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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

970. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Juli 2024

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

970. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Juli 2024

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Juli 2024: 9.01 – 19.04 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungs­gesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Dienst­nehmerhaftpflichtgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversorgungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Heimarbeitsgesetz und das Land­arbeits­gesetz 2021 geändert werden (Telearbeitsgesetz – TelearbG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Theaterarbeitsgesetz geändert wird

4. Punkt: Übereinkommen (Nr. 190) über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 2

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Druckgerätegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die innerstaatlichen Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/1628 in Bezug auf die Emissionsgrenzwerte für gasförmige Schadstoffe und luftverunreinigende Partikel und die Typgenehmigung für Verbrennungs­motoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte festgelegt werden (Mot-G), erlassen wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 und das Schulpflichtgesetz 1985 geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Studienförderungsgesetz 1992 geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz erlassen wird und die Zivilprozessordnung, das Konsumentenschutzgesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – VRUN)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Außerstreitgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2024 – GB-Nov 2024)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (Berufs­rechts-Änderungsgesetz 2024 – BRÄG 2024)

13. Punkt: Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertrag­steuerinformationsberichte (CBCR-Veröffentlichungsgesetz – CBCR-VG)


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14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Genossenschaftsgesetz, das Vereins­gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das Genossenschaftsinsolvenzgesetz, das Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, das Genossenschaftsspaltungsgesetz und das Unternehmensgesetzbuch geändert werden (Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz 2024 – GenRÄG 2024)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungs­gesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe (MTD-Gesetz 2024 – MTDG) erlassen wird und das Rezeptpflichtgesetz, das Apothekengesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geän­dert werden

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln und das Bundesgesetz


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über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes (Rotkreuzgesetz – RKG) geändert wird

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Epidemiegesetz 1950, das Patientenverfügungs-Gesetz und das Suchtmittelgesetz geändert werden

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz geändert werden

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialver­sicherungs-Ergänzungsgesetz und das EU-Beamten-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2024 – SVÄG 2024)

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 geändert wird

28. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über Sozialbetreuungsberufe geändert wird

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz und das Behinderteneinstellungsgesetz geändert werden

30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden


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Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Mag. Franz Ebner .............................................. 23

Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich Mag. Thomas Stelzer gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Verlässlich fürs Land. Nah bei den Menschen“ – Bekanntgabe           ............................................................................................................................... 30

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ............. 30

Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer .................................................................... 30

Debatte:

Johanna Miesenberger ............................................................................................ .... 37

Dominik Reisinger .................................................................................................... .... 44

Günter Pröller ........................................................................................................... .... 48

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .... 52

Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ......................................................................... 56

Mag. Bernhard Ruf .................................................................................................. .... 58

Mag. Bettina Lancaster ........................................................................................... .... 62

Markus Steinmaurer ................................................................................................ .... 66

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsident Mag. Franz Ebner ...................................................................................... 324

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls .......................... 329

Aktuelle Stunde (117.)

Thema: „Für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige Europäische Union – Standortimpulse für Europa“ ......................................................................................................................... 70


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 6

Redner:innen:

Mag. Harald Himmer ............................................................................................... .... 71

Korinna Schumann .................................................................................................. .... 75

Andrea Michaela Schartel ....................................................................................... .... 81

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ...................................................................................... .... 84

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..........................................................  88, 104

Mag. Christian Buchmann ....................................................................................... .... 94

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................. .... 96

Marlies Doppler ........................................................................................................ .. 100

Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ....................................................................... 102

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................... 106

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................... 107

Ausschüsse

Zuweisungen ....................................................................................................  106, 330

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungs­gesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden (2558 d.B. und 2688 d.B. sowie 11530/BR d.B. und 11553/BR d.B.) .......................................................................................................... 107

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ................................................................ 108


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 7

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notar­versorgungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Heimarbeits­gesetz und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden (Telearbeits­gesetz – TelearbG) (2597 d.B. und 2689 d.B. sowie 11531/BR d.B. und 11554/BR d.B.) .......................................... 108

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ................................................................ 108

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Theaterarbeitsgesetz geändert wird (2605 d.B. und 2690 d.B. sowie 11555/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 108

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ................................................................ 108

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht .......................................................................................  110, 122

Günther Ruprecht .................................................................................................... .. 115

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................... 119

Simone Jagl ................................................................................................................. 119

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsatzkräfte und Betroffene beim Katastrophen­einsatz im Beruf absichern!“ – Ablehnung ........................................................................................................  114, 124

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 123

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 124


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Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 124

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Übereinkommen (Nr. 190) über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt (2591 d.B. und 2691 d.B. sowie 11556/BR d.B.) ............................................................................. 124

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ................................................................ 125

Redner:innen:

Philipp Kohl .............................................................................................................. .. 126

Korinna Schumann .................................................................................................. .. 127

Günter Pröller ............................................................................................................. 131

Simone Jagl ................................................................................................................. 132

Mag.a Claudia Arpa .................................................................................................... 135

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ....................................................................................................................... 138

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (2611 d.B. und 2668 d.B. sowie 11582/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 138

Berichterstatterin: Bernadette Geieregger, BA ....................................................... 139

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Druckgerätegesetz geändert und ein Bundes­gesetz, mit dem die innerstaatlichen Anforderungen der Verordnung


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(EU) 2016/1628 in Bezug auf die Emissionsgrenzwerte für gasförmige Schadstoffe und luftverunreinigende Partikel und die Typgenehmigung für Verbrennungsmotoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte festgelegt werden (Mot-G), erlassen wird (2612 d.B. und 2669 d.B. sowie 11583/BR d.B.) .......................................................................................................... 139

Berichterstatterin: Bernadette Geieregger, BA ....................................................... 139

Redner:innen:

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ............................................................................... .. 140

Mag. Sandra Gerdenitsch ........................................................................................ .. 142

Michael Bernard ....................................................................................................... .. 144

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ...................................................................................... .. 145

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 146

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 146

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Medienkooperations- und -förderungs-Transparenz­gesetz geändert wird (4093/A und 2653 d.B. sowie 11565/BR d.B.) ............................................................................. 147

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ................................................................... 147

Redner:innen:

Günter Kovacs .......................................................................................................... .. 147

Sandra Lassnig ......................................................................................................... .. 149

Günter Pröller ........................................................................................................... .. 150

Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler ..................................................... .. 152

Simone Jagl .............................................................................................................. .. 154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 155


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 10

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorberei­tungslehrgänge, das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 und das Schul­pflicht­gesetz 1985 geändert werden (4100/A sowie 11523/BR d.B. und 11601/BR d.B.) .......................................................................................................... 156

Berichterstatter: Philipp Kohl ................................................................................... 156

Redner:innen:

Doris Hahn, MEd MA ............................................................................................... .. 157

Mag. Bernhard Ruf .................................................................................................. .. 163

Markus Leinfellner ................................................................................................... .. 165

Simone Jagl .............................................................................................................. .. 169

Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ....................................................................... 172

Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................... .. 174

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 176

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Studienförderungsgesetz 1992 geändert werden (4111/A und 2692 d.B. sowie 11557/BR d.B.) ....................................... 176

Berichterstatter: Matthias Zauner ........................................................................... 177

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 177

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz erlassen wird und die Zivilprozessordnung, das Konsumentenschutzgesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 11

(Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – VRUN) (2602 d.B. und 2616 d.B. sowie 11566/BR d.B.) ............................................................................. 178

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................... 178

Redner:innen:

Dr. Manfred Mertel .................................................................................................. .. 179

MMag. Elisabeth Kittl, BA ....................................................................................... .. 181

Viktoria Hutter ......................................................................................................... .. 183

Markus Steinmaurer ................................................................................................ .. 184

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................ .. 185

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 188

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspfleger­gesetz und das Außerstreitgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2024 – GB-Nov 2024) (2606 d.B. und 2617 d.B. sowie 11567/BR d.B.) .......................................................................................................... 188

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................... 188

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................... 189

Barbara Prügl ........................................................................................................... .. 191

Dr. Manfred Mertel .................................................................................................... 193

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................... 194

Klemens Kofler ......................................................................................................... .. 194

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 195

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 12

das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (Berufs­rechts-Änderungsgesetz 2024 – BRÄG 2024) (4124/A und 2621 d.B. sowie 11535/BR d.B. und 11568/BR d.B.) ....................................................................... 195

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................... 196

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 196

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertragsteuer­informationsberichte (CBCR-Veröffentlichungsgesetz – CBCR-VG) (2556 d.B. und 2618 d.B. sowie 11569/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 197

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................... 197

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA ....................................................................................... .. 197

Christoph Stillebacher ............................................................................................. .. 199

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................. .. 201

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................ .. 202

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................ .. 202

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 204

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird (2557 d.B. und 2619 d.B. sowie 11570/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 205

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................. 205

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................... 205

Mag. Harald Himmer ......................................................................................... 207, 221


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 13

Stefan Schennach .............................................................................................  212, 220

Markus Leinfellner ................................................................................................... .. 214

Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ....................................................................... 215

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................ .. 217

Marco Schreuder ...................................................................................................... .. 219

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 221

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Genossenschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das Genos­senschaftsinsolvenzgesetz, das Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, das Genossenschaftsspaltungsgesetz und das Unternehmensgesetzbuch geän­dert werden (Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz 2024 – GenRÄG 2024) (4123/A und 2622 d.B. sowie 11571/BR d.B.) .......................... 221

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................. 222

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 222

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (4131/A und 2623 d.B. sowie 11536/BR d.B. und 11572/BR d.B.) ....................................................................... 223

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................. 223

Redner:innen:

Markus Leinfellner ................................................................................................... .. 224

MMag. Elisabeth Kittl, BA ....................................................................................... .. 225

Viktoria Hutter ......................................................................................................... .. 227

Dr. Manfred Mertel .................................................................................................. .. 228


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 14

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 230

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (2609 d.B. und 2687 d.B. sowie 11558/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 230

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ................................................................ 231

Redner:innen:

Philipp Kohl .............................................................................................................. .. 231

Daniel Schmid .......................................................................................................... .. 232

Staatssekretärin Claudia Plakolm .......................................................................... .. 236

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 238

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz geändert wird (4092/A und 2664 d.B. sowie 11584/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 238

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................. 238

Redner:innen:

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................. .. 239

Stefan Schennach .................................................................................................... .. 240

Klemens Kofler ......................................................................................................... .. 241

Marco Schreuder ...................................................................................................... .. 242

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................. .. 243

Staatssekretärin Claudia Plakolm .......................................................................... .. 244

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 246

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 15

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird (4117/A und 2658 d.B. sowie 11524/BR d.B. und 11573/BR d.B.) .......................................................................................................... 246

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 247

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden (4118/A und 2659 d.B. sowie 11574/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 246

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 247

Redner:innen:

Mag. Bettina Lancaster ........................................................................................... .. 247

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 250

Marlies Doppler ........................................................................................................ .. 252

Silvester Gfrerer ....................................................................................................... .. 255

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 257

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 259

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 259

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe (MTD-Gesetz 2024 – MTDG) erlassen wird und das Rezeptpflichtgesetz, das Apothekengesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (4095/A und 2660 d.B. sowie 11525/BR d.B. und 11575/BR d.B.) .................................. 259

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 260


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 16

Redner:innen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. .. 260

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 263

Günter Pröller ........................................................................................................... .. 265

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 266

Christian Fischer ...............................................................................................  268, 273

Sandra Böhmwalder ................................................................................................... 270

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflege ist Schwerarbeit“ – Ablehnung .....................................  269, 274

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 274

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird (2551 d.B. und 2661 d.B. sowie 11576/BR d.B.) .......................................................................................................... 274

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 275

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bun­­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln und das Bundesgesetz über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes (Rotkreuzgesetz – RKG) geändert wird (4101/A und 2662 d.B. sowie 11526/BR d.B. und 11577/BR d.B.) ......... 274

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 275

Redner:innen:

Stefan Schennach .................................................................................................... .. 276

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 278

Christoph Steiner ..................................................................................................... .. 279


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 17

Sandra Böhmwalder ................................................................................................ .. 281

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 282

Christian Fischer ...................................................................................................... .. 284

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme der Sanitäter:innen in das Nacht­schwer­arbeitsgesetz“ – Ablehnung          285, 286

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 22, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 286

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 23, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 286

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Epidemiegesetz 1950, das Patientenverfügungs-Gesetz und das Suchtmittelgesetz geändert werden (2530 d.B. und 2663 d.B. sowie 11527/BR d.B. und 11578/BR d.B.)                         287

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 287

Redner:innen:

Markus Leinfellner ................................................................................................... .. 288

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 289

Ferdinand Tiefnig ..................................................................................................... .. 290

Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. .. 291

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 292

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 294

Gemeinsame Beratung über

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 18

Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (4115/A und 2694 d.B. sowie 11528/BR d.B. und 11559/BR d.B.) ....................................................................... 294

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 295

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz und das EU-Beamten-Sozial­versicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungs­gesetz 2024 – SVÄG 2024) (2607 d.B. und 2697 d.B. sowie 11560/BR d.B.) ........................................................................... 295

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 295

Redner:innen:

Christian Fischer ...................................................................................................... .. 296

