisse haben wir auch schon bekommen –, wie sich denn ihre Situation darstellt, wie


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sie die Situation auf dem Arbeitsmarkt erleben. Und diese Ergebnisse sprechen eine ganz eindeutige Sprache: Mehr als drei Viertel der heimischen Betriebe beurteilen die Suche nach Mitarbeitern als "äußerst schwierig"; 30 Prozent dieser Betriebe brauchen für die Suche nach geeignetem Personal inzwischen drei Monate lang, ja oft sogar noch länger! So "ausgetrocknet" ist dieser Arbeitsmarkt, Frau Kollegin Haidlmayr!

Vollbeschäftigung beziehungsweise "ausgetrockneter" Arbeitsmarkt heißt aber selbstverständlich nicht, dass es auf dem Arbeitsmarkt nicht trotzdem auch Probleme geben kann. Und die Behindertenbeschäftigung und -einstellung ist ein solches Problem, so, wie es auch bei anderen Gruppen Probleme auf dem Arbeitsmarkt gibt, oft auch Probleme, für einzelne Personen einen Arbeitsplatz zu finden. – Das eine schließt das andere doch in keinster Weise aus, nur: Diese Polemik in der Argumentation, und zwar in der unzulässigen Verbindung dieser beiden Punkte, finde ich schon einigermaßen befremdend. (Abg. Dr. Khol: Da hat er Recht!)

Frau Kollegin Haidlmayr, zum Thema Behinderteneinstellung: Man kann sich diesem Problem so zu nähern versuchen, dass man die Strafen verschärft. – Das ist eine Möglichkeit, und ich will jetzt gar nicht beurteilen, ob das tatsächlich zielführend wäre.

Ich hätte aber eine andere Idee dazu, denn ich meine, dass sich das Behinderteneinstellungsgesetz und auch der damit verbundene Kündigungsschutz für die Behinderten gegen die Behinderten richten. Ich glaube, dass das eine Bestimmung ist, die zwar gut gemeint ist, aber in Wirklichkeit viele Betriebe geradezu davon abhält, einen Behinderten einzustellen, weil sie natürlich dann ein Problem damit bekommen können, denn: Welche Umstände auch immer eintreten – und es kann solche Umstände geben, die es nicht mehr möglich machen, einen Behinderten weiterhin zu beschäftigen –: Jedenfalls wird es dann sehr, sehr schwierig, ja oft sogar fast unmöglich, ein solches Beschäftigungsverhältnis wieder zu lösen.

Daher nochmals: Ich meine, diese Bestimmung richtet sich gegen die Behinderten und stellt keinen Schutz für die Behinderten dar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir sehen uns heute schon am Arbeitsmarkt großen Problemen ausgesetzt, gute Arbeitskräfte, ja überhaupt Arbeitskräfte zu bekommen; das ist das eine. Die demographische Entwicklung der nächsten Jahre – und diese ist ja vorhersehbar – wird das Ihre dazu beitragen, dass sich dieses Problem sogar noch verschärfen wird.

Meine Damen und Herren! Es ist also höchst an der Zeit, da Maßnahmen zu setzen, und zwar in verschiedenster Richtung: auf dem Bildungssektor etwa. Da müssen wir noch aktiver werden und danach trachten, die Ausbildung beziehungsweise die Hinwendung der Auszubildenden in Richtung wirtschaftsnaher, in Richtung arbeitsmarktrelevanter Ausbildungsrichtungen zu forcieren. Weiters: Maßnahmen in Bezug auf die Beratung, auch in der Schaffung von Anreizen, in diese Ausbildungsrichtungen zu gehen, denn wir werden es uns angesichts eines Austrocknens des Arbeitsmarktes nicht mehr leisten können, Ausbildung fehlzuleiten, und zwar in Bereiche, für die es seitens des Arbeitsmarktes keine Nachfrage gibt.

Zweiter Punkt: Wir werden dringend danach trachten müssen, die Beschäftigungsquote älterer Mitarbeiter zu erhöhen. Wir werden es uns in Österreich nicht mehr leisten können, dass es bei uns – wie das in der Vergangenheit der Fall war – das niedrigste Pensionsantrittsalter in ganz Europa gibt und die Menschen im Schnitt schon unter 60 Jahren in die Pension gehen, ja oft geradezu gedrängt werden.

Die jüngste Pensionsreform ist ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich in Richtung Verlängerung der Erwerbsarbeit, des Erwerbslebens, denn anders können wir uns das, und zwar in mehrerlei Hinsicht, nicht mehr leisten: zum einen, weil bei eben ständig steigender Lebenserwartung das Pensionssystem aus den Fugen zu geraten droht, und auch deshalb, weil wir uns das auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr leisten können, weil wir Chancen in Bezug auf Wirtschaftsentwicklung sonst nicht nützen können werden.


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Zu guter Letzt noch ein Punkt: Wir werden einen Schritt setzen müssen – dieser ist ja schon angedacht beziehungsweise versprochen – in Richtung Arbeitskosten in Österreich, nämlich die Kostenbelastung der menschlichen Arbeit weiter zu verringern. Das wird im Jahre 2003 geschehen, und ich bin überzeugt davon: Das wird ein wichtiger Schritt sein, Impulse für den Arbeitsmarkt zu setzen beziehungsweise auch die Verlagerung von Arbeit ins Ausland zu verhindern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

14.39

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Kurz eingehend auf die Ausführungen meines Vorredners, des Kollegen Kopf, und die von ihm zitierte Umfrage: Karlheinz, wurde da auch abgefragt, wer gesucht wird? Ist es nicht so, dass die Unternehmen deswegen so schwer Mitarbeiter finden, weil diese noch jung sein sollten, nach Möglichkeit nicht älter als 20 Jahre, Erfahrungen einbringen sollten, als wären sie 60-Jährige – und so billig sein sollten, als wären sie 15-Jährige? (Rufe bei der ÖVP: Das stimmt doch alles nicht!)

Unter diesen Auspizien ist es natürlich sehr, sehr schwierig, geeignete Arbeitskräfte zu finden, meine Damen und Herren! Das sollte hier doch auch einmal ausgesprochen werden! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch einige grundsätzliche Bemerkungen zu unseren großen Unternehmungen, die nach wie vor überwiegend im öffentlichen Eigentum sind, machen: Sie haben auch gewisse Zielsetzungen zu verfolgen – zum Beispiel, Herr Bundesminister, volkswirtschaftliche Zielsetzungen – und vor allen Dingen auch öffentliche Interessen wahrzunehmen. Meiner Meinung nach sollten sie Speerspitze des Wirtschaftswachstums, der Infrastrukturverbesserungen, des regionalen und sozialen Fortschritts sowie – bitte nicht zu vergessen! – des Umweltschutzes sein. Das wären alles Vorgaben, was unsere Unternehmungen anbelangt, deren Verwirklichung ich mir von einem Bundesminister Bartenstein dringend wünschen würde.

Was geschieht zurzeit tatsächlich in Österreich? – Meiner Meinung nach wird zurzeit die Unternehmenspolitik nur mehr ausschließlich auf Unternehmerinteressen abgestimmt und viel zu wenig auf die Interessen der Beschäftigten. Ich möchte das am Beispiel des Verbundes ganz kurz darstellen:

Die Zahl der Stellen wurde in den letzten Jahren von nahezu 6 000 auf 3 300 Beschäftigte abgespeckt. Jetzt sollen wiederum 15 Prozent, also 400 Beschäftigte abgebaut werden, und 1 300 Beschäftigte müssen in der nächsten Zeit mit Änderungskündigungen rechnen. Vertraglich fixierte Sozialleistungen werden gekürzt. Gleichzeitig kann man nachlesen und kann man sich sagen lassen, dass das Unternehmen Verbund gut verdient, eine Gewinnsteigerung je Aktie um 18 Prozent im Jahre 2001 gegenüber 2000 ausweist, bei gleichmäßiger Dividendenzahlung.

Meiner Meinung nach ist dieses Unternehmen längst fit für den Wettbewerb. Mir kann niemand erklären, dass der Verbund einen derartigen Beschäftigungspolster gehabt haben sollte. Ich kann noch verstehen, dass um ein Fünftel oder von mir aus um ein Viertel reduziert wird; wenn aber um die Hälfte reduziert wird und die Zahl der Beschäftigten dann immer noch zu hoch ist, hat in diesem Unternehmen entweder vorher etwas überhaupt nicht gestimmt, oder es wird jetzt nicht mehr stimmen.

Wenn man sich im Ausland, sprich: in unseren Nachbarländern, ein bisschen umschaut, wenn man sich etwa anschaut, was in Deutschland bei der E.ON oder bei der RWE, die im selben liberalisierten Strommarkt tätig sind, passiert, dann stellt man fest, dass dort die Beschäftigtenzahlen seit 1995 systematisch ausgeweitet werden. Hier wird aufgenommen und nicht abgebaut.


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Noch viel dramatischer, meine Damen und Herren, stellt sich für mich die Situation in der OMV dar. Das Jahr 2000 – das haben wir alle ja mitbekommen – hat für die OMV ein Rekordergebnis gebracht. Der Betriebserfolg legte um 72 Prozent – sage und schreibe 72 Prozent! – zu, und für 2001 wird ein ähnliches Ergebnis erwartet. Die im Jahre 2000 an die Aktionäre ausgezahlte Dividende wurde auf 4,30 j erhöht, um genau 79 Prozent. – Trotz solcher Rekordergebnisse soll der Personalaufwand weiter drastisch reduziert werden. Dass sich das die Beschäftigten nicht gefallen lassen, braucht uns wirklich nicht zu wundern.

Noch viel schlimmer als diese Entwicklung in der Personalpolitik – weil längerfristig wirksam – ist meiner Meinung nach, dass auch die Forschungs- und Entwicklungskapazität in diesen Unternehmen eher zurückgeschraubt wird und dass auch zum Beispiel die innerbetriebliche Ausbildung, insbesondere die Lehrlingsausbildung, drastisch heruntergefahren wird. Und dann beklagen wir alle miteinander hier im Hohen Haus, dass keine qualifizierten Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt zu finden sind! Es braucht wirklich niemanden zu wundern, wenn gerade solche Unternehmungen, die bis dato in wirklich herausragender Weise für den Nachwuchs an Facharbeitern und Facharbeiterinnen gesorgt haben, sich diesbezüglich derartig negativ entwickeln.

Abschließend, Herr Bundesminister, ersuche ich dich, da du in deiner Eigenschaft ja nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Arbeit und den Arbeitsmarkt zuständig bist, den Arbeitsmarkt so gesehen nicht kaputtzusparen, sondern in deiner Eigentümerrolle in Unternehmen mit hoher Bundesbeteiligung diese im positiven Sinne wahrzunehmen.

Österreich, meine Damen und Herren, darf nicht Kalifornien werden! Davor sollten wir bewahrt werden. Bei uns sollten die Lichter nicht ausgehen, nur weil wir zur Unzeit am falschen Platz sparen! – Danke! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dietachmayr: Dann brauchen wir noch mehr Polizisten, die bei jeder Kreuzung stehen!)

14.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

14.45

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Kollege Oberhaidinger! Die Lichter werden in Österreich nicht so schnell ausgehen – da kann ich Sie beruhigen. (Abg. Dietachmayr: Man kann nicht genug warnen davor!)

Ich kann aber Ihre Aussage nicht ganz nachvollziehen, dass die Betriebe in der Hochkonjunktur Schwierigkeiten haben, Mitarbeiter zu bekommen, weil sie nur junge und billige Leute wollen und weil diese billigen, jungen Leute die Erfahrung von alten haben sollen.

Betriebe stehen nun einmal im Wettbewerb, und jeder muss kostengünstig kalkulieren. Die Politik ist dazu da, um die Rahmenbedingungen dahin gehend zu ändern, und das passiert jetzt auch umgehend: Reformschritte werden umgesetzt.

Ich weiß aber natürlich, dass wir auch andere Wege gehen werden müssen: Kollege Kopf hat vorher schon erwähnt, dass die Arbeitskraft in Zukunft entsteuert werden muss. Ich gehe in diesem Punkt mit ihm konform: Wir müssen die Arbeitsleistung entsteuern und über die Wertschöpfung etwas mehr einnehmen. Das wird der Weg in die Zukunft sein!

Ich kann Ihnen immerhin sagen, dass unter dieser Bundesregierung, von dieser Koalition die "Aktion Fairness", die ja auch vom Österreichischen Gewerkschaftsbund gefordert worden ist, umgesetzt worden ist. (Abg. Oberhaidinger: Zum Nachteil der Beschäftigten!) Das Ziel einer generellen Angleichung zwischen Arbeitern und Angestellten ist umgesetzt worden. Eine gewisse Gleichstellung fehlt noch beim Kündigungsschutz, aber das ist ja eine Angelegenheit der Sozialpartner, das ist im Kollektivvertrag geregelt, und dort sind die Sozialpartner noch gefordert. Sie sind säumig! Der ÖGB vertritt meiner Meinung nach nur die Leute in jenen Bereichen, in denen er viele Mitglieder hat, aber als Interessenvertretung müsste er eigentlich die Interessen aller Arbeitnehmer vertreten und nicht nur ein Herz für jene Arbeitnehmer haben, in


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deren Bereich die Zahl der Mitglieder hoch ist. Das wäre wichtig, denn sonst wird der ÖGB zum Lobbyisten einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, und das kann ja wohl nicht sein.

Diese Bundesregierung hat sehr viel getan im Bereich der Berufsausbildung. Die Zahl der Lehrlinge ist steigend. Der Anteil liegt wieder bei 44 Prozent – die Hälfte aller Jugendlichen absolviert eine Berufsausbildung –, und die Entwicklung in den Lehrberufen ist sehr positiv.

Die Mobilität am Arbeitsmarkt erfordert eine gewisse Flexibilität. Es ist heute so, dass jeder zwei- bis dreimal im Leben seinen Beruf wechselt. Die Ausbildung sollte deshalb meiner Meinung nach auch sehr großflächig gestaltet sein und auf einer breiten Basis in den Flächenberufen erfolgen. Es wird notwendig sein, dass in sämtlichen Berufssparten EDV und zumindest eine Fremdsprache mit einfließen. Das wird unerlässlich sein. Natürlich muss es auch Nischenberufe geben, aber eben nur in kleinerem Ausmaß.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Ausdehnung der Saisonarbeitszeit. – Hier sind wesentliche Akzente in Richtung Vollbeschäftigung gesetzt worden. Früher ist in diesem Bereich jahrelang nichts weitergegangen. Es geht um ein längeres Offenhalten der Tourismusbetriebe bis hin zum Ganzjahres-Fremdenverkehr. Die Frau Staatssekretärin hat ja hiezu schon etliche Modelle präsentiert. Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Bereich die Öffnungszeiten ausdehnen können. Es sind bereits Anfänge gemacht worden mit Maßnahmen, die den Saisonbeschäftigten ein Arbeitszeitmodell bieten, das eine längere Beschäftigung beziehungsweise einen längeren Durchrechnungszeitraum ermöglicht.

Die Tourismuszahlen waren eigentlich im letzten Jahr die besten – trotz EU-Sanktionen. Im Kongressbereich hat es ebenfalls keine Einbußen gegeben. Die Bilanz des Jahres 2000 war wunderbar: Wir hatten einen Rekordumsatz von, glaube ich, 213 Milliarden Schilling.

Zu Ihnen, Herr Bundesminister: Sie sind ein Verfechter der Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten. Ich kann Ihren Intentionen in diesem Punkt nicht ganz folgen, denn in Österreich gibt es, glaube ich, auf Landesebene sehr viele Möglichkeiten, die Ladenöffnungszeiten in Tourismusgebieten auf dem Verordnungsweg durch die Landeshauptleute auszudehnen, sodass dort auch sonntags oder abends offen gehalten werden kann. Ich glaube, dass es vor allem für die Betriebe im Bereich der klein- und mittelständischen Wirtschaft und auch für die dort Beschäftigten sehr schwierig wäre, wenn die Öffnungszeit von 66 Stunden weiter ausgedehnt werden würde. – Das möchte ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Da müsst ihr euch eben durchsetzen in der Regierung!)

Das werden wir schon tun, Herr Kollege! Vielleicht haben wir dafür auch Ihre Unterstützung – ich würde mir das sehr wünschen. (Abg. Dietachmayr: Bei diesem Punkt sicher!) Sehr gut!

Ich möchte noch ganz kurz zur Einsatzzeit der Arbeitsmediziner ein Wort verlieren: Meiner Meinung nach sollten die Arbeitszeiten der Arbeitsmediziner dahin gehend geändert werden, dass sie je nach Branche, je nach Betrieb den jeweiligen Erfordernissen entsprechen. Die Gesundheitsgefährdung und die Unfallhäufigkeit sind in den verschiedenen Branchen unterschiedlich hoch, die Krankenstandszeiten unterschiedlich lang, und dies sollte auch bei der Einsatzzeit der Arbeitsmediziner berücksichtigt werden. Es ist ein Unterschied, ob jemand einen Büroarbeitsplatz hat, ob er einen Produktionsarbeitsplatz hat oder ob er in der Bauwirtschaft tätig ist, denn damit sind unterschiedliche Gefährdungen verbunden, und daher sind hier auch unterschiedliche Einsatzzeiten der Arbeitsmediziner notwendig. Da müssen wir auch noch den Hebel ansetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ansonsten möchte ich noch sagen: Ein ausgeglichener Haushalt ist sicherlich nicht Selbstzweck, sondern Ausgangspunkt für die Sicherung der Lebensqualität jüngerer und älterer Generationen und ermöglicht einen fairen und gerechten sozialen Ausgleich und die Verwirklichung tatsächlich sozialer Gerechtigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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14.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

14.51

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Im Zuge einer Ministerratssitzung im Oktober des vergangenen Jahres wurde von der Bundesregierung beschlossen, den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu privatisieren. Dieser Beschluss der Bundesregierung soll nun durch ein Bundesgesetz umgesetzt und eine IAF-Service GmbH gegründet werden.

Gegen diese geplante Ausgliederung ist in der Sache ja nichts einzuwenden. Ich protestiere aber aufs Schärfste gegen die Standortpolitik, die diese Bundesregierung im Zusammenhang mit dieser Ausgliederung betreibt. So soll nach § 5 der als Entwurf vorliegenden Änderung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes für die Abwicklung von Insolvenzangelegenheiten in der Steiermark nur noch eine Verwaltungseinheit mit dem Sitz in Graz zuständig sein. Der Standort Leoben würde ersatzlos gestrichen werden.

Dies ist aus meiner Sicht völlig inakzeptabel, aber nicht, weil gegen notwendige Straffungen im Verwaltungsbereich oder gegen Entbürokratisierung etwas einzuwenden wäre, sondern weil mit dem Wegfall der IESG-Stelle Leoben das Gegenteil eintritt, nämlich die Zerstörung einer effizienten Verwaltungseinheit, der Verlust von Arbeitsplätzen und schließlich auch eine höhere Kostenbelastung. (Abg. Edler: Bartenstein gegen die Steiermark!) Ebenso von der Schließung betroffen sind nach diesem nunmehrigen Entwurf unbegreiflicherweise auch die Standorte Wiener Neustadt und Bregenz.

Was sind nun die Argumente, die für Leoben und gegen die Schließung dieses Standortes sprechen? – Im Vergleich mit anderen IESG-Stellen weist die Außenstelle Leoben einen überdurchschnittlich hohen Erledigungsgrad auf. Die Dauer der Verwaltungsverfahren bewegt sich auch deutlich unter dem österreichischen Durchschnitt.

Des Weiteren ist der Sprengel des Landesgerichtes Leoben, für den die IESG-Stelle Leoben zuständig ist, mit 17 Bezirksgerichten der größte Sprengel Österreichs. Sämtliche Agenden, die den Vollzug des IESG und die Wahrnehmung der Aufgaben für die IAF betreffen, können direkt vor Ort beim Landesgericht Leoben, beim Finanzamt, beim AMS, bei der Bezirkshauptmannschaft und beim Insolvenzschutzverband Leoben durchgeführt werden.

Durch die nun geplante Zusammenlegung mit der IESG-Stelle Graz gingen alle diese von mir nun aufgezeigten Vorzüge der Dienststelle Leoben verloren. Es kommt zu einer Zerschlagung zu Lasten der betroffenen Kunden, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wodurch außerdem sehr lange, unzumutbare Anreisewege entstehen. Selbst das dieser Maßnahme zugrunde liegende Gutachten bestreitet all diese Vorzüge des Standortes Leoben nicht. Bereits im Vorjahr, im November des vergangenen Jahres also, als erstmals Pläne zur Auflassung der Außenstelle Leoben bekannt wurden, habe ich als Abgeordneter dieser Region die Initiative ergriffen und eine parlamentarische Anfrage eingebracht.

Am 8. Februar dieses Jahres fand in der IESG-Stelle Leoben auf meine Anregung eine diesbezügliche Aussprache mit den dort Beschäftigten im Beisein des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Udo Grollitsch sowie des ÖVP-Bundesrates Hannes Missethon statt. Wir sind damals erfreulicherweise übereingekommen, dass jeder versucht – ich betone: jeder versucht –, in seiner Partei für den Erhalt der Leobener Außenstelle Unterstützung zu suchen. Dabei wurde vom Kollegen Grollitsch sogar noch der Vorschlag gemacht, dass ich zu diesem Thema über meine Fraktion einen diesbezüglichen Antrag einbringen soll, was dann auch geschehen ist.

Aber wie Schwarz-Blau auf Bundesebene, so geben auch die zuständigen Politiker auf Regionalebene im Zusammenhang mit der Außenstelle Leoben ein trauriges Bild ab. In die Liste der durch Schwarz-Blau verhinderten wichtigen Projekte in der Obersteiermark reiht sich nun auch dieses ein.

Unsere Obersteiermark soll anscheinend ausgehungert werden. (Abg. Edler: Was sagt der Bartenstein?) Zuerst gab es vollmundige Versprechen im Hinblick auf überparteiliche Zusammenarbeit und gemeinsame Anstrengungen. Jetzt gibt es nur mehr Verschleierungs- und Diffamierungskampagnen von Seiten dieser angeblichen Volksvertreter. Was etwa die Aussagen


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eines Herrn Abgeordneten Grollitsch – er ist leider gerade nicht im Plenum – wert sind, der noch am 15. März dieses Jahres in der "Kleinen Zeitung" behauptet hat, dass die Sorge um die Außenstelle Leoben aus seiner Sicht unbegründet sei, das zeigt sich in mehrfacher Hinsicht.

Einige Tage später, am 23. März dieses Jahres, um 10.23 Uhr bekommen nämlich die Bediensteten per E-Mail die Ankündigung, dass ihre Dienststelle aufgelöst wird und das Personal mit 1. Juli dieses Jahres nach Graz zu pendeln hat. – Das ist Zynismus pur! Das ist die Politik des Drüberfahrens von ÖVP und FPÖ auf Kosten der betroffenen Beschäftigten! (Beifall bei der SPÖ.)

Die besten Verbindungen und der gewaltige Einfluss vom Kollegen Grollitsch in seiner Partei und Fraktion, die er immer wieder zu haben vorgibt, zeigen sich beispielhaft an dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des IESG. Darin ist nämlich vorgesehen, den Standort Leoben ersatzlos zu streichen. – Das ist also die Politik von Udo Grollitsch und die Art und Weise, wie er mit Menschen und mit klaren, objektiv nachvollziehbaren Anliegen einer Region umgeht!

Die Krone wird all dem aber dann noch durch weitere Aussagen des FPÖ-Abgeordneten Grollitsch und des ÖVP-Bundesrates Missethon aufgesetzt, die offenbar in einem Anfall von "bewundernswerter" naiver Offenheit erklärten, nur weil ein sozialdemokratischer Abgeordneter – also ich – sich erdreistet habe, die Initiative zu ergreifen, werde die IESG-Stelle nun geschlossen! – Noch dazu habe laut Aussage von Abgeordnetem Grollitsch der von mir eingebrachte Entschließungsantrag sowieso keine Chance auf eine Annahme. Begründung dafür: Er sei von der Opposition eingebracht worden, und ein solcher habe – so ist es in einem Artikel in der "Kleinen Zeitung" vom 10. März dieses Jahres zu lesen – eben keine Chance.

Aber am 2. März, einen Tag nach Einbringung dieses Antrages, hat Udo Grollitsch mir hier noch dafür gedankt, dass ich diesen Antrag eingebracht habe. – Dies zeigt sehr deutlich das Demokratieverständnis und die Glaubwürdigkeit von Abgeordnetem Udo Grollitsch! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Grollitsch betritt soeben den Sitzungssaal.) Jetzt ist er da! – Du bist leider zu spät gekommen!

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsfraktion! Ich ersuche Sie daher: Beweisen Sie demokratische Kultur. Torpedieren Sie nicht ein inhaltlich begründetes, sinnvolles Anliegen, und ermöglichen Sie den Erhalt der IESG-Stelle in Leoben zum Wohle der Menschen in der gesamten Obersteiermark! (Beifall bei der SPÖ.)

14.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Herr Abgeordneter! Ich werde dann um 15 Uhr unterbrechen. Ich bitte um Verständnis dafür und darf Sie ersuchen, sich entweder so kurz zu fassen, dass Ihre Rede bis dahin beendet ist, oder Ihre Ausführungen nachher fortzusetzen. (Abg. Dr. Mitterlehner  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Da geh ich gleich wieder hinauf! – Abg. Schwarzenberger: Ein guter Redner kann sich auch kurz fassen!)

14.59

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht die Zeit, mich so kurz zu fassen, daher kann ich jetzt nur anfangen und muss nachher fortsetzen.

Herr Minister a. D. Edlinger hat mich insofern inspiriert, als ich bemerkt habe, dass, seitdem er nicht mehr im ECOFIN vertreten ist und offenbar mehr Zeit beim Frisör oder sonst wo verbringt, doch einiges eingetreten ist, was auf einen gewissen Realitätsverlust bei Ihren Kollegen schließen lässt: Sie beklagen einerseits einnahmenseitige Maßnahmen, Sie beklagen andererseits aber auch – bei jedem Kapitel, das heute hier vorgetragen wird – ausgabenseitige Maßnahmen, und Sie sind daher offensichtlich dafür, dass die Schuldenpolitik fortgesetzt wird.

Das kann ich eigentlich, wenn ich die Entwicklung unseres Schuldenstandes gemessen am BIP betrachte, nicht verstehen. Dieser Schuldenstand im Verhältnis zum BIP ist insofern sehr problematisch, als er sich im Zeitablauf eigentlich verschlechtert und nicht verbessert. Wir haben


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für 2001 zu erwarten, dass wir unsere Schuldenquote in diesem Jahr insgesamt auf 62,8 Prozent reduzieren. Die EU wird im gleichen Zeitraum 60,7 Prozent erreichen. Die Differenz wird also 2,1 Prozent betragen. Nächstes Jahr wird die Situation sein, dass wir 61,0 Prozent in Österreich und 57,9 Prozent im Bereich der Europäischen Union haben. Was heißt das? – Das bedeutet, dass wir um einen Prozentpunkt mehr an Differenz haben werden als in diesem Jahr, nämlich 3,1 Prozent! Ein Prozentpunkt sind aber gemessen am Bruttonationalprodukt 30 Milliarden Schilling!

Was bedeuten aber 30 Milliarden Schilling? – Dass sich unsere Wettbewerbsfähigkeit insgesamt im Vergleich mit den anderen Nationen trotz unserer Sparbemühungen eigentlich verschlechtert und nicht verbessert. Das heißt, wenn wir hier nichts tun und wenn wir hier nicht sogar beschleunigen, dann verlieren wir Investitionen, dann verlieren wir Arbeitsplätze, dann haben wir eine wirkliche Verschärfung des Problems.

Günter Stummvoll hat auch bereits die Leistungsbilanz angesprochen: Es dürfte Ihnen entgangen sein – und es wird auch kaum angesprochen –, dass unsere Leistungsbilanz die viertschlechteste in der Europäischen Union ist! Das heißt mit anderen Worten: Wir leben auch heute noch über unsere Verhältnisse, und wir müssen dieser Tendenz im Interesse unseres Landes noch viel stärker gegensteuern, als wir es derzeit bereits tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich muss Sie jetzt unterbrechen, Herr Abgeordneter. Ich bitte um Ihr Verständnis. Sie haben die Möglichkeit, Ihre Rede später fortzusetzen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich unterbreche die Verhandlungen zur Beratungsgruppe IX zur Durchführung einer kurzen Debatte.

Diese kurze Debatte betrifft den Antrag der Frau Abgeordneten Mag. Plank, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 387/A der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, eine Frist bis 9. Mai 2001 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Die Redezeit beträgt für den Erstredner 10 Minuten, für alle anderen Redner 5 Minuten. Für Mitglieder der Bundesregierung und für Staatssekretäre gilt als Sollbestimmung eine Redezeit von 10 Minuten.

Zu Wort gelangt als erste Rednerin die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Mag. Plank. – Bitte.

15.03

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! (Die Rednerin platziert zwei Zeitungsausschnitte mit Karikaturen auf das Rednerpult.) Herr Abgeordneter Bösch hat heute hier gesagt, das Hauptziel dieser Regierung sei die Budgetsanierung. – Herr Kollege Bösch von der FPÖ! Dieses Spiel ist aus! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Warten Sie auf das Ende meiner Rede und lachen Sie dann! (Beifall bei der SPÖ.)

In Anlehnung an den Titel eines Werkes von Jean-Paul Sartre, "Les jeux sont faits": Das Spiel ist wirklich aus! (Ruf bei den Freiheitlichen: Rien ne va plus!) Die Menschen in Österreich wissen es, wir in der Opposition wissen es, und viele von Ihnen wissen es auch. Du, Toni Knerzl, weißt es auch, und führende Wirtschaftsforscher wissen es auch. (Abg. Schwarzenberger: Nur die Frau Plank versteht es nicht!)


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"Null Gerechtigkeit", steht im "trend" zu lesen. "Die schwarz-blaue Koalition schickt sich gerade an, die Schieflage, in der sich unser Land befindet, noch weiter zu verschlimmern. Natürlich müssen alle Österreicher Beiträge leisten, um das schwierige, aber sinnvolle Ziel eines ausgeglichenen Budgets zu erreichen. Doch sie werden immer ungerechter verteilt."

Und weiters: "Genau jenes Schreckensszenario malen Wirtschaftsforscher immer häufiger an die Wand und warnen gleichzeitig vor einem undifferenzierten Festhalten an der Verfolgung des Nulldefizit-Zieles." – Zitatende.

Dieser Fetisch Nulldefizit, den Sie umtanzen, versteckt Menschen und Schicksale hinter Zahlen, nackten und kalten Zahlen. Das ist kalt, das ist verantwortungslos, das ist ungerecht! Ein kleiner Unfallrentner hat nichts vom Nulldefizit (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger ), aber ein kleiner Unfallrentner hat das Recht, weiterhin in Österreich leben zu können. Ich betone: zu können! – Das ist es!

Wir, die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen, die Opposition, wir sagen Ihnen das ja seit Monaten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Murauer und Großruck. ) Sie sind aber nicht nur auf einem Auge blind, sondern Sie sind auch blind und taub für das, was Ihre Aufgabe wäre, nämlich Politik zu machen für Menschen, Herr Kollege Großruck. Ich betone: für Menschen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Das "einfache Parteimitglied" aus dem Süden Österreichs hat es – nach einer Schrecksekunde von mehreren Monaten – verstanden, als es meinte – ich zitiere ihn –, man dürfe Politik nicht für die EU oder für den Währungsfonds machen, sondern müsse sie für den Bürger machen. – Das ist es!

Was haben Sie gehöhnt, als wir Ihnen das sagten, und zwar immer wieder! Ihr Zauberwort "Sparen" funktioniert nicht mehr (Abg. Knerzl: Das hättet ihr schon in der Vergangenheit tun müssen, nämlich sparen!), und zwar schon lange nicht mehr. In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen wieder Haider zitieren. Er meinte, man werde überlegen müssen, dass man über die Leute nicht einfach drüberfahren kann, wie zum Beispiel bei den Unfallrenten.

Das "man" sind Sie! Das bist du, Toni, das ist der Herr Kollege Grollitsch, das sind Sie von der FPÖ, und das sind Sie von der ÖVP. Sie sind "man"! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Aber heute können Sie, meine Damen und Herren von der größeren Regierungspartei, beweisen, dass es bei Ihnen keinen Klubzwang gibt, wie Sie immer sagen, Sie können sich nämlich heute für unseren Antrag entscheiden (Abg. Neudeck: Wir können uns immer entscheiden, nicht nur heute!) und damit für die Menschen in Österreich. Sie haben heute die Chance, dies zu beweisen.

Sie sind in guter Gesellschaft, wenn Sie mit uns gehen. "Zur Zeit" zum Wiener Wahlergebnis: "Es war eine Abreibung für die Bundespolitik." "Insgesamt aber kann man davon ausgehen, dass die Wiener Freiheitlichen die Um-Jeden-Preis-Sparpolitik der Bundesregierung auszubaden hatten." – Zitat Andreas Mölzer.

Oder Gustaf Ströhm in einem Kommentar in der gleichen Zeitung:

"Das Erreichen eines Nulldefizits mag eine löbliche Absicht sein, aber es ist noch lange kein Ersatz für Politik. Welcher Teufel hat die freiheitlichen Regierungsmitglieder geritten, sich gleichzeitig mit den Studenten und Studenteneltern (Einführung der Studiengebühren), mit den Beamten (Abschaffung der Pragmatisierung), mit den Autofahrern (Hinaufschnalzen des Vignettenpreises und sonstiger Kosten), mit den Pensionisten, mit den Unfallrentnern, mit den Kassenärzten und den Patienten (Ambulanzgebühr) anzulegen?"

Ich frage noch einmal: Welcher Teufel hat die FPÖ geritten? (Die Abgeordneten Edler und Grabner: Der Khol!) – Das schreiben in Ihrem Blatt "Zur Zeit" Andreas Mölzer und Co.; ich kann es Ihnen geben.


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Sie geben uns Recht! Das Spiel ist aus (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger ) für diese technokratische Politik. Die hat verloren, und zwar so schnell und so endgültig, Herr Kollege Ofner. (Abg. Dr. Ofner: Ihr macht euch große Hoffnungen! "Locke nicht zu früh froh!")

Haider – kein unbedeutender FPÖ-Politiker – zur Finanzpolitik Grassers: Das Paket zur sozialen Treffsicherheit war so nötig wie ein Kropf. Das war nichts als ein Tummelplatz für völlig unfähige Experten! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser sowie Gegenruf des Abg. Schwemlein.  – Abg. Haigermoser: Schwemlein, kümmere dich um die Krimmler Bahn – und gib Ruhe!)

Heute haben Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, noch einmal die Wahl! In Wirklichkeit aber lässt Ihnen die inoffizielle und die offizielle Parteispitze keine Wahl.

Frau Vizekanzlerin Riess-Passer hat am Montag gesagt: Der Fehler, den wir gemacht haben – und das muss man auch klar sagen –, war die Unfallrentenbesteuerung. Das war etwas, was wirklich die "kleinen" Leute getroffen hat, und das muss auch korrigiert werden. – Ja, Frau Vizekanzlerin, das muss korrigiert werden! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Sie haben keine Wahl mehr, wenn Sie einen Funken an Glaubwürdigkeit bewahren wollen.

Die Kapriolen der Wiener Spitzenkandidatin der FPÖ möchte ich hier nicht noch einmal beschreiben. Ihr Vertrauen hat sie in neuneinhalb Wochen verspielt, als sie zur Unfallrentenbesteuerung einen Tag offiziell so, inoffiziell so gesagt hat. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wer nach neuneinhalb Wochen seine Kompetenz so abgibt, braucht auf Vertrauen nicht mehr zu hoffen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Sie jedoch, die anderen hier – Sie haben keine Wahl; es sei denn, Sie gehen in die Knie vor den Drohungen des mächtigsten ÖVP-Bundespolitikers, des Landeshauptmanns Pröll. (Abg. Haigermoser: Warum sind Sie heute so verbissen?) Er sagt, "wenn es die FPÖ zu bunt treiben sollte" – das sagt Landeshauptmann Pröll, nicht ich. (Abg. Haigermoser: Wir fürchten uns schon!) Wir nehmen zur Kenntnis: Die christlich-soziale Partei hat kein Herz und kein Verantwortungsgefühl. (Abg. Haigermoser: Wir fürchten uns schon über die Maßen!)  – Da haben Sie sich auch zu fürchten!

Vielleicht gibt es hier im Parlament unter den FPÖ-Abgeordneten Menschen mit Verantwortungsgefühl, oder wenigstens Menschen, die nicht wie Lemminge dem Selbstmordinstinkt nachgeben und dem kollektiven Selbstmord entgegengehen werden.

