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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

953. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Mai 2023

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

953. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Mai 2023

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Mai 2023: 9.00 – 15.02 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes – WZEVI-Gesetz

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums, das Me­dienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz sowie das KommAustria-Gesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein FWIT-Rat-Gesetz erlassen wird und das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Forschungsorganisa­tionsgesetz, das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz, das FTE-Nationalstiftungs­gesetz sowie das Universitätsgesetz 2002 geändert werden (FWIT-Rat-Errich­tungsgesetz – FREG)

4. Punkt: Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 2

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutzgesetz 1990 und das Patentamtsgebührengesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz (TKG 2021), BGBl. I Nr. 190/2021, zuletzt geändert durch die Kundmachung BGBl. I Nr. 180/2022, geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlaments­mitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz – ParlMG) geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Wortmeldung des Bundesrates Christoph Steiner ...............................................  142

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ......  142, 145

Unterbrechung der Sitzung ..........................................................  143, 146, 172

Personalien

Verhinderung ..........................................................................................................     11

Aktuelle Stunde (105.)

Thema: „Geopolitische Zeitenwende: Auswirkungen des russischen An­griffskriegs auf die Ukraine, auf die Außenpolitik Österreichs und Europas“ ..................................................................................................................     11


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 3

Redner:innen:

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................     12

Stefan Schennach ....................................................................................................     16

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................     20

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................     25

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ...........................................     29

Mag. Christian Buchmann ......................................................................................     36

Elisabeth Grimling ....................................................................................................     39

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................     41

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     44

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ........................................................................................................................     49

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     50

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  46, 185

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes – WZEVI-Gesetz (3293/A und 2013 d.B. sowie 11222/BR d.B.) .......................     50

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................     51


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 4

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderun­gen an Medieninhaber eines periodischen Mediums, das Medienkoopera­tions- und -förderungs-Transparenzgesetz sowie das KommAustria-Gesetz geändert werden (3294/A und 2017 d.B. sowie 11220/BR d.B. und 11223/BR d.B.) .......................................................................................................     50

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................     51

Redner:innen:

Korinna Schumann ...................................................................................  52, 140

Matthias Zauner ......................................................................................................     58

Mag. Isabella Theuermann ......................................................................................     62

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................     65

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     69

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................     73

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................     77

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................     82

Andreas Babler, MSc ...............................................................................................     85

Elisabeth Grimling ....................................................................................................     88

Mag. Sandra Gerdenitsch ........................................................................................     91

Günter Kovacs .........................................................................................................     93

Mag. Claudia Arpa ...................................................................................................     95

Daniel Schmid ..........................................................................................................     98

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  101

Dr. Manfred Mertel ..................................................................................................  104

Stefan Schennach ...................................................................................  108, 126

Christian Fischer ......................................................................................................  109

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................  110

David Egger-Kranzinger ..........................................................................................  115

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................  116


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 5

Mag. Bettina Lancaster ...........................................................................................  119

Horst Schachner ......................................................................................................  120

Dominik Reisinger ....................................................................................................  123

Christoph Steiner .....................................................................................................  129

Antrag der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informations­plattform des Bundes – WZEVI-Gesetz (3293/A und 2013 d.B. sowie 11222/BR d.B.) gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR einen Einspruch zu erheben – Ablehnung (namentliche Abstimmung) ...........................  108, 142

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...........................  144

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstimmung) ....................................................................................  145

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...........................  147

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44
Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ..........................  148

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein FWIT-Rat-Gesetz erlassen wird und das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Forschungsorganisa­tionsgesetz, das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz, das FTE-Nationalstiftungsgesetz sowie das Universitätsgesetz 2002 geändert werden (FWIT-Rat-Errichtungsgesetz – FREG) (1927 d.B. und 1997 d.B. so­wie 11226/BR d.B.) ................................................................................................  149

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .........................................  150


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 6

Redner:innen:

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  150

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  153

Alexandra Platzer, MBA ..........................................................................................  155

Günter Pröller ...........................................................................................................  156

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  158

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  160

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Pa­tentgerichts (1903 d.B. und 1998 d.B. sowie 11227/BR d.B.) .........................  160

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  161

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzge­setz 1970, das Musterschutzgesetz 1990 und das Patentamtsgebührenge­setz geändert werden (1955 d.B. und 1999 d.B. sowie 11228/BR d.B.) ........  160

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  161

Redner:innen:

Markus Steinmaurer ................................................................................................  162

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  164

Elisabeth Wolff, BA ..................................................................................................  166

Mag. Bettina Lancaster ...........................................................................................  168


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 7

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................  170

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  170

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz (TKG 2021), BGBl. I Nr. 190/2021, zuletzt geändert durch die Kundmachung BGBl. I Nr. 180/2022, geändert wird (3236/A und 2000 d.B. sowie
11229/BR d.B.) ....................................................................................................... 
170

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  171

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  171

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird (3077/A und 2010 d.B. sowie 11221/BR d.B. und 11224/BR d.B.) ....................................................................  171

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................  172

Redner:innen:

Klemens Kofler .........................................................................................................  173

Markus Stotter, BA ..................................................................................................  174

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................  175

Simone Jagl ..............................................................................................................  176

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  179

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmitar­beiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz – ParlMG) geändert wird (2722/A und 2011 d.B. sowie 11225/BR d.B.) .........................................  179

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..............................................................  179


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 8

Redner:innen:

Klara Neurauter .......................................................................................................  180

Korinna Schumann ..................................................................................................  181

Günter Pröller ...........................................................................................................  183

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  183

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  184

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesrät:innen

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 6-Punkte-Plan zur Lö­sung des medizinischen Personalmangels (376/A(E)-BR/2023)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe (377/A(E)-BR/2023)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des Forderungskatalogs der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie (ÖGU) (378/A(E)-BR/2023)

Anfragen der Bundesrät:innen

Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abschiebung der Familie Lopez aus Haslach (4100/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Leerstand, Zweitwohnsitz, Wohnkosten – machen Sie das Leben für die Menschen wieder leistbar! (4101/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Leerstand, Zweitwohnsitz, Wohnkosten – machen Sie das Leben für die Menschen wieder leistbar! (4102/J-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 9

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Leerstand, Zweitwohnsitz, Wohnkosten – machen Sie das Leben für die Menschen wieder leistbar! (4103/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Krankenkassenbeiträge für Asylwerber in den Jahren 2018 - 2022 (4104/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Übernahme der Infrastruktur der Graz-Köflacher-Bahn (4105/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Begabungs- und Begabtenförderung an steirischen Schulen (4106/J-BR/2023)

Bernhard Hirczy, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Bahnstrecke „Jennersdorf – Graz“ (4107/J-BR/2023)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderbildung und Kinderbetreuung für alle – wann handeln Sie endlich, Herr Minister? (3779/AB-BR/2023 zu 4082/J-BR/2023)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fortsetzung der Autobahnerweiterung der A9 Pyhrnautobahn (3780/AB-BR/2023 zu 4077/J-BR/2023)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die An­frage der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuregelung des Schülergelegenheitsverkehrs (3781/AB-BR/2023 zu 4079/J-BR/2023)


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des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimakleber“-Aktion in der Steiermark (3782/AB-BR/2023 zu 4075/J-BR/2023)

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundes­rät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Corona-Förderungen für steirische Bauernbund-Zeitung (3784/AB-BR/2023 zu 4083/J-BR/2023)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Förderungen für steirische Bauernbund-Zeitung (3785/AB-BR/2023 zu 4084/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Barcelona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindeststandards zur Kinderbildung nicht gerecht? (3786/AB-BR/2023 zu 4088/J-BR/2023)

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundes­rät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bar­celona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindeststandards zur Kinderbildung nicht gerecht? (3787/AB-BR/2023 zu 4085/J-BR/2023)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Barcelona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindeststan­dards zur Kinderbildung nicht gerecht? (3788/AB-BR/2023 zu 4086/J-BR/2023)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die An­frage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Barcelona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindest­standards zur Kinderbildung nicht gerecht? (3789/AB-BR/2023
zu 4087/J-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 11

09.00.08Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Günter Kovacs, Vizepräsident Mag. Harald Himmer, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA

09.00.09*****


Präsident Günter Kovacs: Ich eröffne die 953. Sitzung des Bundesrates. Schönen guten Morgen!

Das Amtliche Protokoll der 952. Sitzung des Bundesrates vom 14. April 2023 ist aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Markus Leinfellner.

09.00.26Aktuelle Stunde


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Geopolitische Zeitenwende: Auswirkungen des russischen Angriffskriegs
auf die Ukraine, auf die Außenpolitik Österreichs und Europas“

mit dem Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegen­heiten Mag. Alexander Schallenberg.

Ich sehe gerade, der Herr Bundesminister ist noch nicht anwesend, da müssen wir wahrscheinlich noch ein paar Minuten warten. (Ruf bei der SPÖ: ... steht auch im Stau! Ruf bei der FPÖ: ... Klimakleber!)

Ich werde jetzt einmal die Formalitäten verlesen. In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt (Bundesminister Schallenberg betritt den Saal und nimmt auf der Regierungsbank Platz) – herzlich willkom­men, Herr Außenminister! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky–:


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 12

Zunächst kommt je ein:e Redner:in pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungs­weise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stel­lungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht über­schreiten soll. Danach folgt wiederum je ein:e Redner:in pro Fraktion sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer Redezeit von 5 Minuten. Zuletzt kann noch eine abschlie­ßende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten bitte nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


9.02.02

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher hier bei uns im Saal und werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Es freut mich besonders, dass ich als neue Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Bundesrates zu diesem wichtigen Thema heute sprechen kann. Wir be­schäftigen uns in dieser Aktuellen Stunde mit einer der dringendsten Fragen un­serer Zeit, nämlich jener der geopolitischen Zeitenwende, die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöst wurde, sowie den Auswirkun­gen auf die Außenpolitik Österreichs und Europas.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine stellt eine eklatante Verletzung des Völkerrechts dar. Es ist ein Angriffskrieg, der die territoriale Integrität und Sou­veränität der Ukraine verletzt hat. Dieser Angriffskrieg hat gezeigt, dass die internationale Ordnung brüchig geworden ist, dass internationales Recht und in­ternationale Regeln nicht mehr respektiert werden. Wir befinden uns in einer geopolitischen Zeitenwende.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 13

Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur Auswirkungen auf die Ukraine selbst, sondern er betrifft uns auch hier in Österreich und in Europa. Wir dürfen nie ver­gessen, dass die Ukraine nicht weit weg von Österreich ist. Wenn man zum Beispiel mit einem Zirkel einen Kreis um Wien ziehen würde, würde man gut se­hen, dass die Grenze zur Ukraine näher bei Wien liegt als mein Heimatbun­desland Vorarlberg. Es liegt daher nahe, dass die massiven Flüchtlingsströme aus der Ukraine auch auf Österreich Auswirkungen haben. Sehr viele Flüchtlinge bleiben natürlich sehr nahe ihrer Heimat – zum Beispiel in Polen, wo ich mir letz­tes Jahr als Bundesratspräsidentin in den Flüchtlingszentren nahe der Grenze zur Ukraine selbst ein Bild vor Ort machen konnte –, aber eine beträchtli­che Anzahl an Vertriebenen ist auch nach Österreich gekommen. Die aktuelle Zahl der Vertriebenen aus der Ukraine hier bei uns in Österreich beträgt rund 96 500.

Bis zum 17. Lebensjahr ist die Aufteilung zwischen den männlichen und weiblichen Flüchtlingen in etwa gleich, doch ab dem 18. Lebensjahr sind es über­wiegend Ukrainerinnen, die sich bei uns befinden. Junge Männer ab dem 18. Lebensjahr müssen den Militärdienst für ihr Land leisten.

Mein Mann und ich haben zwei Söhne. Unser Ältester wird im Sommer 18 Jahre alt. Schon allein die Vorstellung, dass er nun – mit 18 Jahren – in den Krieg ziehen müsste, ist eine ganz furchtbare.

Noch einmal: Dieser Krieg ist nicht weit weg. Dieser Krieg ist hier bei uns in Europa. Wir in Österreich und in Europa müssen uns darauf konzentrie­ren, unsere Kräfte zu bündeln und unsere diplomatischen Bemühungen zu ver­stärken, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu erreichen.

Seit Beginn dieses Angriffskriegs auf die Ukraine unterstützt Österreich das ukrainische Volk auf vielfältigste Weise. Österreich stellte bisher Hilfe in der Höhe von über 129 Millionen Euro zur Verfügung, wovon auch viel über Nachbar in Not, die Caritas sowie über das Österreichische Rote Kreuz gespendet wurde. Ich möchte an dieser Stelle einmal Danke sagen. (Beifall bei


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 14

ÖVP, SPÖ und Grünen): Danke an alle Menschen, die in Hilfsorganisa­tionen tätig sind und die helfen, menschliches Leid zu lindern, Danke aber auch allen Spendern und vor allem auch Danke an alle Bürgerinnen und Bürger in Österreich, die Vertriebene aus der Ukraine bei sich aufgenommen haben! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Schon gleich zu Beginn, als der Krieg ausgebrochen ist, war die Welle der Hilfsbereitschaft überwältigend, vor allem viele ukrainische Frauen wurden mit ihren Kindern bei uns in Österreich mit einer großen Selbstverständlichkeit aufgenommen. Wir dürfen die humanitäre Krise, die sich durch diesen Krieg in der Ukraine entwickelt hat, nicht ignorieren. Viele Menschen, darunter auch Zivilisten, haben durch diesen Krieg ihr Leben verloren. Die Kriegsverbre­chen dürfen nicht vergessen werden. Österreich unterstützt in diesem Zu­sammenhang die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzte Untersuchungskommission mit Sitz in Wien sowie die laufenden Ermittlun­gen mutmaßlicher Kriegsverbrechen durch den Internationalen Strafgerichtshof.

Die zivile EU-Mission in der Ukraine unterstützt außerdem bei der Ermittlung und Verfolgung von Kriegsverbrechen in der Ukraine. Aktuell sind vier Bedienstete des Bundesministeriums für Inneres zur zivilen EU-Mission in die Ukraine entsandt, um da aktiv mitzuwirken.

Lassen Sie mich nun noch zu einem weiteren Punkt kommen, und zwar jenem, warum es für Österreich und ganz Europa sehr wichtig ist, sich in der Außenpolitik zu koordinieren und zusammenzuarbeiten: Es geht um die globale Ernährungssicherheit. Die Ukraine ist der fünftgrößte Weizenexporteur welt­weit und exportiert jährlich circa 17 Millionen Tonnen. Rund 50 Staaten sind von den Getreideexporten der Ukraine stark abhängig. Laut dem UN World Food Programme beziehungsweise dem Welternährungsprogramm der Vereinten Na­tionen sind die hauptbetroffenen Regionen der Nahe Osten, Nordafrika, Sahel, Ostafrika und Teile Südafrikas. Rund 349 Millionen Menschen sind dort von Hunger bedroht. Der Schutz der globalen Lebensmittelversorgung ist daher von zentraler Bedeutung für die Stabilität und Sicherheit unserer Welt.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 15

Als internationale Gemeinschaft müssen wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die globale Lebensmittelversorgung auch in Zeiten geopolitischer Turbulenzen aufrechterhalten bleibt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der russischen Aggression gegen die Ukraine, insbesondere in Form eines star­ken Anstiegs der Energie- und Lebensmittelpreise, könnten die politi­sche Stabilität in Europa enorm belasten.

Eine mittel- und langfristige Unterstützung für die Ukraine, vor allem hinsichtlich der Getreideexporte, ist daher von größter Bedeutung. Die Black Sea Grain Initiative, die Initiative für den sicheren Transport von Getreide und Lebensmit­teln aus ukrainischen Häfen, konnte am 19. März dieses Jahres leider nur für weitere 60 Tage verlängert werden und läuft daher in den nächsten Tagen aus.

Auf dem Landweg kann nie so viel Getreide exportiert werden wie auf dem Seeweg. Es ist daher sehr wichtig, dass Österreich und Europa sich weiter stark dafür einsetzen, dass die Black Sea Grain Initiative weiter verlängert wird. Diese Verlängerung ist essenziell, um die globalen Lebensmittel­märkte zu stabilisieren.

Die Ereignisse in der Ukraine zeigen, dass die Weltordnung im Wandel ist und dass geopolitische Konflikte in der heutigen Welt zugenommen haben. Ich möchte an dieser Stelle auch betonen, dass der Konflikt in der Ukraine nicht iso­liert betrachtet werden kann. Wir sehen ähnliche Entwicklungen in anderen Regionen dieser Welt, vom Westbalkan über den Nahen Osten bis hin zu China und Taiwan. In diesen schwierigen Zeiten ist es umso wichtiger, dass wir uns auf unsere gemeinsamen Werte und Ziele konzentrieren und uns aktiv für den Frieden, die Stabilität und den Wohlstand unserer Welt einsetzen. Wir müssen weiter zusammenarbeiten, um eine Zukunft zu schaffen, die auf Zusammenarbeit und Verständigung beruht.

Abschließend möchte ich betonen, dass die geopolitische Situation in Europa insbesondere im Zusammenhang mit der Ukraine von großer Bedeutung für uns


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alle ist. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Frieden und Stabilität in unserer Region erhalten bleiben. Österreich und Europa müssen sich als starke und solidarische Gemeinschaft zeigen und in ihrer Außenpolitik zusammen­arbeiten. Die Ereignisse in der Ukraine haben gezeigt, dass wir uns nicht auf un­sere Errungenschaften und die Stabilität verlassen können. Wir müssen uns auf gemeinsame Werte und Prinzipien besinnen und unsere Beziehungen mit unseren Partnern auf der ganzen Welt stärken. Setzen wir uns gemein­sam für eine friedliche und prosperierende Zukunft ein, in der unsere Region und die Welt insgesamt von Zusammenarbeit und Zusammenhalt geprägt sind! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.12


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Prof. Stefan Schennach. – Bitte.


9.12.45

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Wer hätte gedacht, dass der deutsche Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung einen Begriff von epochaler Bedeutung prägen wird: Zeitenwende – ein Begriff, der nun auch bei der österreichischen Regierung, wie man bei dieser Aktuellen Stunde sieht, Eingang gefunden hat.

Was meint dieser Begriff Zeitenwende? – Der Begriff Zeitenwende verweist auf die Zerstörung der Nachkriegsordnung auf verschiedenen Ebenen. Das Erste: Noch unter dem Eindruck des Mordens und der Zerstörung während des Zweiten Weltkriegs hat die UNO 1945 eine Charta erlassen, die Angriffskriege auf andere Staaten verbietet. Dann – für Europa besonders wichtig, und Wien ist ja Heimatsitz dafür –: die Schlussakte von Helsinki, mit all den verschiedenen Helsinki-Komitees – diese gibt es auch in Österreich, zum Beispiel in Graz –, die „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“; das war im August 1975, damals waren bis auf Albanien alle europäischen Staaten, aber auch die Sowjetunion, die USA und Kanada dabei. Es ist auch ein Bruch


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der Charta von Paris von 1990, die das Ende des Kalten Krieges und die Reduzierung der konventionellen Streitkräfte vom Ural bis zum Atlantik zum In­halt hatte. – Das ist die Zeitenwende.

Zeitenwende bedeutet, dass das passiert ist, was wir uns eigentlich nicht mehr vorstellen konnten, nämlich dass in Europa ein Land ein anderes auf bru­talste Weise überfällt. Es gab dazwischen Kriege in Europa, das soll man nicht vergessen. Es gab sehr blutige Kriege beim Zerfall des ehemaligen Jugosla­wiens, aber das waren keine Angriffskriege auf andere Länder, das war sozusa­gen ein Krieg innerhalb eines Staates.

In dieser Geschichte, damit dieser Krieg nicht explodiert, ist es wichtig, dass die Nato seit Beginn alles versucht, um ja nicht Kriegspartei zu werden. Die Nato unterstützt so wie Europa jenen Staat, der brutal überfallen wurde, bei der Selbstverteidigung, gleichzeitig müssen wir als Europa aber zeigen, dass un­sere Friedensordnung eine wehrhafte ist. Das ist sehr bedauerlich. Wenn wir derzeit nach Russland schauen, das geprägt vom Nationalismus, vom Impe­rialismus und vom Ende der Menschenrechte ist, sehen wir eine Situation, die wir den russischen Bürgern und Bürgerinnen nicht wünschen.

Wir hoffen, dass es ein Danach zu diesem Regime gibt, dass auch Russland wieder in die Gemeinschaft der europäischen Staaten zurückfinden wird. Vorher darf es aber keinen Diktatfrieden geben. Das heißt, es darf nicht der Ukraine ein Frieden aufgezwungen werden, diktiert werden, der einen hohen Preis hat. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wichtig ist auch, dass die inter­nationale Gemeinschaft alles tut, um Kriegsverbrechen entsprechend zu ahnden.

Wenn wir uns in der Welt ein bisschen umschauen, so müssen wir mittlerweile allerdings mit Bedauern feststellen, dass eine ganze Staatengruppe, nämlich die Brics-Staaten, nicht die amerikanisch-europäische Sichtweise zu die­sem schweren Krieg einnimmt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ja, die Brics-Staaten sind sehr wichtig, das sind alles aufstrebende Volkswirtschaften, die von ihrer Währung und von ihrer Ökonomie her nicht unbedeutend sind. – Umso


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wichtiger ist es, dass die UN-Generalversammlung einen Beschluss gefasst hat: Ziehen Sie Ihre Truppen zurück! Da kann man nur sagen: Danke an die UN, dass dieser mit so hoher Zustimmung möglich war. (Beifall bei der SPÖ, bei Bun­desrät:innen der Grünen sowie des Bundesrates Himmer.)

Wir müssen aber auch China danken, dass es sich so klar positioniert hat, was den Einsatz von Nuklearwaffen betrifft. China ist durchaus ein Verbünde­ter Russlands, aber China hat eine Grenze gezogen und gesagt: Takti­sche Nuklearwaffen dürfen nicht eingesetzt werden! – Ich denke, das ist von besonderer Bedeutung.

Kommen wir zu Österreich und zu unserer Rolle: Ich teile alles, was meine Vorrednerin zu den Flüchtlingen gesagt hat. Ich möchte da vielleicht noch einen kleinen Punkt anhängen: Herr Bundesminister, es war eine großartige Idee der Bundesregierung, Flugzeuge nach Moldawien zu schicken, diesem Land zu helfen und ukrainische Flüchtlinge aus Moldawien zu holen. Zweitens: Es war eine großartige Aktion, mit Bussen aus Österreich in die Ukraine zu fahren und Kinder mit besonderem Bedarf samt ihrem medizinischen Personal und samt ihren Angehörigen nach Österreich zu holen, weil diese schwer psychisch und physisch beeinträchtigten Kinder unter dem heranrollenden Donner des Krieges noch mehr beeinträchtigt gewesen wären. Es ist klar, dass man sol­chen Kindern nicht die ihnen gewohnte medizinische und psychische Unter­stützung vorenthält. Das heißt, wir haben alle geholt. Wir haben alle geholt und auch ihre Eltern. Das halte ich für ganz wichtig.

Was Moldawien betrifft: Moldawien ist im Augenblick nicht bedroht, aber ge­fährdet, und zwar durch eine hybride Destabilisierung und durch einen Oligarchen, Herrn Șor, wenngleich er sich nach Israel abgesetzt hat. Es ist wich­tig, dass die Europäische Union ein ganz besonderes Auge auf Moldawien hat und Österreich im Rahmen der Donauinitiative, bei der es ja um eine verstärkte Kooperation mit Moldawien betreffend die Entwicklung des Humanpotenzials geht, weiter aktiv bleibt, denn da sind schon ganz großar­tige Dinge passiert.


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Was ich aber bedaure, Herr Minister, ist, dass wir in der Verteidigung unserer Neutralität und in der Werbung für unsere Neutralität so leise geworden sind. Ich selber habe eine Vortragsreise durch Deutschland gemacht – Köln, Aachen und so weiter –, bei der ich um Verständnis für die österreichische Neutralität geworben habe. Das heißt nicht, dass wir einen Krieg nicht als solchen bezeichnen und einen Aggressor nicht als solchen verurteilen, sondern damit meine ich, dass die Neutralität ein Wert an sich ist und dass wir für diesen Wert zu kämpfen haben. Deshalb ist es auch wichtig, dass Österreich, wenn die EU beschließt, Munition zu kaufen, gemeinsam mit den weni­gen verbliebenen Neutralen eine konstruktive Enthaltung macht, weil das ja unser Neutralitätsgesetz gebietet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hätte mir zum Beispiel vom Außenminister der Republik Österreich schon gewünscht, dass er auch einmal mit den Schweden und den Finnen klare Worte redet. Ich habe das gemacht. Ich habe den Schweden gesagt: Warum ver­lasst ihr die Neutralitätsgemeinschaft? Ihr schwächt damit die Neutralen, vor allem jene, die völkerrechtlich neutral sind! – Finnland ist ja nicht völker­rechtlich, sondern nur außenpolitisch neutral.

Was ich auch vermisse, ist die Friedensinitiative, die endlich aus Europa kommen muss. Es gibt eine Friedensinitiative von China, über die man so oder so denken kann, aber es bedarf einer Friedensinitiative, die aus Europa kommt, und gerade ein neutraler Staat wie Österreich hätte dabei eine Rolle zu spielen. Eine Fußnote in der Geschichte ist, dass Erdoğan und die Türkei, ein Nato-Staat, da zum großen Vermittler geworden sind und sowohl den Gefangenenaus­tausch als auch die vorhin von der Frau Kollegin angesprochenen Getreideliefe­rungen vermitteln.

Im Rahmen des Europarates mussten wir reagieren, bitter reagieren. Wir mussten die Russische Föderation ausschließen, nachdem wir jahrelang versucht haben, mit der Russischen Föderation wieder eine Arbeitsbasis zu finden. Dazu kommt, dass sehr, sehr viele Verfahren aus der Zeit der Mitgliedschaft beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte noch anhängig sind;


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diese werden aber abgewickelt. Das ist ein ganz wichtiges Signal an die russische Bevölkerung, deren Meinungsfreiheit gecancelt ist, dass diese Verfahren alle noch durchgeführt und nicht abgebrochen werden.

In diesem Sinne hoffe ich, dass wir bald eine europäische Friedensinitiative bekommen, sodass am Ende nicht nur die Waffenproduzenten die gro­ßen Gewinner sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.23


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte sehr, Herr Bundesrat.


9.23.39

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister, grüß Gott! Lieber Vorredner Kollege Schennach: Ich wundere mich nicht, dass für die österreichische Neutralität nicht geworben wird, dass die österrei­chische Neutralität kein Exportartikel ist und dass andere Staaten sich von der österreichischen Neutralität nicht dazu bringen lassen, die eigene Neutralität aufrechtzuerhalten, denn: Was ist von dieser österreichischen Neutralität noch übrig?

Sie haben es erwähnt, es gibt ein Verfassungsgesetz, das Neutralitätsgesetz, das die immerwährende Neutralität Österreichs vorschreibt. Was Neutralität ist, ist keine Frage der Auslegung durch Frau von der Leyen oder durch einen Gastkommentar im „Standard“, sondern ist völkerrechtlich, um das schöne Wort zu verwenden, festgeschrieben, nämlich – der Herr Minister wird es wissen – im Artikel 5 der Haager Konvention. Da steht drinnen, Neutralität bedeutet, im Falle eines bewaffneten Konfliktes zwischen Parteien weder direkt noch in­direkt eine dieser Parteien zu unterstützen, und es wird auch klargestellt: In nicht militärischen Belangen ist der Neutrale zur Gleichbehandlung der militäri-


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schen Konfliktparteien verpflichtet. Das heißt, es können alle Handelsbeziehun­gen, Reisebeziehungen aufrechterhalten werden, aber gleichartig und gleich­wertig den beiden Konfliktparteien gegenüber.

Dass das in Österreich nicht in Ansätzen geschehen ist, braucht man hier nicht zu diskutieren. Weder die Lieferung von Splitterwesten und Schutzhelmen an eine der Konfliktparteien noch das Mitmachen bei Sanktionen oder das Ent­eignen von Bürgern eines Landes erfüllen nur annähernd diese Kriterien. Und wenn da irgendeiner mit den EU-Verträgen kommt – der Minister wird es vielleicht tun und sagen, wir sind ja in der EU, da ist die Neutralität nicht mehr so zu lesen –: Ja, in den EU-Verträgen gibt es gewisse Ausnahmen, aber ausdrücklich nur für friedensstiftende, friedensschaffende und friedenser­haltende Maßnahmen. Dass die Fortführung und Befeuerung des Krieges in der Ukraine keine friedensschaffende, friedensstiftende oder friedenserhalten­de Maßnahme ist, brauche ich ja wohl hier nicht ernstlich darzulegen. (Beifall bei der FPÖ.)

So viel einmal zur österreichischen Neutralität, die nicht gelebt wird, in verfassungswidriger Weise nicht gelebt wird. Da hat Kollege Schennach, auch wenn er das hier nur andeutungsweise dargelegt hat, recht.

Kommen wir jetzt aber zur Einzigartigkeit und zum Zeitenwechsel, in dem wir uns befinden: dass es einzigartig sei, dass es jetzt auf einmal einen völker­rechtswidrigen Angriffskrieg gibt; das hat es in der Geschichte offenbar noch nie gegeben. – Also ich kenne überhaupt keinen Krieg, der nicht durch einen Angriff gestartet wurde. Kriege sind kein Fußballspiel und Kriege kennen keine Schiedsrichter, sondern Kriege beginnen, wenn ein Staat einen anderen an­greift; das kann man auch Aggression nennen.

Da brauchen Sie nur in die jüngste Geschichte zurückzugehen – Kollege Schennach ist ja sehr belesen, er wird das wissen. Der amerikanische Überfall auf den Irak, auf Afghanistan, auf Barbados, auf Haiti, auf Panama: Sind das Krie­ge gewesen, bei denen ein Schiedsrichter gesagt hat: Let’s go!, sind das


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völkerrechtskonforme Aktionen gewesen? Oder der Krieg zur Befreiung des Kosovo, an dem die EU ja auch beteiligt war, der Angriff auf Serbien, um die serbische Provinz Kosovo herauszubrechen und einen eigenen Staat zu schaffen: Ist das völkerrechtskonform gewesen? Hat es da einen Schieds­richter gegeben, der gesagt hat: So, ich bin jetzt der Völkerrechtsmann, ich er­laube euch jetzt, loszuschlagen!? – Das gibt es alles nicht.

Das ganze Gerede von Zeitenwende, von Einzigartigkeit in diesem Sinne, dass diese russische Aktion einzigartig ist und so etwas nie in der Geschichte vorgekommen ist, ist eine leere Luftblase. Ich möchte nicht das hässliche Wort Lüge verwenden, aber es ist eine bewusste Täuschung aller, die solchen Vorträgen zuhören. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Schennach, da darf man sich auch nicht wirklich wundern, dass eine Gruppe von Staaten – Sie haben die Brics-Staaten genannt; in Wirklichkeit ist es fast die gesamte Welt, außer dem Block, der unter amerikanischem Einfluss steht – bei dieser Politik nicht mitmacht, bei dieser Politik, die keine Friedensini­tiative kennt, wie Sie richtig gesagt haben, die das Wort Frieden ersetzt durch die Phrase: Friede ja, aber nur zu den Bedingungen der Ukraine!, oder, wie Sie es formuliert haben: Ja, aber keinen Diktatfrieden gegen den Willen der Ukraine! – Natürlich, wenn man sagt: Frieden nur zu meinen Bedingungen!, ist das nicht wirklich ein Einstieg in eine neue Friedensordnung.

Wenn man das Ganze, diesen extrem blutigen Krieg mit Hunderten Toten jedes Jahr, durch monatliche Milliardeninvestitionen in eine Kriegspartei auf­rechterhält – da geht es ja nicht um Kleinigkeiten, es geht um Milliarden pro Monat, die nicht nur aus Europa kommen, sondern vor allem von den USA in diesen Konflikt hineingesteckt werden – und wenn man gleichzeitig jede Friedens- oder auch nur Waffenstillstandsbemühung nicht nur verhindert, sondern auch torpediert, wie das geschieht, dann darf man sich nicht wundern, dass sich ein Teil der Welt davon erschrocken abwendet.


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Das Ganze wird davon begleitet, dass die Werte, die durch diesen Krieg angeblich verteidigt werden, auf den Kopf gestellt und von uns selbst mit Füßen getreten werden. Wir behaupten, dass wir den Rechtsstaat verteidigen, und beschlagnahmen gleichzeitig das Vermögen von Privatpersonen, die wir halt Oligarchen nennen, lassen russische Künstler nicht auftreten, beschlagnah­men Auslandsguthaben von Banken, von Nationalbanken, Dollarguthaben und dergleichen. Wir tun das ohne jede Rechtsgrundlage und ohne jede völker­rechtliche Grundlage und berufen uns darauf, dass wir die Rechtsstaatlich­keit verteidigen.

Oder: Sie haben, Kollege, von der Meinungsfreiheit, die wir verteidigen, gesprochen. Wir führen erstmals offen Zensuren ein, die es sogenannten pro­russischen Medien oder Sendern unmöglich machen, hier verbreitet oder konsumiert zu werden. Wir haben Verwaltungsstrafen, in manchen Ländern so­gar gerichtlich verfolgbare Straftatbestände, geschaffen, die das Verbreiten oder Abhören von russischen Medien oder Sendern beinhalten. Das ist Zensur.

Wir haben eine Medienlandschaft, die sich – allerdings selbst verschuldet – selbst gleichgeschaltet hat und nichts anderes tut, als die amerikanische oder euroamerikanische Propaganda wiederzugeben. Wir merzen alle Personen – seien es Akademiker, Journalisten oder Künstler –, die sich anders zu Wort melden, aus dem Diskurs aus. Das sind dann Putin-Versteher, das sind dann Kriegstreiber, Extremisten, Verschwörungstheoretiker, antiameri­kanische Fanatiker und dergleichen.

Ich will jetzt die Namen nicht nennen, aber Professoren in Deutschland, Politologen – vielleicht wirst du (in Richtung Bundesrat Spanring) sie noch erwähnen – werden gekündigt, weil sie eine differenzierte Politik in diesem Krieg, eine Friedensinitiative und das Aussteigen aus dem amerikanischen Kriegsdiktat verlangen.


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Dass das keine von Europa selbst gewollte Politik ist, bestreitet niemand, der auch nur ein bisschen hinter die Kulissen schaut. Dass Europa in irgend­einer Weise in der Lage ist, international eigene Entscheidungen zu treffen, ist eine Illusion.

Wir wissen spätestens seit den Enthüllungen von Snowden und Assange 2012, dass der amerikanische Geheimdienst über das amerikanische Monopol im internationalen digitalen Nachrichtenverkehr alle ausspioniert, von der deut­schen Bundeskanzlerin zur Kommissionspräsidentin, vom Generalsekretär der Vereinten Nationen bis zu fast allen europäischen Bundesregierungen. Dass weltweit der gesamte Internet- und Mobilfunkverkehr abgehört, gespeichert und katalogisiert wird, wissen wir. Das haben die amerikanischen Regierenden, der damalige Präsident Obama, der Chef des Geheimdienstes NSA und eine Untersuchungskommission des Kongresses genau so bestätigt. Geschehen ist gar nichts. Die deutsche Bundeskanzlerin hat einen Brief nach Amerika an den Präsidenten geschrieben, der bis heute nicht beantwortet wurde. – So viel also zur Selbstständigkeit Europas.

Auch die Schweiz hat ihre Neutralität aufgegeben, aber nicht aus freien Stücken, sondern aufgrund der amerikanischen Drohung, dass es sonst zu einer Ver­nichtung der Schweizer Finanzindustrie kommen würde.

Was passiert? – Länder, die sich das ansehen, wie Länder und Staatengemein­schaften und Wertegemeinschaften die eigenen Werte, für die sie in den Krieg ziehen, mit Füßen treten, bekommen natürlich Angst. Sie bekommen Angst, das nächste Russland, der nächste Iran, das nächste Nordkorea, das nächste Afghanistan und dergleichen zu werden und aufgrund einseitiger amerikanischer Entscheidungen, einseitiger amerikanischer Gesetzesakte – ich habe hier ein­mal den Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act erwähnt – mit universaler Geltung auf Schwarze Listen zu kommen.

Sie flüchten natürlich aus der Wertegemeinschaft oder sie versuchen, sich einen eigenen Schutzschirm zu schaffen: Das ist unter anderem die Staatenge­meinschaft Brics, das ist aber auch die Shanghai Cooperation Organisation, in


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der mächtige Länder wie China und Indien Mitglied sind – auch weniger mächtige Länder wie Russland. Dieses wird jetzt zum bösesten und gefährlichs­ten Feind hochstilisiert, was es erlaubt, die Rüstungsausgaben zu verdop­peln, die Nato auf bisher neutrale Länder auszuweiten, die amerikanische Trup­penpräsenz und die amerikanischen Atomwaffen in Europa zu verewigen und die amerikanische Haltung in keiner Weise infrage zu stellen.

Diese Staaten machen viel – sie werden auch versuchen, aus dem Dollar auszusteigen, der ein ganz wichtiges Erpressungs- und Herrschaftsinstrument der Amerikaner ist –, und wir stehen abseits. Wir stehen abseits: Wir beugen uns vor den amerikanischen Wünschen, schauen zu, wie täglich Hun­derte Leute getötet werden, und klopfen uns gegenseitig auf die Schulter oder selbst auf die Brust, was wir alles Großes tun, was wir für die Werte, für den Frieden, für die Rechtsstaatlichkeit, fürs Völkerrecht tun.

Das ist keine Politik, die ich unterschreibe, das ist keine Politik, die mein Heimatland betreiben und unterstützen sollte, und das ist, meine ich, auch keine Politik, die ein Außenminister eines gemäß Verfassung immer noch neutralen Landes betreiben sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit bin ich mit meinen Ausführungen am Ende und lausche gespannt den Ausführungen meiner Nachredner und besonders jenen des Herrn Minis­ters Schallenberg. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.35


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte sehr, Herr Bundesrat.


09.35.18

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Außenminister! Die Überschrift ist – man muss ja fast sagen: leider – zutreffend formuliert: „Geopolitische Zeitenwende“,


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ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Was wir live erleben, ist nicht weniger als ein Auseinanderbrechen der bisherigen Ordnung, wir erleben ein Ende der Friedensperiode in Europa, wir erleben das Ende eines mit Europa kooperationsfähigen Russlands. Und machen wir uns keine Illusionen: Es wird, wenn überhaupt, so schnell kein Zurück zur alten Frie­densordnung geben.

Putins Russland – und ich betone das, weil es um Entscheidungen einer aggressiven Elite in Russland geht – inszeniert diesen Angriffskrieg längst als einen Krieg gegen den Westen per se – das hat Putin am 9. Mai, vorges­tern, beim Jahrestag des Sieges gegen die nationalsozialistische Invasion wieder ausdrücklich betont –, selbstverständlich aber in einer absurd um 180 Grad verdrehten Version, nämlich dass gegen Russland ein Krieg entfesselt worden sei. Es handle sich daher um einen heiligen Krieg Russlands zur Verteidi­gung des Mutterlandes. Das können Sie nachlesen. Völlig unverhohlen sagt Putin, es sei ein Kampf gegen eine liberale, offene Gesellschaft, wie wir sie hier in Europa bei uns kennen. – Kleine Anmerkung zu Kollegen Hübner: Also wenn man Ihnen jetzt vorhin zugehört hat, wähnt man sich ja auch fast am Roten Platz. (Bundesrat Hübner: Ja natürlich!)

Putin hat Angst vor der Demokratie. Er will sie vor allem in der Ukraine – dort, wo sie erfolgreich begonnen hat, sich zu entwickeln – zerstören, das ist eine seiner zentralen Motivationen. „Diktatoren fürchten die Idee der Freiheit“, sagte vorgestern, am Europatag, die ukrainische Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk bei ihrer Rede zur Eröffnung der Wiener Festwochen.

Eine neue Weltordnung ist im Entstehen. Neue Blockbildungen werden das globale Machtgefüge massiv verschieben, viel wird dabei vom Verhalten Chinas und Indiens abhängen. Europa – keine Frage – muss sich also neu orien­tieren, neu ausrichten, stärker werden: als Region, die sich auf ein demo­kratisches, liberales, freies, soziales Gesellschaftsmodell stützt. Es geht um eine neue Ausrichtung in einer Situation, in der niemand weiß, in der wir nicht


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wissen, wie die künftige Ordnung gestaltet sein wird. Deswegen gilt es eben, diese als Europa aktiv mitzugestalten.

Ganz prioritär muss die europäische Außenpolitik auf neue Beine gestellt werden – oder sie muss endlich überhaupt Beine bekommen, denn de facto gibt es sie nur in Ansätzen. Alle Staaten kochen nach wie vor ihr eigenes Süpp­chen auf Grundlage ihrer eigenen Interessen. Das muss endlich aufhören! Eine starke und gemeinsame europäische Außenpolitik ist die Voraussetzung für ein starkes Europa in einer neuen Ordnung und eine Voraussetzung, um die vielen Aufgaben, die anstehen, überhaupt bewältigen zu können. Da ist es erfreulich, dass es vor einigen wenigen Tagen einen Vorstoß von neun EU-Län­dern für eine gemeinsame EU-Außenpolitik gab, und zwar auf Basis von Mehrheitsentscheidungen, darunter Deutschland, Spanien, Frankreich (Zwischen­ruf des Bundesrates Hübner) – eine Freundesgruppe für EU-Mehrheitsent­scheidungen, wie sie sich nennt.