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 298

Johanna Miesenberger ............................................................................................ .. 300

Markus Steinmaurer ................................................................................................ .. 302

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 303

Daniel Schmid .......................................................................................................... .. 305

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 306

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 26, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 306


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 19

Gemeinsame Beratung über

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 geändert wird (4106/A und 2695 d.B. sowie 11561/BR d.B.) .......................................................................................................... 307

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 307

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über Sozialbetreuungsberufe geändert wird (2613 d.B. und 2696 d.B. sowie 11562/BR d.B.) .................................................. 307

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 307

Redner:innen:

Simone Jagl .............................................................................................................. .. 308

Philipp Kohl .............................................................................................................. .. 310

Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. .. 311

Andrea Michaela Schartel ....................................................................................... .. 312

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 312

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 27, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 314

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 28, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 314

Gemeinsame Beratung über

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz und das Behinderten­­einstellungsgesetz geändert werden (4116/A und 2698 d.B. sowie 11529/BR d.B. und 11563/BR d.B.) .................................. 314


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 20

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 315

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden (4105/A und 2699 d.B. sowie 11564/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 314

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 315

Redner:innen:

Heike Eder, BSc MBA ............................................................................................... .. 316

Korinna Schumann .................................................................................................. .. 317

Markus Leinfellner ................................................................................................... .. 320

Marco Schreuder ...................................................................................................... .. 321

Mag. Harald Himmer ............................................................................................... .. 322

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung eines Inklusionsfonds zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen“ – Ablehnung .............................................  318, 323

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 29, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 323

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 30, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 324

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesrät:innen

Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamen­tarische Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Kein Placebo-‚Gemeinde­hilfspaket‘ – Rettung der Gemeinden vor dem Finanzkollaps“ (422/A-BR/2024)


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 21

Anfragen der Bundesrät:innen

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Bundeskanzleramts (4217/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wahlkampf-Schützen­hilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4218/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4219/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4220/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4221/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4222/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4223/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4224/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4225/J-BR/2024)


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 22

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4226/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4227/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4228/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Wahlkampf-Schützen­hilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4229/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Wahlkampf-Schützenhilfe durch Mitarbeiter des Ministeriums (4230/J-BR/2024)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Klimaticket wird durch Ausbaumissstände im Bahnnetz nutzlos (4231/J-BR/2024)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Weitere Verschärfung der Energiekrise? (4232/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Bundesrates der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tätig­keitsbericht des Bundesrats (4233/JPR-BR/2024)


 


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 23

09.00.59Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Franz Ebner, Vizepräsident Dominik Reisinger, Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler.

09.01.00*****


Präsident Mag. Franz Ebner: Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich eröffne die 970. Sitzung des Bundesrates.

Als verhindert gemeldet ist niemand.

Ich begrüße am heutigen Tag sehr herzlich den Landeshauptmann von Ober­österreich Thomas Stelzer – herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße ebenso Landeshauptmann außer Dienst Josef Pühringer sehr herzlich im Bundesrat – herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße auch die Präsidentin des Österreichischen Seniorenrates Ingrid Korosec sehr herzlich – herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.02.10Antrittsansprache des Präsidenten


Präsident Mag. Franz Ebner: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten. – Dieser Satz, ursprünglich von August Bebel, einem der Begründer der deutschen Sozialdemokratie, den auch Helmut Kohl zitiert hat, trifft aus meiner Sicht einen wichtigen Kern des politischen Handelns, denn die wesentliche Aufgabe der Politik ist es, Zukunft zu gestalten.

Der österreichische Bundesrat ist einerseits als Länderkammer bekannt, also als Vertreter der Länderinteressen in der Bundesgesetzgebung, und andererseits als Europakammer, also als Vertreter der österreichischen Interessen in Europa, vor allem aber auch als Zukunftskammer.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 24

Daher möchte ich mich in meiner Präsidentschaft im Bundesrat intensiv mit der Zukunft, insbesondere mit der Zukunft der Demokratie, beschäftigen. Das erachte ich in Zeiten des Umbruchs und des Wandels als besonders wichtig. Das Motto meiner Präsidentschaft lautet demgemäß: Demokratie braucht Zukunft. Zukunft braucht Herkunft.

Für mich persönlich ist es eine große Ehre, vor allem aber auch eine große Verantwortung, in diesem halben Jahr als Präsident des Bundesrates wirken zu dürfen.

Ich bedanke mich an dieser Stelle sehr herzlich bei meiner Vorgängerin Margit Göll für ihre Präsidentschaft im letzten halben Jahr. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Margit Göll war eine äußerst aktive Präsidentin und somit eine höchst erfolg­reiche Botschafterin unseres Bundesrates – gemäß ihrem Motto – über Grenzen hinweg. Gerade in internationalen Angelegenheiten hat sie das Ansehen des Bundesrates als Zukunfts- und Europakammer gestärkt und gefestigt, insbeson­dere in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Tschechien.

Liebe Margit, ich gratuliere dir sehr herzlich zu deiner hervorragenden Arbeit und sage dir ein großes Danke für deinen Einsatz für den Bundesrat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Danken möchte ich auch meinem Landeshauptmann Thomas Stelzer und dem gesamten Oberösterreichischen Landtag, dass ich die Präsidentschaft im Bundesrat das kommende halbe Jahr ausüben darf. Das ist wie gesagt eine große Verantwortung. Gerade in Zeiten des Wandels und des Umbruchs braucht es Verantwortung, und Verantwortung in der Politik bedeutet vor allem eines: den Menschen auf die Fragen, die sie bewegen, Antworten zu geben.

Unsere Zeit ist geprägt von ständigen, teilweise sehr schnellen Veränderungen einerseits durch technologische Innovationen wie Digitalisierung, künstliche


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 25

Intelligenz, andererseits durch Krisensituationen wie Pandemie, Krieg, Klima­veränderung oder Migration.

Dadurch ist auch die Stabilität in der Gesellschaft gefährdet, es entstehen Unsicherheiten und Verlustängste. Das Vertrauen in politische Institutionen, aber auch in die Medien und in die Wissenschaft sinkt. Es gibt Spaltungs­tendenzen zwischen gesellschaftlichen Gruppen und zwischen Generationen. Gerade Krisensituationen sind aber ein Elchtest für unsere politischen und gesellschaftlichen Systeme.

Besonders in Zeiten des Wandels und der Veränderung braucht es stabilisie­rende Faktoren – stabilisierende Faktoren wie unsere Demokratie – und vor allem auch Verlässlichkeit in der Politik. Gerade in Zeiten der Veränderung brauchen die Menschen Ankerpunkte, an denen sie sich festhalten können, auf die sie sich verlassen können.

Aber auch die demokratischen Systeme sind im Dauerstress: Die hohe Geschwin­digkeit, die hohe Komplexität unserer Zeit und die neuen Medien fordern unsere Demokratie in ganz besonderem Maße. Daher werde ich eine parlamentarische Enquete zum Thema Demokratie braucht Zukunft – Brücken bauen, Demokratie stärken initiieren. Ebenso plane ich ein Expertenforum zu den Auswirkungen der demografischen Veränderungen auf unsere Gesellschaft. Auch plane ich, den internationalen Austausch zum Thema Demokratie zu forcieren.

Wesentliche Instrumente einer Demokratie sind das Gespräch, der Austausch und der Diskurs. Ich werde daher auch das Gespräch mit den Parlaments­parteien, mit den Nationalratspräsidenten, mit den Mitgliedern der Bundesregie­rung und den Landtagspräsidenten suchen, um meine Anliegen zu transpor­tieren.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir unsere Demokratie permanent hüten, ja auch weiterentwickeln müssen, denn sie ist wie ein zartes Pflänzchen: Wenn wir es vernachlässigen, wird es schnell welk.


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Dass unsere Demokratie lebt, das erlebe ich jeden Tag im Parlament, aber nicht nur im Plenarsaal. Unzählige Besuchergruppen besuchen unser Parlament, seit der Wiedereröffnung vor eineinhalb Jahren waren schon über 800 000 Besuche­rinnen und Besucher hier im Haus zu Gast. Das zeigt für mich ganz klar: Die Österreicherinnen und Österreicher interessieren sich für die Demokratie. Wenn ich hier im Parlament durch die Säulenhalle gehe, ist dieser Raum für mich ein Sinnbild für Demokratie: 24 Marmorsäulen stehen in der Säulenhalle, sie sind wie tragende Pfeiler unserer Demokratie.

Die Demokratie müssen wir schützen, weil sie auch heute ständig Gefahren ausgesetzt ist: sei es durch Kriegslust von Autokraten und Terrororganisationen, sei es durch Desinformation und Fakenews, vor allem in den neuen Medien, sei es durch einen Trend zu Radikalismen oder zum Wachstum der radikalen Ränder in ganz Europa und darüber hinaus.

Auch da lehrt uns ein Blick in die Geschichte: Radikale haben immer mehr Probleme gemacht als gelöst. Genau deshalb müssen wir uns weiterhin für eine wehrhafte Demokratie einsetzen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Ich unterstütze daher auch die Forderung nach einer Klarnamenpflicht im digitalen Raum, denn auch dort muss gelten: Jede und jeder hat eine Verant­wortung dafür, was gesagt oder geschrieben wird. Anonyme Beschimpfungen, Hass, Hetze und Falschinformationen dürfen wir keinesfalls akzeptieren.

Unsere Demokratie braucht vor allem eines: aktive und engagierte Demokraten. Der amerikanische Philosoph John Dewey hat es sehr treffend gesagt: „Demo­kratie muss in jeder Generation neu geboren werden und Bildung ist ihre Hebamme.“

Die Demokratiebildung im österreichischen Parlament macht bei der Demokratie­vermittlung großartige Arbeit. An dieser Stelle möchte ich ein herzliches Danke


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an die Demokratiebildnerinnen und Demokratiebildner richten, die den Besuche­rinnen und Besuchern des Parlaments das Wesen der Demokratie bestens ver­mitteln – ein herzliches Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Es muss unser gemeinsames Ziel sein, die Demokratiebildung auszudehnen und noch mehr in die Breite zu bringen. Unlängst war ich in der Demokratiewerkstatt zu Gast. Die Schülerinnen und Schüler haben dort die Möglichkeit, in der Rolle von Journalistinnen und Journalisten Fragen an die anwesenden Politikerinnen und Politiker zu richten. Eine Schülerin fragte mich: Was überzeugt Sie eigentlich an der Idee der Demokratie? – Nach einer kurzen Nachdenkpause antwortete ich: An der Idee der Demokratie überzeugt mich, dass wir miteinander streiten und nicht gegeneinander streiten, denn das ist ein wesentlicher Unterschied: Miteinander zu streiten führt zu Lösungen, gegeneinander zu streiten zu Verwer­fungen. Das Miteinander muss daher in der Politik, aber auch in den Medien wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Schumann.)

Miteinander, Zusammenhalt, Zuversicht und Verlässlichkeit: Das sind vor allem in Oberösterreich gelebte Werte in der Politik und auch in der Gesellschaft. Landeshauptmann Thomas Stelzer hat daher auch ein treffendes Motto für seinen Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz festgelegt: Verlässlich fürs Land. Nah bei den Menschen.

Oberösterreich ist als modernes Industrieland einerseits der Wirtschaftsmotor Österreichs, es ist aber auch ein großartiges Kulturland, ganz besonders im heurigen Jahr mit der Europäischen Kulturhauptstadtregion Bad Ischl und dem 200-Jahr-Jubiläum des Geburtstags des großen Anton Bruckner.

Frisch außa, wia’s drin is, net kriacha am Bauch, ins Gsicht schaun und d’Händ gebn is Oberösterreicher Brauch. – So heißt die erste Textzeile im Oberöster­reicher Marsch, die uns Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher gut beschreibt. Das ist ganz sicher auch eine Voraussetzung für das Miteinander und für den Zusammenhalt. Es bedeutet nichts anderes, als dass wir einander auf


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Augenhöhe begegnen, Respekt und Wertschätzung für einander aufbringen, auch wenn wir einmal unterschiedlicher Meinung sind.

Respekt und Wertschätzung sind für mich eine Lebenseinstellung und sie sind auch das Fundament für eine funktionierende Demokratie und für eine funk­tionierende Gesellschaft. Das wird in Oberösterreich besonders gelebt.

Oberösterreich ist auch ein Land der Freiwilligen, ein Land der Vereine. Jeder und jede Zweite ist ehrenamtlich tätig, ob bei Rettungsorganisationen, bei der Feuerwehr, bei der Musik, bei Sport- oder Kulturvereinen, in Senioren- oder Jugendorganisationen, in kirchlichen Einrichtungen und vielen anderen mehr. Genau dort wird unser oberösterreichisches Miteinander gelernt und gelebt.