Herr Klubobmann Westenthaler – wenn Sie da wären! Sie brauchten keine fremden Schuttberge mehr wegzuräumen. Sie haben in wenigen Monaten so viel Schutt angehäuft, Berge von Schutt und Politmüll, dass Sie gar nicht mehr darüber hinwegsehen. Fangen Sie an mit dem Aufräumen! Die Parlamentarier und Parlamentarierinnen können Ihnen heute helfen. Seien Sie Manns genug, Herr Klubobmann Westenthaler, und nehmen auch Sie nach Ihrem Vorbild ... (Abg. Dr. Ofner: Der ist eh nicht da!) Sie werden es ihm schon sagen. (Abg. Grabner: Der ist nie da! – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nehmen auch Sie nach Ihrem Vorbild Haider ... (Abg. Schwarzenberger: Wo ist denn eurer? Wo ist der Kostelka? – Abg. Dr. Ofner: Wo ist der Kostelka? – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Am Wort ist die Antragstellerin! – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (fortsetzend): Nehmen Sie alle wie Ihr Vorbild Haider die Forderungen, die Argumente der Opposition endlich wahr und endlich ernst! (Abg. Dr. Ofner: Sie lesen nicht!) Sie werden sicher nicht weiter an Khols Lippen hängen wollen, wenn er in seinem Reform-ABC unter "U " die Unfallrentenbesteuerung meint.

Sie werden sich dem einstimmigen Beschluss der Kärntner Landesregierung anschließen müssen. (Abg. Haigermoser: Frau Brunhilde Plank! Warum machen Sie so einen Wirbel?) Klagenfurt, 2. März 2001, Beschluss des Kärntner Landtages betreffend keine Besteuerung der Unfall


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renten: Die Landesregierung wird aufgefordert, in Verhandlungen mit der Bundesregierung sicherzustellen, dass die derzeitige Besteuerung der Unfallrenten zurückgezogen wird. – Kärntner Landtagsbeschluss!

Meine Damen und Herren von der FPÖ, Sie haben keine Wahl. Stimmen Sie unserem Fristsetzungsantrag zu! Die Unfallrentner Österreichs warten darauf, Österreich wartet darauf, wer sich in der FPÖ durchsetzt: Ich oder ich? Wer setzt sich durch?

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (fortsetzend): Die Haider-Fraktion, die Riess-Passer-Fraktion, die Gaugg-Fraktion – er hat ja heute Bemerkenswertes von sich gegeben und weiß, dass der Kurs der FPÖ falsch ist – oder die Prinzhorn-Grasser-Fraktion mit Unterstützung von FPÖ-Gorbach und Pröll?

In Wirklichkeit haben Sie keine Wahl. (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Die Zeit!) Werfen Sie Ihre versteinerten Herzen weg, und beenden Sie die unsoziale, ungerechte und verfassungswidrige Politik! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Silhavy gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte. (Abg. Dr. Ofner: Uns bleibt nichts erspart!)

15.13

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Nein, meine Damen und Herren von der FPÖ, da bleibt nichts erspart! Gegen diese Ungerechtigkeiten, gegen diese unsozialen Maßnahmen, gegen diese soziale Härte und Kälte werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten so lange auftreten, solange sie durch Sie bestehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Gestern stand Herr Abgeordneter Khol hier am Rednerpult und sprach von einer "Politik mit Hirn und Herz". Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen gestern schon gesagt: Diese Politik mit Hirn und Herz wird Ihnen in Österreich niemand unterstellen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.  – Abg. Haigermoser: Interessiert uns eh nicht!)

Meine Damen und Herren! Die Besteuerung der Unfallrenten ist aus mehreren Gründen unsozial. Kollegin Plank hat schon ausgeführt, dass es sich bei den Betroffenen um Menschen mit niedrigem Einkommen handelt. Es geht um eine Pension, um Renten, die eine niedrigere Bemessungsgrundlage haben. Es geht auch darum, dass Menschen dafür, dass sie bei der Arbeit ein Leid erfahren haben – dass sie einen Arm, ein Bein verloren haben oder vielleicht querschnittgelähmt sind –, für diese Mehrbelastungen des Lebens etwas abgegolten bekommen. Diesen Menschen, die ohnedies ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt haben, nehmen Sie noch Geld weg. Das ist soziale Kälte, das ist ein steinernes Herz, das ist kein Herz! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Ich sehe den Kollegen Gaugg jetzt nicht. Offensichtlich ist er von Herrn Klubobmann Westenthaler schon niedergeschoren worden, der gesagt hat, er habe mitgestimmt, und er werde das alles mittragen müssen. (Abg. Neudeck: ... "niedergeschoren"?)

Aber auf jeden Fall sollte er sich das gut überlegen. Ein Mensch, der eine Unfallrente bekommt, der querschnittgelähmt ist, der im Rollstuhl fährt und deswegen in eine Spitalsambulanz geht, weil ja nicht alle Arztpraxen rollstuhlgerecht gebaut sind (Abg. Dr. Ofner: Der ist ja chronisch!), darf dann in Zukunft, wenn es nach Ihnen geht, wieder Ambulanzgebühren zahlen? (Abg. Dr. Ofner: Überhaupt nicht wahr!)  – Das ist soziale Kälte! (Abg. Dr. Ofner: Das ist nicht wahr!) Das ist Politik ohne Hirn und ohne Herz, behaupte ich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schender: Sie müssen bei der Wahrheit bleiben!)

Meine Damen und Herren! Sie können es der Öffentlichkeit beweisen (Abg. Mag. Schender: Bleiben Sie bei der Wahrheit!): Machen Sie eine Politik zu purem Machterhalt, oder glauben Sie,


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dass Politik in diesem Staat auch noch für die Menschen, für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gemacht werden soll? (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie Politik für die Menschen machen wollen, nehmen Sie die Chance endlich bei der Gelegenheit und stimmen Sie unserem Antrag zu! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: "Chance bei der Gelegenheit"!) Nehmen Sie diese Gelegenheit wahr! – Sie lachen darüber; vielleicht finden Sie das lächerlich. Sie sitzen ja nicht im Rollstuhl! (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Rada: Ungeheuerlich!) Sie haben ja keine Hand und keinen Arm verloren! Aber Sie lachen darüber, dass Sie diesen Menschen das Geld aus der Tasche nehmen. (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist jetzt die ÖVP-Politik?! – Ich "gratuliere" Ihnen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Sie zeigen hier ganz genau, mit welcher sozialen Kälte Sie Ihre Politik machen. Es geht Ihnen nur um puren Machterhalt, es geht Ihnen um keinen einzigen Menschen in diesem Lande! (Abg. Dr. Ofner: Ihr habt es 30 Jahre so ...!) Das ist erschreckend!

Herr Kollege Ofner! (Abg. Dr. Ofner: Ja!) In dreißig Jahren haben wir Maßnahmen für diese Menschen gesetzt und haben einen Wohlstand in diesem Land geschaffen, an dem alle Menschen teilnehmen konnten. (Abg. Dr. Ofner: Ich habe es miterlebt! Ihr habt gut angefangen und fürchterlich aufgehört!) Sie nehmen diesen Menschen den Wohlstand, und zwar den Ärmsten der Armen, und das ist schockierend! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.  – Abg. Dr. Ofner: Seien Sie nicht hasserfüllt ...!)

Herr Kollege Ofner! Ich bin nicht hasserfüllt. (Abg. Dr. Ofner: Politik mit Hass!) Sie haben ein steinernes Herz, das ist erschreckend! Dieses steinerne Herz müssen diese Menschen, die Unfallrentner und Unfallrentnerinnen, büßen. (Abg. Dr. Ofner: Sie lesen zu viele Märchen! Das "steinerne Herz" ist von Grimm!) Das ist schlimm! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: ... Hass!)

Meine Damen und Herren! Machen Sie sich keine Sorgen, in der Sozialdemokratie gibt es keinen Hass. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wir gehen in die Politik wegen der Menschlichkeit, weil wir Menschen lieben. Sie machen leider Gottes das Gegenteil, und deswegen bekämpfen wir die Politik, die Sie betreiben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Politik mit Hass!)

Herr Kollege Ofner! Sie, Ihre Fraktion, und die Damen und Herren von der ÖVP werden unter Beweis stellen können, ob Sie eine Politik für die Menschen machen oder nicht. Stimmen Sie unserem Antrag zu, und heben Sie endlich diese unsoziale Besteuerung der Unfallrenten auf! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte. (Abg. Edlinger: Wo ist der Gaugg? – Abg. Dietachmayr: Ist jetzt nicht der Gaugg ...? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.19

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! ("Gaugg"-Rufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt


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das Glockenzeichen.) Bitte die Uhr anhalten! – Danke.


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Meine Damen und Herren, am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Böhacker! (Abg. Grabner: Ich habe gemeint, jetzt redet der Gaugg! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit Ihren Ausführungen!

Abgeordneter Hermann Böhacker (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Grabner: Sag, ist das der Gaugg?) Es ist beschämend. (Ruf bei der SPÖ: Ja, beschämend für Sie! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Es ist wirklich beschämend (allgemeiner Beifall), meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, wie Sie auf dem Rücken der Verunfallten billige Parteipolemik betreiben. Schämen Sie sich! Das ist unglaublich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Was diese beiden Vorrednerinnen heute hier an Argumenten vorgebracht haben, sind schallende Ohrfeigen für alte Sozialdemokraten. (Rufe bei der SPÖ: Für Sie!) Meine Damen und Herren, nehmen Sie das zur Kenntnis! Ich werde es Ihnen beweisen.

Bis zum Jahre 1972 waren die Unfallrenten steuerbefreit. Erst durch das Einkommensteuergesetz 1988 wurde die Unfallrente steuerpflichtig. (Abg. Grabner: Wie der Gaugg ausschaut ...!) Wer war denn damals Finanzminister? Wer war Sozialminister? (Abg. Silhavy: Das ist ein älterer Gaugg ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es war der Sozialdemokrat Dkfm. Lacina! Lacina hat die Unfallrentenbesteuerung eingeführt. Der Sozialminister war Walter Geppert von der Sozialdemokratie. Wenn Sie hier herausgehen, betreiben Sie eine Doppelbödigkeit, die nicht zu überbieten ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es war der Verfassungsgerichtshof, der diese Bestimmungen aufgehoben hat. (Abg. Silhavy: ... diese Ihre Politik zu beschreiben!) Ihre Häme darüber, dass der Verfassungsgerichtshof jüngst zwei Gesetze aus formalen Gründen aufgehoben hat (Abg. Grabner: Ja, ihr habt das Gesetz gemacht!), können Sie auf sich selbst beziehen, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! (Abg. Edlinger: ... die Wähler!)

Ich sage Ihnen eines. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Bei einer kurzen Debatte hat jeder Redner nur 5 Minuten Zeit für seine Ausführungen. Geben Sie bitte jedem Redner eine faire Chance, dass er seine Argumente darlegen kann. (Abg. Silhavy: Er hat ja keine Argumente!)

Abgeordneter Hermann Böhacker (fortsetzend): Ich verhehle gar nicht (Abg. Edlinger: Wir hätten so gern den Gaugg gehört!), dass die Besteuerung von Unfallrenten eine sehr sensible Sache ist, auch wenn sie steuersystematisch eindeutig ist. Die Vergangenheit hat bewiesen, dass es zu Härtefällen kommen kann und gekommen ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Regierung hat erkannt, dass es zu Härtefällen gekommen ist, und wir werden jene Maßnahmen setzen, die diese Härtefälle ausräumen. (Abg. Schwemlein: Die Vorlage ...! – Abg. Edlinger: "Abfedern"! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dazu brauchen wir nicht Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben bereits am 1. März dieses Jahres einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht und beschlossen, in welchem aufgelistet ist, welche Härtefälle ausgeräumt werden. (Abg. Edlinger: "Abgefedert" und ausgenommen!) Wir sind aber nicht dazu da, jene Spitzenverdiener zu schonen, die neben ihrem Spitzeneinkommen auch noch steuerfrei eine Unfallrente beziehen. (Abg. Silhavy: Was ist ein Härtefall?) Das ist nicht unsere Aufgabe! (Abg. Silhavy: Wer hat denn das gesagt?) Wir haben für die Kleinen zu sorgen und nicht für die Reichen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: ... wird sich freuen!)

Meine Damen und Herren! Wenn es um Ihren Fristsetzungsantrag geht: Seit Wochen werfen Sie dieser Regierung vor, zu schnell, zu hastig, "speed kills" zu arbeiten. (Abg. Schwemlein  – in Richtung des Abg. Dr. Khol deutend –: Khol hat das gesagt!) Dieser Ihr Fristsetzungsantrag steht unter dem Motto "speed kills quality"! Das ist Ihre Arbeit – eine schlechte Arbeit, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage Ihnen noch einmal: Diese Regierung wird die Problematik der Unfallrentenbesteuerung lösen. Wir machen Politik für die Menschen und nicht, wie Lacina und Co, gegen die Menschen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: ... geradezu menschenverachtend!)

15.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, ersuche ich noch einmal um mehr Ruhe. Es ist nicht fair, dem Redner nicht die Chance zu geben, dass er entsprechend gehört wird!

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte.

15.23

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt das vierte Mal, dass wir dieses Thema außerhalb der Budgetverhandlungen als eigenen Tagesordnungspunkt behandeln. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich möchte Ihnen noch einmal sagen ... (Abg. Jäger: Wir werden es so lange vorbringen, bis Sie bereit sind, diese Ungerechtigkeiten ...!)

Hören Sie mir, bitte, zu! – Noch einmal: Jawohl, wir sind bereit, über die Unfallrentenbesteuerung zu reden, und wollen eine sachliche Diskussion zu diesem Thema einleiten! Dazu haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht und die Regierung gebeten, eine Expertengruppe einzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist der erste Punkt, um dessen Beachtung ich bitte: Wir sind diesbezüglich gesprächsbereit! (Abg. Edlinger: Ambulanzgebühr!)

Frau Abgeordnete Plank! Der kleine Unfallrentner wird von uns nicht besteuert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der kleine Unfallrentner wird nicht besteuert! Das möchte ich ganz klar sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie unseren Entschließungsantrag gelesen hätten, so wüssten Sie das genau – und Sie haben ihn gelesen und wissen das (Abg. Dietachmayr: Realitätsverlust!), aber Sie wollen das nur nicht wahrhaben. (Abg. Edlinger: Die Menschen wissen, ob sie zahlen!) Sie wollen zu diesem Thema immer wieder ein politisches Theater aufziehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Realitätsverweigerung ist das!)

Sie wollen nur ein politisches Theater, Sie sind nicht für eine sachliche Auseinandersetzung. Ich lade Sie ein, dass wir dann, wenn die Regierung den Expertenbericht vorlegt, dieses Thema sachlich miteinander verhandeln und behandeln und dass wir zu einem Ergebnis kommen, mit dem wir soziale Härten, die da entstehen können, beseitigen. – Das ist der zweite Punkt. (Zwischenruf des Abg. Riepl. )

Der dritte Punkt, den ich Ihnen nennen möchte und den ich schon in anderen Reden angesprochen habe, ist: Sie müssen mir das beantworten, was auch Minister Lacina in den Raum gestellt hat. Minister Lacina hat die Unfallrentenbesteuerung folgendermaßen begründet: Es war die Auffassung und Zielsetzung ... (Abg. Dr. Mertel: Wann war das?) 1988; das stammt aus dem Protokoll. (Abg. Dr. Mertel: Aha, 1988! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Lacina sagte: Es war die Auffassung und Zielsetzung, durch die Besteuerung beider – er meinte damit die Invalidenpension und die Unfallrente – zu einer Gleichbehandlung beizutragen. (Abg. Mag. Plank: Unfallrente wird nicht besteuert ...!)

Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Plank! Wenn Sie mit behinderten Menschen reden, so werden Sie immer die Frage gestellt bekommen: Ich habe genau die gleiche Behinderung wie mein Nachbar, der Unfallrentner ist, warum bekomme ich nichts? – Diese Frage haben Sie bis heute nicht beantwortet. (Abg. Öllinger: Selbstverständlich!) Warum bekommt der Unfallrentner, der beide Arme nicht mehr hat, etwas steuerfrei (Abg. Edlinger: Alle werden gleich geschröpft!), was der andere, dem ebenfalls beide Arme fehlen, nicht bekommt? – Herr Öllinger, Sie können diese Frage beantworten. (Abg. Öllinger: Ich habe es Ihnen eh schon gesagt!)

Meine Damen und Herren! Frau Silhavy! Diese Frage müssen auch wir den vielen behinderten Menschen in Österreich beantworten. (Abg. Silhavy: Aber nicht allen was wegnehmen!) Wir wollen keine Neidgenossenschaft unter den Behinderten, sondern wir wollen eine faire, klare


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Auseinandersetzung zu diesem Thema. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Deshalb nehmen Sie jetzt allen was weg?)

Mit den Debattenbeiträgen, mit denen Sie heute wieder hierher getreten sind, schaffen Sie nicht den Boden und nicht die Grundlage für eine faire Auseinandersetzung darüber. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. ) Ich bin dafür, dass wir auch mit den behinderten Menschen über dieses Thema reden. Wir werden mit ihnen reden, wenn wir von der Expertengruppe die Grundlagen bekommen. (Abg. Silhavy: Herr Abgeordneter Feurstein, wir reden schon mit diesen Menschen!) Wir sind gesprächsbereit. Aber die Fristsetzung brauchen wir zu diesem Thema nicht. (Abg. Silhavy: Bei der Ambulanzgebühr – da nehmen Sie den Menschen etwas weg!)

Die Lösung muss eine faire Lösung für alle behinderten Menschen in Österreich sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

15.28

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Abgeordneter Feurstein! Ich beantworte Ihnen noch einmal die Frage, von der Sie behaupten, dass sie noch nie beantwortet worden ist.

Der Unterschied zwischen einer Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung und einer Leistung aus der Invalidenpension ist der, dass die gesetzliche Unfallversicherung den Schadenersatzanspruch eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Unternehmer regelt. (Abg. Dr. Feurstein: ... Einkommensersatz!)  – Das ist kein Einkommensersatz, Herr Kollege Feurstein, und das wissen Sie auch. Diese Komponente ist zwar integriert, aber in erster Linie wird damit das Haftungsprivileg des Unternehmers abgelöst. (Abg. Verzetnitsch  – in Richtung ÖVP –: Euer eigener Antrag!) Das ist der Punkt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Kollege Feurstein! Sie wissen genau – und mich wundert ja, dass in der ÖVP die Herren von der Wirtschaftskammer hier so ruhig sind –, wenn Sie dieses Haftungsprivileg des Unternehmers, das durch die gesetzliche Unfallversicherung abgegolten wird, angreifen – und das tun Sie mit ihrer Regelung –, dann steht diese Abgeltung der Schadenersatzpflicht des Unternehmers in Frage.

Dann haben Sie sehr schnell die Situation, dass die Unternehmen natürlich auf das Privatrecht verwiesen sind, sodass dann jedes einzelne Unternehmen dem Arbeitnehmer auf dem individuellen Weg, also über private Klagen, den Schaden abgelten muss. Das ist dann die amerikanische Situation. Das wollen Sie haben, aber nicht wir! Wir haben ein hervorragendes System der gesetzlichen Unfallversicherung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zu dem muss man stehen, weil es sich über Jahre und Jahrzehnte bewährt hat. Sie haben uns nicht vorexerziert, dass Sie etwas besser machen können, sondern im Gegenteil: Sie greifen zu Verfassungswidrigkeiten!

Meine Damen und Herren! Das ist aber nicht das, was mich in dieser Situation heute, bei dieser Abstimmung deprimiert, es ist auch nicht ein Appell an Ihr Herz oder an Ihr Hirn, den ich an Sie richten möchte, sondern es geht mir schlicht darum, dass ich sehr wohl weiß, egal wo immer auch die Damen und Herren zu finden sind, dass in jeder einzelnen dieser Regierungsfraktionen, egal ob FPÖ oder ÖVP, Menschen davon überzeugt sind, dass diese Besteuerung der Unfallrenten falsch ist.

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben genauso wie wir ein freies Mandat. Sie haben genauso diese vom österreichischen Volk gegebene Möglichkeit, und Sie sind sogar verpflichtet dazu, sich hier gemäß Ihrem freien Mandat zu verhalten. (Abg. Dr. Pumberger: Keine Sorge!) Deprimierend ist, dass Sie, wenn schon nicht vorher so doch spätestens durch die Wahlergebnisse belehrt, wissen, dass diese Regelung falsch ist, dass Sie nicht bei den Menschen ankommt.


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Sie, Herr Kollege Ofner, wissen wahrscheinlich auch noch mehr, denn Sie kennen – so hoffe ich – die Grundlehrbücher des bürgerlichen Rechts. Sie haben vermutlich Ihren Koziol/Welser gelesen, und Sie wissen daher, dass das, was Sie beschlossen haben, nicht halten wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Studiert und graduiert!)

Meine Damen und Herren! Mich deprimiert, dass wir hier gegen Phantome diskutieren. Na klar, Sie werden so abstimmen, wie Sie immer abgestimmt haben. Sie scheren sich keinen Deut um Ihr Wissen! Ob das verfassungswidrig ist, ob das ungerecht ist, ob das hart ist oder ob das ökonomisch problematisch ist, Sie scheren sich nicht darum. Sie stimmen ab, weil Herr Khol Sie am Nasenring durch das Parlament führt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Großruck: Unerhört! – Abg. Mag. Kukacka: Nehmen Sie das zurück!)

Meine Damen und Herren! Das ist der Punkt: Es ist Ihnen egal! Immer in solchen entscheidenden Situationen hat die Fraktionsdisziplin über alles andere gesiegt. Immer in solchen entscheidenden Situationen, ob die allein erziehenden Frauen betroffen waren – und ich kann mich noch gut daran erinnern – oder andere Bevölkerungsgruppen, denen man bestimmte Rechte vorenthalten hat. Das wissen Sie auch, Kollege Feurstein! (Abg. Schwarzenberger: Lernen Sie Anstand! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, bei der Ausdrucksweise darauf Bedacht zu nehmen, dass nicht nur die Würde dieses Hauses gewahrt bleibt, sondern auch keine Beleidigungen entstehen!

Wegen des Ausdrucks, dass "jemand die andern am Nasenring führt", ist in diesem Haus bereits einmal eine Fraktion aus Protest ausgezogen. Ich bitte Sie daher inständig, von derartigen Ausdrücken und einer derartigen Vorgangsweise Abstand zu nehmen, sonst müsste ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Ich nehme Abstand von diesem Ausdruck, und ersetzte ihn durch: Herr Zuchtmeister Khol. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ich meine, es muss möglich sein, hier klar festzustellen, dass diese Fraktionsdisziplin, diese Fraktionszwänge in einem Parlament, das dem freien Mandat verpflichtet ist, nichts zu suchen haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Die Redezeit ist abgelaufen! – Zwischenruf der Abg. Silhavy.  – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es muss möglich sein, darüber zu sprechen, dass es ein freies Mandat gibt und nicht ein an die Fraktionsdisziplin gebundenes Mandat. Das sollten Sie ernst nehmen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Letztklassig! – Abg. Dr. Pumberger: Seien Sie unbesorgt! – Abg. Ing. Westenthaler: Damit haben Sie wieder Ihre Letztklassigkeit unter Beweis gestellt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 387/A der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, eine Frist bis 9. Mai 2001 zu setzen. (Abg. Edlinger: Wo ist Gaugg? – Abg. Ing. Westenthaler  – neben seinem Platz stehend –: Wo ist Nürnberger, wo ist Kostelka?)

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ, weil auch Abg. Ing. Westenthaler steht.)  – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Riepl: Bravo Westenthaler! Er hat das unterstützt!)


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Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Beratungsgruppe IX wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten, Herr Abgeordneter. – Bitte.

15.35

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP) (fortsetzend): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch kurz an die vorhergehende Debatte anschließen: Herr Kollege Öllinger! Wir von der Wirtschaft waren nicht unbedingt begeistert von der Regelung, aber wir wissen auch, was eine bestimmte Disziplin und eine Gesamtregelung bedeuten. Daher brauchen wir auch keine "Zuchtmeister", wie Sie es sagten, sondern wir haben eine Linie, und die gehen wir gemeinsam, und jetzt prüfen wir eben gemeinsam, ob es nicht eine bessere Lösung gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich darf an meine ersten Sätze kurz vor 15 Uhr anknüpfen. Im Wesentlichen habe ich gesagt – und da möchte ich jetzt fortsetzen –, dass international die Gangart in Richtung Budgetsanierung beschleunigt worden ist, sodass wir, um unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden, alles andere tun können, als zuzuwarten und in dieser Hinsicht nichts zu tun.

In diesem Zusammenhang sind heute mehrmals die Konjunkturdaten angesprochen worden, und die haben sich verschlechtert. Herr Gusenbauer! Es ist aber nicht richtig, dass, wie Sie gestern behauptet haben, sich auch die Investitionen auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen oder gar zurückgehen werden. Im Wifo-Bericht 3/2001 ist die Rede davon, dass viele Unternehmen im letzten Quartal wegen der Abschaffung des IFB in Bezug auf Ausrüstungsinvestitionen Vorziehinvestitionen getätigt haben. Das heißt, in diesem Bereich gibt es auch jetzt noch eine sehr gute Auftragslage. In diesem Wifo-Bericht steht weiters, dass die Auftragslage der Betriebe hervorragend ist. Das bedeutet, dass es eigentlich relativ gute Aussichten und Einschätzungen gibt, dass die internationale Konjunkturverschlechterung von Amerika kommend nicht zu uns durchschlägt. Das heißt auch, dass die Regierung gute Aussichten hat, ihr Konsolidierungsprogramm auch entsprechend durchzubringen.

Herr Kollege Öllinger! Sie und auch andere Abgeordnete, wie beispielsweise Frau Haidlmayr, haben sich dagegen ausgesprochen, dass man in diesem Zusammenhang von einem "ausgetrockneten" Arbeitsmarkt spricht. Ich meine, dass die Verwendung dieser Formulierung durchaus überlegt werden kann, weil jeder, der keine Beschäftigung hat, und jeder Behinderte, der einen Arbeitsplatz sucht, diesen Begriff einigermaßen problematisch finden wird. Andererseits ist es aber einfach so, dass jeder zweite Betrieb Arbeitskräfte sucht. Zutreffend ist auch – wenn Sie sich die Arbeitsmarktdaten vom Februar anschauen, dann werden Sie das auch feststellen können –, dass es 20 500 zusätzliche Beschäftigte gegeben hat und auf der anderen Seite 17 000 Arbeitslose weniger gemeldet waren. Wir haben also da eine günstige Entwicklung.

Sie haben heute auch die EU-Statistik und unsere eigene angesprochen. Es ist jedoch nicht entscheidend, nach welchen Werten man vorgeht, sondern entscheidend ist, dass wir immer noch und über den ganze Zeitraum hinweg eine wesentlich bessere Entwicklung haben als die Europäischen Union insgesamt. Das ist der Punkt! (Beifall bei der ÖVP.)

Weil gerade die Frau Staatssekretärin anwesend ist: Im Tourismus gibt es eine noch viel bessere Entwicklung als allgemein. Es gibt 6 Prozent mehr Umsatz im Tourismus, Steigerungen bei den Nächtigungen von Ausländern um 3,9 Prozent, von Inländern um 1,8 Prozent. Was heißt das, meine Damen und Herren? – Meines Erachtens heißt das, dass die Zusammenarbeit der Sozialpartner, die im Kollektivvertrag vorsahen, dass sich die Arbeitszeit verlängert, bereits erste Früchte trägt. Das bedeutet auch, dass es eigentlich nicht notwendig werden sollte, die Verordnungskompetenz des Ministers bezüglich einer Verlängerung der Wartefrist einzusetzen.


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In diesem Zusammenhang möchte ich auch an das anknüpfen, was Herr Landeshauptmann Haider gesagt hat. Nämlich: Im Endeffekt zählt nicht die EU-Statistik, es zählen auch sonstige Daten nicht, sondern letzten Endes zählt das, was wir für den Bürger herausholen. Ich meine, feststellen zu können, dass wir beim Arbeitnehmerschutz eine durchaus mitarbeiter- und unternehmerorientierte Regelung gefunden haben. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, im Endeffekt müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer irgendwo den Ausgleich, eine "win-win"-Lösung finden und dürfen nicht gegeneinander arbeiten.

Genau das werden wir auch im Bereich des Arbeitsmarktservice tun. Ich meine, dass hier die ständigen Abschöpfungen ins Budget ein Ende finden müssen. Bereinigt man die 15 Milliarden Schilling Abschöpfungen um die Pensions- und Krankenversicherungsansprüche, bleiben eigentlich nur 9 Milliarden Schilling, die in dieser Form "gerechtfertigt" sind. Das ergibt 6 Milliarden Schilling Senkungspotential. Um das aber nützen zu können, brauchen wir weiterhin die Bundeshaftung, denn sonst bleibt, wenn die GesmbH tatsächlich geschaffen wird, kein Spielraum für eine entsprechende Absenkungen der Beiträge.

Meine Damen und Herren! Mitgliederorientiert, mitarbeiterorientiert, bürgerorientiert zu sein, das heißt auch, die Sozialpartnerschaft wieder in den Vordergrund zu rücken. Das wird unserem Land sicherlich Erfolg bringen. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Mag. Schender. )

15.41


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

15.41

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Wenn man über das Budgetkapitel Wirtschaft diskutiert, ist es höchst an der Zeit, sich einmal intensiver über einen gerade vorhin gelobten, aber doch – und da werden mir, so denke ich, alle zustimmen – bereits angeschlagenen Wirtschaftsbereich zu unterhalten, und zwar über den Tourismus. (Abg. Böhacker: Krankjammerei! – Abg. Mag. Schweitzer: Die Zahl der Nächtigungen geht aber in die Höhe!)

Wenn man das Gesamtbudget anschaut und dagegen hält, wie die Freizeit- und Tourismuswirtschaft dotiert ist, kann man nur feststellen, dass der Budgetansatz für die Freizeit- und Tourismuswirtschaft unterdotiert ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Was sagst du dazu, dass die Zahl der Nächtigungen steigt?) Es ist mehr als traurig – und ich kann das all jenen mit einer Graphik belegen (der Redner hält eine Graphik in die Höhe), die es nicht gelesen haben –, dass die Förderungen leider zurückgehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.  – Gegenruf der Abg. Heinisch-Hosek. ) Es wird zwar auch darüber berichtet, was anscheinend im heurigen Jahr an zusätzlichen Zahlungen fließen soll – dankenswerterweise, möchte ich gleich einschieben (Abg. Mag. Schweitzer: Wir fördern durch die Politik!); Frau Staatssekretärin! Über die Situation in Kaprun bin ich sehr froh! –, aber in der Summe schaut es nicht gut aus. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Wir werden uns über so manches unterhalten müssen.

Lieber Kollege Schweitzer! Du kannst noch eine Stunde da stehen, und du wirst von Freizeit- und Tourismuswirtschaft nichts verstehen, aber überhaupt nichts! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn du glaubst, dass Freizeit- und Tourismuswirtschaft auf dem Golfplatz in Tatzmannsdorf stattfindet, dann irrst du dich! Das ist weitaus mehr, Kollege Schweitzer! Setz dich hin, und lern dazu! Lern dazu, das ist viel gescheiter! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Böhacker. )

Meine Damen und Herren! Ein ganz wesentlicher Verlust – ein ganz wesentlicher Punkt ... (Der Redner wendet sich an den den Vorsitz führenden Präsidenten Dr. Fasslabend.) Mache ich jetzt eine Doppelconference mit irgendeinem kleinen Lehrer, oder rede ich allein? Was ist jetzt? (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Mache ich eine Doppelconference mit einem kleinen Lehrer, oder rede ich? (Abg. Mag. Schweitzer: Das machst du nämlich immer! Deswegen zeigen wir dir das jetzt!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass es Zwischenrufe gibt. Sie sind selbst einer, der dieses Instrument ausgiebigst ausnutzt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn der Anschein einer Doppelrede entsteht, dann werde ich sicherlich darauf zurückkommen. – Bitte.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, nutze ich dieses Instrument. Da Kollege Schweitzer mir das jetzt vorlebt: Jawohl, Herr Kollege Schweitzer, ich werde in Zukunft versuchen, mich zu perfektionieren, und werde das noch ausgiebiger machen. – So, kehren wir nun zu den eigentlichen Themen zurück.

Meine Damen und Herren! Frau Staatssekretärin! Mir erscheint folgende Tatsache besonders wichtig: Wir haben in Österreich ein sehr starkes Splitting im Bereich der Werbung: Die Österreich Werbung, die AMA, die Wirtschaftskammer, die Austrian Business Agency, die Kulturinstitute, die Österreichische Weinmarketingserviceges.m.b.H. – also insgesamt sieben bis zehn Institutionen, soviel ich weiß – machen Werbung für Österreich mit einem Volumen von in etwa 2 bis 3 Milliarden Schilling. Ich denke mir – und ich hoffe, dass ich Sie als Verbündete habe –, dass es da zu einem Zusammenschluss, zu einer Bündelung kommen muss, denn nur die Bündelung, nur das zusammengefasste, gezielte Einsetzen der Mittel macht Sinn.

Meine Damen und Herren! Ich halte überhaupt nichts davon – und damit gehe ich auf einen Zwischenruf ein, den ich vorhin hörte –, irgendeinen Wirtschaftsbereich krankzureden, ich halte aber auch gar nichts davon, ihn hochzujubeln, wissend, dass wir Probleme haben. (Abg. Grabner: Dass es nicht stimmt!)

Herr Kollege Mitterlehner! Ich bin sehr froh, wenn Sie Freizeit- und Tourismuswirtschaft positiv sehen – und ich nehme an, dass Sie das auch auf Grund Ihrer beruflichen Funktion machen –, aber ich bitte Sie – und ich weiß, dass Sie es besser wissen –: Schauen Sie doch in die Betriebe hinein! Es schaut die Realität ganz anders aus! Da geht es nicht darum, ob es da oder dort ein Umsatz-Plus oder ein Nächtigungs-Plus gibt, sondern da geht es darum, dass wir in Österreich tausende Betriebe haben, die allerdringendst Hilfe brauchen, weil sie durch Jahrzehnte, möchte ich schon fast sagen, aber seit zehn Jahren mindestens, nichts mehr investiert haben. Die sind nicht in der Lage, mehr anzubieten! (Abg. Böhacker: Ja, warum denn? – Abg. Mag. Schweitzer: Weil die Sozialisten kein Geld dafür hatten! – Abg. Zweytick: Die Betriebe gibt es zum Teil deswegen nicht mehr!) Entscheidend ist, dass wir diesen Betrieben helfen, damit sie auf dem Markt überhaupt eine Chance haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nun zu einem ebenfalls ganz wesentlichen Punkt, und da bin ich der Frau Staatssekretärin dankbar für eine Presseaussendung, die sie heute gemacht hat. Frau Staatssekretärin! Sie schreiben über das Programm "LEADER+". Wie wir gehört haben, sind 2,2 Milliarden Schilling für Österreich beschlossen worden. (Abg. Mag. Schweitzer: Tun S’ es verkehrt herum lesen!): Und was steht nun in der genannten Presseaussendung der Frau Staatssekretärin, meine Damen und Herren? – Stellen Sie sich das einmal vor! – Die Frau Staatssekretärin stellt fest, die 2,2 Milliarden Schilling sind primär für Förderungen auf dem Agrarsektor gedacht.

Liebe Frau Staatssekretärin! Hier möchte ich Sie eines Besseren belehren: Tatsache ist, dass all diese Förderprogramme in der Vergangenheit eben nur von der Landwirtschaft genutzt wurden. Das war aber ein Fehler insbesondere dieser Regierung, Frau Staatssekretärin! Das heißt unter dem Strich nichts anderes: Der ländliche Raum soll gefördert werden, und im ländlichen Raum müssen Sie jene fördern, die auch die größten Chancen haben. Die Landwirtschaft hat so viel Förderprogramme, dass Kollege Schwarzenberger sie wahrscheinlich gar nicht aufzählen kann. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Sie sind für mich einfach zu "intelligent"!) Daher müssen wir für die Tourismuswirtschaft aus diesem Bereich auf alle Fälle Mittel lukrieren. Ich bitte Sie, mir zu sagen, welche konkreten Ziele, Maßnahmen Sie haben, um aus diesem Programm "LEADER+" Mittel für die österreichische Freizeit- und Tourismuswirtschaft zu lukrieren. (Beifall bei der SPÖ.)


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Frau Staatssekretärin! Wenn wir das jetzt versäumen, geht sehr viel für die österreichische Vielfalt und für das Angebot auf dem Freizeit- und Tourismusmarkt verloren, und das kann niemand in diesem Saal, so meine ich, wollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Staatssekretärin Rossmann. – Bitte.

15.48

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Werter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf die Ausführungen des Kollegen Schwemlein eingehen und sagen: Ich bin vollkommen seiner Meinung, dass zurzeit das Splitting in der Werbung mehr als unerträglich ist. Wir sind deshalb auch sehr bemüht, mit allen relevanten Organisationen Gespräche zu führen und die Bündelung der Marketing-Aktivitäten voranzutreiben. Wir sind zum Beispiel im Gespräch mit der AMA, um deren tourismusrelevante Bereiche endlich einmal in unsere Aktivitäten zu integrieren.

Genau aus diesen Überlegungen heraus treibe ich mit aller Kraft das berühmte "Österreich-Haus" voran. Wir sind auch in diesem Zusammenhang wiederum im Gespräch mit der AMA, aber auch mit der Österreichischen Weinmarketingserviceges.m.b.H. und mit vielen anderen Organisationen, um sie einzubeziehen, sodass sich Österreich in diesem "Österreich-Haus" prominent präsentiert.