Konkrete Aufgaben und Themen in der Außenpolitik gibt es genug – nur einige wenige diesbezügliche Aspekte: Selbstverständlich braucht die EU in vielen Bereichen mehr Eigenständigkeit und mehr Unabhängigkeit. Das betrifft zum Beispiel – das haben wir in den letzten Jahren schmerzlich erfahren – die Wirtschaft im Hinblick auf zahlreiche Ressourcen und Rohstoffe.

Ich möchte aber auch gleich betonen, dass es ein Fehler wäre, sich zu isolieren. Handel und Austausch auf allen Ebenen mit allen Ländern dieser Welt müssen aufrecht bleiben. Niemals darf sich die EU unsolidarisch verhalten, nie­mals darf sie ihren eigenen Grundsätzen untreu werden, denn viele Fragen, die auf diesem Planeten drängen, können nur gemeinsam gelöst werden, wie im­mer auch eine neue Ordnung aussehen wird. Das ist vor allem die Frage des Klimaschutzes als Kernüberlebensfrage.

Das geht nur gemeinsam und solidarisch, das geht nur, wenn insbesondere Euro­pa anderen Ländern bei der Transformation hilft, denn Krisensicherheit schaffen wir nicht durch Isolation und Mauern, sondern durch nötige Eigenstän­digkeit und gleichzeitig vielfältige Kooperation.


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Nicht nur Krisensicherheit, sondern Sicherheit generell ist eine der zentralen Be­dingungen überhaupt. Europa muss in der Energieversorgung, Achillesferse jedweder Wirtschaft, unabhängiger und diversifizierter werden. Ich habe hier he­rinnen mehrfach gesagt, wie unfassbar blind man sich gerade in Österreich mit dem Versprechen immerwährend billigen Gases einseitig an Russland gebun­den hat. (Bundesrat Spanring: Aber nur weil man etwas oft behauptet, wird es nicht wahr!) Um die europäische Energieversorgung umzustellen, wer­den wir aber auch in Zukunft auf Importe angewiesen sein. Da kommt ein wichtiger Partner ins Spiel: Afrika.

Afrika gehört als gleichwertiger Partner aus vielerlei Gründen dringendst ganz vorne auf die Agenda einer europäischen Außenpolitik – Stichwort histori­sche, ethische Verantwortung, aber auch Stichwort Migration, übrigens auch als Folge der Klimakrise. Es wurde ja in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf europäischer Ebene oft darüber schwadroniert, aber nie wirklich ernsthaft ange­gangen. Ein langfristiger und mutiger Marschallplan gemeinsam mit Afrika ist dringlicher denn je, auch damit sich Afrika als freie, demokratische Region entwickeln kann. Überlassen wir Afrika nicht China, das, wie man erkennt, wenn man die Berichte liest, mit hoher Aggressivität vor Ort ist!

Genau solche Zugänge sollten die europäische Außenpolitik auszeichnen, denn das ist auch ein Alleinstellungsmerkmal. Russland oder China sind genau solche Aspekte herzlich egal. Das uns eigene liberale und solidarische Gesell­schaftsmodell müssen wir nicht nur selber behüten und pflegen, sondern auch in der Außenpolitik leben. Dazu gehört meines Erachtens zum Beispiel aktive Unterstützung demokratischer Kräfte im Ausland. Gerade da könnte Österreich einen wertvollen Beitrag leisten. Die Oppositionellen in Russland etwa brau­chen Hilfe. Das sind insbesondere Journalist:innen, Künstler:innen, Wissenschafter:innen, NGOs. Die dürfen wir nicht alleinlassen, denn die riskieren ihr Leben durch ihr Eintreten für demokratische Rechte. Ihnen müssen wir unbedingt, wenn sie das brauchen und wollen, auch bei uns vor Ort Schutz und Aufenthaltsrecht bieten.


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Europa muss andere Länder an sich binden. Zu diesem Thema gehört insbe­sondere die EU-Erweiterung am Westbalkan, aber diesbezüglich geht ja auch Österreich mit schönem Beispiel voran, weil Österreich da tatsächlich sehr aktiv ist. Die Außenpolitik, die europäische Außenpolitik ist und muss jeden­falls ein zentraler Pfeiler der Neuausrichtung sein.

Es gäbe dazu noch vieles zu sagen, ich möchte aber eines hervorheben, und zwar einen innereuropäischen Aspekt als Bedingung dafür, dass das funktioniert: Wir können nur dann stark und glaubhaft nach außen sein, wenn wir nach innen stark und einig sind. Leider ist es so, dass die Feinde der offenen Gesell­schaft nicht nur weit draußen, sondern innen aktiv sind. Blicken wir da nach Un­garn oder blicken wir auf die steigende Zahl rechtsradikaler Parteien in Euro­pa! (Bundesrat Spanring: Die Grünen! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Die ÖVP!) Es gibt sogar hier bei uns in Österreich eine relevante Gruppe und Partei, die den liberalen Staat und die EU hasst. (Bundesrat Spanring: Die NEOS?)

Ich schließe mit einem weiteren Zitat der Nobelpreisträgerin Matwijtschuk: „Nur die Verbreitung der Idee der Freiheit kann unsere Welt sicherer machen.“ – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

9.43


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort hat sich nun Herr Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg ge­meldet. – Bitte, Herr Minister.


09.43.49

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Danke für die Möglichkeit dieser heutigen Aussprache zu einem Thema, das man, glaube ich, in seiner Bedeutung gar nicht überschätzen kann.


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Ja, heute vor 442 Tagen ist der Krieg auf unseren Kontinent zurückgekehrt. Wir haben gerade letztes Wochenende und am Anfang dieser Woche mit dieser massiven Angriffswelle Russlands mit Raketen und Drohnen auf mehrere Städte in der Ukraine – Kiew, Charkiw, Cherson, Odessa und andere – erlebt, dass der Krieg keine Pause kennt, dass Russland weiterhin ganz klar zeigt, dass es den Druck aufrechterhalten wird, dass es den Angriffskrieg fortsetzen und weiterhin das gesamte ukrainische Territorium als Kriegsgebiet und als Kriegsziel sehen wird. Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Brutalität die­ser Auseinandersetzungen in den nächsten Monaten zunehmen wird.

Aus meiner Warte ist es ganz wichtig, dass wir weiterhin voll und ganz hinter der Ukraine in ihrer Notwehr, in ihrem Kampf um die Wiederherstellung der ter­ritorialen Souveränität stehen. Jetzt kann man natürlich fragen: Warum? Warum positioniert sich die österreichische Bundesregierung seit 24. Februar 2022 in dieser Frage so klar? – Die Antwort ist ganz einfach: weil es um unsere Sicher­heit geht, weil wir seit dem Zweiten Weltkrieg für ein System eintreten, in dem es eine regelbasierte internationale Ordnung gibt, in dem das Prinzip Pacta sunt servanda gilt, in dem Völkerrecht eingehalten wird. Das ist für einen Staat wie Österreich mit neun Millionen Einwohnern im Zentrum dieses Konti­nents überlebenswichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Lassen Sie sich bitte ins Stammbuch schreiben: Es hat ja mitnichten etwas mit Neutralität zu tun. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir waren noch nie gesinnungsneutral. Nur ein Beispiel: Was hat das damals junge Österreich gemacht, als 1956 sowjetische Panzer durch Budapest gerollt sind, kaum zwölf Monate in voller Souveränität, kaum zwölf Monate nach der Annahme des Bundesverfassungsgesetzes über die immerwährende Neutralität? – Wir haben jede Resolution in der UNO-Generalversammlung gegen die Sowjetunion unterstützt und sogar eine eigene eingebracht, weil wir eben immer wissen, wo wir stehen, wenn es einen Angriff auf Freiheit, auf Demokratie oder auf


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Pluralismus gibt; und das tun wir bitte diesmal auch. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich tue mir manchmal schwer, wenn man immer wieder sozusagen Andeutungen oder sogar explizite Verschwörungstheorien hört, wenn gesagt wird, das mit der Einzigartigkeit sei eine Lüge. Ich mache einen kleinen Vergleich, gebe einen Hinweis: Das letzte Mal, dass ein Staat A einen Staat B in dieser Form über­fallen hat, war Saddam Husseins Überfall auf Kuwait. Was war die Kon­sequenz? – Sicherheitsratsresolutionen, Desert Storm und die Befrei­ung Kuwaits. Das ist die Situation, in der wir uns jetzt befinden. Ja, wir stehen geschlossen, wir können stolz darauf sein, was wir als westliche Gemein­schaft in den letzten 14 Monaten gezeigt haben: die Geschlossenheit. (Bundesrat Spanring: Lernen Sie Geschichte, Herr Kanzler! – Bundesrat Kornhäusl: Das sagt der Richtige! – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Doppler, Hahn, Hübner und Schumann.) – Ja, eben deswegen verweise ich Sie darauf (Heiterkeit des Redners): Lernen Sie Geschichte! Ich halte es für relativ absurd, dass wir leider Gottes so eine Debatte führen, wir lassen uns auf jeden Fall als Bundesregierung nicht davon beirren, wir werden diesen Kurs weitergehen, denn – noch ein­mal – es geht um unsere Sicherheit.

Mit der Geschlossenheit, die wir an den Tag gelegt haben, hat der russische Präsident nicht gerechnet. Er hat gedacht, dass wir als westliche Demokratien schwach und ungeeint seien und wie aufgescheuchte Hendln herumlaufen würden. Dass wir seit dem 24. Februar so geschlossen gestanden sind, das ist unsere größte Stärke und das müssen wir weiterführen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Aber: Bitte auch mit Augenmaß! Ich bin der Erste, der das einfor­dert, und das habe ich immer wieder gesagt.

Dass ich dafür kritisiert wurde, dass ich letzten Dezember bei der OSZE-Ministertagung in Łódź der einzige westliche Minister war, der gesagt hat, es ist ein Fehler, den russischen Außenminister Sergei Lawrow nicht einzuladen, dass ich dafür kritisiert wurde, weil ich Völkerrecht eingehalten habe, als ich der russischen Delegation für die Parlamentarische Versammlung der OSZE ein


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Visum ausgestellt habe, dass ich kritisiert wurde, dass ich die europäische Einig­keit unterminiere, weil ich für Augenmaß gegenüber der Russischen Föde­ration plädiert habe, das gibt mir schon zu denken. Diese Einigkeit ist keine Selbstverständlichkeit, aber wir werden weiterhin daran arbeiten.

Natürlich ist es eine Frage der Logik: Friede wird immer nur am Verhand­lungstisch gefunden, nie am Schlachtfeld. Daher bin ich der Erste, der gern wie­der Raum für die Diplomatie, Raum für Verhandlungen will. Wir müssen aber auch realistisch sein (Zwischenruf des Bundesrates Steiner): Noch haben wir diesen Raum nicht, noch gibt es einen Aggressor, der vor sechs Tagen mit Drohnen- und Raketenangriffen auf das gesamte Territorium der Ukraine – in zwei Dritteln des Landes gab es in den letzten Tagen Luftalarm – wieder klar signalisiert hat, dass er überhaupt nicht an internationalen Verhandlungen interessiert ist.

Wir dürfen bei dem Ganzen auch etwas nicht vergessen: Die Art, wie wir agieren, hat letztlich massive Auswirkungen auf unser internationales Standing. Ob wir wollen oder nicht, das ist nun einmal so. Die Art, wie die westliche, freie Welt zusammensteht, wird wahrgenommen – in Buenos Aires, in Pretoria, in New Delhi. Daher ist es auch wichtig, dass wir nicht vergessen – so wie Guterres es einmal gesagt hat –, das ist ein Krieg in Europa, aber kein europäi­scher Krieg. Wir müssen auch sehr bedacht – es wurde angesprochen – auf einen Outreach sein; ich denke da an den globalen Süden, Afrika ist erwähnt worden. Das ist wahnsinnig wichtig, denn ich habe in den letzten Monaten gemerkt – sei es in Davos, in Doha oder bei der Sicherheitskonferenz in München, wo ich einen besonderen Fokus auf Gespräche mit meinen Kollegen gerade vom afrikanischen Kontinent gelegt habe –, dass unsere Wahrneh­mung, unser vielleicht eurozentristischer Blick auf diesen Konflikt größtenteils nicht geteilt wird, zum Teil auch nicht verstanden wird und dass wir uns er­klären müssen, dass wir einen Outreach machen müssen, dass wir diesen Staaten auf Augenhöhe ohne moralischen Zeigefinger und Besserwisserei begegnen müssen.


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Nur ein kleines Beispiel: Ich war vor drei Wochen in Vietnam, einem Land, das eigentlich eine sehr ähnliche Geschichte hat: Es hat einen großen Nachbar, spürt den heißen Atem dieses großen Nachbarn, der massive Gebietsansprüche stellt – Südchinesisches Meer –, diese auch militärisch durchzusetzen ver­sucht. Die Analyse Vietnams, meines Kollegen in Hanoi ist identisch mit unserer: Sie sagen, ja, sie wollen die UNO-Charta, sie wollen das Gewaltverbot, sie wollen den Respekt territorialer Souveränität und Integrität. Der einzige Unter­schied ist – im letzten Meter trennen wir uns –: Vietnam enthält sich bei allen Resolutionen in der UNO – wir stimmen dafür. Als ich ihn gefragt habe, wa­rum, hat er gesagt: Geschichte, mein Freund, Geschichte. – Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das heißt, ich bin gegen ein Schwarz-Weiß-Malen: Entwe­der bist du bei uns, weil du Sanktionen übernommen hast, oder nicht. Die Welt weist verschiedene Schattierungen von Grau auf, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Für mich ist die rote Linie die folgende: Es geht nicht darum, ob ein Staat die Sanktionen angenommen hat – das kann ja auch nur pro forma sein –, son­dern ob ein Staat willentlich und bewusst eine Plattform zur Umgehung der Sanktionen, die wir verhängt haben, ist. Ich halte es daher für sehr richtig, dass wir in der Europäischen Union zum ersten Mal überlegen, oder das jetzt konkret in Angriff nehmen, dass wir gegenüber diesen Staaten vorgehen und sagen: Wenn wir sagen, wir wollen gewisse Dual-Use-Güter nicht nach Russland exportieren, und plötzlich merken, dass die Handelsströme in einen gewissen Drittstaat massiv steigen und das alles in Russland landet, dann unterminiert das unsere Unterstützung für die Ukraine und unsere Sank­tionen. – Das werden wir auf jeden Fall weitermachen, aber bitte kein
Schwarz-Weiß-Denken.

Ein Punkt, den ich auch machen will: Bei allem Fokus auf die Ukraine dürfen wir nicht auf andere Krisenherde vergessen. Wir sehen uns eigentlich eh schon dem Vorwurf der Doppelmoral ausgesetzt, dass wir uns sozusagen so gerieren:


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Es geht um Kaukasien, es geht um Europa, es geht um uns!, und andere Kon­flikte vergessen. Da müssen wir ganz klar dagegenhalten und dürfen den Fokus nicht verlieren. Denken wir zum Beispiel an den Sudan: eine echte humani­täre Tragödie! Ich verurteile ganz klar die laufenden Kämpfe und ich habe zu ei­ner nachhaltigen Waffenruhe aufgerufen, und vor allem die Sicherheit der humanitären Hilfe und auch die Unverletzlichkeit diplomatischer Missionen muss im Sudan gewährleistet sein.

Lassen Sie mich diese Gelegenheit nur kurz nutzen, um auch Folgendes zu sagen: Dass es uns mithilfe internationaler Partner – Deutschland, die Niederlande, Spanien, andere; das war gelebte europäische Solidarität! – gelungen ist, 55 Per­sonen aus dem Sudan herauszubringen, darunter 27 Kinder, ist für mich wie­der ein Beweis – lassen Sie mich das bitte in diesem Raum sagen –, wie wichtig ein eigenständiges österreichisches Vertretungsnetz im Ausland ist. Das ist im Krisenfall unsere Lebensversicherung! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Erlauben Sie mir, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den österrei­chischen Botschaften in Kairo, Berlin, Den Haag, Amman – und wir haben für die Zeit der Krise auch eine Botschafterin von Addis Abeba nach Dschibuti ver­legt – für ihren unglaublichen Einsatz zu danken. Wir brauchen dieses Netz. Das ist für uns die rot-weiß-rote Lebensversicherung im Ausland. Ich bitte da­her auch in Zukunft um Unterstützung für dieses starke österreichische Netz im Ausland. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich vielleicht noch zwei kurze Punkte ansprechen darf: Eine Region, die bis jetzt noch nicht wirklich genannt wurde, die aber wesentlich ist, ist na­türlich die Region des Indopazifik. Das ist in Wirklichkeit, wenn man will, das geopolitische und ökonomische Gravitationszentrum des 21. Jahrhunderts. Es ist auch, wenn man will, die Wachstumsregion schlechthin. Bereits heute ent­fällt mehr als ein Drittel der globalen Wirtschaftstätigkeit auf diese Region, und in den nächsten 20 Jahren wird das auf über 50 Prozent anwachsen. Es ist daher kein Zufall, dass ich in den letzten 18 Monaten sechsmal den indischen Mi­nister getroffen habe, dass ich in Südkorea war, dass ich in Vietnam war,


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jedes Mal auch von einer Wirtschaftsdelegation, von österreichischen Unterneh­mern begleitet, weil wir natürlich angesichts des Erdbebens und der Hang­rutschung im Osten neue Märkte suchen, und dabei wird das österreichische Mi­nisterium natürlich wie gehabt – und wie das traditionell immer sehr gut funk­tioniert – als Netzwerk, als Plattform und als Türöffner agieren. Für uns gilt: Wir müssen Partnerschaften schmieden. Wir dürfen nicht nur auf den euro­päischen Kontinent schauen, sondern wir müssen auch in diese Region schauen, denn würden wir das, was wir gerade in der Ukraine erleben, mit Tai­wan und China erleben, dann wären die globalen Auswirkungen für die Welt­wirtschaft um ein Vielfaches größer als das, was wir heute erleben.

Letzter Punkt – und das wird Sie nicht überraschen –: Westbalkan. Wenn wir auf den Osten schauen, dann dürfen wir – gerade in Wien – nicht den Süden ver­gessen; für uns ist das der Süden. 500 Kilometer von hier ist die Ukraine, dort ist Krieg, aber 500 Kilometer im Süden liegt Bosnien-Herzegowina. Das ist ge­nauso eine Region, die volatil ist, die dem Einfluss von dritten Mächten ausgelie­fert ist und wo wir jetzt einfach Nägel mit Köpfen machen müssen und klar­machen müssen: Ihr gehört in die europäische Familie hinein! – Entweder wir ver­ankern dort unser Lebensmodell oder wir werden dort irgendwann mit frem­den Lebensmodellen konfrontiert sein, seien sie russischer, chinesischer, türkischer oder sonstiger Provenienz, und das kann nicht in unserem Interesse sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Für mich ist der Westbalkan, wenn man so will, der geostrategische Elchtest für die Europäische Union. Wenn wir es in dieser Region, die nicht der Hinter­hof Europas ist, sondern der Innenhof – umgeben von EU-Mitgliedstaaten: Bul­garien, Rumänien, Kroatien, Griechenland, auf der anderen Seite Italien –, nicht schaffen, geostrategisch zu agieren, dann brauchen wir an andere Weltge­genden gar nicht zu denken.

Ich sage etwas ganz klar: Was ich nicht will, ist – ich habe es einmal so formu­liert – die „Farm der Tiere“ von George Orwell in der Frage der Beitritts­kandidaten. Nein, ich will nicht, dass man sagt: Alle Beitrittskandidaten sind


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gleich, aber manche sind gleicher als andere, und die Ukraine kriegt sozu­sagen die Überholspur und der Westbalkan bleibt am Pannenstreifen. – Das wird es mit Österreich nicht spielen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

9.56


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratungen in der Präsidialkonferenz 5 Minuten bitte nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Christian Buchmann. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.56.25

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, in der Tat ist es so, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine eine Zeitenwende markiert und, wie es der Herr Außenminister gesagt hat, leider seit diesem 24. Februar 2022 pausenlos, also ohne Pause, für Leid, für Elend und für viel Frustration bei den Ukrainerinnen und Ukrainern sorgt. Es wurde angesprochen, aber wir müssen uns dessen immer auch bewusst sein, wenn wir über einen Krieg, der 500 Kilo­meter von unseren Grenzen entfernt stattfindet, diskutieren: dass dieses Leid auch Tote bedeutet, dass bisher über 300 000 Menschen in diesem Krieg ihr Leben verloren haben, dass Familien ihre Angehörigen betrauern und dass dieser Krieg unermesslichen Schaden in Form von menschlichem Leid, aber darü­ber hinaus auch an der Infrastruktur mit sich bringt. Es werden Milliarden von Euro notwendig sein, um diese Infrastruktur in der Ukraine wieder aufzu­bauen. Daher ist es auch gut, dass bereits jetzt Überlegungen angestellt werden, wie dieser Wiederaufbau stattfinden kann, wie er finanziert werden kann und wie die Ukraine zu alter Prosperität zurückfinden kann.


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Dieser Konflikt – Christine Schwarz-Fuchs hat es angesprochen – hat auch Auswirkungen auf die globale Ernährung, es ist durchaus auch eine Er­nährungskrise mit internationaler Auswirkung damit verbunden. Es ist aus meiner Sicht gut gewesen, dass Österreich immer klare Kante gezeigt hat, was die Außenpolitik betrifft, ein klares Bekenntnis zum europäischen Werte­kanon, immer im Wissen, dass wir militärisch neutral sind, aber diese militärische Neutralität nicht eine humanitäre oder politische Neutralität bedeutet, son­dern dass insbesondere auch, was humanitäre Leistungen betrifft, sol­che im Umfang von über 130 Millionen Euro seitens der Bundesregierung mög­lich gemacht wurden und darüber hinaus – da gilt der Dank der österreichi­schen Zivilgesellschaft, unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern – über 80 Mil­lionen Euro an Spendenleistungen aufgebracht worden sind und durch die vielen, vielen persönlichen Kontakte, die Österreicherinnen und Österreicher mit Ukrainerinnen und Ukrainern haben, diese auch in den Gemeinden integriert werden. Ich habe Ihnen das letzte Mal als Beispiel von der Gemeinde Neumarkt in der Steiermark erzählt, die es in herausragender Weise geschafft hat, 100 Ukrainerinnen und Ukrainer zu integrieren und ihnen damit ein Stück Frie­den in Freiheit zu ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die angesprochene Zeitenwende tatsächlich eingeleitet. Es gibt immer noch den einen oder anderen auch hier im Hause, der in seiner Wortwahl diesen Angriffskrieg kleiner darstellt, als er ist. – Lieber Kollege Hübner, es ist nicht eine Aktion, die da von Russland auf ukrainischem und damit auf euro­päischem Boden stattfindet, sondern es ist ein Angriffskrieg, und wir soll­ten ihn auch immer so benennen, weil es die Ukrainerinnen und Ukrainer, die für uns, auch für unsere europäischen Werte einen Freiheitskampf führen, so sehen und so empfinden.

Wir sollten sie auf diesem Weg auch weiterhin entsprechend unterstützen. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Obrecht und Arlamovsky.)


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Ich glaube, es eint uns, dass unsere Solidarität dem Freiheitskampf der Ukrainerinnen und Ukrainer gilt, und weniger dem Verstehen russischer Motive für die Invasion der Ukraine, auf europäischem Boden. Das sollten wir auch immer beim Namen nennen. Das Recht des Stärkeren – und ich glaube, auch das eint uns, das haben wir im EU-Ausschuss des Bundesrates und auch hier im Plenum wiederholt dargestellt – darf nicht über die Stärke des Rechts obsiegen. Da gibt es im internationalen Kontext auch Mechanismen, die wir unter­stützen sollten.

Die Zeit erlaubt es nicht, auf einzelne Themen im Detail einzugehen, ich erwähne nur zwei Bereiche – mit einem hat der Herr Außenminister geschlossen –: Ich glaube, es ist in der Tat ein Elchtest für die Länder des Westbalkans, wie sie sich in dieser Ukrainekrise, in diesem Krieg auf ukrainischem Boden, positionieren. Da ist ein klares Bekenntnis zum europäischen Wertekanon erforderlich, das ist einzufordern und das ist auch auf dem Weg in die EU entsprechend nötig.

Ein zweiter Punkt, weil nächste Woche die Cosac – die parlamentarische Dimension – in Stockholm tagt, wo das Thema Ukraine von den Parlamentariern der 27 Parlamente der EU-Mitgliedstaaten diskutiert wird: Ja, wir werden der Ukraine weiter Beistand leisten, aber die Ukraine muss auch wissen, dass es auf ihrem Weg in die Europäische Union keinen Fasttrack geben wird, son­dern dass sie entsprechend den Spielregeln für einen möglichen Bei­tritt zur Europäischen Union ebendiesen Kriterienkatalog auch entsprechend erfüllen muss.

Letzte Anmerkung: Ich habe auf der Europaburg in Neumarkt mit vielen jungen Menschen Diskussionen geführt, auch mit Ukrainer:innen – früher auch mit Russinnen und Russen, die eingeladen waren, was aber momentan schwer möglich oder unmöglich ist. Eines war für mich immer beeindruckend, und zwar dass am Ende dieser Seminare auf einem Flipchart eine ganz klare Bot­schaft für uns in der Politik formuliert war, die lautet: We want peace! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

10.02



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Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Soeben bei uns eingetroffen ist die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt Frau Mag.a Dr.in Susanne Raab. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. – Bitte.


10.03.02

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Krieg in der Ukraine dauert nun schon über ein Jahr. Der 24. Februar 2022 – Sie haben es auch erwähnt – brachte den Krieg zurück nach Europa. Die Bilder der Verwüstung und die Berichte über das Leid, das die Menschen in der Ukraine seither ertragen müssen, sind er­schütternd. Wir alle wünschen uns, dass dieser Krieg möglichst rasch beendet wird. Wir wollen, dass das Leid der Menschen in der Ukraine ein Ende findet. Sie haben ein Recht, in Frieden, in einer Demokratie, in Freiheit und in Sicherheit zu leben.

Die österreichische Politik – die Bundesregierung, der Nationalrat und wir, der Bundesrat – hat von der ersten Minute dieses Krieges an mehrfach klar Stel-lung bezogen. Die Entscheidung des russischen Präsidenten Putin, politi­sche Ziele mit militärischer Gewalt zu erreichen, ist nicht akzeptabel. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine stellt eine eklatante Verletzung des Völker­rechts und der Satzung der Vereinten Nationen dar. Er wird von uns in aller Schärfe verurteilt. Die österreichische Bevölkerung, viele Privatpersonen, Privatinitiativen, Hilfsorganisationen, NGOs, Gemeinden, Städte und die Bundes­regierung haben in großem Ausmaß humanitäre Hilfe geleistet, um die Not und die Verzweiflung der Menschen in der Ukraine zu lindern. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


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Für dieses Engagement möchte ich seitens meiner Fraktion einmal mehr großen Dank aussprechen. Das humanitäre Engagement ist ein Bereich, in dem Ös­terreich als neutrales Land seine Solidarität mit der Bevölkerung der Ukraine zum Ausdruck bringen kann und muss.

In den letzten Tagen gab es besorgniserregende Nachrichten hinsichtlich der Situation rund um das AKW Saporischschja. Der Chef der in Wien angesiedelten internationalen Atomenergiebehörde Rafael Grossi hat mehrfach eindringlich vor einer zunehmend unberechenbaren Lage rund um das frontnahe ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja gewarnt. Seine Warnungen sollten wir ernst nehmen. Der Chef der IAEO fordert eine Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland, um das AKW vor Angriffen zu schützen. Wir müssen jetzt handeln, um das Risiko eines schweren Nuklearunfalls und die damit verbundenen Folgen für die Bevölkerung und die Umwelt zu vermeiden, warnt er.

Österreich ist Sitzstaat der IAEO, der UNO und der OSZE. Gerade als neutrales Land hat Österreich und damit die österreichische Bundesregierung die Ver­pflichtung, die Stimme laut und hörbar – auch in der Europäischen Union – für ein Offenhalten der Gesprächskanäle, für einen Stopp der Eskalation, für einen Waffenstillstand und für Friedensgespräche zu erheben. Ich darf Sie wirk­lich ersuchen, Herr Außenminister, das unermüdlich zu tun (Beifall bei der SPÖ) und Wien als Sitz der Vereinten Nationen weiterhin aktiv für einen Dialog des Friedens anzubieten. Wir brauchen Frieden in der Ukraine.

In dieser Aktuellen Stunde geht es um die Auswirkungen des Krieges  da gibt es ganz viele, auf allen Ebenen: international wie europäisch, nationalstaatlich, aber auch emotional. Ein Krieg vor den Toren Europas, ein Krieg so nahe an unserer Grenze verändert natürlich auch unser Denken und unser Si­cherheitsbedürfnis und macht Angst. Was sich aber nicht verändern darf und wofür meine Fraktion weiterhin eintritt, ist Österreichs immerwährende Neutralität. (Ruf bei der FPÖ: Das wäre mir aber neu!) Man kann mit dem Blick auf Schweden und Finnland, die jahrelang unsere Verbündeten waren, nicht ver­schweigen, dass es in Teilen Europas ein Umdenken gibt. Nicht aber in


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Österreich: Die österreichische Bevölkerung hält an der Neutralität fest, ebenso die sozialdemokratische Fraktion.

Herr Außenminister, ich ersuche Sie, auch auf EU-Ebene weiterhin für unsere immerwährende Neutralität einzutreten. Lassen Sie nicht zu, dass dieser Krieg unsere Haltung verändert! Es ist nicht zu übersehen, dass sich bereits man­ches verändert hat: Die nationalen Verteidigungsbudgets sind gestiegen. Aufrüstung statt Abrüstung findet gerade nicht nur in Europa, sondern weltweit statt. Das sind Entwicklungen, die uns Sorge bereiten.

Jetzt komme ich zum Schluss: Herr Außenminister, ich möchte Sie an dieser Stelle ersuchen, mit aller Kraft – und angesichts der Position der anderen Mit­gliedstaaten ist es sicher wirklich ein Kraftakt – für Abrüstung statt Aufrüstung zu plädieren. Die Ukraine braucht Frieden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.09


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.09.31

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier im Saal! Die österreichische Außen­politik ist ja derzeit wirklich in denkbar schlechten Händen. Ich würde so­gar so weit gehen, zu sagen: Wenn wir ein Big Player wären, dann wäre dieser Außenminister brandgefährlich.

Wir erinnern uns an seine Aussagen, seine unfassbaren Aussagen, zum Thema Ungeimpfte. Außenpolitisch fällt er leider immer wieder mit Kriegsrhetorik auf. Ich denke, wenn es nach ihm ginge, dann wäre Österreich bereits im Krieg. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Da hast du aber nicht zugehört, was er gesagt hat!)


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Auf EU-Ebene gibt es offiziell gar keinen Außenminister, weil die EU ja ein Staatenbund ist, aber natürlich gönnt sich die EU einen Quasi-Außenmi­nister, Josep Borrell, einen, der genauso EU-hörig wie unser Minister Schallen­berg ist. Wenn diese beiden einmal Kritik üben, dann natürlich nicht an
der EU-Politik, sondern ausschließlich an den Nationalstaaten, ganz nach dem Motto: Brüssel ist niemals schuld.

Das zeugt von fehlender Selbstreflexion und bedingungsloser EU-Hörigkeit und ist genauso unehrlich wie die jüngste Aussage Nehammers, er wolle die Fehlentwicklungen der EU schonungslos aufzeigen – das wäre dann nämlich nichts anderes als eine Selbstanklage, weil die Bundesregierung in Brüs­sel in Wahrheit überall mitstimmt.

Weil 5 Minuten Redezeit hier viel zu kurz sind, mache ich heute eine Buchempfehlung. Der Titel des Buches ist „Endspiel Europa“ (das genannte Buch in die Höhe haltend) von Ulrike Guérot und Hauke Ritz. Ich bin natürlich nicht mit allem einverstanden, denn Frau Guérot ist ideologisch ja links einzuord­nen (Bundesrätin Hahn: Das muss wehtun!), aber sie hat so wie wir Freiheitli­che den Mut, dieser EU-Politik den Spiegel vorzuhalten.

Ich lese einen ganz kurzen Auszug daraus vor:

„Der europäische Selbstbetrug

Amerikanische Zeitungen diskutieren[...] – im Gegensatz zu europäischen Leitme­dien – seit Monaten, dass die USA und nicht ,Putin‘ für diesen Krieg verant­wortlich sind. Selbst amerikanische Militärs fragen sich, wann Europa endlich er­wacht und sich aus der amerikanischen Umklammerung beziehungsweise seiner Instrumentalisierung herauslöst.[...]“ – Da sind übrigens überall Quellenan­gaben dazu, wo das herkommt. – „Oskar Lafontaine spricht unumwunden von Europa als ,amerikanischem Vasalen‘[...]. Ob Erich Vad oder Harald Kujat: Die besten NATO- und Militärexperten des Landes oder Ex-OSZE-Mitarbeiter wie Rüdiger Lüdeking[...] haben Kritik an der einseitigen Strategie der ,schweren


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Waffen‘ und einem militärischen Sieg vorgebracht und sich gegen die Diffamierung Andersdenkender gewandt. Der mahnende Brief von 28 Intellek­tuellen wurde im April 2022 mit Empörung weggefegt,[...] selbst ein Alexan­der Kluge scheint in diesem Land keine Respektsperson mehr zu sein.“

Das ist auch ein passender Abschlusssatz, weil er eines deutlich aufzeigt: Die Geschichte wiederholt sich binnen kürzester Zeit. Was in den letzten drei Jahren der Coronaleugner war, ist jetzt eben der Putin-Versteher. Es wird wieder nur eine einzige Meinung zugelassen und Personen, die eine andere Meinung ha­ben, werden diffamiert. Bei Corona waren es damals die Granden – ein Bhakdi, ein Vanden Bossche, ein Sönnichsen, ein Haditsch und viele, viele mehr – und heute sind es eben Guérot, Ganser und viele weitere mehr, auch jene, deren Namen ich gerade vorgelesen habe. Der offizielle Debattenraum wur­de wieder geschlossen, und im Hintergrund passieren Wahnsinnigkeiten auf Kosten der Steuerzahler. Dies nur, um den Schein zu wahren: Wir kaufen russisches Öl über Indien, das es uns mit einem Riesenaufschlag weiterverkauft, wir vergeuden zusätzliche Steuermilliarden, nur um der Öffentlichkeit vorzu­gaukeln, wir würden Russland sanktionieren. Wie verrückt ist denn das eigentlich?

Gleichzeitig werden Milliardenverträge von der Leyens mit Pfizer nicht offengelegt, obwohl es offensichtlich ist, dass da einiges im Argen liegt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, es geht wie gesagt um Milliarden.

Meine Damen und Herren, wir brauchen wieder eine ehrliche Politik, wir brauchen eine Außenpolitik Österreichs und der Europäischen Union, welche die Interessen der Europäischen Union (Bundesrätin Hahn: Ehrliche Politik, Ibiza ...!), der Nationalstaaten und ganz klar natürlich jene der Österreicher vertritt. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wir keinesfalls brauchen: dass wir die Vasallen anderer Länder sind, nicht die Russlands, aber auch nicht die der USA. Und das wird sich eben nur


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dann ändern, wenn bei den kommenden Wahlen – am besten natürlich mit ei­nem Kreuzerl bei der FPÖ – diese jetzige unehrliche und widersinnige Poli­tik abgewählt wird, in Österreich und in Europa. (Beifall bei der FPÖ.)

10.14


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.15.02

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Jahr 2000, als Putin an die Macht kam, galt er als ruhiger, unspektakulärer Sidekick seines Chefs, des bunten Reformers Anatoli Sobtschak, Bürger­meister von Sankt Petersburg. Man kann niemandem vorwerfen, damals keine Vorahnung von Putins Charakter gehabt zu haben. Als George Bush junior die transatlantische Allianz schlechtgeredet hat, kam Putin nach Europa und beruhigte die politische Führung: Russland würde in diesen Zeiten der unroutinierten amerikanischen Führung für Stabilität sorgen.

Ganz so einfach war es natürlich nie. Putin hat immer innenpolitische Probleme mit brutalen Machtdemonstrationen im – in Anführungszeichen – „Ausland“ kaschiert. Wie er die tschetschenische Hauptstadt Grosny ausradieren ließ, um Macht zu zeigen, hätte uns schon zu denken geben können und sollen.

Seit dem Angriff auf Georgien 2008 und spätestens seit dem Einfall in die Ukraine und der Annexion der Krim 2014 gibt es keine Ausrede mehr. Gerade wir Österreicherinnen und Österreicher sollten wissen, was ein Anschluss ist, ein Einmarsch, gefolgt von massiver Unterdrückung der Opposition, dann ein Referendum mit 104 Prozent Zustimmung – das war die Zeitenwende. Die Re­aktion aber war absichtliche Blindheit, Appeasement und, wie es auch schon genannt worden ist, ein „roter Teppich mit Schleimspur“.


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Abraham Lincoln hat gesagt: You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you cannot fool all of the people all of the  time. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Jagl.) Man kann seine Wer­te eine Zeit lang für billiges Gas verkaufen, aber man kann sich billiges Gas nicht auf Ewigkeiten durch die Preisgabe seiner Werte erkaufen. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Die Bundesregierung sagt heute richtig: Man kann mit einem Kriegsverbrecher nicht verhandeln; mit diesem Regime unter Putin kann es kein Zurück zum Status quo ante mehr geben. Dennoch haben wir die Lektion noch nicht ganz ge­lernt. Jetzt debattiert Europa, ob uns die USA in einen Konflikt mit China hineinzögen. Die Kommissionspräsidentin will einen klaren Kurs fahren, der fran­zösische Präsident widerspricht ihr. Es ziehen uns aber nicht die USA in ihren Konflikt hinein. Es geht wieder darum, zu erkennen, was eine Autokratie plant. China will die Weltordnung ebenso zu seinen Gunsten verändern wie Russland. Der Unterschied ist, dass China strategischer und klüger agiert, in diesem Sinne noch gefährlicher ist. Ohne die USA wird Europa sich viel schwerer tun, seine Werte, unsere Lebensart zu verteidigen und auch für unsere Kinder zu erhalten.

Die erste Lehre aus dieser Zeitenwende ist, dass wir für unsere Werte einstehen müssen. Aus kurzfristigem Profitdenken wegzuschauen kostet mittelfristig ein Vermögen.

Die zweite Lehre ist: Selbst ein großer Staat wie die Ukraine, ein neutraler Staat wie die Ukraine ist ohne Allianzen hilflos. Auch hier versteht die Bundesre­gierung die Realität und weiß, dass wir nur in einem gemeinsamen Europa sicher sein können. Dann hat sie aber doch wieder Angst vor der eigenen Courage, versteckt sich doch hinter der umfragemäßig gut abgesicherten Neutralität. Was fehlt, ist der letzte Schritt: Solidarität der Partnerinnen und Partner kann man nur einfordern, wenn man auch bereit ist, sie selbst zu geben. Das hat zum


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Glück das Paper aus dem Verteidigungsministerium genau so wiedergege­ben. Die Verfassung gibt eine gemeinsame europäische Verteidigung bereits her, man muss sich nur trauen. Wann, wenn nicht jetzt?

Die dritte Lehre ist, dass man Europas Stärken – und davon gibt es viele – nicht ausspielen kann, solange jede Regierung ihr eigenes innenpolitisches Süpp­chen auf dem Rücken der EU kocht. Man kann nicht jedes innenpolitische Pro­blem auf Europa schieben und sich dann wundern, wenn die Populisten ge­winnen.

Die Welt wird zwar nicht mehr so, wie sie war, aber wir haben es in der Hand, sie auch in Zukunft nach unseren Werten zu gestalten. – Danke sehr.

10.19


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Eine weitere Wortmeldung liegt dazu nicht vor. Die Aktuelle Stunde ist been­det. – Danke, Herr Bundesminister.

10.19.37Einlauf und Zuweisungen


Präsident Günter Kovacs: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfrage­beantwortungen sowie eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitglieds der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ver­weise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll die­ser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 47

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 9)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesminis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA am 11. und 12. Mai 2023 in Luxemburg, wobei ihre Angele­genheiten im Bundesrat Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek wahrnehmen wird (Anlage 2)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Datenschutzbericht 2022, vorgelegt von der Bundesministerin für Justiz
(III-818-BR/2023)

zugewiesen dem Justizausschuss

Landesverteidigungsbericht 2022 gemäß Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG), vorgelegt von der Bundesministerin für Landesverteidigung
(III-819-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für Landesverteidigung

46. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2022)
(III-820-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

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BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 48

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BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 49

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Präsident Günter Kovacs: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Aus­schussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Günter Kovacs: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 sowie 4 und 5 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall. Danke schön.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.20.491. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes – WZEVI-Gesetz (3293/A und 2013 d.B. sowie 11222/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medien­kooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums, das Medienkooperations- und -förderungs-


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 51

Transparenzgesetz sowie das KommAustria-Gesetz geändert werden (3294/A und 2017 d.B. sowie 11220/BR d.B. und 11223/BR d.B.)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Ich bitte um die Berichte.