Landeshauptmann Thomas Stelzer arbeitet auch gerade an einer Ehrenamts­strategie, um Freiwillige zukünftig noch besser unterstützen zu können. Auch da werde ich gerne meine Erfahrungen einbringen. Unsere Vereine sind der Kitt unserer Gesellschaft. – Ein großes Danke an alle Ehrenamtlichen, denn sie tun mehr, als sie müssten, zum Wohle unserer Gemeinschaft und unserer Gesellschaft, zum Wohle der Menschen in Oberösterreich und Österreich; ein herzliches Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Das Miteinander, der Zusammenhalt, die Zuversicht und der Fleiß der Menschen haben unser Land über Jahrzehnte hinweg zu dem gemacht, was es heute ist: das schönste Land der Welt. Wir sollten aber auch weiter auf den Erfahrungen unserer Vorgängergenerationen aufbauen. Der Philosoph Odo Marquard geht davon aus, dass Neues nicht ohne das Alte entstehen kann, und beschreibt diese These mit dem Satz: „Zukunft braucht Herkunft“.

Wir müssen uns bewusst sein: Jede aktive Generation steht auf den Schultern ihrer Vorgänger. – Daher ist mir auch das Miteinander der Generationen in der Gesellschaft ein besonderes Anliegen. Gerade im politischen und öffentlichen


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 29

Diskurs wird die ältere Generation von heute oft als Kostenfaktor geradezu stigmatisiert – zu Unrecht, wie ich meine, denn Seniorinnen und Senioren sind auch während der Zeit ihrer Pension nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern sie sind auch ein Gesellschaftsfaktor und daher ein besonderer Schatz für unsere Gesellschaft. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.) In den Freiwilligenorganisationen, in den Vereinen, bei der Unterstützung und bei der Kinderbetreuung in den Familien, vor allem auch bei der Angehörigenpflege, und insbesondere für die Weitergabe des demokratischen Gedankens sind sie unentbehrlich.

Der jetzige Wohlstand wurde über Generationen aufgebaut. Für die entwickelte Demokratie haben viele Menschen ihr Leben gelassen, ebenso wie für erkämpfte Rechte. Ich bin der festen Überzeugung: Nichts im Leben ist selbstverständlich, auch nicht die Demokratie und auch nicht die Tatsache, in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben zu dürfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Demokratie braucht Vertrauen; Ver­trauen ist die harte Währung in der Politik. Gute Kommunikation und Überzeu­gungskraft sind der Schlüssel zum Vertrauen, nicht aber Manipulation.

Viele Menschen, mit denen ich spreche, sehen auch die Debattenkultur hier im Parlament kritisch. Natürlich ist Streiten in der Demokratie erlaubt, ja sogar notwendig. Es kommt auf die Art und Weise an. Kern der Demokratie ist, mit unterschiedlichen Meinungen um mehrheitsfähige Lösungen zu ringen. Das Gewicht des Arguments sollte mehr zählen als die Lautstärke am Rednerpult. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Daher appelliere ich, dass wir den Parlamentarismus hier im Bundesrat sachlich, kritisch, inhaltlich fundiert und lebendig leben, mit gegenseitiger Wertschätzung und Respekt für die Meinung der und des anderen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Brücken zu bauen, statt Gräben zu vertiefen, und Vertrauen aufzubauen, wo es erschüttert wurde! – Vielen herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)


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09.19.37Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich zum Thema „Verlässlich fürs Land. Nah bei den Menschen“


Präsident Mag. Franz Ebner: Ich begrüße den Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich nochmals in unserer Mitte – herzlich willkommen, Thomas Stelzer, bei uns im Bundesrat!

Ich gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates eine Erklärung zum Thema „Verlässlich fürs Land. Nah bei den Menschen“ abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landes­hauptmann von Oberösterreich abgegebene Erklärung eine Debatte durch­zuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.


09.20.27

Landeshauptmann von Oberösterreich Mag. Thomas Stelzer: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Vor allem: Lieber Präsident, herzliche Gratu­lation zur Vorsitzführung im Bundesrat in diesem halben Jahr! Herzlichen Dank auch dafür, dass ich die Gelegenheit habe, hier in der Länderkammer unseres Hohen Hauses eine Erklärung abzugeben.

Die Schöpfer der Grundstrukturen unserer Verfassung, sehr geehrte Damen und Herren, haben sehr weise entschieden, als sie festgelegt haben, dass die Vorsitz­führung in der Länderkammer turnusmäßig unter allen Bundesländern wechselt. Das bringt die Gleichrangigkeit der Länder zum Ausdruck – und in der Gleich­rangigkeit auch die Besonderheiten von unseren Ländern, die Vielfalt, die gebün­delten Stärken, die wir in die Republik einbringen können, immer getragen von einem Verständnis, dass wir uns untereinander austauschen, füreinander da sind


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 31

und auch miteinander arbeiten. So haben sich auch die Bundesländer in der Erfolgsgeschichte unserer Republik zu wesentlichen Säulen des schönen Österreichs entwickelt. Wir haben viel zur Erfolgsgeschichte unseres Landes beigetragen und sind natürlich bereit, das auch heute und morgen zu tun.

Die Bundesländer standen an der Wiege der Republik, daher haben wir Länder­vertreterinnen und Ländervertreter ein tiefes Verständnis dafür, dass wir immer eine Verantwortung für das große Ganze haben – und diese Verant­wortung tragen wir auch gerne. Wir sehen uns daher als Vertreter der schönen Bundes­länder, als selbstständige Mitglieder und Mitgestalter des Bundes­staates – und das sind wir auch –, denn die Bundesverfassung hat nun einmal die Aufgaben, die es für unsere Landsleute zu erledigen und zu gestalten gilt, auf verschiedene Körperschaften und Ebenen aufgeteilt – so auch auf die Gemeinden und Länder. Deren selbstständige Gestaltung sowie deren Inanspruchnahme dieser Kompe­tenz und der Verantwortung ist immer von dem Wunsch und dem Ziel getragen, das Bestmögliche für unsere Landsleute daraus zu machen.

Zu diesem Grundkonzept gehört es eben auch, dass wir aus dem einen gemein­samen Steuertopf für die Gestaltung der Aufgaben, die uns die Verfassung zuweist, auch die ausreichenden Mittel bekommen, um für unsere Landsleute auch bestmöglich gestalten zu können. Das gilt insbesondere für die großen und dynamisch wachsenden Herausforderungen in Bereichen, in denen uns weite Zuständigkeiten zukommen, nämlich der Pflege und der Gesundheits­versor­gung.

Beim jüngsten Finanzausgleich, sehr geehrte Damen und Herren, ist es gemein­sam gelungen, dass wir da einen doch gewichtigen Schritt nach vorne machen: Es sind uns mehr Finanzmittel vor allem auch für diese Bereiche zugänglich gemacht worden und vor allem wurde vereinbart, festgelegt und dann dankens­werterweise auch beschlossen, dass diese Mittel auch valorisiert werden, also in all den Jahren mitwachsen. Das bedeutet natürlich auch einen Einstieg in das ständige Dynamisieren dieser Mittel, was aber auch dazu passt, dass diese Bereiche


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sich in ihren Anforderungen ebenso dynamisch entwickeln. Die demografische Herausforderung wurde ja heute schon angesprochen.

Für mich ist das aber – und das möchte ich sehr klar festhalten – nur ein erster Schritt. Es ist der Einstieg in die Debatte und dann hoffentlich auch in die Fest­legung dahin gehend, dass die Verteilungsschlüssel des Finanzausgleichs, die jetzt seit Jahren und Jahrzehnten immer fix geblieben sind, auch mit den wach­senden Herausforderungen der Aufgaben, die gerade wir in den Ländern und Gemeinde haben, Schritt halten müssen. Das ist sicher ein Hauptinhalt und ein Hauptthema der nächsten Finanzausgleichsberatungen und -verhand­lungen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen natürlich aber auch, dass wir durch unsere täglichen Leistungen die föderalen Strukturen durch Leistungs­beweise eben immer wieder legitimieren müssen – und das tun wir auch. Wir tragen eine gesamtstaatliche Verpflichtung, und dazu sind wir bereit.

Der Herr Präsident hat das Motto, die Überschrift für die Tätigkeit in der Landes­hauptleutekonferenz für dieses halbe Jahr schon genannt: „Verlässlich fürs Land. Nah bei den Menschen“. Ich glaube, dass speziell in diesen Monaten diesem Motto eine besondere Bedeutung zukommt, denn die Länder stehen für Stabilität, sie stehen für Verlässlichkeit, und es sind gerade wir in den Ländern und Gemeinden, die auch sehr direkt und ungeschminkt das erfahren, was sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von uns erwarten, was diese kritisieren, was diese sich wünschen, wo diese Sorgen und Ängste haben, was diese auch brauchen.

Zu diesem unmittelbaren Erfahren der Dinge gehört auch, dass wir die Verantwortung, diese Dinge anzugehen und zu lösen, auch sehr unmittelbar spüren. Diese Verantwortung wird zu Recht auch eingefordert. Man könnte landläufig auch formulieren: Wir sind dadurch auch ständig auf Zug vor Ort.


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Auf Gemeinde- und Landesebene – auch darauf hat der Herr Präsident hinge­wiesen – ist der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern ein direkter und unmittelbarer; und es ist vor allem die Gemeindeebene, auf der unsere Lands­leute bereit sind, sich im besten demokratischen Sinn einzubringen, Aufgaben und Verantwortungen zu übernehmen. So sind weite Teile – was im Ausland oft Verwunderung auslöst – unseres Sicherheitswesens, ich denke an die Feuer­wehren, an unserer Gesundheitsversorgung, an die Rettungsdienste, und auch weite Teile der Kultur, des Sports, des Sozialen durch ein ehrenamtliches und freiwilliges Engagement getragen. Das, sehr geehrte Damen und Herren, verdient sich selbstverständlich Wertschätzung. Zur Wertschätzung muss immer auch das Bemühen von uns allen dazukommen, den entsprechenden Rahmen dafür zu bieten, dass dieses ehrenamtliche Engagement geleistet werden kann und auch entsprechend abgesichert ist.

Die Kultur steht in Oberösterreich im heurigen Jahr natürlich besonders im Mittelpunkt. Wir haben die Chance, im Salzkammergut mit der Bannerstadt Bad Ischl wieder – relativ kurze Zeit nach Linz 2009 – die Europäische Kultur­hauptstadt in Oberösterreich gemeinsam mit dem Nachbarland Steiermark zu gestalten. Wir haben auch die erste große oberösterreichische Kultur-Expo rund um den 200. Geburtstag des großen Anton Bruckner. Ich nehme an, er ist auch der Lieblingskomponist jeder Dame und jedes Herrn hier im Hause. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Schreuder – erheitert –: Platz zwei!)

Es ist aber nicht nur heuer ein Jahr der Kultur, sondern in Oberösterreich ist Kultur an jedem Tag jeden Jahres unmittelbar spürbar – und das aus gutem Grund, denn es ist unser Anspruch, ein Land der Kultur zu sein, da das Erleben von Kultur und das, was sie auslöst, was sie in uns als einzelnen Menschen, aber dann auch in der Gesellschaft bewirkt, wichtiger Humus für eine gelingende Lebensgestaltung und auch Humus für Ideenvielfalt, für Innovationsgeist und auch für mutige Entscheidungen, die nach vorne weisen, ist.


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Innovationen, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir auch nötig, um uns den Vorsprung, den wir wieder brauchen werden, wieder zu verschaffen. Vorsprung zu haben, durch Innovationen zu glänzen und voranzugehen war immer auch das Erfolgsgeheimnis des Standorts Europa insgesamt, ganz besonders aber auch der Standorte Österreich und Oberösterreich. Diese Standortstärke, diesen Standortvorteil müssen wir uns wieder zurück­erobern und zurückerkämpfen, um die Wirtschaftskraft – über die wir uns freuen – und vor allem die Arbeitsplätze zu sichern und zu halten.

Es geht aus meiner Sicht jetzt wieder vermehrt vielmehr darum, darüber zu reden, wovon wir leben, und nicht ausschließlich darüber, wie wir leben können, denn – es ist zwar eine Binsenweisheit, aber es muss unterstrichen werden – all die gesellschaftlichen Ziele, die wir uns vornehmen, und deren Erreichung brauchen die finanzielle Ausstattung, aber all das muss verdient werden können, muss eine finanzielle Grundlage haben. Daher ist es wichtig, dass wir uns diese Grundlagen festigen und wieder erarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrät:innen der Grünen.)

Ich möchte beileibe kein Kassandrarufer sein, aber es ist schon auch unsere Verpflichtung, dass wir Realistinnen und Realisten sind. Es ist nun einmal leider so, dass sich der Wirtschafts- und Industriestandort Europa in den letzten Jahren hinter andere Standorte dieser Welt zurückmanövriert hat. Auch die aktuelle wirtschaftliche Lage und Aussicht ist, um es höflich zu formulieren, etwas überschaubar. Das Gute ist aber, dass wir eine starke Basis haben und darauf aufbauend auch viele Möglichkeiten, Dinge selbst in die Hand zu nehmen und wieder etwas zu ändern.

Es ist klar und natürlich, dass es einen gesamteuropäischen Willen braucht, dass wir in Europa wieder ein weltweit wettbewerbsfähiger Standort und damit ein erfolgreicher Standort werden. Das geht aus meiner Sicht nur mit Technologie­offenheit, mit viel, viel weniger Regularien und Verboten, aber beispielsweise auch mit Unterstützung einer europäischen Produktion in vielen Bereichen, um


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im Wettbewerb mit anderen großen Standorten der Erde Erfolg haben zu können.