Zu den betrieblichen Kennzahlen erlauben Sie mir schon die Bemerkung: Ich bin vier Jahre hier als Abgeordnete an das Rednerpult getreten, und auf der Regierungsbank saß ein sozialdemokratischer Finanzminister. Wie oft habe ich da die dramatische Situation der Betriebe hervorgestrichen, und wie oft habe ich gerade auch aus Ihrem Mund und von Ihrem Minister gehört, ich würde den Tourismus krankreden! Es ist nie zur Kenntnis genommen worden, wie dramatisch die Eigenkapitalsituation in den Betrieben ist und wie dramatisch schlecht die Rahmenbedingungen – auch die steuerlichen – für die Betriebe in Österreich sind. Ich muss sagen: Es gilt dafür zu sorgen, dass die Betriebe endlich aus eigener Kraft die nötige Kapitalkraft erwirtschaften und endlich einmal Gewinne machen können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Dann tun Sie etwas!)

Es ist auf die Versäumnisse der letzten zwei Jahrzehnte zurückzuführen, dass wir uns in dieser Situation befinden. (Abg. Schwemlein: Sie sind jetzt in der Regierung!) Sie werden sich wundern, wenn ich sage – auch wenn Sie es nicht hören wollen –: Ich bin sehr optimistisch, dass es uns gelingen wird, nach der Budgetkonsolidierung eine wirkliche steuerliche Erleichterung auch für die touristischen Betriebe zu ermöglichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Eigenkapitalsituation ist nach wie vor nicht erfreulich. Das hängt – das wissen Sie auch – mit der Auslastung zusammen, und deshalb treiben wir alles voran, um Jahresauslastungen, Zwei-Saisonen-Betriebe zu ermöglichen.

Wir haben aber – das ist nicht abzustreiten – nach dem letzten Winter wiederum und trotz nicht immer idealer Schneelage eine Rekordwintersaison zu verzeichnen, deren Ausmaß mich selbst verwundert. Es zeigt sich, dass die in den letzten Jahren erfolgten Milliardeninvestitionen in Beschneiungsanlagen wirklich Erfolg bringen, denn dadurch sind wir im Winter wetterunabhängig, schneeunabhängig geworden. Das ist ein großer Erfolg. Mein Dank gilt da auch den Liftgesellschaften, die das zusammen mit dem Bund und mit den Ländern immerhin mitfinanziert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber auch die Buchungslage für Ostern ist hervorragend, ebenso die für Sommer. Ein wenig Sorge bereitet uns natürlich die Kurzbuchungsphase, die Buchungen werden immer kürzer. Diesbezüglich gilt es – und ich sage das auch und gerade hier im Hohen Haus –, meinungsbildend überall darauf einzuwirken, dass die Betriebe sich bereit erklären, ihre Zimmer auch für


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vier und fünf Tage zur Verfügung zu stellen. Wenn man heute anruft und ein Hotelzimmer für Ostern buchen möchte, bekommt man kaum ein Zimmer für vier Tage, sondern meist nur für eine Woche.

Das neue Urlaubsverhalten sieht so aus, dass die Urlaubszeiten immer kürzer werden, der Trend geht in Richtung Kurzurlaub. Man bekommt zwar letzten Endes meist ein Zimmer für ein paar Tage, eine solche Buchung ist aber erst drei, vier Tage vor Urlaubsantritt möglich. Es gilt daher, auch von meiner Seite noch meinungsbildend in diese Richtung zu wirken.

Zum Tourismusbudget: Es ist etwas verwirrend und aus den Budgetzahlen nicht ganz klar ersichtlich, aber ich kann es Ihnen sagen: Der Großteil ist, wie Sie wissen, bei der ÖHT konzentriert; wir haben schon das letzte Mal darüber gesprochen. Es ist ein großer Wurf, dass die Tourismusförderungen endlich an einer Stelle konzentriert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es werden dort nicht nur die Tourismusförderungen abgewickelt, sondern es wird dort auch – und das ist auf Grund der dramatischen Kennziffern der Betriebe ganz wichtig – ein betriebswirtschaftliches Coaching angeboten, denn mit Förderung allein ist es nicht getan. Die Förderungen müssen zielgerichtet sein, müssen aber vor allem von anderen Maßnahmen begleitet werden, die helfen, dass die Betriebe in Zukunft auch wirklich eine Chance haben und zukunftsorientierte Investitionen tätigen können.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass das Schutzhütten-Programm nahezu zur Gänze aufrecht erhalten geblieben ist. Das ist wichtig für Österreich! Wir wissen, wie wichtig gerade für unsere Berge, für die Bergwelt, für das Wandern die Schutzhütten sind. Es freut mich auch ganz besonders, dass sich der Bergrettungsdienst nach wie vor mit einer Million Schilling im Budget wiederfindet, denn gerade die Bergrettung ist ein wichtiger Faktor. Ich sage immer: Die Sicherheit in unseren Bergen, das Bewusstsein, dass ich, sollte etwas passieren, gerettet werde, ist einfach ein Vorteil, den Österreich zu bieten hat. In anderen Ländern ist das bei weitem nicht so. Wir haben bei der Bergrettung einen Deckungsgrad von – man kann sagen – 100 Prozent. (Abg. Dr. Einem: Mit einer Million? Fürchten Sie nicht, dass das ein bisschen wenig ist?)

Wir haben schon letztes Mal ausführlich über das Destinationsmanagement debattiert; ich glaube, das brauche ich hier nicht mehr auszuführen. Es gibt seit gestern eine Finanzierungsvereinbarung in Form eines Schreibens, einer Zusage des Finanzministers, wo es heißt, dass bis einschließlich 2003 die Finanzierung der Österreich Werbung garantiert ist. Das ist sehr schön, weil endlich und erstmalig die Geschäftsführung der Österreich Werbung mittelfristig planen kann. Man kann sich das nicht vorstellen, wie das ist, wenn eine Organisation dieser Größe nur von einem Jahr zum anderen budgetär planen kann! Dass professionelles Marketing bisher nicht möglich war, liegt auf der Hand. Jede kleine Institution kann es bereits mit Mehrjahresverträgen, doch bei der Österreich Werbung war es bisher nicht möglich. Es ist dort die Wirtschaftskammer unser Partner. Ich hoffe, sie wird das ebenfalls adaptieren und eine Garantie bis einschließlich 2003 abgeben.

Schön ist auch – und damit sind wir leider wieder bei tragischen Ereignissen, die auch immer wieder passieren, bei Naturkatastrophen und sonstigen Katastrophen –, dass wir 33 Millionen Schilling zugesagt bekommen haben, damit wir in solchen Fällen schnell handeln können. Beim letzten tragischen Ereignis mussten wir wirklich jeden Schilling zusammenkratzen und haben dann mit Ach und Krach 12 Millionen Schilling zustande gebracht. Nun haben wir 33 Millionen Schilling zur Verfügung und können damit auch marketingmäßig klotzen und nicht kleckern, was in Krisensituationen erforderlich ist.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist, ist das Thema Tourismus-Arbeitsmarkt. Wo immer ich hinkomme, höre ich den Ruf nach Saisonniers. Manche Betriebe sagen, es sei schon bald leichter, Gäste zu bekommen als Mitarbeiter. Das ist natürlich eine vielschichtige Problematik, und ich stehe schon auch sehr kritisch dazu. Wir bilden in Österreich hervorragende Mitarbeiter in unseren Tourismusschulen aus, diese sind aber eher im Managementbereich angesiedelt. Wir wissen, dass die ins Ausland gehen – Gott sei Dank, die jungen Menschen sollen Chancen


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haben; sie kommen ja als Führungskräfte gerne wieder nach Österreich zurück –, aber das eigentliche Problem liegt in der Ausbildung der unteren Ebene; ich nenne dass immer die Ausbildung für die "Arbeiten am Gast", im Service und in der Küchen. Dort mangelt es!

Der Ruf nach Saisonniers kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein! Wo ist der Deckel, wann hört man auf? Ich sehe da insgesamt großen Handlungsbedarf, unter anderem bei den Sozialpartnern, denn ich glaube, dass der Schlüssel bei ihnen liegt. Es sind nämlich dort nach wie vor beharrende Kräfte am Werk, die möglichst wenig ändern, von Modernisierung auch in diesem Bereich teilweise noch wenig hören wollen. Ich bin aber sehr optimistisch – es gibt nächste Woche in St. Johann das große Tourismusforum zu diesem Thema –, dass sich die Sozialpartner einen Ruck geben und darüber nachdenken, wie man für Lehrlinge einen möglichst einfachen Zugang zum Tourismus ermöglichen könnte.

Ich erwähne es hier in diesem Hohen Haus, weil es vielleicht manche nicht wissen: Wenn heute ein Cafetier in einem Kaffeehaus oder der Betreiber eines kleinen Restaurants mit einer kleinen Speisekarte – ich spreche jetzt von der kleinen Speisekarte! – einen Lehrling ausbilden will, dann darf dieses Kaffeehaus oder dieses kleine Restaurant nicht einmal einen Lehrling im Service ausbilden, weil die Speisekarte zu klein ist. – Bitte schön, das darf es doch heutzutage nicht mehr geben! (Abg. Verzetnitsch: Ändern Sie das ...!)

Sie wissen genau, dass wir die Sozialpartner dazu brauchen, und deshalb betone ich: Hier sehe ich viele Chancen! – Ich habe für meine Idee der Modullehre bereits Mitstreiter in der Wirtschaftskammer Salzburg. Ich habe auch Mitstreiter in der Fachgruppe Hotellerie, die es zustande gebracht haben, die "Etagen-Fachkraft" mit einer zweijährigen Lehre zu ermöglichen. Was dort möglich ist, muss doch auch im Bereich der Gastronomie möglich sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Zweytick: Aber ein paar Saisonniers brauchen wir schon noch!)

Ich glaube, damit wäre ein gewisses Nachwuchsproblem mit einem Schlag gelöst. Man gibt den jungen Menschen endlich Chancen in diesem Beruf. Wir brauchen doch – und das ist mir auch ganz wichtig – die österreichische Identität bei den Fachkräften, bei den Arbeitskräften im Umgang mit dem Gast. Es kann doch nicht immer nur der Ruf nach Saisonniers erfolgen! Es geht sonst unser gutes österreichisches Produkt, nämlich die sprichwörtliche österreichische Gastfreundschaft, mittelfristig, langfristig kaputt. Das wollen wir alle nicht, deshalb bitte ich Sie hier von dieser Stelle aus, im Rahmen der Sozialpartnerschaft diesbezüglich tätig zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )

Abschließend möchte ich mich selbstverständlich noch bei den Mitarbeitern, bei den hohen Beamten in unserem Haus, die hier noch anwesend sind, für die hervorragende Arbeit recht herzlich bedanken.

Nur einen Satz noch zu Frau Kollegin Haidlmayr, die jetzt nicht mehr anwesend ist (Abg. Schwemlein: Was ist mit LEADER?): Zu ihrer Kritik, dass die Quote bei den Behinderten nicht ausgeschöpft worden wäre, kann ich nur sagen, dass sie sogar mehr als doppelt ausgeschöpft wurde. Vielleicht können Sie ihr das ausrichten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Was tun Sie mit LEADER? Was machen Sie mit LEADER?)

Ich freue mich auf den Tourismusbericht, den wir – das ist auch eine neue Umgangsform – selbstverständlich zeitgerecht hier im Hohen Haus präsentieren werden; ich hoffe, noch vor der Sommerpause und nicht erst eineinhalb Jahre später, wie das bisher Usance war, was ich an die alte Regierung gerichtet durchaus kritisch anmerken möchte.

Sie werden diesen Bericht zeitgerecht bekommen. Es werden neue Aspekte darin enthalten sein, die ich gemeinsam mit Ihnen erarbeitet habe, und ich freue mich schon auf eine Diskussion darüber. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Was ist mit LEADER? – Abg. Verzetnitsch: Sie können sofort zwischenbetrieblich ausbilden! Das können Sie sofort tun!)

15.59


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

15.59

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn man diese Debatte über das Budgetkapitel "Wirtschaft und Arbeit" aufmerksam verfolgt hat, so ist man eigentlich erschüttert darüber, zu welchen Mitteln Sie von Rot und Grün greifen, um zu verunsichern, zu polarisieren, zu versuchen, Menschen auseinander zu dividieren. (Abg. Dr. Mertel: Der falsche Satz im falschen Kapitel!)

Meine Damen und Herren! Klassenkampf ist out! Frau Kollegin Mertel, Klassenkampf ist out! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es hat keinen Sinn, zu versuchen, Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite auseinander zu dividieren. Beide sind aufeinander angewiesen. Beide müssen und wollen miteinander arbeiten und wollen auch für unsere Wirtschaft etwas weiterbringen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Daher nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Wirtschaftspolitik mehr ist als Klassenkampf, dass es mehr bedarf, als gewisse Bereiche krankzujammern, vielmehr müssen wir mit gezielten Aktivitäten unsere Wirtschaft vorantreiben. Es hat keinen Sinn, wenn Sie hier alte marxistische Hüte aus dem Fundus der Vergangenheit hervorzaubern, denn diese Dinge, meine Damen und Herren, haben sich bereits einmal als der falsche Weg erwiesen. (Abg. Binder: Haben Sie das auswendig gelernt?)

Wir treffen uns auf dieser Ebene nicht, und zwar deshalb, weil diese Ihre Konzepte überholt sind und weil sie letztendlich auch gar niemanden mehr interessieren. Sie sollten endlich einsehen, dass Sie damit jämmerlich gescheitert sind! Sie haben den Staat an den Rand des Ruins gebracht. Sie haben Ihre eigene Parteikasse an den Rand des Konkurses gebracht – Sie können sie wahrscheinlich nur mehr mit Schnorrbriefen an Ihre Mitglieder aufpäppeln –, und Sie haben, sobald Sie in der Wirtschaft agiert haben, bewiesen, dass Sie eine Gefahr für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Österreich sind. (Abg. Binder: Haben Sie die Sätze aus der Burger-Fibel abgeschrieben?)

Ich darf Sie nur an den "Konsum" erinnern, den Sie in die Pleite geführt haben: Sie haben unzählige Gläubiger hinterlassen, und Sie haben, was noch viel schlimmer ist, hunderte und tausende Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben. Das lag in Ihrer Verantwortung, und dafür haben Sie sich bis jetzt noch nicht entschuldigt.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Auch im Bereich der Sozialpolitik haben Sie ein Schlachtfeld hinterlassen. Sie haben damit einen Verrat an der Jugend begangen, und zwar deswegen, weil Sie Ihre Schuldenpolitik auf ihrem Rücken, auf dem Rücken der Jugend betrieben haben und nicht dafür gesorgt haben, dass die Weichen rechtzeitig in die richtige Richtung gestellt wurden.

Ihre Konzepte haben keine Zukunft. Wir hingegen stehen für Sanierung. Wir stehen für das Nulldefizit. Wir stehen für die Zukunft der jungen Menschen in unserem Land, und wir stehen für Innovation, Ordoliberalismus und für soziale Qualität statt Bevormundung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dass wir auf dem richtigen Weg sind, beweisen nicht nur die Aussagen der Regierungsparteien, sondern auch die Zahlen und Statistiken. Wir haben in Österreich steigende Beschäftigungszahlen, eine sinkende Arbeitslosenrate und eine ausgezeichnete Wirtschaftslage.

In diesem Sinne wird diese Bundesregierung auch alles daran setzen, dass das so bleibt, dass dieser Weg fortgesetzt wird, damit wir auch in Zukunft für unsere Jugend ein gesichertes Sozial


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system zur Verfügung stellen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.03

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zunächst möchte ich zu den von meinem Vorredner erwähnten Pleiten sagen: Solche Pleiten sind immer unangenehm! (Abg. Dr. Trinkl: Wenn sie so nah sind, tun sie besonders weh!) Aber es gibt jedes Jahr leider viele Insolvenzfälle, nicht nur jene, die hier zitiert wurden. Dies muss auch einmal gesagt werden!

Zweitens möchte ich meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass wir nun die Renaissance der Sozialpartnerschaft feiern. Es wurde heute wiederholt auf die Bedeutung der Sozialpartner hingewiesen. Sie sind so dankbar, dass sie gestern eine gute Lösung im Bereich des Arbeitsmarktes (Abg. Verzetnitsch: Arbeitnehmerschutz!)  – konkret im Arbeitnehmerschutzbereich und auch in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes gibt es Diskussionen – gefunden haben.

Ich bin sehr froh darüber, dass die Sozialpartnerschaft plötzlich wieder entdeckt wird, denn sie hat für die Menschen in dieser Republik immer viel geleistet! Eben diese Sozialpartnerschaft wurde von den Freiheitlichen immer wieder als eine Art Nebenregierung hingestellt, als eine Regierung außerhalb des Parlaments und als ungeheure Gefahr für das Parlament empfunden, die man am besten zerschlagen sollte. – Heute lobt man sie, heute freut man sich, dass man sie hat!

Aber ich gehe noch weiter: Diese Sozialpartnerschaft, die sich in Österreich bewährt hat, sollte man auf eine europäische Ebene stellen. Das wäre nämlich sehr viel wichtiger. Eine internationalisierte Wirtschaft erfordert auch internationalisierte Gegenspieler, daher sollte man durchaus versuchen, die Sozialpartnerschaft auf europäischer Ebene zu verankern, um eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu machen.

Ich bin überzeugt davon, dass dies auch in anderen Bereichen helfen würde, wie etwa im Falle der Unfallrentenbesteuerung, wo wirklich herrlich zu sehen war, dass Diskussionen nur deshalb geführt werden, weil man nicht erkennen will, dass ein Schadenersatzanspruch etwas anderes ist als ein Einkommen! Wenn man diese Zugänge nicht hat, dann sollte man halt zuhören, um diese Zugänge zu bekommen.

Es ist eben ein Unterschied, ob man eine Zahlung als Schadenersatz oder als Einkommensbestandteil behandelt, meine sehr geschätzten Damen und Herren. Genau das ist der wesentliche Unterschied! Dazu kommt noch, dass seinerzeit der Schadenersatzanspruch um 30 Prozent herabgesetzt wurde, um über so etwas überhaupt nicht zu diskutieren. Dann, nämlich in jener Phase, in der Bundesminister a.D. Lacina dafür verantwortlich war, sollten die Unfallrenten hinaufgesetzt werden, was aber nicht erfolgte, sodass die Besteuerung sofort wieder zurückgenommen wurde.

Das ist ja das Wesentliche in dieser Sache! Man kann schon über Ausgleich reden. Aber ein solches Ausgleichssystem hat damals nicht funktioniert, daher wurde es wieder zurückgenommen, und die Unfallrenten blieben allgemein nicht versteuert.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es geht eigentlich in vielen Diskussionen um dasselbe! Man sieht das auch am Beispiel der Lohnnebenkosten. Ich habe darüber einen, wie ich glaube, sehr guten Beitrag veröffentlicht – Sie sollten ihn nachlesen! –, der sich damit beschäftigt, was Lohnnebenkosten eigentlich bedeuten.

Lohnnebenkosten bedeuten nämlich auf der anderen Seite auch die Finanzierung sozialer Anliegen. Wenn ich nun auf der einen Seite reduziere, dann bedeutet das, dass ich darüber


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nachdenken muss, ob ich auf der Seite der Ansprüche ebenfalls reduzieren möchte. Doch wenn ich das nicht will, dann muss ich einen Ausgleich schaffen, und zwar dergestalt, dass eine andere Bemessungsgrundlage herangezogen wird. Das ist das Entscheidende!

Wir sind auch der Auffassung, dass die Arbeitskraft in Österreich in Folge der hohen Lohnnebenkosten zu teuer ist. Und wir sind durchaus auch der Meinung, dass man die Lohnnebenkosten reduzieren sollte. Aber man muss auch wissen, dass diese Reduzierung nicht dazu führen darf, dass man Leistungen im Sozialbereich kürzt. (Abg. Zweytick: Führt auch nicht dazu!) Daher brauchen wir eine andere Bemessungsgrundlage. (Abg. Zweytick: Sie haben einen ganz anderen Ansatz!)

Aber nun zu dem, was ich dem Bundesminister mitgeben möchte. – Herr Bundesminister! Ich glaube, dass in all den Reden gezeigt wurde, dass kaum eine erkennbare Wirtschafts- und Technologiepolitik gemacht wird. Man sieht das auch an der Anzahl der Punkte, die behandelt werden, was zwar grundsätzlich noch nichts besagt, aber unter diesen 20 Punkten, die in einem Jahr abgehandelt wurden, sind eher mehr Entschließungsanträge und sonstige Routinefälle. Aber zu allem, was davon wichtig wäre, wie zum Beispiel zum Wettbewerbsrecht oder zum Bereich der Gewerbeordnung, erfolgten lediglich Ankündigungen und nicht mehr, meine sehr geschätzten Damen und Herren!

Ich möchte besonders zur Energiepolitik noch etwas sagen, was ich schon einmal gesagt habe: Wir haben wirklich im allerletzten Moment noch die Chance, eine österreichische Lösung zu erzielen. Ich glaube, an dieser sollten wir alle arbeiten, denn die Wasserkraft ist ein Asset, das in der Zukunft sehr hoch zu bewerten sein wird. Wir sind dabei, dieses Asset vielleicht an einen ausländischen Partner zu verkaufen, wobei ich immer frage: Warum braucht man einen ausländischen Partner, meine sehr geschätzten Damen und Herren, wenn wir allein stark genug sind? – Wenn wir allein unsere Wasserkraft hernehmen, sind wir der drittgrößte Erzeuger von Stromenergie, und wenn man dazu noch die Aktivitäten der Landesgesellschaften einbringt, dann sind wir der zweitgrößte Erzeuger in Europa.

Das heißt, wir sind eigentlich stark genug, um eine rein österreichische Lösung anzustreben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.09

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Budget hat tatsächlich historische Dimensionen. (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt!) Erstmals seit 30 Jahren ist nun diese neue Bundesregierung in der Lage, ein Budget vorzulegen, das ohne neue Schulden auskommt. Und darauf sind wir stolz! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nach einem Jahr, nach nur einem Jahr der Regierung Schüssel können wir uns gemeinsam über beeindruckende Wirtschaftszahlen freuen. Sie haben sie gehört, der Herr Bundesminister hat sie eindrucksvoll referiert.

Daran wird sich auch nichts ändern, auch wenn die Opposition versucht, die Entwicklung in Österreich krankzubeten. Kollege Edlinger hat gestern angesichts der Fastenzeit zur Besinnung aufgerufen. Ich darf Ihnen sagen: Nach dem Fasten kommt Ostern, nach dem Dunkel kommt das Licht des Morgens, meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen versichern: Selbst Ungläubigen wird dieses Licht nicht verborgen bleiben! (Beifall bei der ÖVP.)

Alle Prognosen für 2002 belegen, dass sich die Kennzahlen in Österreich auf einem hohen Niveau stabilisieren werden. Die Menschen in Österreich vertrauen dieser Bundesregierung. Nehmen Sie als einen Beweis dafür, dass sich 24 000 Jungunternehmer entschlossen haben, zu investieren. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Es investiert nur jemand, der in die Zu


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kunft Vertrauen hat. Darum wird diese Budgetkonsolidierung auch von der Wirtschaft mitgetragen und besonders begrüßt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

War das Ziel der Vollbeschäftigung noch Hauptanliegen vergangener Regierungen, so stellen wir heute eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt fest. Unternehmer finden keine Mitarbeiter mehr, die Hälfte der freien Stellen kann in einem Vierteljahr nicht durch geeignete Personen ersetzt werden. Ein besonderer Mangel herrscht an Facharbeitern.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Lehrlingsausbildung in den Betrieben eine besondere Bedeutung. Wir haben uns gemeinsam bemüht, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und Betriebe zu motivieren, auch in Zukunft auszubilden. Die Betriebe haben diese Botschaft verstanden. Eine Umfrage des steirischen Wirtschaftsbundes hat zu Tage gebracht, dass 13 Prozent der steirischen Betriebe wieder gewillt sind, Lehrlinge auszubilden, obwohl sie das bisher nicht getan haben.

Was macht die Opposition? – Sie trägt nicht nur die politische Auseinandersetzung auf die Straße, sondern sie scheut auch nicht davor zurück, Schüler von Polytechnischen Schulen zu missbrauchen und mittels politischer Falschmeldungen zu verunsichern. (Abg. Amon: Unerhört!)

Meine Damen und Herren! Ich habe hier einen Prospekt der Jungen Generation der SPÖ. (Ruf bei der ÖVP: Das ist unglaublich!) Ich zitiere wörtlich: Was die Regierung schon beschlossen und noch geplant hat, ist ein für Österreich einmaliger Abbau der Rechte der Jugendlichen. (Abg. Amon: Wahnsinn!) Die Lehrlinge werden zu billigen Hilfskräften gemacht. Sie müssen für die Berufsschulzeit selbst bezahlen. Keine einzige Bestimmung bringt den Lehrlingen Vorteile, das erfolgreiche duale Ausbildungssystem wird total zerschlagen. – Und so geht es weiter.

Jetzt kommt die Spitze: Es gibt eine Aufforderung der Jungen Generation der SPÖ, die lautet: Ich schlage zurück! – mit dem Boxhandschuh. Ich schlage zurück: Das ist die Aufforderung der SPÖ! (Abg. Steibl: Was ist das für eine Sprache? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bedauere diese Vorgangsweise zutiefst, Herr Präsident! Sie machen damit nicht nur die Stimmung auf dem Lehrlingsmarkt kaputt, sondern Sie schaden mit solchen Aktionen auch dem Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Die Republik wird brennen, haben sie gesagt!)

Wir müssen dem Arbeitsmarkt die Fesseln nehmen – so hat einmal ein Schlagwort gelautet. Ich plädiere dafür, Herr Bundesminister, das AMS zu einem kompetenten Partner der Wirtschaft weiterzuentwickeln, das AMS zu ermuntern, Projekte zu starten, die auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung Bedacht nehmen, um Arbeitnehmer für die Wirtschaft in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben.

Die Personalsuche ist ein Thema in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muss daher auch die Frage der Ausländerbeschäftigung ehrlich diskutiert werden, und man muss ohne Scheu an dieses Thema herangehen.

Wir freuen uns über den Erfolg des Bundeskanzlers, den er in Stockholm erzielen konnte, indem er eine 7-jährige Übergangsfrist für den freien Zugang zum Arbeitsmarkt erreicht hat und damit den berechtigten Sorgen – das gebe ich zu – vor allem von Arbeitnehmervertretern entgegengekommen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wünschen uns aber ebenso ein flexibles Modell, das besonders auch von Wirtschaftsminister Bartenstein vertreten wird, um unserer Volkswirtschaft jene Arbeitskräfte zu sichern, die sie braucht, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können. (Abg. Verzetnitsch: Haben Sie der Frau Staatssekretärin zugehört?) – Ja, ich glaube schon. Ein flexibles Modell zu erreichen, das auf alle Bedürfnisse Rücksicht nimmt, kann nicht so schwer sein, Herr Präsident, wenn wir uns bemühen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Budget ist ein historisches Budget, weil es viele Chancen eröffnet: neue Chancen für mehr Beschäftigung in einer starken Wirtschaft, neue Chancen für unsere studierende Jugend in leistungsfähigen Erziehungsanstalten, neue Chancen für sozial Schwache durch ein gesichertes Pensions- und Gesundheitssystem und neue Chancen für unsere Kinder, weil wir sie von Zinsen aus der Vergangenheit entlasten und ihnen damit Bewegungsspielraum für die Zukunft schaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.16

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Trinkl, Sie haben von der Auferstehung gesprochen. (Abg. Dr. Trinkl: Vom Licht war die Rede, nicht von der Auferstehung!) Es ist erst einer wieder auferstanden, und das war ein sehr guter Mensch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Neudeck: Wer war das?) – Jesus Christus war das.

Es geht in dieser Regierung ununterbrochen um die Ziffer Null, das ist das erklärte Ziel. Der "Wundermann" in der Himmelpfortgasse, der sicher nicht an Minderwertigkeitskomplexen leidet, wird immer mehr entzaubert. Wenn man die Bewertungen der EU-Kommission aus Brüssel hört, dann muss man sagen, dass er schon ziemlich zerfleddert aussieht. Dort wird nämlich gesagt, dass dieses Budget kein Wunderwerk sei. Übrigens haben wir das selbst auch gewusst, doch es ist ein Zeugnis dafür, dass wir keine Horrormeldungen verbreiten, sondern dass diese Beurteilung fundiert ist und auch vom Ausland bestätigt wird. (Abg. Neudeck: Fondiert oder fundiert?)

Die "großartigen" Leistungen dieses Budgets haben wir heute schon des Öfteren gehört: Verkauf des Familiensilbers, Ausräumung, Steuererhöhungen, Kürzungen – all das sind Vokabel, die hier gang und gäbe sind.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Vom Herrn Bundeskanzler angefangen bis zu den Abgeordneten dieses Hauses leiden Sie wirklich manchmal an Gedächtnisschwund. Sie reden immer wieder von der Verschuldung, Sie hören damit nicht auf, vergessen aber, dass Sie alle Regierungsvorlagen in den letzten dreizehn Jahren mitbestimmt haben. Wussten Sie denn nicht, was Sie hier beschlossen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Herr Kollege! Wir haben da gar nicht mitgestimmt! Das stimmt doch nicht!)

Zum Beispiel betreffend den Bereich Landwirtschaft: Dem Kollegen Schwarzenberger war das Geld immer Recht, er konnte nie genug davon bekommen, und er hat es auch immer genommen. Warum regen Sie sich also zum Beispiel über die Politik, die der damalige Finanzminister Edlinger gemacht hat, auf? – Das ist nicht konsequent. (Abg. Schwarzenberger: Er hat uns zu wenig gegeben! – Abg. Neudeck: Er hat selbst nicht gewusst, wie viel Schulden er hat!)

Folgendes ist auch interessant: Wenn man ein Budget beurteilt, so hat das große Ähnlichkeit mit einer Bilanzziehung. Es gibt in einer Bilanz ein Umlagevermögen und ein Anlagevermögen. Wenn Sie das Anlagevermögen dieser Republik einmal durchleuchten, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann müssen Sie zugeben (Abg. Neudeck: Umlaufvermögen heißt das!), dass dieses Anlagevermögen europaweit einsame Klasse ist. Was wir an Infrastruktur zu bieten haben, das werden Sie so schnell kaum irgendwo finden.

Was haben Sie gemacht, meine sehr geehrten Damen und Herren? Was ist das Fürchterliche an der Sache? – Die Einkommen der Menschen wurden ganz radikal reduziert. Die Lohnsteuer wurde in zwei Jahren um 18 Prozent erhöht. Kollege Edlinger hat es sehr deutlich gesagt: 40 S am Tag entgehen dem Bürger durch diese Politik.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! 40 S können Sie bei den klein- und mittelständischen Betrieben nicht ausgeben, und das trifft uns auf jeden Fall. Es geht im Leben sehr oft nach alten Sprüchen, die zum Beispiel heißen: "Leben und leben lassen" oder "Eine Kuh, die man melken will, muss man zuerst einmal füttern". Das sind, so glaube ich, schon Grundsätze, die Sie anscheinend nicht berücksichtigt haben.

Einmalerfolge, Saldeneuphorie: Das sind die Schlagworte, die diese Regierung betreffen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zur Frau Vizekanzlerin, auch wenn sie noch so schnell redet, kann man sagen: Aus geredetem Blech wird trotzdem kein Gold, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das war aber nicht sehr charmant!) Die Schelte ihres Herrn und Meisters ist ihr gewiss, der ihr schon ausrichten lässt, dass ihre Freunde gefälligst einmal erwachsen werden sollen. Ich denke, sie wird sicher nicht "danke, Jörg!" gesagt haben.

Ist es vielleicht schwach, wenn Haider sagt, wenn die Regierung so weitermache, sei die FPÖ nicht mehr seine Partei, und wenn sich der stellvertretende Klubobmann Gaugg dieser Aussage vollinhaltlich anschließt oder wenn Haider in den Werbekampagnen einen Schwachsinn sieht? Bevor sich die Frau Vizekanzlerin immer wieder erdreistet, von der Regierungsbank aus die Opposition zu schelten, sollte sie einmal im eigenen Haus Ordnung machen. Aber das ist ihr wahrscheinlich eine Nummer zu groß – in Richtung Jörg Haider.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu Herrn Bundesminister Grasser: Seine Glaubwürdigkeit ist, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, für mich und für viele andere so lange nicht gegeben, solange er in der Sache Franz Häusler nicht den Wahrheitsbeweis angetreten hat. (Abg. Böhacker: Hat er schon längst erbracht, hat er längst erbracht!) Wenn er glaubt, sich dabei hinter dem Datenschutz verstecken zu können, dann wird er sich täuschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir lehnen dieses Budget ab, weil es keine gestaltende Wirtschaftspolitik zulässt und daher der Wirtschaft dieses Landes und damit den Bürgern nicht dient. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Tancsits zu Wort gemeldet. Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter: Beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung. – Bitte.

16.21

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kiermaier hat gesagt, dass die Lohnsteuer um 18 Prozent erhöht wurde. – Das ist nicht richtig.

Richtig ist, dass die Lohnsteuer in den letzten zwei Jahren nicht erhöht wurde, vielmehr wurde die Lohnsteuer über die gesamten Steuersätze am 1. Jänner 2000 gesenkt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Staffaneller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Böhacker: Einen Stammgast, den man melkt, muss man immer gut füttern!)

16.22

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Auf Beleidigungen gegenüber unserer Frau Vizekanzlerin möchte ich nicht eingehen; das ist nicht mein Stil. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das gilt auch für Beleidigungen unserem Bundesminister Herbert Haupt gegenüber, dem von Ex-Ministerin Prammer unterstellt worden ist (Abg. Achatz: Wer hat von Blech geredet?), dass er und die Beamten sich beim Gender Mainstreaming nicht ausken


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nen. Auch darauf möchte ich nicht eingehen. Bitte machen Sie sich selbst einen Reim drauf. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Achatz: Wer hat jetzt Blech geredet?)

Ich möchte kurz auf das Thema Arbeit und Beschäftigung zu sprechen kommen. Es war seit langem nicht mehr so erfreulich, über dieses Thema zu sprechen wie im Jahre 2001. Ich habe in den letzten Jahrzehnten auch anderes erlebt. Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt stellen sich, wie hier schon erwähnt worden ist, 2002 und 2003 voraussichtlich so dar, dass Vollbeschäftigung erreicht werden kann. Natürlich bewirkt vor allem die Konjunktur in diesem Land, dass die Zahl der Arbeitslosen Ende Februar, also in einem Wintermonat, um 17 000 niedriger war als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Natürlich ist dafür die positive Entwicklung in der Wirtschaft ausschlaggebend. Das zeigt aber auch, dass die Wirtschaft, wo 24 000 neue Betriebe im letzten Jahr gegründet worden sind, Vertrauen in dieses Land hat, dass man investieren und riskieren will und diesem Land und den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, verstärkt tätig zu sein.

Ich möchte auch auf den Facharbeitermangel, der hier erwähnt worden ist, kurz eingehen. Es gibt einen Facharbeitermangel, aber Beschäftigungsbewilligungen sollten meines Erachtens nur dort erteilt werden, wo es unbedingt notwendig ist. Es kann aber nicht so sein wie in den letzten Jahren, dass bei der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen nicht richtig vorgegangen wird. Ich erwähne hier zum Beispiel nur die Entwicklung im Wiener Raum.

Im Wiener Raum waren im Februar 2000 14 512 Ausländer arbeitslos und im Februar 2001 16 325. Das ist eine Steigerung um 12,5 Prozent. Die Zahl der arbeitslosen Inländer ist im Verhältnis zum Vorjahr um 11,2 Prozent oder um 6 241 zurückgegangen. Diesbezüglich ist in den letzten Jahren einiges passiert, die Beschäftigungsbewilligungen sind nicht bedarfsgerecht erteilt worden wie im übrigen Bundesgebiet, und so kann es sicher nicht sein. Da schließe ich mich auch der Meinung der Frau Staatssekretärin an. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. ) Herr Präsident! Bei der Bewilligung von Saisonniers ist das nicht unbedingt so. (Abg. Verzetnitsch: Wer vergibt sie denn?) – Wer hat sie vergeben? – Ich hoffe, dass sich die Vergabe beim jetzigen Bundesminister ändern wird. Ich glaube schon.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im vergangenen Jahr waren im Jahresdurchschnitt bereits um 27 429 Personen weniger arbeitslos als im Jahre 1999. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das heißt aber auch, dass um 27 429 Personen weniger Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beansprucht haben, weil sie für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen konnten. Gleichzeitig waren auch um 25 840 Unselbständige mehr in Beschäftigung als ein Jahr zuvor. Wir befinden uns also wirklich auf dem Weg zur Vollbeschäftigung, und in vielen Regionen ist diese, wie es schon erwähnt wurde, bereits erreicht.