10.21.38

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bun­des – WZEVI-Gesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe ebenfalls den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Fö­deralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Transpa­renz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums, das Medienkooperations-
und -förderungs-Transparenzgesetz sowie das KommAustria-Gesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vor­lage mehrstimmig beziehungsweise einstimmig den Antrag,


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 52

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzende Frau Bundesrätin Korinna Schu­mann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.23.36

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Heute ist ein dunkler Tag in der Geschichte des Bundesrates. Heute wird mit den Stimmen der Regierungsfraktionen – der Grünen und der ÖVP – die „Wiener Zeitung“, die älteste Zeitung der Welt (ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ mit der Überschrift „1703 2023“ auf der Titelseite in die Höhe haltend), zu Grabe getragen.

Qualitätsjournalismus und die Förderung objektiver Berichterstattung sind in unserer Zeit so wichtig wie noch nie. Das betonen alle. Landauf, landab wird es betont, und völlig zu Recht: Wir müssen das Erstarken von Fakenews hintanhalten. Es gibt den Ruf nach dringend nötiger klarer und faktenbasierter Berichterstattung in den Medien.

Das haben wir auch von Nationalratspräsident Sobotka im Rahmen der Gedenkveranstaltung letzte Woche gehört. Sie aber, werte Bundesrät:innen der ÖVP und der Grünen, würde ich ersuchen, zukünftig nicht zu laut in diese Forderung einzustimmen, denn Sie machen das Gegenteil: Sie tragen mit Ihrer heutigen Entscheidung, dafür zu stimmen, die „Wiener Zeitung“ ein­zustellen, einen wesentlichen Teil des österreichischen Qualitätsjournalismus zu Grabe (Beifall bei der SPÖ); und Sie tun es ganz bewusst – ganz bewusst!


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Diese Zeitung ist nicht nur ein wichtiger Teil des Qualitätsjournalismus, sondern sie ist auch ein wichtiger Teil der Kulturgeschichte unseres Landes. 320 Jahre ist die „Wiener Zeitung“ alt, sie wurde über die Jahrhunderte erhalten, und heute geben Sie ihr den Todesstoß.

Was uns wirklich unrund laufen lässt, ist, dass die ÖVP ein sehr eigenartiges Verhältnis zu Zeitungen, zu Inseraten hat. Wir haben das ja in den Chat­protokollen nachverfolgen können. Es entsteht eher das Gefühl, die ÖVP sieht Zeitung als eine Art Bestellladen für gefällige Berichterstattung (Ruf bei der SPÖ: So ist es!), und das ist es nicht, was wir uns wünschen. Wir wollen einen unabhängigen Journalismus. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum die Grünen so derartig aktiv mit dabei sind, das Ende der „Wiener Zeitung“ herbeizureden, herbeizuschwören, herbeizustimmen, ist mir ein beson­deres Rätsel. Ich muss sagen, die Rede von Nationalratsabgeordneter Blim­linger in der letzten Sitzung des Nationalrates, in der sie das Ende dieser „Wiener Zeitung“ verteidigt hat (Bundesrat Kornhäusl: Die war super!), war absolut letztklassig. Sie musste sich dann dafür entschuldigen, Herr Fraktionsvorsitzen­der Kornhäusl. Die war nicht super, die war letztklassig. (Bundesrätin Grimling: Super letztklassig!) Ich verstehe nicht, warum das sein muss. Wir brau­chen Qualitätsjournalismus. Es gibt keinen Grund dafür, dass wir diese Zeitung jetzt einstellen.

Die Regierung trifft viele Fehlentscheidungen, und das Ende der Zeitung ist eine davon. Die Fehlentscheidungen, die Sie jetzt bei der Inflationsbekämpfung treffen und die nicht greifen, sind die allerschlimmsten, weil es solche sind, die den Menschen ihr Leben schwerer und schwerer machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Inflation beträgt 9,8 Prozent – das ist unglaublich hoch –, und Sie machen einen Lebensmittelgipfel, der – auf Wienerisch gesagt – zum Krenreiben war; da ist nichts dabei herausgekommen – einer der vielen Gipfel in der Reihe der Gipfel, bei denen nichts herauskommt.


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Die Menschen wollen aber, dass etwas herauskommt! Die wollen, dass die Preise runtergehen, die wollen, dass sie entlastet werden, dass ihre Mieten nicht noch einmal mehr steigen. Das wollen sie, und Sie handeln nicht, und dann wird der Druck zu groß, das ist klar, und dann kommt eine Pressekonferenz, bei der einige Maßnahmen vorgestellt werden – dünne Maßnahmen, weiche Maß­nahmen, keine, die wirklich eingreifen werden, und keine, die für die Bevölkerung, die das so dringend braucht, schnell die Preise senken werden.

20 Prozent aller Kinder in diesem Land, Frau Bundesministerin, sind armuts­gefährdet – das ist unerträglich! –, und Sie machen kleine Maßnahmen, obwohl Dinge notwendig wären, die viel stärker wirken.

Es braucht eine Mietpreisbremse, es braucht dringend eine Deckelung der Mehrwertsteuer bei den lebensnotwendigen Produkten und es braucht eine Preiskommission, nicht ein bisserl Transparenz, sondern wirklich eine Preis­kontrolle, damit der Gierflation Einhalt geboten wird – und Sie handeln nicht!

Ich sage es ganz klar: Der Markt hat in der Finanzkrise nach dem Staat und der staatlichen Unterstützung gerufen, und es wurde die staatliche Unterstüt­zung gegeben. In der Coronazeit hat der Markt gerufen: Wir brauchen jetzt die staatliche Unterstützung!, und es wurde die staatliche Unterstützung gege­ben. Jetzt ist es wieder so: Wieder wird nach dem Staat gerufen – der Markt, der sonst so unabhängig agiert –, und es sind wieder die Menschen, die Arbeit­nehmer:innen und Pensionist:innen, die das zahlen.

Ganz ehrlich: Was wird denn die Konsequenz daraus sein? – Die Konsequenz daraus wird sein: Sie als Regierung greifen nicht in den Markt ein, das heißt, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die Konsumentinnen und Konsu­menten zahlen es, und in der Folge wird es Sparpakete geben – darauf wird es hinauslaufen –, mit denen Sie dann den Sozialstaat schwächen. Ich kann Ihnen aber mit hundertprozentiger Sicherheit sagen: Da ist die Sozialdemokratie nicht dabei!


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Wir schauen auf die Leute, und wir wollen, dass sie jetzt entlastet werden. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

Warum spricht man gerade im Zusammenhang mit der „Wiener Zeitung“ von der Krise? – Weil Zeiten der Krise, Zeiten, in denen Menschen Sorgen haben, in denen sie Ängste haben, in denen sie nicht mehr wissen, wie sie ihren Alltag finanziell bestreiten sollen, natürlich Zeiten sind, in denen Fakenews, fal­sche Berichterstattung und Verschwörungstheorien ihren Boden finden. Das wissen wir doch schon aus der Geschichte. Da müsste man doch Einhalt gebieten. Was aber machen Sie? – Nein, Sie sagen: Die „Wiener Zeitung“ verab­schieden wir jetzt, die brauchen wir nicht mehr! – Das ist gerade jetzt die fal­scheste aller Entscheidungen. (Bundesrätin Gerdenitsch: Wie so viele!)

Wir schauen hier auf die erste Ausgabe der „Wiener Zeitung“ (ein Schriftstück in die Höhe haltend); das ist ein Faksimile der Ausgabe vom Jahre 1703, die am 8.8.1703 erschienen ist:

„Wiennerisches Diarium, Enthaltend Alles Denckwürdige / so von Tag zu Tag so wohl in dieser Käyserlichen Residentz-Stadt Wienn selbsten sich zugetragen / als auch von andern Orthen auß der gantzen Welt, allda nachrichtlich eingeloffen / Mir diesem besondern Anhang / Daß auch alle die jenige Persohnen /welche wochentlich allhier gestorben / hingegen was von Vornehmen gebohren / dann copuliret worden / ferner anhero und von dannen verreiset / darinnen befindlich.“

Das ist sie, die erste Ausgabe der „Wiener Zeitung“ von 1703. 1703: Regentschaft Karl VI., Vater von Maria Theresia – da war noch nicht einmal die Pragmatische Sanktion in Kraft, die dann in Kraft gesetzt wurde, um die weibliche Erbfolge zu ermöglichen –, die Zeit von Prinz Eugen. Ganz ehrlich: Das war die erste Ausgabe, das war der Beginn des Journalismus in Österreich – noch ein abhängiger, natürlich ein zensurierter, darüber brauchen wir nicht zu re­den, aber es war der Beginn. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn man in dieses illustre Blatt hineinblättert, dann liest man auch noch auf der Seite 3: „Alldieweilen sich die grosse Armée unter Ihro Durchleucht dem Printz Louis zu Baaden fast täglich vermehret / als hat man von hier auß grosse Geld-Summen durch den General Schallenberg dahin abgeschi­cket.“ (Heiterkeit bei der SPÖ. – Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Schau einer an, der Herr Minister – es muss sich um Verwandtschaft handeln, eindeutig –, der gerade noch hier gesessen ist. Seine Verwandtschaft wird bereits 1703 in der „Wiener Zeitung“ erwähnt. Na, es wäre doch eine tolle Geschichte, wenn wir diese Zeitung erhalten würden. Nein, Sie wollen sie nicht erhalten: Was ist schon ein historischer Wert? Wir, als ÖVP vor allen Din­gen, sind für Tradition, aber wir sind es nur dort, wo wir es wollen, bei der „Wiener Zeitung“ wollen wir es nicht mehr. – Das kann doch nicht der Weg sein. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Buchmann: Wir sind für Innovation!)

Der „Wiener Zeitung“ wurde keine Chance gegeben, sich neu aufzustellen; das wollte man nicht. Die Anzahl der Leserinnen und Leser als Argument anzu­führen ist unanständig, wirklich, denn die Zeitung durfte ja keine Inserate und Anzeigen keilen. Die Zeitung war nicht von der Presseförderung erfasst und die Onlineleserinnen und -leser wurden nicht berücksichtigt.

Natürlich ist das Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ nicht mehr zeitgemäß, auch das wissen wir, das ist ja keine Frage. Sie wechseln jetzt zu einem Schwarzen Onlinebrett. Wir hoffen, dass die verpflichtenden Kundmachungen und Verlaut­barungen in Zukunft noch allen zugänglich sein werden und von allen gele­sen werden können. Das ist eine wichtige Frage. Und ganz ehrlich: Sie haben al­len alternativen Finanzierungsvorschlägen eine Absage erteilt. Es musste das Ende der „Wiener Zeitung“ sein, das wollten ÖVP und Grüne so.

Zu den neu aufgestellten Themen innerhalb der „Wiener Zeitung“, zur Content Agentur: Wir haben da größte Bedenken, und die teilen wir übrigens auch mit Reportern ohne Grenzen, die heute noch eine sehr aktuelle Aussendung zum Ende der „Wiener Zeitung“ gemacht haben. Wir haben große Bedenken


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bezüglich der großen Nähe der Content Agentur zur Regierung. Das ist nicht gut für unabhängigen Journalismus.

Wir haben auch größte Bedenken, was die neu aufgestellte Journalist:innen­ausbildung angeht. Auch da denken wir: Warum muss das in der Nähe des Bundeskanzleramts angesiedelt sein? Vor allen Dingen werden für die allgemeine journalistische Ausbildung 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und für dieses Traineeprogramm 6 Millionen Euro. Das passt nicht, das ist nicht ausgeglichen, um den unabhängigen Journalismus zu stärken.

Wir sehen jetzt bei vielen Zeitungen einen Personalabbau. Da müsste man hinschauen. Ein Stärken der Zeitungen stünde jetzt zur Frage – nicht Journalistinnen und Journalisten abzubauen, sondern sie aufzubauen, um objektiven Journalismus zu ermöglichen.

Kaum war der Beschluss im Nationalrat gefallen, konnten wir schon hören: Der „Wiener Zeitung“ drohen „50 bis 60 Vertragsauflösungen sowie 20 bis 30 Änderungskündigungen“. – Der Geschäftsführer der „Wiener Zeitung“, Mar­tin Fleischhacker, wollte diese Zahlen zwar im APA-Interview nicht bestäti­gen, aber er sagte: „Wir führen Gespräche mit dem Betriebsrat, und wir müssen uns von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trennen.“

Ich sage Ihnen – das haben wir aus dem Betriebsrat –: Die ersten Kündigungen werden am Freitag stattfinden. – So schaut es aus. Da können sich die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter ganz herzlich bei Ihnen bedanken.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden eine namentliche Ab­stimmung fordern. Dann wird klar, wer von Ihnen als Bundesrätin oder Bun­desrat dem Ende der „Wiener Zeitung“ seine Zustimmung gibt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Wir sehen großen Widerstand bei Journalist:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen. Es kommt noch der Kurt-Vorhofer-Preis – wir werden


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noch darüber sprechen –, und die Reporter ohne Grenzen haben – noch einmal – ihr Statement dazu abgegeben.

Sollten die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat halten, wird das ein dunkler Tag in der Geschichte der österreichischen Demokratie, ein dunkler Tag in der Geschichte des österreichischen Journalismus. (Bundesrat Kornhäusl: Der Menschheit!) Nein, das ist nicht lustig, Herr Bundesrat, es ist nicht lustig. Es ist wirklich ein dunkler Tag, weil Sie damit den Qualitätsjournalismus zu Gra­be tragen. (Bundesrat Kornhäusl: Das hat keiner ...!) Sie werden es zu ver­antworten haben, das ist auch ganz klar. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.36


Vizepräsident Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Matthias Zauner. – Bitte, Herr Kollege.


10.36.40

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Bundesrätin Schumann, fangen wir mit der Inflation an, die ja in Wahrheit nicht diesen Tagesordnungspunkt betrifft (Bundesrätin Schu­mann: Doch, sie betrifft ihn!), aber die Sie verständlicherweise zur Sprache ge­bracht haben.

Ja, diese Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um die Inflation zu bekämpfen, um die Menschen in diesem Land zu unterstützen. (Bundesrätin Hahn: Das war ... Inflationsrate in Europa! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nun liegt wieder ein neuer Vorschlag auf dem Tisch, der eine systemische Lösung andenkt (Bundesrat Schmid – in die Hände klatschend –: 9,8 Prozent! Bravo! Spitzenreiter in Europa!), um ganz einfach die Energiepreise zu drücken und damit eine nachhaltige Lösung zu finden. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Gerdenitsch: Nachhaltig?!)

Ich habe mir in den letzten paar Stunden sehr intensiv die Berichterstattung dazu angesehen und auch den Herrn Bundeskanzler gestern in der „Zeit im Bild 2“


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und heute auf Ö1 angehört, der ganz klar gesagt hat (Bundesrätin Hahn: Ziemlich gestottert hat er! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ): Ja, wir haben ein dichtes Netz an Unterstützungen geknüpft, aber ja, es ist offensichtlich auch so, dass es noch immer Menschen gibt, die durchfallen. (Bundesrätin Hahn: Das war der Erklärungsnotstand!) – Er ist gemeinsam mit dem Sozialminister dabei, auch dafür Lösungen zu finden.

Fakt ist aber: Denken wir an den Beginn der Covid-Pandemie zurück, als es geheißen hat, die Wirtschaft gehe den Bach hinunter, Rekordarbeitslosigkeit – all das ist nicht passiert (Bundesrätin Grimling: Die steigt eh schon wieder!), und es ist nicht passiert, weil es zufällig nicht passiert ist, sondern weil diese Bundesregierung die richtigen Schritte gesetzt hat, und das werden wir ganz sicherlich auch weiter tun. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn die SPÖ sagt, sie ist da nicht dabei, dann bin ich dankbar dafür, dass sie nicht dabei ist, nämlich nicht dabei in der Bundesregierung, und das soll auch weiter so sein. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Hört, hört! – Ruf bei der SPÖ: Die bereiten schon vor! – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn, Gerdenitsch und Grimling.)

Nun aber zum eigentlichen Tagesordnungspunkt, meine Damen und Herren, und damit zur Ausgangslage - - (Ruf bei der SPÖ: Die nächste Ausgrenzung! – Bun­desrat Spanring: Jetzt merkt ihr, wie das ist! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesrät:innen Schumann und Spanring.Ja, bleibt ruhig! Ihr beschäftigt euch nämlich nicht mit den Leuten, ihr beschäftigt euch nur mit euch selbst – alles gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun aber zurück zum hier vorliegenden Gesetzentwurf: Beginnen wir vielleicht damit, was überhaupt die Ausgangslage ist, denn die Ausgangslage ist die Abschaffung der Veröffentlichungspflicht in der Printausgabe der „Wiener Zei­tung“ und damit einhergehend eine Entlastung für die heimische Wirt­schaft in der Größenordnung von 20 Millionen Euro. Diese Maßnahme ist gut, diese Maßnahme ist wichtig, diese Maßnahme ist richtig (Zwischenruf des


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 60

Bundesrates Spanring) – Frau Bundesministerin, vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesen 20 Millionen Euro haben wir nun eine neue Situation, denn diese 20 Millionen Euro waren ja für die „Wiener Zeitung“. Wenn man davon ausgeht, dass die „Wiener Zeitung“ 24 Millionen Euro per annum bekommen hat und 20 Millionen Euro wegfallen (Bundesrat Schmid: Das stimmt gar nicht ...!), dann ist da einfach ein Geschäftsmodell abhandengekommen. Die Frage war somit: Was tun? Führt man es mit Steuergeld weiter oder geht man neue Wege?

Fangen wir mit Variante eins an: Was hätte es bedeutet, wenn die Republik die „Wiener Zeitung“ so wie jetzt fortgeführt hätte? – Dazu muss man wissen, dass die Auflage der „Wiener Zeitung“ 8 000 bis 10 000 Stück beträgt. (Bundes­rätin Schumann: Das ist eine Schweinerei!) Laut einem Bericht der „Presse“ gibt es gerade einmal 6 000 Leserinnen und Leser und die Abos haben in erster Linie Regierungsressorts, Bundesdienststellen und Co. Das heißt, in Wahr­heit hat dieses Medium, wenn man in die Breite der Bevölkerung sieht, keine Le­serinnen und Leser (Ah-Rufe bei der SPÖ), und das muss man schon den Men­schen erklären, warum die öffentliche Hand für 10 000 Stück Zeitung 20 Mil­lionen Euro aufwenden muss (Bundesrätin Schumann: Das ist doch eine Gemeinheit!), und das wäre wohl absolut nicht zuträglich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage es auch ganz offen: Ich war dank meiner neuen Funktion in Nieder­österreich in den vergangenen Wochen viel im Land unterwegs, in allen Bezirken habe ich mich mit Arbeitnehmerinnenvertretern und Arbeitnehmervertre­tern getroffen, und die haben natürlich viele Anliegen, aber die „Wiener Zeitung“, meine Damen und Herren, habe ich kein einziges Mal gehört. (Bundesrätin Schumann: Na geh, also das ist ja unanständig! – Bundesrätin Hahn: Was man nicht sieht und nicht hört, ist auch kein Problem!)

Daher, meine Damen und Herren, hat man sich dafür entschieden, neue Wege zu gehen, und das tut diese Bundesregierung. Insgesamt werden 16,5 Mil-


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lionen Euro zur Verfügung gestellt, 7,5 Millionen Euro dafür, die „Wiener Zei­tung“ digital zu erhalten, damit die Marke zu sichern und auch in Staats­hand zu behalten, 6 Millionen Euro für die Journalistinnen- und Journalistenaus­bildung, um da eine Qualitätsoffensive zu starten – wenn ich mir so man­chen journalistischen Erguss der vergangenen Wochen vor Auge führe, schadet das mit Sicherheit nicht (Beifall bei der ÖVP – Ah-Rufe bei der SPÖ) –, 3 Millio­nen Euro für eine Verlautbarungs- und Informationsplattform. Das heißt, wir nützen diese Situation, um einen Mehrwert für den Medienstandort und auch einen Beitrag zum qualitätsvollen Journalismus zu schaffen. (Bundes­rätin Schumann: Ist das Regierungszensur? Zensur ist das! – Gegenruf des Bundesrates Kornhäusl. – Bundesrätin Schumann: Na aber schon!)

Um auch das ganz klar in Abrede zu stellen, was uns per E-Mail zugetragen wurde (Bundesrätin Schumann: Zensur ist das!) und was auch hier behauptet wird: Natürlich wird auch diese neue Redaktion ein Redaktionsstatut haben (Ruf bei der SPÖ: So wie es euch passt!), es wird einen wissenschaftlichen Beirat geben und es wird auch eine unabhängige Redaktion ohne parteipolitische Einfluss­nahme geben. So steht es im Gesetz und die Gesetze werden ja wohl gelten. (Bei­fall bei der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Der war gut! – Bundesrätin Schumann: Aber geh, das ist Zensur! – Bundesrätin Hahn: Das wird Hofberichterstattung von Blau-Schwarz-Grün!)

Zusammengefasst, meine Damen und Herren: Man kann natürlich traurig sein, wenn es die älteste Zeitung nicht mehr im Print gibt, allerding ist Traurig­keit keine politische Kategorie des Handelns. (Bundesrätin Gerdenitsch hält ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ mit der Überschrift „1703 2023“ auf der Titel­seite in die Höhe.) Daher beschließen wir heute, dass die Marke „Wiener Zeitung“ erhalten bleibt (Bundesrätin Hahn: Ja, natürlich! – Bundesrätin Schumann: Ja, genau!), und das in Staatshand. Wir entlasten die Wirtschaft um 20 Millionen Euro per annum und wir investieren in die Journalistinnen- und Journalis­tenausbildung – vielen Dank dafür, sehr geehrte Frau Bundesminister. (Beifall bei


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der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: ... alle rausschmeißen! – Bundesrätin Hahn: Ist das ein Bewerbungsgespräch gerade? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Damit kommen wir zum dritten Punkt, dem Medientransparenzgesetz. Da ist es gut, dass wir heute beschließen, dass alle Inserateneinschaltungen und Me­dienkooperationen ab dem ersten Euro an die Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH gemeldet werden müssen. Da wir die Länderkammer sind, macht es schon auch Sinn, einen Blick auf die Bundesländer zu werfen. Wenn nämlich Werbeausgaben in acht Bundesländern 13,2 Millionen Euro aus­machen und in einem einzigen Bundesland 25,3 Millionen Euro, nämlich in Wien (eine Tafel mit der Überschrift „Werbeausgaben im Vergleich“ und einem Säu­lendiagramm in die Höhe haltend), dann macht es wirklich Sinn, dass wir hier mehr Transparenz bekommen – vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP. – Ah-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Hahn: Der macht Karriere! – Bundesrätin Grimling: Der ist gut, ja!)

10.43


Vizepräsident Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann. – Bitte, Frau Kollegin.


10.44.07

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es heute auch schon vonseiten der SPÖ gehört: Heute ist ein schwarzer Tag – oder besser gesagt: ein schwarz-grüner Tag – für den Journalismus im Allgemeinen (Bundesrätin Hahn: Traurig, oder?), denn heute wird von ÖVP und Grünen besiegelt, dass die älteste Tageszeitung der Welt zu Grabe getragen wird. Nach 320 Jahren fällt der Vorhang, denn das, was von der „Wiener Zeitung“ übrig bleiben soll, ist eine leere Hülle, die der Ge­schichte nicht gerecht werden kann. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Schmid: Richtig!)

Aus der „Wiener Zeitung“ wird ein reines Regierungsvehikel, sozusagen eine Manifestation der Messagecontrol, die ausschließlich das Ziel verfolgt, der ÖVP


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zu mehr Einfluss in der Medienlandschaft zu verhelfen, und die Grünen geben sich dafür wieder einmal als Beiwagerl her. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Vor diesem Hintergrund sehen wir uns an, was heute passieren soll: Die Hoheit über eine Zeitung, über die neue „Wiener Zeitung“, soll zum Bundeskanzler wandern, quasi als erweiterte Kommunikationsabteilung, kann man sagen. (Bun­desrat Reisinger: Messagecontrol nennt man das! – Gegenrufe bei Bundesrät:in­nen der ÖVP.) – Ja, genau. Und damit untersteht dem Bundeskanzler auch die praxisnahe Ausbildung von Journalisten, der sich die „Wiener Zeitung“ jetzt vornehmlich annehmen soll. Ausgerechnet Bundeskanzler Nehammer will jungen Journalisten beibringen, wie unabhängiger Journalismus funktionie­ren soll? (Bundesrat Schmid: Das ist ein Scherz!) Da weiß man jetzt wirklich nicht, ob man lachen oder weinen soll. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ich nehme an, ein paar Lektoren aus den Reihen der Ex-Türkisen werden sich ja wohl schnell finden, oder? Seminar Nummer eins: Medienmaulkorb für An­fänger. – Das hat ja auch mit dem neuen Generaldirektor beim ORF schon Ein­zug gehalten, wobei man fairerweise sagen muss, dass das fast ein bisschen unfair formuliert ist, weil die Berichterstattung des ORF ja davor schon nicht für ihre Objektivität bekannt war (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ), ganz beson­ders nicht, wenn es um die eigenen Privilegien geht, Stichwort Haushaltsabgabe. Das ist nämlich eine der größten Mogelpackungen überhaupt: Man gibt vor, ein Sparprogramm zu fahren, zieht dabei in Wahrheit allen Österreichern das Geld aus der Tasche und hat am Ende sogar massive Mehreinnahmen – und das auch noch in Zeiten der Teuerung. Das ist meines Erachtens eine Schande. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Kosten die amerikanischen Sitcoms wirklich so viel Geld oder stehen demnächst ein paar weitere Golden Handshakes an? Statt Hollywood würde mir im Übri­gen ein anderes Programm einfallen, mit deutlich geringeren Produktionskosten: Der ORF könnte zum Beispiel einmal ordentlich über die Bundesratssit­zungen berichten. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)


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Wenn der ORF einmal ordentlich über die Bundesratssitzungen berichten würde, dann würde er damit wahrscheinlich auch seinem Bildungsauftrag entsprechen.

An dieser Stelle darf ich auch noch auf die FPÖ-Petition gegen die Haushalts­abgabe hinweisen und bitte auch weiterhin um zahlreiche Unterstützung: Nein zur ORF-Zwangssteuer, Ja zur Objektivität und zur Sparsamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber wieder zurück zur neuen „Wiener Zeitung“: Neben der Ausbildung soll man sich ja dort auch der „Förderung von [...] Gründern im Medienbereich zur Entwicklung von Medieninnovationen und Geschäftsideen“ verschreiben. Wird eine Zeitung eingestellt, weil sich ihr eigenes Geschäftsmodell überholt hat, weil die Einnahmen ja nahezu ausschließlich auf Veröffentlichungspflichten zurückgegangen sind, die nun zu Recht abgeschafft werden, soll diese Zeitung jetzt anderen beibringen, wie man innovative Geschäftsideen auf den Markt bringt. – Ja, das klingt wie der Beginn einer weiteren schwarz-grünen Er­folgsgeschichte. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht könnte man ja auch noch das Team von Kaufhaus Österreich mit ins Boot holen. (Bundesrat Schreuder: Ja, oder Polizeipferde!) Vielleicht wäre ja sogar noch im Bürokomplex von Ex-ÖVP-Kanzler Kurz, Ex-ÖVP-Ministerin Kös­tinger und Ex-ÖVP-Minister Blümel ein kleines Büro für eines der neuen Medien-Start-ups frei, wobei man ja eines noch den zuvor Genannten zugute­halten muss: Die kennt man wenigstens im Vergleich zu Ihnen, Frau Minis­terin Raab, obwohl Sie zu den Vertrauten von Basti zählen. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch ein Wort zum zweiten Gegenstand der Tagesordnung: Die Novelle zum Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Es gibt dazu noch ganz wesentliche Punkte, die unser Klubobmann Herbert Kickl in Form eines Antrages eingebracht hat: Erstens braucht es einen Kostendeckel, Regierungsinserate dürfen die Höhe der staatlichen Presseförderung nicht überschreiten. Zweitens braucht es echte Transparenz durch die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Vergabe


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mit dem Ziel, dass jedes die Voraussetzungen erfüllende Medium das An­recht hat, anteilig an seiner Reichweite Inserate zu schalten. Und drit­tens braucht es Kontrolle. Die Bundesregierung hat dem Nationalrat jährlich einen Evaluierungsbericht zuzuleiten, der offenlegt, inwieweit durch die Informationspolitik die größtmögliche Zahl an Bürgern erreicht wurde.

In diesem Sinne heißt es für die Bundesregierung aus unserer Sicht in beiden erläuterten Materien: zurück an den Start! Diese Punkte kann man nur ablehnen. Dem gemeinsam mit der SPÖ erarbeiteten Antrag auf Einspruch werden wir zustimmen und diesen natürlich unterstützen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.


10.51.34

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und auch zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es war 1998, als ich das erste Mal mit der „Wiener Zeitung“ zu tun hatte, und zwar im Zuge einer Unternehmensgründung und der daraus resultierenden Pflichtveröffentlichung im „Amtsblatt“. Als kleiner Handelsbetrieb im lokalen Bereich fragten wir uns damals kurz, warum wir diesen Veröffentlichungsbeitrag zahlen müssen, und die Sinnhaftigkeit hat sich uns damals nicht wirklich er­schlossen.

Genau diese Pflichtveröffentlichung von Firmenbucheinträgen im „Amtsblatt“ ist die finanzielle Grundlage der „Wiener Zeitung“. Eine EU-Richtlinie besagt nun, dass das in dieser Form nicht mehr gestattet ist, also verliert die „Wiener Zeitung“ ihre wichtigste Einnahmequelle und somit auch ihre wirtschaftliche Grundlage. (Bundesrätin Schumann: Genau, dann lassen wir sie sterben! – Bundesrätin Hahn: Alternativen hätte es ja überhaupt keine gegeben!) Österreich ist


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dazu verpflichtet, diese EU-Richtlinie umzusetzen, ob wir wollen oder nicht. Und mir ist aufgefallen, dass in einer Presseaussendung, einer OTS vom 6.3., zum Beispiel auch von der Freiheitlichen Wirtschaft bejubelt wurde, dass die Pflichtveröffentlichung jetzt wegfällt – und somit eben auch die Finanzierungsgrundlage.

Und machen wir das nicht, drohen uns Strafzahlungen und ein Vertragsverlet­zungsverfahren seitens der EU.

Ein Festklammern an der „Wiener Zeitung“ in der derzeitigen – ich betone: in der derzeitigen – Form als reines Printtageszeitungsprodukt würde das gesamte Medienunternehmen in Gefahr bringen. (Bundesrätin Hahn: Ist sie ja nicht! Das ist sie ja nicht!) Und gerade deshalb, genau aus diesem Grund, wollen und wer­den wir die „Wiener Zeitung“ retten. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wir müssen deshalb jetzt handeln, und zwar mit einer umfassenden Reform. Und solche Änderungen fallen nun einmal schwer, jede Änderung fällt schwer, aber es ist jetzt an der Zeit, das zu tun. (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Hahn, Gerdenitsch und Schennach.) Wir müssen Realitäten anerkennen, wir müssen nach vorne blicken und den Kern der „Wiener Zeitung“ bewahren, und dieser ist ihre – wir haben es heute schon gehört – journalistische Qualität. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sichern die Zukunft der „Wiener Zeitung“. (Bundesrätin Schumann: Mit Kündigungen!  Bundesrat Schennach: Bitte retten Sie niemanden ...!) Wir garantieren ihren Fortbestand als Printmedium und machen sie als digitales Qualitätsmedium fit für die Zukunft. Mit dieser Umstellung werden wir nämlich dafür sorgen, dass die „Wiener Zeitung“ noch mehr Leserinnen und Leser erreichen wird als bisher und dass sie auf lange Sicht die österrei­chische Medienlandschaft bereichern wird. (Bundesrat Schennach: Die Rede von der Frau Blimlinger ...! Die hat sich wenigstens entschuldigt!)


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Wir Grüne haben durchgesetzt – und das wird im Gesetz ganz klar fixiert (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) –: Die „Wiener Zeitung“ muss auch weiterhin gedruckt werden, nämlich mindestens zehnmal pro Jahr; ob täglich, wöchent­lich oder in einem anderen Rhythmus, bleibt allein die Entscheidung des Unternehmens. (Bundesrat Schennach: Wow, eine Tageszeitung, die zehnmal im Jahr erscheint!)

In Zukunft bekommt die „Wiener Zeitung“ allein für ihre Publikationen ein Budget von 7,5 Millionen Euro pro Jahr und dadurch wird sie weiterhin in gedruckter Form erscheinen können. Und wie wir heute schon vom Kollegen gehört haben, bekommt die Wiener Zeitung GmbH insgesamt ein Budget von 16,5 Millionen Euro. Das ist – um es mit den Worten unseres Vizekanzlers zu sagen – nicht nichts. Ein kleiner Vergleich dazu: Andere Tages- und Wo­chenzeitungen haben sich bisher knapp 9 Millionen Euro Presseförde­rung geteilt.

Das Ziel ist, dass die „Wiener Zeitung“ ein innovatives und investigatives Me­dium wird (Bundesrätin Schumann: Investigativ! – Heiterkeit bei der SPÖ – Bundesrat Schennach: Sind wir jetzt beim Salzburger Stier?), auch mit Fokus auf internationale Kooperationen, durch die ihre Reichweite gesteigert und vor allem ihr Profil als digitales Qualitätsmedium gestärkt werden soll. Die „Wiener Zeitung“ wird sich als Bildungs- und Demokratiemedium neu positionieren. Die Umstellung auf ein starkes Onlinemedium ist ein Zukunftsmodell und in der heutigen Zeit eine tatsächliche Aufwertung. (Bundesrätin Hahn: Eine Aufwertung, indem man sie einstellt – interessante Philosophie!) Die Zugriffszahlen werden bald zeigen, dass die Zeitung so viel mehr Relevanz erzielen kann und Tag für Tag wesentlich mehr Leserinnen und Leser als bisher erreicht. (Bundesrat Reisinger: Noch so ein Ziel und wir sind verloren!) Und mit dem neu geschaffenen Media Hub wird die „Wiener Zeitung“ (Bundesrätin Hahn: Wisst ihr, was Rudi Anschober dazu sagt?) künftig einen wichtigen Beitrag für den Nach­wuchsjournalismus in unserem Land leisten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Vielleicht ist es auch wichtig, dass ich das jetzt hier noch einmal sage, weil Kollegin Theuermann das nämlich gerade etwas anders dargestellt hat: Dieser Media Hub ist keine Aus- oder Weiterbildung, sondern gewährleistet ein Praxisprogramm (Bundesrätin Hahn: Was ist das? Was soll das sein?) in Lehrredak­tionen wie bei „Dossier“, „Profil“ oder bei der „Kleinen Zeitung“. (Bundesrä­tin Hahn: Eine schöne Überschrift, aber sonst nix!) Das sind Praxisprogramme, in denen junge Menschen wertvolle journalistische Erfahrungen sammeln kön­nen, und das Gesetz legt ganz klar fest, dass dabei die Redaktion der „Wiener Zeitung“ eingebunden sein muss.

Es hätte wahrscheinlich uns alle sehr gefreut, wenn es ernsthafte Übernah­meangebote für die „Wiener Zeitung“ gegeben hätte. Es gab leider nur vereinzelt Ideen und vage Überlegungen, aber eben keine konkreten Pläne und vor al­lem keine umsetzbaren Konzepte. (Bundesrat Reisinger: Es gab eine ganze Liste an Vorschlägen!) Durch den heute zu verabschiedenden Gesetzesbeschluss wird die „Wiener Zeitung“ in einer neuen Form weiterbestehen. (Rufe bei der SPÖ: Zu Grabe getragen!)

Ganz kurz noch zum 2. Tagesordnungspunkt und zu den Änderungen des Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetzes: Zukünftig müssen alle Einschaltungen und Medienkooperationen der öffentlichen Hand un­abhängig von der Erscheinungsfrequenz eines Mediums ab dem ersten Euro an die Medienbehörde RTR gemeldet werden. Bisher waren nicht-periodische Medien ausgenommen und es galt eine Bagatellgrenze von 5 000 Euro. Die Mel­deverpflichtung wird auf Social-Media-, Plakat- und Kinowerbung erweitert. Für Kampagnen ab 150 000 Euro muss ein Transparenzbericht, für Kampagnen ab 1 000 000 Euro zusätzlich eine Wirkungsanalyse durchgeführt werden. So gibt es lückenlose Klarheit ab dem ersten Euro und einen verantwortungsvol­len Umgang mit Steuergeld. Das ist es, was wir heute beschließen werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.58



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Arlamovsky zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.


10.58.25

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die „Wiener Zeitung“ muss sich ändern. Pflichtveröffentlichungen sind nicht mehr zeitgemäß und jedes Medium muss sich anpassen. So weit ist die Diagnose, glaube ich, unstrittig. Wo wir aber weit auseinanderdriften, ist dann der Änderungsvorschlag beziehungsweise welche Konsequenzen man daraus zieht.

Die Regierungsparteien stellen jetzt einen Gesetzentwurf vor, der de facto auf ein Abdrehen der „Wiener Zeitung“ hinausläuft. Die Frage ist: Warum passiert so etwas? – Sparsamkeit kann es nicht sein, denn jetzt wird noch viel Geld lo­ckergemacht, um das neue Produkt, das neue – in Anführungszeichen – „Konzept“ zu finanzieren. Das Problem ist: Für ein Onlinemedium ohne Konzept oder ohne Plan würde kein Privater Geld lockermachen. Für das vorhandene Produkt der „Wiener Zeitung“ gab es Interessenten, die aber nicht gehört wurden. Das wird von den Regierungsparteien jetzt immer abgewiegelt oder schlechtgeredet. Zuerst hat es geheißen: Es gab überhaupt keine Interessenten!, jetzt wird das abgeschwächt: Es waren zumindest keine ernstzunehmenden Interessenten!

Tatsächlich war es aber so: Die Regierungsparteien haben sich überhaupt nicht dafür interessiert, die „Wiener Zeitung“, so wie sie jetzt ist und so wie sie nicht mehr fortgeführt werden soll, zu verkaufen oder einen Teilbetrieb zu ver­kaufen oder die Marke zu verkaufen. Die Regierungsparteien haben andere Pläne mit diesem Unternehmen.

Die Chefredaktion wurde nicht in die politische Entscheidung eingebunden, eine ernsthafte Prüfung von Interessenten für eine Übernahme hat nicht statt­gefunden. Solch einen Umgang haben sich die Geschichte des Blattes, die Re­dakteurinnen und Redakteure, die Bürgerinnen und Bürger, die das bisher finanziert haben, nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn man im Kontext der aktuellen Medienreform – da gibt es ja nicht nur die „Wiener Zeitung“, sondern auch den ORF – die Standpunkte oder die Argu­mente vergleicht, die von den Regierungsparteien im Hinblick auf die „Wiener Zeitung“ und im Hinblick auf den ORF und insbesondere auf den Online­auftritt des ORF vorgebracht werden, dann stößt man auf einige Inkonsistenzen.

Beim Onlineauftritt des ORF soll die Berichterstattung eingeschränkt werden, insbesondere soll eine vertiefende Berichterstattung nicht mehr erlaubt werden. Man fragt sich als Erstes: Was soll da an Onlineberichterstattung noch übrig bleiben? (Ruf bei der SPÖ: Videos!) Videos, Regierungs-PKs, Livestreams, Parteitagsübertragungen? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist natürlich klar, dass es eine Wettbewerbssituation gibt, sowohl eine Wettbewerbssituation, in der die „Wiener Zeitung“ steht oder stehen wird, als auch eine Wettbewerbssituation mit anderen Anbietern, in der der ORF und dessen Onlineauftritt stehen. Wir wollen natürlich nicht – zumindest unsere Partei will das nicht –, dass ein Wettbewerb auf dem Medienmarkt unfair vom Staat beeinflusst wird. Insofern ist es ein bisschen scheinheilig, möchte ich fast sagen, wenn von den Regierungsparteien quasi als Verteidigung dafür, dass an der „Wiener Zeitung“ etwas geändert werden muss, die Abonnenten- oder Leserzahlen herangezogen werden. (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Man würde sich ja als Mitbewerber sehr bedanken (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), wenn ein mit Pflichteinschaltungen finanziertes Produkt, das im Staatseigentum steht, in den Wettbewerb mit anderen Medien treten soll. Also so kann es ja auch nicht funktionieren.

Klar ist aber: In Zukunft gibt es keine Pflichteinschaltungen mehr, und die „Wiener Zeitung“ muss oder müsste auf eine andere Weise fortgeführt werden, aber sicher nicht so, wie es die Regierungsparteien vorschlagen.

Wenn man jetzt zu dem Vergleich mit dem ORF zurückkommt, der ja auch durch Gebührengelder – die Rundfunkgebühren oder ganz konkret das ORF-Pro­grammentgelt – finanziert wird: Wenn es da um die Tiefe der Berichterstattung geht: Die soll beim ORF eingeschränkt werden.