Wir können aber auch selber im Land viel tun und brauchen nicht nur auf andere Ebenen hinzuweisen, zum Beispiel und ganz besonders Verfahren, die in den allermeisten Fällen einfach viel zu lange dauern, zu beschleunigen und selbst­vers­tändlich auch die dafür nötige Entbürokratisierung immer wieder vorzu­nehmen, ein Schlankmacherprogramm in der Verwaltung als Daueraufgabe zu sehen.

Wir müssen auch die Forschung weiter entsprechend stärken und die nötige Infrastruktur, die der Standort braucht, auch zügig vorantreiben, womit wir – in Klammer sei es dazugesagt – wieder bei den Verfahrensdauern sind.

Zusätzlich, sehr geehrte Damen und Herren, müssen jene, die mehr leisten wollen, auch steuerlich so gestellt werden, dass sie von dieser Mehrleistung und von dem, was sie sich durch die Mehrleistung erwerben, auch für sich selber dann etwas haben. Wir müssen ihnen auch die Möglichkeiten geben, dass sie sich durch eigene Leistungen etwas schaffen können, zum Beispiel Eigentum, eine Eigentumswohnung oder die berühmten eigenen vier Wände mit einem Einfamilienhaus. Das motiviert zur Leistung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

Es ist daher nicht nur nicht verständlich, sondern es ist dringend zu ändern, dass gerade in diesem Bereich die KIM-Verordnung dem privaten Hausbau und dem privaten Eigentumserwerb immer noch im Wege steht. Das ist dringend zu revidieren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrät:innen Steinmaurer und Sumah-Vospernik.)

Neben der Stärkung des Standorts, sehr geehrte Damen und Herren, ist vor allem aber auch die Konzentration auf Sicherung und Gestaltung der Pflege und der Gesundheitsversorgung sehr wichtig. Gerade bei diesen beiden großen gesellschaftlichen Aufgabenbereichen und Herausforderungen steht für mich


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etwas sehr Entscheidendes im Mittelpunkt: die Würde jedes einzelnen Men­schen. Das ist das Kernstück jeder verantwortungsvollen Politik. So ist der Stellenwert der Menschenwürde in einer Gesellschaft auch daran messbar, ob sie auch in kritischen und sensiblen Bereichen sichtbar ist und gelebt wird. Daher muss in diesen Bereichen für uns immer die oberste Richtschnur sein, dass niemand allein gelassen wird – nicht jene, die die Hilfe brauchen, nicht deren Angehörige, aber auch nicht jene, die diese großartige Arbeit in diesen Bereichen für uns leisten.

Das bedeutet insbesondere, dass wir als gesamte Republik in der Anwerbung von Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeitern gesamthaft vorgehen müssen, wenn es darum geht, diese aus dem Ausland zu uns zu bekommen; dass wir in der Anerkennung der von im Ausland erworbenen Qualifikationen viel, viel schneller und unkomplizierter werden müssen. Es bedeutet aber auch, dass die medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich noch mehr und rascher wieder gestärkt werden muss, damit die immer noch überlasteten Ambulanzen unserer Spitäler und Kliniken und vor allem auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sich wieder darauf konzentrieren können, wofür Spitalsambu­lanzen eigentlich da sind, nämlich für Notfälle und nicht für die breite Grund­versorgung. Das ist eine große Aufgabe, und die gilt es zu erledigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind herausfordernde Zeiten, man kann sie ruhig auch schwierig nennen. Wir haben aber auch in den nächsten Monaten wohl eine gewisse Hektik am politischen Sektor zu erwarten, Stichwort Wahlen am 29. September. Ich sehe unsere Rolle als Ländervertreterinnen und Länder­vertreter darin, dass wir uns ganz besonders auch in dieser Phase als gestaltende und handlungsfähige Vertreterinnen und Vertreter unserer Landsleute einbrin­gen, auch wissend und im Bewusstsein, dass wir mit unserer Wortwahl und in der Art des politischen Gestaltens eine Vorbildwirkung haben: im Umgang mit­einander, darin, dem Gegenüber zuzuhören und auch im Zugehen auf das Gegenüber.


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Das ist eine wichtige Grundlage für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Dieser Zusammenhalt ist die wesentlichste Basis für eine Entwicklung unseres Landes in Frieden und in Freiheit.

Als Länder sind wir bereit, unserer gesamtstaatlichen Verpflichtung gerecht zu werden. Wir bekennen uns dazu, dass wir die Stärken, die es in unseren Ländern gibt, zum Wohle des Staatsganzen einbringen, und wir wollen auch gemeinsam daran arbeiten. Im Zeichen dieses Verständnisses, aber auch dieses Versprechens steht auch der oberösterreichische Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz in diesem halben Jahr.

Ich bitte auch Sie, sehr geehrte Damen und Herren, um eine gute Zusammen­arbeit zum Wohle unserer Landsleute in der schönen Republik Österreich. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

9.35


Präsident Mag. Franz Ebner: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger, und ich erteile ihr das Wort.


09.35.40

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident, ich darf dir zur Übernahme der Vorsitzführung recht herzlich gratulieren und wünsche dir eine gute Hand für das kommende Halbjahr. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Liebe Zuseherinnen und Zuhörer, besonders aus Oberösterreich!


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„Locus iste“ – dieser Ort – sind die Anfangsworte der lateinischen Motette für einen vierstimmigen gemischten Chor, die von Anton Bruckner 1869 eigens für die Einweihung der Votivkapelle des neuen Doms komponiert wurde und die heuer von 53 Chören aus aller Welt, in einer Videoaufnahme vereint, beim Neujahrskonzert im Brucknerhaus als Start ins Bruckner-Jubiläumsjahr präsen­tiert wurde.

„Locus iste“ zählt sozusagen zu den Welthits von Anton Bruckner. Heuer, 2024, jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag von Anton Bruckner. Das ist Anlass genug zum Feiern und natürlich auch Anlass genug, um mit dem Bruckner-Jahr 2024 die erste Kulturexpo Oberösterreich zu initiieren.

Bruckners Musik kennt keine Grenzen und klingt weit über die Grenzen Ober­österreichs hinaus in die ganze Welt und verbindet die Menschen über eine einzigartige Sprache, nämlich die Musik. Verbundenheit mit der Heimat und gleichzeitig weltoffen zu sein und zu wirken, wie Anton Bruckner, ist kein Widerspruch in sich, sondern Voraussetzung für Erfolg und Tatkraft.

Unser Bundesland ist aber nicht nur für unsere Kultur, für unsere wunderbare Musik weit über die Grenzen hinaus bekannt und erfolgreich. Unsere oberösterreichische Industrie, die Handwerksbetriebe sind regional, aber auch international tätig und erfolgreich. Mit unseren Seen und der wunderschönen Berglandschaft sind wir als Erholungs- und Urlaubsziel von unseren eigenen Landsleuten, aber auch von vielen Gästen aus vielen Ländern gerne gebucht, weil wir in Oberösterreich eine Kulturlandschaft haben, die, natürlich von Mutter Natur geschaffen, von den Menschen aber gepflegt und von den Bäuerinnen und Bauern über Generationen hinweg bewirtschaftet wird. Darauf sind wir zu Recht stolz.

Dass das aber so ist und auch so bleibt, ist nicht selbstverständlich. Dazu braucht es nämlich eine stabile politische Kraft im Land, die dafür die bestmöglichen Rahmenbedingungen schafft und auf die sich die Menschen auch verlassen können. Gerade in einem Halbjahr, das von einer richtungsentscheidenden Wahl


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geprägt ist, könnte das Motto der oberösterreichischen Vorsitzführung nicht besser passen – ich denke, dass es sogar sehr gut gewählt ist –: „Verlässlich fürs Land. Nah bei den Menschen“.

Sicherlich ist das Wechselspiel zwischen Bund und Ländern, das System des Föderalismus, für beide Seiten sehr fordernd. Es ermöglicht uns aber, dass Themen möglichst vor Ort mit Menschenverstand gemeinsam geregelt und die Herausforderungen und Probleme nahe bei den Bürgerinnen und Bürgern gelöst werden können. Ich bin der Meinung, dass eine starke Republik auch starke Bundesländer braucht, die mit stabilen Rahmenbedingungen gemeinsam an einer Weiterentwicklung und an der Lösung wichtiger Zukunftsfragen arbeiten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Dieses Halbjahr ist eine Chance für uns, Themen, die uns in Oberösterreich beschäftigen, Themen, die wir vorantreiben wollen, Themen, mit denen wir etwas bewegen wollen, hier in die Bundesebene hereinzutragen.

Gemeinsam die Herausforderungen anzunehmen und an Lösungen zu arbeiten hat uns in Oberösterreich als Bundesland besonders stark gemacht. Wir machen Politik – das hat die Vergangenheit schon gezeigt – mit Anstand, Verantwortung und in Zusammenarbeit. Ich denke, die Menschen müssen Vertrauen haben können, dass wir als Verantwortungsträger die Probleme erkennen, nach Lösun­gen suchen und auch vorausschauend handeln. Wir in Oberösterreich haben bewiesen, dass wir mit unserem Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer die Sachpolitik in den Vordergrund stellen – stellen wollen, aber auch stellen können – und für die Menschen in unserem Land arbeiten; denn dafür sind wir auch gewählt und das ist unser klarer Auftrag. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher hat unser Bundesland bereits im Jahr 2020 für die nächsten Jahre einen Oberösterreichplan entwickelt. Das ist ein breites Bündel an Maßnahmen, mit denen in allen Regionen und in allen Bereichen in die Zukunft investiert wird. Dabei wird sehr bewusst ein besonderer Schwerpunkt auf die Themen Arbeit


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und Standort gelegt. Wir haben schon gehört: Betreffend die Wirtschafts­entwicklung, die in den nächsten Monaten, vielleicht sogar Jahren, sehr fordernd sein wird, ist es notwendig, ein solides Umfeld für unsere Unternehmen in Oberösterreich zu bewahren und besonders auch die Arbeitsplätze in den Regionen abzusichern.

Die Arbeit zu den Menschen bringen – und nicht umgekehrt –, das ist unser Motto. Das Ziel ist eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, die nicht alleine von Wachstumszahlen geprägt ist, sondern die auch die Regionen belebt und dabei diese und die Menschen, die dort wohnen, vor Ort stärkt. Zudem sollen Zukunfts­bereiche wie Forschung, Infrastruktur und Klimaschutz weiter forciert und in diese investiert werden.

Ich denke, eine Chance im Zusammenhang mit der aktuellen Klima- und Nach­haltigkeitsdebatte liegt in der aktiven Landwirtschaft. Die Landwirtschaft in Oberösterreich steht für Vielfalt und Qualität in der Produktion. Unsere bäuer­lichen Familienbetriebe wirtschaften in und mit den Kreisläufen der Natur und des Lebens und sind somit von Natur aus nachhaltig. Gerade beim Thema Klimaschutz – so sehe ich das – ist die Landwirtschaft nicht das Problem selbst, sondern ein großer Teil der Lösung.

Durch die landwirtschaftlich genutzten Flächen – unsere Äcker, unsere Wiesen, unsere Wälder –, die wir aktiv bewirtschaften, wird dreimal mehr CO2 gebunden, als entsteht. Biodiversität entsteht durch die Vielfalt der aktiven Bewirtschaf­tung und nicht durch überzogene Außernutzungstellungs- und Renaturierungs­programme. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade durch ihre verantwortungsvolle Arbeit sichern unsere bäuerlichen Familienbetriebe, unsere Bäuerinnen und Bauern, die Versorgung mit Lebens­mitteln – das haben wir auch in Krisenzeiten gesehen –, die wir täglich auf unserem Tisch haben. Daher, so denke ich, verdienen unsere Bäuerinnen und Bauern nicht den niedrigsten Preis für ihre Produkte und ihre Leistungen, sondern ein faires Einkommen und ehrliche Wertschätzung für ihre Arbeit.


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(Beifall bei der ÖVP.) Preisdumping, Aktionismus und vor allem bürokratische Hürden kommen uns und vor allem die Umwelt mittelfristig sehr teuer zu stehen.

Nicht nur trägt die Landwirtschaft im Bereich Klima- und Umweltschutz Verant­wortung, die Nutzung von nachhaltigen und erneuerbaren Energiequellen sind auch Teil der Lösung. Da ist Oberösterreich, wie Österreich generell, sehr reich an Ressourcen. Wir sind auch international führend betreffend Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien wie zum Beispiel Biomasse, Sonnenkraft und Wasserkraft. Dazu haben in den letzten Jahren verschiedenste Maßnahmen des Bundes und auch des Landes Oberösterreich beigetragen. Ökonomie und Ökologie sind in sich kein Widerspruch, sondern müssen Hand in Hand gehen. Transformation kann nur nachhaltig und mit Hausverstand angegangen werden.