Es wurde heute einiges über das Arbeitsmarktservice gesagt. Ich möchte, Herr Präsident, kurz darauf eingehen. Ich habe mir die Jahresprogramme der größeren Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und auch der Bundessozialämter angesehen und habe in den Zielprogrammen nur Positives gefunden, und zwar Positives in der Hinsicht, dass man einen neuen Weg gehen wird, dass man auf die Bedürfnisse der Wirtschaft verstärkt eingehen wird, dass man die Ziele klar formuliert hat, dass man die Ziele verfolgen will und dass man unter anderem die Langzeitarbeitslosigkeit schon von vornherein verhindern will und nicht die Langzeitarbeitslosigkeit anstehen lässt, wie es in den letzten Jahren der Fall war.

Die berufliche Rehabilitation arbeitslos vorgemerkter Behinderter soll verstärkt – das steht in den Programmen – durchgeführt werden. Die Arbeitsmarktchancen für Ältere sollen erhöht werden, die Arbeitsmarktchancen für Frauen sollten erhöht werden, die Transparenz auf dem Arbeitsmarkt muss erhöht werden, und die Unterstützung der Besetzung am Arbeitsplatz im Informations- und Kommunikationsbereich durch Qualifizierungsmaßnahmen ist auch ein Ziel, das natürlich sehr wichtig und notwendig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Weiters ist auch die Integration von Behinderten ein Thema. Frau Haidlmayr – sie ist noch anwesend –, Sie haben gesagt, 33 000 Behinderte seien arbeitslos. Ja, das stimmt, sie haben


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Recht. Es waren aber im Vorjahr noch über 40 000 Behinderte arbeitslos. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Von 1989 bis 1999 ist die Zahl der arbeitslosen Behinderten von 18 000 auf über 40 000 gestiegen. Haben Sie sich einmal dazu zu Wort gemeldet? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Haben Sie das einmal kritisiert? (Abg. Dr. Lichtenberger: Frau Haidlmayr hat sich sicher gemeldet!) Ich darf Sie daran erinnern, dass innerhalb eines Jahres die Zahl der Arbeitslosen bei den Behinderten um 7 000 gesenkt worden ist. (Abg. Haidlmayr: Ich habe auch einen Antrag eingebracht!) Ich glaube, Sie könnten dazu auch einmal ein Wort des Lobes sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich hoffe, Sie haben die Programme und die Ziele der Bundessozialämter studiert, dann sind Sie sicher draufgekommen, dass die Bundessozialämter entsprechende Programme vorbereitet haben (Abg. Haidlmayr: Die Frau Vizekanzlerin will sie auflösen!) und Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen verhindern wollen, indem sie schon in den Pflichtschulen Behinderte betreuen und die Behinderten auf einen Ausbildungsplatz bringen werden. Das ist Politik, wie wir sie verstehen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Frau Prammer hat noch erwähnt, dass Herr Bundesminister Haupt keine Ahnung hätte, was Gender Mainstreaming ist. Das ist eine Unterstellung sondergleichen. Auch sie hat sich die Programme wahrscheinlich nicht angeschaut und will die Versäumnisse, die die Vorgängerinnen in den letzten Jahren gemacht haben, so kaschieren. So kann es nicht gehen!

Wir haben Programme. Wir haben Ziele. Wir arbeiten auch nach dem Gender Mainstreaming. Sowohl das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit als auch das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen haben entsprechende Maßnahmen getroffen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.31

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Mein Vorredner hat sehr löblich über die Konjunktur gesprochen und irgendwie suggeriert, dass es doch das Verdienst dieser Bundesregierung wäre, dass die Konjunktur in Österreich derart gut floriert. (Abg. Mag. Tancsits: Von Gusenbauer nicht! – Abg. Haller: Sicher nicht das Verdienst der Opposition!) Ich glaube, dass er sachlich sicher nicht Recht hat, wenngleich wir uns natürlich auch darüber freuen, dass die Konjunktur sehr gut ist und auch die Politik und das Wirtschaften in Österreich erleichtert. (Abg. Achatz: Der einzige Ehrliche bei der Opposition! – Abg. Böhacker: Du wirst sie auch nicht krankreden können!) – Nein, das werde ich sicher nicht.

Ich möchte sogar betonen, lieber Kollege, dass die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung diesen Prozess der europäischen Konjunktur sehr gut unterstützt und natürlich die Positionierung des Euro im Vergleich zum Yen und zum Dollar ganz maßgeblich mitgeholfen hat, eine Konjunktur zu generieren.

Ich möchte aber sagen, dass es, wenn diese Bundesregierung die Politik weiterführt, die sie derzeit macht, nämlich das Wirtschaftswachstum durch die öffentlichen Haushaltsausgaben zurückzunehmen und die Inflation anzuheizen, sehr schnell wieder dazu kommen wird, dass es in Österreich zu einer Stagnation kommt, dass der Zustand eintreten kann – das belegen auch die neuesten Prognosen des Wifo, die bereits im März dramatisch nach unten revidiert wurden –, dass wahrscheinlich im Juni eine weitere Reduzierung des Wirtschaftswachstums möglich ist und im Herbst so wie 1993 eine dritte erfolgen könnte. Wenn das passiert und wenn die Inflation nicht dramatisch zurückgeht, dann wird es automatisch zu einer Neuverschuldung in Österreich kommen, dann können Sie noch so viel von einem Nulldefizit reden, denn dieses ist dann nicht mehr möglich.


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Ich möchte mich aber in meinen Ausführungen noch ganz kurz auch zum Bereich Technologiepolitik und Innovationspolitik im Wirtschaftsministerium äußern.

Herr Bundesminister! Sie haben ein sehr gutes, rühriges und engagiertes Team an Mitarbeitern in dieser Sektion. Leider ist durch die Zerfledderung der Aktivitäten in diesem Segment auf drei Ministerien wieder Kampfkraft eher verloren gegangen. Wir haben den Eindruck, dass Sie, da Sie nicht den großen Kuchen nutzen können, Ihr Interesse an diesem Segment doch eher reduziert haben.

Dabei glauben wir, dass es notwendig ist, dass gerade in diesem Segment etwas gemacht wird. Herr Stummvoll hat das heute angesprochen. Es gibt zu wenig innovative Berufsbilder. Es gibt zu wenig innovatives Personal. Auf dem Markt ist es sehr eng, sehr knapp. Man findet kaum IT-Mitarbeiter, die die erforderlichen Qualifikationen haben. Es ist gerade von Seiten des Wirtschaftsministeriums und des Wirtschaftsministers notwendig, Querschnittsaktivitäten zu entwickeln. Wir glauben, dass gerade in dem Ministerium, in dem derzeit der große Anteil der Innovationspolitik stattfindet, nicht alles so läuft, wie man es sich wünscht.

Ich erinnere nur an die Vergabe der UMTS-Lizenzen bereits vor einigen Monaten. Es geht jetzt nicht so sehr darum, dass die Preise bei der Versteigerung sehr schlecht gewesen sind, sondern um die Tatsache, dass man das Geld genommen hat und den Betreibern derzeit nicht ermöglicht, operativ tätig zu werden. Sie haben Milliardenbeträge hingelegt und dürfen jetzt nicht zu arbeiten anfangen. Das ist für die Republik ein wirtschaftlicher Schaden. 50 Milliarden Schilling an Investitionsvolumen können nicht generiert werden, weil die politische Entscheidungsfindung in dieser Bundesregierung derzeit nicht optimal läuft.

Ich glaube daher, dass es dringend notwendig ist, dass man nicht nur Sozial- und Wirtschaftspolitik ganz allgemein, sondern auch den Infrastruktur-, den Innovations-, den Bildungs- und den Forschungsbereich mehr vernetzt, dass die Bundesregierung miteinander versucht, mehr kritische Masse zu generieren, damit der Nutzen für die Menschen in diesem Land überhaupt erst hervorgebracht werden kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.35

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bundesminister Bartenstein hat in seiner Rede eindrucksvoll bestätigt: Die neue Regierung mit Bundeskanzler Schüssel und die Wirtschaft schaffen Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auch der Stockholmer Gipfel hatte Wirtschaft und Familie als Schwerpunkte. Dies bestätigen auch Berichte in nationalen wie internationalen Medien. Daher frage ich mich: Was ist der Grund dafür, dass die SPÖ nicht weiß, was in Stockholm von den EU-Staatschefs beraten wurde? Ist es vielleicht die Konzeptlosigkeit der SPÖ in Bezug auf das Kinderbetreuungsgeld, oder ist es eine innerliche Einkehr der SPÖ beziehungsweise eine Verdrängungstaktik? (Abg. Prinz: Eher Zweiteres!)

Es wurde nämlich über den "Baby-Gipfel" referiert und gesprochen. Ich glaube, dass der österreichische Weg in Bezug auf das Kinderbetreuungsgeld und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein ganz wichtiger Schritt sind, um die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu mindern und ihnen endlich Wahlfreiheit zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das bestätigen Sie jetzt auch mit dem Nicken. (Abg. Dr. Mertel: Sie wissen nicht, was ich gesagt habe, warum Frau Binder nickt! – Abg. Dr. Khol: Mertel ist noch immer uneinsichtig! Mertel ist noch immer uneinsichtig!) Das ist zwar ein ganz kleiner, aber sehr wichtiger Schritt, zumal Österreich bei den Arbeitsmarktdaten derzeit auf dem dritten Platz, also weit vorne liegt. Frauen stellen mittlerweile 45 Prozent der Beschäftigten in ganz Österreich, und sie schaffen 40 Prozent


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des Arbeitsvolumens. (Abg. Dr. Lichtenberger: Des bezahlten Arbeitsvolumens!) Diese Zahlen stammen von einer Arbeiterkammerreferentin beziehungsweise -expertin. Gestern haben Sie Experten hoch gelobt, also werden sie sicher auch in Ihren Augen stimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Notwendig für eine weitere Steigerung für eine Berufstätigkeit von Frauen ist aber – es wird immer wieder angesprochen, und wir handeln hier – die Harmonisierung von Beruf und Familie, zum Beispiel mit einer Evaluierung der Wiedereinstiegsbeihilfe, mit weiteren Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten und des Arbeitsortes – wir meinen damit nicht Arbeit auf Abruf – und auch mit einer Erweiterung der Betriebsvereinbarungs-Kompetenzen zur besseren Vereinbarkeit.

Betriebliche Frauenförderung und Familienförderung werden für uns als wichtiger Faktor der Zukunftssicherung gesehen, nehmen in Zukunft mehr denn je eine Bedeutung ein und stehen keinesfalls im Widerspruch zu Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Auch das vielgerühmte Gender Mainstreaming wird diesen wichtigen Bereich nicht ablösen können.

In diesem Zusammenhang das nächste wichtige Thema: Lohnungleichheit. Lohn ist ein Gradmesser für soziale Stellung. Das zentrale frauenpolitische Anliegen der ÖVP ist daher die Stärkung der ökonomischen Unabhängigkeit der Frauen. Das, was für die SPÖ mit Staatssekretärinnen, Frauenministerinnen und SozialministerInnen nicht zu erreichen war, wollen wir mit einem Set an politischen Maßnahmen innerhalb der nächsten zehn Jahre erreichen. 30 Jahre SPÖ-Regierung hat das nicht zustande gebracht.

Was wollen wir? – Die Einkommensdifferenz zwischen Frauen und Männern um ein Drittel verringern, und es gab diesbezüglich auch ein gemeinsames Gespräch. Es gibt auch ein gemeinsames Abkommen, nicht nur mit der Industrie, sondern mit der gesamten Wirtschaft.

Ich möchte noch auf einen weiteren wichtigen Punkt eingehen, nämlich auf die Gründeroffensive der Bundesregierung. Auch da gibt es schon Maßnahmen. Ich möchte nur auf das steirische GründerInnenzentrum verweisen. Dass noch weitere Maßnahmen gesetzt werden müssen, wissen wir, und das tun wir auch.

Zusammenfassend: Diese neue Regierung schafft qualifizierte Frauenarbeitsplätze, strebt die Harmonisierung von Beruf und Familie an, trachtet danach, Frauen in neue Berufe und Forschungsprojekte zu bringen, hat zum Ziel gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit mit einem Budget für Vollbeschäftigung, mit höheren Ausgaben für Familie, Forschung und Bildung. Wir sind auf dem guten Weg dazu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.40

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Heute wurde schon des Öfteren die Aussage getroffen, dass der Arbeitsmarkt ausgetrocknet ist. Herr Abgeordneter Trinkl hat sich ganz intensiv mit der Lehrlingsausbildung beschäftigt und gemeint, durch eine Umfrage sei bestätigt, dass die Unternehmen wieder Lehrlinge ausbilden wollen.

Sie haben es richtig gesagt: wieder Lehrlinge ausbilden wollen. Aber warum ist der Arbeitsmarkt so ausgetrocknet? (Abg. Dr. Trinkl: Weil die Regierung so eine gute Wirtschaftspolitik macht!)  – Weil sich die Unternehmer in den letzten fünf Jahren geweigert haben, Lehrlinge auszubilden, um die damals noch in der Regierung befindliche Sozialdemokratie dazu zu bringen, dass der Staat die Kosten dafür übernimmt. Daher haben wir heute keine Facharbeiter. Genau das ist es, Herr Kollege Trinkl! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Trinkl: Welche Kosten? Welche Kosten?) – Die Ausbildungskosten. (Abg. Dr. Trinkl: Da sind Sie falsch informiert!) – Ich habe leider wenig Zeit.


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Ich habe sehr aufmerksam zugehört, als Herr Kollege Schender gemeint hat, wir müssten unsere Wirtschaft mit gezielten Aktivitäten vorantreiben. – Er ist jetzt leider nicht da, er hat es aber verabsäumt, uns zu sagen, mit welchen Aktivitäten dies geschehen soll. Ich kann ihm ein paar solcher gezielten Aktivitäten nennen, die dazu geführt haben, dass das Masseneinkommen rückläufig ist und dass wir es mit der höchsten Steuerquote zu tun haben. Die Wirtschaftsprognosen, die heute veröffentlicht wurden, sind leider eine Bestätigung dafür, dass es abwärts geht.

Was mich allerdings wundert, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, dass sich das Wirtschaftsforschungsinstitut überhaupt noch getraut hat, diese doch eher schlechten Zahlen bekannt zu geben. Wenn man nämlich die heutige Ausgabe des "Kurier" aufmerksam liest, findet man einen Artikel, in dem Herr Finanzminister Karl-Heinz Grasser Herrn Helmut Kramer mit den Worten bedroht: Wenn er immer wieder solche nicht regierungsfreundlichen "Lobhudeleien" loslässt, dann sperrt er ihm sein Wifo zu. – Das ist die Form des "neuen Regierens". Wenn jemand nicht sagt, was gefällig ist, dann wird er bedroht, meine Damen und Herren! So schaut Ihr "neues Regieren" aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Budgetansätze, die sich mit den Klein- und Mittelbetrieben und vor allem mit der Wirtschaftsentwicklung im ländlichen Raum beschäftigen, vermisse ich, sie sind sehr gering. Budgetansätze, die sich mit Betrieben in grenznahen Regionen, betroffen durch eine bevorstehende EU-Erweiterung, beschäftigen, vermisse ich ebenso. Diese Betriebe müssen nämlich fit gemacht werden, um der neuen Situation, den neuen Herausforderungen gewachsen zu sein.

Der größte Investor in Österreich – das wird wohl jeder hier zugestehen müssen – sind die Gemeinden. Die Gemeinden wurden durch das Finanzausgleichspaket an die Kandare genommen. Wir dürfen uns nicht mehr neu verschulden, wir sind gezwungen, ausgeglichen zu budgetieren. Das heißt allerdings, dass all das, was wir nicht in den Gemeinden investieren können, auch der kleinstrukturierten, der mittleren strukturierten Wirtschaft im ländlichen Raum fehlen wird.

Dazu kommt sehr gezielt die Zerstörung der Strukturen im ländlichen Raum. Ich habe leider nicht die Zeit, näher auf dieses Thema einzugehen. Ich hoffe aber, dass wir uns sehr bald in diesem Haus mit diesem Thema näher beschäftigen werden und es aktualisieren.

Abschließend habe ich noch zu bemerken, Herr Bundesminister: Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in den letzten Tagen hat mich sehr unruhig gemacht. Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf die Getränkesteuer entschieden, dass sie nicht zurückzuzahlen ist. Der Verwaltungsgerichtshof sagt jetzt: Wir schließen uns dieser Rechtsmeinung an, aber wir fragen den EuGH. – Also es herrscht weiterhin totale Verunsicherung für die Gemeinden, ob sie 22 Milliarden Schilling zurückzahlen müssen oder nicht.

Wo sind dafür die Reserven im Budget? – Damals, als die neue Getränkesteuer verhandelt wurde, wurde versprochen, sollte es zu Rückzahlungen kommen, dann könne das nicht die Gemeinden treffen. Ich finde keinen Schilling dafür im Budget. Wenn die Gemeinden damit belastet werden, dann ist das das sichere wirtschaftliche Aus für unsere Gemeinden und für unseren ländlichen Raum. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Binder: So ist es!)

16.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. Ihre Redezeit ist auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.45

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die österreichische Wirtschaft boomt, und unsere Wirtschaftsdaten sind hervorragend. Wir haben das heute zwar schon einige Male gehört, aber ich glaube, man sollte das immer wiederholen und sich vor Augen halten.


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Wir gehen in Österreich in Richtung Vollbeschäftigung, in manchen Bereichen sind wir ganz knapp daran. Es sind noch nie so viele Menschen in Österreich in Beschäftigung gestanden. Das heißt, dass auch die Arbeitslosenzahlen permanent und sicher nach unten gehen. Ich betrachte es als besonders positiv, dass es gerade in letzter Zeit gelungen ist, immer mehr Frauen in Beschäftigung zu bringen, und zwar arbeitslose Frauen, und diese in eine von ihnen gewünschte Teilzeitarbeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Wir wissen aber – darin sind wir uns sicher einig –, dass es schon noch Defizite gibt, und zwar im Bereich des Angebots von qualifizierten Teilzeitarbeitsplätzen. Ich weiß schon, es ist nicht die Politik, die diese Arbeitsplätze schaffen kann, aber es muss sowohl im Interesse des Familienministeriums als auch im Interesse des Wirtschaftsministeriums sein, dem großen Anliegen der österreichischen Frauen, nämlich Familie und Beruf besser als bisher vereinbaren zu können, entgegenzukommen, sich auch von Seiten der Politik verstärkt darüber Gedanken zu machen und auch von Seiten der Politik Anreize und Impulse in diese Richtung an die österreichische Wirtschaft zu schicken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein weiterer Schritt in diese Richtung – das ist bereits im Regierungsübereinkommen festgehalten – ist Folgendes: Wir wollen in Zukunft – Gott sei Dank, sage ich – verstärkt Betriebskindergärten fördern. Ich würde sagen, das ist ein jahrzehntelanges freiheitliches Anliegen, das durch Anträge unsererseits immer wieder untermauert wurde. Auch da darf es nicht nur das Familienministerium sein, das Impulse setzt, sondern auch, wie ich glaube, die Wirtschaft ist sehr gut beraten, Frauen, die in Zukunft in immer größerer Zahl in der Wirtschaft notwendig sein werden, in die Richtung zu unterstützen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht wird.

Wir werden – Gott sei Dank – in absehbarer Zeit in Österreich das Kinderbetreuungsgeld haben, und Frauen mit Kindern werden in den Genuss dieses Kinderbetreuungsgeldes kommen, und zwar mit einer Zuverdienstgrenze, die es ihnen wiederum verstärkt möglich machen wird, in den Beruf zu gehen, wenn sie wollen. Dadurch wird gerade die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen gefördert werden.

Wir gehen natürlich und Gott sei Dank einen anderen Weg als die SPÖ (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), die gerade derzeit eine Kampagne in einer Belangsendung startet, sofern ich mich nicht irre, in der man aufrechnet, mit 1 Milliarde Schilling könnte man so und so viele Kindergartenplätze schaffen. Sie tut dies in Anbetracht der teilweisen Überversorgung, die es bereits gibt. Sie rechnet auch um, dadurch könnte man 110 Arbeitsplätze schaffen.

Ich rechne jetzt anders um. Wir waren doch immer einer Meinung, Herr Minister, und zwar sowohl die ÖVP als auch die Freiheitlichen, dass nach der elterlichen Betreuung Tagesmütter die zweitbeste Art der Kinderbetreuung darstellen. Auch dazu haben wir Freiheitliche ein Anliegen, und zwar sollte man Tagesmütter verstärkt in die Richtung fördern, dass man sie nicht nur bei Vereinen anstellen kann, wie es derzeit geschieht, sondern dass man auch die Möglichkeit schaffen sollte, dass sie diesen Beruf selbständig ausüben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das wäre ganz einfach möglich, ist aber derzeit noch nicht möglich als selbständiger Beruf mit Berufsbild. Es wäre ganz einfach möglich durch eine kleine Gesetzesänderung, die man an die derzeit bestehende Möglichkeit der selbständigen Lehrer anhängen könnte.

Ich glaube, das würde sowohl dem Bereich bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zugute kommen als auch der Wirtschaft, aber auch dem Herrn Finanzminister, weil man dadurch mehr offizielle Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich Kinderbetreuung schaffen würde. Man würde es vor allem Frauen zusätzlich ermöglichen, in ihrem eigenen Haushalt, zu Hause einen Beruf auszuüben, und auch für sie diese optimale Vereinbarkeit herstellen.

Ich glaube, Herr Bundesminister, da sind wir als Regierungsparteien gefordert. Wir sind in letzter Zeit sehr große Reformen angegangen. Wir sollten in nächster Zeit auch diese kleinen Bereiche angehen; auch diese dürfen wir nicht vergessen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.51


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64. Sitzung / Seite 118

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.51

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Trinkl hat im Zusammenhang mit dem Bundesvoranschlag 2002 von einem Nulldefizit gesprochen. Das ist schlichtweg falsch. Der Bundesvoranschlag 2002 sieht kein Nulldefizit vor. Vielmehr wird mit diesem Voranschlag 2002 der Schuldenstand täglich um 31 Millionen Schilling erhöht. (Beifall bei der SPÖ.)

Es hat der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 9. Februar 2000 ausgeführt:

"Neu regieren, das heißt: Bildung als Rohstoff des 21. Jahrhunderts zum Mittelpunkt machen. Ein Staat, der in Bildung, in ,brain-power‘ investiert, sichert die Lebens- und Arbeitschancen der Menschen und stärkt die Wirtschaft." (Demonstrativer Beifall der Abgeordneten Amon und Mag. Tancsits. )  – Warten Sie, ich zitiere weiter!

"Wir werden uns deshalb mit aller Kraft der Sicherung der Qualität und der Weiterentwicklung der Bildungsangebote widmen."

Meine Kollegen von der ÖVP-Fraktion! Sie wissen heute genau so gut wie wir, dass da, wo "Schüssel" draufsteht, nichts drinnen ist. (Zwischenruf des Abg. Amon. ) Auf der einen Seite stehen die schönen Worte des Bundeskanzlers, auf der anderen Seite ist die Realität, ist das konkrete Handeln, das ganz anders aussieht.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt versprochen, in Bildung zu investieren (Ruf bei der ÖVP: Haben wir gemacht!), aber tatsächlich wird quer über alle Bildungsbereiche gekürzt. Dieses Budget 2002 setzt diesen Bildungsabbau fort. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amon. )

Wir haben im Jahr 1999 – noch unter der SPÖ-Regierung – Bildungsausgaben in der Höhe von 4 Prozent des BIP gehabt, und im Voranschlag des Jahres 2002 sind es um 11 Prozent weniger. (Abg. Amon: Das sind die falschen Zahlen! Schauen Sie sich die absoluten Zahlen an!)

Ein funktionierendes, zukunftsweisendes Bildungssystem braucht neben dem Bildungsangebot natürlich auch entsprechend intakte Schul-, Universitäts-, Fachhochschulgebäude. (Abg. Amon: Schauen Sie sich die absoluten Zahlen an!) Auch in diesem Bereich macht die Regierung zu wenig. In Summe bedeutet dieses Regierungsprogramm einen massiven Qualitätsverlust im Schul- und Universitätswesen. Die Chancengleichheit und das Recht auf Bildung, vor allem in einer modernen Infrastruktur, bleiben auf der Strecke.

Wenn Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die wirtschaftliche Zukunft Österreichs und die Chancen unserer Kinder und Jugendlichen wirklich ein Anliegen sind, dann werden Sie an einer Qualitätsoffensive nicht vorbei können – einer Qualitätsoffensive durch optimale Nutzung und Schaffung der notwendigen Schulraumressourcen, der Labors, der Werkstätten und aller Bereiche, die mit Bildung in Zusammenhang stehen; aber auch die Sicherung der Standorte von Kleinschulen im ländlichen Raum möchte ich da mit einbeziehen.

Aber nicht nur die Bildung braucht Investitionen, sondern auch die Beschäftigung am Bau. Mit den Maßnahmen des Verkaufs der Liegenschaften des Bundes an die BIG wird sich die Situation noch verschärfen, da die Bedeutung des Bundes als Investor zurückgehen wird.

Die Bruttoinvestitionen werden im Jahr 2002 etwa 40 Prozent unter jenen des Jahres 2001 liegen, auch unter Bedachtnahme darauf, dass im Jahre 2001 auf Grund des dreijährigen Offensivprogrammes diese Bereiche höher dotiert waren.

Wenn man außerdem berücksichtigt, dass auch im Kapitel 65 die Infrastrukturaufwendungen für die Österreichischen Bundesbahnen gesenkt werden, dann ist es nicht mehr verständlich, wenn


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diese Regierung davon spricht, dass Infrastruktur im Voranschlag 2002 einen Schwerpunkt darstellt.

Die Wirtschaftsforschung sagt uns, dass das Wirtschaftswachstum hinter der allgemeinen Konjunkturentwicklung zurückbleibt. Meine Damen und Herren! Das ist bei diesem politischen Programm eigentlich kein Wunder. Ich glaube, dass durch dieses Programm diese Entwicklung geradezu provoziert wird.

Ich darf daher in diesem Zusammenhang eine Frage an den Arbeitsminister richten: Herr Arbeitsminister! Wie wollen Sie bei diesem Programm die Arbeitslosigkeit am Bau reduzieren – sofern Ihnen das überhaupt ein Anliegen ist –?

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu Ihren Beantwortungen, Herr Bundesminister: Was sollen wir davon halten, wenn Sie auf die Anfrage, wie hoch die Instandhaltungen und Neubaumaßnahmen für Schulen und Universitäten dotiert sind, antworten, das trage die BIG? Wollen Sie mit dieser Ihrer Vorgangsweise verhindern, dass Einschau und Kontrolle auch für das Parlament erschwert oder unmöglich werden? Oder wollen Sie diese Bereiche außerhalb des Budgets als Ihre persönliche Spielwiese verstanden wissen? – Diese Antwort jedenfalls ist meiner Meinung nach ein Affront, eine Missachtung des Parlaments.

Ich möchte, weil schon so oft geschehen, die Wiener Wahlen nicht einmal mehr strapazieren, aber ich glaube, dass genau dieses Ihr Verhalten, diese Kälte und diese Arroganz ein ganz wesentlicher Grund für Wahlergebnisse wie jene vom Sonntag waren. Ich habe nur einen Wunsch an Sie, Herr Bundesminister, und an diese Bundesregierung: Bleiben Sie bitte so, wie Sie sind! (Beifall bei der SPÖ.)

16.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Maderthaner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.57

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine neuen Schulden mehr. – Das ist, glaube ich, die wichtigste Aussage zum Budget 2002, die man sich merken sollte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dies hätten wir, so möchte ich behaupten, leider mit den Sozialdemokraten nie zustande gebracht. Es ist nur mit der neuen Koalitionsregierung möglich gewesen, die Schulden nicht mehr zu erhöhen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie, Herr Kollege Kaipel, sagen, die Schulden steigen tagtäglich, dann darf ich Ihnen sagen: Sie haben Recht. Sie steigen aber nur auf Grund der hohen Zinsen, die wir für die riesige Staatsverschuldung zahlen, die leider in den letzten Jahren entstanden ist und wofür wir im Jahr 107 Milliarden Schilling an Zinsen bezahlen. Sie brauchen sich nur auszurechnen, was das pro Tag ausmacht, und dann wissen Sie, warum die Schulden natürlich noch immer steigen. Das können Sie nicht von heute auf morgen sanieren, was man in Jahren an Schulden angehäuft hat.

Jetzt höre ich natürlich immer – lieber Günter Kiermaier, du hast das ja auch gesagt (Abg. Kiermaier: Sicher!)  –, die ÖVP war ja dabei. Das stimmt auch, lieber Freund, aber wir haben schon seit Jahren davon gesprochen, dass es eine andere Prioritätensetzung geben muss, dass wir umkehren müssen, dass wir manches anders einteilen müssen, dass wir Korrekturen vornehmen müssen.

Es ist aber nicht möglich gewesen. Es war nicht möglich, Korrekturen durchzuführen. Ich selbst habe im Jahre 1993 – das ist jetzt acht Jahre her! – schon über manche Veränderungen gesprochen, die notwendig sind, wenn wir die Zukunft nicht ständig weiter belasten wollen. – Es ist leider nichts geschehen. Manches, was jetzt beschlossen wurde, war damals schon in meinem


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Forderungsprogramm. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das stimmt!) So ist es! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich immer höre – Herr Kollege Gaßner hat das gesagt –, die Wirtschaft habe in den letzten Jahren keine Lehrlinge aufgenommen, weil sie wollte, dass der Staat die Lehrlinge bezahlt (Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ –: So etwas von daneben!), so frage ich Sie: Woher haben Sie denn diese Weisheit? (Abg. Mag. Gaßner: Nicht die Lehre, die Ausbildung!) Was wir verlangt haben, war: Die Berufsschule sollte bezahlt werden, weil sie für jeden Jugendlichen bezahlt wird, nur für den Lehrling nicht. Das ist es, was wir verlangt haben. Da müssen Sie genauer berichten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber ich sage Ihnen auch, wer verlangt hat, dass die Lehrlinge vom Staat bezahlt werden: Das waren die öffentlichen Betriebe, und die haben gewusst, was ein Lehrling kostet. Der Wirtschaft haben Sie immer vorgeworfen, ein Lehrling sei ein Geschäft, jeden Tag könne man an einem Lehrling groß verdienen. Für diese Lehrlinge, die in den öffentlichen Betrieben gearbeitet haben, 15 000 S pro Monat, das haben die öffentlichen Betriebe verlangt – und nicht die Wirtschaft selbst. (Abg. Haigermoser: Der Jarolim und das "Euroteam"!)

Herr Kollege Gaßner! Natürlich kann man im Zusammenhang mit den Lehrlingen Überlegungen anstellen. In der Metallbranche verdient ein Lehrling – ich gehöre dieser Branche an, daher weiß ich, wovon ich rede – in Deutschland im letzten Lehrjahr zwei Drittel von dem, was ein Lehrling in Österreich verdient. Da kann man doch nicht sagen, dass es den Lehrlingen in Österreich schlecht geht! Aber wir stehen im Wettbewerb, wir haben uns im Wettbewerb zu bewähren, im Unterschied zu manchen früheren Wirtschaftsformen, als man eben ständig für Verluste bezahlt hat. So einfach ist das nicht.

Darüber muss man sicherlich nachdenken, denn wenn einmal ein Lehrling im letzten Lehrjahr, bezogen auf die Anwesenheitszeit im Betrieb, mehr kostet als ein fertiger Geselle, dann stimmt irgendetwas nicht mehr. Und so ist es leider. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Hätten wir so manche Korrekturen schon früher vorgenommen, nämlich zu dem Zeitpunkt, als ich das erste Mal diese Ungleichheiten aufgezeigt habe, hätte man sich viel Geld erspart, das wir heute leider leisten müssen, und hätten wir uns manche heutige Korrektur erspart, die sicherlich auch weh tut. Aber diese Korrekturen sind auf Grund Ihres Wirtschaftens notwendig geworden.

Ich muss Ihnen hier eines sagen – und ich spreche da Herrn Ex-Finanzminister Edlinger an; er hört zwar nicht zu ... (Abg. Edlinger, sein Gespräch mit Abgeordneten-Kollegen beendend: Leo, bitte, dir hör ich immer zu!) Bitte, lieber Freund, darf ich dir jetzt etwas sagen: Was mir nicht gepasst hat – und vielleicht auch anderen nicht –, das war, als du auf eine Anfrage geantwortet hast: Ja, es stimmt, dass wir derzeit 107 Milliarden an Zinsen bezahlen, und es werden im Jahre 2003 etwa 120 Milliarden sein. – Nachzulesen in einem Protokoll; es war eine Anfrage.

Da habe ich gesagt: Es kann doch nicht sein, dass wir das einfach zur Kenntnis nehmen, sondern wir haben etwas dagegen zu tun und nicht jedes Jahr eine höhere Staatsverschuldung in Kauf zu nehmen, die dann zu hohen Zinsen führt, die uns heute noch zusätzlich belasten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass meine Redezeit leider beschränkt ist, daher komme ich zum Schluss. Wir sind ein kleines Land und haben es daher notwendig, dass wir sparsam und vernünftig wirtschaften, dass wir die Schwerpunkte dort setzen, wo wir sie brauchen, vor allem im Export.

Meine Damen und Herren! Wie heute der APA zu entnehmen ist und wie wir auch aus der Entwicklung Export – Import feststellen: Wir haben alles zu tun, um den Export weiter zu steigern, denn das ist es, was der gesamten Wirtschaft und damit der gesamten Bevölkerung hilft. – Ich


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hoffe, mit den neuen Gesetzen, mit den notwendigen Korrekturen sind wir auf dem besten Weg dorthin. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.03

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung haben sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht – von 2 Prozent im Jahre 1980 auf 6 Prozent im Jahre 2000 – und in absoluten Zahlen durch das gute Wirtschaftswachstum mehr als verfünffacht; sie machen derzeit rund 50 Milliarden Schilling aus.

Meine Damen und Herren! Wir freuen uns heute über eine gute Konjunktur. Wir freuen uns über die niedrigste Arbeitslosenrate seit langem. Aber die Wirtschaft kann sich im Moment noch nicht freuen, weil sie noch das zurückzahlen muss, was an Budgetdefizit in den letzten Jahren hinterlassen wurde.

Die Wirtschaft trägt durch viele Maßnahmen, wie durch die Streichung von Investitionsfreibeträgen, wie durch die Verkürzung bei den Verlustvorträgen, zur Sanierung bei, aber sie trägt auch massiv dadurch bei, dass die Fondsüberschüsse in den verschiedensten Fonds dem Budget zugeführt und nicht den Unternehmern zurückbezahlt werden, die diese Überschüsse aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen einbezahlen. Die Unternehmer tragen aber gerne zu dieser Budgetsanierung bei, weil sie wissen, dass dies ein wichtiger Beitrag zur Standortsicherung ist und Spielräume im Budget für mehr Leistungen in Forschung und Entwicklung, für mehr Leistungen in Bildung und schließlich und endlich auch für die Lohnnebenkostensenkung schafft, die im Regierungsprogramm vorgesehen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt komme ich wieder auf die Arbeitslosenversicherung zurück, die ich am Anfang bereits erwähnt habe. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass trotz niedrigster Arbeitslosigkeit vor allem von Seiten der Opposition schon wieder nachgedacht wird darüber, wie wir die Überschüsse, die wir derzeit in dieser Arbeitslosenversicherung und in anderen Fonds haben, ausgeben wollen. Da heißt es: Wir wollen mehr für Arbeitsmarktqualifizierung – obwohl das AMS selbst schon 7 Milliarden Schilling für Arbeitsmarktqualifizierung zahlt –, wir wollen höhere Leistungen bei Arbeitslosigkeit.

Ich habe Recherchen in Bezug auf Arbeitslosengelder in den europäischen Ländern gemacht, und es ist nicht so, wie Sie immer betonen, dass wir hier in Österreich quasi das Schlusslicht bezüglich Arbeitslosengeld sind. England zum Beispiel hat einen fixen Arbeitslosenbeitrag von nur 5 000 S, unabhängig vom Einkommen. Da können Sie nicht behaupten, dass das hoch ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die österreichische Wirtschaft leistet einen großen Beitrag zur Erwachsenenbildung, Weiterbildung, Schulung. Es sind ganz wichtige Maßnahmen, die von Unternehmen geleistet werden. Die Ausgaben liegen hier sicherlich – es gibt keine Zahlen darüber – im Bereich eines zweistelligen Milliardenbetrages für das, was an Aus- und Weiterbildung von Seiten der österreichischen Wirtschaft geleistet wird. Die Unternehmen wissen auch am besten, welche Mitarbeiter sie mit welchen Qualifikationen bedienen und welche Qualifikationen gebraucht werden.

Wenn ich dann höre, dass Unternehmen bestraft werden sollen, wenn sie wenige Schulungen oder keine Schulungen für ihre Mitarbeiter machen, kann ich Ihnen auch nur sagen: Alle diese Bestrafungsmaßnahmen, die hier immer wieder so im Raum schweben, sei es im Hinblick auf eine zu geringe Frauenquote, sei es im Hinblick auf eine zu geringe Behindertenquote, sind kontraproduktiv und falsch, weil sie in Wirklichkeit natürlich die mittleren und kleinen Unternehmen treffen. Ein größeres Unternehmen hat natürlich mehr Spielraum und kann sich durchaus


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auch Leistungen für Bildung und bezüglich Behindertenbeschäftigung leichter leisten als ein kleines und mittleres oder ein strukturschwaches Unternehmen.