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Was die Regierungsparteien jetzt aber bei der „Wiener Zeitung“ machen wollen: Da gibt es momentan eine Zeitung, die viel vertiefende Berichterstattung hat. Die Regierungsparteien wollen das aber nicht in dieser Form fortführen, stattdessen wird ein Konzept präsentiert, das sehr vage ist: auf der einen Seite ein Onlinemedium, auf der anderen Seite eine Monatszeitung. Wenn man da genauer hinschaut, merkt man natürlich, dass beides gleichzeitig nicht funk­tionieren kann, weil es viele unterschiedliche Anforderungen gibt und vor allem weil für diese zwei unterschiedlichen Aufgaben das Budget nicht ausreicht. Die „Wiener Zeitung“ neu wird damit gezwungen, eine unklare Linie umzu­setzen, was einen Qualitätsjournalismus sicher nicht sicherstellt.

Warum möchten die Regierungsparteien also so ein zukünftiges Modell?

Wenn man sich dann anschaut, wenn man zum Beispiel im Firmenbuch nach­schaut: Welche Unternehmensstruktur hat die „Wiener Zeitung“?, Wel­che Unternehmensstruktur soll sie nach dem neuen Konzept haben?, dann stellt sich heraus, dass mit diesem neuen Konzept einiges legitimiert werden soll, was bisher unter dem Dach der „Wiener Zeitung“ insbesondere von der ÖVP oder unter ÖVP-Verantwortung schon aufgezogen worden ist.

Insbesondere sticht da die sogenannte Content Agentur Austria heraus, die es, eigentlich ohne gesetzliche Deckung, schon seit 2020 gibt. Jetzt soll das gesetzlich legitimiert werden. Diese Agentur übernimmt Content- und Media­agenturleistungen. Das erlaubt dem Bund noch mehr Einfluss auf die Me­dien durch Steuerung von Inseraten, auch dadurch, dass Personen versorgt wer­den können, dass Personen im Geiste der Regierungsparteien ausgebildet werden sollen. Insofern muss man eigentlich zum Schluss kommen, dass die Struktur, die die „Wiener Zeitung“ in Zukunft haben soll, lediglich als Deckmantel verwendet wird, um die Medienpläne der Regierung in Zukunft umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Davon, wie sich die Regierungsparteien eine umfassende Medienpolitik, die es eigentlich brauchen würde, vorstellen, haben wir noch nichts gehört. Die


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Regierungsparteien können nicht formulieren oder wollen nicht formulieren, welche Medienlandschaft Österreich gegenwärtig und zukünftig braucht. Das müsste in Wirklichkeit eine diverse Medienlandschaft sein: unterschiedliche Medien mit unterschiedlichen Zugängen, die sich aber auf Qualitätsstan­dards geeinigt haben.

Von ÖVP und Grünen kommen allerdings auf der einen Seite Gießkannenförde­rung, auf der anderen Seite Almosen, im Zusammenhang mit dem 2. Tages­ordnungspunkt, der hier debattiert wird, weiterhin keine Einschränkung von Re­gierungsinseraten. Also einen Deckel für Regierungsinserate, wie ihn die Oppositionsparteien fordern, lehnen die Regierungsparteien ab. Es bleibt wei­terhin ein Fleckerlteppich.

Was wir nicht wollen, ist, dass die Medienpolitik in Österreich eine Richtung einschlägt, wie sie in Ungarn leider zu beobachten war. Es gab eine Me­dienenquete, die vom NEOS-Parlamentsklub – ich glaube, es war letzte Woche oder vor zwei Wochen – durchgeführt worden ist. Dort hat eine ungarische Vortragende, die früher die Geschäftsführerin der ungarischen Medienbehörde war, berichtet. Unter Orbán wurde im Zeitraum zwischen 2010 und 2015 – also schon damals – die Medienlandschaft gewaltig umgebaut. Private Medien wurden drangsaliert und aufgekauft oder man ließ sie aufkaufen, über die staatlichen Medien gab es einen Durchgriff auf die Medienlandschaft.

Wenn man sich im Vergleich die Entwicklungen in Ungarn damals, zwischen 2010 und 2015, anschaut, sagt die ungarische Expertin, Österreich heu­te sei ungefähr zu vergleichen mit dem Stand, den Ungarn schon 2013, während dieses Orbán-Umbaus, gehabt hat. Das ist natürlich ein erschreckender Befund. Mit der – unter Anführungszeichen – „Reform“ der „Wiener Zeitung“ wird an dieser Uhr leider noch weitergedreht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Raab. – Bitte, Frau Minister.



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11.08.14

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrät:innen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich  möchte gerne zu Beginn ein paar Worte insgesamt über den österreichi­schen Medienstandort sagen. (Die Bundesrät:innen der SPÖ halten Exem­plare der „Wiener Zeitung“ in die Höhe.)

Sie alle wissen, der Medienmarkt insgesamt – nicht nur der österreichische, sondern auch der europäische, aber auch der internationale – ist in einer enormen Transformation. Es verlagert sich viel in den digitalen Raum, das Nutzungsverhalten hat sich verändert. Vorhin waren einige Jugendliche hier. Wenn sie noch hier wären, würde ich sie gerne fragen: Wie viele konsumie­ren die Medien derzeit eigentlich online? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das hat sich sehr stark verändert. Das Nutzungsverhalten der Zukunft liegt natürlich insbe­sondere im digitalen Raum.

Deshalb ist es wichtig, dass wir bestehende Gesetze, die über viele Jahrzehnte nicht angepasst wurden, an diesen Wandel anpassen und mit dieser Trans­formation auch einem starken dualen Medienstandort – das bedeutet auf der einen Seite: einem starken privaten Medienstandort, und auf der anderen Seite: auch einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk – gerecht werden, damit wir eine Vielfalt an gutem, objektivem Qualitätsjournalismus insbesondere auch für die Jugendlichen in Österreich aufrechterhalten können.

Was tun wir dafür? – Auf der einen Seite geben wir derzeit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr Möglichkeiten, im digitalen Raum auch die Jugend zu erreichen. (Bundesrätin Hahn: Die Zeitung ist bereits im digitalen Raum!) Auf der anderen Seite unterstützen wir die privaten Medien mit einer digitalen Transformationsförderung in einer nie da gewesenen Höhe, um diesen Wandel an digitaler Transformation mitgehen zu können.


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Zu guter Letzt (Bundesrätin Hahn: ... richtigen Zahlen, ... komplett falsch!) werden wir auch Marken wie die „Wiener Zeitung“, die natürlich in Österreich Traditionsmarken sind, für die Zukunft erhalten und ihnen künftig auch die Möglichkeit geben, im digitalen Raum die Jugend zu erreichen und zu reüssieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nicht nur die Standards und das Nutzungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger am Medienmarkt haben sich geändert, sondern es haben sich – wie ich finde, zu Recht – auch die Anforderungen an die Standards der Transparenz im Umgang mit Steuergeld in den letzten Jahren geändert, und das ist gut so. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat ein Recht darauf, zu wissen, was mit ihrem oder seinem Steuergeld passiert. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Schmid. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Deshalb war es uns so wichtig, dass wir das neue Medientransparenzgesetz schaffen. Sie müssen wissen, als Frauenministerin ist es für mich oft wich­tig, dass wir gemeinsam mit den Medien Kampagnen ins Leben rufen, um die Frauen in Österreich zu erreichen und ihnen auch sagen zu können, wo sie Schutz finden, wenn sie Schutz brauchen, wo eine Frauennotrufnummer zu finden ist, wo Frauenhäuser zu finden sind, wo Gewaltschutzzentren zu finden sind. (Ruf bei der SPÖ: Ist das jetzt Ihr Ernst?) Deshalb ist eine Kooperation mit den Medien zu diesem Zwecke der Information nicht per se etwas Schlechtes, aber sie muss dem höchsten Standard an Transparenz unterliegen. Wir wollen ab dem ersten Euro wissen, was mit dem Steuergeld passiert, wenn die staatlichen Stellen im Rahmen von Inseraten und im Rahmen von Medienkooperationen mit den Medien zusammenarbeiten. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner. – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, ist heute für mich und für die Bürgerinnen und Bürger, wenn es um die Transparenz geht, ein guter und wich­tiger Tag, da wir das Medientransparenzgesetz reformieren und nun ab dem ersten Euro lückenlos eingemeldet werden muss, wenn Steuergeld für In­serate ausgegeben wird. (Beifall bei der ÖVP.)


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Es werden die bisherigen Bagatellgrenzen fallen. Es werden Lücken geschlossen (Bundesrätin Hahn: Beinschab! Ich sag nur Beinschab-Tool! Da war was, oder?), künftig sind nämlich auch Social-Media-Kampagnen, Plakat- und Kinowerbung von den Meldepflichten erfasst. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Für jede Kam-pagne mit einem höheren Budgetvolumen muss sich die staatliche Stelle außer­dem im Vorfeld überlegen, welchen Nutzen eine Kampagne hat und wel­che Zielgruppe man erreichen will. Am Ende des Tages muss man auch darlegen, ob diese Zielwerte auch wirklich erreicht wurden. Das ist ein Zugang, den die Privatwirtschaft schon lange hat, wenn sie Medienkooperationen eingeht; und ich glaube, es ist gut, wenn der Staat sich auch hier von der Privatwirtschaft etwas abschaut und diese Wirkungskennzahlen auch wirklich überprüft und der Öffentlichkeit zugänglich macht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:in­nen der Grünen.)

Um sich bisher einen Überblick über die Ausgaben für Inserate in unterschied­lichen Bundes- und Landesstellen zu verschaffen, musste man schon ein Fuchs sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Einmeldung des Zahlenmaterials ist sehr unübersichtlich aufbereitet. Das wollen wir nicht. Wir wollen auch im Zugang für die Bürgerinnen und Bürger Transparenz. Deshalb wird künftig auf neuen Plattformen auf Knopfdruck einsehbar sein (Zwischenruf der Bundes­rätin Hahn), wofür das Geld ausgegeben wird, mit welchen Medien kooperiert wurde, wie das Sujet aussieht, welche Kampagnen geschaltet wurden. Be­sagte Berichte werden einsehbar sein. Das braucht einfach einen leichten Zu­gang, weil die Transparenz ja sonst nur eine leere Hülle ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nun darf ich zum zweiten Tagesordnungspunkt heute kommen, nämlich zur „Wiener Zeitung“. Wie bereits dargelegt wurde, war der Ausgangspunkt, dass die „Wiener Zeitung“ über viele Jahre, ja Jahrzehnte, durch die Pflichtveröffent­lichungen der heimischen Unternehmen finanziert wurde. Das heißt, die Wirtschaft hat die „Wiener Zeitung“ dementsprechend getragen und finanziert. Das ist nun weggefallen, um die heimische Wirtschaft zu entlasten, aber


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auch aufgrund der Notwendigkeit einer neuen EU-Verordnung. Deshalb war es notwendig, ein neues Geschäftsmodell für die „Wiener Zeitung“ zu finden.

Wir haben uns selbstverständlich auch angesehen, wie die „Wiener Zeitung“ von den Österreicherinnen und Österreichern angenommen wird; denn das ist guter Journalismus, der dort betrieben wird. (Bundesrätin Hahn: Deswegen ...!) Es ist eine gute Redaktion. (Rufe bei der FPÖ – in Richtung der SPÖ-Fraktion, die immer noch Exemplare der „Wiener Zeitung“ in die Höhe hält –: Höher!) Die Reich­weite (Bundesrat Steiner: Nicht müde werden!) der „Wiener Zeitung“ ist aller­dings eine sehr geringe, sehr geehrte Damen und Herren. Es werden nur 6 000 bis 8 000 Exemplare verkauft – und wir sehen, dass sich die Leserinnen- und Leserzahl im Laufe der Zeit nicht sehr verändert hat. (Bundesrätin Hahn: Die Zahlen stimmen einfach nicht! Die Zahlen stimmen hinten und vorne nicht, das wissen Sie!) Die „Wiener Zeitung“ hat mehr Leserinnen und Leser über 90 Jahren als unter 30 Jahren. Das sieht man besonders bei den Abonnements.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen die „Wiener Zeitung“ in die Zu­kunft führen und auch sicherstellen, dass sie einen Beitrag mit einem qua­litätsvollen Journalismus, besonders auch für die Jugend, leisten kann. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn es um den Kampf gegen Fakenews geht, dann müssen wir uns hier breit aufstellen und diese wichtige Transformation im digitalen Raum auch für den Qualitätsjournalismus sicherstellen. Daher, sehr geehrte Damen und Herren, wird die „Wiener Zeitung“ künftig die Möglichkeit und auch die vollständige Finanzierung bekommen, ein Onlinemedium zu werden. Sie wird weiterhin auch regelmäßig als Printmedium erscheinen.

Was viele von Ihnen offensichtlich nicht wissen, das habe ich an den Vor­rednerinnen und -rednern gemerkt: Die „Wiener Zeitung“ hat ein ausgezeich­netes Ausbildungsprogramm für Jungjournalistinnen und -journalisten.


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(Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das besteht seit vielen Jahren, und die Journalistin­nen und Journalisten, die dort rausgehen, sind in den Tageszeitungen und Redaktionen in Österreich sehr erfolgreich und auch sehr gern gesehen.

Ich möchte hier über diese Jungjournalistinnen und -journalisten wirklich kein schlechtes Wort kommen lassen, wie es oft versucht wird, auch heute. (Hei­terkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Das haben wir nicht versucht, das ist eine Unterstellung!) Das sind gut ausgebildete Journalist:innen; und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, auch in dieses gute Ausbildungsprogramm zu investieren – denn der österreichische Medienmarkt braucht gut ausgebil­dete Journalistinnen und Journalisten für den Qualitätsjournalismus der Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich auch für die Zusammenarbeit bedanken, gerade was das Medientransparenzpaket betrifft, und ich freue mich natürlich über eine breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

11.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Kollegin.


11.17.35

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Gäste bei uns im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ja, ich weiß nicht, Märchenstunde, oder wie auch immer?! Ich weiß schon, dass die Ar­gumentation betreffend diesen Einstellungsversuch der „Wiener Zeitung“ schwierig ist. Das ist mir durchaus klar, aber mit solchen abstrusen und an den Haaren herbeigezogenen Zahlen, von denen Sie ganz genau wissen, dass sie nicht korrekt sind, zu argumentieren, finde ich ein bisschen unredlich – aber das ist vielleicht auch eine persönliche Interpretation meinerseits. Ich finde es ein bisschen traurig.


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„Wiennerisches Diarium“, wie es zunächst geheißen hat, die „Wiener Zeitung“ würde, wie wir heute schon gehört haben, im August ihren durchaus stol­zen 320. Geburtstag – nämlich als älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt – feiern. Wie es ausschaut, wird sie aber diesen stolzen Geburtstag in dieser Form nicht mehr erleben, ganz im Gegenteil! Ja, es ist fast ein Sterben auf Raten, würde ich sagen. Sie wird in vollem Bewusstsein, von welch immen­ser Bedeutung – nicht nur für die österreichische Medienlandschaft – diese Zei­tung in Wahrheit ist, zu Grabe getragen. Ich finde, die „Wiener Zeitung“ ist seit so langer Zeit wirklich ein Garant für objektiven Journalismus und für unab­hängige Berichterstattung, weil sie sich eben schon sehr, sehr früh von kai­serlicher Berichterstattung emanzipiert hat, wie wir es heute auch schon gehört haben.

Sie ist heute nicht in einer Abhängigkeit von Inseraten, weder von Ministerien noch von Parteien, wie das bei vielen anderen Medien der Fall ist, bei denen man durchaus schon wieder von Hofberichterstattung sprechen kann. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Kittl.) Bei der Gelegenheit muss ich, glaube ich, auch nicht wie­derholen, wie es um die österreichische Pressefreiheit steht. Erst vor Kurzem, vor wenigen Tagen, ist ja auch der Weltpressefreiheitsindex 2023 veröffentlicht worden. Ich glaube nicht, dass man stolz darauf sein kann. Österreich liegt im Vergleich weit abgeschlagen auf Rang 29 (Zwischenruf des Bundesrates Korn­häusl), in einzelnen Feldern – zum Beispiel beim politischen Rahmen – sogar nur auf Rang 39.

Wenn man sich die Liste hernimmt, dann sieht man, welche Länder da sogar weit besser als Österreich liegen. Litauen liegt zum Beispiel auf Platz sieben, Est­land auf Platz acht, Osttimor auf Platz zehn. Das ist kein Ruhmesblatt für unser Land (Bundesrat Kornhäusl: Das ist ...!) und auch nicht für die Pressefreiheit in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Kornhäusl, eines muss man schon noch dazusagen, nämlich: Die Bewertungsbasis für dieses Ranking endete mit 31. Jänner. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Das heißt, solche Dinge wie Hausdurchsuchungen in


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verschiedenen Medienhäusern – Sie wissen ganz genau, wovon ich rede –, das alles ist da noch nicht berücksichtigt worden. Wer weiß, an welcher Stelle wir liegen würden, wenn das da auch schon entsprechend Berücksichti­gung gefunden hätte – aber gut.

Das heißt, Österreich hat ein Printmedium, wie es die „Wiener Zeitung“ ist, bitter, bitter nötig, um da nicht noch weiter abzurutschen. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Zurück zur Hofberichterstattung: Ich darf an dieser Stelle exemplarisch eine Jahreszahl in der historischen Entwicklung der „Wiener Zeitung“ herausgreifen, nämlich (ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in die Höhe haltend) das Jahr 1848. Sie alle wissen, das war das Jahr der großen Revolution, natürlich in wei­ten Teilen Europas, aber auch und besonders in Wien. Es gab die Märzrevolu­tion, die noch vom Bürgertum getragen wurde, mit dem Ausbruch im Nie­derösterreichischen Landhaus, mit den ersten Todesopfern, der Zerstörung von Fabriken, schließlich gab es dann auch den Rücktritt Metternichs. Dann kam die Mairevolution, getragen von den Studenten und der Arbeiterbewegung, mit den Protesten unter anderem für das Recht auf Arbeit, dann folgte die Oktoberrevolution mit dem blutigen Ende der kurz zuvor errungenen Freiheiten.

Was aber hat das jetzt konkret mit der „Wiener Zeitung“ zu tun? – Viel mehr, als man das auf den ersten Blick vermuten würde. Ich möchte das hier ganz kurz skizzieren: 1848 herrschte ja noch mit dem Metternich-Regime eine strikte Zensur in der Medienlandschaft. Dieser Zensur hat sich natürlich auch die Re­daktion der „Wiener Zeitung“ Stück für Stück immer wieder widersetzt.

Man könnte zunächst noch von passivem Widerstand sprechen, der da geleistet wurde. Es gab zunächst einmal ganz bewusste, mitreißende Berichte von der Revolution aus Frankreich, dann gab es Titelseiten mit Aufmachern wie zum Beispiel: „Es lebe die Freiheit!“ Im Amtlichen Teil hat es schließlich die Verkündung der Pressefreiheit und die Zusage der Konstitution, also der par­lamentarischen Verfassung gegeben. Letztendlich, was damals gänzlich


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neu war, wurde der redaktionelle Teil völlig frei gestaltet, den unterschiedlichs­ten Meinungen wurde Raum gegeben und Blickpunkte, die da abgebildet wurden, vertraten von konservativen bis hin zu liberalen und reaktionären Per­spektiven wirklich alles.

Was für mich in diesem Zusammenhang ganz witzig ist: Es gab auch den einen oder anderen Druckfehler, der sozusagen wohl nicht ganz durch Zufall passiert ist. Da wurden schon einmal aus anarchistischen Bestrebungen monar­chistische Bestrebungen, einfach um ganz bewusst eine andere Bedeutung zu schaffen – wohl eben nicht ganz zufällig und wohl kein reiner Lapsus. Auch nicht nur passiert – ich habe es, hier auf der Titelseite (ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in die Höhe haltend), noch einmal mitgebracht – ist das Rupfen des Doppeladlers, als dieser nämlich am 29. Mai ganz bewusst vom Titel­blatt verschwunden ist, ganz einfach weggelassen wurde.

Damit wurde dem Regime eben eine ganz, ganz deutliche Botschaft gesendet, mit der Konsequenz, dass die Zeitung schließlich auch unter ministerielle Aufsicht gestellt wurde. Da könnte man jetzt fast ein paar Parallelen zur heuti­gen Zeit und zu unserem heutigen Beschluss ziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die „Wiener Zeitung“ ist also bis heute mit ihrer 320-jährigen Geschichte ein Kulturgut von unschätzbarem Wert. Nicht ohne Grund ist das Archiv der Zeitung zum Unesco-Weltdokumentenerbe ernannt worden. Der legendäre Hugo Portisch – wir kennen ihn alle – hat völlig zu Recht gefordert, dass auch die „Wie­ner Zeitung“ zum Weltkulturerbe erhoben werden sollte. Dazu gibt es un­ter anderem eine Petition von diversen Kulturschaffenden, von Menschen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, aus der Zivilgesellschaft. Dabei sind, sehr, sehr viele Namen, die, glaube ich, wirklich in keiner Weise im Verdacht stehen, der Sozialdemokratie nahe zu sein.

Wenn ich mir die Liste hernehme: Da gibt es zum Beispiel einen Herrn mit dem Namen Rudolf Anschober – da müsste jetzt eigentlich die grüne Fraktion


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hellhörig werden, ich glaube, der sollte Ihnen noch irgendwie ein bisschen be­kannt sein. Auf der Seite der ÖVP gibt es Personen, wie zum Beispiel ei­nen Herrn Reinhold Mitterlehner, der sagt euch vielleicht auch noch etwas, oder Erwin Pröll, Maria Rauch-Kallat, Othmar Karas, Franz Fischler. Die Liste könnte ich noch weit, weit, weit, weit fortsetzen. (Zwischenrufe der Bundesräte Spanring und Steiner.) Die sind alle und setzen sich alle für den Erhalt der „Wiener Zeitung“ ein, aber wie gesagt, da kann man aufseiten der schwarz-grü­nen Regierung schon einmal einen Gedächtnisverlust haben.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einen ganz beachtlichen Gastkommentar einer ehemaligen Juristin wiedergeben und würde Ihnen wirklich den Rat geben, mir aufmerksam zuzuhören und vielleicht ein bisschen in sich zu gehen, wenn ich das so sagen darf.

„Die Bundesregierung ist nicht Eigentümerin der ‚Wiener Zeitung‘, sondern Vertreterin der Eigentümerin. Diese ist die Republik Österreich. Das sind wir alle, die Bürgerinnen und Bürger des Landes, das Volk.

Das Volk ist laut unserer Verfassung der Souverän. [...] Die Einstellung der Zeitung als Tageszeitung würde das Volk als Eigentümer und die Republik Öster­reich als Kulturnation irreparabel schädigen.“ (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.– Frau Minister, Ihnen ist das nicht ganz bewusst, glaube ich – aber gut.

Der leitende Redakteur Paul Vécsei drückt sein Unverständnis über die Haltung der Bundesregierung ebenso ganz klar aus. Er sagt ganz klar, das war Dialog­verweigerung. Ich darf auch da zitieren:

„Dialogverweigerung gegenüber der Redaktion und Zynismus gepaart mit falschen Zahlen sind Merkmal“ in Ihrer (in Richtung Bundesministerin Raab) Stra­tegie, „die älteste noch bestehende Zeitung der Welt zu zerstören“. – Ich glaube, das haben Sie heute wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. (Ruf bei der ÖVP: ... und wie viele Abonnenten?)


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Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen! Heute haben Sie sozusagen noch eine letzte Gelegenheit, aus dieser Dialogverweigerung hervorzutreten und ein klares Bekenntnis für den Erhalt der „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung, für die Vielfalt in der österreichischen Medienlandschaft, für den Erhalt eines Kulturgutes abzugeben, auf das Österreich auch tat­sächlich stolz sein kann und stolz sein muss. Ich glaube, das ist das Gebot der Stunde.

Vielleicht gehen Sie doch noch einmal in sich, denn was Österreich, glaube ich, keinesfalls brauchen kann, ist Hofberichterstattung à la Schwarz-Grün oder dann vielleicht Schwarz-Blau oder was auch immer. Das hat sich ein Land wie Österreich, glaube ich, nicht verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe der Bundesräte Tiefnig und Steiner.)

11.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundes­rat Dr. Johannes Hübner. – Bitte, Herr Kollege.


11.27.08

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Lieber Präsident! Frau Minister! Liebe Kollegen! Ja, Frau Kollegin Hahn, wir stimmen Ihrem Antrag, Ein­spruch gegen den Beschluss des Nationalrates zu erheben, eh zu. Trotzdem aber, zu dem, was Sie gesagt haben: Also zuerst bin ich sehr erfreut, dass sich die SPÖ zu einer so konservativen, um nicht zu sagen reaktionären Partei entwickelt hat und im Jahr 2023 mit Vorlesungen aus dem Jahr 1703 und mit Verdiens­ten aus dem Jahr 1848 argumentiert. (Bundesrätin Schumann: Du hast es nicht begriffen! Das war die erste Zeitung!)

Ich muss sagen, so konservativ ist auch in unserer Partei kaum jemand, also gra­tuliere. (Beifall bei der FPÖ. – Die Bundesrätinnen Schumann und Grimling: Ler­nen Sie Geschichte!) – Frau Kollegin! Lernen Sie Geschichte: Besser nicht, denn Sie haben gesagt, das Jahr 1703 ist die Zeit von Karl VI. Das ist nicht ein­mal die Zeit seines Vorgängers Joseph I., sondern es ist noch die Zeit seines


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Vorvorgängers Leopold I. gewesen. (Bundesrätin Schumann: Nein, das ist Karl VI.!) – Ja, ja, Leopold I ist 1705 gestorben und 1703 ist die Zei­tung erschienen.

Wir wollen aber da jetzt nicht beckmessern – ja, beckmessern ist das richtige Wort –, das machen wir sicher nicht, ich glaube, das ist nicht das wesent­liche Thema. Kommen wir einmal zum Jahr 2023: Anders als Kollege Zauner es heute gesagt hat, sind die Gesamteinnahmen aus den Pflichteinschaltun­gen der „Wiener Zeitung“ nicht – Anführungszeichen – „nur“ – Anführungszei­chen geschlossen – 20 Millionen Euro gewesen, sondern laut gestriger Aus­kunft der Vertreterin des Bundeskanzleramtes im Ausschuss waren es im Jahr 2021 28,9 Millionen Euro und im Jahr 2022 über 30 Millionen Euro.

Das heißt, der Abgang dieser Tageszeitung beträgt daher jedenfalls über 30 Millionen Euro, denn selbst bei 30 Millionen Euro durch Pflichtinserate hat die „Wiener Zeitung“ noch keine Gewinn gemacht, sondern musste weite­re Bundeszuschüsse bekommen.

Jetzt zur Wichtigkeit der „Wiener Zeitung“ für den Medienmarkt, zur Wichtigkeit als Kulturerbe und so weiter: eine Zeitung, die 8 000 bis 8 500 – ich sage nicht verkaufte, sondern – in Verkehr gebrachte Exemplare hat, wovon 6 000 Abonnenten laut gestriger Auskunft der Vertreterin des Bundeskanzler­amtes und auch heutiger Einräumungen ganz überwiegend öffentlichen Stellen, Bundes- und Landesstellen und dem öffentlichen Bereich zuzurechnen­de Stellen sind. Ich darf Ihnen aus Erfahrung sagen, es gibt auch einige Fir­men, vor allem Aktiengesellschaften, die dieses Blatt aufgrund der Pflichtveröf­fentlichung noch abonniert haben.

Die tatsächliche Leserzahl, also die Verbreitung tendiert nicht gegen null, aber liegt im Bereich von wenigen Tausend.

Jetzt haben wir ein Problem: Tatsächlich ist die „Wiener Zeitung“ die älteste Zeitung, tatsächlich hat diese Marke einen Wert, und tatsächlich wäre es schön,


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die Zeitung zu erhalten, aber sicherlich nicht so, wie Sie meinen, nämlich als Tageszeitung, wobei die öffentliche Hand jetzt einmal die 30 Millionen Euro gibt. In Wirklichkeit sind es 34 Millionen Euro, so hoch waren die Kosten insge­samt, um diese Zeitung unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter zu publizie­ren. – Das kann es nicht sein!

Jetzt wundern Sie sich wahrscheinlich, warum wir Ihrem Antrag trotzdem zu­stimmen. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Die Lösung, die Sie, liebe Regierungspartei, jetzt getroffen haben, ist nämlich fast noch schlechter. Das kostet nämlich auch 16,6 Millionen Euro, wie die Frau Ministerin heute eingeräumt hat, und das entspricht auch den diesbezüglichen Informationen. Da bleibt allerdings journalistisch überhaupt nichts mehr übrig. Da wird es jetzt wirklich nur noch eine wie auch immer zu beurteilende Onlinepublikation geben, und zwar unter den Fittichen des Bundeskanzleramtes und gewisser Akade­mien, die, würde ich sagen, merkwürdig sind im Sinne der Meinungsvielfalt, der Pressefreiheit und so weiter. Das Ganze ressortiert zum Bundeskanzleramt, dort werden die Journalisten ausgebildet und der Content gesammelt. Das ist al­so schon sehr, sehr merkwürdig.

Wenn man schon solche Scheinlösungen trifft, indem man sagt: Wir sperren die „Wiener Zeitung“ nicht zu, sondern wir lassen sie online modern weiterle­ben!, allerdings solche medienfreiheitstechnisch mehr als problematischen und auch extrem teuren Dinge vorschlägt, dann wundert es mich, warum es keine wirklichen Versuche gegeben hat, diese „Wiener Zeitung“ zu privatisieren oder jemanden zu finden, der dieses große Kulturgut erhält. Laut SPÖ ist es ein solches, und ich teile die Ansicht sogar teilweise, dass diese Zeitung zwar einen großen, bekannten Namen, aber halt keine Leser mehr hat und nicht mehr zeitgemäß ist.

Dazu, warum man dieses Kulturgut nicht wirklich zu verwerten und eine Fort­setzung zu schaffen versucht hat, hat die Vertreterin des Bundeskanzler-


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amtes gestern mitgeteilt, dass ihr keine Bestrebungen oder Anstrengungen be­kannt sind, die Zeitung anderweitig zu verwerten und Interessenten bezie­hungsweise Investoren und dergleichen zu finden.

Da also die geplante und in Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse voraussicht­lich auch zustande kommende Lösung noch schlechter ist als die jetzige und nicht einmal versucht wurde, die „Wiener Zeitung“ in irgendeiner Weise an Interessenten zu verkaufen oder zu übergeben, werden wir in diesem Fall den Einspruch unterstützen und diesem Gesetzentwurf nicht zustim­men. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundes­rat Andreas Babler. – Bitte, Herr Kollege.


11.32.41

Bundesrat Andreas Babler, MSc (SPÖ, Niederösterreich): Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Keine Angst, ich werde dann gleich zur „Wiener Zei­tung“ sprechen. In meiner ersten Rede als Bundesrat möchte ich aber zuerst an die über 21 000 Menschen, die mir ganz persönlich ihr Vertrauen ausge­sprochen haben und ermöglicht haben, dass ich heute als Mitglied des Bundesra­tes vor Ihnen stehen darf, ein Versprechen abgeben, und dieses Verspre­chen soll auch an alle Österreicherinnen und Österreicher gehen: Wir werden diese Regierung ablösen. Wir werden eine Regierung schaffen, die für neun Millionen Menschen in diesem Land da ist anstatt für die Wünsche der Konzerne, und die einen schwachen und taumelnden Umgang hat, wenn es jetzt darum geht, die Lebensrealitäten zu sichern.

Ich möchte auch zu meinem Vorredner noch anmerken, der die Aussagen des Bundeskanzlers interpretiert hat, wie respektlos ich es eigentlich finde, wenn man darüber spricht, dass arbeitslose Menschen de facto arbeiten gehen sollen, weil sie sich dann wieder etwas kaufen können. Wir wissen – alle vorliegenden Studien besagen es –, wie schwer für uns alle die Lebensrealitäten


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zu stemmen sind. Von der Statistik Austria wissen wir, dass 52 Prozent der Alleinerzieher:innen armutsgefährdet sind und dass sich 350 000 Kinder in die­sem Land – jedes fünfte Kind! – in Armut befinden.

Wir haben jedoch eine Regierung, die das negiert, die nicht eingreift, die nur taumelt, die sich als Bittstellerin vor den Konzernen sieht, die nicht eingreift, die keine wirksamen Preiskontrollen zulässt und keine Abschöpfung der Über­gewinne macht. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP.) Ich sage Ihnen ganz deutlich: Unsere Leute in Österreich können sich nicht nur die Preise nicht leisten, sie können sich auch diese Regierung nicht mehr leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt komme ich zur Medienpolitik und auch zur „Wiener Zeitung“. Das beste Mittel, wenn Dinge nicht gut laufen und man Regierungen hat, mit denen man nicht zufrieden ist, ist immer, dass die Bevölkerung gut informiert ist. Die Medienpolitik der Regierung scheint jetzt aber genau das Gegenteil zu ver­folgen, nämlich: Die blaue Seite des ORF wird zusammengekürzt, ausdrücklich mit dem Hinweis, tiefergehende Recherchen nicht mehr anbieten zu wol­len. Es ist dies also eine Regierung, die einem Medium verbietet, gute Recher­chen zu veröffentlichen. Das ist ja der eigentliche Skandal: Es wird eine Oberflächlichkeit produziert, die nicht in die Tiefe geht und mit der man dem Informationsbedürfnis und auch dem Informationsrecht der Bevölkerung nicht nachkommt.

Dazu kommt jetzt dieser Riesenskandal, ein riesengroßer Verlust für uns alle, dass die „Wiener Zeitung“ als gedruckte Tageszeitung von ÖVP und Grü­nen eingestellt wird. Die einzige Zeitung in Österreich, die uns allen, uns Öster­reicherinnen und Österreichern, gehört, wird jetzt von Ihnen, von dieser Regierung, eingestampft. Die „Wiener Zeitung“ war in den vergangenen Jahren ein Garant für unabhängigen und unaufgeregten Journalismus, ein Garant dafür, dass die Messagecontrol nicht ungeprüft übernommen wird. Wir waren sehr dankbar dafür, dass sie versucht hat, sich offensiv gegen diese


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Messagecontrol zu stellen und nicht alles zu übernehmen. Offensichtlich muss sie dafür jetzt büßen.

Wenn wir das nächste Mal hier im Bundesrat zusammentreten, dann wird die „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung schon verschwunden sein. Türkis und Grün beenden somit die Geschichte eines Blattes, das im Laufe der Zeit auch viele Wandlungen durchgemacht hat – manchmal war sie näher an der Macht, manchmal kritischer, manchmal frei, manchmal zensiert. Eines aber hat sie in ihrer 320-jährigen Geschichte wirklich geleistet: die kritische Medienöffentlichkeit mit zu begründen und dadurch generell erst zu ermög­lichen.

Ein besonders anschauliches Beispiel ist: Vor 234 Jahren, am 9. September 1789, übersetzte die „Wiener Zeitung“ die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte aus dem Französischen ins Deutsche und druckte sie in voller Länge ab. Jeder in der Monarchie konnte also folgenden Satz lesen: „Alle Menschen sind frey geboren, und bleiben frey und gleich in Ansehung der Rechte; [...].“

Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie revolutionär zu die­ser Zeit ein solcher gedruckter Satz war! Es war eine unglaubliche Botschaft, so etwas in einer Zeitung zu lesen. Zu dieser Zeit war in Österreich-Ungarn der größte Teil der Bevölkerung in vielen Bereichen nicht frei. Bäuerinnen und Bauern waren an ihren Boden gebunden und hatten nicht einmal die Er­laubnis, ohne Zustimmung des Grundherrn das Land zu verlassen. Ein Recht auf den eigenen Boden hatten sie nicht und jedes Jahr mussten sie Geld an die Grundherren abliefern, damit sie das Land überhaupt bestellen durften.

In dieser Zeit begannen die Menschen aber auch, sich gegen diese Unfreiheit zu wehren. Es war eine Zeit im Umbruch, es war eine Zeit, in der sich auch Re­formen durchsetzten. Es war die Zeit, die in Frankreich zu Aufständen bis hin zur Revolution geführt hat, und genau zu dieser Zeit veröffentlichte die „Wiener Zeitung“ die radikalste Erklärung, die es bis zu diesem Zeitpunkt jemals gegeben


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hatte. Die unterdrückten Bürger:innen, die unfreien Bauern, der Adel, der selber glaubte, aufgrund seiner Geburt etwas Besseres zu sein, alle konnten es schwarz auf weiß lesen: Alle sind frei und gleich geboren.

„Jeder ist jemand“ wie es Michel Friedman vorige Woche im Parlament in Anlehnung an George Tabori formuliert hat. Dieser Satz hatte eine unglaubliche Kraft, gedruckt in einer Zeitung, schwarz auf weiß für jeden lesbar.

Diese Geschichte beenden nun ÖVP und Grüne, und das ist ein unbeschreib­licher Skandal in der österreichischen Medienwelt! – Wir müssen und wir werden alles daran setzen, diese so stolze und traditionsreiche „Wiener Zeitung“ so schnell wie möglich wieder zurückzubringen. – Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Elisabeth Grimling. – Bitte, Frau Grimling.


11.38.56

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Nach dem Willen der Bundesregierung wird die älteste noch erscheinen­de Tageszeitung der Welt nach fast 320 Jahren als Printmedium eingestellt werden. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ja, das haben wir schon gehört.

Als Beispiel darf ich Ihnen jetzt aus der Abendpost der „Wiener Zeitung“ vom Donnerstag, 1. Mai 1873, dem Tag der Eröffnung der Wiener Weltausstel­lung, Folgendes vortragen:

„Zur Eröffnung.

Der heutige Tag inaugurirt ein Ereigniß, das, von epochemachender Wichtigkeit für die Culturbestrebungen Oesterreichs, doch in seiner kosmopolitischen Bedeutung weit hinausreicht über den Interessenkreis unseres Vaterlandes. Wohl ist es österreichischer Boden, auf dem sich das großartige Schauspiel der


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Entfaltung aller Kräfte der Industrie und der Cultur vollzieht, wohl ist es Oesterreich, das gastlich die Stätte für den friedlichen Wettstreit aller Nationen geschaffen. Seinem eigentlichen Wesen nach gehört jedoch das große Werk allen Culturvölkern des Erdkreises an und sie blicken darauf hin mit dem tiefen Interesse und dem vollen Stolz der unmittelbaren Antheilnahme.

Der Tempel der Kunst und Industrie, der in unvergleichlicher Großartigkeit aus den grünen Auen des Wiener Praters sich erhebt, ist ein Weltwerk, er ist die Verkörperung einer die ganze civilisierte Menschheit erfüllenden Idee, des Gedankens der Veredlung und Verschönerung des Lebens durch Kunst und Gewerbefleiß und des friedlichen Wettstreites der Völker um den Vorrang in der Erfüllung dieser unserem Zeitalter wichtigsten civilisatorischen Aufgabe.

Aus kleinen Anfängen ist die gegenwärtige wirthschaftliche Cultur der Völker, für welche die heute eröffnete Weltausstellung einen Markstein bildet, emporgewachsen. Die Individualwirthschaft der Culturanfänge ließ nur eine geringe, auf den engen Kreis der Familiengenossen und Hörigen be­schränkte Arbeitstheilung zu. Nur an den Höfen der Großen existirte einiges Gewerbe, nur der Zufall bewirkte eine Verpflanzung des gewerblichen Fortschrittes in andere individuelle Productionskreise. Allmälig bildet sich das selbstständige Gewerbe heraus, das städtebildende Element. Der junge Handwerker, der von Stadt zu Stadt zieht, um die Fortschritte des Gewerbes allenthaben kennen zu lernen und in seine Heimat zu verpflanzen, ist die Signatur der höheren gewerblichen Ausbildung jener Periode. Ein rascher Wechsel der Productionsweisen, ein unablässiges Befruchten der Indus­trie auf allen ihren Gebieten durch die Wissenschaft, ein Aufwenden immer riesigerer Mittel zum Zwecke des wirthschaftlichen Betriebes, charakterisiren die dritte Epoche der wirthschaftlichen Cultur, jene des Großbetriebes und sondern sie scharf von der Periode der Blüthe des kleinen Gewerbes mit ihrer allmäligen, behaglichen Entwicklung.“ (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

„Die geistigen Errungenschaften in seinem und den verwandten Industriezwei­gen allenthalben sorgfältig im Auge zu behalten, wird immer mehr zur


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Frage der Concurrenzfähigkeit, zur Existenzbedingung des Industriellen und ein kostspieliges und nur ungenügendes Mittel hiefür bietet ihm bei der Groß­artigkeit der Entwicklung der Besuch einzelner fremder Anstalten.

Nicht anders kann dem großen Culturzwecke genügt werden, als dadurch, dass die civilisirte Welt in gewissen Zeitabschnitten eine Rückschau auf die fort­schrittliche Entwicklung hält, welche auf allen Gebieten der wirthschaftlichen Cultur und in allen Theilen der Erde zu Tage getreten, und dieser allgemeine Culturgedanke ist es, den wir in der Weltausstellung dieses Jahres begrüßen, der großartigsten, umfassendsten und herrlichsten, welche die Welt noch gese­hen.“ – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo! Da schläfst du ja ein!)