Eine wesentliche Rolle spielen dabei auch die Veränderung der Mobilität und der Ausbau der Infrastruktur in unserem Land. Um den weiteren Ausbau der Infra­struktur und die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs werden wir nicht umhinkommen. Besonders wichtig ist es auch, die Ballungszentren und die Hauptverkehrsrouten in unserem Land zu entlasten.

Im Gegensatz dazu sind in den ländlichen Gebieten die Straßen und das Auto – besonders für Familien, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – sehr oft einfach notwendig und ein wichtiger Teil der Mobilität, denn nicht jedes entlegene Dorf beziehungsweise periphere Gebiet kann mit Schienen oder stündlich mit Linienbussen versorgt werden.

Im Bereich des Güterverkehrs ist auch für uns die Lenkung und der sorgsame Ausbau der Transitrouten enorm wichtig, damit nicht die Ballungszentren im Verkehr ersticken und die Pendlerinnen und Pendler auf dem Weg in die Arbeit unnötig Zeit verlieren. Dabei ist ein wichtiger, sehr, sehr notwendiger Schritt der Ausbau der Regionalstadtbahn Linz, dessen Finanzierung wir gestern im Bundesrat zugestimmt haben.


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Weiters möchte ich noch auf einen besonderen Schwerpunkt, nämlich die Pflege, und auf einen für mich sehr wichtigen Punkt, die Generationen, eingehen. Es gibt ein klares Bekenntnis von uns für eine christlich-soziale Verantwortung (Oh-Rufe bei der SPÖ): dass wir jenen helfen, die auch wirklich unserer Hilfe bedürfen.

Es ist unsere Pflicht, für die Schwächeren und die Benachteiligten in unserer Gesellschaft zu sorgen, die nichts – beziehungsweise nicht mehr so viel – leisten können. Es muss für jene, die ein Leben lang für dieses Land, für die Familien, für die Gesellschaft, für sich und auch für andere gesorgt und etwas geleistet haben, gewährleistet sein, dass Altern in Würde möglich ist.

Ich bin sehr froh, dass die Themen Pflege, Familien und Generationen in den letzten Jahren stark angegangen worden sind und mit den vielen Maßnahmen des Landes – aber auch des Bundes – sehr viel weitergebracht worden ist. (Beifall bei der ÖVP.) Wenn ich die Maßnahmen der Pflege hier ansprechen würde, bräuchte ich noch weitere 10 Minuten Redezeit.

Die Familie ist meiner Meinung nach – in all ihren Generationen – die Keimzelle unserer Gesellschaft. Die Pflege von Personen, egal welchen Alters, auch von Personen mit Beeinträchtigungen, die Fürsorge erfolgt größtenteils in der Familie (Bundesrätin Schumann: Von den Frauen, musst du sagen! ... Familie!), aber natürlich auch außerhalb von ihr – und genau dort ist Entlastung und unsere Unterstüt­zung notwendig, denn wir müssen diese wertvolle Arbeit anerkennen und auch schätzen lernen.

Diese von mir angesprochenen Aufgaben und Herausforderungen und noch so viele mehr stehen uns bevor und müssen vorausschauend und mit Vernunft angegangen werden. Dazu ist es notwendig, dass wir dabei die Chancen sehen, dass wir klug investieren und nachhaltig wirtschaften.

Wir, die politisch Verantwortlichen, werden an unseren Taten gemessen und nicht an den Worten und Ankündigungen, die wir von uns geben. (Bundesrat


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Schennach: Genau!) Oberösterreich und insbesondere unsere Republik Öster­reich standen immer wieder vor neuen Herausforderungen und haben die damit verbundenen Schwierigkeiten auch immer – gemeinsam – gemeistert.

In Zeiten von rasanten Veränderungen und des Wandels sehnen sich die Menschen immer mehr nach Sicherheit und Stabilität. Unsere Verantwortung ist es, dass sich die Menschen in unserem Land geborgen fühlen, dass wir gemein­sam auch für ein gutes Morgen sorgen. Uns sollte bewusst sein, dass wir ein gutes Fundament haben, auf das wir uns verlassen und auf dem wir auch weiter aufbauen können. Dieses Fundament heißt Demokratie: der Nährboden dafür, dass wir in unserem Land und in Europa in Frieden und Freiheit leben können.

Lieber Präsident, du hast dir als Motto für deinen Vorsitz gewählt: Demokratie braucht Zukunft. Zukunft braucht Herkunft. – Leben wir in der Politik, leben wir in diesem Haus Demokratie im Ausdruck gegenseitigen Respekts und gegen­seitiger Wertschätzung vor! Egal wie wir es tun, es wird auf dem Nährboden der Demokratie eine reiche Ernte bringen, nämlich Frieden, Freiheit und Sicherheit für die Menschen. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne bedanke ich mich nochmals recht herzlich für den gelungenen Oberösterreichabend vor zwei Tagen mit einer wirklich guten Stimmung. Es war ein schöner und gelungener Start in das kommende Halbjahr. – Bei dir, Herr Landeshauptmann, bedanke ich mich fürs Kommen, für deine Worte; Glück auf! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

9.49


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesratsvizepräsident Dominik Reisinger. Ich erteile ihm das Wort.



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9.49.52

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Zuallererst darf ich dir, sehr geehrter Herr Präsident, lieber Franz, zur Präsidentschaft, und Ihnen, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, zur Vorsitzübernahme in der Landeshaupt­leutekonferenz herzlich gratulieren und Ihnen beiden alles Gute für diese Herausforderung wünschen.

Herr Landeshauptmann, in Zeiten großer Herausforderungen kommt Ihrer Vorsitzführung eine sehr bedeutende Verantwortung zu. Dank unserer föderalen Struktur liegen viele Gestaltungsmöglichkeiten bei den Ländern. Umso wichtiger ist es, auf der Länderebene bestenfalls den Konsens, zumindest aber immer den Kompromiss zu suchen. Das ist zugegebenermaßen nicht immer leicht, aber unumgänglich, wenn man die Weichen für wichtige Entscheidungen stellen möchte – und in vielen Bereichen auch muss. Manchmal ist es eine Kunst, immer aber eine Notwendigkeit in der politischen Verantwortung, deshalb wünsche ich Ihnen für diese Aufgabe, für diese Verantwortung alles Gute und Erfolg.

Viele der Herausforderungen, die uns in der Lebensrealität der Menschen begegnen, sind nur durch ganz große Kraftanstrengungen zu bewältigen. Da fallen mir große Themenkomplexe ein, Stichwort Kinderbetreuung, Pflege, Gesundheit, Klimaschutz oder die heute schon gefallenen Gemeindefinanzen. Vor allem auch dürfen wir die Menschen in unserem Land nicht vergessen, Stichwort leistbares Leben.

Wir können in dieser Debatte nicht alle Bereiche diskutieren, aber zwei mir ganz wichtige möchte ich doch im Detail ansprechen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie sprechen oft von Oberösterreich, dem Land der Möglichkeiten. Oberösterreich hat zweifelsohne sehr viel zu bieten, viel Tradition und auch viel Zukunft. Ich sehe aber nicht alles so optimistisch, nicht


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alles so positiv und orte doch in zentralen Bereichen dringenden Handlungs­bedarf. Als Bürgermeister und Kommunalsprecher meiner Fraktion denke ich da in erster Linie an die Gemeinden und an unsere ländlichen Regionen. Das ist nämlich der unmittelbare Lebensraum, in dem die Menschen leben; sie empfinden diesen Raum als ihre Heimat.

Für diese kleinste politische Ebene gibt es auch die sogenannte Gemeinde­autonomie. Diese wichtige Selbstbestimmung wird aber in letzter Zeit immer mehr untergraben, teils durch überbordende rechtliche und bürokratische Vorgaben, durch Aufgabenübertragungen, jedenfalls aber durch die finanzielle Aushöhlung der Gemeinden.

Seit Jahren warnen wir vor dem drohenden Finanzkollaps der Kommunen und vor den negativen Auswirkungen. Wenn ich mir aber die Reaktionen von Bund und Ländern in den letzten Monaten, in den letzten Jahren anschaue, wage ich zu bezweifeln, dass dieser Problematik jene Bedeutung und Priorität zuge­schrieben wird, die sie verdienen und dringend brauchen würde.

Die Gemeinden sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, der sie vielfach zu Verwaltern degradiert. Wir aber wollen den Lebensraum der Menschen aktiv gestalten. Ich frage die Verantwortlichen in Bund und Land, wie das unter diesen Rahmenbedingungen geschehen soll und geschehen kann. Die Gemeinden sind aus meiner Sicht chronisch unterfinanziert. Sie schaffen es kaum noch, die Daseinsvorsorge – wie zum Beispiel die Wasserversorgung, die Abwasserent­sorgung, die Müllabfuhr, die Erhaltung der Infrastruktur und, ganz wichtig, die Schulerhaltung und die Kinderbildung – zu stemmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Kosten explodieren – das ist kein Geheimnis – in den Bereichen Pflege und Gesundheit. Diese Kosten nehmen den Gemeinden den so wichtigen Spiel­raum für andere ganz wichtige Investitionen. Die Ausgaben-Einnahmen-Schere geht weiter auseinander, und das sagen nicht nur wir, diese Tendenz wird auch von zahlreichen Studien belegt, etwa vom Zentrum für Verwal­tungs­forschung, kurz KDZ.


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Herr Landeshauptmann, ich habe Ihrer Erklärung ganz genau zugehört und auch Ihre Botschaft verstanden, nämlich den Standort, die Arbeitsplätze zu sichern. Wenn aber so viele Projektpläne in den Schubladen der Gemeinden und Städte liegen bleiben: Ist das der richtige Weg zur Sicherung des Standortes? Ich glaube nicht, denn diese Verzögerungen, diese Verschiebungen schaden der regionalen Wirtschaft und gefährden auch Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Aus eigener Erfahrung muss ich feststellen, dass die Gemeinden – zumindest das Gros der Gemeinden – aus diesem Teufelskreis aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen. In Oberösterreich kommen im Bundesländervergleich noch erschwerend die hohen Transferleistungen der Gemeinden an das Land dazu. Es sind mehrere Hundert Millionen Euro, bestätigt auch durch den Landesrech­nungs­hof, die die Gemeinden und Städte laut Transferbilanz an das Land abliefern müssen. Darum ist es nicht verwunderlich, dass es immer mehr Härteaus­gleichsgemeinden gibt, die Tendenz ist leider erschreckend steigend. In meinem Heimatbezirk, im Bezirk Rohrbach, sind bereits rund zwei Drittel aller Gemeinden Abgangsgemeinden, sprich Härteausgleichsgemeinden. (Bundesrätin Schumann: Bist du gscheit! – Bundesrat Schennach: Wow!) Das ist sehr bedenklich und auch dramatisch, wie ich meine.

Im Gegenzug aber spreche ich Ihnen, Herr Landeshauptmann, das Bemühen nicht ab, auch über Entlastungen für die Gemeinden nachzudenken. Wie der Bund unterstützt auch das Land Oberösterreich punktuell mit Einmalhilfen. Diese Maßnahmen bekämpfen aber nicht die Ursache, sondern lindern nur geringfügig das Problem. Es bleibt die bittere Erkenntnis, dass man bei den Finanzausgleichsverhandlungen im Vorjahr eine Riesenchance vertan und verspielt hat. Statt einen nachhaltigen Systemwandel anzustreben, ist man beim alten Verteilungsschlüssel geblieben. Das ist aus unserer Sicht eine nachweislich falsche Entscheidung und ein Fehler, der die Gemeinden zu Bittstellern degradiert. Deshalb mein Appell: Setzen Sie alle Hebel in Bewegung, um den


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Gemeinden jene Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen und stärken Sie sie auch finanziell! (Beifall bei der SPÖ.)

Positiv bewerten möchte ich, dass Sie den Vorschlag von Landesrat Lindner für einen Transfergipfel aufgegriffen haben. Das Wichtigste für uns Gemeinden wäre, wenn es bald positive Ergebnisse aus diesen Gipfelgesprächen geben würde.

Ich möchte noch ein weiteres wichtiges Thema ansprechen, die Kinderbildung und Kinderbetreuung. Das ist auch ein Bereich, bei dem in Oberösterreich – dem ausgerufenen Land der Möglichkeiten – leider noch viel Aufholbedarf besteht. Da kann ich kein gutes Zeugnis ausstellen. Oberösterreich ist abgeschlagen, was Ganztagsbetreuungsplätze angeht, und im Bundesländervergleich – mit 23,4 Prozent – Schlusslicht bei der Betreuungsquote der unter Dreijährigen. Es gäbe viele Angebote nicht, auch das ist meine Feststellung, wenn nicht die Gemeinden immer wieder viel Geld in die Hand nehmen würden. Es gab in letzter Zeit zwar erste richtige Schritte, will Oberösterreich aber wirklich Kinderland Nummer eins werden, muss es ganz eindeutig die Schlagzahl erhöhen. Geht es in diesem Tempo weiter, bleibt Oberösterreich leider weiter im Hintertreffen.