Deswegen ist es viel besser, da mit Förderungen und mit Information anzusetzen, so wie das Minister Bartenstein noch in seiner früheren Minister-Ära im Hinblick auf das Familien-Audit gemacht hat. Ich wünsche mir, dass auch im Bereich Bildung diese Fördermaßnahmen greifen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.08

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Debattenbeiträge der Opposition Revue passieren lasse und mir die Kritikpunkte, Wünsche und Anregungen vergegenwärtige, dann muss ich sagen: Da würde diese Republik, was ihre Wirtschaftspolitik betrifft, im Chaos versinken! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da kommt Herr Kollege Schwemlein heraus und fordert eine Erhöhung der Subventionen im Tourismus ein. Er meint, der Tourismus sei sozusagen am Absterben, weil seine Subventionen geringer geworden seien. Er lebt noch in dieser Ideologie, dass Wirtschaftspolitik Subventionspolitik ist. Es ist Kollegen Schwemlein völlig entgangen – und ich darf Sie, Herr Kollege, ersuchen, das Wifo-Heft Nr. 3 zu lesen, in dem das sehr ausführlich dargestellt wird –, wie sehr in der Tourismusbranche die Umsätze, die Auslastung und natürlich auch die Gewinne gestiegen sind.

Und da kommt Frau Kollegin Sophie Bauer heraus und fordert den Herrn Wirtschaftsminister auf, die so genannte Schattenwirtschaft einzudämmen – sie sei nämlich von 4 Prozent auf 6 Prozent gestiegen –, und sie ortet als Fehler die hohe Bürokratie in der Einstellung der Fachkräfte.

Liebe Frau Kollegin Bauer! Wir von der Wirtschaft, wir von der ÖVP haben die Eindämmung der Schwarzarbeit immer gefordert. Ihnen war das kein Anliegen. Im Gegenteil, Sie haben gerade den Schwarzbau bei den Häuselbauern stets geschützt.

Und dann kommt noch Herr Kollege Öllinger und beginnt neuerdings die Inkompatibilität von Wirtschaftsminister und Arbeitsminister zu kritisieren. Herrn Kollegen Öllinger ist noch immer nicht aufgefallen – ah, Sie sind jetzt da (Abg. Öllinger: Immer!)  –, dass es in Schweden und im UK, sprich in Großbritannien, sehr wohl eine Vereinigung dieser beiden Bereiche gibt. (Abg. Öllinger: Das lässt sich doch nicht vergleichen!)

Lieber Herr Öllinger! Schweden ist das klassische sozialistische Land. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht einmal!) Es ist dieses Land, das Sie immer als Beispiel des hohen sozialen Standards anführen. Ihre Einwände, Herr Kollege Öllinger, sind bestenfalls Blähungen eines Alt-Marxisten. Ich kann Sie wirklich nicht verstehen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Originell war das!)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was von allen Rednern der Opposition stets mitschwingt, ist, dass diese Budgetsanierung im Wesentlichen zu Lasten der ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Frau Mertel, seien Sie einmal still! Sie werden schon noch drankommen, aber heute ist meine Redezeit leider viel zu kurz. – Die Redner der Opposition bringen immer wieder zum Ausdruck, dass die Budgetsanierung zu Lasten der Arbeitnehmer vorgenommen wurde. Ich sage Ihnen als Vertreterin der Wirtschaft, dass die Wirtschaft einen sehr großen Beitrag zur Budgetsanierung geleistet hat: Denken wir an die Abschaffung des Investitionsfreibetrages, an die Einschränkungen der Rückstellungen! Denken wir an die Erhöhung der Abschreibung bei Gebäuden und an die Begrenzung des Verlustvortrages!


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Ich könnte Ihnen noch einige Punkte aufzählen. Allein diese Maßnahmen haben etwa 15 Milliarden Schilling an Beiträgen von der Wirtschaft gefordert. Es gibt aber noch weitere Beiträge, zum Beispiel die Abführung von Mitteln aus dem FLAF. Da sind noch weitere 17 Milliarden Schilling von der Wirtschaft aufgebracht worden. (Abg. Dr. Jarolim: Ist das jetzt der Intelligenztest?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von der Regierung, in der Person unseres verehrten Herrn Wirtschaftsministers und der Frau Staatssekretärin, werden diesen Weg der leistungsorientierten ökosozialen Marktwirtschaft fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lexer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

17.12

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ich möchte in logischer Konsequenz meiner gestern geäußerten Ansicht, dass der Sport nicht nur im Sportministerium von Bedeutung ist, sondern auch in der Wirtschaft eine große Rolle spielen soll, auch heute auf dieses Thema kurz eingehen. Sport wird in seiner wirtschaftlichen Dimension nach wie vor unterschätzt. Das untermauert eine brandneue Studie der Wirtschaftskammer Österreich, die dieser Tage vom Obmann der Sektion Sportfachhandel, Dkfm. Aichinger, der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Einige Investitionen, die sich für die Wirtschaft positiv auswirken, möchte ich anführen: Erstens ist Sport gesundheitsfördernd. Da gibt es ein Einsparungspotential, wie wir wissen, von zirka 11,5 Milliarden Schilling. Ich denke, wenn wir die Staatsquote, sprich die Lohnnebenkosten um diesen Betrag senken könnten, dann wäre das in Österreich für die Wirtschaftsförderung ein wesentlicher Beitrag.

Zweitens steigert Sport die Leistungsfähigkeit der Menschen. Das bedeutet natürlich auch wieder die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Gut ausgebildete und leistungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eben ein wesentlicher Teil einer guten Standortqualität. Dass der Sport auch Arbeitsplätze sichert – unmittelbar und mittelbar –, brauche ich nicht extra zu sagen.

Ich möchte das jetzt etwas abkürzen, weil ich meinem Freund und Kollegen versprochen habe, ihm ein bisschen von meiner Redezeit abzutreten. (Abg. Dr. Jarolim: Wer ist das, der Freund?)  – Herr Kollege Bruckmann.

Ich möchte nur sagen, dass vor allem in sportrelevanten Medien die Berichterstattung über Sport eine große Rolle spielt und dort viele Menschen auch Arbeit finden. Ich möchte hier lobend den ORF-Sport erwähnen. Ich glaube, er ist beispiel- und meisterhaft, wenn man da international Vergleiche anstellt. Ich denke, dass ein starker ORF natürlich auch eine starke ORF-Sportberichterstattung in Zukunft rechtfertigt. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

Insgesamt rückt der Sport immer mehr ins Zentrum wirtschaftlicher Überlegungen, und ich glaube, es kann sicherlich nicht schaden, dass wir mit unserem Minister Bartenstein einen Wirtschafts- und Arbeitsminister haben, der zu den schnellsten Marathonläufern unter den Politikern zählt. Ich werde zwar nicht mit dem Marathonlaufen anfangen – das habe ich mir nicht als Ziel vorgenommen –, aber es ist sicherlich gut, mit einem Sportsmann im Interesse des Sports und der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Die Redezeit beträgt ebenfalls 4 Minuten. – Bitte.

17.15

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich abschließend kurz resümieren. Ich glaube, dass diese Wirtschaftsdebatte wieder bewiesen hat, dass Österreich diese Bundesregierung braucht, dass


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Österreich diesen neuen wirtschaftspolitischen Weg braucht, den diese Regierung eingeschlagen hat und dass in Wirklichkeit – so war mein Eindruck – die Opposition eigentlich ohne jede konkrete wirtschaftspolitische Alternative geblieben ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich meine, Österreich kann froh sein, dass diese Regierung Abschied von einer antiquierten, von einer teilweise rückwärts gewandten Wirtschaftspolitik genommen hat, die sich primär an der Einflussnahme des Staates orientiert, wie das schon in den siebziger Jahren der Fall war. Diese Politik hat die weltweite Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen und die Liberalisierung der Märkte nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und wollte vor allem den Weg in die Schuldenfalle aller Österreicher nicht konsequent stoppen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade wenn ich an die Grünen denke, hat sich doch ein bisschen gezeigt, dass die Opposition hier in gewisser Weise geradezu eine wirtschaftspolitische Denkmalpflege für politische Konzeptionen praktiziert hat, die in der gesellschaftlichen Praxis ihre Bewährungsprobe einfach nicht bestanden haben. (Abg. Öllinger: Sie haben es schon wieder vergessen!)  – Sie sollten aufpassen. Ich habe viele gute Formulierungen, die gerade auf Ihre Politik passen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich will das ja nicht wiederholen, aber wir kennen das doch alle: die 5-Milliarden-Schilling-Pleite des "Konsum", die 110-Milliarden-Schilling-Pleite der Verstaatlichten und nun die unvertretbare Schuldenpolitik mit mehr als 1 700 Milliarden Schilling an Staatsverschuldung nach 30 Jahren sozialistischer Finanzpolitik, meine Damen und Herren!

Jeder siebente Schilling muss für den Zinsendienst ausgegeben werden, Herr Kollege Edlinger. Und Sie sind einer der Hauptschuldigen an dieser Entwicklung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das kann gar nicht oft genug gesagt werden! Dass Sie sich die Haare rot färben haben lassen, zeigt nur, dass diese Gesinnung bis in Ihre Haarwurzeln geht. Aber sie war falsch für Österreich, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Deshalb ist diese Trendwende notwendig, und wir sind froh, dass diese Regierung diese Trendwende eingeleitet hat. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sie haben immer nur den steinernen Gast gespielt in der Regierung!) Wir sind jetzt dank dieser Regierung wieder auf dem richtigen Weg. (Abg. Öllinger: Wie schauen Ihre Haarwurzeln aus? Wir wollen Ihre Haarwurzelfarbe wissen!) Die Wirtschaft blüht. Die Zahl der Beschäftigten steigt. Wir haben Vollbeschäftigung, meine Damen und Herren, obwohl diese Regierung mehr als 76 Milliarden Schilling an Schulden alleine von der ÖIAG übernommen hat.

Die außerbudgetäre Verschuldung hat insgesamt 293 Milliarden Schilling betragen, meine Damen und Herren! Aber ich gehe davon aus, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Wir sind dabei, diese Verschuldung abzutragen.

Jedenfalls ist eines klar: Die Opposition hat der Wirtschaftspolitik dieser Regierung nichts entgegenzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Sie haben keine konstruktiven Alternativen geboten. Sie haben keine Vorschläge gebracht, wie der Sozialstaat anders finanziert werden soll, wie die Pensionen gesichert werden sollen, wie die Zukunft der Jugend finanziert werden kann. Das wird auch in Zukunft dieser Regierung vorbehalten bleiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.20

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich werde mehr Zeit beim Kapitel Finanzen haben, da werde ich mich mit dem Thema Budgetdefizit und Ähnlichem auseinander setzen.


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Lieber Leo Maderthaner! Eines muss ich sagen: Wer hat die ÖVP gezwungen, 13 Jahre lang diese Politik zu machen? (Rufe bei der ÖVP: Die SPÖ!) Das war ja bitte nicht irgendjemandes Verlangen!

Zu Kollegen Kukacka. Wenn er Kollegen Edlinger wieder einen Vorwurf macht, weiß ich nicht, ob er weiß, wovon er redet. Edlinger war drei Jahre lang Finanzminister. In zwei Jahren hat er das Budgetdefizit von 5 Prozent auf 2,5 Prozent heruntergebracht. Was soll das? – Sie wissen nicht, wovon Sie reden! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe leider nur 4 Minuten Redezeit, und ich möchte ja auch Positives sagen, gerade in Richtung Minister Bartenstein. Kollegin Cordula Frieser sagte etwas von Chaos. Ich will nur eine Warnung aussprechen: Mit dem Vorwurf des Chaos haben einige Parteien in Wien vor einigen Tagen einen furchtbaren "Hinfaller" gemacht. Ich wäre vorsichtig damit. Wenn man sich nämlich damit auseinander setzt, würde man draufkommen, was chaotisch ist. Ich will da gar nicht von diversen Gesetzen, von Aufhebungen durch den Verfassungsgerichtshof und Ähnlichem mehr reden.

Lassen Sie mich aber ein Thema ansprechen, das uns ja alle freuen sollte. Gestern hat Minister Bartenstein ein Thema in einer Pressekonferenz behandelt, das viel wichtiger ist, als viele offenkundig annehmen, denn sonst hätte man in der Debatte heute zum Thema Export mehr gesagt. Ich bin dankbar dafür, dass Sie das noch rechtzeitig in einer Pressekonferenz – dabei handelt es sich um dieses Außenhandelsbuch – präsentiert haben. Die Zahlen sind ja gigantisch!

Weil auch da wieder die vorige Regierung angeblich so schlecht agiert hat, muss ich sagen, damit desavouieren Sie offenkundig Ihren Bundeskanzler. Von seiner Regierungserklärung vom vorigen Jahr im Feber habe ich noch genau im Ohr, wie er von der ökonomischen Erfolgsbilanz dieses Landes, von der ökonomischen Erfolgsbilanz der letzten eineinhalb Jahrzehnte gesprochen hat. – Also entweder stimmt das, was Sie jetzt sagen, oder es stimmt das, was der Kanzler gesagt hat.

Zum Export. Meine Damen und Herren, seien wir stolz! Zum ersten Mal über 33 Prozent Exportquote! Super! Seien wir stolz darauf, wie viele Tausende – zig Tausende! – Arbeitsplätze hier geschaffen worden sind! Herr Minister, ich stehe nicht an, Ihnen für etwas zu danken, und zwar dafür, dass Sie – im Unterschied zu vielen Ihrer Parteikollegen – offenkundig nicht verdrängen, was eine der Ursachen oder die Hauptursache war, nämlich die Exportoffensive, begonnen durch die Ruster Beschlüsse von 1998.

Es ist ja leicht begründbar, meine Damen und Herren, wie das funktioniert: Es gibt eine genaue Untersuchung, was 1 Prozent an Steigerung der Exportquote bedeutet: ein halbes Prozent mehr BIP, 17,5 Milliarden Schilling für unsere Volkswirtschaft. Und wenn man sich dabei die Entwicklung am Arbeitsmarkt genau ansieht, so sind im ersten Jahr zirka 6 000 bis 7 000, im zweiten Jahr 10 000 bis 12 000 und im dritten, vierten Jahr 15 000 bis 18 000 Arbeitsplätze geschaffen worden. Das heißt, wenn wir das umrechnen, was da von 1998 bis heute geschehen ist, dann kennen wir die Erklärung dafür, warum in diesen drei Jahren hoch qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen worden sind: Es war ein Ergebnis dieser äußerst guten Exportoffensive, die gestartet wurde.

Wenn ich höre, dass Sie eine neue, eine zweite Exportoffensive anschließen wollen, kann ich nur sagen: Jawohl! Wenn Sie uns rechtzeitig informieren, sind wir gerne dabei.

Zum Schluss noch einige Anregungen. Herr Bundesminister Bartenstein! Es stehen ein paar wichtige Dinge an – Sie haben sie im Ausschuss erwähnt –: zum Beispiel WTO. Ich danke, dass Sie uns gestern Informationen gegeben haben. Für uns ist das wahnsinnig wichtig, weil es da um mehr geht als nur darum, dass die Dienstleistungsfreiheit, mehr Liberalisierung herbeigeführt wird. Sie kennen die Probleme. Ich habe nicht mehr die Redezeit, um mich noch weiter darüber auszubreiten.

Das Thema Ladenöffnung und Nahversorgung ist von uns angesprochen worden. Wenn Sie uns rechtzeitig informieren, wenn wir rechtzeitig in Gespräche eintreten können – nicht so wie bei


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anderen in der Vergangenheit oder erst gestern geführten Gesprächen –, dann werden Sie in uns Partner haben. Wir sind nur keine, die nur vollziehen. Mitgestalten heißt, vorher informiert zu sein! Das ist unser Weg, aber nicht husch-pfusch, ja oder nein sagen und dann als Destruktionsopposition hingestellt werden. Das ist nicht unsere Politik! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Spezialberichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe IX des Bundesvoranschlages für das Jahr 2002.

Diese umfasst die Kapitel 63 und 64 des Bundesvoranschlages in 500 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 540 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Beratungsgruppe III

Kapitel 20: Äußeres

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Beratungsgruppe III, Äußeres.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

17.25

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben jetzt das Kapitel Außenpolitik zu diskutieren, natürlich auch die Auslandskulturarbeit, die einen Teil meiner Rede berühren wird.

Ich möchte vor allem mit der Frage beginnen, ob es überhaupt eine gestaltende österreichische Außenpolitik gibt. Ich habe nämlich manchmal den Eindruck, dass sie zwar kommentiert wird und dass wir sozusagen als Zaungäste dabei sind, aber man hat eigentlich gar nicht den Eindruck, dass eine gestalterische Außenpolitik gemacht wird. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist doch die: Wo, auf welche Initiative hin hat die österreichische Bundesregierung echte Spuren in der Außenpolitik hinterlassen? Anhand welchen Beispiels war das? – Wenn wir uns die Berichte im Außenpolitischen Ausschuss, im Außenpolitischen Rat und im Hauptausschuss oft anhören und ich die Diskussionen noch einmal Revue passieren lasse, so kann man da kaum wirklich etwas entdecken.

Ich kann da mehrere Beispiele anführen, vor allem was unsere Position im Rahmen der Europäischen Union betrifft. Wo sind die Initiativen – sei es bei der Vertiefung, sei es bei der Erweiterung der EU –, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie eine originäre österreichische Handschrift haben? Wo gibt es wirklich – außer dass von Sitzungen berichtet wird – die Erkenntnis, dass wir eine Position bezogen und Einfluss ausgeübt haben?

Genauso ist es, wenn wir uns die Balkan-Politik ansehen. Auch da: vielleicht humanitäre Maßnahmen, vielleicht die eine oder andere Sanitätstruppe, der eine oder andere Lehrer, der ein bisschen hilft, die eine oder andere Spende, die beim Wiederaufbau unterstützen soll. Wo sind


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aber diesbezüglich politische Handlungen gesetzt worden, die letztendlich eine österreichische Handschrift erkennen lassen?

Oder wenn ich mir die Frage ansehe, die neuerdings im Zentrum der Diskussion steht, nämlich die der so genannten strategischen Partnerschaft. Sie haben ja im Rahmen eines Pressegespräches eine Unterlage verteilen lassen, in der Sie unter anderem als einen der Punkte der strategischen Partnerschaft Folgendes anführen: Die zweite Phase ist – in dieser Punktation – die Identifizierung jener gemeinsamen Interessen, die nach erfolgtem Beitritt unserer Nachbarn die Grundlage für eine Interessengemeinschaft, eine Allianz mit unseren Nachbarn bilden kann.

Ja, ich frage mich: Was ist bisher geschehen? Wieso hat man denn bisher nicht wirklich erkennen können oder erkennen wollen, wo hier gemeinsame Interessen sind? – Wenn Österreich jetzt kommt, stellt sich die Frage, ob die Betroffenen überhaupt Interesse daran haben, mit uns gemeinsame Interessen zu finden, ob es diese Interessen überhaupt objektiv gibt, ob sie nicht vielleicht schon direkt nach Berlin, Paris oder in andere Hauptstädte fahren, wo sie mehr Interessen gemeinsamer Art erkennen können, als das bei uns der Fall ist.

Wenn ich das "wording" überdenke, das wir in der Auseinandersetzung um die Atomenergie hatten – so berechtigt dieses Anliegen auch war und ist –, muss ich sagen, die Art und Weise, wie man das ausgetragen hat, hat nicht unbedingt einen Beitrag dazu geleistet, dass das Verhältnis so war, dass das Interesse entstehen konnte, mit uns etwas gemeinsam zu machen.

Oder wenn ich an die Junktimierungsstrategie bei den Beneš-Dekreten und bei den AVNOJ-Beschlüssen denke, über deren Inhalt wir wahrscheinlich gar nicht weit auseinander liegen, muss ich feststellen, die Art zu sagen: entweder die betreffenden Staaten ziehen diese Beschlüsse zurück, oder wir werden unser Veto bei den Beitrittsverhandlungen einlegen – so wie es die FPÖ, wie es Jörg Haider und wie es seine Leute wollen –, das ist doch nicht die Basis, um hier wirklich eine Gesprächsbasis entstehen zu lassen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was sonst? Warum denn nicht?) Da ist doch die ganze so genannte strategische Partnerschaft nur pure Makulatur; da ist doch überhaupt nichts mehr mit einer Perspektive verbunden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn dann eine Regionalkonferenz geplant ist, zu der Vertreter aus Tschechien, aus der Slowakischen Republik, aus Ungarn, aus Slowenien, aus Polen und so weiter nach Wien eingeladen werden, frage ich mich, ob die nicht sofort Assoziationen bekommen, dass der Kaiser seine Regionalfürsten einberuft, um den Zehent zu besprechen. Ich weiß nicht, ob das nicht sein könnte. Und ich weiß nicht, ob diese Staaten sich einfach noch einmal und in einer anderen Form oder gar unter dieser Regierung in irgendeine politische oder wirkliche – unter Anführungszeichen – "Zwangsgemeinschaft" einfügen lassen wollen.

Ich glaube, das ist unausgegoren, das kommt zu spät, und ich fürchte, dass das im höchsten Ausmaß danebengehen wird. Ich sage Ihnen etwas: Ich bin kein Anhänger des Herrn Hoffmann-Ostenhof, kein Anhänger von "profil", aber es ist trotzdem interessant, es manchmal zu lesen, und er schreibt:

"Bei allen historisch günstigen Voraussetzungen, die ein Näherrücken Mitteleuropas hätte" – ich teile zum Beispiel nicht den Begriff "Mitteleuropa" mit ihm, ich sage lieber "Zentraleuropa", aber er sagt lieber "Mitteleuropa" –, "die jetzige Strategie der ,strategischen Partnerschaft‘ ist eine Totgeburt. Da nützen die vollmundigen Erklärungen der Frau Ferrero-Waldner nichts.

Es ist zum Verzweifeln: Österreich hat sich systematisch von der politischen Landkarte Europas wegeskamotiert. Die österreichische Außenpolitik ist, trotz hektischem Getue und freundlichem Gegrinse, am Ende."

Da kann ich Ihnen nur sagen: Das scheint so zu sein! Das ist eine wirkliche Analyse, mit der man sich ernsthaft auseinander setzen muss.

Aber es geht weiter. Es geht ja nicht um Europa, es geht ja nicht um die Nachbarn. Wenn hier zum Beispiel in der Unterlage steht: Wir wollen die Beziehungen zu den Großmächten pflegen!,


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frage ich: Welche Position haben wir jetzt in der sich zunehmend verschärfenden Auseinandersetzung zwischen Washington und Moskau? Wo bringen wir uns da ein? Wo sind unsere Markierungen, die erkennbar sind, im Nahost-Konflikt? Hier hat es doch Traditionen der Vermittlung und der Gespräche gegeben. Sind wir ein Ort, wo man sich wieder treffen will? Will man zu uns kommen? Oder will man nur über uns hinwegfliegen, um sich woanders zu treffen? Ich habe die Vermutung, man will lieber über uns hinwegfliegen, anstatt zu landen und zu uns zu kommen. Wo sind die Initiativen, dass wir sagen können: Auf Wiener Boden hat es in dieser einen oder anderen wichtigen Konfliktfrage globaler Natur ein Treffen, eine Initiative gegeben, wo Österreich auch eine bestimmte Rolle gespielt hat!? Sie werden nichts finden! Das ist das Problem.

Sie haben sich das Leben natürlich auch durch diese Konstellation der Regierung erschwert. Denken Sie doch an die Zeit, die wir gemeinsam durchlitten haben, als diese völlig überflüssigen Sanktionen erlassen wurden. Die haben uns natürlich nicht das Leben erleichtert, sie haben natürlich nicht unsere Reputation erhöht, sie haben natürlich nicht unsere Wirksamkeit sowohl global als auch in Europa verbessert.

Das hat die Politik der Bundesregierung geprägt. Ich erkenne in vielen ihrer Schritte die Mentalität, Österreich kleiner zu machen, als es ist. Das ist bitter, denn so klein sind wir auch wieder nicht. Aber Österreich kleiner zu machen, als es ist, das widerspricht doch einem gewissen Stolz, den wir doch ruhig haben sollen. Ich muss sagen, es ist sehr traurig, dass das zu erkennen ist.

Wären wir – das sage ich jetzt noch einmal – nicht ein Staat, sondern eine Privatfirma, gingen die Zahlungen, die Herr Haider als Regionalmanager für den Schaden, den er mit seinen Äußerungen angerichtet hat, zahlen müsste, in die Millionen, das können Sie mir glauben! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Noch schnell zur Auslandskulturpolitik, zur Auslandskulturarbeit. Ich orte nach mehrmaligem Einfordern eines Konzeptes und nach Klarstellung, wie die Kulturforen überhaupt funktionieren sollen, ob es überhaupt die Möglichkeit einer Finanzierung gibt, wie unabhängig sie von den Botschaftern sind und wie die Botschaften überhaupt organisiert werden sollen, Fortschritte. Hier wird doch, glaube ich, auf unsere Kritik eingegangen. Auf die offenen Fragen, wie jetzt wirklich die Kulturforen definiert sind, welchen Rechtsstatus sie wirklich haben, noch gründlicher einzugehen bietet die heutige Debatte die Chance, und ich möchte Sie ersuchen, das auch noch einmal zu tun, wiewohl ich akzeptiere, dass Sie versuchen, uns doch ein wenig entgegenzukommen. Ich möchte Sie bitten, das deutlicher zu formulieren und in die Diskussion einzubringen, denn auch das ist wichtig.

Man kann nicht permanent kürzen, alles schließen und dann eine Werbefirma damit beauftragen, dass sie irgendwelche Marken erfindet: "Auslandskulturpolitik neu", "Kulturforen". Der Kulturattaché wird dann begrüßt mit: "Guten Tag, Herr Karl, Kulturforum. Sie sind jetzt umbenannt worden, Sie sind kein Kulturattaché mehr." Das ist natürlich zu wenig, es muss doch mit mehr Deutlichkeit gesagt werden, was man will, auch inhaltlich. In Ihrem gesamten Konzept, das Sie vorgetragen haben, gibt es noch viele Unklarheiten. Sie haben im Ausschuss noch immer nicht sagen können, was der kulturelle Mainstream ist. Das würde ich doch gerne noch einmal urgieren. Sagen Sie mir: Was ist der Mainstream? Was ist die Tradition, was ist der Mainstream? Können Sie mir diese beiden Dinge bitte noch einmal ausführen, damit wir uns in der gemeinsamen Diskussion auch wirklich verständigen können!

Ich möchte auch schon schließen. Ich weiß eigentlich nicht, mit wem ich heute hier noch gesprochen habe, denn die Kampagne für den Bundespräsidenten scheint schon zu beginnen. Frau Außenminister! In Umfragen wird schon veröffentlicht, Sie wären eine Kandidatin. Ich frage Sie: Haben Sie das in Auftrag gegeben? Ist das bloß ein Querschuss von irgendwoher? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Na bitte!)  – Ja, bitte, hier steht es: APA, 16.34 Uhr:

"Ferrero-Waldner hat beste Chancen auf Bundespräsidentenamt". – Wollen Sie jetzt Außenminister werden, Herr Klubobmann Khol, oder was? Wollen Sie die Außenministerin in die Hofburg wegloben? Ist das GfK für Sie der nötige Unterstützer, um das zu erreichen? (Abg.


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Dr. Khol: Blödsinn!) Dann ist es besser, Herr Khol beantwortet die Fragen und nicht Sie, Frau Außenminister, dann habe ich sie vielleicht an die falsche Adresse gestellt. Aber die Kampagne scheint schon loszugehen. So beginnen Kampagnen: indem eine vermeintlich unabhängige Meinungsforschungseinrichtung eine Umfrage vorlegt, mit irgendwelchen Personen vergleicht und dann sagt: Das ist die Beste! (Abg. Dr. Khol: Das ist nicht fair! Absolut nicht fair!)

Also bitte, es tut mir Leid, das möchte ich schon noch hinzufügen und mit der Frage verbinden: Frau Außenminister, wollen Sie Bundespräsidentin werden? Beantworten Sie uns diese Frage, klären Sie uns auch darüber heute auf! (Beifall bei der SPÖ.)

17.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.36

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Kollege Cap: Wie geht doch der Schieder ab! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wenn ich Ihnen da so zuhöre, dann weiß ich es erst zu schätzen, wie kompetent Kollege Schieder hier immer als Erstredner aufgetreten ist. (Abg. Haigermoser: Der Ruf nach Schieder erschallt!) Es wundert mich auch, dass als Erstredner nicht Kollege Einem, sondern Kollege Cap aufgetreten ist. Es gibt also drei außenpolitische Lager in Ihrer Fraktion, und im Moment hat Kollege Cap die Nase vorn in dieser sehr gespaltenen außenpolitischen Fraktion. – So scheint es zu sein.

Kollege Cap! Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Sie natürlich lange Zeit für die Europapolitik dieser Fraktion nicht zuständig waren und somit nicht wissen müssen, dass es, solange es einen sozialistischen Bundeskanzler gegeben hat und wir schon in der Europäischen Union waren, keine Handschrift Österreichs gegeben hat, die auf europäischer Ebene festzustellen war. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Klima oder Vranitzky irgendwo Spuren hinterlassen haben. (Ruf bei den Freiheitlichen: Im Budget!) Ich habe das auch gestern festgestellt. Bis heute konnte kein Nachweis darüber erbracht werden. (Abg. Dr. Khol: Klima hat Spuren hinterlassen! Im Budget!)

Tatsache ist, dass es dieser Bundesregierung vorbehalten war, zum ersten Mal nachhaltig österreichische Spuren auf europäischer Ebene zu hinterlassen, und das war in Nizza. Ich glaube, dass der Post-Nizza-Prozess, der damals auch beschlossen wurde, weitere Gelegenheit für die österreichische Politik bietet, Spuren zu hinterlassen. Ich bin überzeugt davon, dass das auch geschehen wird. Es gibt bereits einige wesentliche Überlegungen, und zwar auch Überlegungen, die in erster Linie im österreichischen Interesse sein müssen, Überlegungen, die im Endeffekt bei den Österreichern und Österreicherinnen gut ankommen.

Frau Bundesminister! Es ist aber auch richtig, dass die Europäische Union – Sie haben ja in mehreren Interviews im Vorlauf dieser Debatte gesagt, das sei der Bereich, dem Sie sich am meisten widmen werden – in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bis dato nicht sehr erfolgreich war, dass vieles von dem, was man erwartet hat, nicht erfüllt werden konnte. Da gebe ich Kollegen Cap Recht: Was die Situation im Nahen Osten anlangt, hat die Europäische Union nicht wirklich Flagge gezeigt, obwohl das hoch notwendig wäre und zuletzt auch von Annan eingefordert wurde – wie ich meine, auch zu Recht. Ich ersuche Sie recht höflich, auf europäischer Ebene auch einmal mit Nachdruck die Forderung zu deponieren, dass die Europäische Union die Pflicht hat, im Nahen Osten zumindest für gleiches Recht für alle einzutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, Frau Bundesminister, ohne Zweifel liegt unser Schwerpunkt im Bereich der Europäischen Union. Ich habe gestern ausgeführt, dass wir es verabsäumt haben, in Stockholm die gemeinsame Agrarpolitik etwas näher zu beleuchten. Wir haben aktuelle Probleme, und diese aktuellen Probleme hätten durchaus einer näheren Erläuterung auf dem Agrargipfel bedurft.

Es ist Tatsache, dass das System modifiziert werden muss, bevor erweitert wird, weil es nicht sinnvoll ist, ein schlechtes System, ein krankes System, das noch dazu sehr viel Geld kostet, womöglich auf eine erweiterte Union zu übertragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Deshalb meine ich, dass die gemeinsame Agrarpolitik als Voraussetzung für eine Erweiterung grundlegend reformiert werden muss, weil das, was bis jetzt alles an Problemen entstanden ist, sicherlich aus einer falschen Struktur resultiert und auch die Finanzierung wahrscheinlich nicht gegeben sein wird, wenn das auf einen noch größeren Raum zu übertragen ist.

Übrigens möchte ich da durchaus auch die interessanten Überlegungen des künftigen Ratsvorsitzenden Verhofstaat mit einbringen, der betont hat, dass für ihn das Follow-up von Tampere, die EU-Erweiterung und der Post-Nizza-Prozess eine sehr, sehr große Rolle spielen werden. Zum Post-Nizza-Prozess hat er gemeint, dass es 50 Jahre nach Gründung der EGKS nicht nur möglich sei, die europäische Integration als Open-ended-Prozess fortzusetzen, sondern er könne sich zum Beispiel durchaus vorstellen, im Bereich der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik noch weitere Integrationsschritte zu setzen, dafür aber – und das ist das Interessante – in anderen Bereichen Kompetenzen auf die nationale oder regionale Ebene rückzuverlagern. Und das ist etwas, worauf wir auch unser Augenmerk legen sollten.

Frau Bundesminister! Wir sind der Ansicht, dass Subsidiarität nicht nur im Mund geführt werden sollte, sondern dass wir Subsidiarität jetzt endlich auch einmal mit Leben erfüllen müssen. Ich glaube, wir sollten die künftige Diskussion auch dieser Frage widmen: Was ist für die österreichische Politik Subsidiarität? Wie soll sie aussehen? Wie wollen wir sie gemeinsam umsetzen? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte.

17.43

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Außenamtes sowohl meinen Dank als auch meinen Respekt für das, was sie vor allem im letzten Jahr geleistet haben, aussprechen. Gerade dieses letzte Jahr 2000 war wohl ein sehr hartes, ein sehr schwieriges. Die Leute, die im Ausland in den Botschaften tätig sind, waren ständig konfrontiert mit Fragen danach, was denn jetzt in Österreich los sei. Sie mussten versuchen, die Situation in Österreich klarzulegen und differenziert klarzulegen (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger ), dass es in Österreich eine Regierung gibt mit der Beteiligung einer Partei, die im internationalen Kontext durchaus als rechtspopulistisch mit rechtsextremen Elementen zu deklarieren ist, dass es aber auch Menschen in diesem Land gibt, die diese Partei nicht gewählt haben, und dass die Demokratie in diesem Land immer noch sehr lebendig ist. Hier haben die Beamten und Beamtinnen des Außenministeriums wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet, und dafür möchte ich mich bei ihnen bedanken und ihnen auch meinen Respekt aussprechen. (Beifall bei den Grünen.)

Nichtsdestotrotz, um auf das Budget und auch die Außenpolitik insgesamt zu sprechen zu kommen, wird es Sie nicht wundern, auch auf Grund früherer Wortmeldungen, dass ich sowohl damit, was budgetär vorgegeben wird, als auch damit, was derzeit außenpolitisch passiert, nicht zufrieden sein kann. Es tut mir Leid. – Ich wäre es sicher gerne.

Frau Ministerin! Nach dem Ende der Sanktionen letztes Jahr und nach dem OSZE-Vorsitz, der Ihnen ja die Möglichkeit gegeben hat oder gegeben hätte, international gestaltend einzugreifen, offensive Außenpolitik zu gestalten, ist das, was wir seit Beginn dieses Jahres erleben, nicht geprägt von einer offensiven Außenpolitik, von einer, die aufzeigt: Wir wollen gestalten! Als Beitrag Österreichs zum Beispiel hinsichtlich der Probleme in Südosteuropa kam – eine der meistzitierten Ihrer Aussagen der letzten Wochen – die Aussage, dass das Mandat der KFOR-Truppen in Mazedonien ausgeweitet werden sollte. Es war nicht die Rede davon, andere Maßnahmen zu setzen, zum Beispiel auch im Rahmen der EU stärker tätig zu werden, zum Beispiel so etwas wie einen Sonderbeauftragten für die Region zu fordern. So etwa hätten Sie auch agieren können.

Sie hätten auch österreichische Positionen in die EU einbringen können, um zum Beispiel eine konzertiertere und klarere Politik der Europäischen Union gegenüber dem Nahen Osten darzu


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legen. Wo sind hier – und das hat auch Kollege Cap schon angesprochen – die Positionen Österreichs, gerade gegenüber dem Nahen Osten, wo ist die offensive Politik des Vermittelns, des Verhandelns, die Österreich früher verfolgt hat? Ich würde mir wünschen, Österreich würde solche Positionen in die EU einbringen und danach trachten, dass eine, wie gesagt, offensivere Außenpolitik auch der EU stattfindet. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger. )

Oder: Post-Nizza-Prozess. Wann, Frau Außenministerin, ist von Ihnen zu hören, dass Sie sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass es unter Einbeziehung der Beitrittsländer einen Konvent – wie das bei der Grundrechts-Charta der Fall war – für den Post-Nizza-Prozess geben soll, wenn Ihnen schon die "strategische Partnerschaft" so wichtig ist? Das habe ich von Ihnen noch nicht gehört! Das wäre aber eine der Positionen, die ich mir wünschen würde.