Was für ein historisches Ereignis, über das die „Wiener Zeitung“ zu berichten weiß. Das rettet die „Wiener Zeitung“ trotz aller historischen Bedeutung nicht vor der Zerstörung. Der mediale Aufschrei ist gewaltig, das scheint die Bundesregierung aber nicht zu beirren. Trotz einer Protestwelle, Petitionen und viel fundierter Kritik im Zuge der Begutachtung hält sie mit dem von ihr vorgelegten Gesetz an ihrem Zerstörungsplan fest. Damit geht ein Stück öster­reichische Zeitgeschichte zu Ende. Das ist wirklich eine Schande! (Bundes­rat Steiner: Jawohl! Letzter Satz! – Bundesrätin Schumann: Was ist?)

Hinzufügen möchte ich aber noch, dass der von bestimmter Seite geäußerte Vergleich dieser Maßnahme mit der Befreiung Österreichs vom Natio­nalsozialismus in seiner historischen Dimension an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Mag. Sandra Gerdenitsch. – Bitte, Frau Kollegin.



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11.45.55

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Wien, 9.5.1873. „Börsebericht. [...] Die erschreckenden Dimensionen, welche die Börse­krisis erreicht, und die Furcht, daß daraus eine allgemeine Calamität entstehen könne, waren Ursache turbulenter Scenen. Die bestehende Ordnung war gestört und durch die Bildung von Gruppen, welche mit Leidenschaft die Fragen discutirten, wurde die Abhaltung eines regelmäßigen Geschäftes unmöglich gemacht. Im Verkehr von Banken und Bankhäusern unter einander fanden gleich­wohl einige Schlüsse Vollzug. So wurden Rente zu 69.50, Francobank zu 114, Creditactien zu 314 begehrt. Auch in Devisen kamen Schlüsse vor [...]. Die Börsekammer beschloß, für heute Abends eine Sitzung unter Zuzie­hung von Banken und Bankhäusern zu halten, um die zu ergreifenden Maßregeln zu berathen.“ – So weit der Bericht der „Wiener Zeitung“ am 9.5.1873.

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Am 9.5.1873 war ein schwarzer Tag. Mehr als 150 Jahre später, fast auf den Tag genau, ist wieder ein schwarzer Tag. Kollegin Korinna Schumacher hat es heute schon ausgeführt. (Bundes­rätin Schumann: Schumann!) – Schumann, entschuldigen Sie bitte! – Diese Regie­rung vernichtet vorsätzlich eine Qualitätszeitung. (Bundesrat Kornhäusl: Das Bundesland spaltet sich ab!) – Das Burgenland spaltet sich absolut nicht ab – aber gehen wir weiter!

Unseren breiten und massiven Protest nehmen Sie nicht zur Kenntnis, Sie ignorieren ihn einfach. Sie verweigern konsequent sämtliche Gespräche mit den Betroffenen. Sie haben die Zeitung öffentlich als hoffnungslosen Fall hinge­stellt. Sie haben sie schlechtgeredet, statt ihre Zukunft zu sichern. Erst gestern erreichte uns ein Mail mit diesem Inhalt, und dem stimmen wir zu. Das Mail ist ein Appell österreichischer Schriftsteller:innenverbände zu diesem Ge­setz. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe, dass auch Sie alle dieses Mail gelesen haben und darüber nachdenken. Aber so, wie Sie sind, emotionslos und kalt (Bundesrätin Eder-Gitschthaler:


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Hallo! – Bundesrätin Zeidler-Beck: Das stimmt ja nicht!), stimmen Sie zu, die „Wie­ner Zeitung“ in ihrer bisher gedruckten Form einzustellen. Kalt blieb man aber auch im Jahre 1873 nicht, als es an der Wiener Börse krachte und die „Wie­ner Zeitung“ über diesen fulminanten Finanzcrash am österreichischen Ak­tienmarkt, der das Ende einer globalen Hochkonjunktur einläutete, berichtete. Am berüchtigten Schwarzen Freitag, am 9. Mai, platzte eine Immobilien­blase. Wir hoffen, dass auch diese Regierungsblase bald platzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Kurse brachen um bis zu 90 Prozent ein. Noch am selben Tag gingen 120 Un­ternehmen pleite. Viele persönliche Schicksale waren eng damit verbun­den, so wie auch heute bei der „Wiener Zeitung“. Überlegen Sie bitte einmal! Das Einstellen der „Wiener Zeitung“ ist für uns gleichbedeutend mit ei­ner Bankrotterklärung der sogenannten Kulturnation Österreich, etwas, was sich gerade die ÖVP ja immer auf die Fahnen heftet. (Beifall bei der SPÖ.)

320 Jahre österreichischer Zeitgeschichte gehen unwiederbringlich verloren. Ist das nicht beschämend für diese sogenannte Kulturnation?

Die „Wiener Zeitung“ – wir haben es gehört – erschien erstmals 1703. Haben Sie sich diese Zeitspanne schon einmal vorgestellt? 320 Jahre ist nicht nichts. Sie hat Kriege, Krisen und andere Kalamitäten überlebt, und jetzt kommt diese Bundesregierung. Immer wieder hat die „Wiener Zeitung“ die Menschen in Österreich sachlich und korrekt informiert und wird von dieser – Sie verzeihen mir – untauglichen schwarzen, türkisen Regierung quasi eingestampft. Das hat sich dieses Qualitätsmedium nicht verdient.

Unkluge und hemmungslose Spekulationen lösten 1873 den von mir angesprochenen Börsencrash aus, eine unkluge und hemmungslose Regierung löst in diesem Land die Einstellung der ältesten Tageszeitung der Welt aus. Als bei der Finanzkrise 1873 die Gründer und Gründerinnen krachen gingen, berichtete die „Wiener Zeitung“. Und seien Sie unbesorgt: Wir von der SPÖ berichteten und werden weiter berichten, immer wieder, dass diese Regie­rung mit ihren Aktionen krachen geht und am Ende ist. Gehen Sie zurück


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an den Start, gehen Sie in sich und überlegen Sie noch einmal, wie Sie mit der „Wie­ner Zeitung“ wirklich umgehen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Präsident Günter Ko­vacs. – Bitte, Herr Kollege.


11.50.42

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Vizepräsident! Frau Ministerin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein sehr trauriger Tag, das muss man wirklich ganz offen sagen. Wir sehen auch heute wieder einen Punkt des Totalversagens der Regierung wie in den letzten Monaten und Jahren. Heute: die „Wiener Zeitung“.

Wir sind europaweit in die höchste Inflation – es wurde vorab schon ein paar Mal erwähnt –hineingeschlittert, 1,3 Millionen Menschen in Österreich sind armutsgefährdet – 1,3 Millionen Menschen! Das ist das Ergeb­nis von Schwarz-Grün in den letzten Jahren. Dazu kann man schon sagen: sehr, sehr spannend. Und heute wird als Höhepunkt des Tages die „Wiener Zei­tung“ abgeschafft und die „Wiener Zeitung“ praktisch dem Erdboden gleichge­macht. Und beim Beschluss des Endes der „Wiener Zeitung“ im National­rat ist – das muss man dazusagen – von einem Neuanfang, von einem Weg in die Zukunft gesprochen worden, vonseiten von Vertretern der Bundesregierung war sogar von einem Überlebensakt die Rede. Es wurde und wird alles versucht, da etwas schönzureden, was nicht schönzureden ist. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Bundesrates Arlamovsky.)

Man muss es jetzt auch so deutlich sagen: Die älteste Tageszeitung der Welt einzustellen ist eine medien- und eine kulturpolitische Schande, Marco Schreuder. Es ist in keinster Weise nachvollziehbar, warum dieser Schritt in dieser Form gesetzt werden musste. Hätte man gewollt, so hätte man die „Wiener Zeitung“ durchaus retten können, aber anscheinend wollte man das


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nicht. Anscheinend ist es der Bundesregierung nicht wichtig genug, dass diese Institution in der Presselandschaft weiter bestehen kann. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Gerade in diesen Zeiten von Fakenews, wie sie über Social Media immer ver­breitet werden, wäre es ein Gebot der Stunde, seriösen Journalismus nicht zu schwächen, sondern ihn ganz im Gegenteil zu stärken, so gut es nur geht. Gerade jetzt benötigen wir unabhängigen Journalismus und eine möglichst große Medienvielfalt. Es gibt bei der „Wiener Zeitung“ wie auch in anderen Medien Journalistinnen und Journalisten, die ausgezeichnete und seriöse Arbeit leisten, die durch ihre Recherche, ihre Kritik einen Grundpfei­ler einer liberalen Demokratie bilden und die Pressefreiheit mit Leben erfül­len. Wer das Ende der ältesten Tageszeitung der Welt herbeiführt, der zeigt lei­der, dass er für diese wichtige Funktion von seriösem Journalismus sehr wenig oder sogar kein Verständnis hat.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, heißt es, das gilt auch für die „Wiener Zei­tung“. Da es diesen Willen anscheinend nicht gibt, wurde der Weg auch nicht gesucht. Das neue Geschäftsmodell, das hier entwickelt wurde, kann kein Ersatz sein, es zeugt nur davon, dass der historische und kulturelle Wert dieser Zeitung nicht erkannt wird. Das Ende der „Wiener Zeitung“ zeugt von ei­ner verfehlten Medienpolitik. Daher hat sich meine Fraktion natürlich stets klar für den Erhalt der „Wiener Zeitung“ ausgesprochen und das möchte ich hier im Bundesrat auch noch einmal erwähnen.

Ich möchte Ihnen aber heute ein Zitat vorlesen, die Geburtstagswünsche einer ganz prominenten Person, die damals der „Wiener Zeitung“ alles Gute ge­wünscht hat, und zwar von Dr. Andreas Khol. (Bundesrätin Gerdenitsch: Ist das ein Schwarzer?!) Was hat Dr. Andreas Khol vor einigen Jahren gesagt?

„Versucht man, die 300 Jahre umfassend in den Blick zu nehmen, sticht ein di­rekter Zusammenhang ins Auge, der nach den Erfahrungen so langer Zeit als Gesetz gelten kann: Zeiten, in denen der Geist der Freiheit weht, sind gut für


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die Zeitungen und haben gute Zeitungen; Zeiten der Enge und der Illibe­ralität sind schlecht für Zeitungen und haben schlechte – sagen wir’s ganz all­gemein: Medien. Von diesem Gesetz mag’s Ausnahmen geben, die die Regel bestätigen. So war es der ‚Wiener Zeitung‘ nicht gegönnt, von den Frei­heiten unter dem aufgeklärten Joseph II. zu profitieren – der Herr­scher machte sie zum Amtsblatt und verdonnerte sie zur Hofberichterstattung.

Unter Metternich ging’s Redakteuren und Zeitung schlecht, es brauchte Ausdauer, Mut und Einfallsreichtum, um das Überleben zu schaffen – bis ins Sturmjahr 1848, als das Blatt an vorderster Front für die Rechte des Vol­kes und für die Freiheit der Presse kämpfte. Die Reaktion rächte sich, die Restauration brachte die Zeitung an den Rand ihrer Existenz. Bessere Zeiten kamen wieder mit den Anfängen des Verfassungsstaates. Das Engagement der Redaktion ist nicht zuletzt an den ausführlichen Berichten aus dem Reichsrat abzulesen.“

Und jetzt bitte aufgepasst, was er noch sagt: „In den finsteren Jahren der Nazi­herrschaft gab es weder Freiheit noch die ‚Wiener Zeitung‘.“

Mit diesen Aussagen von Dr. Andreas Khol möchte ich heute schließen, und ich möchte die Grünen noch ersuchen – Claudia, Adi, Marco –, vielleicht nehmt ihr euch heute noch ein Herz, ihr könnt es noch beeinflussen, die „Wie­ner Zeitung“ zu erhalten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

11.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Clau­dia Arpe zu Wort gemeldet. (Rufe bei der SPÖ: Arpa!) – Entschuldigung, Arpa. – Bitte, Frau Kollegin.


11.56.07

Bundesrätin Mag. Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident, ganz kurz, ich heiße Arpa, aber das macht nichts, das ist halt manchmal schwierig; Arpa, wie die Harfe auf Italienisch.


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Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Bundesministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Warum wir uns heu­te so eingehend mit der „Wiener Zeitung“ beschäftigen, haben wir schon von zahlreichen Vorrednerinnen und Vorrednern gehört, die Betonung ist aber dennoch eine wichtige, da es um eine Zeitung geht, die 315 Jahre Bestand gehabt hat und die wichtige, große und zentrale Ereignisse dokumentiert und somit auch überliefert hat.

Ich möchte einen Blick zurückwerfen und zitiere aus der „Wiener Zeitung“ zur Jahrhundertwende, vom 30. Dezember 1899: „Auch hierzulande sind die Meinungen getheilt, aber wie immer unsere individuellen Anschauungen über die Frage: 1900 oder 1901 sein mögen – wir Österreicher sollten bereit­willig uns schon jetzt den bedeutsamen Betrachtungen hingeben, zu denen die wirkliche Jahrhundertwende Anlaß bietet. Denn solche Rückschau auf lange geschichtliche Zeiträume erhebt die Menschen über das Gemeine des Alltags, er gewinnt historische Perspektive, in dem Großen und in dem Ganzen reduciren sich die Nichtigkeiten, die uns tagaus, tagein gefangen halten, auf ihre wahren Verhältnisse.“ – Das sind Sätze, die vor 100 Jahren geschrieben wurden und die wir heute genau so problemlos übernehmen können. Heut­zutage haben wir mehr Informationen denn je, und vor 100 Jahren erfolgte die Informationsbeschaffung natürlich über die gedruckte Zeitung, aus der auch dieses Zitat stammt.

Wir können uns in verschiedener Weise mit der Geschichte befassen, mithilfe von Büchern, Filmen, Museen, aber auch mithilfe historischer Stätten. Wir sehen aber auch, dass viele Menschen aufgrund ihrer täglichen Verpflichtungen und des schnellen Tempos des modernen Lebens wenig Zeit haben, sich mit der Geschichte zu beschäftigen.

Wenn ich einen Blick auf unsere Gesellschaft werfe, vor allem jetzt, so muss ich sagen, dieses Antiteuerungspaket oder Teuerungs-Entlastungspaket, wie wir es gerade haben, kommt bei den Menschen einfach nicht an. Es kommt nicht dort an, wohin es adressiert ist, und da weigere ich mich, das so hinzunehmen.


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Da stehe ich dafür ein, dass wir daran arbeiten müssen, dass die Menschen es bekommen, denn ich glaube, es ist einfach notwendig, diese 1,3 Millionen Menschen, die armutsgefährdet sind, zu unterstützen, sehr geehrte Bundesre­gierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir uns die langfristigen Auswirkungen und die Entscheidungen der Vergangenheit ansehen, dann haben wir ja mit jedem Jahr die Möglichkeit, die heutigen Herausforderungen und Probleme in einer breiteren Perspek­tive zu betrachten. Und um meine Frage zu beantworten, die ich vorhin gestellt habe: Nein, alle 100 Jahre nachzudenken reicht einfach nicht aus! Manch­mal würden ja ein paar Tage ausreichen, um gut nachzudenken.

Wenn wir nun den gesamten geschichtlichen Zeitraum betrachten, in dem die Erde bisher existiert, sehen wir auch, dass sich das Klima schon immer verändert hat. Die heutige Wissenschaft ermöglicht uns sogar, die Zukunft relativ ge­nau vorauszusagen. Die Erderwärmung und ihre Auswirkungen auf die Umwelt sind spürbar, und das bereits heute. Seit mehr als 100 Jahren – seit mehr als 100 Jahren! – wissen wir, dass der Klimawandel schwerwiegende Folgen ha­ben wird, insbesondere für unsere jüngste Generation. Und dennoch haben wir es bisher nicht geschafft und schaffen es auch heute nicht, aktiv darauf zu reagieren. Noch immer hat Österreich kein Klimaschutzgesetz, und das wird in dieser Regierungsperiode auch nichts mehr werden, wie es aussieht. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb reicht auch das Nachdenken, geschätzte Bundesregierung, geschätz­te Bundesministerin, über das große Ganze nicht mehr aus, sondern es wird Zeit zu handeln. Nach wissenschaftlichen Modellberechnungen im Österreichi­schen Sachstandsbericht Klimawandel erhöht sich die Temperatur während der Hitzeperioden im Sommer bis zum Jahr 2100 um durchschnittlich 4 Grad Celsius. 2100: die nächste Jahrhundertwende, bei der die zukünftigen Genera­tionen auch die Möglichkeit haben sollen, Nichtigkeiten, die sie tagein, tagaus beschäftigen, auf ihre wahren Verhältnisse zu reduzieren. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)


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Kommen wir jetzt zum Abschluss noch auf die „Wiener Zeitung“ zurück, weil es gerade in Anbetracht so weitreichender Krisen wichtig ist, objektive, quali­tätsvolle und gute Berichterstattung zu haben! Mit dem heutigen Beschluss wird die „Wiener Zeitung“, die bisher älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt, eingestellt werden. Wir verlieren in Österreich damit eine Zeitung, die zugleich auch ein Kulturjuwel ist und die ganz einfach nicht gerettet werden sollte – es war von der Regierung schlichtweg nicht gewünscht. Es ist ein Drama und eine Schande, weil alle Vorschläge, die am Tisch gelegen sind, nicht ein­mal diskutiert wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen dieser Einstellung nicht tatenlos zusehen und appellieren erneut an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen: Den­ken Sie noch einmal nach! Tun Sie das Richtige! Retten Sie mit uns gemeinsam die „Wiener Zeitung“ und damit ein Stück Qualitätsjournalismus, den es heute genauso dringend braucht wie vor 100 Jahren und in 100 Jahren! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA|: Als Nächster ist Herr Bundesrat Daniel Schmid zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.02.00

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Werte geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:innen! Ich habe da einen Auszug aus der „Wiener Zeitung“ (ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in die Höhe haltend), Nummer 148, bei mir. Das war am Montag, den 29. Juni 1914. Ich zitiere aus dem Amtlichen Teil:

„Seine k. und k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz Ferdinand wurde Sonntag, den 28. Juni d. J., Vormittag in Sarajevo durch einen Schuß [...] verletzt und verschied kurze Zeit darauf.“

30 Tage später, am Dienstag, dem 28. Juli 1914, titelte die „Wiener Zeitung“, Nummer 174: „Kriegserklärung.


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Auf Grund Allerhöchster Entschließung Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät vom 28. Juli 1914 wurde heute an die königl. serbische Regierung eine in französischer Sprache abgefaßte Kriegserklärung gerichtet, welche im Urtext und in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet“ – ich zitiere die deutsche Übersetzung –:

,Da die königl. serbische Regierung die Note, welche ihr vom österreichisch-ungarischen Gesandten in Belgrad am 23. Juli 1914 übergeben worden war, nicht in befriedigender Weise beantwortet hat, so sieht sich die
k. u. k. Regierung in die Notwendigkeit versetzt, selbst für die Wahrung ihrer Rechte und Interessen Sorge zu tragen und zu diesem Ende an die Gewalt der Waffen zu appellieren. Österreich-Ungarn betrachtet sich daher von diesem Augenblicke an als im Kriegszustande mit Serbien befindlich.

Der österreichisch-ungarische Minister des Äußern Graf Berchtold.‘

Verantwortlicher Redakteur: Dr. Emil Löbl. Druckerei der kaiserlichen ‚Wiener Zeitung‘. (Bundesrat Buchmann: Was willst du uns jetzt damit sagen?) – Ich komme schon noch dazu, Kollege. (Bundesrat Kornhäusl: Es zerreißt uns vor Span­nung! – Bundesrat Buchmann: In Zeiten, wo wir einen Krieg in Europa haben!)

Sehr geehrte Damen und Herren, damals, zu Kriegsbeginn, wurden weite Teile der Bevölkerung von einer regelrechten Kriegseuphorie erfasst. Mit frenetischen Jubelrufen zogen die Soldaten in den Krieg und somit auch in ihr Verderben.

Was die Kriegsfanatiker und Kriegstrommler der damaligen Zeit nicht wussten: Dieser ihr bejubelter Krieg sollte einer der grausamsten Kriege der Mensch­heit werden, ein Krieg mit 16 bis 17 Millionen toten Menschen, ein Krieg mit langfristigen Auswirkungen für Europa, ja für die ganze Welt, darunter der endgültige Aufstieg des Nationalismus und letztendlich der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Dieses damalige Aufbruchspathos war vor allem im urbanen bürgerlichen Milieu zu beobachten, weniger jedoch bei den bäuerlichen und arbeitenden Schich­ten. Die Zeitungen stimmten begeistert ins allgemeine Hurrageschrei mit ein. Sie


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förderten die Kriegseuphorie enorm, denn schon zur damaligen Zeit hatten die Zeitungen einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung der Bevölkerung.

Damalige kritische Stimmen gingen in der allgemeinen Kriegseuphorie unter. In den Zeitungen fand man kaum kritische Stimmen, ja nicht einmal zurück­haltende Töne. Zum Beispiel hatten bürgerlich-liberale Blätter wie die „Neue Freie Presse“ oder die konservative „Reichspost“ kaum Probleme mit der damaligen Zensur, anders dagegen die damalige „Arbeiter-Zeitung“. Diese strotzte geradezu von weißen Flecken im Text.

Wissen Sie aber, wer damals bei all diesen Schwierigkeiten mit der Zensur eine Ausnahme bildete? – Nein, Sie wissen es nicht. Ich sage es Ihnen: Stellen Sie sich vor, es war die „Wiener Zeitung“! (Beifall bei der SPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Schennach.)

Die „Wiener Zeitung“ mit dem damaligen Chefredakteur Emil Löbl und seiner Feinfühligkeit haben schon damals auf die Sachlichkeit gesetzt. Er nannte es die hohe Schule des Wiener Journalismus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was damals gilt, gilt in gewisser Weise heute noch. Die „Wiener Zeitung“, die älteste Zeitung der Welt, die uns allen gehört, ist nach wie vor ein Musterbeispiel für objektive, sachliche, nüch­terne Berichterstattung. Und vor allem: Sie war nie ein Teil der in Österreich allgegenwärtigen Inseratenkorruption und ist es auch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Vernichtung der „Wiener Zeitung“ durch die türkis-grüne Regierung steht sinnbildlich für die Zerstörung durch die türkise Bundespolitik. Seit Jahren zerstören Sie mit abwechselnden Steigbügelhaltern soziale Errungenschaften, funktionierende Einrichtungen und Institutionen dieser Republik, zuletzt die Krankenkassen und jetzt mit der Brechstange die „Wiener Zeitung“. (Beifall bei der SPÖ.)


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Sehr geehrte Damen und Herren, die Wunden, welche Sebastian Kurz und seine noch übrig gebliebenen Türkisen im Bund in dieser Republik hinterlassen haben und hinterlassen, werden noch lange als Narben sichtbar sein.

Sie, Frau Medienministerin Raab, richten ganz aktiv Schaden an. (Ruf bei der FPÖ: So wie die ganze Regierung!) Glauben Sie mir: Sie gehen in die Geschichte ein, aber nicht auf Basis Ihrer fragwürdigen Verdienste um diese Republik, sondern als jene Ministerin, die den Österreicherinnen und Österreichern ein Medium nimmt, das zumindest objektiv über Ihr Versagen berichtet hätte.

Es ist bequem, wenn man sich selbst seine eigene Medienlandschaft gestalten kann. Dann wird es trotz fataler Bilanz zumindest keinen medialen Gegen­wind geben. Sehr geehrte Frau Ministerin, auf unseren Gegenwind können Sie sich verlassen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.10


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Korn­häusl  in Richtung des sich zum Redner:innenpult begebenden Bundesrat Obrecht, der ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in der Hand hält –: Ich hoffe, du hast einen spannenderen Artikel!)


12.10.46

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde heute meine Rede ein bisschen anders starten als sonst und mit etwas für mich sehr Ungewöhnli­chem beginnen: Ich werde einen ÖVPler zitieren, und zwar ganz ohne Schmäh, ohne versteckten Zynismus, ohne alles, weil ich tatsächlich glaube, dass er mit jedem Wort, das er verfasst hat, recht gehabt hat.

Wir fangen einfach mit dem ersten Satz an – Sie können gerne versuchen, mitzuraten, vielleicht kommen Sie drauf, wer das war –: „Als älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt bereichert die ‚Wiener Zeitung‘ seit 1703 nicht nur den Alltag ihrer vielen Leserinnen und Leser, sondern ist auch aus


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der österreichischen und internationalen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken.“ – Mit ein bisschen Fantasie und mit einer neuen Volkspartei ist sie dann natürlich schon wieder wegzudenken. Es ist also jemand, der vor der Machtübernahme von Sebastian Kurz im Amt war – erster Hinweis darauf, wer das sein könnte. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

„Der öffentlich-rechtliche Auftrag der ‚Wiener Zeitung‘ hat dabei gerade in den letzten Jahren, in denen viele Printmedien einem zunehmend hartem Wett­bewerb ausgesetzt sind, an Bedeutung gewonnen, da er garantiert, dass sich wirklich die Interessen aller“ – also tatsächlich von uns allen – „unabhängig davon, ob sie aus kommerziellen oder politischen Gründen attraktiv sind – in ihrer Berichterstattung wieder finden.“ – Zweiter Hinweis: Es ist offensichtlich auch niemand aus dem Wirtschaftsbund.

Kommen wir zum dritten Satz: „Mit ihrer besonders qualitätsvollen wie vielseitigen Berichterstattung sichert sich die ‚Wiener Zeitung‘ die Beliebtheit und das Vertrauen ihrer Leserinnen und Leser. Sie bringt [...] einen für eine offene Gesellschaft unverzichtbaren Mehrwert hervor und ist für Politik und Gesellschaft von unschätzbarem Wert. Denn: Eine lebendige De­mokratie benötigt informierte und handlungsbereite Bürgerinnen und Bürger.“

Ich werde es aufklären: Das Ganze ist aus dem Jahr 2013, die Person war in diesem Jahr Vizekanzler für die Österreichische Volkspartei, ihr Name ist Michael Spindelegger. Michael Spindelegger war der festen Überzeugung, dass die „Wiener Zeitung“ nicht aus Österreich wegzudenken ist, und er hat völlig recht damit, denn es ist tatsächlich wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger informiert werden, und zwar unabhängig, von Medien, die tatsächlich frei agieren können.

Wir wissen: Vor allem die regionalen Medien in Österreich sind im Grunde Familiensache. Das weiß man, wenn man vor allem in Tirol an die Familie Moser denkt, wenn man nach Vorarlberg schaut. Wir wissen: Die größeren Tages­zeitungen liegen oftmals in den Händen von ganz, ganz wenigen Personen, von


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Konzernen oder der katholischen Kirche. (Bundesrat Steiner: Oder der SPÖ!) Das wissen wir. Das wissen wir alle miteinander! Wir haben mit der „Wiener Zei­tung“ ein Medium, das tatsächlich den Österreicherinnen und Österreichern gehört, und Sie tragen das heute zu Grabe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Und weil Michael Spindelegger eben auch gesagt hat, dass die lebendige Demokratie informierte und handlungsbereite Bürgerinnen und Bürger braucht, habe ich hier noch eine „Wiener Zeitung“ mit (ein Exemplar der „Wiener Zei­tung“ in die Höhe haltend), und zwar vom 11. November 1918. Was steht da drin­nen? – Das ist die Verzichtserklärung von Kaiser Karl, dem Habsburger, der tatsächlich nie geherrscht hat. Was hat er gesagt? – Er hat auf seinen Machtan­spruch verzichtet. Darunter ist gleich die Erklärung, dass Österreich eine demokratische Republik ist – tatsächlich ist das bis heute Artikel 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes –: „Österreich ist eine demokratische Republik.“

Das ist ein zivilisatorischer Quantensprung in der österreichischen Geschichte. (Bundesrat Buchmann: Du weißt aber, was ein Quantensprung ist!) Dieser wurde hier in der „Wiener Zeitung“ veröffentlicht, und es ist gut so, dass er das wurde. Ich hoffe, dass in Österreich noch ganz viele solche Sprünge in Zei­tungen wie der „Wiener Zeitung“ publiziert werden, aber Sie nehmen mir tatsächlich diese Hoffnung, wenn Sie da heute zustimmen.

Mein Appell – ich will es nicht allzu lange machen, weil es, glaube ich, für sich spricht, wenn man den Plan hat, solche historischen Dokumente praktisch umzubringen – richtet sich vor allem an die Grünen: Ich muss ganz ehrlich sa­gen – und das ist ein Geständnis –, ich habe schon gedacht, dass Sie viele Zugeständnisse in der Regierungsbeteiligung machen werden, ich habe mir ge­dacht, dass auch Grauslichkeiten dabei sein werden, was ich allerdings als unvorstellbar empfunden habe, war, dass Sie die Medienvielfalt in Österreich angreifen werden. Das hätte ich nicht geglaubt, dass das unter einer grü­nen Regentschaft passieren wird. (Bundesrat Schennach: Wenn man so nachtragend ist!)


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Ich kann Ihnen sagen: Das Vermächtnis, auf dem ich als Wiener Sozialdemokrat stehe, ist die Erkämpfung der Republik. Die Leute, die vor mir in dieser Par­tei waren, haben 1918 daran mitgewirkt, dass wir eine demokratische Republik sind. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)

Das Vermächtnis der Sozialdemokratie ist, in jeder Auseinandersetzung der Zwischenkriegszeit auf der richtigen Seite, jener der Demokratie gestanden zu sein. Das Vermächtnis der Sozialdemokratie ist, in der Zweiten Republik dafür gekämpft zu haben, dass wir solche Zeitschriften behalten und nicht besei­tigen. Das Vermächtnis der Grünen wird sein, Steigbügelhalter der ÖVP bei einem Angriff, bei einem Attentat auf die Medienvielfalt gewesen zu sein. Das ist schändlich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Sie haben einen letzten Ausweg, nicht so in die Geschichte einzugehen: Wir haben einen Antrag auf Einspruch gegen dieses Gesetz gestellt, damit würde es an den Nationalrat zurückgehen. Damit hätten wir die Chance, dieses Gesetz noch zu verhindern. Ich appelliere an Ihr Gewissen: Stimmen Sie dem nicht zu! Wenn Sie wirklich an Medienvielfalt glauben, wenn Sie glauben, die Demokratie lebt davon, dass Bürgerinnen und Bürger unabhängig informiert werden, dann können Sie diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.16


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Manfred Mertel. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.16.30

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Präsiden­tin! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich darf mich zuerst einmal recht herzlich für die nette Aufnahme in Ihrer Mitte bedanken. Ich habe die Debattenbeiträge das letzte Mal mit Spannung verfolgt und bin eigentlich sehr positiv gestimmt, dass Sie mit Ihrer Haltung zu politischen Gesinnungen das richtige Wort ergreifen. Deshalb


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habe ich heute auch noch die Hoffnung, dass Sie mit Ihrem Verantwortungs­bewusstsein vielleicht aus diesem Donnerstag keinen schwarzen Donnerstag für den Journalismus machen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Nachdem mich der Kollege schon so lieb begrüßt hat, möchte ich vielleicht darauf hinweisen, dass ich neben meiner Heimatstadt Klagenfurt in Graz, in Linz und in Salzburg sozialisiert worden bin. Der GAK ist so eine Brücke (Beifall der Bundesräte Kornhäusl und Buchmann), wenn ich das anmerken darf. Ich wün­sche dem GAK alles Gute. In wenigen Wochen könnte er vielleicht wieder in der höchsten, der Bundesliga sein, wo ich selbst habe spielen dürfen. Wir wünschen alles Gute.

Man findet so auch einen Bezug zur „Wiener Zeitung“. Warum findet man einen Bezug zur „Wiener Zeitung“? – Wenn man, Frau Ministerin, in den Siebziger- und Achtzigerjahren Bundesligafußball gespielt hat; dann ist einem nämlich ein Mann aufgefallen, der mit großer Konsequenz national und international in Erscheinung getreten ist: Heinz Fahnler, der Schiedsrichter schlechthin. Die älte­re Generation wird ihn vielleicht kennen. (Bundesrat Tiefnig: Da war Helmut Kohl schon besser!) – Bitte? (Bundesrat Tiefnig: Da war Helmut Kohl schon besser! – Bundesrätin Schumann: Erstrede, Herrschaften, Erstrede!)

Er hat selbst 1984 bei der Fußballeuropameisterschaft Österreich vertreten und ist damals durch große Konsequenz, Präzision und Kommunikationsgabe auf­gefallen. Das hat ihn ausgezeichnet und ihm auch den Beinamen „der rote Hein­zi“ eingebracht – weil er relativ rasch mit roten Karten war (Bundesrat Buch­mann: Da wird der Fischer keine Freude haben!), für Stabilität am Spielfeld stand und mit seiner Kommunikationsgabe letztlich auch immer für Ruhe und Ordnung auf der Spielfläche sorgte.

Warum erwähne ich Heinz Fahnler? – Weil Heinz Fahnler 1983 zum Chef­redakteur der „Wiener Zeitung“ geworden ist. Er hat dieses Amt bis 2000 aus­geübt. Wir haben damals schon festgestellt, dass Heinz Fahnler diese Kom­munikationsfähigkeit gehabt hat, die auch Zeitungsleser benötigen. Es ist immer


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darum gegangen, Nachrichten zu empfangen und nicht die Selbstdarstellung von Einzelnen schon mitgeliefert zu bekommen. Die Objektivität ist im Mittelpunkt gestanden. Deshalb war die „Wiener Zeitung“ auch etwas für uns jüngere Menschen. – Frau Ministerin, Sie sagten heute, es gebe schon Hin­weise, dass ältere Menschen nicht mehr die „Wiener Zeitung“ lesen. Sie haben, glaube ich, von 90-Jährigen gesprochen. So weit bin ich noch nicht, aber ich lese trotzdem in Regelmäßigkeit die „Wiener Zeitung“. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich glaube, dass diese Äußerung auch ein bisschen eine Altersdiskriminierung ist, denn wir alle sind es gewohnt, die Kultur des Zeitunglesens anders auszule­ben, als es junge Menschen heute tun.

Es geht aber um Information und es geht auch darum, dass eine Zeitung eine Bildungseinrichtung ist. Genau das hat uns eigentlich Heinz Fahnler im­mer gelehrt, dass man die Zeitung mit Objektivität lesen und daraus selbst seine Schlüsse ziehen sollte.

Zeitungen waren für uns auch ein Anlasspunkt, über Themen zu diskutieren, zu debattieren. Ich bin in den Sechziger- und Siebzigerjahren groß geworden beziehungsweise erwachsen geworden, und es war ganz einfach notwendig, über Inhalte zu diskutieren und diese nicht durch eine Messagecontrol vorgegeben zu bekommen. Das Zeitunglesen hat, glaube ich, damals auch die Persönlichkeit der jungen Menschen gefördert, sie dazu angehalten, über Dinge zu diskutieren und bereit zu sein, sich selbst Gedanken darüber zu machen, wie man das Leben besser gestalten kann.

Wenn ich jetzt zurückblicke, dann möchte ich vielleicht sagen – der eine oder andere wird mich vielleicht verstehen –: Ich bin in einer sehr, sehr tollen Zeit groß geworden. Die Siebzigerjahre haben uns Berufsmöglichkeiten eröffnet, sie haben uns an und für sich Freiheiten gewährt, und das Ganze hat sich Jahr für Jahr erweitert. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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In den letzten Jahren bin ich schon Seniorenvertreter, und ich muss mit Bedauern feststellen: Wenn ältere Menschen heutzutage sagen: Es geht uns nicht so schlecht!, dann meinen sie etwas anderes. Es geht ihnen peku­niär – finanziell – sehr, sehr schlecht. (Beifall bei der SPÖ.)

Die vielen Krisen, die sie erleben mussten, machen sie vielleicht schon in absehbarer Zukunft – oder doch nicht, wie ich hoffe – sogar krank, psychisch krank. Wenn sie aber meinen: Es geht uns nicht so schlecht!, dann meint diese Generation, dass sie noch keinen Krieg miterleben muss, dass der Krieg Gott sei Dank noch fern von uns ist.

Angesichts dieser Kostenexplosion aber, die wir in den letzten Monaten erleben mussten, würde man eigentlich meinen, dass sich die Regierung auf andere Schwerpunkte konzentrieren sollte, dass es wieder darum geht, den Mit­menschen Bildung zu geben, den Mitmenschen letztendlich Lebensfreude und eine höhere Lebenserwartung zu geben.

Wir haben ja gestern gehört, dass die Lebenserwartung wegen all dieser Probleme wieder im Sinken ist. Wir müssen also etwas tun. Ich glaube auch, dass wir heute gemeinsam dieses Verantwortungsbewusstsein ausleben sollten und noch einmal nachdenken müssen, ob es die richtige Entscheidung ist, dass die „Wiener Zeitung“ nicht weiter bestehen soll. Ich glaube, wir können alle noch einmal darauf hinweisen, dass wir auch in diesem Raum gemeinsam für Österreich tätig sind, dass wir gemeinsam für Österreich eintreten, auch wenn wir unterschiedliche Positionen haben.

Und glauben Sie mir, wenn die Medien als vierte Macht bezeichnet werden, so ist das nichts Negatives, sondern das ist letztendlich ein Argument dafür, dass wir die Bildung auch über unsere Medien vorantreiben sollten. Dafür brau­chen wir Qualitätsjournalismus und Freiheit im journalistischen Bereich, und wir brauchen das Engagement von Menschen, die mit ihren Meinungen kri­tisch sind und uns manches für unser Leben vorgeben. – Danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.24



BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 108

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.24.40

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist eine Debatte, die wir jetzt schon über einen sehr langen Zeitraum führen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ja, es ist eine wichtige. (Bundesrat Steiner: Aber Debatte ist es keine! Das ist keine Debat­te!) – Ja, ja, okay.

Und angesichts dessen (Bundesrat Kornhäusl: Es ist eine SPÖ-Balint-Gruppe!), Herr Fraktionsvorsitzender, dass im Gegensatz zu Ihnen 1 516 Kunst- und Kultur­schaffende, 268 Kunst- und Kultureinrichtungen sich dringend an die Bundesre­gierung wandten, die IG Autorinnen Autoren ebenso wie die Grazer Autorin­nen Autorenversammlung, bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend „ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautba­rungs- und Informationsplattform des Bundes“

„Die unterzeichneten Bundesrät*innen stellen im Sinn der zitierten Geset­zesbestimmungen den Antrag, gegen den 1. Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplatt­form des Bundes – WZEVI-Gesetz (3293/A und 2013 d.B.) einen Einspruch zu erheben.“

*****


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Die gesamte Debatte oder Diskussion zeigt, dass ein Einspruch dringlich geboten ist. Es wird auch von außerhalb mit großer Erwartung verfolgt, wie wir uns als Bundesrat diesbezüglich entscheiden werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Korinna Schu­mann, Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag, gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein „Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informations­plattform des Bundes“ mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu er­heben – wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 GO-BR in seinen Kern­punkten vom Antragsteller erläutert wurde –, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Fischer. – Bitte.


12.27.18

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Bundesministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! „Es war vielleicht der schwierigste Auftrag, den er in seiner Laufbahn als Journalist erhielt: Unter dem Titel ,Rückblick und Abschied‘ hatte Rudolf Holzer [...] in der vermeintlich letzten Nummer der ,Wiener Zeitung‘ den Leserinnen und Lesern Lebewohl zu sagen – eine ,schmerzliche Ehre‘, wie er sich später erinnern wird. Am 29. Februar 1940 erschien die Abschiedsausgabe. ,Nach 237jährigem Bestande‘, so Holzers Text, ,tritt die ,Wiener Zeitung‘ in das Schattenreich, in dem die Menschen, Geschehnisse und Begriffe, die ihre Bände einst erfüllten, bereits versammelt sind.‘

Es folgt ein Abriss der 1703 beginnenden Historie des Blattes, der mit der nüchternen Mitteilung endet, dass ,der ,Völkische Beobachter‘ (Wiener Ausgabe)


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die Weiterführung der bisher in der ,Wiener Zeitung‘ erschienenen amtli­chen Mitteilungen mit 1. März 1940‘ übernimmt.

Damit war das österreichische Traditionsblatt Geschichte, die Redaktionsräume sollten bald leer stehen und später zum Lager verkommen, die Maschinen abtransportiert oder verschrottet werden. Fünfeinhalb Jahre dauerte es, bis die Zeitung am 21. September 1945 wieder erscheinen konnte. Es war dies die einzige Epoche seit ihrer Gründung, in der sie schweigen musste“ – bis 2023, als die ÖVP-geführte Regierung die Weichen für das endgültige Aus der „Wie­ner Zeitung“ gestellt hat.

Es ist das Aus einer Zeitung, die immer auf der Seite Österreichs gestanden ist, die für heimischen Qualitätsjournalismus gestanden ist, die ein Garant für Objektivität, Seriosität auf höchstem Niveau ist – ein Traditionsblatt!

Die Einstellung der „Wiener Zeitung“ durch die Regierungsparteien kann nur als Akt großer Ignoranz, Willkür und Respektlosigkeit bezeichnet werden und sie zeigt auch, welche Politik zurzeit das Sagen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass man eine 320-jährige qualitätsvolle, keine politische Richtung vertretende Tageszeitung umbringt, macht mich wütend und traurig. Diese Vorgangs­weise, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien, ist eine medien­politische und eine kulturpolitische Schande. – Danke für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.30


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.30.29

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätz­te Zuseherinnen und Zuseher! – Frau Ministerin, schade dass wir beide jetzt nicht beim Familienpolitischen Beirat sein können, der leider zeitgleich mit dem


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Bundesrat angesetzt wurde, weil auch dort heute sehr spannende und wich­tige Dinge wie beispielsweise die Auswirkung der Teuerung auf Familien und viele andere Dinge, die Familien in diesem Land bewegen, zu besprechen gewesen wären! Wenn aber zwei solche Termine zum selben Zeitpunkt angesetzt werden, kann man natürlich nicht bei beiden Terminen gleichzeitig sein.