Was dieses Hintertreffen heißt, lässt sich aus einem ORF-Bericht mit der Überschrift „480 Kinder verlieren Tagesmutter“, der gestern Abend online ging, ableiten. Die Ferien beginnen also für diese Eltern und Kinder mit einer Hiobsbotschaft. Aus wirtschaftlichen Gründen stehen 107 Kündigungen beim Verein Aktion Tagesmütter Oberösterreich an. Diese 107 Tagesmütter und Tagesväter sind bereits beim AMS-Frühwarnsystem angemeldet. Das erzeugt absolute Verunsicherung. Wie es weitergeht, weiß leider niemand. Es ist aber ein weiterer Beweis für die Unterfinanzierung im Bereich Kinderbildung und Kinderbetreuung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)


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Was in diesen Bereichen wirklich möglich wäre, das sehen wir in den Bundes­ländern Wien, Kärnten und Burgenland; genau dort müssen auch die restlichen Bundesländer hin. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich komme zum Schluss: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ich ersuche Sie und bitte Sie – das ist uns und auch den Menschen in diesem Lande ein großes Anliegen –, sich für die Gemeinden und vor allem auch für die Kinderbildung starkzumachen und diese zu unterstützen; dann – und nur dann – sind Sie auch „Nah bei den Menschen“. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall der SPÖ.)

10.00


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile ihm das Wort.


10.00.46

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Landes­hauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Vor allem liebe Oberösterreicher und Ober­österreicherinnen! Es ist mir eine besondere Freude und auch eine Ehre, zu einer Zeit Mitglied des Bundesrates zu sein, in der mein Heimatbundesland den Vorsitz im Bundesrat innehat. Ich wünsche dir, lieber Franz, und dir, geschätzter Herr Landeshauptmann, alles Gute und viel Kraft für eure Aufgaben in den nächsten sechs Monaten.

Oberösterreich ist ein wunderschönes Bundesland, wir haben es gehört, ein Tourismusland, ein Kulturland, ein Industrieland, auch als der Wirtschaftsmotor Österreichs bekannt und zeichnet sich durch eine sehr hohe Lebensqualität im gesamten Bundesland aus. Leider spüren wir und vor allem viele Oberöster­reicher aber immer mehr die Auswirkungen der Arbeit der schlechten schwarz-


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grünen Bundesregierung – von den massiven Teuerungswellen bis hin zur Migrationspolitik und deren Auswirkungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die Arbeitslosigkeit ist im Juni im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Pro­zent gestiegen, in der Industrie sogar um mehr als 37 Prozent. Hohe Kosten und bürokratische Hürden schaden der Wettbewerbsfähigkeit und, wie der Herr Landeshauptmann gesagt hat, auch die Wirtschaftskraft leidet; das sage nicht ich, sondern die Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Verant­wortlich dafür ist vor allem die grüne Politik mit – leider Gottes – Duldung der Bundes-ÖVP (Beifall bei der FPÖ) – daher ist es nicht egal, wer regiert und wer mit wem regiert.

In Oberösterreich arbeitet die FPÖ mit der ÖVP zusammen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Parteien, die unterschiedliche Ziele und auch unter­schiedliche Zugänge haben, aber es steht das Miteinander vor dem Trennenden. (Zwischenruf bei der SPÖ.) In Oberösterreich ist eines besonders: dass alle gewählten Parteien ab einem gewissen Stimmenanteil in der Landesregierung vertreten sind und somit Regierungsverantwortung übernehmen. Für die politische Arbeit ist das durchaus vorteilhaft und viele sehen es auch als Erfolgsmodell in vielen Städten und Gemeinden in Oberösterreich, eben auch auf Landesebene. Das heißt aber nicht automatisch, dass alle Parteien immer der gleichen Meinung sind.

Geschätzte Damen und Herren, die Zeit der absoluten Mehrheiten ist nicht nur in Österreich vorbei; in ganz Europa müssen unterschiedliche politische Kräfte zusammenarbeiten und auch Kompromisse finden. Dadurch sollte ein Ausgleich der Interessen entstehen, der in einer gelebten Demokratie notwendig ist. Gerade in Zeiten der Veränderungen brauchen Menschen vor allem wieder Vertrauen: Vertrauen in die Politik, Vertrauen in unsere Demokratie. Diese schwarz-grüne Bundesregierung hat durch ihre Politik die Bevölkerung gespalten und hat das Urvertrauen verloren. In den Worten des Präsidenten: „ein zartes Pflänzchen“ – es ist niedergetreten worden. Wir alle sind verantwortlich, dass


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das Pflänzchen Demokratie und das gegenseitige Vertrauen wieder wachsen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist nicht egal, wer regiert und wer mit wem regiert: Während in der Bundes­regierung seit fast fünf Jahren ununterbrochen Chaos herrscht und nichts besser geworden ist, arbeitet Oberösterreichs Regierung, die FPÖ mit der ÖVP, jeden Tag für ein besseres Land im Sinne aller Oberösterreicher. (Beifall bei der FPÖ.)

Neben dem erfolgreich freiheitlich geführten Ressort Wohnbau, Naturschutz und Familien von Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner – darauf wird Kollege Steinmaurer noch genauer eingehen – ist seit 2015 Landes­rat Mag. Günther Steinkellner für die Mobilität in Oberösterreich zuständig. Durch die 2015 durchgeführte Zusammenführung der Ressorts öffentlicher Verkehr und Straßenbau kann endlich ein ganzheitliches und effizientes Vorgehen erzielt werden. Diese zwei großen Bereiche werden seither mit aller Energie bestmöglich für die oberösterreichischen Bürger verbunden. Ein klares Ziel ist die Schaffung effizienter und zukunftsfähiger Verkehrslösungen, die Oberösterreich zur Stärkung der Wirtschaftsstruktur benötigt.

Was uns Freiheitlichen jedenfalls klar ist und was immer wieder betont werden muss, sind die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Verkehr in der Gegenwart und auch in der Zukunft, die nur durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Umsetzung wichtiger Straßenprojekte zu bewältigen sind. Nur gemeinsam können wir zu Lösungen kommen. Wer wie Minister Gewessler glaubt, das mit einem kompromisslosen Nein zu Straßenprojekten zu erreichen, ist klar auf dem falschen Weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Ausspielen von Projekten im Bereich öffentlicher Verkehr gegen Projekte im Straßenbaubereich ist der Weg von ideologisch Getriebenen und wird uns kein Ziel erreichen lassen. Geschätzte Damen und Herren, neben den jährlichen Sanierungsprogrammen bedeutet eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik auch, neue Straßen zu bauen. Es wird daher weiterhin an Großprojekten in Ober­österreich gearbeitet. (Beifall bei der FPÖ.)


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Hervorzuheben sind da die Regionalstadtbahn – sie wurde bereits erwähnt –, der wir alle im Bundesrat gestern zugestimmt haben, die vierte Donaubrücke, die bald für den Verkehr freigegeben werden kann und die Stadt Linz entlasten wird, oder auch die neue Donaubrücke Mauthausen, deren Bau von Oberösterreich gemeinsam mit dem Land Niederösterreich vorangetrieben wird. Landesrat Günther Steinkellner und Landeshauptmannstellvertreter Udo Landbauer setzen sich gemeinsam dafür ein, diese enorm wichtige Verbindung zwischen diesen beiden Bundesländern dauerhaft zu gewährleisten. Leider verzögern und blockie­ren NGOs immer wieder wichtige Infrastrukturprojekte, was dann zu Mehr­kosten und Unsicherheit führt. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Geschätzte Damen und Herren, ein weiteres Anliegen ist uns Freiheitlichen auch die Erhöhung der Verkehrssicherheit in Oberösterreich. Das Mobilitäts­verhalten der Menschen hat sich in den vergangenen Jahren geändert und damit auch die Gefahren im Straßenverkehr. Die Bilanz unterstreicht den erfolgreichen Weg: Oberösterreichs Straßenverkehr ist sicherer geworden, die Anzahl der tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmer entwickelt sich immer weiter nach unten.

Geschätzter Herr Präsident, das Motto, das ausgerufen worden ist, „Demokratie braucht Zukunft. Zukunft braucht Herkunft“, betont die Bedeutung von Tradition und Vergangenheit für die Gestaltung einer Demokratie oder demo­kratischen Zukunft. Diese Aussage unterstreicht die Idee, dass eine stabile und erfolgreiche Zukunft auf den Grundlagen der Werte der Vergangenheit aufbauen muss. Die FPÖ steht zur Tradition und zur Heimat. Wir wollen unsere Kultur und Tradition nicht nur erhalten und pflegen, wir wollen sie leben und weitergeben.

Sicherheit, Hoffnung, Stabilität, das sind große, kraftvolle Worte; egal wie turbulent die Welt auch sein mag, mit der FPÖ kann die österreichische Bevöl­kerung mit Vertrauen, Hoffnung und Sicherheit in die Zukunft blicken. (Beifall bei der FPÖ.) Wir, die FPÖ, sind verlässlich, „Verlässlich fürs Land“, und wir sind schon immer


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„Nah bei den Menschen“, weil wir ein Fundament haben, auf das sie sich verlassen können und auf dem wir alle gemeinsam aufbauen können.

Geschätzte Österreicher und Österreicherinnen, es ist nicht egal, wer regiert und wer mit wem regiert. Diese ÖVP-Grünen-Bundesregierung hat das Urvertrauen schon lange verloren und zahlreiche Baustellen geschaffen, die es nun rasch und effizient zu beseitigen gilt. Daher: Am 29. September haben Sie, geschätzte Österreicher und Österreicherinnen (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Buchmann, Eder-Gitschthaler und Miesenberger), die Möglichkeit und es selbst in der Hand, mit einer starken FPÖ die verfehlte Politik dieser Bundesregierung wieder in eine gute Zukunft zu führen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.09


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.


10.09.38

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident, auch von der grünen Fraktion noch einmal alles Gute für die künftige Präsidentschaft und nochmals einen Dank an die ausgeschiedene Präsidentin, Frau Margit Göll. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Stelzer! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Im Februar 2020 – damals noch in der Hofburg, wie sich einige Kolleg:innen erinnern – bin ich auch am Redner:innenpult gestanden und habe im Rahmen der Debatte anlässlich der Übernahme des Vorsitzes von Oberösterreich einige Aspekte aus grünpolitischer Sicht beleuchtet. Inzwischen sind tatsächlich mehr als vier sehr ereignisreiche Jahre vergangen, und leider –


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ich muss sagen: leider – beobachte ich so manche Entwicklung mit großer Sorge – Sorge, die für mich schon bei Adam und Eva beginnt.

Nun fragen sich sicher einige, warum ich unsere biblischen Urahnen bemühe, aber Adam und Eva heißen auch die ersten größeren in Oberösterreich in Betrieb genommenen Windkraftanlagen, die im Innviertel seit 1997 gute Dienste leisten. Der Ausbau der Windenergie ist von immenser Bedeutung zur Erreichung unserer Klimaziele, nur leider passiert dazu in Oberösterreich so gut wie gar nichts mehr. Die Umstellung auf erneuerbare und saubere Energien ist der Schlüssel zum Schutz des Klimas, und folglich dient der Ausbau der erneuer­baren Energien letztendlich auch dem Schutz der Artenvielfalt.

Im Mühlviertel, am Saurüssel, in Oberösterreich und überall auf der Erde – jedes Zehntelgrad mehr bedroht Mensch, Tier und die gesamte Artenvielfalt nämlich unvergleichbar mehr als jedes Windrad. Jeden Tag, an dem wir es nicht schaffen, ein Windrad oder eine PV-Anlage ans Netz zu bringen, läuft ein Gas- oder Kohlekraftwerk weiter und heizt unseren Planeten weiter auf. In Oberösterreich sind derzeit 31 Großwindkraftanlagen in Betrieb, die großteils nämlich schon zwischen 1996 und 2003 errichtet wurden. In den letzten acht Jahren wurde tatsächlich nur ein zusätzliches großes Windrad errichtet.

Oberösterreich nutzt derzeit nur etwa 2 Prozent seines derzeit möglichen Windkraftpotenzials von 2 300 Megawatt und erzeugt so rund 80 Gigawatt Strom pro Jahr. Oberösterreich soll bis 2030 zumindest 20 Prozent seines Windkraftpotenzials nutzen. Dieses Ziel bis 2030 in Oberösterreich ist erreich­bar – mit der Erneuerung bestehender und der Errichtung zusätzlicher Groß­windkraftanlagen. (Beifall bei den Grünen.) In Summe würden dann bis 2030 rund 100 Großwindräder stehen.

Auf Bundesebene wurde 2021 mit dem Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespakets und nachfolgender Durchführungsverordnung sowie Förderprogrammen ein wirklich guter Rahmen für die Beschleunigung des


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Ausbaus erneuerbarer Energien geschaffen. Mit dem Bundes-Energie­effizienzgesetz und dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz wurde der Bundesrahmen für die Energiewende weiter verbessert. Der Bund hat damit für den weiteren Windkraftausbau eine gute Grundlage gelegt – und der Handlungsbedarf besteht jetzt tatsächlich in Oberösterreich. Windenergie ist eine der sichersten, umweltfreundlichsten und günstigsten Formen der Elektrizitätserzeugung. (Beifall bei den Grünen.)