Was die Erweiterung betrifft, möchte ich sagen, Österreich sollte Vorreiterland sein für die Öffnung der Grenzen, aber nicht nur für die Wirtschaft, nicht nur für die Österreicherinnen und Österreicher, die über die Grenzen gehen können und sich dort ansiedeln und arbeiten können, sondern auch für die Menschen von drüben, die in unser Land kommen wollen. Sie aber versuchen im Gegensatz dazu, innerhalb der EU durchzusetzen, dass es nicht, wie die Kommission es früher wollte, vielleicht nur vier Jahre Übergangsfristen für die Freizügigkeit gibt, sondern jetzt gibt es auf jeden Fall fünf, und für die Länder, die mehr wollen, gibt es sieben. Für Österreich gibt es sieben Jahre! Das heißt, vor 2010, 2012, das haben Sie selbst im Ausschuss gesagt, wird es keine Personenfreizügigkeit geben. – Frau Ministerin! Ich an Ihrer Stelle wäre darauf nicht stolz! (Beifall bei den Grünen.)

Durch diese Haltung signalisieren Sie nämlich den Beitrittsländern, dass wir nicht wollen, dass Menschen aus diesen Ländern bei uns arbeiten können, nämlich legal arbeiten können, nicht auf dem Schwarzmarkt. Sie signalisieren: Wir wollen sie nicht da haben, nicht so bald, das soll noch dauern, das soll noch ein Jahrzehnt dauern, von heute an gerechnet! Das sagen Sie einerseits, und auf der anderen Seite propagieren Sie die "strategische Partnerschaft".

Frau Ministerin! Das macht Sie unglaubwürdig! In den letzten Tagen und Wochen sind mehrere Artikel im "Standard" erschienen, auch heute wieder, wo es eben darum geht: Wie sehen die Beitrittsländer Österreich? Der slowenische Botschafter in Österreich zum Beispiel sagt:

Grundsätzlich ist so eine Partnerschaft schon sinnvoll, aber die Skepsis besteht bei der Umsetzung. Die Skepsis besteht darin, dass es ungleiche Partner gibt! Und zwischen Ungleichen eine Partnerschaft zu entwickeln, das ist natürlich sehr schwierig bis unmöglich. Außerdem sagt der Botschafter, es müssten auch die "bekannten ständigen Störungen eliminiert" werden. Wir wissen, worauf er sich bezieht. (Abg. Haigermoser: Was ist das zum Beispiel!) Das sagt der slowenische Botschafter: "die bekannten ständigen Störungen zu eliminieren", jene zum Beispiel, dass die Freiheitlichen immer fordern: Veto! Solange Slowenien nicht die AVNOJ-Bestimmungen abgeschafft hat, einfach ein Veto gegen den Beitritt! (Abg. Haigermoser: Super! Das wollte ich hören! Von wegen Menschenrecht!)

Frau Ministerin! Ich weiß, dass Sie das nicht so sehen, aber Sie befinden sich hier ständig im Zwiespalt. Die Freiheitlichen sagen etwas, Sie sagen dann wieder, es sei ohnehin nicht so, Sie wollten das anders, Sie bestimmten die Außenpolitik. Diese Aussagen kommen immer und immer wieder, und die Tatsache, dass Sie jetzt durchsetzen, dass es für Österreich siebenjährige Übergangsfristen geben wird, ist für mich ein Zeichen, dass Sie die Außenpolitik Freiheitlichen-verträglich machen wollen und nicht eigenständig agieren. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger. )

Eine weitere Frage: Wie ist das jetzt wirklich mit Herrn Dr. Busek? Ist er jetzt Ihr persönlicher Erweiterungsbeauftragter im Außenministerium, wie die Freiheitlichen das behaupten, oder ist er der Erweiterungsbeauftragte der Regierung, wie das im Ministerrat ja einstimmig beschlossen wurde? Darüber gab es letzte Woche wieder Geplänkel. Herr Kollege Westenthaler war dagegen, Sie sind wieder dafür. Ist er jetzt Beauftragter der Regierung, oder ist er Ihr persönlicher Beauftragter im Außenministerium? Darauf hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen.


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Frau Ministerin! Ich habe den Eindruck, dass Sie den Mangel an kreativer, an eigenständiger, gestaltender Außenpolitik damit zudecken wollen, dass Sie jetzt verschiedene Werbekampagnen ins Spiel bringen. Es wird jetzt für die strategische Partnerschaft geworben, und dann soll es die Österreich-Plattform geben, wo auch die Parteien zu einem Treffen eingeladen werden – leider am nächsten Montag, an dem wir eine Plenarsitzung des Nationalrates haben. Aber mir ist noch nicht ganz klar, was genau hier das Ziel ist. Wer sollen die Partner in dieser Plattform sein? Kommt das Geld aus dem Öffentlichkeitsarbeitsbudget des Außenministeriums? Was soll damit gemacht werden? Oder gibt es da auch wieder eine Werbekampagne mit großen Fernsehspots, Plakaten, Inseraten und so weiter, die klarmachen soll, dass die Österreicher für die Erweiterung sind, obwohl wir wissen, dass es da massive Widerstände innerhalb Ihrer Regierung gibt?

Frau Ministerin! Ich behaupte: Wenn es eine offensive, gestalterische österreichische Außenpolitik gäbe, die nicht ständig vom Störfaktor FPÖ gestört würde, dann würden Sie diese Werbekampagne nicht brauchen, dann könnten Sie nämlich gestalterisch Außenpolitik betreiben, dann bräuchten Sie nicht diese Faktoren zuzudecken, um zu zeigen, dass alles in Ordnung ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Apropos Werbekampagne: Sie haben heute eine Werbekampagne vorgestellt, die "Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit" heißt. In der APA ist dazu zu lesen, dass Sie jetzt die Aufforderung zum persönlichen Handeln für eine gerechtere Welt in den Mittelpunkt Ihrer Informationsinitiative stellen wollen, dass es TV-Spots, Inserate, Banner-Werbung geben soll, die die Handlungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen aufzeigen; die aufzeigen, dass es uns alle angeht, dass jede und jeder Einzelne sich persönlich einbringen kann, um diese Welt gerechter zu machen.

Frau Ministerin! Sie sind Außenministerin. Sie sind Politikerin. (Abg. Dr. Khol: Das weiß sie!) Eine Initiative Ihres Ministeriums, dass jede und jeder Einzelne etwas tun soll, um gerechter zu handeln, ist nicht Ihre Aufgabe, wage ich hier zu behaupten. (Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner: Selbstverständlich ist es das!) Ihre Aufgabe ist es nicht, Werbekampagnen zu machen, sondern Politik. Heute wird das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit beschlossen, das gegenüber dem letzten Jahr wieder einmal um 15 Millionen Schilling zurückgegangen ist, gegenüber dem Erfolg des Jahres 2000 wurde es sogar um 12 Prozent gekürzt, und gleichzeitig machen Sie eine Werbekampagne, in der die Menschen aufgefordert werden zu spenden. – Wohin sollen sie denn dann spenden? Da gibt es Fernsehspots, wo beispielsweise ein kleiner Bub gezeigt wird und dann steht: "Lehrling oder Soldat?". Dann wird "Lehrling" angeklickt, und dann steht: "Sie haben die Wahl". Danach kommt noch: "Das ist eine Initiative der Außenministerin". – Frau Ministerin! Ich hoffe, dass dann, wenn es Inserate sind, zumindest ein Spendenkonto dabeisteht.

Aber ich frage mich: Wohin gehen diese Spenden dann? Entscheiden Sie dann, welche Organisation diese Spenden bekommt?

Abgesehen davon: Das Sammeln von Spenden ist wichtig und notwendig – und viele Organisationen in Österreich machen das sehr gut –, aber die Aufgabe des österreichischen Staates ist es nicht, vor allem zum Spenden Sammeln aufzurufen. Es kann nicht heißen: Die Leute sollen mehr spenden, sollen selbst mehr handeln, wir haben halt im Außenministerium leider weniger Geld, und daher zahlen wir weniger und schieben das jetzt auf jede Einzelne und jeden Einzelnen ab.

Ich sage nicht, dass es nicht eines höheren Bewusstseins bedarf, aber das Budget für die Öffentlichkeitsarbeit der Sektion für Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium wurde um 5 Millionen – von 10 Millionen auf 15 Millionen Schilling – erhöht, während die entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeitsorganisationen jedes Jahr weniger Geld bekommen. Das sind aber jene, die Jahre und Jahrzehnte hindurch Bildungsarbeit in diesem Lande gemacht haben und machen, die nicht nur einzelne Fernsehspots oder ein Inserat schalten, sondern die Bildungsarbeit in den Schulen, in Gruppen leisten, um das Bewusstsein zu stärken.


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Frau Ministerin! Sie ersetzen die Entwicklungspolitik, die für Österreich wichtig ist und die diese Welt grundsätzlich braucht, durch Werbekampagnen! Das ist beschämend. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger.  – Abg. Öllinger: Kampagnen-Regierung!)

Sie machen das ja nicht nur in der Entwicklungspolitik, sondern die Regierung macht ja überhaupt Werbekampagnen, um zuzudecken, was alles sie an Problemen schafft, statt Probleme zu lösen.

Frau Ministerin! Heute Vormittag haben uns entwicklungspolitischen Sprecherinnen und Sprechern die Vertreter der AGEZ, der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit, einige harte Nüsse überreicht. Ich darf Ihnen diese Nüsse im Namen der entwicklungspolitischen NGOs weitergeben – es sind Paranüsse, sehr hart zu knacken! –, denn diese Organisationen werden an der Reduzierung dieses Budgets noch sehr lang und hart zu kauen haben. Sie haben Jahre hindurch etwas aufgebaut, was sie durch die Reduzierung des Budgets nicht mehr wirklich weiterführen können. Werbekampagnen sind nicht dazu geeignet, das Budget wieder zu erhöhen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Lunacek überreicht der auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner Paranüsse.)

Noch ein Punkt dazu: Es ist Ihnen selbst ein Anliegen – darüber haben wir schon öfters diskutiert –, dass die Spenden von der Steuer absetzbar sind. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, es darf nur nicht so sein, dass die Spenden absetzbar werden, aber das Budget des Außenministeriums für die EZA immer geringer wird. Bei einer der Diskussionen war auch jemand aus dem Finanzministerium anwesend, und da war ganz klar, dass der Finanzminister diesem Vorschlag nicht zustimmen wird. Und jetzt rufen Sie dazu auf, dass die Leute mehr spenden? – Frau Ministerin! Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Es passt nur insofern zusammen, als das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit immer geringer wird, gleichzeitig aber Werbung dafür gemacht wird, um zuzudecken, was hier alles fehlt. Sie wollen diese Dinge selbst im Amt machen und nicht mehr die Nicht-Regierungsorganisationen ihre lang bewährte Arbeit machen lassen.

Frau Ministerin! Ich hoffe sehr, dass diese harten Budgetnüsse, diese harten inhaltlichen Nüsse, die die Organisationen durch Sie zu knacken haben, den Organisationen nicht im Halse stecken bleiben und deren jahrzehntelange Bemühungen nicht zunichte machen. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Sinne hoffe ich, dass das Budget wirklich – wie Sie angekündigt haben – im nächsten Jahr wieder steigen wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die Frau Minister wird diese Nüsse leicht knacken!)

17.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

17.58

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Zur Kritik von Kollegen Cap und Kollegin Lunacek, dass man keine Spuren der österreichischen Außenpolitik sieht: Meine Damen und Herren! Dass die Frau Bundesministerin mit ihren Werten hervorragend liegt – das sei dem Kollegen Cap geantwortet –, liegt daran, dass sie eine hervorragende Außenpolitik macht. Das ist schon die beste Antwort darauf, wie die Österreicher diese Außenpolitik beurteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Lunacek! Wenn Ihnen die Spuren der österreichischen Außenpolitik nicht deutlich genug sind, dann wohl deshalb (Abg. Schwarzenberger: Weil sie blind ist!), weil Sie die Augen verschließen – und dann beklagen Sie sich bei uns, dass Sie nichts sehen können. Das ist aber die Art und Weise, wie man Politik nicht betreiben soll! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Lunacek: Das ist Ihre Sicht der Dinge!) – Ich werde gerne


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versuchen, Ihnen die Augen zu öffnen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir haben immer eine klassische Dreiteilung unserer Außenpolitik gehabt: die Europapolitik, die Nachbarschaftspolitik und die Weltpolitik. In allen drei Bereichen setzen diese Außenministerin und das Außenamt Schwerpunkte. (Abg. Mag. Lunacek: In der Werbekampagne!)

In der Europapolitik: Meine Damen und Herren, die Erweiterung ist das Projekt für Österreich, das auch alle Österreicher berührt – wahrscheinlich das größte Projekt seit unserem Beitritt und das größte Projekt für die Europäische Union selbst.

Was tun wir in Österreich dazu? – Zunächst ist es ganz wichtig, dass das Kapitel, das jetzt in den Beitrittsverhandlungen mit den Beitrittswerbern eröffnet ist, nämlich Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auch so behandelt wird, dass es für uns verträglich ist. (Abg. Mag. Lunacek: Für die auch, nicht nur für uns!) Ich teile hier die Kritik, die der ÖGB, die die Arbeiterkammern immer wieder äußern. Wir brauchen Übergangsfristen für die Grenzregionen. Was tut die Außenministerin? Was tut der Bundeskanzler? – Wir versuchen (Abg. Mag. Lunacek: Die ÖVP war da anderer Meinung! Sieben Jahre!) Übergangsfristen festzumachen – in flexibler Art und Weise: fünf Jahre plus eine Ausweitungsmöglichkeit um zwei Jahre, daher maximal sieben Jahre.

Es geht aber auch in die andere Richtung. Wenn der Lebensstandard bei unseren Nachbarn so hoch ist, dass wir früher öffnen können, werden wir das auch tun. (Abg. Mag. Lunacek: Einstimmiger Beschluss ist notwendig!) Ich glaube, das ist genau jene Art, wie man Außenpolitik richtig betreibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Thema Nummer zwei: die strategischen Partnerschaften. Was soll eine Außenministerin denn Besseres tun, als heute Fundamente zu legen für eine Zusammenarbeit mit diesen Beitrittswerbern, wenn sie einmal Mitglied in der Europäischen Union sind? (Abg. Dr. Cap: Zu spät!) Das sind die Brücken, die wir schlagen. Wir wollen, dass Mitteleuropa einmal ein Schwerpunkt in dieser großen Union ist. Und wenn wir dazu heute mit unseren Nachbarn entsprechende Verbindungen aufnehmen, uns für viele Jahre im Voraus Partnerschaften organisieren, ist das gelebte Außenpolitik. Das ist hervorragend, würde ich sagen.

Wenn wir zum Dritten jetzt beginnen, in einer Österreich-Plattform auch die Österreicher über die Vorteile der Beitrittswerber und einer großen Union zu informieren, so ist das genau das, was wir brauchen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist kein Einseifen oder sonst etwas, das ist ein Informieren. Informieren gehört dazu, und das brauchen wir, Herr Kollege Cap. Auch Ihre Partei ist bereit, an dieser Österreich-Plattform mitzuwirken, was wir sehr begrüßen.

Daher, meine Damen und Herren, ist die Europapolitik perfekt vorbereitet.

Auch in der Nachbarschaftspolitik hat die Frau Außenministerin bisher vieles getan. Wenn jetzt der tschechische Außenminister anlässlich seines Besuches in Österreich zum ersten Mal angekündigt hat, er könne sich sehr wohl in der Frage der Vergangenheitsbewältigung eine Lösung vorstellen, so ist das eine Neuerung. Das ist genau eine Bestätigung des Weges, den diese Außenministerin vorgeschlagen hat, nämlich bilateral mit unserem Nachbarn Tschechien und mit unserem Nachbarn Slowenien Fragen der Vergangenheit zu klären. Es ist genau dieser Weg, der jetzt Stück für Stück zu einem Erfolg führt.

Ich möchte die Frau Bundesministerin dazu beglückwünschen, weil ich nicht annehme, dass dem tschechischen Außenminister diese Äußerung so locker von den Lippen gekommen ist, denn die muss er einmal zu Hause vertreten. Dass er sie gemacht hat, ist ein Zeichen dafür, dass das Außenpolitik genau nach Maß Österreichs ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zur Frage der Weltpolitik: Was hat Österreich für Initiativen im Rahmen der UNO gesetzt? Denken wir etwa an den ganzen Fragenkomplex im Zusammenhang mit den Landminen! An dieser Initiative hat auch Frau Kollegin Jäger mitgewirkt. Es war ein erfolgreiches Projekt, das die jetzige Ministerin, damals noch Staatssekretärin, vorbereitet hat. Was haben wir nicht alles im


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Rahmen der UNO-Vollversammlung für den Schutz des Kindes gegen die Schlepperorganisationen getan! Viele österreichische Initiativen wurden da gesetzt.

Also Sie können sehen, sowohl in der Europapolitik als auch in der Nachbarschaftspolitik, als auch in der Weltpolitik hinterlässt Österreich deutliche Spuren, und ich beglückwünsche die Frau Bundesministerin dazu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nun zum Budgetkapitel "Äußeres": Es zeigt sich, meine Damen und Herren, dass die Einschnitte, die auch im Außenministerium so wie in allen Ressorts gemacht werden müssen, deshalb besonders schmerzlich sind, weil das ein kleines Ressort mit einem kleinen Budget, aber mit großen Auswirkungen ist. Ich bedauere es auch zutiefst, dass wir bis an jene Schwelle herankommen, ab welcher Substanz und Qualität nur mehr verloren werden können. Jetzt ist die letzte Marke erreicht, wo man noch alles Mögliche aufschieben kann, um die Außenpolitik noch halbwegs zu gewährleisten. (Abg. Mag. Lunacek: Halbwegs!)

Aber ich will nicht, dass die Serviceeinrichtungen unserer Vertretungsbehörden im Ausland Schaden nehmen, dass es zu Engpässen kommt, wenn Österreicher Hilfe brauchen. Ich will auch nicht, dass man bei der Substanz der Gebäude, die wir besitzen, jetzt die notwendigen Maßnahmen so weit aufschiebt, dass das Ganze dann vielleicht unrettbar in einer Katastrophe endet.

Ich denke, die Mittel sind wirklich sehr knapp, und wir haben die letzte Schwelle fast erreicht. Daher bestätige ich die Meinung der Frau Bundesministerin, dass im nächsten Jahr unbedingt eine Steigerung des Budgets im Außenamt erreicht werden muss. Die Frau Bundesministerin versucht ja, Schwerpunkte auch unter diesen schwierigen Budgetbedingungen zu setzen, aber dass ihr das natürlich äußerst schwer fällt, ist uns klar.

Was die Mitarbeiter anlangt – und damit möchte ich meine Rede schließen –, habe ich bei meinen vielen Reisen nicht feststellen können, dass unsere Diplomaten und die Mitarbeiter des Außenamtes angesichts dieser schwierigen Rahmenbedingungen demotiviert wären. Ganz im Gegenteil: Sie betreuen uns als Abgeordnete hervorragend, sie bieten aber auch den Österreichern eine hervorragende Serviceeinrichtung. Daher möchte ich mich auch namens meiner Fraktion bei allen Damen und Herren im auswärtigen Amt bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner. – Bitte.

18.05

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Zum Ersten möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass man meinen Beamtinnen und Beamten hier Lob, Anerkennung und Respekt gezollt hat. Ich glaube, es war nicht nur letztes Jahr, sondern ist insgesamt unsere Beamtenschaft eine ausgezeichnete, und wir werden genauso weiterarbeiten wie bisher. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum Zweiten lassen Sie mich sagen, dass ich mir eigentlich schon gewünscht hätte, dass Sie alle auch sehen und hören können, denn was ich allein in den letzten drei Monaten – wir haben erst Ende März – an außenpolitischen Initiativen gesetzt habe, das, meine sehr verehrten Abgeordneten, kann sich, glaube ich, schon sehen lassen. Das ist zum Einen, nachdem wir in die Phase der Erweiterung eintreten, die Strategische Partnerschaft plus die Plattform – auf diese komme ich noch zu sprechen –, das ist zum Zweiten ein neues Kulturkonzept, das notwendig wurde, und das ist zum Dritten – ebenfalls in sehr, sehr kurzer Zeit realisiert – eine neue Unterstützung für die Entwicklungszusammenarbeit, die nicht sehr einfach ist, weil die NGOs es bisher nicht geschafft haben, jene Bewusstseinsbildung zu schaffen, die wir uns alle wünschen würden und die auch ich gerne sehen würde. (Abg. Jäger: Schuld ist, dass kein Geld da ist!)


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64. Sitzung / Seite 136

Zur Strategischen Partnerschaft: Es ist ganz anders, als Sie das sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Alle Außenminister jener Länder, die ich eingeladen habe, begrüßen diese Idee sehr. Ich habe gestern darüber ein langes und positives Gespräch mit dem tschechischen Außenminister Kavan geführt. Es werden voraussichtlich auch alle kommen. Der polnische Außenminister Bartoszewski weiß es noch nicht genau, aber auch er begrüßt diese Idee. Ich werde wahrscheinlich bei einem Polen-Seminar am Sonntag in Alpbach auch mit Polen noch einmal diese Sache nicht nur besprechen, sondern auch gemeinsam vorstellen.

Da würde ich mir wünschen, dass Sie zuhören wollten. Diejenigen, die in diesen Ländern für die Außenpolitik verantwortlich sind, sind sehr wohl damit einverstanden, weil sie genau das sehen, was ich dadurch bezwecke, nämlich in einer ersten Phase vom Status quo ausgehend auf bestimmte Projekte und gemeinsame Interessen hinzusteuern. Wir müssen fokussieren und bereits – auch das haben Sie offensichtlich nicht gehört – mit diesen Kandidatenländern die Zukunft der EU erörtern beziehungsweise die Post-Nizza-Debatte führen. Das stand schon im Einladungsbrief, aber den haben Sie ja nicht gesehen. Da war ich die Erste, die das vorgeschlagen hat. In einer zweiten Phase, wenn die Staaten – und das wird wahrscheinlich ab 2004 der Fall sein – beitreten, werden wir dann mit diesen Staaten gemeinsam Interessen identifizieren, besprechen, und zwar so ähnlich, wie das in den BENELUX- und in den skandinavischen Ländern läuft.

Ich darf Ihnen sagen, dass diese Länder das sehr wohl sehr positiv sehen. Was sie sich von uns erwarten, das ist eben eine Unterstützung in der jetzigen Phase, um dann mit uns gemeinsam die Interessen zu vertreten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Österreich-Plattform ist keine Werbekampagne. Da haben Sie entweder nicht zugehört oder mich gründlich missverstanden. Was es ist, ist ganz klar: eine Plattform, auf der erstens alle politischen Parteien mitzumachen eingeladen sind und zweitens eine ganze Reihe von Netzwerkpartnern sind, damit wir, ähnlich wie wir das damals bei der Euro-Initiative gemacht haben, mit der Bevölkerung einen Dialog führen können. (Abg. Mag. Lunacek: Das hätten Sie schon längst tun sollen!)

Wahrscheinlich ärgert es Sie, dass wir mit der Bevölkerung in einen Dialog eintreten, aber genau das ist das Richtige, denn wir wollen selbstverständlich Pro und Kontra in den einzelnen Fragen mit der Bevölkerung – sowohl in den Bundesländern als auch in den Grenzregionen – diskutieren. Ich glaube, das müssten Sie doch sehen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Sie sagen, wir hätten keine Initiativen gesetzt, dann haben Sie wieder nicht zugehört! Zum Beispiel habe ich im Rat "Allgemeine Angelegenheiten" letzten Montag, noch vor dem Europäischen Rat von Stockholm, und in Stockholm selbst einige Initiativen gesetzt. Aber auch das haben Sie offensichtlich nicht lesen wollen!

Was glauben Sie denn, warum Solana noch einmal nach Mazedonien gefahren ist? – Weil er als Beauftragter der EU dorthin als "Facilitator" ging, und zwar auf meine Initiative hin. Er war froh, dass ich diese Initiative ergriffen habe. Wir brauchen keinen zusätzlichen Sonderbeauftragten, sondern er ist der Sonderbeauftragte der EU. Das ist ganz wichtig!

Dasselbe gilt für den Nahen Osten. Die Situation im Nahen Osten ist derartig heikel und schwierig, dass keiner der großen Staaten derzeit eine Lösung findet. Wir haben x-mal darüber diskutiert, und wir sind wieder dabei, diese Frage zu diskutieren. Auch beim Europäischen Rat von Stockholm wurde diese Frage diskutiert. Wir alle sind zu der Meinung gelangt: Wir versuchen eine Rolle für die EU zu finden, aber eine Rolle, die vernünftig ist.

Zum ersten Mal gibt es nach langer Zeit eine neue Administration in Amerika. Zum ersten Mal gibt es in Israel eine neue Regierung. Das heißt, da sind die Parameter völlig neu gesetzt. Das wird selbstverständlich gesehen, und die EU sucht da ihre Rolle. So war Solana nach dem Rat "Allgemeine Angelegenheiten" in Israel, und zwar noch am selben Tag. Ja, warum denn? – Eben auf Grund dieser Ideen.


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Aber was erwarten Sie sich denn, dass Österreich da speziell macht? – Österreich als Mitglied der Europäischen Union hat da seine Stimme einzubringen. Das ist das Wesentliche!

Auch im letzten Jahr habe ich eine ganze Reihe von Initiativen im Rahmen der OSZE gesetzt. Auch damals haben Sie offensichtlich nicht zugehört! Dass Zentralasien heute in der OSZE auf der Landkarte zu finden ist, dass das Thema "Drogen", dass das Thema "Bekämpfung des Schlepperwesens" und dass das Thema "Terrorismus" angesprochen wurde, das geht bitte auf österreichische Initiative zurück. Zum ersten Mal wurde auch der Kaukasus – ein besonders schwieriges Gebiet – zu einem Thema der Gespräche.

Der Balkan, das nächste Nachbarschaftsgebiet, bleibt selbstverständlich Ziel unserer Initiativen. Warum war der mazedonische Außenminister gerade jetzt in Österreich, obwohl sich sein Land in einer Krisensituation befindet? – Weil er sieht, dass Österreich ein befreundetes Land ist, ein Land, dem man zuhört und das auch Initiativen setzt. Wir haben gerade jetzt, in einem schwierigen Moment, ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet. Das wurde von den Mazedoniern als ein Schritt gefeiert, den sie brauchen, damit es Investitionen gibt, damit es mehr Arbeitsplätze gibt und damit die Jugend im Land befriedet wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auch was den Post-Nizza-Prozess betrifft, haben Sie offensichtlich nicht zugehört. In vielen meiner Vorträge habe ich ganz genau gesagt, worin wir die vier Schwerpunkte sehen. Dazu gehört erstens die Vereinfachung der Verträge. Wichtig ist zweitens auch die Frage der Kompetenzaufteilung. Diese muss natürlich erst andiskutiert werden. Das ist ein ganz kompliziertes Gebiet. Da muss man sich jeden Artikel anschauen. Weiters wichtig ist drittens die große Frage: Wird die Grundrechtscharta sozusagen eine Basis der Verfassung? Wir würden es uns wünschen! Viele andere tun das aber leider nicht. Und die noch größere Frage ist viertens: Wie wird die Rolle der nationalen Parlamente sein, oder wird es eine zweite Kammer des Europäischen Parlaments geben?

All das ist hier bereits von mir angesprochen worden. Außerdem hat, wie Sie wissen, der Bundeskanzler zu einer parlamentarischen Enquete eingeladen.

Letzter Punkt: die Entwicklungszusammenarbeit. Dazu darf ich Ihnen sagen: Ich glaube, dass es enorm wichtig ist, dass wir uns über die normalen Maßnahmen hinaus selbstverständlich weiterhin bemühen, diesbezüglich das Bewusstsein in der Bevölkerung zu stärken. Die NGOs erhalten seit vielen Jahren ungefähr denselben Betrag – manchmal etwas mehr, manchmal etwas weniger – für Öffentlichkeitsarbeit. Der Erfolg hängt aber nicht allein davon ab, sondern entscheidend ist auch der Umstand, wer eine gewisse Reichweite hat und wie man diese Reichweite einsetzt.

Ich darf Ihnen dazu sagen: Wenn Sie sowohl die Broschüre, die wir dazu gemacht haben, als auch den Fernsehspot sehen werden, dann werden Sie merken, dass es da ganz klar heißt: Was Sie tun können, erfahren Sie unter www.eza.gv.at oder unter einer Telefonnummer. Meine Damen und Herren! Es sind nicht nur Spenden, sondern es ist selbstverständlich eine ganze Reihe von anderen Dingen, um die es da geht. Sie können zum Beispiel "Fair trade" kaufen. Auch das gehört dazu.

Das heißt: Wenn Sie fair wären, dann müssten Sie diese Aktion eigentlich unterstützen! Aber leider betreiben Sie nur Opposition. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Edler: Sie sind polemisch!)

Zur Kulturarbeit möchte ich auch etwas sagen. Man sagt: Was hat denn die Außenministerin da für Ideen? – Haben Sie schon etwas von "Culture for Enlargement" gehört? Da geht es um die begleitende Kulturarbeit für die Strategische Partnerschaft. Das Konzept dafür ist ausgearbeitet, das Vorhaben wird bereits vorbereitet. Ja, was wollen Sie denn mehr, als dass die Strategische Partnerschaft von allen Seiten unterfüttert wird, nämlich politisch, wirtschaftlich und kulturell?

Ich glaube, es wurden von uns jene Initiativen für die nächsten Jahre gesetzt, die uns in der Außenpolitik weiterführen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.15


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64. Sitzung / Seite 138

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

18.15

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Bundesministerin, lassen Sie mich gewissermaßen vorneweg auf zwei Anmerkungen, die Sie gemacht haben, eingehen.

Erstens: Sie haben hier erklärt, dass Sie schon bei verschiedenen Vorträgen gesagt hätten, was die Schwerpunkte Ihrer Arbeit im Rahmen des Post-Nizza-Prozesses sind, und uns vorgehalten, dass wir das alles nicht zur Kenntnis nehmen. Lassen Sie mich dazu eine bescheidene Anmerkung machen: Es wird auch für die Fragen im Rahmen des Post-Nizza-Prozesses einer Verfassungsmehrheit in diesem Haus bedürfen, und es wäre angemessen, dass Sie auch mit jenen Parteien, die die Regierung nicht bilden, darüber sprechen würden. Dazu darf ich Sie einladen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Sie haben hier erklärt, Frau Bundesministerin, der Herr Bundeskanzler habe zu einer parlamentarischen Enquete im Zusammenhang mit dem Post-Nizza-Prozess eingeladen. Ich sehe einmal davon ab, dass das nicht Sache des Bundeskanzlers ist, dazu einzuladen, aber als wir in den letzten Tagen in den Klubs der Regierungsfraktionen diesbezüglich nachgefragt haben, was denn da geplant sei, hat man uns gesagt, man wisse noch nicht, was da der Herr Bundeskanzler plane. Ich denke, da wäre zweifellos eine bessere Abstimmung sinnvoll.

Dritter Punkt als Vorbemerkung: Sie sollten sich, Frau Bundesministerin, einen anderen und vielleicht auch einen besseren Ex-offo-Verteidiger leisten als Herrn Spindelegger, denn darzustellen, was Sie alles geleistet haben, und dabei darauf hinzuweisen, dass Sie bereit waren, eine Frist zu übernehmen, die der deutsche Bundeskanzler vorgeschlagen hat, uns hier zu sagen, dass Sie in der Zukunft Brücken schlagen wollen und dass Sie eine Information über die EU-Erweiterung planen, wobei Sie aber keine Handlungen setzen, die die objektiven Voraussetzungen dafür verbessern, uns hier zur Kenntnis zu bringen, dass Sie bereit waren, dem tschechischen Außenminister etwas erklären zu hören, und im Übrigen darauf hinzuweisen, dass im Bereich der Weltpolitik Leistungen in der vorigen Legislaturperiode erbracht worden sind, das finde ich alles großartig, aber dass es nur so dargestellt wird, das haben Sie nicht verdient, das können Sie selbst besser. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Ich möchte mich nur mit einem Punkt schwerpunktmäßig beschäftigen – Kollege Cap hat ihn vorhin schon angesprochen –, weil ich denke, dass da noch einige Fragen offen sind. Es scheint, dass Ihr derzeit liebstes Projekt das Projekt einer Strategischen Partnerschaft oder, wie Sie es auch genannt haben, das Projekt einer Interessengemeinschaft mit den mittelosteuropäischen Staaten ist.

In Ihrer Rede vor der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und vor der Österreichischen Liga für die Vereinten Nationen am 22. Februar dieses Jahres haben Sie erklärt, dass die – ich zitiere – "geografischen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Gegebenheiten in der Region die Ausgestaltung besonderer Beziehungen Österreichs mit den künftigen neuen Mitgliedern der EU nahe legen". – Ende des Zitats.

So weit und in dieser Allgemeinheit, Frau Bundesministerin, kann man Ihnen noch folgen, doch hätte ich erwartet, dass die weitere Rede doch etwas konkreter wird. Diese Hoffnung ist allerdings leider enttäuscht worden.

Frau Bundesministerin! Auch wir Sozialdemokraten – das kann ich Ihnen versichern – sind dafür, dass wir endlich unsere Beziehungen zu den Erweiterungskandidatenländern in unserer Nachbarschaft auf eine bessere Basis stellen, dass wir wirklich zu hören beginnen, was deren Bedürfnisse sind, und dass wir unter der Bedingung der vollen Gleichberechtigung der Partner mit diesen Ländern reden und uns nicht so aufführen – ich meine damit nicht primär Sie, oder ich meine damit an sich überhaupt nicht Sie persönlich –, als ob das Entwicklungsländer wären, denen wir vorschreiben können, wie sie sich zu verhalten haben. (Beifall bei der SPÖ.)


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64. Sitzung / Seite 139

Frau Bundesministerin! Wir haben aber nicht den Eindruck, dass es da eine gemeinsame und vor allem eine einheitliche Linie der Regierungsparteien oder der Regierung gibt und dass die Regierung dieser Konzeption auch folgt. Ich denke, dass das aber eine der wesentlichsten Voraussetzungen für eine Partnerschaft wäre, nämlich dass sich die Partner, um die es da geht, auf ein Verhältnis einlassen können, das eindeutig ist und bei dem nicht jeden Tag irgendein anderes Signal zu hören ist.

Frau Bundesministerin! Auch wir treten dafür ein, dass österreichische Unternehmen ihre Anstrengungen nochmals steigern; sie haben schon einige Anstrengungen in die Richtung unternommen, sich in den Erweiterungsländern zu engagieren. Wir treten dafür ein, dass die Bundesregierung solche Bemühungen österreichischer Unternehmen unterstützt.

Wir wollen florierende Wirtschaftsentwicklungen bei unseren Nachbarn, weil das im Interesse Österreichs liegt. Wir wollen, nicht nur, aber auch, mehr Produkte in diese Länder exportieren, aber vor allem wünschen wir uns politische und wirtschaftliche Verhältnisse in den Erweiterungsländern, die deren Bürgern Hoffnung geben, Perspektiven für ihre Entwicklung geben, denn das ist die beste Voraussetzung dafür, dass hier niemand fürchten muss, es könnten zu viele Menschen aus den Kandidatenländern zu uns kommen und hier arbeiten wollen, wenn die EU erweitert wird.

Frau Bundesministerin! Wir wissen aber nicht, ob das auch die Sicht der gesamten Bundesregierung ist. Das ist das Problem, das wir als Opposition hier sehen. Vor allem wissen aber unsere Nachbarn nicht, ob das die Position der Bundesregierung ist. (Abg. Dr. Khol: Bei der Bundesregierung ist es klar! Aber bei der Gewerkschaft ist es schon etwas unklarer!) Und diese Länder sollen nun bereit sein, Herr Abgeordneter Khol, mit Österreich eine besondere Partnerschaft, nämlich eine Strategische Partnerschaft, wie Sie sie nennen, einzugehen, ohne dass diese Verhältnisse geklärt werden?

Frau Bundesministerin! Auch wir treten dafür ein, um ein weiteres Beispiel zu nennen, dass Fragen der Aufarbeitung der verhängnisvollen Vergangenheit des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkrieges und all der Gräuel und Folgen dieser Zeit bilateral und in aller Ruhe besprochen werden. Auch wir wollen, dass jede Form der Vertreibung von Zivilbevölkerungen als das anerkannt und eingeschätzt wird, was es ist: ein Unrecht und ein Verstoß gegen die Regeln der Menschenrechte. Und wir wollen, dass diese Vertreibungen keine noch weiter reichenden Unrechtsfolgen zeitigen.

Wir wollen weiters nicht den heute lebenden Menschen Vorwürfe für eine Vergangenheit machen, die sie nicht zu verantworten haben, denn unter diesen Bedingungen hätten auch wir Vorwürfe zu gewärtigen, vielfach gewichtigere, die sich auf die Zeit davor beziehen. Wir wollen die Geschichte nicht umkehren, wir wollen aber Probleme, die daraus übrig geblieben sind, lösen, und zwar in aller Ruhe, in aller Behutsamkeit und mit aller Zähigkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol  – in Richtung der Grünen –: Nicht uninteressant!)

Aber, Frau Bundesministerin, wir haben nicht immer den Eindruck, dass auch beide Regierungsparteien das so sehen. Das ist das Problem, das man beim Namen nennen muss.