Was ich hier in Händen halte, ist etwas ganz Besonderes: Es ist die erste Ausga­be der „Wiener Zeitung“ nach dem Zweiten Weltkrieg (ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in die Höhe haltend), nach der Zeit des Nationalsozialismus, als der Mensch seine grauenhafteste Seite gezeigt hat. Man muss sich das in diesem Jahr 1945 vorstellen: Wien, weite Teile Österreichs liegen in Schutt und Asche. Es herrscht große Not unter der Bevölkerung. Die Alliierten haben Österreich in vier Teile aufgeteilt. Nach vielen, vielen Jahren ist endlich wieder freier Journalismus möglich – ohne Zensur, ohne Angst um sein Leben, wenn man zu seiner Meinung steht und seine Meinung vertritt.

Der eigenen Geschichte zu Zeiten des Nationalsozialismus und auch schon davor, ab 1934, hat sich die „Wiener Zeitung“ sehr wohl gestellt, hat dazu recherchiert und sie in einer eigenen Broschüre aufgearbeitet. Was aber muss das für ein Gefühl gewesen sein, endlich wieder frei schreiben zu können?! Und so kommt es – mein Vorredner hat es bereits gesagt – am 21. September 1945 zu dieser ersten Ausgabe der „Wiener Zeitung“: ein Symbol, ein Zeichen dafür, dass Österreich seine Freiheit wieder zurück­bekommen hat. Auf der Titelseite – hier in der Mitte sieht man es (das Exemplar der „Wiener Zeitung“ erneut in die Höhe haltend) – stand: „Zur Wiederkunft der ‚Wiener Zeitung‘“.

Kein Geringerer als Dr. Karl Renner hat damals folgenden Absatz geschrieben, den ich gerne vorlesen möchte: „Wien und Österreich haben ihre lange und bedeutende Geschichte, aber sie haben zumeist auf sie stolz zu sein ver­lernt. Gewaltige Erschütterungen haben schmerzliche Unterbrechungen dieser Geschichte verursacht. Wir haben eben jüngst eine solche erlebt und sind


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geneigt, unser politisches Dasein von gestern zu zählen. Es ist gut, durch einzelne Tatsachen von Zeit zu Zeit erinnert zu werden, daß Wien und Öster­reich nicht von gestern sind.

Eine dieser Tatsachen ist: Die ‚Wiener Zeitung‘ erscheint wieder mit einer Num­mer Eins – aber die erste Nummer dieses Blattes ist am 8. August 1703 er­schienen, und die ‚Wiener Zeitung‘ findet nach verhältnismäßig kurzer Unterbre­chung ihre Fortsetzung am heutigen Tage. Die lange Folge von nahezu ei­nem Vierteltausend Jahren liegt vor – welche gewaltigen Peripetien staatlichen und menschlichen Geschehens umschließen diese Bände!

Mögen sich viele, viele Jahre friedlicher Arbeit der ‚Wiener Zeitung‘ an diese lange Reihe schließen, dereinst als unvergängliches Denkmal unserer heu­tigen und künftigen Mühen und Erfolge.“ (Beifall bei der SPÖ.)

Ein „unvergängliches Denkmal“ hat sie Dr. Karl Renner genannt, als das haben unsere Vorfahren sie bezeichnet. Sie haben quasi dieser Legende unter den Zeitungen – immerhin gibt es die „Wiener Zeitung“ seit 1703, und damit ist sie die älteste Tageszeitung der Welt – wieder ihren Platz in der Gesell­schaft gegeben.

Es ist extrem spannend, in diese ersten Ausgaben hineinzuschauen und zu sehen, womit sich die Gesellschaft, die Bevölkerung damals befassen musste oder befasst hat. Daran – beispielsweise an dieser Auflistung, an diesem historischen Schatz (das Exemplar der „Wiener Zeitung“ erneut in die Höhe haltend) – wird auch deutlich, dass die „Wiener Zeitung“ mit ihrem reichhaltigen Archiv zu Recht zum Unesco-Dokumentenerbe gehört.

Ich möchte ein paar Dinge herausgreifen, was es an diesem 21. September 1945 zu berichten gab. Es geht beispielsweise darum, die Kriegsverbrecherprozes­se einzuleiten. Da steht: „Über Antrag des Staatssekretärs für Justiz hat der Kabinettsrat die Einsetzung von zwei unter der Leitung der Staatssekretäre für Justiz und für Inneres stehenden Kommissionen zur Vorbereitung der


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Kriegsverbrecherprozesse beschlossen.“ – 1945 ganz aktuell, sozusagen der Start, mit der Geschichte aufzuräumen.

Es steht aber auch drinnen: „Eine frohe Botschaft“ – so wird das tituliert, und es wird über einen ganz frischen „Kompensationsvertrag“ zwischen der Tsche­choslowakei – so hieß es damals – und Österreich berichtet, durch den Rohöl aus Österreich gegen sogenannten „Hüttenkoks“ getauscht wurde; das ist keine Droge, sondern ein Heizmittel. Da wird beschrieben: „Es ist anzuneh­men, daß es den Wiener Gaswerken durch diese Kokslieferungen möglich sein wird, das gesamte Gebiet der Stadt Wien in gedrosseltem Ausmaß täglich in einer beschränkten Anzahl von Stunden mit Gas zu versorgen. Falls nicht Transportschwierigkeiten die regelmäßige Anfuhr unmöglich machen, erscheint durch diesen Vertragsabschluß eine beschränkte Versorgung [...] mit Gas für Kochzwecke ab Mitte Oktober durch mehrere Monate hin­durch [...] gesichert.“ – Es ging also um die Existenz, es ging darum, tage-, stundenweise kochen zu können. Solche Dinge waren damals an der Tagesordnung.

Für uns als Länderkammer aber beispielsweise auch sehr spannend: „Der Alliierte Rat billigte den von Doktor Renner unterbreiteten Vorschlag bezüglich der Einberufung einer Länderkonferenz auf den 24. September und erklärte sich damit einverstanden, daß alle okkupierenden Mächte den Delegierten bei der Fahrt nach Wien Unterstützung erweisen.“ – Die Länderkonferenz wurde also wieder einberufen und es wurde garantiert, dass die Ländervertreter sicher nach Wien kommen können. Was für ein bedeutender Tag auch für unseren Föderalismus!

Es wurde aber unter anderem auch ganz klar das Tragen deutscher Uniformen für frühere Wehrmachtsangehörige, aber auch für die Zivilbevölkerung ver­boten – auch da klare Anordnungen, wie denn nun mit dieser Geschichte und in Zukunft damit umgegangen wird. Ich möchte also schwer empfehlen, solche


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Ausgaben mit solch historischer Bedeutung zu lesen. Sie schildern sehr eindrück­lich die damaligen Zustände. Es ist eine große Leseempfehlung. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Was finden wir heute vor? – Wir leben in einer Zeit ungeheurer, nie da gewe­sener Informationsflut. Noch nie gab es so viele unterschiedliche Kommu­nikations- und Informationskanäle, und es wird zunehmend schwieriger, seriöse Informationsquellen oder Informationen herauszukristallisieren und zu er­halten. Seriöser, qualitätsvoller Journalismus, professionelle Recherche, auch Ge­genrecherche und Analyse bekommen heute eine zunehmend wichtige Bedeutung.

Ich verweise auch auf die gerade eben erschienene Ausgabe der Zeitung der Demokratiewerkstatt (ein Exemplar der „Demokratiewerkstatt Aktuell“ in die Höhe haltend), in der sich junge Menschen mit dem Thema Fakenews be­schäftigen: Wie lese ich Medien? Wie erkenne ich Fakenews? Wie erkenne ich seriöse Berichterstattung? (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) – Ein großes Thema für junge Menschen in unserem Land; es ist schwer, sich Orientie­rung zu verschaffen und die richtige Information herauszufinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Exakt in einer solch schwierigen, sehr sensiblen Phase unserer Gesellschaft plant die Regierung, genau das aufzugeben. Wie kurzsichtig ist das und wie leichtfertig wird da ein kulturelles, ein historisches, ein medienkulturelles Erbe aufgegeben?!

Wir als sozialdemokratische Fraktion bedauern das zutiefst, wir halten es für einen großen historischen Fehler und wir werden diesen Schritt bestimmt nicht mitgehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.39


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger-Kranzinger. – Bitte, Herr Bundesrat.



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12.40.08

Bundesrat David Egger-Kranzinger (SPÖ, Salzburg): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, die gerade den Saal verlassen hat! Als ausgebildeter Journalist blutet mir am heutigen Tag das Herz.

Einleitend möchte ich einen Satz sagen, denn am Anfang der Debatte war es, glaube ich, Kollege Zauner, wenn ich da richtig liege, der ein Taferl hochgehalten hat, um ein bisschen vom Inseratenfeuerwerk der ÖVP in den vergangenen Jahren abzulenken. – Da haben Sie zwei Taferln vergessen! Auf einem Taferl müssten Sie erklären, wie das Beinschab-Tool funktioniert hat – das wür­de mich interessieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Und das zweite Taferl: Die Kurz-Regierung hat 2018 44 Millionen Euro für
PR-Aktivitäten ausgegeben. Das Finanzministerium erhöhte die Insera­tenausgaben von 1,8 Millionen Euro 2016 auf 7 Millionen Euro 2018 bis hin zur Spitze in der Pandemie von 8,9 Millionen Euro. Ich glaube, das war damals auch Herr Schmid, der da am Werk war. Der ist, glaube ich, kein SPÖler, sondern gehört eher zu Ihnen von der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Was bedeutet das Ende der ältesten Tageszeitung? Was bedeutet das Ende eines Printmediums? Was bedeutet das Ende eines Teils des österreichi­schen Qualitätsjournalismus? Mir blutet das Herz. Die Einstellung der ÖVP ge­genüber Medien, gut, die kennen wir ohnehin schon, noch viel mehr scho­ckiert mich aber die Einstellung der Grünen gegenüber der Medienvielfalt in Ös­terreich.

In der Kommunikationswissenschaft spricht man bei Journalismus davon, dass Journalismus die weltweiten Ereignisse für die Gesellschaft reduziert und gliedert und diese so übersichtlich und begreiflich macht. Die Tätigkeiten eines Journalisten kann man laut Kommunikationswissenschaft ganz einfach zusammenfassen: Sammlung, Prüfung, Auswahl und Verbreitung von Nachrich­ten, Kommentaren sowie Unterhaltungsstoffen durch Massenmedien.


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Ich möchte eine ganz besondere Ausgabe der „Wiener Zeitung“ hervorhe­ben, weil diese zutiefst meine Einstellung unterstreicht, und zwar die erste Ausgabe nach den Nationalratswahlen, den ersten Nationalratswahlen in der Zweiten Republik, Montag, den 26. November 1945, mit dem Titel „Das österreichische Volk hat gewählt“. Das war nicht irgendeine Ausgabe, son­dern das war eine Ausgabe nach Wahlen, nach freien Wahlen, und eine Aus­gabe im Zeichen der Presse- und Meinungsfreiheit, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir ist schon klar, wie man bei der ÖVP zu Medien und zum Journalismus steht. Das haben ja die vergangenen Monate und Jahre eindeutig gezeigt. Da hat man einige Zeitungen mit Inseraten überflutet; ich habe das eingangs schon er­wähnt. Da war anscheinend keine Steuergeldkassa mehr sicher, und man hat sich davon natürlich wohlwollende Berichterstattung erhofft. Das haben ei­nige, glaube ich, sogar so gesagt.

Es hat bei anderen Parteien auch jemanden gegeben, der einmal eine Zeitung verkaufen wollte. Dazu muss sie einem aber auch gehören, das muss man auch dazusagen. Trotzdem finde ich es immer noch skandalös, dass die Grünen, die in der Vergangenheit immer für Meinungs- und Pressefreiheit, für Me­dienvielfalt gestanden sind, sich heute dagegen entscheiden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Das war einmal!)

12.43


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: An dieser Stelle darf ich eine weite­re Gästegruppe bei uns im Bundesrat begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Gross­mann. – Bitte schön.


12.44.12

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Ja, jetzt würde ich natürlich sehr gerne die Frau Ministerin begrüßen, sie ist


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jetzt aber leider nicht hier. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Die wird vielleicht auch noch wohin dürfen!) – Das ist verständlich. Ich darf aber Sie alle, liebe Kolle­ginnen und Kollegen, liebe Besucherinnen und Besucher, sehr herzlich begrüßen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was verlieren wir mit der „Wie­ner Zeitung“, die heute offensichtlich mit einer schwarz-grünen Mehrheit zu Grabe getragen wird? – Wir verlieren ein Kulturgut, das den Titel Weltkulturerbe verdienen würde, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir verlieren ein wertvolles Dokument der Gesamtheit unserer Wirtschafts- und Sozialgeschichte und wir verlieren ein Medium, das sehr früh schon auch Frauen eine Chance gegeben hat, sehr früh schon auch Frauen in der Redaktion beschäftigt hat und auch in diesem Sinne schon avantgardistisch war. Das kann eigentlich gar nicht besser zum Ausdruck gebracht werden als durch einen Artikel von Anna Hartmann mit dem Titel „Eine Frau betritt die Welt der Männer“, aus dem ich Ihnen einen kurzen Auszug bringen möchte.

Frau Hartmann wurde beauftragt, einen Artikel über die österreichische Wirt­schafts- und Industriegeschichte zu schreiben und eine Bestandsaufnah­me vorzunehmen, und sie hat das in einem sehr umfassenden Artikel aus dem Jahre 1953, also in der Zeit des Wirtschaftsaufschwungs, des Wirtschafts­booms, der absolut lesenswert ist, folgendermaßen zusammengefasst:

„Man hat mich – eine Frau! – eingeladen, über die verstaatlichten Betrie­be Österreichs zu berichten, also über einen Komplex der Wirtschaft, der nur in einem einzigen Zweige den Frauen ein größeres Arbeitsfeld bietet und sonst eine für sich abgeschlossene Männerwelt ist. Diese Einladung zeugt von Mut! Vielleicht für beide Teile. Denn in der Meinung der Öffentlichkeit wird die Welt der Männer fraglos hingenommen, während die Ansicht einer Frau doch immer fragwürdig ist.“ (Beifall bei der SPÖ.)  Daran hat sich leider ja in vielen Bereichen nicht viel geändert.

„Ich habe mir meine Ansicht aus der praktischen Anschauung heraus gebildet. Ich habe den Erzberg erklommen, bin bei der Aufbereitung des Erzes


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dabei gewesen und habe die ganze dramatische Entwicklung des Minerals bis zum Eisen und Stahl verfolgt. Ich bin diesen Eisen- und Stahlstücken nach­gereist und habe sie auf hochalpinen Baustellen als Freileitungsmaste für Hochspannungen gesehen, als Stützen der Bergwerksstollen, die tief in die Eingeweide der Erde führen, ich habe sie als Bleche gesehen, die den Rumpf der Schiffe einhüllen, die die Kohle bringen, aus der der Koks gebrannt wird; ich sah sie als riesenhafte Wellen der Generatoren, die aus der Was­serkraft die ‚weiße Kohle‘, den elektrischen Strom fördern, und ich folgte dem Lauf dieses Stromes bis zu den Knotenpunkten, von denen tausend Kupfer­arme in die Welt gehen, bis zu den Motoren der Lokomotiven, zu den Ackerbau­geräten und den Küchenherden – zu all den Dingen, die an dem Werden und Gedeihen des Räderwerks der Wirtschaft entscheidenden Anteil haben. Ich habe auch in das Leben jener Menschen einen Blick geworfen, die mit geisti­ger und physischer Kraft diese Räder zum Schwingen bringen, ich habe von ihren Wünschen, Hoffnungen und Plänen gehört, habe ihren Kindern beim Spiel und beim Lernen zugesehen, bin mit den alten Leuten zusammen gesessen, die ein Leben lang an all dieser Arbeit Anteil hatten, und ich habe als beglü­ckendes Ende der für eine Frau so einmaligen – vielleicht erstmaligen – Mission ein wundervolles Land entdeckt – ich habe meine Heimat in neuem Glanz entdeckt [....]“, schreibt Anna Hartmann 1953. Das ist also wirklich ein Doku­ment der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, wie es in der „Wiener Zeitung“ viele gibt.

Ich möchte Ihnen auch ein Zitat von einer Jubiläumsfeier 1953 bringen, von einem gewissen Herrn Julius Raab, Bundeskanzler, der Ihnen wohlbekannt sein wird. Er hat bei der Jubiläumsfeier gesagt – und das ist auch in der Festschrift in den Wünschen an die „Wiener Zeitung“ nachzulesen –:

„Jemandes Weggefährte sein, bedeutet schon im Alltag des menschlichen Lebens viel. Um wieviel mehr liegt in der Feststellung, dass die ‚Wiener Zeitung‘ durch 250 Jahre unserem Vaterlande Österreich publizistischer Weggefähr­te und Herold war. Dazu kann ich Sie nur beglückwünschen und hoffen, daß sie


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diese Mission noch lange ausüben möge.“ – Das schrieb einst Julius Raab, Bundeskanzler der Republik Österreich.

Es ist schon auch eine Ironie des Schicksals, dass seine Namenskollegin und auch Parteikollegin, Ministerin Susanne Raab, die ich jetzt wieder hier begrüßen darf, nun diesem Kulturgut, diesem Weltkulturerbe den Todesstoß versetzt. Das ist wirklich traurig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag.a Bettina Lancaster. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.50.49

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gehen wir weiter in der Zeitreise mit der „Wiener Zeitung“ in der Hand (ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in die Höhe haltend). Wir schauen zurück auf den Mai 1955, genauer gesagt auf den 15. Mai 1955. Die „Wiener Zeitung“ titelt: „Staatsvertrag unterzeichnet! Historisches Ereignis im Wiener Belvedere [...] Österreich nach siebzehn Jah­ren endlich frei“. – Die Berichterstattung in der „Wiener Zeitung“ dazu ist ein Zeitzeugnis höchster Qualität. Dieser denkwürdige, für das moderne Öster­reich so bedeutsame Tag wird von allen Seiten her betrachtet, was einen umfangreichen Einblick in die damaligen Verhältnisse schafft.

Die „Wiener Zeitung“, die sich ihrer Aufgabe als vierte Gewalt im Staat bewusst war und bis zur erzwungenen Schließung bewusst sein wird, hat sich durch journalistisches Können ausgezeichnet, das auch heute noch begeistert und zeit­los bleibt, durch journalistische Arbeit, die sich nicht verbiegt und nicht ge­fällig ist – und diese Tradition trägt die jetzige Regierung durch diese Novelle zu Grabe (Beifall bei der SPÖ), ein Erbe, das die bedeutenden Journalisten Hugo Portisch und Heinz Nußbaumer zu Recht gerne als Weltkulturerbe gese­hen hätten.


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Ich kann nur folgenden Appell an die Regierungsfraktionen richten: Überlegt euch eure Entscheidung noch einmal! Zerstört nicht noch ein weiteres Stück gelebtes Österreich, ein Kulturgut, sonst finden wir uns in Bälde in einem Wald von Gratiszeitungen, die es mit den Inseratenschaltungen ernst meinen, aber definitiv nicht mit einer verantwortungsvollen Berichterstattung. Vielleicht wollen Sie das aber ohnehin – zumindest bei der türkisen ÖVP liegt dieser Verdacht nahe.

Auffällig ist auch das Schönreden des faktischen Aus vonseiten der Grünen. Ich habe in meiner Schule einmal gelernt: Sei achtsam, wenn mit Superlativen und besonderer Schönfärberei agiert wird, denn dann steckt etwas anderes im Busch! (Beifall bei der SPÖ.)

Hochwertige Berichterstattung darf nicht zu einem Nischenprodukt werden. Skandaljournalismus und alternative Wahrheiten in Social Media verän­dern zunehmend unsere Gesellschaft. Verunsicherung nimmt zu. Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse werden gleichrangig mit Fakenews ge­handelt. Das ist brandgefährlich. Deshalb ersuche ich Sie nochmals: Erhalten wir dieses Qualitätsmedium, die „Wiener Zeitung“! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.54


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. – Bitte schön.


12.54.47

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte heute mit dem anfangen, was Christoph Leitl vor zehn Jahren zum 310. Geburtstag der „Wiener Zeitung“ gesagt und auch geschrieben hat:

„Von der ältesten Zeitung der Welt zur ersten Zeitung Europas!

Die ‚Wiener Zeitung‘ feiert stolze 310 Jahre und ist nicht nur die älteste noch erscheinende Tageszeitung Österreichs, sondern der“ ganzen „Welt. Eine solche


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verdienstvolle Vergangenheit ist ein Anlass zum Feiern, sie bedeutet aber insbesondere auch eine große Verantwortung für die Zukunft – zumal in beweg­ten Zeiten, wie wir sie in der Wirtschaft wie in der Medienbranche derzeit erleben. Angesichts der schier unermesslichen Informationsflut bedarf es mehr denn je der fundierten Analyse, der objektiven Einordnung von Fakten und der Bereitstellung von Hintergründen und unterschiedlichen Meinungen.

Namens der österreichischen Wirtschaft gratuliere ich der ,Wiener Zeitung‘ zum 310. Geburtstag sehr herzlich und wünsche weiterhin viel Erfolg. Zudem er­laube ich mir angesichts dieses besonderen Jubiläums eine Vision für die Zukunft: Aus der ältesten Zeitung der Welt könnte die erste ‚europäische‘ Zeitung unseres Kontinents werden!“

Das hat Christoph Leitl vor zehn Jahren gesagt und es ist auch in manchen Medien niedergeschrieben. Und da muss man ganz ehrlich sagen: Dass man jetzt diese „Wiener Zeitung“ zu Grabe trägt, ist einfach eine Schande!

Ich habe mir auch noch ein paar Zitate rausgesucht, weil wir gesagt haben, wir suchen uns von überall ein paar Zitate raus, um Ihnen näherzubringen, was alles in der Zeitung gestanden ist. Ich gehe chronologisch vor, die von mir herausgesuchten Zitate betreffen das 74er-, das 77er- und das 84er-Jahr. Da­mals ist über den autofreien Tag, über Zwentendorf und über Hainburg berichtet worden.

„Tages-Pickerl nicht ‚für alle Ewigkeit‘ notwendig

Kaum eingeführt, zeichnet sich auch schon wieder das Ende des autolosen Tages ab. Handelsminister Dr. Staribacher erklärte am Montag vor Journalisten in Wien, daß der autolose Tag nur eingeführt werde, um für den Sommer Reserven von 200.000 t anzulegen. Sobald diese Reserven da sind, werde er, Stariba­cher, den autolosen Tag wieder abschaffen. Über den Zeitpunkt könne er sich freilich nicht festlegen. Heute wird der Ministerrat auch formell den ‚Ener­gienotstand‘ ausrufen, freilich handelt es sich keineswegs um einen wirklichen


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Notstand, sondern um die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen zur Abschaltung von Straßen- und Reklamebeleuchtungen.“

Dieser Text aus der „Wiener Zeitung“ stammt vom 15. Jänner 1974, sehr ge­ehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Am 28. Oktober 1977 stand Folgendes in der „Wiener Zeitung“ zu lesen:

„Atomangst plus Ho Tschi-minh

Der Nationalfeiertag ist heuer (1977) zu einem Tag der Proteste und Demonstrationen geworden. So fanden sich auf dem Wiener Ballhausplatz laut polizeilicher Schätzung rund 2500 Demonstranten ein, die gegen die Inbetriebnahme des Werkes Zwentendorf auftraten. Diese Kundgebung wurde jedoch in einigen ihrer Phasen von linksextremen Gruppen umfunktioniert. Man hörte Sprechchöre wie Ho-Ho-Ho-Tschi-minh und ähnliche Parolen, ferner wurden Transparente mitgeführt, auf denen zu lesen war: ‚Die parlamenta­rische Regierung ist ein Betrug.‘“

Am 8. Mai 1984 wurde berichtet:

„Aktivitäten gegen KW Hainburg

DDr. Günther Nenning, als Platz- und ‚Rothirsch‘ verkleidet, Wiens VP-Stadtrat Jörg Mauthe im Federgewand eines Schwarzstorches, Schriftsteller Peter Turrini als Rotbauchunke und VP-Nationalrat Othmar Karas als Kormoran“ (Hei­terkeit bei der SPÖ) „waren Montag Vormittag die drei prominentesten Ver­treter aus Politik, Kunst und Kultur, die bei einer ‚Pressekonferenz der Tiere‘ in farbenprächtigen Verkleidungen gegen das geplante Donaukraftwerk Hain­burg auftraten. Während der Pressekonferenz wurde ein Volksbegehren gegen das umstrittene Bauprojekt angekündigt, das unter der Patronanz von Nobelpreisträger Konrad Lorenz stehen wird.“

Historisch betrachtet, sehr geehrte Damen und Herren, sehen viele in diesem Protest gegen zuerst Zwentendorf und dann Hainburg die Geburtsstunde der


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Grünen. Damals hätte wahrscheinlich niemand gedacht, dass die Grünen 39 Jahre später mit zu den Totengräbern der „Wiener Zeitung“ gehören würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Zeitung also wollen Sie zerstören, dieser Tradition wollen Sie ein Ende bereiten. Im Nationalrat ist der Tag des Gesetzesbeschlusses über – man könnte auch sagen: gegen – die „Wiener Zeitung“ zu Recht „ein schwarzer Tag für den Qualitätsjournalismus“ und „ein schwarzer Tag für die Medienviel­falt“ genannt worden.

Lassen Sie mich jetzt noch ein Thema streifen, das heute auch nicht zu kurz kommen soll: Kampf gegen die Inflation. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube beziehungsweise glaube ich das nicht, sondern das wissen wir alle miteinander, dass die Bundesregierung viel zu wenig dagegen tut und dass die Bundesregierung etwas tun muss, weil die Menschen sich das Leben nicht mehr leisten können. Es gehört schon längst eine Mietpreisbremse, es gehört schon längst ein Energiepreisdeckel und es gehört schon längst ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel implementiert! Wenn Sie das nicht machen, werden Sie sehen, dass die Menschen das jetzt nicht mehr länger aushalten werden.

Deshalb lautet mein Appell: Bitte reden Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, reden Sie mit Ihrem Bundeskanzler, dass sie da endlich etwas tun! (Beifall bei der SPÖ.)

13.01


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.01.43

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Verehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zu­hörerinnen und Zuhörer! Ja, noch einmal: Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss liquidieren die Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien, die


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Vertreterinnen der ÖVP und der Grünen, die älteste Zeitung der Welt, die „Wie­ner Zeitung“, und das trotz enormen Widerstandes aus allen Gesellschafts- und Berufsschichten sowie vor allem auch aus der ÖVP.

Es ist ganz einfach eine Liquidation durch Entzug der Finanzmittel, und, sehr ge­ehrte Frau Bundesminister, Sie können das mit Ihrer Argumentation beim besten Willen nicht schönreden. Ganz ehrlich: Fakt ist, es gab nie – von Anfang an nie – das Vorhaben, diese Zeitung wirklich zu retten. Und wenn Sie heu­te in Ihren Ausführungen erwähnt haben, dass Sie das aus Verantwor­tung gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern machen, dann halte ich das im wahrsten Sinne des Wortes für den größten Treppenwitz der Nation (Beifall bei der SPÖ) – nicht wegen der Aussage per se, sondern man führe sich vor Augen, dass Sie und Ihre Ministerkolleginnen und -kollegen im Jahr rund 200 Millionen Euro für ihre eigene Parteipropaganda ausgeben. Diese 20, 25 Millionen Euro für die „Wiener Zeitung“ aber geben Sie nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.) Deshalb ist das ganz einfach ein ganz bewusst provo­ziertes Aus der weltweit ältesten Zeitung.

Nun folgt mein historischer Bezug – wir kennen das jetzt schon – zur „Wiener Zeitung“, und zwar titelte sie am 19. Mai 2019 – das ist ja noch nicht lange her; viele werden sich noch daran erinnern – folgendermaßen: Die Überschrift lautete damals: „Bundespräsident will Neuwahlen Anfang September“. – Das war damals die Zeit rund um den Ibizaskandal: Es gab ein pikantes Video, die Hauptrolle spielte der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Bundesprä­sident Van der Bellen wurde in diesem Bericht zitiert, und darin hat es dann geheißen, dass er sein Vertrauen „in einen Teil der Bundesregierung ver­loren habe“. Mittlerweile, würde ich sagen, hat der Bundespräsident sein Vertrauen in die gesamte Bundesregierung verloren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es bleibt spannend. Wenige Tage später, am 27. Mai, hieß es dann in den Schlagzeilen: „Das Ende des Vertrauens“. In diesem Bericht ging es um das Misstrauensvotum des Nationalrates gegen die damalige Bundesregierung, und da darf ich aus der Zeitung zitieren:


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„Zum ersten Mal in der Zweiten Republik versagte das Parlament einem Bun­deskanzler das Vertrauen. Auch bei Ministern war es nie zu einem erfolg­reichen Antrag gekommen, 185 Mal hatte es die Opposition probiert, sieben Mal auch in dieser Legislaturperiode, aber erfolgreich waren diese Anträge bis­her nie. Der 27. Mai 2019 bot ein Novum: Bei der Abstimmung über den Antrag der SPÖ auf Entlassung der gesamten Regierung standen alle Abgeordne­ten der SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt auf: Sebastian Kurz war als Kanzler abgewählt.“ – Zitatende.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, manche behaupten, die Geschichte wie­derhole sich nie. Aber wer weiß? – Morgen wird eine von der SPÖ bean­tragte Sondersitzung zum Thema Totalversagen der Bundesregierung im Kampf gegen die Teuerung stattfinden – und das ist gut so, denn die Tatenlosig­keit dieser Regierung ist in Wahrheit nicht mehr auszuhalten. Alle Experten war­nen vor den gefährlichen und negativen Auswirkungen dieser eklatant ho­hen – und viel zu hohen – Inflation. Leider ist die Regierung bis dato nicht ge­willt, wirklich preissenkende Maßnahmen zu ergreifen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt im Umkehrschluss nichts anderes, als dass diese Bundesregierung für jene Menschen, die sich das Leben wirklich nicht mehr leisten können, nichts übrig hat; sehr wohl hat sie aber für die Gewinnmaximierung großer Be­triebe und der Industrie etwas übrig. Das ist reine Klientelpolitik, liebe ÖVP, und das ist untragbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau deshalb wird die SPÖ morgen im Nationalrat auch einen Misstrauens­antrag gegen die gesamte Bundesregierung einbringen. (Beifall bei der SPÖ.) Vielleicht kann man dann behaupten, dass sich die Geschichte doch wie­derholt – dann, wenn diese Bundesregierung ihrer Ämter enthoben ist und wenn ihr das Misstrauen ausgesprochen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zum zweiten Mal zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Korn­häusl: Das Beste kommt zum Schluss! – Bundesrat Spanring: ... verwenden! Es kann


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sich jeder zweimal melden! – Bundesrat Kornhäusl: Ja, ich weiß eh! – Bundes­rat Schennach – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Ja, die Geschäftsordnung lässt eine zweite Meldung zu! – Bundesrat Spanring: Das ist auch sehr ...! Ich bin schon sehr gespannt!)


13.07.48

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe vorgestern im Ausschuss dieses Gesetz als das schäbigste Gesetz dieser Regierung (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), das bisher das Haus erreicht hat, bezeichnet, und ich wiederhole das sehr gerne (Bundesrat Spanring: ... schäbig!), weil es auch eines der schäbigs­ten Gesetze ist (Bundesrat Spanring: Das war die Impfpflicht! Die Impfpflicht war das, Herr Kollege! Die Impfpflicht, und ihr wart mit dabei!) und einer Kulturna­tion völlig abträglich. Es ist nämlich eine Kulturlosigkeit, die älteste Tages­zeitung der Welt einzustellen, und es ist eine Verantwortungslosigkeit gegenüber der Geschichte, so zu handeln und auch, sich medienpolitisch so zu gebärden.

Man muss sich das einmal überlegen: Eines der größten Ereignisse in Europa war zweifelsohne die Französische Revolution. Da war die „Wiener Zeitung“ schon 86 Jahre im Geschäft! (Bundesrat Tiefnig: Die hätte es nicht gegeben, wenn ...!) Dann kam die Amerikanische Revolution, dann der Wiener Kongress, die Neuordnung Europas 1815, dann die Revolution von 1848, und einer der größ­ten Treppenwitze ist: Die „Wiener Zeitung“ hat Metternich und das Polizeispitzelsystem überlebt, aber eine Medienministerin Raab und eine schwarz-grüne Koalition nicht. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

Sie hat auch den Ersten Weltkrieg, den Schwarzen Freitag, also den großen Börsenkrach, und auch den Zweiten Weltkrieg überlebt. Daniela Gruber-Pruner hat ein interessantes Beispiel gebracht, nämlich die erste Ausgabe nach dem Zweiten Weltkrieg. Und die Zeitung hat zweimal Schwarz-Blau überlebt, aber nicht Schwarz-Grün – ist das nicht ein Irrsinn? (Ruf bei der FPÖ: Ja, das ist wahr!)


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Als ich heute Kollegin Hauschildt-Buschberger zugehört habe, hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, ich bin in einer Pippi-Langstrumpf-Aufführung: Ich mache mir die Wirklichkeit so, wie sie mir gefällt. – Eure Wirklichkeit ist nicht: Wir retten die „Wiener Zeitung“!, sondern – nein! – ihr zerstört ein Weltkulturerbe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Für die Pippi-Langstrumpf-Vorlage hatte sie ja ein Vorbild, nämlich Frau Ministerin Susanne Raab, die wörtlich im Nationalrat gesagt hat: „Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen: Wer von einer Abschaffung der ‚Wiener Zeitung‘ spricht, der sagt die Unwahrheit!“ – Hallo, welche Welt bauen Sie sich da? (Bundesrätin Kittl: Welche Welt bauen Sie da?!) Welches Märchen tischen Sie den Leuten auf? Natürlich zerstören wir eine Zeitung und ein Kulturgut.

Sehen wir uns an, wie eifrig sich Zivilgesellschaft, NGOs, Kirchen und so weiter engagieren, denn – ja, Kollege Schreuder! – die habt ihr nämlich alle für eure schäbige Aktion verloren. Da sind zum Beispiel die Grazer Autorenversammlung zu nennen, Franz Fischler – bei Gott kein Roter –, Heinz Nußbaumer, Michael Chalupka von der Diakonie, Oskar Deutsch (Bundesrätin Schumann: Der Bischof!), Bischof Lederleitner, Kardinal König und, vielleicht für Frau Buschreiter wichtig (Rufe bei ÖVP und Grünen: Hauschildt-Buschberger!) – Buschberger –, Ru­dolf Anschober, Altpräsident Heinz Fischer, dann Othmar Karas – auch das ist jemand, der heute schon zitiert wurde –, die Michaels – Michael Häupl und Michael Ludwig –, Herbert Haupt, Wolfgang Katzian, Maria Rauch-Kallat, Franz Vranitzky, Andrea Kdolsky, für die Kärntner Christof Zernatto, Re­porter ohne Grenzen – also ich könnte das jetzt ungefähr noch eine Stun­de fortsetzen.

Ich habe keine Kirche gefunden, die nicht protestiert, zum Beispiel auch die buddhistische Glaubensgemeinschaft, die Altkatholische Kirche; sie alle kritisieren die Zerstörung dieses Weltkulturerbes. (Unruhe im Saal.)

Wenn ich mir die Rede der früheren Rektorin und heutigen Abgeordneten Blimlinger im Nationalrat anhöre, kann ich nur sagen: Sie hat sich zu


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Recht entschuldigt. So eine Minderleistung muss man erst einmal zustande bringen; dazu muss man auch noch bedenken, dass sie einmal Rektorin war.

Es gab jetzt ganz viel Schönfärberei. Die „Wiener Zeitung“ konnte von den 24 Millionen Euro, was sie kostet, bisher 20 Millionen Euro einnehmen – okay, die Situation hat sich verändert. Wenn ich aber hernehme, was alleine die einzelnen Ministerien – wenn ich nur die ÖVP-Ministerien hernehme! – jedes Jahr für PR hinauspulvern, dann komme ich zum Schluss, dass wir uns zehn „Wiener Zeitungen“ leisten könnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich will aber auch nicht verheimlichen, dass wir hier auch noch einen inter­essanten Gesetzentwurf, dem wir auch gerne zustimmen, diskutieren, jenen zum Medientransparenzgesetz (Bundesrat Steiner: Na, da redest du noch mehr!), einem klaren Ergebnis des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses. Das ist ja nicht so gekommen, dass die Regierung gesagt hat: Wir müssen jetzt un­bedingt Transparenz hereinbringen!, sondern es hat einen Korruptionsuntersu­chungsausschuss gegeben, und dadurch musste man liefern.

Meine Damen und Herren, noch einmal (zwei Exemplare der „Wiener Zeitung“ mit der jeweiligen Überschrift „1703 2023“ beziehungsweise „Ende“ auf der Titelsei­te in die Höhe haltend): 1703 und jetzt das Ende – das darf es nicht sein!

Liebe Grüne, wenn ihr dem wirklich zustimmt – ich weiß, ihr seid gewillt und ihr habt heute ja Schönfärberei der Sonderklasse betrieben –, dann macht ihr euch geschichtlich schuldig: schuldig, ein Kulturgut, ein Weltkulturerbe zerstört zu haben. Das ist einer Kulturnation nicht würdig.

Kommen wir zum Schluss zu der Debatte, die wir führen. (Bundesrat Steiner: Das ist keine Debatte!) Die Debatte, die wir in Österreich führen, betrifft die Teuerung, die Tatsache, dass sich Menschen das Leben nicht mehr leisten kön­nen. Dazu bleibt nur eines zu sagen: All das, was da gestern präsentiert wurde, haben selbst konservative Wirtschaftsforscher schon zerlegt, das muss


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nicht der Schennach hier machen, eines möchte ich aber noch einmal an­merken: Etwas muss sein – an dem führt weder für die Grünen noch für die ÖVP ein Weg vorbei –, und das ist die sofortige Mietpreissenkung. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Experten haben gesagt, die gestrigen Beschlüsse reduzieren die Inflation kaum, die Inflation wird das nicht einmal spüren. Kogler hat etwas ande­res gesagt, aber da halte ich mich lieber an die Experten. Wenn wir endlich einen Mietpreisdeckel einführen, wenn wir bei den Mieten etwas tun, dann spürt man es. Anderenfalls nistet sich die Inflation ein, und wenn sich die Inflation ein­nistet, ist das ein Riesenschaden für die Volkswirtschaft, aber auch für das Gesamteinkommen und den sozialen Zusammenhalt in dieser Gesellschaft. De­ckeln wir den Mietpreis! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.16


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Steiner, bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner. – Bundesrat Steiner – auf dem Weg zum Red­ner:innenpult –: Jetzt fange ich erst an! – Unruhe im Saal.)


13.17.01

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): So, jetzt muss ich zuerst einmal mei­nen Saustall ordnen. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Zuerst einmal: Gratulation der SPÖ. Diese drei Stunden habt ihr jetzt so spannend gestaltet. Wir waren alle an die Sessel gefesselt, den Mund weit offen, und haben uns gefragt, wie man eine Debatte so spannend gestalten kann.

Das Thema an und für sich wäre ja interessant, aber dass man das so wie ei­nen Kaugummi auslutschen kann - - (Bundesrätin Kittl: Entschuldigung, das ist nicht das Thema!) Die Aktion selber, die ihr geplant habt, war super: Alle kommen raus, reden zu dem Thema – das ist wichtig –, aber es war so schwach, dass es so langweilig geworden ist. Es tut mir leid, aber es war schade


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um die Zeit, und der „Wiener Zeitung“ hat es auch nichts gebracht. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Auf Kollege Schennachs Ausführungen muss ich noch replizieren: Ich weiß ja nicht, woran das liegt – liegt es an den Debatten, die er manchmal ver­schlafen hat? –, aber wie kann man sich hierherstellen und sagen, dass das „Wiener Zeitung“-Gesetz „das schäbigste Gesetz“ ist, das jemals in dieses Haus gekommen ist? – Das schäbigste Gesetz, das dieses Haus jemals betreten und dann auch noch verlassen hat, war jenes zur Impfpflicht. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.) Lieber Herr Kollege Schennach, du warst da mit von der Partie!

Wenn die SPÖ – ich mache das jetzt stellvertretend für euch von der ÖVP, weil ihr das auch hättet machen können, dass ihr das hier aufzeigt – schon so von der Medienfreiheit, von der Medienvielfalt, von der Pressefreiheit spricht, das hier herinnen als höchstes Gut bei uns stilisiert, dann darf man ein­mal einiges vorlesen, was SPÖ und Medienfreiheit, Medientransparenz so mit sich bringen.