Daher ist es hoch an der Zeit, dass Adam und Eva weitere Nachfahren erhalten, weil sonst der Fortbestand von Flora und Fauna auf diesem Planeten aufgrund des Klimawandels und der Nichtumsetzung der Klimaziele in große Bedrängnis geraten.

Das bringt mich gleich zum zweiten Punkt, der mir in Oberösterreich Sorge bereitet, und das ist tatsächlich der Flächenfraß: Jeden einzelnen Tag im Jahr – also auch heute, während ich hier spreche – werden in Oberösterreich Agrar­flächen verbraucht, indem sie für Gebäude und Verkehrszwecke in Anspruch genommen werden. Wenn man unser schönes Oberösterreich durchquert, kann man kaum noch unterscheiden, ob man sich in Attnang-Puchheim oder in Mondsee befindet, überall bietet sich ein ähnliches Bild: Einkaufszentren an den Ortseinfahrten, Leerstände im Ort und eine unverhältnismäßig große Zer­siedelung. Das muss nicht sein, und vor allem darf das nicht so weitergehen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Maßnahmen, die hiezu seitens des Landes getroffen werden, sind nicht in dem Ausmaß, dass sich wirklich Fortschritt zeigt. Es braucht klare Vorgaben, und ja, manchmal ist es unangenehm, aber es ist in der Sache notwendig. Von den 1,2 Millionen Hektar Landesfläche in Oberösterreich sind lediglich 684 000 Hektar Dauersiedlungsraum, also überhaupt für uns nutzbar. Davon sind 588 000 Hektar Agrarland. Das sind 3 800 Quadratmeter pro Oberösterreicher:in. Davon sind wiederum nur 233 000 Hektar beste Agrarböden. Das sind dann nur noch 1 500 Quadratmeter pro Oberösterreicher:in. Wenn wir jetzt wissen, dass der:die durchschnittliche Europäer:in rund 4 000 Quadratmeter Agrarland


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alleine für den Anbau von Lebensmitteln beansprucht, dann wissen wir: Es gibt ein Problem.

Aktiver Bodenschutz ist die Grundlage unseres Lebens und unserer Nahrungs­mittelsicherheit – du hast es schon sehr richtig angesprochen, Kollegin Miesenberger. Ein unrühmliches Beispiel – ich möchte das Gesagte nicht ohne Beispiel stehen lassen – ist etwa das Projekt in Ohlsdorf, das uns Oberöster­reicher:innen sehr bekannt ist, wo sinnloserweise unter dem Deckmantel – ich nenne es jetzt einfach einmal Deckmantel –, Arbeitsplätze zu schaffen, eine unglaublich große Waldfläche gerodet und in Betriebsbaugebiet umgewidmet wurde.

Der Bericht des Oberösterreichischen Landesrechnungshofes zeigt deutlich, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rodungsbewilligung in Ohlsdorf nicht vorgelegen sind. Weiters gab es zum Zeitpunkt des Rodungsbescheides kein konkretes Bauvorhaben, und es wurde auch nicht geprüft, ob die angekün­digten 600 Arbeitsplätze überhaupt realistisch sind.

Ja – und da stimme ich meinen Vorrednern und insbesondere dem Herrn Landes­hauptmann zu – Arbeitsplätze sind von immenser Bedeutung, denn Oberöster­reich ist ein Industrieland, und tatsächlich sichern diese Arbeitsplätze unseren Wohlstand und bringen auch soziale Sicherheit. Innovation und Technik, das ist sicher ein Aushängeschild von Oberösterreich, aber dazu braucht es auch eine aktive und zukunftsorientierte Energie- und Bodenpolitik.

Ich möchte aber nicht hier stehen und nur jene Dinge beleuchten, die aus grüner Sicht deutliches Verbesserungspotenzial haben. Nein – und wir haben es heute auch schon mehrfach gehört –, Oberösterreich bietet auch eine Menge an Kultur. Gerade in diesem Jahr mit der Europäischen Kulturhauptstadt Bad Ischl zeigt Oberösterreich seine Vielfalt, und schon vorgestern und auch heute haben wir im Rahmen des Oberösterreichempfangs viel über das Anton-Bruckner-Fest gehört. Zahlreiche Gemeinden beteiligen sich an wirklich beeindruckenden Veranstaltungen, und auch bei der Europäischen Kulturhauptstadt Bad Ischl


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wirkt eine ganze Region mit. Da möchte ich ganz besonders die erste Salz­kam­mergut-Pride erwähnen, die am 15.6. in Bad Ischl stattgefunden hat und tatsächlich ein lautes Zeichen für Weltoffenheit im ländlichen Raum gesetzt hat. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik. Bundesrat Schreuder – einen regenbogenfarbenen Fächer schwin­gend –: Yesss!)

Zum Schluss – das Beste kommt natürlich immer zum Schluss – möchte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuseherinnen und Zuseher, sehr, sehr herzlich zur Sommerfrische an den Attersee einladen. Diese Sommerfrische genoss einst schon Gustav Klimt (Bundesrat Himmer: Wo genau sollen wir da hinkommen?), und am Freitag letzter Woche wurde dort das Klimt-Zentrum auf Initiative des örtlichen Klimt-Vereins wiedereröffnet. (Beifall der Bundesrät:innen Huber und Schreuder.) Es wurde dort eine beeindruckende Ausstellung geschaffen, die mehr als sehens- und erlebenswert ist. (Bundesrat Spanring: Wie viel Fläche wurde dafür verbaut?) Es würde mich freuen, wenn Sie ganz einfach mit der Bahn und dem Regionalzug – ich mag den Namen auch noch nennen, er heißt Kammerer Hansl – klimafreundlich zum Attersee kommen und die Schönheit Oberösterreichs dort genießen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Miesenberger.)

10.18


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sumah-Vospernik. Ich erteile ihr das Wort.


10.19.06

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident, auch ich möchte Ihnen zur Vorsitzübernahme gratulieren und viel Erfolg wünschen. Wir von den NEOS sind


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angetreten, um für unser Land Reformen umzusetzen. Unser Ziel ist es, Öster­reich fit für die Zukunft zu machen, indem wir veraltete Strukturen aufbrechen und innovative Lösungen vorantreiben. Doch oft stoßen wir dabei auf Hinder­nisse, die nicht nur auf Bundesebene, sondern eben auch auf Bundesländer­ebene bestehen. Es bedarf der Unterstützung und des Mutes aller Landeshaupt­männer und Landeshauptfrauen, um diese notwendigen Reformen umzusetzen. Leider mangelt es oft genau daran.

Für die unerbittliche Konsequenz des Beharrens auf alten Strukturen hat sich bei uns NEOS der Begriff Fürsten der Finsternis etabliert. (He-Rufe bei der ÖVP. – Bundesrat Himmer: Der Schmäh geht auf Matthias Strolz zurück! Der hat sich nicht etabliert, das war ... Programm von Matthias Strolz! Der Gründungsschmäh!) Dieser Begriff beschreibt jene, die sich gegen den Fortschritt und gegen die Moder­nisierung sperren. Ich hoffe sehr, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie verstehen Ihr Amtsverständnis anders und dass Sie uns NEOS in Oberösterreich in unserem Bemühen unterstützen, Strukturreformen, insbesondere im Gesundheitsbereich, im gemeinsamen Interesse zur Verbesserung unseres Landes umzusetzen.

Ein anderes Anliegen ist der Bereich des Jugendschutzes. Oberösterreich ist das einzige Bundesland, das in der Landesgesetzgebung abweichende Regelungen hat. Damit muss Schluss sein! (Bundesrat Buchmann: Das ist eine föderale Kammer, keine zentrale Kammer!) Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum Jugendliche innerhalb eines Staatsgebietes aufgrund eines überholten Föderalismus ungleich behandelt werden. Einheitliche Regelungen sind notwendig, um Klarheit und Gerechtigkeit für alle jungen Menschen in Österreich zu schaffen. Nur so können wir sicherstellen, dass alle Jugendlichen die gleichen Chancen und Schutzmechanismen genießen.

Darüber hinaus regen wir NEOS eine völlige Steuerautonomie für die Länder an. Die Steuerlast in Österreich ist einfach viel zu hoch! Es wird zu viel Geld aus­gegeben, insbesondere auch in den Bundesländern. Aus diesem Grund fordern wir, dass die Länder ihre Steuern selbst erheben und direkt verwenden dürfen.


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Wenn ein Bundesland gut wirtschaftet, sollte es auch die Möglichkeit haben, die Steuern zu senken und die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, ohne das Geld erst nach Wien schicken zu müssen, wo es dann über alle Bundesländer verteilt wird.

Eine echte Steuerautonomie würde auch bedeuten, dass die Länder dafür verantwortlich sind, das Geld einzunehmen, das sie dann ausgeben. Dies würde zu mehr Transparenz und Effizienz führen und die Länder dazu anspornen, verantwortungsvoll und nachhaltig zu wirtschaften.

Schluss mit den Einmalzahlungen und Sonderzuschüssen! Die Menschen würden endlich spürbar entlastet und die Länder hätten die Mittel, um gezielt in ihre eigenen Projekte und Bedürfnisse zu investieren.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns gemeinsam den Mut aufbringen, diese notwendigen Reformen anzugehen! Lassen Sie uns für ein Österreich arbeiten, das durch Einheitlichkeit, Transparenz und Effizienz besticht! Unterstützen Sie uns NEOS in unserem Bestreben, unser Land zukunftsfähig zu machen und den Bürgerinnen und Bürgern die Entlastung zu bieten, die sie verdienen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich darf auch Ihnen, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, daher ans Herz legen: Weniger schwarzer Beton, mehr: Think pink! – Vielen Dank. (Bundesrat Buchmann: Ha, ha, sehr lustig!)

10.22


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Ruf. Ich erteile ihm das Wort.


10.22.41

Bundesrat Mag. Bernhard Ruf (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geschätzter Herr Landeshauptmann! Zunächst: Herzliche Gratulation


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für den gelungenen Oberösterreichabend, der wirklich eine formidable Visitenkarte unseres Bundeslandes war!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal und vor den Fernsehern und Bildschirmen! Lieber Herr Landeshaupt­mann, herzlichen Dank für die deutlichen Worte und für die gesetzten Schwerpunkte, nämlich betreffend die Standort- und damit auch Arbeitsplatz­sicherung, die verordnete Diät für unsere Bürokratie, die hoffentlich schlanker wird, und für das Ins-Licht-Rücken der Pflege als Herausforderung.

Bei mir hallen noch deine Worte wider, dass wir mehr darüber reden müssen, wovon wir leben, und nicht so sehr, wie wir leben. Geschätzter Herr Kollege und Vizepräsident Reisinger! Weder Bund noch Land haben einen Geldbunker à la Dagobert Duck, sondern wir verwalten unser aller Steuergeld und müssen dafür Sorge tragen, dass es ausreichend zur Verfügung steht, was sicher nicht mit Arbeitszeitreduktion geschehen kann. (Bundesrätin Schumann: Ja!) Deshalb bin ich dankbar, dass du, Herr Landeshauptmann (Zwischenrufe der Bundesrätin Schumann), für ein Revitalisierungspaket für unsere Wirtschaft und für unseren Standort plädierst. (Ruf bei der FPÖ: ... ruiniert habt!)

Unser Standort ist – noch – ein starker. Nehmen wir zum Beispiel unser Bundesland Oberösterreich her: Wir sind ein Industriebundesland, und da meine ich Industrie auch im ursprünglichen, lateinischen Sinn. Eifer, Fleiß, Einsatz bedeutet ja der Ursprung des Wortes: industria. Das kommt nicht von ungefähr.

Oberösterreich hat bekanntlich vier Viertel, die ich hier symbolisch und alpha­betisch quasi als kleine Landeskunde anführen und erläutern möchte.

Erstens das Hausruckviertel (Heiterkeit des Bundesrates Tiefnig – Bundesrat Himmer: Ist das jetzt eine Reihung, oder - -?) – alphabetisch, habe ich gesagt (Bundesrat Himmer: Ah, alphabetisch!) – oder, wie ich sage: Ho-ruck-Viertel. Der hemdsärmelige Einsatz, die gemeinsame Kraftanstrengung sind Fundament von Erfolg und Wohlstand. Wenn man sich zum Beispiel ansieht, welche Tour de


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Force etwa die Musikkapellen aus Sankt Marien in der letzten Woche auf sich genommen haben – Bezirksmusikfest, Oberösterreichabend –, und das alles ehrenamtlich, dann kann man nur stolz und bewundernd auf diesen Eifer blicken, auf diese industria, die da an den Tag gelegt wurde und täglich wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens das Innviertel oder, wie die Tourismuswerbung und auch ich es nennen, das Sinnviertel: Sinnstiftende und sinnvolle Arbeit ist es, die das Leben bereichert und ermöglicht. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die sich etwa der Pflege, dem öffentlichen Dienst, dem Lehrerberuf widmen und damit unsere Gesellschaft am Laufen halten, und wir müssen uns auch bei politischen Entscheidungen immer fragen, welchen Sinn sie machen und ob genug Hausverstand drin ist.