Frau Bundesministerin! Von Ihnen als Außenministerin hätten wir erwartet, dass Sie zunächst versuchen, diese und weitere – in der Kürze der Zeit, die mir für diese Rede bleibt, nicht mehr anführbare – Mindestbedingungen zu erfüllen. Das ist eine Aufgabe, die Sie in der Regierung zu erfüllen haben, und es ist eine Aufgabe, die Sie still und leise und mit Hilfe der Diplomaten und Diplomatinnen des Außenamtes gegenüber den Kandidatenländern zu erfüllen haben.

Partner, also Länder, die man als Partner haben will, müssen wissen, worauf sie sich einlassen. Und da gilt: Vertrauen braucht Zuverlässigkeit – unsere Zuverlässigkeit! – und Zeit. Das kommt nicht über Nacht. In dieser Hinsicht, Frau Bundesministerin, sehen wir also durchaus Aufgaben, und wir sehen dabei auch Aufgaben, bei denen wir Sie gerne unterstützen, aber, ich sage es deutlich, das sind zunächst vor allem Aufgaben im bilateralen Bereich.


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Lassen Sie mich aber noch einen anderen Aspekt ansprechen. Sie verwenden gerne den Begriff "Strategische Partnerschaft". – Dabei muss man sich fragen, was das bedeuten soll. Ist das eine besondere Partnerschaft, und wenn es eine besondere Partnerschaft ist, Frau Bundesministerin, wen schließt sie dann aus? Wer sind die Partner, die nicht zur besonderen Partnerschaft zählen? Und was sollen diese Länder, die nicht dazu zählen, sich dabei denken, wenn sie nicht besondere Partner Österreichs sind?

Frau Bundesministerin! Ich hatte in den letzten Tagen und Wochen mehrfach Gelegenheit, mit Vertretern von Erweiterungsländern über diese Frage zu sprechen, und auch sie haben sich genau diese Frage gestellt. Sie haben überdies gefragt, was es für sie selbst bedeuten könnte, sich auf eine Partnerschaft mit Österreich einzulassen, zumal sie schon in Partnerschaften mit anderen Ländern sind. Denken Sie dabei etwa an das besondere Verhältnis zwischen Ungarn und Kroatien!

Was also bedeutet es für diese Länder, in eine Strategische Partnerschaft mit Österreich zu gehen, und was bedeutet es für ihre jeweiligen anderen Partner? Haben Sie, Frau Bundesministerin, sich überlegt, was das bedeutet? Haben Sie sich überlegt, wie die anderen Länder darauf reagieren könnten, nämlich die, die wir nicht als strategische Partner haben wollen, und ob das nicht auch Nachteile für Österreich haben kann?

Frau Bundesministerin! Ich möchte Ihnen zum Schluss vorschlagen, in der Außenpolitik auf große Worte zu verzichten – sie tragen ein Risiko in sich, das nicht unbedingt im österreichischen Interesse gelegen ist. Aber wir werden Sie mit unseren Mitteln gerne unterstützen, wenn es um den Ausbau der bilateralen Beziehungen mit unseren Nachbarn geht, weil diese Verbesserung ganz offensichtlich im österreichischen Interesse liegt.

Frau Bundesministerin! Ich darf Sie abschließend noch um eines bitten: Bitte tragen Sie dazu bei, den Eindruck zu verwischen oder das Bild zum Verschwinden zu bringen, das Konzept der Strategischen Partnerschaft sei in Wirklichkeit nichts anderes als die beleidigte Reaktion der österreichischen Politik oder der österreichischen Regierung auf die Behandlung durch die westlichen Partner in der Europäischen Union, etwa nach dem Motto: Wenn ihr uns so hässlich behandelt, dann suchen wir uns eben andere Freunde! – Es wäre nicht nur schlimm, wenn das die Grundlage wäre, sondern es wäre das offene Einbekenntnis, dass Ihre Politik Maßstäben folgt, die der Außenpolitik eines Landes nicht angemessen sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Frau Bundesministerin! Ich komme zum Schluss. Wir hätten gerne eindeutige Signale von Ihnen. Wir sind bereit, Sie und Ihre Politik im Interesse Österreichs zu unterstützen, wenn Sie bereit sind, für diese Eindeutigkeit und Klarheit zu sorgen. Wir sind der Überzeugung, dass die Außenpolitik ein Mindestmaß an Konsens der Parteien, und zwar aller Parteien, in diesem Parlament braucht. Wir sind zu Gesprächen in dieser Richtung bereit, aber wir laden Sie ein, Ihre Programmatik nicht nur bei Vorträgen zu erklären, sondern auch mögliche Partner im Parlament rechtzeitig einzubinden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte

18.26

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Cap hat sich vorhin dagegen gewendet, die Möglichkeit einer Junktimierung bei bestimmten Problemen als Ultima Ratio einzusetzen. – Dabei frage ich mich – ich kann ihn nicht fragen, weil er nicht da ist –: Was wird zum Beispiel in Österreich geschehen oder was schlägt er vor, wenn sich die tschechische Regierung, vielleicht auch auf Grund von inneren Zwängen, hinsichtlich Temelin uneinsichtig zeigt, wenn wir nicht als letzte Möglichkeit mit dem nötigen Nachdruck verhandeln können? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die tschechische Regierung ist in dieser Situation schon sehr weitgehend einbetoniert, im wahrsten Sinn des Wortes, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil man in der Vergangenheit nicht deutlich genug klargemacht hat, wie ernst es Österreich mit dieser Frage ist. Ich glaube,


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64. Sitzung / Seite 141

das ist etwas, was wir daraus lernen sollten, auch im Hinblick auf die vorhin von Herrn Kollegen Einem in interessanter Art und Weise angesprochene Frage der AVNOJ-Bestimmungen und Beneš-Dekrete. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Die heute noch Lebenden sollen nicht Vorwürfe erhalten für Dinge, die sie nicht zu verantworten haben!)

Herr Kollege Einem! Sie haben einen sehr interessanten Satz gesagt: Die heute noch Lebenden sollen nicht Vorwürfe für eine Vergangenheit erhalten, die sie nicht zu verantworten haben. – Ich stimme Ihnen hier zu, das muss aber in der Diskussion für alle gelten. Das gilt für alle Länder und für alle Staaten.

Wir haben in letzter Zeit wirklich sehr viel in dieser Richtung getan, aber es gibt auch Bereiche, in denen auch dort Änderungen vorgenommen werden müssen. Stellen Sie sich vor, in Österreich wären bestimmte Gesetze noch in Geltung! Welchen Einfluss, welche Wirkung und auch Außenwirkung hätte das auf die Überlebenden dieser Zeit gehabt?

Herr Kollege Einem! Wenn, dann für alle, und daher sage ich hier ganz bewusst und deutlich, auch als Erklärung zu einem heutigen Zeitungsartikel: Für uns Freiheitliche gibt es kein Ja zu einem EU-Beitritt für Staaten, die sich nicht eindeutig und offiziell, das heißt durch Aufhebung der entsprechenden Teile der Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen, von diesen Unrechtsgesetzen getrennt haben. Das gilt auch für Slowenien. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Regelung von Einzelfällen genügt nicht.

Andererseits, das muss man auch dazusagen – und ich sage das durchaus mit Zufriedenheit und Freude –, ist bei unseren Nachbarn langsam ein Umdenken zu beobachten. Das hat die Frau Außenministerin schon angesprochen, und das wurde auch beim Besuch tschechischer Parlamentarier deutlich, mit denen wir hier sehr gute Gespräche geführt haben. Auch die angesprochene Historiker-Debatte geht in die richtige Richtung, ebenso wie die Entwicklung um das Kulturabkommen mit Slowenien. Wir hoffen wirklich darauf, dass es in dieser Richtung weitergeht.

Die österreichische Außenpolitik konzentriert sich richtigerweise besonders auf unser Umfeld in Ost- und Südosteuropa und auf den Balkan. Als gefährlichster Krisenherd in diesem Raum hat er besondere Bedeutung. Historische Beziehungen zu diesem Raum bieten Chancen, erlegen uns aber auch – das ist kein Widerspruch zu meinen vorigen Ausführungen – besondere Zurückhaltung auf, wenn es um die innere Entwicklung in diesen Ländern geht.

Aus beiden Gründen sind wir gut beraten, nicht zu besserwisserisch in Nationalitätenkonflikte einzugreifen. Gute Dienste, humanitäre Hilfe – und dort, wo es von beiden Seiten gewünscht wird, auch Einsätze im Sinne von Petersberg – wollen wir gerne leisten. Zu militärischer Zwangsbeglückung sollten wir uns aber nicht drängen lassen. Ich hoffe, ich bin einmal mit Frau Kollegin Lichtenberger einer Meinung. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Gefährliche und auch weltfremde Ideale haben auf dem Balkan schon sehr viel Unheil angerichtet. Wir sollten, ja wir müssen die Gegebenheiten zur Kenntnis nehmen, ob sie uns gefallen oder nicht, wenn wir manche Konflikte nicht perpetuieren wollen. Wer glaubt, dass die Albaner im Kosovo jemals wieder Steuern an Belgrad zahlen werden, oder wer glaubt, dass sie ein Gericht der jugoslawischen Republik anerkennen werden oder sich einem Urteil eines solchen Gerichtes unterwerfen werden, der ist gefährlich weltfremd und hält künstlich einen Schwebezustand aufrecht, der eine Normalisierung in diesem Raum in Wahrheit verhindert.

Dazu eine grundsätzliche Anmerkung zur Nationalitätenfrage auf dem Balkan, wo gerade die Leugnung der Realitäten maßgeblich zum Kriegsausbruch von 1991 beigetragen hat. Wer die Serben, die Kroaten oder die Albaner dort, wo sie als Mehrheit in einem an ihr Mutterland angrenzenden geschlossenen Siedlungsgebiet leben, unter Druck von einer Wiedervereinigung mit jenem Staat abhält, dem sie sich ethnisch zugehörig fühlen, nur weil mit Zwang Grenzen aufrechterhalten werden sollen, die nicht mehr passen, macht einen schwerwiegenden Fehler und wird den Konflikt verlängern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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64. Sitzung / Seite 142

Wer das macht, begeht nicht nur einen Fehler, sondern er begründet damit auch neues Unglück und neues Leid. Der so genannte Hohe Beauftragte Dr. Petritsch agiert etwa in der Herzegowina auf eine sehr willkürliche Weise. Er setzt gewählte Mandatare ab und ändert Kandidatenlisten nach Lust und Laune. So wird man den Menschen dort Demokratie höchstens eintrichtern, aber sicherlich nicht nahe bringen. Leider wird die Politik von Dr. Petritsch in Bosnien und in der Herzegowina sehr oft mit der österreichischen Außenpolitik gleichgesetzt, wir aber müssen in diesem Teil des Balkans viel sensibler reagieren.

Abschließend noch eine Bemerkung: Es gibt eine Reihe von Staaten, die sich selbst – überwiegend aus eigenem Verschulden – in der Vergangenheit von der internationalen Staatengemeinschaft isoliert haben, aber nun den Weg zurück suchen. Wir sollten sie darin unterstützen und ihnen nach Kräften helfen, auch wenn sie unsere Vorstellungen von Demokratie noch nicht voll erfüllen. Wir begrüßen daher ausdrücklich die Kontakte der Frau Außenministerin zum Iran und fordern sie auf, diese Bemühungen auch mit anderen vergleichbaren Staaten fortzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächstes folgt eine tatsächliche Berichtigung des Herrn Abgeordneten Dr. Einem. (Ruf bei der ÖVP: Von wem sonst? – Abg. Dr. Khol: Oje! – Weitere Zwischenrufe.)

18.32

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Jung hat zwar eine durchaus gemäßigte Rede gehalten, hat aber behauptet, ich hätte gesagt, wir wollten nicht, dass die heute noch lebenden Menschen Vorwürfe gemacht bekämen für Dinge, die sie nicht zu verantworten haben. – Das habe ich nicht gesagt!

Richtig ist, ich habe gesagt, wir wollen nicht, dass die heute lebenden Menschen diese Vorwürfe gemacht bekommen. Und im Gegensatz zu manchen Ihrer Vertreter sind wir beispielsweise nicht der Meinung, dass SS-Soldaten noch heute dafür gelobt werden können, dass sie ihrer Auffassung treu geblieben sind. (Abg. Achatz: Das war letztklassig! Eine Unterstellung!)

Zweiter Punkt: Sie haben außerdem erklärt, der Hohe Repräsentant in Bosnien, Herr Dr. Petritsch, agiere selbstherrlich. – Herr Abgeordneter Jung! Sie wissen, dass auch das falsch ist. Die Absetzung des Präsidenten erfolgte im Einvernehmen mit den Russen, mit den Amerikanern und mit allen EU-Vertretern, und deshalb, weil dieser Präsident begonnen hat, eine zweite Struktur in Bosnien-Herzegowina gegen die vereinbarte staatliche Struktur aufzubauen. Das ist die Tatsache, Herr Abgeordneter. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

18.34

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rede des Herrn Abgeordneten Jung lässt natürlich einige wichtige Fragen offen, die ich an Sie, Frau Bundesministerin, richten möchte. Gerade das, was er über die Zukunft der Politik in Südosteuropa gesagt hat, lässt mich Sie schon fragen, ob Sie der gleichen Ansicht sind, und lässt mich auch fragen, was dann auf Grund dieser Analyse die Konsequenzen wären.

Herr Abgeordneter Jung! Ist es die Veränderung von Grenzen, die Sie wollen? (Abg. Jung: Das hat man schon einmal verweigert, und dann ist der Krieg ausgebrochen!)

Frau Bundesministerin, ist das eine Haltung, die Sie teilen? Und vor allem, Frau Bundesministerin: Teilen Sie die Haltung des Herrn Abgeordneten Jung in Bezug auf Herrn Petritsch? Teilen Sie diese Kritik, teilen Sie diese Haltung, und sehen Sie zu, wie hier in eine Richtung eskaliert wird, die nicht hingenommen werden darf, weil sie bei weitem nicht im Interesse der dort lebenden Menschen und natürlich auch nicht im Interesse der österreichischen Außenpolitik liegt und


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64. Sitzung / Seite 143

liegen kann? Frau Bundesministerin! Eine Antwort darauf ist notwendig und überfällig. (Beifall bei den Grünen.)

Der Beitrag des Herrn Kollegen Jung war ja nicht untypisch. Es ist die klassische Tendenz einer Militarisierung in der Außenpolitik festzustellen. Gerade weil Herr Abgeordneter Jung das ja auch immer deutlich in den Vordergrund stellt, hoffe ich, dass das heute von Ihnen, Frau Bundesministerin, getragene blaue Kostüm eine Hommage an den Frühling ist und nicht ein Zeichen für eine Außenpolitik, die immer "blauer" und immer militärischer wird, denn das wäre ein österreichisches Desaster! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Kurzmann: Das ist blanker Unsinn, den Sie da verzapfen! – Abg. Edlinger: "Blanker Unsinn" – ist das kein Ordnungsruf? Das wundert mich sehr!)

Frau Bundesministerin! In zwei vorhergehenden Reden wurde einige Male der Post-Nizza-Prozess angesprochen. Es wurde auch einige Male, und das mit Recht, das Informationsdefizit und das Diskussionsdefizit in dieser Frage beklagt. Ich kann mich dem nur anschließen.

Ihre Tradition der "lächelnden Nichtantwort" mit vielen langen Sätzen – etwa im Hauptausschuss –, gerade wenn es um europäische Fragen und um konkrete Haltungen geht, kann auf Grund der Bedeutung des Post-Nizza-Prozesses so nicht fortgesetzt werden. Wir brauchen eine institutionalisierte Auseinandersetzung mit der Frage Post-Nizza. Wir brauchen einen institutionalisierten Prozess, der weit über das hinausgehen muss, was Sie mit dem Wort "Plattformen" meinen, denn zu diesen Plattformen, Frau Bundesministerin, gehören auch ein fairer Umgang miteinander und auch eine faire Einladungs- und Informationspolitik.

Frau Bundesministerin! In der Replik auf die vorhergehenden Reden haben Sie einige Male schlagwortartig im Bereich der Auslandskulturarbeit die Frage an die Abgeordneten gerichtet, was genau das sei, wir alle müssten das ja wissen. Frau Bundesministerin, ich kann diese Frage nur an Sie zurückgeben. Sie geben hier nie Auskunft darüber, was denn letzten Endes diese Kulturforen konkret tun sollen, was sie konkret sind, welche Aufgaben sie wahrnehmen sollen, in welchem Status sich die Träger dieser Kulturarbeit befinden werden und wie das im Detail wirklich organisiert werden soll.

Mit einer schlagwortartigen Ankündigung wird es hier nicht getan sein, und das ist auch keine adäquate Politik, mit der man Oppositionsparteien, die durchaus bereit sind, im Interesse Österreichs gemeinsam am Post-Nizza-Prozess zu arbeiten, auf eine Plattform zur Zusammenarbeit bringen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Bundesministerin! Dazu braucht es einen anderen Umgang mit Informationswünschen. Ich habe mir von Frau Kollegin Lunacek Ihre Antworten auf die Fragen, die sie gestellt hat, berichten lassen, und da war halt leider nicht viel Konkretes auf sehr konkrete Fragen zu hören. Leider war auch in einigen Bereichen ein Defizit zu verzeichnen, mit dem wir nicht weiterarbeiten können.

Es gibt vor allem ein Defizit – und damit bin ich bei einem Punkt, der das Budget betrifft – im Bereich der Ost-Umweltpolitik, weil die Ost-Umwelthilfe unter die Räder zu geraten droht, weil in einem der wichtigsten Bereiche, die mit Recht auch von der österreichischen Bevölkerung eingemahnt werden, wenn es um die Frage der EU-Osterweiterung geht, keinerlei Hilfestellung mehr, keinerlei oder immer weniger Zusammenarbeit von Österreich geleistet wird.

Frau Kollegin Glawischnig hat in dieser Sache auch eine Anfrage an Sie gestellt, und ich erwarte Ihre Antwort auf diese Anfrage mit großer Spannung. Vielleicht können Sie heute schon sagen, wie Sie sich die weitere diesbezügliche Zusammenarbeit mit unseren zukünftigen und sich schon jetzt immer mehr als Partner darstellenden Nachbarn vorstellen. Da braucht es Klarheit.

Ich meine auch, dass die Behandlung des Post-Nizza-Prozesses eben nicht in der Ausrufung irgendwelcher Plattformen münden kann, die im Vierer-Pack durchs Land ziehen und die Leute überzeugen sollen, sondern es wird mehr als notwendig sein, im Rahmen des Hauptausschusses zu einer institutionalen Zusammenarbeit zu finden und öffentliche Auseinandersetzungen über den Post-Nizza-Prozess zu führen.


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Es kann weder für Sie als Regierungsparteien noch für die Oppositionsparteien – und vor allem nicht für die Grünen – ausreichend sein, mit einem vagen Versprechen auf einen vielleicht irgendwann einmal stattfindenden Post-Nizza-Prozess abgespeist zu werden, bevor die Debatte über die Ratifizierung beginnt. (Eine Gruppe von Abgeordneten verschiedener Fraktionen spricht über den Inhalt der soeben verteilten Abendausgaben von Tageszeitungen. – Lebhafte Heiterkeit.)

Wir brauchen eine neue Vorgangsweise in der Frage der Grundrechte, in der Frage des Demokratiedefizits und bei Ähnlichem. Da brauchen wir Klarheit, und es muss der Post-Nizza-Prozess feststehen, bevor die Debatte wirklich in ein konkretes Stadium treten kann.

Frau Ministerin! Sie haben eine Enquete angekündigt. Sie haben uns gefragt, warum wir das nicht wissen. – Ganz einfach, und das sei Ihnen zum Abschluss ins Stammbuch geschrieben: Von einer Enquete des Herrn Bundeskanzlers ist bei uns weder eine Detailbeschreibung noch eine Einladung eingetroffen. Mit Schlagworten allein können wir keinesfalls Post-Nizza-Politik machen. Sie wird aber notwendig sein und, wie ich hoffe, die Diskussion des nächsten Jahres beherrschen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

18.42

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der Begriff "Wirtschaften" wird verschieden definiert, zum Beispiel so: Mit knappsten Mitteln oder Ressourcen das Bestmögliche, das Optimalste zu erreichen.

Mit unserer ausgezeichneten, erfolgreichen Außenministerin haben wir, was das Budget anbelangt, auch eine ganz hervorragende Wirtschaftsfachfrau, denn auch beim Außenamt musste der Sparstift angesetzt werden, aber es ist der Frau Bundesministerin im vergangenen Jahr gelungen – und es wird ihr auch heuer gelingen, davon bin ich überzeugt –, die Außenpolitik und ihre Aufgaben trotz knappster Mittel optimal zu bewältigen. Ich möchte daher Ihnen, Frau Bundesministerin, und auch Ihren Beamten sehr herzlich für diese Tätigkeit danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Österreichische Volkspartei und ich begrüßen auch Ihr spezielles Engagement auf dem westlichen Balkan. Meine Damen und Herren! Es ist ein vitales Interesse, es ist vitalstes Sicherheitsinteresse von Österreich, dass sich Österreich und die österreichische Außenpolitik in diesem Bereich ganz besonders einbringen, denn wir alle wissen: Die Krisenherde Bosnien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und auch Albanien und Rest-Jugoslawien sind ein permanentes Pulverfass. Vielleicht brennt derzeit die Lunte nicht so stark, aber sie kann jederzeit wieder zu glühen beginnen. Daher ist ein Engagement gerade aus österreichischer Sicht ganz besonders notwendig.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, es gibt keinen hier in diesem Hohen Haus, der es nicht begrüßt, wenn der Friede mit friedlichen Mitteln gesichert wird, wenn alles eingesetzt wird, um den Frieden auf dem Balkan zu erhalten. Meine Damen und Herren! Wir dürfen uns aber aus lauter Friedensromantik auch nicht vor der Realität verschließen. Wir dürfen keine Realitätsverweigerung betreiben. Kalaschnikows gegen Friedenstauben oder Schwerter gegen Pflugscharen zu tauschen, das ist ein erstrebenswertes Ziel, aber das kann keine Einbahnstraße sein.

Vielfach verstehen die Nationalisten, die Fanatiker, die Verhetzten und schwer Bewaffneten auf dem Balkan nicht, worum es geht. Und für uns kann der militärische Einsatz nur das letzte Mittel sein, das zur Friedenssicherung dient. Ich glaube, das ist ein Credo des gesamten Parlaments.

Meine Damen und Herren! Sogar die Grünen in Deutschland in Gestalt von Außenminister Joschka Fischer haben ja zum militärischen Eingreifen im Kosovo gesagt, um den Völkermord, um dieses Morden zu beenden. Auch für Deutschland war es das letzte Mittel. Ob es wirksam


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war, ob es alle Ziele erreicht hat, wissen wir nicht. Wir glauben nicht, aber das Morden hat aufgehört.

Meine Damen und Herren! Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber jenen Ländern, die zwar derzeit nicht direkt in Konflikten stehen, die aber auch große Probleme haben, die Hilfe suchend nach Österreich kommen und sagen: Helft uns beim Aufbau, gebt uns euer Know-how, schenkt uns euer Interesse!

Meine Damen und Herren! Ich spreche jetzt konkret Albanien an. Auch diese Republik hat es nach 50-jähriger Isolierung, nach 50-jähriger kommunistischer Diktatur, nach unermesslichem Leid und wirtschaftlichen Schwierigkeiten allergrößten Ausmaßes ungeheuer schwer, zu ihrer Identität zu finden. Die Menschen bemühen sich jetzt schon zehn Jahre lang darum, aber es ist schwierig, und deshalb ist es auch notwendig, ihnen behilflich zu sein, demokratische Maßstäbe einzuführen. Im Juni gibt es Parlamentswahlen in Albanien.

Frau Bundesminister! Ich darf Sie ersuchen, sich dafür einzusetzen, dass diese Parlamentswahlen in fairer, freier und ordentlicher Manier abgeführt werden können. Ich darf Sie ersuchen, sich dafür einzusetzen, dass es dort zu demokratischen Wahlen kommt und dass die jetzt ernannte Wahlkommission, die monocolor ist, auch objektiv entscheiden wird. Meine Damen und Herren! Das sind die Herausforderungen, und in diesem Bereich hat die Frau Bundesminister ganz hervorragende Arbeit geleistet. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Es ist heute ein gemeinsames Vorgehen in der Außenpolitik eingefordert worden. – Jawohl, wir wollen das, aber voriges Jahr, meine Damen und Herren von der Opposition, als es um die Sanktionen gegangen ist, haben wir das vermisst! Da haben Sie die Frau Außenminister alleine werken lassen und haben die Sanktionen sogar noch gefordert, gefördert und befürwortet.

Ich ende – von dieser Situation ausgehend – mit einem Vierzeiler. (Abg. Dr. Khol: Nein!)

Die Sanktionen sind vorüber

die Linken freuen sich gar nicht drüber

im Ohr ich die "drei Weisen" habe:

Österreich ist ein Musterknabe! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Jäger. – Bevor ich ihr das Wort erteile, möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich absolutes Verständnis dafür habe, dass die Lokalberichterstattung aus Westösterreich einer morgigen Tageszeitung großes Interesse hervorruft. Ich würde aber meinen, dass Kommentare und Hypothesen dazu möglichst nicht zu umfangreich hier im Plenarsaal stattfinden sollten. (Heiterkeit.)

Bitte, Frau Abgeordnete.

18.48

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Sie haben noch am 12. März bei einer Pressekonferenz betont – und das betonen Sie auch immer wieder –, dass eine der Hauptleitlinien der österreichischen Außenpolitik die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, die Entwicklungszusammenarbeit ist und welch große Bedeutung Solidaritätsleistungen in Zukunft haben werden.

Wenn ein Budget die in Zahlen gegossene Politik ist, wie immer behauptet wird, dann können Sie aber heute nicht zufrieden sein. Frau Ministerin! Ich frage Sie: Wie lange schauen Sie noch dabei zu, wie die internationale Arbeit Österreichs total ausgehungert wird? Wie lange wollen Sie das mittragen?


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Herr Abgeordneter Großruck hat hier groß von Albanien gesprochen. Aber die Osthilfe wurde massiv gekürzt, heuer schon um 80 Millionen Schilling, nächstes Jahr noch einmal um 10 Millionen Schilling, trotz Balkan-Stabilitätspakt. Und ich weiß, wie dringend wir das auch im Interesse unseres eigenen Landes brauchen würden!

Zweitens: Die Beiträge an internationale Organisationen wurden für das nächste Jahr um 20 Millionen gekürzt. Ich möchte ein Beispiel nennen: Der UNHCR, die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen, hat 1999 noch 2,3 Millionen Dollar von Österreich bekommen, hat im Jahre 2000 nur mehr 740 000 US-Dollar erhalten und wird im Jahre 2002 um weitere 9 Millionen Schilling weniger bekommen.

Österreich ist an die 29. Stelle der Geberländer zurückgefallen! Das ist ja unmöglich, Frau Außenministerin!

Ich denke nur daran, dass eine Million Flüchtlinge aus Afghanistan, im Iran, in Pakistan auf Hilfe warten, und es gibt in Österreich eine Partei, die Flüchtlinge, Asylwerber nicht in Österreich haben will. Aber dann ist es doch doppelbödig, wenn wir nicht bereit sind, für den UNHCR Geld auszugeben, und ich bitte Sie, in den nächsten Jahren hier wirklich etwas zu tun. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe hier ein Zitat von unserem Vertreter bei den Vereinten Nationen. Herr Pfanzelter schreibt in Bezug auf Menschenrechtsprogramme Österreichs: Dringender Handlungsbedarf besteht in diesem Zusammenhang aber bei den völlig unzureichenden freiwilligen österreichischen Beiträgen für das Menschenrechtsprogramm der Vereinten Nationen. Diese schädliche Optik steht in keinem Verhältnis zum üblichen österreichischen Menschenrechtsengagement. – Also auch in diesem Bereich gibt es wirklich Probleme.

Mary Robinson tritt als Hochkommissarin zurück, und ich weiß, dass natürlich nicht nur Österreich alleine mit den Zahlungen zurückgeht. Die frühere irische Präsidentin gibt jetzt auf, weil sie keine finanzielle und inhaltliche Unterstützung von den Industriestaaten bekommt. Das spricht nicht gegen sie, sondern gegen diejenigen, die sie haben scheitern lassen.

Frau Ministerin! Ich bin wirklich bei Ihnen, wenn Sie sagen, wir müssen für diese internationale Arbeit Geld ausgeben, denn weltweite Krisen – sei es die Klimaverschlechterung, seien es Migrationsprobleme – haben auch auf Österreich Auswirkungen.

Entwicklungszusammenarbeit: nächstes Jahr 15 Millionen weniger.

Sie haben heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vertretern der Dreikönigsaktion eine Werbekampagne vorgestellt. An dieser Stelle möchte ich den Sternsingern wirklich gratulieren, sie haben heuer 147 Millionen Schilling gesammelt, ich gratuliere dazu ganz, ganz herzlich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie des Abg. Dr. Khol. ) Ulrike Lunacek hat es schon angesprochen. Indem Sie das gemeinsam getan haben, suggerieren Sie der österreichischen Bevölkerung, sie soll noch mehr spenden.

Die Österreicher zeigen, dass sie sehr spendenfreudig sind, aber ich denke, die Regierung hat eine andere Aufgabe. Es geht um mehr als um eine karitative Tätigkeit. Es geht eben darum, dass auch der österreichische Staat endlich dem internationalen Auftrag, dieser internationalen Verpflichtung nachkommt, diese 0,7 Prozent in der Entwicklungszusammenarbeit zu verwirklichen, damit in diesem Bereich endlich auch eine Situation wie in Frankreich entsteht: Frankreich lukriert 50 Prozent der französischen Entwicklungshilfe von der Europäischen Union wieder zurück. Auch wir, denke ich, müssten in diesen Bereich kommen.

Ich habe heute ausnahmsweise auch ein Taferl mitgebracht, um zu zeigen, an welcher Stelle sich Österreich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit befindet. (Die Rednerin zeigt ein Diagramm.) Die Zahlen sind von 1999, weil für 2000 noch keine aktuellen Zahlen von der ÖFSE vorliegen. Da ist Österreich mit 0,26 Prozent ausgewiesen; im Vorjahr sind wir auf 0,21 Prozent gekommen. Wir werden im heurigen Jahr, so nehme ich an, auf einem Platz nach Spanien, vor Griechenland landen, und ich finde, angesichts der Tatsache, dass Österreich das viert- oder


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fünftreichste Land der Welt ist, ist das ausgesprochen beschämend. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Eine Regierung, die der österreichischen Bevölkerung so schwere Lasten aufbürdet, hat eben auch kein Herz für die Ärmsten dieser Welt. Ich fordere aber ein, wenn sie schon nicht das Herz hat, dann sollte sie wenigstens den Verstand haben, weil wir wissen, wie wichtig es ist, dass auf internationaler Ebene etwas weitergeht.

Ich möchte noch ein Beispiel bringen: Präsident der Weltbank Wolfensohn. Die Weltbank hat sich für 2015 die Halbierung der Armut zum Ziel gesetzt. Seit den neunziger Jahren werden die Armen immer ärmer, auch bei uns. 1990 sind noch 32 Dollar pro Einwohner nach Afrika für Entwicklungszusammenarbeit geleistet worden, 1998 sind es nur mehr 19 Dollar.

Noch einmal: Es geht nicht um Almosen. Es geht um neue Strukturen. Es geht um eine neue Politik in diesem Zusammenhang. Wir geben nur einen Bruchteil von dem zurück, was aus diesen Ländern genommen wird, sei es durch Ressourcenabfluss, sei es durch billige Rohstoffe, sei es durch den Schuldendienst. UNDP hat einmal ausgerechnet, dass ungefähr 50 Millionen für Entwicklungszusammenarbeit 500 Millionen Dollar an Schuldenabfluss pro Jahr gegenüberstehen. Meine Damen und Herren, das ist wirklich ein Skandal!

Noch ein Punkt. Ich denke, man muss auch in diesem Bereich etwas machen, und es soll ja nächstes Jahr eine UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung geben. Man muss sich natürlich überlegen, wie man die Finanzmärkte in Zukunft kontrolliert, wie man die internationalen Konzerne auch dazu bringt, Steuern zu leisten. Eines der größten Probleme ist, dass drei Multimillionäre 48 Entwicklungsländern gegenüberstehen. Und wenn in Ihrer neuen Broschüre als Aufforderung an die Österreicher steht – ich habe nichts gegen Werbekampagnen, aber ich denke mir, dass das auch NGOs machen könnten –: Nicken Sie nicht, tun Sie etwas!, dann bitte ich Sie, Frau Ministerin: Tun Sie etwas in Ihrer Angelegenheit als Ministerin! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

18.57

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Die Budgetansätze des Außenministeriums zeigen, dass auch dieses Ressort einen Beitrag zur Sanierung unseres Staatshaushaltes, einen Beitrag zur Erreichung des Nulldefizits dieser Regierung leistet. Die Entwicklungshilfe, Frau Kollegin Jäger, ist dabei natürlich nicht auszunehmen.

Aus gegebenem Anlass – zwei Besuche slowenischer Politiker liegen nun nicht allzu lange zurück – möchte ich mich heute auch mit dem Verhältnis zwischen Österreich und unserem südlichen Nachbarland, mit Slowenien, befassen.

Die wirtschaftlichen Beziehungen beider Staaten zueinander sind sehr gut. Slowenien hofft auch auf eine Unterstützung unseres Landes bei seinem Weg in die Europäische Union. Außer Frage steht, dass die österreichische Außenpolitik sehr viel zur Staatswerdung Sloweniens, zur Anerkennung der Unabhängigkeit und Souveränität dieses Staates beigetragen hat. Die Verdienste des früheren Außenministers Dr. Alois Mock für Slowenien und Kroatien sind bekannt – zumindest in Agram sind diese Leistungen auch heute noch nicht vergessen.

Wer nun glaubt, es sei in den österreichisch-slowenischen Beziehungen alles in Ordnung, irrt aber. Es gibt einige Probleme, die noch nicht gelöst sind und gelöst werden müssen. Von ähnlich guten Beziehungen wie zwischen Österreich und der Schweiz sind wir zwischen Österreich und Slowenien doch noch einigermaßen weit entfernt.

Ich erinnere daran, unsere Minderheit in Slowenien genießt nicht denselben verfassungsrechtlichen Schutz wie die italienische oder die ungarische Minderheit in Slowenien. Die Slowenen


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haben das Kulturabkommen noch nicht unterzeichnet, sie werden es aber hoffentlich bald unterzeichnen. Das kann aber nur ein erster Schritt sein.

Ebenfalls ungelöst ist die Frage der Entschädigung der Heimatvertriebenen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Dafür fordert interessanterweise der neue slowenische Außenminister Rupel Kriegsreparationen von Österreich.

Die "Kleine Zeitung", meine Damen und Herren, hat das österreichisch-slowenische Verhältnis vor wenigen Tagen, wie ich meine, auf den Punkt gebracht. Die "Kleine Zeitung" hat getitelt: Kriegsaltlast als Stolperstein – AVNOJ-Beschlüsse stören Wien-Besuch des slowenischen Ministerpräsidenten.

Und tatsächlich muss es Befremden auslösen, dass in einem demokratischen Staatswesen, zu dem sich Slowenien mittlerweile entwickelt hat, Vertreibungs- und Enteignungsgesetze so hartnäckig verteidigt werden und in der Rechtsordnung noch immer so nachhaltig nachwirken wie heute in Slowenien. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn slowenische Politiker wie Staatspräsident Kucan zu den kommunistischen AVNOJ-Gesetzen erklären, diese seien ebenso sinnstiftend wie der österreichische Staatsvertrag, dann, meine Damen und Herren, ist dieser Vergleich eigentlich eine unerträgliche Provokation (Abg. Zweytick: Höchste Zeit, dass er geht!), denn der österreichische Staatsvertrag – und das wissen wir alle – enthält keine einzige Bestimmung, die Massenmord und Vertreibung, also Verbrechen gegen die Menschlichkeit, legalisieren würde. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Zweytick. )

Ich teile deshalb die Meinung des Herrn Bundeskanzlers ausdrücklich, dass bei manchen slowenischen Politikern das scheindemokratische Mäntelchen kaum in der Lage ist, ihre kommunistische Vergangenheit zu bedecken. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Zweytick. )

Meine Damen und Herren! Die AVNOJ-Gesetze haben sich nicht nur gegen die deutsche Minderheit im ehemaligen Jugoslawien gerichtet: Die Beschlüsse der Tito-Partisanen legten ebenso den Grund für den Massenmord an den slowenischen Domobranzen, an den königstreuen serbischen Tschetniks, aber auch an den Kroaten. Die AVNOJ-Gesetze sind damit ein furchtbares Zeugnis für einen slowenischen und jugoslawischen Bürgerkrieg.