Die SPÖ ist mit – zuhören! – 39 Beteiligungen noch größer im Mediengeschäft als die ÖVP. Das muss man einmal zusammenbringen. Jetzt hat die SPÖ weit mehr Medienbeteiligungen als die ÖVP, stellt sich aber in der Öffentlichkeit noch schlechter als die ÖVP dar – also das muss man auch hinkriegen. Wenn ich so viele Medienbeteiligungen habe, muss ich ja in der Öffentlichkeit gut dastehen, aber die SPÖ schafft es, sich mit 39 Medienbeteiligung noch schlechter darzustellen, als es die ÖVP mit 35 oder 34 Beteiligungen schafft. Jetzt heißt es dann gleich: Nein, nein, so viele Beteiligungen haben wir ja gar nicht!

Das ist alles nachzulesen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ihr müsst es euch jetzt anhören – denn wir haben uns jetzt auch 3 Stunden lang das von euch angehört; es war langweilig (Bundesrätin Schumann: Das ist jetzt ein Geschenk an die ÖVP!); ich werde mich bemühen, das ein bissel mit einem Schmäh zu machen –:


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Erste Medienbeteiligung: „A.W.H. Beteiligungsgesellschaft [...]; Beteiligungsgesellschaft ([...] Gewista) [...]

2. amano media GmbH [...]

3. echo medienhaus ges.m.b.h. [...]

4. echo TV ges.m.b.h. [...]

5. echokom werbeagentur [...]

6. echomedia buchverlag [...]

7. echomedia verlag ges.m.b.h. [...]

8. edition rot Buch & Zeitschriften Handels & Verlags GmbH, Buch- und Zeitschriftenverlag [...]

9. FreeCard Medienservice GmbH; Werbekartenhersteller [...]

10. Goldmann Druck GmbH; Druckerei [...]

11. Gutenberg Druck GmbH; Druckerei [...]

12. GUTENBERG-WERBERING Gesellschaft [...]“ (Bundesrätin Grimling: Na das ist spannend!)

„13. IMAGE Ident Marketing GmbH; keine weiteren Informationen verfügbar“ – warum auch immer (Bundesrat Reisinger: So spannend, Wahnsinn! – Bundes­rätin Grimling: Spannend!) –,

„14. Let’s Print Holding AG; Druckbeteiligungsgesellschaft [...]“ (Ruf bei der SPÖ: Wirklich spannend! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

„15. Leykam – Alpina [...]

16. Leykam – Alpina Verlags- und Vertriebsgesellschaft [...] Beteiligungsunternehmen bis September 2013 [...]


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17. Leykam – Alpina Verlags- und Vertriebsges.m.b.H [...]

18. Leykam Druck GmbH; Druckerei“ (Bundesrat Buchmann – da der Redner das e und das y im Namen Leykam jeweils getrennt ausspricht –: Der heißt Leykam!) – oder Leykam, danke für die Ausbesserung (Bundesrat Kornhäusl: Das ist der Ler­cher! Das ist der Max Lercher!) – und

„19. Leykam Druck GmbH & Co KG [...]

20. Leykam Medien AG [...]

21. Leykam tiskarna [...]; Druckerei (Slowenien) [...]

22. live relations PR und Networking GmbH; PR-Agentur [...]

23. Livetunes Network GmbH [...]

24. Media Süd-Ost Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft [...]

25. Media-Beteiligungsgesellschaft [...]

26. MORAVIAPRESS [...]

27. MORAVIAPRESS [...] in Tschechien [...]

28. NOVA Network MediengmbH [...]

29. PROGRESS Beteiligungsges.m.b.H. [...]

30. Rolling Board Oberösterreich Werbe GmbH [...]

31. seniormedia marketing [...]

32. TROTZDEM Verlagsgesellschaft m.b.H. [...]

33. Tusch-Druck GmbH [...]

34. Verlag Jungbrunnen GmbH [...]

35. vormagazin ges.m.b.h. [...]


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36. VWZ Zeitschriftenverlag Gesellschaft [...]

37. W 2 Beteiligungsverwaltung GmbH [...]

38. Wiener Bezirksblatt GmbH“ und

„39. WIP Reklama [...]“

Na, spannend war es natürlich nicht (Beifall des Bundesrates Schreuder – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ), aber es ist das Gleiche: Schau, ich habe es jetzt in 5 Minuten unspannend gemacht, ihr habt es in 3 Stunden un­spannend gemacht. Das ist der gravierende Unterschied, liebe SPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

Für euch war das natürlich jetzt nicht so spannend, denn ein gut informierter Sozialist weiß natürlich, wo er beteiligt ist, das ist schon klar, aber die Österreicher draußen wissen nicht, wie es die gute sozialistische Partei in Öster­reich mit der Pressefreiheit und der Medienvielfalt so hält, und das ist auch einmal zu sagen.

Man muss zur SPÖ schon noch dazusagen – bevor ich dann zur ÖVP (Ruf bei der ÖVP: Na Gott sei Dank!) und zur Zeitung und zum ORF-Gesetz komme –: Wenn ihr euch in eurem sozialistischen Dasein jemals so für die Österreicher ein­gesetzt hättet wie heute für die „Wiener Zeitung“, dann würden wir bei Weitem anders dastehen, das kann ich euch auch sagen! (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, Sie müssen mir heute nicht zuhören, ich verstehe das schon und ich nehme es Ihnen auch gar nicht übel – wirklich nicht, aus vollem Ver­ständnis heraus –, aber, Frau Minister, wenn Sie mir nur sagen könnten: Was haben denn diese 3 Stunden jetzt für Sie gebracht? Also: Ist die Entschei­dung jetzt leichter gefallen oder wurde sie schwieriger? Wahrscheinlich leichter, könnte ich mir vorstellen. – Na ja, die Frau Ministerin übt vornehme Zurück­haltung. Ich interpretiere es jetzt einmal: Die Entscheidung, das jetzt so


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zu machen, ist ihr leichter gefallen. Also, liebe SPÖ, ihr habt der „Wiener Zei­tung“ mit dieser Aktion auch einen Bärendienst erwiesen. (Bundesrat Buchmann: Deswegen stimmt ihr ja zu, nicht?)

Wenn man jetzt noch zum ORF-Gesetz kurz etwas sagen darf und etwas sagen kann, dann muss man schon sagen – und da, Frau Ministerin, muss ich Sie schon in die Pflicht nehmen, weil das ein Gesetz ist, das keiner - - (Bundesrätin Grimling: Ja! Frau Ministerin!) – Na, Frau Grimling, schreien Sie nicht herein! Sie tun sich ja schon schwer mit dem Herunterlesen. Schreien Sie wenigstens bei anderen nicht auch noch hinein! Bitte nicht!

Also: Das ORF-Gesetz ist ein Skandal, das ist der wahre Skandal bei dem ganzen Gschichtl, denn eine Haushaltsabgabe einzuführen in einer Zeit, in der sich die Leute so und so das Leben nicht mehr leisten können – dann eine Zwangsab­gabe einzuführen! –, das ist der wahre Skandal. Dazu hat man heute 3 Stun­den lang von der SPÖ nichts gehört, aber von der „Wiener Zeitung“ haben Sie uns Artikel vorgelesen aus der Zeit, als sie noch mit Kutschen durch Wien ge­fahren sind. Das ist die Wichtigkeit und die Wertung aufseiten der sozialisti­schen Partei, die eigentlich ursprünglich einmal für die Arbeiter hätte da sein sollen.

Jetzt schaut die Sache anders aus. Jetzt führen wir für den linkslinken Funk eine Zwangssteuer ein, und die SPÖ – (in die Hände klatschend) bravo! – klatscht sich natürlich fleißig einen herunter (Zwischenruf bei der SPÖ), weil ja natürlich die Berichterstattung toll ist, weil es natürlich gut in das linke Gedankengut passt. Ihr habt aber immer noch nicht verstanden, dass ihr mit dieser Einstellung alle eure ehemaligen Wähler verliert. Wer jetzt, in dieser Zeit, bereit ist, eine ORF-Steuer, ‑Zwangssteuer einzuführen, der hat weder Gespür für die Zeit, in der er lebt, noch hat er ein Gefühl für die Personen, die sich das Leben nicht mehr leisten können, noch hat er irgendeinen Funken von Empathie mit den österreichischen Steuerzahler:innen. Das muss man einmal ganz klar in dieser Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Reisinger. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Schade, schade, schade, dass sich die Regierungsparteien zu so einer Zwangs­steuer entschlossen haben. Man muss sich nämlich vorstellen – man kann es ja vergleichen mit der „Wiener Zeitung“; das habt ihr heute nicht gemacht, aber ihr hättet es sagen können, denn es wäre wahrscheinlich sogar um einiges billiger gewesen –: Der ORF bekommt ja jetzt über 800 Millionen Euro an Zwangssteuern, die „Wiener Zeitung“ hätte 34 Millionen Euro im Jahr gekostet. Das heißt, wenn wir den ORF privatisieren und einstampfen und nicht mehr fördern, hätten wir uns als Steuerzahler 746 Millionen Euro erspart. Na, was hätte man mit diesen 746 Millionen Euro alles für die gebeutelten Österreicher machen können!

Auf alle Fälle gibt es jetzt zwei Propagandamedien. Eines hat sich die ÖVP mit der „Wiener Zeitung“ im Bundeskanzleramt gesichert, und eines haben sich die Grünen mit ihrem ORF-Funkerle gesichert, wo nur noch eine Minderheit über eine Mehrheit Bericht erstattet. Das darf man nämlich auch nicht vergessen: Im ORF berichtet eine Minderheit von ein paar linkslinken Ideologen über eine Mehrheit in Österreich!

Überall werdet ihr abgewatscht – bei jeder Wahl, bei jeder Landtagswahl wird die linke Partie abgewatscht, fällt teilweise aus den Landesparlamenten
hinaus –, und ihr habt immer noch nicht verstanden, wo die Probleme sind. Im­mer noch nicht! Überall, von Wahl zu Wahl gibt es eine Wählerwatsche nach der nächsten (Bundesrat Reisinger: Die nächste kriegts ihr! – Bundesrätin Schumann: Die Nächsten seids ihr!), und ihr glaubt immer noch, ihr seid auf dem richtigen Weg. Ich kann euch sagen: Wenn ihr euch nicht zurückorientiert, euch nicht rückbesinnt auf eine ordentliche Politik für die Bevölkerung in Öster­reich, dann geht es euch gleich wie den NEOS in Salzburg, und dann schauen wir einmal! (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, wir, im Gegensatz zu euch, machen Politik, denn in Niederösterreich: zack, Landesabgabe vom ORF weg!, und in Salzburg hat Haslauer jetzt auch klein beigeben müssen (Bundesrätin Schumann: Ja ist die Koalition schon fix?), und natürlich fällt sie in Salz­burg auch. So gehört das gemacht! (Beifall bei der FPÖ.)


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Weg mit der ORF-Zwangssteuer! Wo wir als Freiheitliche Partei einen Wähler­auftrag bekommen, nehmen wir diesen ernst und setzen um – ganz ein­fach, so ist das. Ich weiß, ihr erleidet das schwer, aber ich bin ja nicht der Einzige, der zum ORF sehr kritisch steht.

Jetzt komme ich eh schon zur ÖVP: Ich weiß ja nicht, ob ihr es heute schon gele­sen habt, das ist brandaktuell; der Kollege aus Wien (in Richtung Bundesrat Himmer) muss wissen, was sein Chef Mahrer da heute gesagt hat. Der hat heute in einem Medium, in „Österreich“ gesagt: „Ein Medium mit öffentlich-rechtli­chem Auftrag soll ,beobachten, kontrollieren, bewerten, aber nicht selbst Politik machen‘.“ – Ich gebe ihm völlig recht. Das passiert aber im ORF, leider Got­tes, und die ÖVP schaut dabei immer zu – auch wenn ihr jetzt mit dem Kopf nickt und mir zustimmt. (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Mahrer, der Chef der ÖVP Wien, sagt weiter: Den ORF zu privatisieren, das wäre – im Gegensatz zu Ihrem Gesetz, Frau Ministerin – „ein ehrli­cherer Zugang“.

Das sagt Ihr Kollege, den Sie ja aus dem Nationalrat kennen müssen, weil er da auch einmal drinnengesessen ist, über Ihr Gesetz! Das Wiener Rathaus ist ja gar nicht so weit weg von Ihrem Ministerium, er hätte Sie ja nur anzurufen brauchen. Irgendetwas scheint also bezüglich Messagecontrol in der ÖVP nicht mehr so zu funktionieren, denn sonst würde sich Herr Mahrer zu so einer Aussage nicht hinreißen lassen. Ich gebe ihm aber recht: Eine Privatisie­rung wäre im Gegensatz zu diesem Murksgesetz, das dem österreichischen Steu­erzahler wieder eine neue Steuer einbringt, ein ehrlicherer Zugang gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir schon beim ORF sind, kommen wir einmal zu den Luxuspensionen, die ihr alle, auch die Zuseher, mitfinanziert! Luxuspensionen, Konzernbi­lanz 2021: 118,6 Millionen Euro; Golden Handshakes für Abfertigungen im ORF – die praktizieren das, glaube ich, am häufigsten; Frau Ministerin,


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Sie werden es wissen – in Höhe von 156,6 Millionen Euro; dann kommen noch die Abfertigungen mit 143 Millionen Euro dazu.

Dann gibt es noch die Blackbox ORF. Das muss man sich einmal vorstellen: Ein Staatsfernsehen mit einem Bildungsauftrag, dem es ja überhaupt nicht nachkommt, leistet sich eine Blackbox von über 100 Millionen Euro! Ein Staats­fernsehen! Jetzt macht euch bitte einmal, wenn wir schon beim Bildungs­auftrag sind, die Mühe und schlagt in den Zeitungen auf den hinteren Seiten nach, was dieser ORF den ganzen Tag für ein Programm fährt: Von „Mal­com mittendrin“ bis zu irgendeinem anderen amerikanischen Schwachsinn ist alles dabei. Wenn aber hier herinnen eine Bundesratssitzung stattfindet, läuft im ORF – auf ORF III, eh auf dem Nischensender – die 36. Wiederholung der Wiederholung der „Soko Donau“.

Ihr alle, die ihr da sitzt, beklagt euch immer über die mangelnde Öffentlichkeit des Bundesrates, über die geringe Wertschätzung des Bundesrates, und dann setzt ihr euch hin, Grüne und ÖVP als Bundesräte, und interveniert bei diesem Gesetz nicht einmal! Wenn ich der ORF-Zwangssteuer zustimme, dann verbinde ich das als stolzer Abgeordneter dieses Hauses gefälligst und sage: Wenn wir das machen – wir haben hier herinnen die modernsten Kameras–, dann ist gefälligst jede Sitzung vom ORF zu übertragen, aufgrund des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags, ganz einfach! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch das ist aber wieder nicht passiert, und dann sitzt die SPÖ da und schaut mit großen Augen. Sonst schreien sie immer: Wertschätzung des Bundesrates! – Da ist es plötzlich wurscht. Wenn es um den linken ORF geht (Bundes­rat Obrecht: ..., Oida!), ist das egal, denn es könnte ja sein, dass im ORF plötzlich einmal ein Redebeitrag von einem Oppositionspolitiker oder von jeman­dem, der keine linke Meinung hat, kommt, und das wäre natürlich eine Tragödie. Das muss man auch ganz ehrlich sagen, in euren Augen wäre das eine Tra­gödie, und das ist halt das Traurige.


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Vom Unobjektivismus des ORF brauchen wir gar nicht zu reden. Da wird von „Regierungsbande“ geredet (Zwischenrufe bei der SPÖ) – er hat sich eh entschuldigen müssen –, man ist demokratievergessen. Zum Genderwahn im Übrigen (Bundesrätin Hahn: Material für FPÖ TV!) gibt es eine Umfrage: Das lehnen nämlich über 80 Prozent der Österreicher konsequent ab (Beifall bei der FPÖ – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), und der ORF gendert flei­ßig weiter, verliert auch immer mehr Seher. (Bundesrätin Hahn: Ich nenn’ dich ab sofort Frau Bundesrat, okay?) – Ja, da könnt ihr schon reinschreien: „für FPÖ TV!“ – FPÖ TV ist ein Sender, der die Bürger wirklich noch informiert (Ah-Rufe und Heiterkeit bei der SPÖ), im Gegensatz zum ORF. So schaut’s aus! (Beifall bei der FPÖ.) Ja natürlich!

Wo war der ORF in der Coronazeit mit einer sachlichen Berichterstattung? Wo war er? Wir als FPÖ TV haben die Bürger informiert, und wir haben in allem, was wir berichtet haben, Recht behalten – in allem! (Demonstrative Heiter­keit der Bundesrätinnen Hahn und Schumann. – Beifall bei der FPÖ.)

Beim Impfzwang war der ORF mit dabei. Ihr wart sowieso alle mit dabei; am Gang draußen habt ihr gejammert: Die schlimme Impfpflicht!, dann seid ihr hereingegangen und habt zugestimmt. Wir haben ordentlich informiert – ordentlich, sauber und korrekt. (Bundesrätin Schumann: Ah! – Bundesrätin Hahn: Eure schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich ...!) Und jetzt im Nachhinein sitzt ihr da und plärrt laut herein und sagt: Ein Wahnsinn, ein Wahnsinn! – Wir haben den Scheiß nicht verzapft, das wart ihr als Regierungsanhängsel. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, nein! Nein, nein! Ihr habt überall mitgestimmt, bei jeder Schweinerei, die in Coronazeiten passiert ist. Überall! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich erinnere nur an die Brieflosshow quasi mit dem Lotterierädchen – Impfpflicht –, da hat man ein Haus gewinnen können. Man muss sich das einmal vorstellen: Der ORF hat ein Haus verlost! Wer sich impfen lässt und seinen Impfpass einschickt, hat die Chance, ein Haus zu gewinnen. Eine Verlosung


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wolltet ihr machen, gemeinsam mit dem ORF. Für solche Wahnsinnigkeiten ist der ORF benutzt worden oder auch freiwillig dabei gewesen – keine Ahnung.

Es ist halt schade – das sage ich euch –: Jetzt habt ihr einen ÖVPler als Generaldirektor im ORF sitzen, aber so links, wie der ORF unter diesem ÖVPler ist, war er unter Wrabetz, unter dem linken Wrabetz, nicht. Das muss man auch einmal ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Reisinger.)

Wirklich frei berichten in diesem Land (Bundesrätin Hahn: Schwurbelberichte!) nur noch die alternativen Medien, ob links, Mitte oder rechts, das sind die letz­ten noch übrigen freien Medien in diesem Land, die nicht gesteuert werden. Der ORF ist mittlerweile links versifft, das ist eine Minderheit, und wer die Haushaltsabgabe wieder abschaffen will, kommt nicht daran vorbei, bei der nächsten Nationalratswahl die Freiheitliche Partei zu wählen, das ist ein klares Signal. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf enden wie eine ihrer grünen Kolleginnen im Nationalrat: Und übrigens bin ich der Meinung, dass diese Regierung samt vielen Abgeordneten zu­rücktreten soll. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.36


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, nehme ich mir heute als Präsident das Recht heraus, Ihnen auch etwas auszurichten.

Sie haben vorhin Bundesrätin Elisabeth Grimling, eine sehr lang dienende Bundesrätin, insofern beleidigt, dass Sie gesagt haben, sie könne nicht einmal ordentlich lesen. – Ich finde, wenn Sie hier von „Wertschätzung“ sprechen (Bundesrat Steiner: Hab’ ich nicht!), dann sollten Sie diese Wertschätzung leben. (Bundesrat Steiner: Ich hab’ nicht von Wertschätzung gesprochen! – Die Bun-


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desrät:innen Hahn, Reisinger und Schumann: Das hast du wortwörtlich gesagt!) Be­sudeln Sie nicht den Bundesrat! (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Abgeord­neten der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich darf heute eine Gruppe hier begrüßen, und zwar die SPÖ-Frauen Bruck-Mürzzuschlag. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Fraktionsvorsitzende Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.37.51

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist halt schade, wenn man nicht einmal Op­position kann. Und das kann die FPÖ nicht (Heiterkeit bei der FPÖ), denn das Ein­zige, was die FPÖ zusammenbringt, ist laut zu sein (Zwischenruf des Bundes­rates Steiner), und laut zu sein bedeutet noch nicht, gescheit zu sein. Nein, nein, nein, nein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man kann man viel und laut reden, aber der Untertext ist das Interessante (Bundesrat Steiner: Ja eben!), das, was mit verpackt wird. (Bundesrat Steiner: Ja! Ja!) Das war ein absolutes Angebot an die ÖVP (Bundesrat Steiner: Ja su­per! – Zwischenruf der Bundesrätin Doppler): Bitte nehmts uns! (Bundesrat Steiner: Das nächste Mal ...!) Bitte gemeinsam, die Koalition nicht nur in den Ländern, bitte auch die Koalition im Bund! (Bundesrätin Hahn: ... Niederösterreich ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) – So eindeutig war das. Nichts anderes war diese Rede. Da kann man herumschwurbeln, da kann man aus einem Rech­nungshofbericht von 2013 falsche Zahlen nehmen – alles egal. Hauptsache, man haut hin. (Bundesrat Spanring: Was der Rechnungshof sagt, ...?!)

Da frage ich mich schon: Warum muss man denn gar so auf die andere Opposi­tionspartei hinhauen, auf die SPÖ? – Das ist schon erstaunlich. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Schartel. – Bundesrat Spanring: Ein Rechnungshofbe­richt ... falsche Zahlen ...!) Da muss man sich schon ordentlich fürchten, wenn die


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SPÖ stark wird. Die SPÖ ist stark (Bundesrat Steiner: Ja!), und die SPÖ wird noch einmal stärker werden! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ha, ihr werdet euch noch ganz, ganz stark wundern, weil die Menschen, die jetzt nichts im Geldbörsel haben - - (Bundesrat Steiner: Babler vor! Babler vor! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) – Ja, Herr Steiner, laut sind wir! Aber wir sind in einem kleinen Spalt drinnen, Herr Steiner, weil wir nicht recht wis­sen: Wo sollen wir uns denn jetzt hinlehnen? Sollen wir Opposition machen oder sollen wir doch der ÖVP für alle Koalitionen den Steigbügel halten? (Anhal­tende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mein Gott, das ist ein schweres Leben, da hauen wir lieber auf die Roten hin! – Das ist aber der falsche Weg, denn die Sozial­demokratie ist in ihrer ganzen Geschichte immer zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gestanden (Beifall und lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ), und die Sozialdemokratie hat auf die Pensionistinnen und Pensionisten geschaut.

Mit euch gäbe es kein Arbeitsrecht, mit euch gäbe es kein Recht für die Beschäftigten, sondern ihr habt alles abgedreht. (Bundesrätin Hahn: 12-Stunden-Tag! 60-Stunden-Woche! Sozialversicherungsentfernung von Kickl!) Wo ist sie, die Patientenmilliarde? – Die 60-Stunden-Woche, den 12-Stunden-Tag einge­führt, die verkürzten Ruhezeiten (Bundesrätin Hahn: Sozialversicherung! ÖGK!), die Rechte der Arbeitnehmer:innen in der Sozialversicherung abgeschafft: Danke, liebe FPÖ! – So schaut es aus.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind jetzt sicher auf einem Weg der Erneuerung, aber wir werden aus dem stark herausgehen. Da kann Herr Steiner in jeder Rede plärren, so viel er will: Wirklich herauskommen tut nichts, außer ein Steigbügelhalten für die ÖVP, die man in allen Reden über Jahre kritisiert hat – außer peinlich ist das nichts mehr. (Bundesrat Steiner – die Hand hebend –: Zur Geschäftsordnung!) Möge es Ihnen helfen! Der Bevölkerung in Österreich hilft es sicher nicht, sondern der hilft nur eine starke Sozialdemo­kratie. – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

13.40



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Präsident Günter Kovacs: Danke schön, Frau Bundesrätin.

Zur Geschäftsordnung gemeldet: der Fraktionsvorsitzende der FPÖ, Christoph Steiner. – Bitte.

*****


13.40.48

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich will nur festhalten: Nach 3 Stunden Einschlafen war jetzt wieder ein bissel Frische im Bundesrat. – Herzlichen Dank dafür. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.41

*****

13.41.00


Präsident Günter Kovacs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debat­te ist geschlossen.

Wir kommen nun bitte zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tages­ordnungspunkte getrennt erfolgt. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes.

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates samt der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Hierzu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.


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Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ – ist gleich Einspruch – oder „Nein“ – ist gleich kein Einspruch. Ich bitte um deutliche Äußerung.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alpha­betischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Böhmwalder geben die Bundesrät:innen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****


Präsident Günter Kovacs: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“.

Herzlichen Dank. Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

13.47.02*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13.47 Uhr unterbrochen und um 13.48 Uhr wieder aufgenommen.)

13.48.13*****


Präsident Günter Kovacs: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 144

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, bei 60 abgegebenen Stimmen 29 „Ja“-Stimmen und
31 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag auf Erhebung eines Einspruches ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesrät:innen:

Arlamovsky, Arpa;

Babler, Bernard;

Doppler;

Egger-Kranzinger;

Fischer;

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn, Hübner;

Kofler, Kovacs;

Lancaster;

Mertel;

Obrecht;

Pröller;

Reisinger;

Schachner, Schartel, Schennach, Schmid, Schumann, Spanring, Steiner, Steinmaurer;

Theuermann.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 145

Mit „Nein“ stimmten die Bundesrät:innen:

Böhmwalder, Buchmann;

Ebner, Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Göll, Gross;

Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Huber, Hutter;

Jagl;

Kaltenegger, Kittl, Kornhäusl;

Lassnig;

Miesenberger;

Neurauter;

Platzer, Prügl;

Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Stillebacher, Stotter;

Tiefnig;

Wolff;

Zauner, Zeidler-Beck.

*****


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Es ist auch hierzu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 146

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ – ist kein Einspruch – oder „Nein“ – ist Einspruch. Ich bitte um deutliche Äußerung.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alpha­betischer Reihenfolge. – Bitte.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Böhmwalder geben die Bundesrät:innen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

******


Präsident Günter Kovacs: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein“. Die Stimmabgabe ist somit beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

13.53.09*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13.53 Uhr unterbrochen und um 13.54 Uhr wieder aufgenommen.)

13.54.05*****


Präsident Günter Kovacs: Ich nehme somit die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, bei 60 abgegebenen Stim­men 31 „Ja“-Stimmen und 29 „Nein“-Stimmen.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 147

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen. (Bundesrätin Schumann: Das Ende der „Wiener Zeitung“!)

Mit „Ja“ stimmten die Bundesrät:innen:

Böhmwalder, Buchmann;

Ebner, Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Göll, Gross;

Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Huber, Hutter;

Jagl;

Kaltenegger, Kittl, Kornhäusl;

Lassnig;

Miesenberger;

Neurauter;

Platzer, Prügl;

Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Stillebacher, Stotter;

Tiefnig;

Wolff;

Zauner, Zeidler-Beck.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesrät:innen:

Arlamovsky, Arpa;

Babler, Bernard;

Doppler;


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 148

Egger-Kranzinger;

Fischer;

Gerdenitsch; Grimling; Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn, Hübner;

Kofler, Kovacs;

Lancaster;

Mertel;

Obrecht;

Pröller;

Reisinger;

Schachner, Schartel, Schennach, Schmid, Schumann, Spanring, Steiner, Steinmaurer;

Theuermann.

*****


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz und Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums, das Medienkooperations- und -förderungs-Transparenz­gesetz sowie das KommAustria-Gesetz geändert werden.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglie­der und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stim­men zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 149

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mit­glieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich natürlich auch die verfassungsmäßig erforderliche Zwei­drittelmehrheit fest. (Bundesrat Steiner: Wer sich wohl anbiedert?! – Bundes­rätin Schumann: Ihr seids das!)

13.55.533. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein FWIT-Rat-Gesetz erlassen wird und das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz, das Inno­vationsstiftung-Bildung-Gesetz, das FTE-Nationalstiftungsgesetz sowie das Universitätsgesetz 2002 geändert werden (FWIT-Rat-Errichtungsgesetz – FREG) (1927 d.B. und 1997 d.B. sowie 11226/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 150

Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Ich bitte um den Bericht.


13.56.10

Berichterstatterin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein FWIT-Rat-Gesetz erlassen wird und das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz, das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz, das FTE-Nationalstiftungsgesetz sowie das Universitätsgesetz 2002 geändert werden.

Im Wesentlichen geht es dabei um die Schaffung eines Rates für Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte sehr, Frau Bun­desrätin.


13.57.03

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! In aller Kürze: Worum geht es bei dem vorliegenden Gesetz­entwurf? – Es sollen also jetzt auf der einen Seite der Wissenschaftsrat und


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auf der anderen Seite der Rat für Forschung und Technologieentwick­lung zu einem neuen Konstrukt zusammengelegt werden. Es soll dann der so­genannte Forschungs-, Wissenschafts-, Innovations- und Technologieent­wicklungsrat daraus entstehen.

In aller Kürze, es ist wenig überraschend: Ich bin als Kontrarednerin eingetragen, also wird es auch nicht sehr überraschend sein, dass wir nicht zustimmen werden, denn: Warum soll das passieren? Wir haben auch im Ausschuss nach­gefragt, uns gut informieren lassen und, ja, durchaus plausible Antworten bekommen – das muss ich zugeben und muss ich zugestehen. Es soll also die Effizienz in der Forschungsarbeit gesteigert werden, es sollen Synergieef­fekte genützt werden, es sollen Einsparungen möglich werden. – D’accord, da wären wir in irgendeiner Form schon dabei, da hätten wir schon auch zu­stimmen können. Es ist, glaube ich, durchaus eine sinnvolle Geschichte, wenn man Synergieeffekte schaffen kann.

Allerdings ist man uns durchaus die Auskunft schuldig geblieben, in welchen Bereichen diese Einsparungen vorgesehen sind. Diesbezüglich haben wir nicht wirklich Informationen erhalten. Wir wissen lediglich – und das haben Sie auch selbst (in Richtung Bundesminister Polaschek) in der letzten Nationalrats­sitzung so kundgetan –, dass immerhin die Kosten von 2,65 Millionen Euro auf 2,34 Millionen Euro gesenkt werden sollen. Wir sprechen hier von einer Einsparung von sage und schreibe 310 000 Euro.

Das ist jetzt natürlich für Herrn und Frau Österreicher, die gerade unter einer Wahnsinnsinflation leiden – wir haben heute schon mehrfach davon ge­sprochen –, ein Wahnsinnsbetrag. Man kann sich ausrechnen, was man mit 310 000 Euro alles finanzieren könnte, wie vielen Familien man damit unter die Arme greifen könnte – das ist natürlich das eine. Wenn ich mir aber in An­betracht dessen, was wir heute schon gehört haben, und im Vergleich dazu an­schaue, wie viel denn zum Beispiel die Ausgaben des Bundeskanzleramts für PR (Bundesrätin Platzer: In Wien!) oder auch die Medienförderung für diverse Medien, die der Bundesregierung vielleicht ein bisschen gewogener sind als


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andere, ausmachen, dann, würde ich meinen, sind die 310 000 Euro eher lächer­lich, wenn man es im großen Ganzen sieht. Im Großen und Ganzen kann das sozusagen nicht das Argument dafür sein, diese Zusammenlegung jetzt durchzuführen.

Was soll seine Aufgabe sein? – Das steht ja auch so im Gesetz: Der neue Rat soll erstmals die gesamte Bundesregierung zu universitärer und außeruniversitä­rer Forschung beraten, von der Grundlagenforschung bis zur Technolo­gieentwicklung – auch da sind wir d’accord. Es geht um die FTI-Strategie, auch da wären wir dabei.

Wenn wir uns jedoch genauer anschauen, wie dieser Rat bestellt werden soll – wir haben jetzt erfahren, er soll zwölf Mitglieder haben, davon wird ein Mitglied vom Bundeskanzler vorgeschlagen, sechs Mitglieder werden vom Bildungsminis­terium vorgeschlagen, vier vom Umweltministerium und ein Mitglied wird erstmals vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagen –, muss ich gestehen, dass bei mir und bei der gesamten Sozialdemokratie die Alarmglocken schrillen.

Wenn sich Wirtschaftsminister Kocher freut, wird man hellhörig. Ich kann wirklich nur hoffen – und wir werden in Zukunft ganz intensiv ein Auge darauf haben –, dass die Wirtschaft nicht bestimmt, wohin sich Wissenschaft und Forschung entwickeln sollen. Ich darf an die Freiheit der Wissenschaft erinnern; wir hatten das auch an anderer Stelle schon wiederholt. Wie gesagt, wir werden das ganz genau beobachten.

Ein weiterer Punkt, bei dem uns nicht ganz klar ist, warum man das tut: Wozu soll es jetzt auch noch einen Aufsichtsrat geben? Wozu es diesen braucht, ist uns nicht wirklich klar und schlüssig erklärt worden, das geht auch aus dem Ge­setz nicht hervor. Für uns impliziert es eigentlich eher, dass der Rat dann mehr als eine Berateraufgabe haben wird. Da steht dann die Frage im Raum, ob der Aufsichtsrat letzten Endes auch Forschungsaufträge vergeben soll. – Wir wissen es nicht.


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Alles in allem ist vieles unklar. Grundsätzlich wären wir dabei, wir könnten auch durchaus zustimmen, aber die Unklarheiten überwiegen leider, und daher wird es auch in diesem Fall keine Zustimmung von uns geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.01


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Mittlerweile bei uns eingetroffen ist Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dipl-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte.


14.02.16

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­hende! Ich glaube, wenn sich in den letzten Jahren eines gezeigt hat, dann ist das, dass Wissenschaft und Forschung wichtige Faktoren sind, die einer Ge­sellschaft helfen, Krisen zu bewältigen. Gerade im Zusammenhang mit der Klimakrise – ich kann es gar nicht oft genug betonen – sehe ich auch ganz klar Chancen für die heimische Wirtschaft. Die vorliegende Novelle ist der letzte Puzzlestein in der konsequenten Umsetzung des aktuellen Regierungspro­gramms im Bereich Forschung und Innovation.

Ich möchte auch hier noch einmal kurz in Erinnerung rufen, was wir schon gemeinsam erreicht haben: das Forschungsfinanzierungsgesetz, die
FTI-Strategie 2030, den FTI-Pakt 2021–2023 und selbstverständlich auch die Errichtung des Austrian Micro Data Center bei der Statistik Austria.

Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle – Kollegin Hahn hat das schon kurz ausgeführt – sollen jetzt der Wissenschaftsrat und der Rat für Forschung und Technologieentwicklung durch ein einziges Gremium ersetzt werden, näm­lich durch besagten Rat für Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung.


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Warum ist dieser Punkt so wesentlich? – Wir schaffen damit erstmals ein einziges Gremium, das quasi als Stabsstelle direkt an der höchsten politischen Entscheidungsebene installiert wird; ein einziges, breit aufgestelltes Ex­pert:innengremium, das die gesamte Bundesregierung berät und als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Forschung, Innovation und Politik fungiert. Genau das ist der zentrale Punkt und genau deshalb verstehe ich es beim besten Willen nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, warum ihr euch so dagegen sträubt.

Natürlich wird es auch Einsparungen geben, schon allein aufgrund dessen, dass durch die Zusammenlegung die Zahl der Ratsmitglieder verringert wird. Das ist aber für mich nicht der wesentliche Punkt. Was für mich viel wichtiger ist, ist, dass wir, um die Herausforderungen der Zukunft zu lösen und letzt­lich beispielsweise auch die Klimakrise in den Griff zu bekommen, die Wissenschaft und die Forschung brauchen. Es geht darum, dass wir in Österreich ein Klima schaffen, in dem Spitzenforschung in unserem Land betrieben wer­den kann, ein Klima, in dem wir innovativen Unternehmen die idealen Vorausset­zungen geben, um sich bei uns ansiedeln zu können, sich neu gründen zu können und auch wachsen zu können. Ich denke, dass dieses zentrale Gremium, dieser fachlich breit aufgestellte Wissenschafts- und Forschungsrat wichtige Impulse dafür direkt an die Politik weitergeben kann – und vice versa.

Ich bin der Ansicht, wir brauchen dieses Gremium, um die österreichische Inno­vationslandschaft bestmöglich auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten. Wir stärken dadurch den Wirtschaftsstandort Österreich nach­haltig, denn Fakt ist: F&E-intensive Unternehmen wachsen schneller, schaffen mehr Arbeitsplätze und sind wesentlich krisenrobuster. Diese sinnvolle und wichtige Maßnahme, die wir heute beschließen, ist der letzte Puzzle­stein in der Umsetzung des Regierungsprogramms im Bereich Forschung und Innovation, und ich bitte daher wirklich um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.05



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Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Alexandra Platzer. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.05.56

Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Meine Vorrednerin hat mir jetzt nicht mehr recht viel übrig gelassen. Der Hauptzweck dieses FWIT-
Rat-Errichtungsgesetzes ist es, wie sie bereits ausgeführt hat, die Zusammenar­beit von Wissenschaft, Industrie und Regierung zu verbessern.

Grundsätzlich geht die Strukturbereinigung auf ein OECD-Review zur FTI-Stra­tegie – zur Strategie für Forschung, Technologie und Innovation – Öster­reichs zurück. Darin ist die Zusammenlegung der Räte aus verschiedenen Grün­den empfohlen worden, zum Beispiel um die wirtschaftliche Komponente in diesem neuen Gremium zu stärken oder um durch die Bündelung Synergieef­fekte zu erzielen und eine Anbindung an die höchste politische Ebene zu schaffen.

Die Hauptaufgabe des Rates soll darin bestehen, die österreichische Bundesre­gierung zukünftig in Fragen der Forschung, der Wissenschaft und der Erschließung der Künste zu beraten, und dies wird durch die Schaffung des neuen Forschungs- und Technologierates mit zwölf Mitgliedern erreicht. Sinnvollerweise setzt sich dieser Rat aus Vertretern der Wirtschaft, Experten aus der Grundlagenforschung und explizit auch Mitarbeitern aus den Interessen­vertretungen zusammen. Genau diese Funktionäre brauchen wir: Wir brauchen die wichtige Fachexpertise, wir brauchen die Praxis und wir brauchen das Gespür für den Markt und die Innovationen, die sie mitbringen, in die­sem Gremium.

Kollegin Hahn, ich habe nicht ganz verstanden, warum die Vertreter der Wirtschaft gleich wieder in Sippenhaftung genommen werden. (Bundesrätin


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Hahn: Die Erfahrung der letzten Monate und Jahre macht uns sicher!) Sie ken­nen keine Namen beziehungsweise gibt es noch gar keine. Weder gibt es Namen noch gibt es irgendwelche Entsandte für den neuen Rat und Sie haben schon Vorurteile, sind negativ und ablehnend. Das ist eigentlich nicht wirklich fair. (Bun­desrätin Schumann: Was heißt „fair“? Es geht um die Gewaltenteilung! Wer ver­tritt welche Interessen?) Wie Sie auch im Ausschuss von den Experten gehört ha­ben, sind Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung nicht Mitglieder der Rats­versammlung.

Mit diesem Gesetz werden auch die Bedingungen für die Bewilligung von Forschungsförderungen verbessert, die Fachexpertise aus den bisher sehr kompetenten Räten wird zukünftig gebündelt und nebenbei wird noch Einsparungspotenzial genützt. Die Schaffung dieses Umfeldes wird hof­fentlich auch in Zukunft gewährleisten, dass neue Produkte, Technologien, die für unser Land wesentlich sind, entwickelt werden können, dass sich for­schungsintensive Unternehmen weiterhin in Österreich ansiedeln und unser Land und die österreichische Wirtschaft voranbringen.

Insgesamt glaube ich, dass die Errichtung dieses neuen FWIT-Rates ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist und wir durch die Förderung von Wirtschaft und Forschung weiterhin in der Lage sein werden, führende Innovatoren in Europa sein zu können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.09


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.09.17

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher hier im Saal und vor den Bildschirmen! Heute beschließen wir ein Gesetz über die Zusammenlegung


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von zwei Räten, um in Zukunft einen gemeinsamen Forschungs- und Wis­senschaftsrat zu haben, dessen Aufgabe darin besteht – es wurde bereits er­wähnt –, in Fragen der Forschung und der Wissenschaft zu beraten.

Die beiden bestehenden Räte haben ihre Berechtigung gehabt und haben aus­gezeichnete Leistungen erbracht, zumal es in Österreich eine sehr zersplit­terte Forschungsförderungsstruktur, Forschungsinfrastruktur und auch Forschungsinstitutionsstruktur gibt. Es sind sehr viele Ministerien dafür verantwortlich, umso besser, wenn das zusammengeführt wird.

Mit dem Gesetz machen wir eine Strukturbereinigung und legen auch die Stand­orte zusammen, wodurch in Zukunft auch Kosten gespart werden.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die an die 20 Jahre oder länger in den jeweiligen Räten tätig gewesen sind.

Die FPÖ hat bereits vor acht Jahren – sie war eine der Ersten – mit einigen Anträgen gefordert, eine Zusammenlegung anzudenken. Es war an der Zeit dafür und jetzt wird es gemacht. Gut so.

Darüber, wie das zustande kommt und in welcher Form man die Institution implementiert, kann man natürlich geteilter Meinung sein, Frau Kollegin Hahn. Wichtig ist, dass man zukünftig eine einheitliche Institution schafft, damit man die zukünftigen Tätigkeiten gut aufnehmen kann. (Zwischenruf der Bundes­rätin Hahn.)

Viele internationale Unternehmen haben wichtige Forschungsaktivitäten nach Österreich verlegt und deswegen brauchen wir in Zukunft umso mehr ein breites Gremium, das international und mit Vertretern von einem breiten Wissensge­biet besetzt wird.