Es gibt in Slowenien aber nicht nur Politiker und Journalisten, die durch ihre antiösterreichischen Komplexe auffallen, es gibt auch das andere, das demokratische Slowenien. Dazu gehören bestimmte Politiker, Geistliche und Künstler aus Marburg, aber auch die Vertreter etwa des Verbandes der ehemaligen Häftlinge in Laibach. Sie sind es, die mit dem alten Partisanenmythos aufräumen und der historischen Wahrheit zum Durchbruch verhelfen. Bis diese Kräfte aber mehrheitsfähig sind, gilt es, Frau Bundesministerin, die österreichischen Interessen – und dazu gehören auch die Interessen der Heimatvertriebenen – mit allem Nachdruck zu vertreten.

Klargestellt werden muss: Wenn es in den entscheidenden Fragen zu keinen bilateralen Einigungen kommt, dann dürfen wir nicht zögern, den Vorschlag des slowenischen Außenministers aufzugreifen und die Problematik der AVNOJ-Gesetze zu internationalisieren. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

19.03

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Österreich hat sich sehr für den Stabilitätspakt in Südosteuropa, der vor zwei Jahren ins Leben gerufen worden war, eingesetzt und daran beteiligt und auch Lob und Anerkennung dafür bekommen. Wenn man sich das Budget für das nächste Jahr anschaut, dann werden viele das Lob für die Ideen und Ankündigungen wohl revidieren. Die Länder der Region


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sind nicht nur zum Teil frustriert über den eher langsamen Fortschritt der Projekte, sie sind vor allem besorgt über die Weiterführung dieser Projekte. So genannte "Quick Projects" sind gelaufen, jetzt geht es aber um etwas anderes: Es geht um Kontinuität, damit diese Projekte auch längerfristige Auswirkungen haben, und, wie heute schon mehrmals erwähnt, es geht auch um das Ansehen Österreichs und das Vertrauen, das man in die Verlässlichkeit Österreichs als Partner setzen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Vertrauen in Österreich und das Ansehen Österreichs scheinen mir allerdings stark gefährdet, wenn man den Absichtserklärungen die Mittel für die Osthilfe gegenüberstellt. Diese Mittel wurden in den letzten Jahren sukzessive gekürzt. Letztes Jahr war die Situation schon nicht rosig, und heuer kann man sie wohl als trist bezeichnen. Nach dem Wegfall der Überschreitungsmittel und einer Kürzung des Fixums von ganzen 20 Prozent steht nur mehr sehr wenig für die Osthilfe zur Verfügung. Das ist ein finanzieller Kahlschlag, aber nicht nur das, es ist auch ein Schlag in das Gesicht der Ärmsten Europas, und es ist auch ein Eigentor. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ein Eigentor zum Beispiel aus folgenden Gründen: Es werden über die Osthilfe auch Umweltprojekte durchgeführt, Projekte, die, wie es in einer wunderbaren Broschüre so schön heißt, zur langfristigen Sicherstellung der Maßnahmen, zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen dienen.

Es ist zu befürchten, dass neben diesen Umweltprojekten auch weitere Osthilfe-Maßnahmen wieder einmal der blau-schwarzen Einsparungswut zum Opfer fallen, worunter auch Österreich sehr leidet, und zwar im Bereich der Bildung. Ich zitiere wieder aus dieser Broschüre: Osthilfe, ein Mittel zur Modernisierung des Bildungsprozesses, zur Modernisierung der Ausbildungsstruktur und zur Heranführung von Bildungsinstitutionen in Südosteuropa an die EU-Standards. – Da wollte Österreich sogar einen Schwerpunkt setzen, aber wenn ich da an die Bildungspolitik, die derzeit bei uns betrieben wird, denke, dann scheint mir das eher eine Drohung zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich hat in den letzten zehn Jahren als unmittelbarer Nachbar der Reformstaaten Mittel- und Osteuropas natürlich – und auch nicht ganz selbstlos – ein hohes Interesse an einer erfolgreichen wirtschaftlichen sowie einer stabilen demokratischen Entwicklung gehabt und hier Engagement gezeigt. Bedenkt man die Situation in Bosnien-Herzegowina, wo erstmals Reformkräfte in der Regierung wirklich die Vision eines multiethnischen Staates haben, dann muss man sehen, dass Kürzungen in diesem Bereich wirklich ein schwerer Fehler sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Gebiet ist nach wie vor ein potentieller Konfliktherd. Und wenn Sie, Frau Ministerin, sagen, dass der Balkan ein Schwerpunkt ist, und betonen, dass Entwicklungsarbeit bedeutet, Zukunft zu sichern, dann frage ich mich: Wo sind die Perspektiven? Wo sind die Schwerpunkte, die Sie setzen wollen? Welche Konzepte verfolgen Sie? Heißt das Konzept: 2002 weniger und 2003 gar keine Osthilfe mehr? – Ich glaube, das wäre wirklich ein schwerer Fehler. (Beifall bei der SPÖ.)

Instabilität macht nicht vor unserer Grenze Halt. Mögliche Problemfelder müssen an ihren sozialen, an ihren politischen und wirtschaftlichen Wurzeln bekämpft werden. Wir haben dafür ein bewährtes Mittel, und zwar das der Osthilfe. Prävention, sehr geehrte Damen und Herren, ist gefragt, dann erspart man sich die Intervention! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Aussagen sind also offensichtlich Lippenbekenntnisse oder Seifenblasen. Der Slogan "speed kills" hat sich ja schon bewahrheitet, und was das "Lasst Taten sprechen!" betrifft, so warten wir auf diese noch immer.

Die Budgetberatungen bringen es ans Tageslicht: ein dickes Minus bei den Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit, für die Osthilfe und Minimalbeiträge für internationale Organisationen – und das, obwohl wir jetzt schon zu den Schlusslichtern gehören. Es wird, wie Kollegin Jäger aufgezeigt hat, im nächsten Jahr noch wesentlich schlimmer werden.


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Frau Ministerin! Der Ruf Österreichs als verlässlicher Partner ist gefährdet. Ich denke, Solidarität ist eben mehr, als sich nur an die NATO heranzupirschen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Gatterer ist die nächste Rednerin. – Bitte.

19.09

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich glaube, jeder, der die Außenpolitik verfolgt hat, hat auch mitbekommen, dass die Frau Außenministerin und ihr großartiges Team im letzten Jahr an und für sich fast das schwerste Jahr in der Außenpolitik hatten, durch EU-Sanktionen, durch OSZE-Vorsitz und durch viele andere Vorbereitungsarbeiten, und ich glaube, die Budgetdebatte ist auch ein guter Anlass, Ihnen, Frau Außenministerin, und Ihrem Team hierfür zu danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, allen Außenpolitikern sowie auch den anderen Politikern tut es Leid, wenn gerade in diesem speziellen Bereich gespart wird – das trifft auf alle Bereiche der Außenpolitik zu, und natürlich auch auf die Osthilfe und auf die Entwicklungszusammenarbeit –, aber alle Minister und Ministerinnen haben sich dazu bekannt, dass wir ein Nulldefizit brauchen, dass wir uns von den Schuldenlasten einmal lösen müssen, und das heißt auch in diesen Bereichen im Moment Maß halten, mit Augenmaß vorgehen und etwas zurücknehmen.

Ich möchte doch noch einmal auf die strategische Partnerschaft eingehen, denn in der Debatte haben Sie ja heute der Frau Ministerin im Grunde alles abgesprochen, sogar dass sie ein Herz hat. Wenn Sie sich das Ranking der Politiker ansehen, dann meine ich, die ÖsterreicherInnen haben sehr wohl erkannt, dass unsere Außenministerin eine Frau mit großer Kompetenz, mit viel Engagement, mit wahnsinnig viel Arbeitseinsatz, aber vor allem auch mit sehr viel Herz ist. Ich meine, das müssen Sie ihr zugestehen, das können Sie ihr nicht absprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass gerade der sehr gute Vorschlag der strategischen Partnerschaft Herz auch für die Nachbarn zeigt. In unmittelbarer Nähe Österreichs gibt es vier Beitrittswerber, und Österreich hat eine Außengrenze von 1 300 Kilometern zu diesen neuen Beitrittsländern. Das ist meiner Ansicht nach etwas, was im Grunde genommen die Ansätze der Frau Außenministerin wirklich unterstützt. Sie sollten alle Anstrengungen unternehmen und genau dieses Programm der strategischen Partnerschaft unterstützen. Warum soll es zu spät sein? (Abg. Dr. Cap: Es ist nie zu spät!)

Erstens einmal ist es nie zu spät, und ich glaube, Österreich hat das auch unter Minister Mock schon gezeigt, Sie können sich sicher noch an das Bild erinnern. – Sie meinen "zu spät", weil wir heute alle auch "Außenpolitiker" sein wollen und endlich einmal "auße wollen", um es auf Kärntnerisch zu sagen. Das trifft auch zu.

Jedenfalls hat Minister Mock im Jahre 1989 nicht nur, wie Sie wissen, den Stacheldraht am Eisernen Vorhang durchschnitten, sondern er war eigentlich der erste große europäische Politiker, der voll versucht hat, diese neuen Länder hereinzunehmen, zu integrieren. Dies hat die Österreichische Volkspartei als Europapartei gemacht.

Ich glaube, genau mit dem Modell der strategischen Partnerschaft sind wir auf dem besten Weg, diese Bemühungen fortzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

19.12

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Wahlbeobachter der OSZE durfte ich um die Weihnachtsfeiertage 2000 Jugoslawien besuchen. Ich konnte da mit den Menschen reden und mir persönlich ein Bild von der Lage machen.


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Als wenige Monate zuvor bei den Präsidentenwahlen Polizisten und Soldaten des Milošević-Regimes zu den Demonstranten überliefen, das Parlament brannte und der Fernsehsender gestürmt wurde, hielt Europa, ja die ganze Welt den Atem an. Der Rückzug des Dikt
ators war der Beginn eines anderen Jugoslawien.

Weihnachten 2000 bedeutet für Jugoslawien einen Neubeginn mit all seinen Hoffnungen, aber auch der Skepsis ob der gewaltigen Schwierigkeiten und Herausforderungen, vor denen unser europäischer Nachbar steht. Der neugewählte Ministerpräsident Zoran Djindjić hat in einem Land Verantwortung übernommen, welches mit westlichen Demokratien noch wenig gemein hat. 13 Jahre lang wurde Jugoslawien von Brandstiftern und Feuerköpfen, von Mördern und Marionetten von Milošević regiert.

Umso schwieriger, ja fast unlösbar sind die Aufgaben, vor denen Zoran Djindjić und seine Regierung stehen. Jugoslawien liegt nach 13 Jahren dieser Milošević-Herrschaft in jeder Hinsicht auf dem Boden. Im Zustand tiefster Armut müssen Wirtschaftsreformen begonnen werden. Das Unrechtssystem einer Diktatur muss einem demokratischen Rechtsstaat weichen.

Die Aufarbeitung eigener Schuld an den Tragödien in Jugoslawien muss auch begonnen werden. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, das heutige Ansehen von Djindjić im In- und Ausland gibt ihm und Jugoslawien dabei eine große Chance.

Die Aufnahme Jugoslawiens in viele internationale Organisationen geschah vor allem in der Absicht, das Land aus der Isolation herauszuführen und einen Rückfall in die von Milošević mehr als ein Jahrzehnt lang betriebene Isolationspolitik zu verhindern. Zudem sollte der Bevölkerung Jugoslawiens gezeigt werden, dass der Westen mit seinem Wirtschaftsembargo gegen Belgrad und zuletzt mit dem Bombenkrieg der NATO nicht das Volk Jugoslawiens treffen wollte, sondern das verbrecherische Regime.

Nachdem dieses verbrecherische Regime durch demokratische Wahlen endlich gestürzt ist, gilt es nun, den Jugoslawen das Tor nach Europa weit aufzustoßen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Außenpolitisch, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat Jugoslawien Fortschritte gemacht. Der gestern noch als Feind des Volkes diffamierte Westen ist zum Verbündeten geworden. Auch im Inneren haben schon die Reformen begonnen.

Jugoslawien darf die Hoffnung nicht aufgeben. Es wird wirklich zu einem Großteil an uns liegen, diese Hoffnung am Leben zu erhalten und den Menschen und der neuen Nation jene Hilfe zukommen zu lassen, die sie einfach ganz dringend brauchen.

Wenn man heute – ich habe das selbst gesehen und erlebt – durch Städte und Dörfer fährt, wo entlang der Straßen ein desolates und verrottetes Industriekombinat das andere ablöst, und das Elend und die Armut der Menschen kennen lernt, dann sieht man, wie notwendig Hilfe und Unterstützung sind.

Es ist schon klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wohlstand binnen weniger Jahre ist nicht möglich; Verbesserung der Lebensqualität schon. Ich habe auch den Eindruck gewonnen, die Bevölkerung ist bereit, den neuen Anfang mit Geduld, aber auch in harter Arbeit mitzutragen. Derzeit gibt es nur für ein knappes Drittel der Bevölkerung Arbeit. Das Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem liegen am Boden. Jugoslawien braucht Finanzhilfe, Unterstützung durch Fachleute und Entwicklungskonzepte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Jugoslawien und Zoran Djindjić brauchen unsere Hilfe. Wir dürfen uns nicht bequem zurücklehnen und die Menschen sich selbst überlassen. Wir müssen ihnen heute helfen, damit sie eine Zukunft haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir dies nicht tun, dann drohen ähnliche Auseinandersetzungen wie derzeit in Mazedonien. Vielleicht werden viele sagen, dort lägen andere Ursachen vor, Konflikte zwischen den Nationalitäten seien die Ursache. Ich denke, dass die Ursache


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gewaltsamer Auseinandersetzung zwischen den Volksgruppen meistens die gleiche ist, nämlich tiefe Armut.

Frau Minister! Sie haben in der Vergangenheit – das habe ich wirklich sehr begrüßt – die Bedeutung des zivilen Krisenmanagements betont und beteuert, dass Österreich da einen Schwerpunkt setzen wird. Umso unverständlicher für mich ist jetzt Ihr Ruf nach militärischem Eingreifen im Mazedonien-Konflikt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr Vorschlag, sehr geehrte Frau Minister, ist in der EU nicht auf Zustimmung gestoßen. Auch NATO-Generalsekretär Robertson hat ihn vehement abgelehnt. Experten wie der UNO-Beauftragte für Bosnien, Wolfgang Petritsch, warnen explizit und meinen, es wäre zu früh, über eine Ausweitung des KFOR-Mandates nachzudenken. Petritsch gegenüber dem "Time"-Magazin – ich darf hier zitieren –:

Wir dürfen in dieser Frage nicht in die Falle gehen und überreagieren. Wir dürfen der Strategie der Rebellen, die auf eine Ausweitung des Konfliktes abzielt, nicht folgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Minister! Auch in der EU teilt man diese Einschätzung und ist um Deeskalation bemüht. Wenn heute die Bundesregierung die Mittel für die Osthilfe kürzt, dann raubt sie den Menschen Hoffnung, dann nimmt sie den Kindern die Chance auf eine bessere Zukunft. Ja sie nimmt ihnen vor allem die Chance auf einen dauerhaften Frieden zwischen den Völkern des Balkans.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich fordere Sie auf: Geben Sie dem Balkan, Jugoslawien eine Chance! Unterstützen Sie die Menschen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

19.20

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Die gekränkte Eitelkeit einiger Redner der SPÖ in der Frage an die Frau Minister, was denn für Schwergewichte in ihrer Außenpolitik gesetzt würden, ist fehl am Platz. Die Frau Minister hat in ihrem Beitrag ihre Politik eindrucksvoll dargelegt.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Diese Regierung setzt in wesentlichen Bereichen zukunftsweisende Weichenstellungen, auch in der Debatte über die neue Sicherheitsdoktrin. In enger Zusammenarbeit zwischen Außenministerin, Bundeskanzler und Landesverteidigungsminister werden wir einen Unterausschuss aus Vertretern des Außenpolitischen Ausschusses und des Landesverteidigungsausschusses einrichten, und Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, werden eingeladen sein, dort mit uns über dieses Thema zu debattieren.

Nach jahrelanger Feigenblattpolitik ist es nach unserem Dafürhalten nämlich endlich an der Zeit, die sicherheitspolitischen Interessen Österreichs einmal klar darzulegen, und das wird im Zusammenhang mit dieser Sicherheitsdoktrin geschehen.

Zu diesen vitalen Interessen Österreichs zählen neben anderen die folgenden Punkte: Gewährleistung unserer territorialen Integrität, der Schutz der rechtsstaatlich-demokratischen Verfassungsordnung und der inneren Sicherheit, die Sicherheit der wirtschaftlichen Interessen, die Wahrnehmung der Interessen Österreichs in der EU und die Durchsetzung der Interessen der Union im globalen Raum, aber auch der Schutz und die Förderung der Grundwerte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Aus diesen sicherheitspolitischen Interessen Österreichs lassen sich dann die strategischen Zielsetzungen ableiten. Wesentlicher Punkt dabei sind die Verhinderung des Entstehens von Risiken und Bedrohungen für den Kontinent und die verstärkte Übernahme von mehr europäischer Verantwortung für Frieden und Sicherheit.


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Des Weiteren gilt es, den Aufbau effizienter ziviler und militärischer Kapazitäten und Ressourcen für eine glaubwürdige europäische Sicherheitspolitik zu forcieren.

Diese neue Sicherheitsdoktrin, meine Damen und Herren, schafft die Grundlage für die neue europäische Solidarität. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Opposition, vor allem Sie von der SPÖ! Sie sind eingeladen, sich dabei an Ihre bisherige Europapolitik zu erinnern und mit uns den Entwurf des Analyseteils der neuen Sicherheitsdoktrin konsequent und, wie ich hoffe, auch ohne Scheuklappen zu debattieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

19.23

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte auf einige der Fragen noch einmal eingehen, und zwar zum einen auf die Frage der Osthilfe und natürlich der internationalen Organisationen.

Selbstverständlich tut es auch mir weh, wenn ich mein Budget kürzen muss, denn ich würde sehr gern viel mehr ausgeben, vor allem in der Osthilfe, aber auch bei den internationalen Organisationen. Aber ich trage natürlich auch eine Kürzung dieses Budgetdefizits voll mit, denn wir können nur mit einem schuldenfreien Budget in der Zukunft gut weiterarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen und Bravo-Ruf bei der ÖVP.)

Es ist daher richtig, dass im Jahre 2002 auch das UNHCR-Budget gekürzt werden soll. Man muss aber auch eines sehen: Neben den Beiträgen zum administrativen Budget sind immer eine ganze Reihe von anderen Beiträgen geleistet worden, so zum Beispiel im Jahre 2000 über 5,5 Millionen zusätzlich für ein Minenprogramm im Kosovo. Weitere Projekte waren Soforthilfemaßnahmen der Bundesregierung, die über das UNHCR abgewickelt wurden, JPO-Programme im Umfang von 1,8 Millionen und so weiter.

Ähnliches habe ich auch im laufenden Jahr vor. So stelle ich mir zum Beispiel vor, in Serbien ähnliche Programme zu machen. – Das ist das eine.

Das andere: Was die Osthilfe betrifft, möchte ich Ihnen sagen, dass das Problem vor allem auch darin gelegen ist, dass die Osthilfe in den vergangenen Jahren, in denen sie nicht zu meinem Ressort gehört hatte, durch Überschreitungsermächtigungen finanziert wurde, anstatt dass man sich hier auf eine klare Finanzierungslösung eingelassen hätte, und dass damit die Osthilfe eigentlich nicht in ausreichender Weise voll veranschlagt war. Nun habe ich die Osthilfe-Agenden übernommen und bin von einer halbherzigen Finanzierungslösung betroffen, die sich jetzt auch ausgewirkt hat. – Auch das muss man einmal sagen.

Darüber hinaus wäre die Frage zu stellen: Welche Alternative hätten wir gehabt? – Wir hätten bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit stärker kürzen können. Das hätten Sie sicher weniger gewünscht. – Ich auch. Daher muss man eben den Weg gehen, den ich gegangen bin, aber sehr behutsam. Das bedeutete insbesondere, dass ich auch im eigenen Haus vor allem die Aufwendungen für Anlagen enorm zurückgenommen habe, sodass wir irgendwann in Zukunft die Mittel für all die Reparaturen und Anlagenverbesserungen auch wieder aufstocken werden müssen, damit wir hier einen Ausgleich schaffen.

Ein dritter Punkt, der in der Diskussion angesprochen wurde, betrifft die Konkretisierung der strategischen Partnerschaft: Bitte, diese Konkretisierung ist ja genau der am 6. Juni stattfindenden Regionalkonferenz vorbehalten, denn es ist ja nicht ein zur Gänze vorfabriziertes Paket, sondern es ist bewusst eine Initiative mit Vorschlägen, die von mir gestartet wurde, bei der selbstverständlich auch die anderen als gleichberechtigte Partner – es heißt ja Partnerschaft – ihre Vorstellungen einbringen sollen. Das wird auch von den Kollegen sehr gerne so gesehen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Haigermoser. )


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64. Sitzung / Seite 154

Zum Zweiten, zur Plattform: Über die Plattform werden Sie mehr am 6. April hören, wenn ich sie, übrigens zusammen mit der Frau Vizekanzlerin und mit dem Botschafter für die Europäische Kommission in Wien Streitenberger, vorstellen werde. Dann werden Sie ganz genau über die Details informiert werden, und das ist bereits sehr bald.

Schließlich möchte ich noch auf die Frage eingehen, welche Kriterien denn bei der strategischen Partnerschaft angelegt worden sind: Ganz klar die Kriterien, dass es um die Beitrittskandidaten geht! Lassen Sie mich Kroatien als Beispiel nennen: Ich weiß schon, dass Kroatien Interesse hätte, als Fast-Nachbar dabei zu sein, aber Kroatien ist eben noch nicht Beitrittskandidat. Wenn Sie mein Konzept logisch sehen – und es ist ein logisches Konzept –, dann geht es darum, dass, sobald die Beitrittskandidaten – voraussichtlich ab 2004 – in der Union mit uns sind, sie selbstverständlich mit uns gemeinsam eine Gruppe bilden werden, die sich jeweils einmal pro Halbjahr vor dem großen Europäischen Rat trifft, um die Positionen abzustimmen. Das wird nicht immer die gemeinsame Position sein, aber man wird zumindest die Positionen kennen, und sehr oft wird es eine gemeinsame Position werden. Davon bin ich überzeugt. Nicht umsonst hat auch die luxemburgische Außenministerin, als sie neulich hier war, gesagt, dass es in der Union eine Selbstverständlichkeit ist, solche Allianzen einzugehen, wie auch die Benelux-Staaten das machen. (Abg. Dr. Cap: Wo sind die gemeinsamen Interessen?)

Letzter Punkt – ganz kurz zur Frage Jugoslawien und Mazedonien, Einsatz KFOR. Ich habe zweimal schon gesagt: Eine diplomatisch-politische Initiative ist ohnehin von der Union getroffen worden. Das haben wir alle selbstverständlich nicht nur mitgetragen, sondern lange diskutiert und entschieden. Aber man muss darüber hinaus denken, und Sie wissen ja, dass die Situation auch heute noch nicht entschärft ist. Sie ist vorläufig entschärft, und hoffentlich genügt diese Lösung. Es ist ja auch eine Verstärkung der KFOR-Truppen an den Grenzen eingetreten. Aber derzeit hat man sich eben damit geholfen, dass man Mazedonien anderweitig, bilateral militärisch, unterstützt. Jeder weiß doch, dass Mazedonien ein ganz schwaches Heer hat und selbst, alleine, ohne Hilfe nicht in der Lage ist, zu helfen. Das war der Grund für meinen Anstoß, und im UN-Sicherheitsrat ist inzwischen auch eine Resolution da, die sehr klar in diese Richtung geht. Hoffen wir, dass wir nicht mehr brauchen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Bösch und Haigermoser.  – Abg. Dr. Cap: Wo ist die Partnerschaft bei der strategischen Partnerschaft?)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

19.29

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich hier stehe und insbesondere zum Budget der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit ein paar Worte verlieren möchte, und zum dritten Mal muss ich sagen, ich bin froh, dass zwar der permanente Abwärtstrend, wie er viele Jahre in diesem Bereich vorgeherrscht hat (Abg. Jäger: Bitte! Auf dem Boden der Wahrheit bleiben!), halbwegs gestoppt ist, dass ich auf der anderen Seite aber, ebenso wie Sie, werte Kolleginnen, auch nicht zufrieden bin mit dem Status quo. Ich bin der Ansicht – und ich appelliere diesbezüglich an alle Abgeordneten in diesem Haus –, dass es ab nächstem Jahr unbedingt wieder mehr Geld für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit geben muss. Ich glaube, das sind wir als reiches Land den ärmsten Menschen in dieser Welt einfach schuldig. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf ein paar Punkte muss ich aber trotzdem eingehen. Frau Jäger! Frau Lunacek! Wenn Sie sagen, es habe einen Rückgang um 12 Prozent gegenüber dem Erfolg des Jahres 2000 gegeben, so muss ich Ihnen sagen, das ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Man darf aber nur Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen vergleichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir den Voranschlag 2000 hernehmen, dann ist das nicht so. Sie vergleichen den Voranschlag mit dem Erfolg, und das ist einfach nicht zulässig. Ich bin sicher, so wie es im Jahre 2000 dann doch etwas mehr Geld gegeben hat als ursprünglich vorgesehen, so wird das auch für die nächsten zwei Jahre – also für 2001 und 2002 – bei der Abrechnung der Fall sein. – Dies dazu.


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64. Sitzung / Seite 155

Wenn Sie weiters sagen, man mache im Außenministerium eine Werbekampagne zu Lasten der Dotierung der NGOs, so muss ich dem entgegenhalten: Ich glaube, es ist unglaublich wichtig, dass auch in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür geschärft und vertieft wird, wie wesentlich die Entwicklungszusammenarbeit für uns alle ist und sein muss. Das rechtfertigt nämlich für uns als Vertreter der Bevölkerung, dass wir diesem Bereich mehr Mittel zuweisen. Aus diesem Grund halte ich es für eminent wichtig, hier endlich eine Aufklärung durchzuführen, und ich danke Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner ganz ausdrücklich auch dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie sich weiters die Broschüren im Zusammenhang mit dieser Öffentlichkeitskampagne anschauen, dann werden Sie sehen, dass hier auf die "Südwind"-Agentur und auf viele andere hervorragend arbeitende Institutionen ausdrücklich hingewiesen wird. Das ist keine Informationskampagne zum Selbstzweck, sondern etwas, was letztlich den NGOs und den ärmsten Menschen der Welt zugute kommen wird. Davon bin ich überzeugt.

Meine Damen und Herren! Ich werde meine Ausführungen damit auch schon schließen und hoffe, dass auch der Herr Finanzminister unseren gemeinsamen Appell für mehr Mittel für die bilaterale EZA vernommen hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Haigermoser. )

19.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Mag. Hartinger ist die nächste Rednerin. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Aber es ist doch schon alles gesagt! – Abg. Mag. Hartinger  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Fast alles!)

19.32

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Im Zuge der EU-Osterweiterung gibt es viele Anforderungen an die österreichische Politik, auch an die Gesundheitspolitik. Bitte gestatten Sie mir, dass ich heute auf dieses spezifische Thema ganz kurz eingehe.

In der Gesundheitspolitik ist es auf Grund der besonderen geopolitischen Lage Österreichs notwendig, einen intensiven Kontakt insbesondere mit den Beitrittskandidaten, aber auch mit den osteuropäischen Ländern zu pflegen. Sowohl unsere Frau Außenministerin als auch unser Staatssekretär pflegen diese Kontakte. So hat beispielsweise unser Herr Staatssekretär Waneck seit seinem Amtsantritt seine Kollegen in Polen und in der Slowakei besucht. Er hat in seinen Äußerungen zum Erweiterungsprozess insbesondere auf folgende Punkte hingewiesen.

Erstens: Das Gesundheitsressort ist jederzeit bereit, sein Wissen in Form von Erfahrungsaustausch zur Verfügung zu stellen.

Zweitens: Gemäß der allgemeinen Regierungshaltung behielt man sich auch im Gesundheitsbereich eine gewisse Zurückhaltung in Hinblick auf die Arbeitsmärkte in den östlichen Grenzregionen vor.

Als Drittes wurde festgestellt, dass die Gesundheitspolitik davon ausgeht, dass jeder Beitrittskandidat bei Eintritt in die Europäische Union das Verhandlungskapitel 13 – also das Sozialkapitel inklusive Gesundheit – vollständig umgesetzt hat.

Meine Damen und Herren! Sie sehen: Die Aufgaben im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung sind vielfältig. Sie betreffen auch die Gesundheit. Aber unsere Regierung denkt gesamtheitlich und packt die Dinge an, wo andere erst einmal reden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

19.34

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor genau drei Jahren hat die Europäische Union die Beitrittsverhandlungen mit den neuen Beitrittskandidaten aufgenommen.


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64. Sitzung / Seite 156

Damit hat Europa ein Projekt gestartet, das gerade für unser Land von allergrößter Bedeutung ist. Die angrenzenden Länder werden Partner im Binnenmarkt. Unsere Art der Nachbarschaft bekommt eine neue Dimension.

Uns allen ist klar, dass sich unser Zusammenleben ändern wird. Uns ist auch klar, dass nicht nur unsere Nachbarn, sondern auch wir einiges dazulernen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Brücken zwischen Ost und West sind zu bauen, Straßen für Wirtschaft und Wohlstand, und das nicht nur im übertragenen Sinn. Im Umkreis von Wien gibt es Städte wie Hollabrunn, Wiener Neustadt, Tulln oder Korneuburg, und alle diese Städte sind mit sehr guten Verkehrsverbindungen verbunden. (Abg. Mag. Posch: Was hat das mit der Außenpolitik zu tun?) Das entspricht dem Mobilitätsbedürfnis unserer Zeit.

Wien und Bratislava sind durch eine Straße verbunden, die durch das Hainburger Tor führt, und die entspricht dem Mobilitätsbedürfnis des 16. Jahrhunderts – ein Faktum, das geändert werden muss und in der nächsten Zeit von einem anderen Ressort, aber doch behandelt werden sollte.

Jedenfalls geht es uns darum, dass wir im Rahmen der knappen Budgets Schwerpunkte für den Verkehrsausbau in der Ostregion setzen werden, weil gerade die Slowakei einen schweren Start hatte, in die Demokratie zu finden. (Abg. Mag. Posch: Eine Straßenbahn nach Bratislava!) Sie braucht daher ganz besonders unsere Zuwendung. Wir müssen alles daransetzen, dass diese Erweiterung ein Erfolgsprojekt wird, und wir müssen vier Punkte wesentlich beachten.

Der erste Punkt ist: Alle Gespräche müssen in Augenhöhe und ohne Besserwisserei und Bevormundung passieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Die klatschen, damit sie auffallen!) Es geht nicht darum, Spuren zu hinterlassen – besonders gute Spuren hinterlassen meistens die Großspurigen –, sondern es geht darum, mit den Nachbarn wirklich in ein gutes Gespräch zu kommen.

Zweitens: Das vereinbarte Ziel darf nicht aus den Augen verloren werden. Es geht darum, dass die vier Freiheiten wirklich übernommen werden. Aber es geht uns auch darum, dass die Erfüllung der Sicherheitsstandards, die Einhaltung der Hygiene- und Umweltnormen und aus der Sicht der Landwirtschaft die volle Einbindung in die Marktordnung gewährleistet sind.

Das sind schwierige Fragen, die noch zu klären sind, und ich bin sicher, dass unsere Frau Außenminister, die bekannt dafür ist, mit ihrer anerkannten Stärke konstruktive Lösungen finden wird. Ich verlasse mich ganz darauf, dass die Verhandlungen zu einem guten Ergebnis kommen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Der dritte wesentliche Punkt ist, dass wir rechtzeitig Kooperation anbieten und Hilfestellung leisten müssen, dass Geduld und verstärkte Auseinandersetzung notwendig sind.

Der vierte Punkt: Wichtig ist, dass es eine gut geplante Übergangsphase gibt, eine Übergangsphase, in der das, was ausgeredet ist – verstärkte Hilfe für die Grenzregionen und Übergangsphasen für die Mobilität des Arbeitsmarktes –, ordentlich durchgeplant und auch durchgeführt wird. – Auch dafür wurde auf dem Gipfel von Nizza vorgesorgt.

Natürlich wird die EU-Osterweiterung Probleme bringen, aber sie wird gerade auch für Österreich große Chancen eröffnen. Deshalb bitte ich Sie alle darum: Chancen zu nutzen erfordert innere Bereitschaft, guten Mut und harte Arbeit. Dafür müssen wir den Menschen Mut machen – und das ist vornehme Aufgabe aller Parteien dieses Hauses. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte. (Abg. Mag. Posch: Keine Seniorenrede!)

19.38

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es geschieht nicht allzu oft, dass ich mit so großer Freude wie jetzt hier zu diesem Rednerpult trete.


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64. Sitzung / Seite 157

42 Jahre ist es her, dass ich in einer besonders schwierigen Zeit Südtirols, als die gewaltsame italienische Assimilierungspolitik einen neuen Höhepunkt erreicht hatte, mit einem Jugendchor zehn Tage lang durch Südtirol gezogen bin und wir jeden Abend in einem anderen Dorf ein Chorkonzert gaben, bei dem wir unsere Volkslieder gesungen haben (Abg. Mag. Posch: War da der Khol auch dabei?), um der dortigen Bevölkerung zu zeigen, dass sie nicht nur vom offiziellen Österreich, sondern auch vom einfachen Volk nicht vergessen wird – eine Sängerfahrt, die mir unvergessen geblieben ist und von der ich ein Streiflicht zitieren möchte. In Taufers erzählte uns damals ein Bauernbursch:

In der Schul’ frog’n se uns: "Che paese è questo?" (Welches Land ist das?) Nachha sogd’n mir: "E Italia, ma terra nosch tra!" – und des megden se gor net! (Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. )

Damals konnten wir in unseren kühnsten Träumen nicht erhoffen, dass eine Zeit kommen würde, in der das Südtirol-Problem schon deshalb entschärft sein wird, weil Österreich und Italien in einer gemeinsamen Europäischen Union vereint und die Grenzen zwischen beiden Ländern weggefallen sein werden.

Lassen Sie mich ausdrücklich festhalten, meine Damen und Herren, dass die großen Erfolge der österreichischen Südtirol-Politik in den vergangenen vier Jahrzehnten nicht zuletzt darauf beruhten, dass diese Politik aus dem Parteienstreit herausgehalten werden konnte und dass sie – unabhängig von der jeweiligen Zusammensetzung der österreichischen Bundesregierung – konsensual erfolgte, eine Hommage auch Richtung Opposition. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine heutige große Freude beruht darauf, dass diese erfolgreiche Südtirol-Politik unter der Ministerschaft von Benita Ferrero-Waldner neue Meilensteine setzen konnte. Lassen Sie mich nur einen herausgreifen, nämlich den – und das werden viele von Ihnen noch nicht wissen –, dass am 28. Februar dieses Jahres von der italienischen Abgeordnetenkammer ein Verfassungsreformgesetz genehmigt wurde, mit dem die Pflicht zur Genehmigung von Südtiroler Landesgesetzen durch Rom abgeschafft und erstmals die deutsche Bezeichnung "Südtirol" in die italienische Verfassung aufgenommen wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Das ist weit mehr als eine bloße Äußerlichkeit. Unsere Freude möge uns aber nicht zum Träumen verleiten; Österreich wird sich weiterhin seiner Schutzmachtfunktion bewusst sein müssen. Ich verweise nur auf die in nächster Zeit noch zu lösende Frage, ob eventuell die Vier-Jahres-Ansässigkeitspflicht reduziert werden könnte, im Paket mit einer Übertragung weiterer schulischer Kompetenzen vom Staat auf das Land Südtirol.

Erlauben Sie mir ein Schlusswort zur Debatte über Außenpolitik, bei dem ich mir dessen bewusst bin, dass ich mich auf ein außerordentlich heikles Terrain begebe.

Seit 1806 war in Österreich der "Traum vom Reich" nie verstummt. 1919 hat der Nationalrat erklärt, Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik, und 1938 haben Theodor Innitzer und Karl Renner zum "Ja" aufgerufen.

Hohes Haus! Für mich besteht eine der wichtigsten Konsequenzen der Schaffung der Europäischen Union darin, dass dieses traumatische Thema gegenstandslos geworden ist, es besteht nicht mehr, und zwar einfach deshalb, weil wir mit allen anderen EU-Staaten genauso wie mit Deutschland vereint sind, und dass Österreich daher als Mitglied der Europäischen Union frei von dieser psychischen Bürde, die vor uns Generationen belastet hatte, in seine Zukunft gehen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe III des Bundesvoranschlages für das Jahr 2002.


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Stenographisches Protokoll
64. Sitzung / Seite 158

Diese umfasst das Kapitel 20 des Bundesvoranschlages in 500 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Antrag gemäß § 53 Abs. 8 GOG

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Es liegt mir der Antrag vor, die Verhandlungen über das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen gemäß § 53 Abs. 8 der Geschäftsordnung zu vertagen, um eine Sitzung zur Verhandlung anderer Gegenstände einzuschieben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vertagungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung der Selbständige Antrag 414/A (E) eingebracht wurde.

Ferner sind die Anfragen 2248/J bis 2259/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Montag, den 2. April 2001, um 12 Uhr ein.

Die Tagesordnung wird im Wege der Klubs zugestellt werden. – In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Die heutige Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 19.44 Uhr