Wir werden dieser Vorlage zustimmen, weil wir hoffen, dass es damit eine we­sentliche Verbesserung geben kann.


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Geschätzter Herr Minister, ich ersuche Sie beziehungsweise die gesamte Bundesregierung, kluge und keine parteipolitischen Entscheidungen – das wird schwierig, ich weiß – darüber, wen Sie in den Rat nehmen und wen Sie in den Aufsichtsrat entsenden, zu treffen. Es gibt zwar auf der einen Seite die Un­vereinbarkeitsbestimmung mit politischen Funktionen, die wir als sehr sinn­voll erachten und die auch notwendig ist, aber in Zukunft sollten wir gerade auch bei gesetzlichen Interessenvertretungen Schranken setzen. Die Interessen­vertreter haben schon beim Gesetzentwurf mitgewirkt und sind ohnehin ständig in den Ministerien. Ich glaube daher, dass wir sie nicht auch noch in den Bera­tungsgremien brauchen.

Herr Minister, vermutlich werden Sie und Ihr Koalitionspartner auch da keine Einigung finden, auch bei der Wettbewerbsbehörde und beim Verwal­tungsgericht gibt es ja immer noch keine Entscheidungen über die Nachfolge. (Bundesrat Schennach: Ich weiß, ihr seid in den Startlöchern! – Bundesrätin Schumann: Ihr seid in den Startlöchern, ist schon okay!) Das zeigt umso mehr, dass die Koalitionsparteien nichts mehr weiterbringen, sogar bei der Postenbe­setzung, um nicht zu sagen: der Postenschacherei. (Bundesrat Schennach: Ihr hät­tet gerne die Posten!) Sie sind uneinig und zerstritten. Beenden Sie daher den Stillstand und treten Sie zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

14.12


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Polaschek zu Wort ge­meldet. – Bitte, Herr Minister.


14.12.46

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wör­ter wie Postenschacherei und so weiter möchte ich strikt von mir weisen. Die Bundesregierung ist am Arbeiten, legt ständig gute Projekte vor. (Bundesrat


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Spanring: Das müssen wir aber der Gewessler im Ministerium sagen! – Bun­desrätin Hahn: Ich erinnere mich an die Uni Linz! Da war was!) – Danke für die Zwi­schenrufe. (Bundesrat Spanring: Bitte, gerne!) Ich komme von einer Univer­sität, dort ist es üblich, dass man Menschen ausreden lässt und sich dann erst zu Wort meldet, aber das ist ja nicht Ihr Stil. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte aber über das vorliegende Gesetz sprechen: Dieses Gesetz beruht auf einer Empfehlung der OECD und die bisher bestehenden Räte wur­den intensiv eingebunden. Auf Basis dieses intensiven Einbindungsprozesses kam es schließlich zur Schaffung eines gemeinsamen Rates, der nun mit einer Stimme für alle Bereiche spricht. Dieser neue Forschungs-, Wissenschafts-, Innovations- und Technologieentwicklungsrat löst insbesondere die beiden großen Räte, nämlich den Österreichischen Wissenschaftsrat und den Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung, ab. Und dieser Rat wird als Be­ratungsgremium für die gesamte Bundesregierung zur Verfügung stehen. Die Beratung erfolgt inhaltlich autonom, weisungsfrei und wird evidenzba­siert politische Entscheidungen unterstützen. (Bundesrätin Hahn: Die evidenz­basierten Entscheidungen ...!)

Weil das angesprochen worden ist: Damit dieser Rat sich wirklich ganz konkret auf seine inhaltlichen Aufgaben konzentrieren kann, wird ihm ein Aufsichts­rat zur Seite gestellt. Dieser Aufsichtsrat wird sich um die administrativen und wirtschaftlichen Angelegenheiten kümmern, insbesondere etwa um die Ausschreibung und Bestellung einer Geschäftsführung.

Dadurch, dass die beiden Geschäftsstellen der Räte zusammengelegt werden, dass Mieten für Räumlichkeiten wegfallen und dass jetzt zwei Räte mit vie­len Mitgliedern zu einem Rat zusammengelegt werden, fallen Reisekosten und so weiter in erheblichem Ausmaß weg. Die Kosteneinsparung ist sicher nicht das Hauptziel, aber ich denke, es ist auch keine Schande, dass wir mit der Zu­sammenlegung der Räte einige Hunderttausend Euro pro Jahr einsparen. Ich sehe darin keine Schande und ich denke, wir müssen uns dafür nicht ent­schuldigen.


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Im Gegenteil: Dieser Rat wird bestehende Expertise bündeln. Dieser Rat hat die Möglichkeit, sich nun wirklich mit einer Stimme zu den zahlreichen Themen in Forschung, Wissenschaft und Innovation zu Wort zu melden, und wir werden alle davon profitieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.15


14.15.20

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.15.444. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts (1903 d.B. und 1998 d.B. sowie 11227/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutz­gesetz 1990 und das Patentamtsgebührengesetz geändert werden (1955 d.B. und 1999 d.B. sowie 11228/BR d.B.)



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Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 4 und 5 ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Ich bitte um die Berichte.


14.16.12

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Patentge­setz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutzgesetz 1990 und das Patentamtsgebührengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.17.24

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause vor den Fernsehge­räten! Die Tagesordnungspunkte 4 und 5 werden gemeinsam abgehandelt. Zu Punkt 4 – betreffend das Einheitliche Patentgericht – wird es die Zustim­mung der FPÖ-Bundesratsfraktion geben. Die Schaffung eines Einheitlichen Pa­tentgerichts ist zu begrüßen, da es auf dem derzeitigen Patentmarkt beträcht­liche Unterschiede zwischen den Gerichtssystemen gibt.

Über die Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes mitsamt dazugehörigem Streitregelsystem wird schon längere Zeit verhandelt. Da es immer wieder Probleme bei der Übersetzung gab, einigte man sich im Jahr 2000 auf die drei Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch. Ein Streitregelsystem fand damals leider keine Mehrheit.

Im Jahr 2004 wurde dann ein überarbeitetes Streitregelsystem vorgelegt. Das Patentgericht sollte eine erste und zweite Instanz sowie eine Gerichts­kanzlei umfassen.

Durch das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon im Jahr 2009 erfolgte die Umbenennung in EU-Patent.

Seit dem Jahr 2000 wird ständig über verschiedene Details diskutiert. Das Übereinkommen wurde dann schließlich am 20. Jänner 2015 von der damaligen Bundesregierung unterzeichnet.

Mit der Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts wird ein langjähriger Wunsch der Wirtschaft erfüllt.

Zu Tagesordnungspunkt 5 ist Folgendes festzuhalten: Das Übereinkommen zur vorläufigen Anwendung des Einheitlichen Patentgerichts ist dargestellt als


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Artikel 1: vorläufige Anwendung, Artikel 2: Unterzeichnung und Zustimmung, und Artikel 3: Inkrafttreten.

Neben notwendigen Anpassungen aufgrund des Einheitspatents und wesentlichen Verfahrensänderungen im nationalen Patent- und im Markenrecht ist das politisch wirklich relevante Thema die beabsichtigte innerstaatliche Verschärfung von Bestimmungen zur Erteilung von Biopatenten.

Insgesamt gesehen handelt es sich bei dieser Regierungsvorlage um einen politischen Etikettenschwindel. (Beifall bei der FPÖ.) Vor diesem Hintergrund ist es geradezu lächerlich, wenn die Ministerin verlautbart, mit den Änderun­gen im österreichischen Patentrecht schiebe sie dem internationalen Interesse einen Riegel vor.

Die FPÖ hat schon seit jeher einen restriktiven Standpunkt bei der Erteilung von Biopatenten eingenommen. So erfolgte die Einschränkung der Patentierbar­keit biotechnologischer Erfindungen erstmals 2005 unter Minister Gor­bach, nachdem die vorherige Regierung untätig gewesen war.

Tendenziell nehmen Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt zu, beim Österreichischen Patentamt leider um circa 10 Prozent ab. Damit schwindet auch die Bedeutung des nationalen Patentrechts.

In der Diskussion entstanden bei uns mehrere Fragen, die eine Zustimmung verunmöglichen: Welche Möglichkeiten wird die Republik in Zukunft haben, um die Wirksamkeit eines vom EPA erteilten, jedoch dem nationalen Recht widersprechenden Bioeinheitspatent für Österreich zu verhindern? Das bedeu­tet im Ergebnis, dass für das Staatsgebiet der Republik Österreich auch Pa­tente, insbesondere Biopatente, gelten, die dem nationalen Recht widersprechen und daher nach nationalem Recht nie hätten erteilt werden dürfen.

Kurzes Fazit: Der von Ministerin Gewessler da eingeschlagene Weg ist meiner Meinung nach bestenfalls eine Diskussionsgrundlage. (Beifall bei der FPÖ.) Diese Vorlage wird jedoch für selbstbeweihräuchernde Pressemitteilungen und


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Medienauftritte verwendet. Ihr Spruch: Ich verhindere Patente auf Leben!, ist in der Sache nutzlos und lachhaft. Für uns ergibt sich vielmehr der Eindruck, die Ministerin will das von ihren Grünen vereinnahmte Thema nutzen, um ihr Wählerklientel zurückzuholen. Die FPÖ-Bundesratsfraktion wird dem Antrag zu Tagesordnungspunkt 5 daher nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.22


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.22.40

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Zusehende! Wir haben es schon gehört: Wir beschließen heute mit diesem Staatsvertrag und in weiterer Folge auch mit den Begleitmaßnahmen zur Ein­führung des Einheitspatents wirklich einen Meilenstein.

Es geht um die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts. Damit stellen wir sicher, dass die Patentinhaberinnen und die Patentinhaber ihre Patente vor einem einzigen Gericht, dem Einheitlichen Patentgericht, durchsetzen und ver­teidigen können.

Wir schaffen mit dieser Novelle einen einheitlichen europäischen Patentraum, denn mit diesem Einheitspatent, das wir heute beschließen, kann man in Zukunft mit nur einem einzigen Schritt beim Europäischen Patentamt Patentschutz in bis zu 17 europäischen Ländern erlangen. Das ist eine enorme Erleichterung für die Erfinderinnen und Erfinder und bewirkt eine deutliche Beschleunigung der Verfahren beim Patentamt.

Mit der heutigen Patentrechtsnovelle setzen wir aber auch noch einen weiteren sehr wichtigen Schritt um: Als erster Staat in Europa engen wir den Spielraum für Patente auf Pflanzen und Tiere mit einer umfassenden Definition stark ein.


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Im Europäischen Patentübereinkommen sind nur Kreuzung und Selektion explizit als Beispiele für konventionelle Züchtungsmethoden genannt, die von der Pa­tentierbarkeit ausgeschlossen sind. Das ist ein leider sehr großes Schlupf­loch. Wir gehen heute hier einen Schritt weiter, verschärfen diese Definition und schließen wirklich alle Prozesse aus, die auf natürlichen Phänomenen beru­hen. Neben Kreuzung und Selektion sind das auch in der Natur stattfindende zu­fällige Genveränderungen sowie die nicht zielgerichtete Mutagenese. Was versteht man darunter? – Bei der nicht zielgerichteten Mutagenese wird eine Pflanze einem bestimmten Stress ausgesetzt. Das erreicht man beispielsweise durch intensive UV-Bestrahlung, die dann dauerhafte Veränderungen im Erbgut dieser bestrahlten Pflanze verursacht.

Warum sind diese Verschärfungen im Patentrecht so wichtig? – Es geht darum, zu verhindern, dass einzelne Konzerne mithilfe von Patenten auf Tiere oder Pflanzen die exklusiven Nutzungsrechte auf beispielsweise hitze- und tro­ckenheitsresistente, krankheitsresistente oder an spezifische Standorte spe­ziell angepasste Sorten erhalten, die schlussendlich für unsere Ernährungssicher­heit von sehr zentraler Bedeutung sind.

Bekanntes Beispiel: Große Konzerne wie Carlsberg und Heineken versuchen, Patente auf Braugerste zu bekommen. Sie gefährden damit die Vielfalt, und sie gefährden damit auch kleine Brauereien und unsere Bäuerinnen und Bau­ern. Die bäuerlichen Betriebe können sich nicht mehr sicher sein, ob sie durch die zufällige Mutagenese in ihrem Saatgut, das sie selbst vermehrt haben, eine Patentrechtsverletzung begehen und beispielsweise Lizenzgebühren für ih­re Ernte zahlen müssten.

Kollege Steinmaurer, diese Patentrechtsnovelle ist ein wichtiges Signal. Sie ist ein wichtiges Signal, um auch auf europäischer Ebene die Debatte zu befeuern. Sie ist ein wichtiges Signal, um der zunehmenden Monopolisierung von Saatgut in den Händen weniger Agrochemiekonzerne entschieden entgegenzutreten. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, stellen sich auf die Seite dieser Agrochemiekonzerne, die jetzt schon über eine enorme


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Marktmacht verfügen, die bestimmen wollen, was auf unseren Feldern wächst und was letztendlich auch auf unseren Tellern landet.

Sie stimmen diesem Gesetz hier und heute nicht zu, mit dem wir unsere Versorgungssicherheit, unsere Pflanzenvielfalt und unser Saatgut in Österreich bewahren wollen. Sie stimmen diesem Gesetz nicht zu, das unsere kleinen bäuerlichen Betriebe in Österreich schützt. Ich appelliere daher nochmals an Sie: Bitte überdenken Sie Ihre Haltung! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

14.26


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.27.00

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen sowie Zuseherinnen und Zuseher! Wer von Ihnen hat denn heute zum Beispiel schon Zahnpasta aus der Tube verwendet? Wer hat vielleicht ein Stück Würfel­zucker in den Kaffee oder Tee gegeben oder hat ein batteriebetriebenes Elektro­gerät verwendet? Sie fragen sich jetzt vielleicht: Wie komme ich auf diese verschiedenen Dinge? – All diese Dinge können wir heute in unserem täglichen Leben nutzen, weil sie jemand erfunden hat und mithilfe eines Patentes auch geschützt hat.

Umso mehr freut es mich, dass in Zukunft über das Einheitspatent der Weg zur Anmeldung eines Patentes verkürzt wird. Wir haben es schon gehört: Da­mit ist es möglich, mit einem Antrag bei 17 europäischen Staaten gleichzeitig den Patentschutz zu beantragen. Man braucht wirklich nur noch einen Antrag zu stellen und hat auch gleich Rechtssicherheit für das angemeldete Patent.


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Es führt also zu einer Vereinfachung für unsere Forscherinnen und Forscher, und die Kosten werden geringer. Somit wird auch ein langjähriger Wunsch der europäischen Wirtschaft umgesetzt. Bei der heutigen Gesetzesnovelle geht es aber nicht nur darum, etwas zu vereinfachen, sondern es geht auch um ein klares Nein zu Patenten auf Tier- und Pflanzenzüchtungen, zu sogenannten Bio­patenten.

Was kann man sich darunter vorstellen? – Gerade im landwirtschaftlichen Sektor gewinnt diese Form von Patenten weltweit immer mehr an Bedeutung. Bei Patenten auf Tier- und Pflanzenzüchtungen geht es darum, dass man versucht, gewisse Eigenschaften zu züchten – wir haben es schon gehört –, die sich positiv auf die unterschiedlichsten Aspekte der Tiere und Pflanzen auswirken.

Das Problem bei Biopatenten ist jedoch, dass man das Patent nicht auf eine ein­zelne Sorte, sondern eben auf den Züchtungserfolg bezieht und das Patent somit dann sortenübergreifend vergeben ist. EU-weit ist das in gewisser Weise schon verboten, wie wir gehört haben, aber es gibt Schlupflöcher. So gibt es eben mittlerweile schon Patente auf Braugerste und Bier, Patente auf Mais mit einer besseren Verdaulichkeit oder ein Patent auf Salat für warmes Klima.

Sobald man also Pflanzen mit diesen patentierten Eigenschaften anbaut, muss man auch die Genehmigung haben und Lizenzgebühren zahlen. Eine große Gefahr bilden dabei der Eingriff in die Artenvielfalt und die Monopolisierung des Marktes. Wenn ein Unternehmen das Patent auf eine bestimmte Pflanzen- oder Tierart besitzt, kann es anderen Unternehmen – und so auch zum Beispiel unseren österreichischen Zuchtverbänden – den Zugang zu dieser Art verwehren.

Die zunehmende Anzahl an Patenten erschwert für die kleinen und mittel­ständischen Züchter die Züchtung, bremst Züchtungsfortschritte und Innovationskraft, und gleichzeitig drohen ihnen Verwicklungen in exis­tenzbedrohende Rechtsstreite.


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Wir setzen mit diesem Gesetz also einen Schritt in die richtige Richtung, um die rechtlichen Graubereiche zwischen Sorten- und Patentschutz zu minimieren, denn es ist unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass Patente nicht dazu führen, dass Artenvielfalt verloren geht oder traditionelle Sorten und Rassen verdrängt werden, sondern dass die genetische Vielfalt erhalten bleiben kann. Wenn man an Institutionen wie die Arche Noah oder unsere österreichischen Züch­tungsverbände denkt, sieht man, dass es abgesehen von den biologischen Aus­wirkungen nämlich auch darum geht, dass es zu massiven Wettbewerbs­verzerrungen kommt. Gerade für eine kleinstrukturierte Landwirtschaft wie jene in Österreich ist dieser Schutz besonders wichtig.

Es ist auch wichtig, zu betonen, dass die Biopatentierung nicht die einzige Lösung für die Herausforderungen in der Agrarindustrie ist. Es gibt viele andere Ansätze, die verfolgt werden können, um Qualität, Nachhaltigkeit oder Effi­zienz unserer Agrarproduktion zu verbessern. Dazu gehört die ständige Förde­rung der Agrarökologie, die Unterstützung der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Bildung.

Es ist unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass von der Agrarindustrie verantwor­tungsvolle Entscheidungen getroffen werden, die sowohl auf die Bedürfnisse der Landwirtinnen und Landwirte, der Unternehmen, als auch auf die der Ver­braucherinnen und Verbraucher sowie auf die Umwelt Rücksicht nehmen. Mit den heutigen Beschlüssen bieten wir dafür eine gute Basis. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.31


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gelangt nun Frau Mag.a Bettina Lancaster. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.31.20

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits von Kollegen Stein­maurer und den Kolleginnen Huber und Wolff ausführlich vorgetragen, wird mit


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der unter TOP 5 vorliegenden Novelle klargestellt, dass konventionell ge­züchtete Pflanzen und Tiere in Österreich nicht patentiert werden dürfen. Nicht gemeint ist das Leben, das über gentechnische Verfahren verändert, also quasi konstruiert wird; diese Laborkreationen, egal ob pflanzliche oder tierische, unterliegen weiterhin der Kategorie patentierbar.

Zurück zu den konventionellen Züchtungen: Durch diese Präzisierung sollen kreative Umgehungsmöglichkeiten wegen angeblicher Erfindungen, wie sie in der Praxis bei Patentverfahren am Europäischen Patentamt anscheinend vorkommen, unterbunden werden. Pflanzen und Tiere aus konventionel­len Züchtungsverfahren sollen mit höherer Verlässlichkeit von einer Patentie­rung ausgeschlossen werden.

Österreich setzt damit ein wichtiges Signal, und das findet die vollste Zustim­mung der sozialdemokratischen Fraktion. Wichtig wird auch die Beispielwirkung auf europäischer Ebene sein. Daran muss mit Nachdruck gearbeitet werden, denn die Privatisierung von natürlichen Ressourcen schafft enorme Ungleichheit: Die Vielen verlieren und geraten in teure Abhängigkeit, und die Wenigen be­reichern sich bis ins Unermessliche – ein weiterer Schritt zum Auseinanderdrif­ten von Arm und Reich und damit hin zur Destabilisierung des sozialen Friedens. Solchen Entwicklungen hat sich die Sozialdemokratie seit jeher entge­gengestellt.

Von unserer Seite gibt es ein klares Ja zu dieser Novelle und einen klaren Auftrag an die Frau Minister und an Sie, Herr Minister: Überzeugen Sie auch Ihre Kollegen und Kolleginnen aus anderen EU-Ländern von der Notwendigkeit, natürliche Ressourcen und Ergebnisse aus konventioneller Züchtung patentfrei zu halten! Umgehungsstrategien sollen in Zukunft der Vergangenheit an­gehören. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Hauschildt-Buschberger.)

14.34


14.34.02

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 170

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentverträge-Einführungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.35.006. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz (TKG 2021), BGBl. I Nr. 190/2021, zuletzt geändert durch die Kundmachung BGBl. I Nr. 180/2022, geändert wird (3236/A und 2000 d.B. sowie 11229/BR d.B.)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 171

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.35.15

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


14.35.43

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.36.077. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird (3077/A und 2010 d.B. sowie 11221/BR d.B. und 11224/BR d.B.)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun schon zum 7. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 172

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Sie ist noch nicht da, müsste aber gleich kommen.

Ich unterbreche daher die Sitzung.

14.36.28*****

(Die Sitzung wird um 14.36 Uhr unterbrochen und um 14.37 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsident Günter Kovacs: Ich nehme die Sitzung ordnungsgemäß wieder auf und bitte um den Bericht.


14.37.44

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz zur Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird.

Es geht darum, einem internationalen Trend folgend die Information der Öffent­lichkeit über die Verfassungsgerichtsbarkeit zu verbessern. Um diese Infor­mations- und Vermittlungsaufgabe auf eine dauerhaft gesicherte Grundlage zu stellen, soll eine öffentliche Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit er­richtet werden. Diese Stiftung mit dem Namen Stiftung Forum Verfassung soll der Vermittlung von Wissen und der Bewusstseinsbildung in Angelegenheit der Bundesverfassung und der Verfassungsgerichtsbarkeit dienen. Schwerpunkt soll die Vermittlung der Rolle und der Arbeit des Verfassungsgerichtshofes an Jugendliche sein, und zwar in Form von Ausstellungen und Führungen sowie durch die Durchführung und Förderung von Veranstaltungen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vor­lage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.



BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 173

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.39.02

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Liebe Kol­legen und Kolleginnen im Bundesrat! Liebe Freunde! Es geht darum, eine Stiftung Forum Verfassung zu kreieren, die den Bürgern die Verfassung erklären soll. Prinzipiell kann man natürlich über die Verfassung reden – sie ist ein hohes Gut und betrifft uns ja auch tatsächlich alle –, die vorgeschlagene Stiftung ist aber leider viel zu teuer, zu komplex und zu bürgerfern. Wenn hinter verschlossenen Türen beraten wird, schafft das nur Misstrauen. Die Bürger wer­den nicht wissen, dass es diese Stiftung gibt, aber sie werden dafür zahlen. (Beifall bei der FPÖ.)

700 000 Euro pro Jahr – in dem Fall selbstverständlich wertgesichert – hat der Bürger zu bezahlen, aber worin besteht der Nutzen für ihn? – Wenn man die Bürger tatsächlich mit der Verfassung vertraut machen will, dann verstehe ich nicht, warum man nicht bestehende Systeme wie unsere Schulen oder Universitäten nützt. Diese gibt es schon, und es wird dort ja auch gemacht.

Zu befürchten ist auch eine gewisse Wechselwirkung, die den Verfas­sungsgerichtshof beeinflussen kann oder soll. Aus diesem Grunde lehnen wir den Plan zur Gründung dieser Stiftung ab.

In Coronazeiten haben wir ja alle gesehen, dass es die Regierung ist, die ih­re Schwierigkeiten mit dem Verfassungsgerichtshof hat, nicht die Bürger. Ganz im Gegenteil, die Bürger wurden vom Verfassungsgerichtshof mehrmals geschützt. Wir brauchen diese Stiftung nicht, wir lehnen diese ab. (Beifall bei der FPÖ.)


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Damit ist alles gesagt, es kann auch schnell gehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.41


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gelangt nun Bundesrat Markus Stotter. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.41.24

Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher – und bald kommt auch die nächste Besuchergruppe! Ich glaube – beziehungsweise hoffe ich das zutiefst –, dass ich niemandem in diesem Raum erklären muss, dass unsere Verfassung das Fundament der österreichischen Demokratie (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder) und ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität ist.

Hans Kelsen hat einmal gesagt: Die Verfassung ist die grundlegende Entschei­dung für eine politische Gemeinschaft, sie ist das Fundament, auf dem das politische Leben ruht. – Zitatende.

Dieses Zitat macht deutlich, dass unsere Verfassung nicht nur ein Dokument ist, sondern die Basis für unser gesamtes politisches Wirken darstellt. Es ist daher von größter Bedeutung, dass wir Politiker für unsere Verfassung einste­hen, dafür, dass diese Basis intakt bleibt und respektiert wird. Die Stiftung Forum Verfassung soll zum Ziel haben, die Bürgerinnen und Bürger Österreichs über die Bedeutung unserer Verfassung aufzuklären und sie auch zu ermu­tigen, sich aktiv für deren Wahrung stark zu machen.

Es ist wichtig, die Verfassung immer wieder neu zu verstehen, aber auch neu zu erklären, beispielsweise mit Unterrichtsmaterialien oder interaktiven Führun­gen und Veranstaltungen. In Kombination mit der bereits bestehenden Demokratiewerkstatt im Parlament kann es gelingen, Jugendliche ganz gezielt


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anzusprechen und ein tiefgründiges Verständnis aufzubauen. Ich glau­be, die Besucherzahlen in der Demokratiewerkstatt sprechen bereits Bände.

Mir persönlich ist das ganz wichtig, weil es da um unsere Jugend geht: dass wir unserer Jugend erklären, wie unsere Republik funktioniert, wie man seine Rechte wahrnehmen kann, welche Rolle der Verfassungsgerichtshof dabei hat und welche Auswirkungen die Arbeit des Verfassungsgerichtshofes auf unser alltägliches Leben hat, wie Gesetze entstehen, wie sie wirken, wie Gesetze auf der Verfassung beruhen und vor allem auch, was passiert, wenn man diese Instrumente missachtet.

Das Bewusstsein dafür muss gestärkt und dieses Wissen muss vermittelt werden, damit unsere Demokratie lebendig bleibt. Ich möchte daher auch all jene, die sich gegen diese Gesetzesvorlage und gegen diese Stiftung aus­sprechen, animieren, hier trotzdem zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.44


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Mag.a Elisabeth Grossmann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.44.23

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, meine Fraktion stimmt der Errichtung dieser Stiftung zu, aus guten Gründen, wie sie ja mein Vorredner auch schon genannt hat: Verfassungsbildung, Demokratiebildung, das ist ein wichtiger Auftrag für uns. Da geht es um die Vermittlung von Werten, die auch unser gesellschaftliches Leben zusammenhalten.

Wir legen jetzt den Grundstein für die Errichtung und ich hoffe natürlich, dass diese Stiftung bald ins Tun kommt. Im Vorfeld hat es durchaus kontrover­sielle Diskussionen gegeben, es hat auch Kritik von universitärer Seite gegeben.


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Das wurde zum Großteil ausgeräumt, und jetzt geht es natürlich darum, dass die Bürgerinnen und Bürger von dieser Stiftung auch etwas merken. Des­halb ist es wichtig, dass sie jetzt sehr bald in die Gänge kommt.

Es ist ja geplant, in regelmäßigen Abständen einen Verfassungspreis zu ver­geben, und ich bin natürlich auch schon sehr gespannt, an wen dieser Verfassungspreis dann übergeben wird. All das und die dazu stattfindende Öffentlichkeitsarbeit soll das verfassungsrechtliche Bewusstsein in der Bevölke­rung stärken.

Darüber hinaus wäre es natürlich wünschenswert, dass diese Einrichtung auch in Schulen geht, vielleicht auch in der Erwachsenenbildung tätig ist. Wir werden das, hoffe ich, alle gemeinsam gut beobachten. Ich wünsche dieser Stiftung viel Erfolg. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.46


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte sehr, Frau Bundesrätin.


14.46.36

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher und Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen zu Hause! Eigentlich, möchte man meinen, sollte es bei so einem Tagesordnungspunkt klar sein, dass das ein Projekt ist, das man ja nur unterstützen kann – aber dem ist anscheinend nicht so: Die Fraktion der FPÖ findet selbst daran etwas auszusetzen, um die Unterstützung zu verwehren.

Je mehr politisches Verständnis Menschen haben, desto weniger anfällig sind sie für populistische Politik. Aus dem Grund wundert es mich auch nicht, dass es der FPÖ – Herr Kollege Kofler hat es erwähnt – gar nicht gefällt, wenn wir Maßnahmen setzen, die politisches Verständnis fördern, und dass es ihr


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anscheinend ausreicht, wenn der VfGH in der Öffentlichkeit vornehmlich als die Institution wahrgenommen wird, die Coronabestimmungen aufgehoben hat. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Genau, ja.

Die FPÖ ist es, die unter ihren Anhängerinnen und Anhängern immer wieder be­wusst Misstrauen gegen demokratische Institutionen schürt. Natürlich ist Kritik an demokratischen Institutionen und Projekten etwas, das erwünscht ist, erlaubt ist, gewünscht ist (Bundesrat Steiner: Na Gott sei Dank ist es er­laubt ... !), aber diese Prozesse und Institutionen per se in Frage zu stellen, das ist gefährlich undemokratisch. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ihr seid diejenigen, die mit alternativen Fakten arbeiten und dadurch den politischen Prozess behindern, da Einigungen viel schwerer möglich sind, wenn beim politischen Diskurs die Sachebene verlassen wird. Das verunsichert Bürger:innen und trägt auch zum Vertrauensverlust in die Politik bei. (Zwischen­ruf des Bundesrates Steiner.) Danke dafür. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. Bundesrat Steiner: Danke!)

Weil Kollege Kofler nach dem Nutzen so einer Stiftung gefragt hat (Bundesrat Kofler: Ja, genau!): Die Stiftung Forum Verfassung soll eine niederschwel­lige Aufklärung über all das bieten, was unseren Staat ausmacht. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Es soll unter anderem eine Ausstellung mit digitalem Schwerpunkt, interaktive Führungen und Veranstaltungen geben und die Ent­wicklung von Unterrichtsmaterialien erfolgen. – Also das haben wir davon, das haben die Bürgerinnen und Bürger davon. (Zwischenruf des Bundes­rates Steiner.)

Mehr Menschen, vor allem junge Menschen, zu erreichen (Zwischenruf des Bun­desrates Spanring) und möglicherweise auch zu ermächtigen, Populismus besser zu erkennen und einordnen zu können, dazu kann und wird die Stiftung hoffentlich beitragen. Es stehen nämlich insbesondere Schüler:innen, Lehr­linge und Studierende im Fokus. Das ist natürlich keine ganz neue Idee.


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Den Verein Forum Verfassung gibt es ja schon seit dem Anfang der
2000er-Jahre abgehaltenen Österreich-Konvent. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die Veranstaltungen, die im Rahmen des 100-jährigen Geburtstages unserer Verfassung stattgefunden haben, haben großen Anklang gefunden. Diese Vermittlungs- und Informationsarbeit soll weitergeführt und vor allem gesichert weitergeführt werden, denn dass so etwas Wichtiges wie die Wissensvermittlung über die Grundlagen unserer Staates größtenteils auf Spenden angewiesen ist, ist einfach unwürdig. (Bundesrat Steiner: Das sollte in den Schulen passieren!)

Weil von eurer Seite auch immer wieder die Kritik der Systemwidrigkeit kommt: Das verstehe ich auch nicht ganz, denn genau deswegen wird eine Stiftung errichtet, damit eben der VfGH diese Aufgaben nicht direkt übernehmen muss. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Idee kam ja auch ursprünglich vom VfGH-Prä­sidenten, der diese im Rahmen des Geburtstags der Verfassung erfolg­reichen Formate ohne eine Vermischung der Aufgaben weiterführen wollte. Deswegen gibt es wie gesagt die Form einer Stiftung.

Weil Sie sich auch an den Kosten stoßen: Wir haben schon für viel unwichtigere, unsinnigere Dinge wesentlich mehr Geld ausgegeben. (Bundesrat Steiner: Die Coronamaßnahmen! – Bundesrat Spanring: Corona! Corona!) Ich erinnere an die Polizeipferde eines gewissen Innenministers: 2,3 Millionen Euro – da könnten wir uns drei Stiftungen leisten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rät:innen der ÖVP.) – Danke. (Rufe bei der FPÖ: Corona! Coronamaßnah­men! – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir haben von eurer Seite gehört, es ist der falsche Zeitpunkt, um für solche Projekte Geld auszugeben. Ich sage in aller Deutlichkeit: Es ist genau der richtige Zeitpunkt. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

14.50


14.50.58


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 179

Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

14.51.218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parla­mentsmitarbeitergesetz – ParlMG) geändert wird (2722/A und 2011 d.B. sowie 11225/BR d.B.)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Ich bitte um den Bericht.


14.51.48

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte Bericht über die Verhandlungen des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme somit gleich zur Antragstellung.


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Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vor­lage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte, Frau Bundes­rätin.


14.52.45

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer hier und zu Hause! Bisher war nicht klar geregelt, was mit einem parlamentarischen Mitarbeiter beziehungsweise einer Mitarbeiterin passiert, wenn ein Mitglied des Nationalrates während der Gesetzgebungsperiode ausscheidet beziehungs­weise stirbt.

Besonders problematisch wurde es dann, wenn bei parlamentarischen Mitarbei­ter:innen Kündigungen nicht rechtzeitig ausgesprochen wurden oder ein anderes Mitglied des Nationalrates die Mitarbeiterin beziehungsweise den Mit­arbeiter übernommen hat. Für die Kolleginnen und Kollegen konnte das sehr unangenehm sein.

Es konnte auch die Situation eintreten, dass das Gehalt für den Mitarbeiter oder die Mitarbeitern weiterhin vom Mitglied des Nationalrates zu bezahlen war, obwohl der Lohnrefundierungsanspruch gegenüber der Parlamentsdirektion be­reits erloschen war. Mit dieser Novelle wird nun klargestellt, dass im Falle des Ausscheidens eines Nationalratsabgeordneten das Dienstverhält­nis zwischen parlamentarischer Mitarbeiterin beziehungsweise parlamentari­schem Mitarbeiter und Nationalratsmitglied unter Einhaltung der Rege­lungen betreffend des Kündigungszeitpunktes und natürlich der Kündigungsfrist mit dem Tag des Ausscheidens beziehungsweise des Todes als gekündigt gilt.


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Das hat einerseits zur Folge, dass die Mitarbeiter:innen während dieser Zeit ihr Entgelt weiter beziehen können und somit nicht von heute auf morgen ohne jede finanzielle Absicherung dastehen, und andererseits, dass auch der Refundierungsanspruch des Nationalratsmitgliedes gegenüber der Parla­mentsdirektion für diesen Zeitraum weiter besteht.

Es wird klargestellt, dass die Kündigungsbestimmungen – zum Beispiel für schwangere Frauen oder auch für begünstigte Behinderte – zur Anwendung kommen und dass auch für diesen Zeitraum der Kündigungsschutz bezie­hungsweise der Refundierungsanspruch besteht.

Dies gilt auch für den – leider nur einsamen – parlamentarischen Mitarbeiter der Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat. (Bundesrätin Schumann: Wir haben auch nur einen!) Diesen wissen wir sehr zu schätzen, wenn wir aber noch zusätz­lich jemanden hätten, wäre das, glaube ich, auch nicht schlecht. – Danke für die fraktionsübergreifende Einigung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Jede Fraktion! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Jeder hat nur einen! Wir wollen ja mehr! So war es gemeint!)

14.55


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist nun die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratie Korin­na Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.55.32

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werte Bundes­rätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das ist eine gute Regelung und es ist eine Regelung, die über alle Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam zustande gekommen ist. Ich glaube, es ist auch ein Zeichen dafür, dass Dinge gelingen können, ohne laut zu sein, sondern man verhandelt ganz einfach und bekommt etwas weiter. Ich bin es aus der Sozialpartner­schaft so gewöhnt. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen, dass so etwas auch hier


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funktionieren kann, weil es im Interesse der parlamentarischen Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter ist.

Ich muss ganz ehrlich sagen, es ist, glaube ich, auch der richtige Zeitpunkt, einen großen Dank an alle parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszusprechen, die wirklich großartige Arbeit leisten. Wir könnten vieles ohne ihren Einsatz nicht schaffen. Es sind viele junge Menschen, die sich für Politik begeistern, die sagen: Ich gehe mit den Abgeordneten auf ihrem Weg mit! – Es ist unsere Aufgabe, sie möglichst gut zu behandeln, ihnen einen guten Weg zu bereiten und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich weiterzuentwi­ckeln. (Allgemeiner Beifall.)

Jetzt haben sie auch noch die Möglichkeit, im Falle des Ausfalls abgesichert zu werden. Bundesrätin Neurauter hat das ja schon sehr umfassend und sehr gut dargestellt. Dazu brauche ich nichts mehr zu sagen.

Ich darf nur anmerken: Ich glaube, dass die Arbeit im Bundesrat für die Bun­desrätinnen und Bundesräte sehr viel komplexer und sehr viel mehr geworden ist. Wir haben das in der Coronazeit gemerkt, wir haben es jetzt gemerkt. Die Materien sind sehr umfassend. In der Weiterentwicklung des Bundesrates wäre es wohl sehr klug, anzudenken, den Bundesrätinnen und Bundesräten auch generell die Möglichkeit zu geben, eigene parlamentarische Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter anzustellen. Das wäre ein Weg der Weiterentwicklung, und ich glaube, wir sollten uns im Bundesrat auch in der Präsidiale einmal damit beschäftigen, wie wir diesen Weg gehen könnten. Es wäre auch ein Schritt in Richtung Aufwertung des Bundesrates – dies als Anregung.

Sonst noch einmal ein Danke an alle parlamentarischen Mitarbeiter und Mitar­beiterinnen. Es ist ein gutes Gesetz. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.57


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.


BundesratStenographisches Protokoll953. Sitzung, 953. Sitzung des Bundesrats vom 11. Mai 2023 / Seite 183

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bun­desrat.


14.57.52

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch unsere Fraktion stimmt selbstverständlich dem sinnvollen, notwendigen und unterstützenswerten Antrag auf dienstrechtli­che Besserstellung von parlamentarischen Mitarbeitern in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis zu.

Es ist eh schon angesprochen worden: Es geht um mehr Rechtssicherheit, um mehr Kündigungsschutz und in weiterer Folge darum, dass die Mitarbeiter während dieser Zeit auch das Entgelt weiterbeziehen können und somit nicht von heute auf morgen ohne finanzielle Absicherung dastehen.

Ich darf mich auch den Dankesworten meiner Vorredner für die Tätigkeit aller parlamentarischen Mitarbeiter anschließen: recht herzlichen Dank – be­sonders natürlich an die Mitarbeiter unserer Fraktion: Danke, Heimo! Danke, Julian! Danke, Daniel! – für die wirklich immer unterstützende Arbeit. Ich weiß, es ist nicht unbedingt leicht mit uns, aber es ist notwendig, dass man die Bedürfnisse der Bundesräte oder des Fraktionsobmannes rasch erfüllen kann. Das macht ihr, also recht herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr seid eine wertvolle Stütze für uns alle. In diesem Sinn stimmen wir dieser Gesetzesvorlage sehr gerne zu. (Beifall bei der FPÖ.)

14.59


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.59.25

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde meine 10 Minuten Redezeit einhalten. (Bundesrätin Platzer: Danke!) Wiewohl wir als einfache Bundesrät:innen auf ein


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solches Vergütungs- und Anstellungsrecht für parlamentarische Mitarbei­ter:innen ja nicht direkt zugreifen können, sehe ich natürlich durch die gute Ko­operation im Parlamentsklub untereinander sehr wohl, wie wertvoll deren Arbeit ist.

Ganz direkt sehen wir das bei der parlamentarischen Mitarbeiterin unseres Fraktionsvorsitzenden, für die ja jetzt die gleichen Regelungen gelten und die unschätzbare Unterstützungsarbeit für uns alle leistet, denn ohne sie wären wir in der ganzen Sitzungsvorbereitung ziemlich aufgeschmissen. – Danke dir dafür, liebe Cecile. (Beifall bei den Grünen.)

Keine Frage, die Qualität der gesamten parlamentarischen Arbeit der Mandatar:innen hängt stark von der Leistung der parlamentarischen Mitar­beiter:innen ab. An dieser Stelle auch von uns Grünen ein generelles Dankeschön an die Mitarbeiter:innen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Inhalte haben wir gehört, das kaue ich jetzt nicht noch einmal durch. Sehr erfreulich ist, dass da wirklich eine wichtige Verbesserung im Arbeitsrecht zustande gebracht wurde, und es ist eigentlich auch ein schönes Beispiel, dass es sehr wohl gelingen kann, überfraktionell eine gute Lösung zu finden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.00


15.00.54

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.01.19Einlauf und Zuweisungen


Präsident Günter Kovacs: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen, 4100/J-BR/2023 bis 4107/J-BR/2023, eingebracht wurden. Eingelangt sind

der Entschließungsantrag 376/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 377/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird, sowie

der Entschließungsantrag 378/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung des Forderungskatalogs der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie“, der dem Gesundheits­ausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, der 7. Juni 2023, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit


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diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bun­desrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 5. Juni 2023, um 14 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

15.02.26Schluss der Sitzung: 15.02 Uhr

 

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