Drittens das Mühlviertel oder, wie ich es nenne, das Mühelosviertel: Eine gewisse Mühelosigkeit, eine Lebensleichtigkeit helfen, die Granitsteine, die einem auf dem Lebensweg begegnen, einzubauen und damit Wege und Brücken zu bauen. Wenn die Mühlen – und damit meine ich die Flüsse, die dem Mühlviertel den Namen geben – es mühelos schaffen, sich durch den Granit einen Weg Richtung Donau zu bahnen, dann können auch wir angesichts der Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft sagen: Ja, wir schaffen das!, oder wie es Neudeutsch heißt: Yes, we can!

Das gilt auch für die Energieversorgung, und ich möchte mich hier bei Landes­hauptmann außer Dienst Josef Pühringer für die Umsetzung des Kraftwerkes Lambach trotz des Widerstandes vieler Grüner bedanken, denn das Wasser bringt die konstanteste Energie, und wir in Oberösterreich sind Gott sei Dank auch damit gesegnet. (Beifall bei der ÖVP.)

Viertens das Traunviertel oder, wie ich es nenne, Traumviertel. Traumviertel nicht deshalb beziehungsweise nicht nur deshalb, weil dort der Herr Landes­hauptmann, der Herr Bundesratspräsident und meine Wenigkeit zu Hause sind (Bundesrätin Schumann: Hört, hört! Hört, hört!), sondern Traumviertel deshalb,


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weil es schon allein eine Gnade ist, in Österreich geboren worden zu sein, wobei es aber diesen in die Wiege gelegten Traum durch Ho-ruck, durch Sinnvolles und mit Mühelosigkeit am Leben zu erhalten und auszubauen gilt.

Wie ein sinnvolles Vorausdenken durch ein gemeinsames Ho-ruck mühelos zum Traum wird, zeigen einige positive Best-Practice-Beispiele aus Oberösterreich. Da wäre in der Forschung und Wissenschaft etwa die Etablierung der Medizini­schen Fakultät an der Johannes-Kepler-Universität, da wäre der Nobelpreis des gebürtigen Oberösterreichers Anton Zeilinger und da wären all die durch Wissenschaft und Forschung erfolgreichen Betriebe wie etwa Voest, Fronius, Pierer, Greiner oder auch Dynatrace, um nur einige zu nennen – wobei Dynatrace, das mittlerweile ja global agiert, in Linz gegründet wurde und ein Indiz dafür ist, dass Investitionen in neue Technologien, in Hochschulen wie Hagenberg, aber auch in Kultur wie in das Ars Electronica Center dazu einen weiteren wertvollen Beitrag leisten.

Weitere Best-Practice-Beispiele wären im Bereich der Kultur etwa die schon angesprochene Kulturhauptstadt im Salzkammergut, die zwar teilweise polarisiert, großteils aber wirklich wunderbar bereichernde Kunst mit und für die Region des südlichen Oberösterreichs bringt. Da wäre auch das Woodstock der Blasmusik, das sich aus einer kleinen, innovativen Idee zum größten Festival von und für Musiker:innen und zum besonderen und einzigartigen Mitmachmusikspektakel entwickelt hat. Und da wären auch kleinere Initiativen, wie die Uraufführung der Messe der Barmherzigkeit, die am kommenden Sonntag beim Landesmusikfest durch drei Musikkapellen und vier Chöre im Mariendom aufgeführt wird, um dann im Petersdom für Papst Franziskus zu ertönen – eine herzliche Einladung an alle hier im Saal, vor allem an jene, die der Barmherzigkeit am meisten bedürfen (Heiterkeit bei der ÖVP), und nein, ich klammere mich selbst nicht aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Jedes unserer hier vertretenen Bundesländer hat Best-Practice-Beispiele in den unterschiedlichsten Bereichen, wenn ich nur an die Einblicke in Healthacross oder die Sonnenwelt im Waldviertel denke, die wir dank Präsidentin Margit Göll


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besuchen durften. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rät:innen der Grünen.)

So wie Oberösterreich die Summe seiner Viertel ist, so sind wir die Summe unserer Bundesländer. Wir neun sind Österreich, das global zwar klein, aber oho ist. Gemeinsam können, ja müssen wir hier im Parlament, hier im Bundesrat als Länderkammer darauf achtgeben, dass wir als Lebensstandort, als Gesellschafts­standort und als Wirtschaftsstandort attraktiv und aktiv bleiben.

So wünsche ich dir, lieber Herr Landeshauptmann, für deine Funktion als Vor­sitzender der Landeshauptleutekonferenz und dir, lieber Präsident des Bundesrates, dieses wichtigen Gremiums, für das nächste halbe Jahr viel Energie, viel Kraft, Glück und Segen bei der gemeinsamen Anstrengung, unser Öster­reich nicht nur liebenswert zu erhalten, sondern noch lebenswerter zu gestalten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

10.31


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bettina Lancaster. Ich erteile ihr das Wort.


10.31.30

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz. Möge in dieser Zeit viel im Sinne der Menschen in Österreich gelingen. Noch einmal alles Gute dafür. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Als Oberösterreicherin möchte ich mich auf ein paar für mich besonders wich­tige Anliegen konzentrieren. Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ich beginne mit der anstehenden Kürzung des AMS-Budgets: Bereits 2024 standen in


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Oberösterreich dem AMS 22 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Nun drohen für 2025 erneut Kürzungen von 5 Millionen Euro, dazu kommt noch die fehlende Inflationsanpassung. Junge Menschen und Frauen sind von den Kürzungen besonders betroffen. Der Rückgang offener Lehrstellen, aber auch mangelndes Schulwissen, psychische Probleme und fehlende soziale Kompetenz führen dazu, dass junge Menschen frühzeitig mit dem AMS in Kontakt kommen. Dort finden sie idealerweise qualitätsvolle Beratung und Unterstützung. Lassen wir nicht zu, dass diesen jungen Menschen eine weitere Chance auf ein gelingendes Leben genommen wird! Die meisten von ihnen hatten bereits einen schweren Start ins Leben. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)

Stark betroffen – jetzt gehe ich noch einmal zu den Frauen zurück – sind jene, die sich aus unterschiedlichsten Gründen schwer am ersten Arbeitsmarkt zurechtfinden können. Soziale Unternehmen sind der wichtige Partner für das AMS, um jene Menschen nachhaltig in Beschäftigung zu bringen. Die Kürzungen hätten weitreichende Auswirkungen: Zeitlich befristete Arbeitsplätze für arbeitsmarktferne und langzeitbeschäftigungslose Menschen könnten nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Auch kann davon ausgegangen werden, dass Kürzungen beim Weiterbildungsgeld zunehmen werden und für viele eine Aufqualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt gar nicht mehr leistbar sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend zu diesem Thema zwei Zitate aus Oberösterreich: Magdalena Danner von der Sozialplattform Oberösterreich sagt: „Jeder fehlende Platz bei arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen bedeutet weniger Lebenschancen von Menschen am Rande des Arbeitsmarkts.“ Das zweite ist vom Präsidenten der AK Oberösterreich Andreas Stangl, der Folgendes dazu sagt: „Die im Raum stehenden Kürzungen sind eine Absage an jegliche Innovation, Zukunfts­investition und Sicherheit. Obwohl die Arbeitslosigkeit steigt und gleich­zeitig große wirtschaftliche Unsicherheit herrscht, hat es der Arbeitsminister


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verabsäumt, eine wirksame Arbeitsmarktpolitikstrategie vorzulegen. Gemein­sam mit dem Finanzminister trägt er die Verantwortung dafür, dass wichtige Budget- und Personalressourcen nicht zur Verfügung stehen.“

Herr Landeshauptmann! Lassen Sie diese Kürzungen bitte nicht zu, das schadet dem Standort Oberösterreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum nächsten Thema: Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU, die einen Vorrang für Klimaschutzprojekte im überragenden öffentlichen Interesse vorsieht.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Als Oberösterreicherin bin ich mächtig stolz darauf, dass ein Jahrhundertprojekt des Klimaschutzes in meinem Heimatbundesland in Umsetzung gehen soll und wird, nämlich die Dekarboni­sierung von zwei Voest-Hochöfen in Linz. Die Elektrolichtbogentechnologie macht es möglich. Mit einem Schlag können so 5 Prozent der österreichischen CO2-Emissionen eingespart werden. Das ist mehr als die Hälfte der gesamten österreichischen Gebäudeheizungen. Das ist ein Projekt, das uns wirklich voranbringt, ein Projekt, das den Standort sichert, Arbeitsplätze sichert und einfach begeistert. So könnte die Transformation der Industrie weiterlaufen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Es gibt dazu jedoch ein paar Herausforderungen zu bewältigen. Solche Elektrifizierungen brauchen viel elektrische Energie, Energie, die nachhaltig produziert und auch transportiert werden muss – und Transport heißt Leitungsbau. Geschätzter Herr Landeshauptmann, es ist mir vollkommen klar, dass es da eine Vielzahl an unterschiedlichen Interessen zu sondieren gilt. Das ist eben verantwortungsvolle Politik. Auseinandersetzungen im kleinen Umfeld in diesem Bereich durfte ich auch als Bürgermeisterin erleben.

Ich sehe es als großes Versäumnis der jetzigen Bundesregierung, dass die Richtlinie, die einen Vorrang für Klimaschutzprojekte im überragenden öffentlichen Interesse vorsieht, nicht umgesetzt worden ist. Wirken Sie bitte


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darauf ein, dass da etwas weitergeht! Es schafft Klarheit, setzt Prioritäten und ist auch enorm wichtig bei der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vor Ort, dass klar festgelegte Prioritäten auch kommuniziert werden können.

Ein kleiner Ausflug noch zum Breitbandausbau im ländlichen Raum: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ich habe mich ziemlich gefreut, als ich die Resolution des Oberösterreichischen Landtages zum Breitbandausbau gesehen habe. Es werden eine dritte Breitbandmilliarde, eine Umsetzungsverpflichtung der eingemeldeten Plandaten, ein laufender Kontrollprozess sowie Sanktionen bei Nichterfüllung gefordert – und das wurde mit parteiübergreifender Zustimmung beschlossen. Für viele ländliche Gemeinden, wie auch der meinen, ist der Glasfaserausbau unbedingt notwendig. Er zählt für mich zur Daseinsvorsorge für meine Gemeindebürgerinnen und -bürger. Aufgrund der gewachsenen Sied­lungsstruktur in den dezentralen Räumen zeigen Unternehmen kein Interesse an einem Ausbau dort, es ist schlichtweg zu wenig lukrativ.

Ich ersuche Sie: Wirken Sie darauf ein, dass diese Resolution sich in den Stellungnahmen und in den Handlungen der Bundesräte aus Oberösterreich auch im Bundesrat niederschlägt! Ich ersuche Sie intensiv darum.

Herr Landeshauptmann, mein Herz schlägt für die Gemeinden. Ich komme aus der Gemeinde. Meine ersten Schritte in der Politik waren Gemeindepolitik. Ich bin einfach begeistert von dem, was man in Gemeinden alles machen könnte – und als ich eingestiegen bin, vor 14 Jahren, zum Teil auch noch machen konnte.

Mein Kollege Dominik Reisinger hat ja bereits intensivst auf die Herausfor­de­rungen der Gemeinden hingewiesen. Gemeinden machen aus Wohn­siedlungen, wo man zum Schlafen hinfährt, eine Heimat, der man sich zugehörig fühlt. Gemeinden machen aber auch aus Betriebsbaugebieten Standorte, wir erschließen sie, wir schauen, dass die Arbeitskräfte in den Wohnsiedlungen ein Zuhause finden, dass sich die Arbeitskräfte, die Arbeitnehmerinnen und -nehmer auch in unseren Gemeinden wohlfühlen können. Wir ziehen auch Menschen an, die


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dann bei uns in den Gemeinden wohnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

Die finanzielle Aushungerung könnte aber dazu führen, dass gerade im strukturschwachen Raum die Gemeindestrukturen, die Kleinstrukturen zum Auslaufmodell werden.

Ich stelle mich dezidiert gegen eine Strukturbereinigung bei den Gemeinden – Strukturbereinigung in dem Sinn, dass nur Effizienz zählt. Es gibt mehr als Effizienz. Es gibt nämlich Werte, die sich im neoliberalen System nicht erklären lassen, die viel tiefer liegen, die auf das Zusammenleben der Menschen wirken (Beifall bei der SPÖ) – nämlich das, was das Menschliche an uns ausmacht, und das lässt sich nicht mit der linken Gehirnhälfte darstellen und es lässt sich nicht mit Zahlen darstellen. Das ist das Leben.

Bitte, Herr Landeshauptmann, achten Sie darauf, dass es nicht zu einer Struktur­bereinigung bei den kleinen Gemeinden kommt!

Zum Abschluss möchte ich mich noch bei den Einsatzkräften in Oberösterreich bedanken, die gestern mit einem erneuten Starkwetterereignis im Mühlviertel zu kämpfen hatten. Es gab über 300 Einsätze. Ich bedanke mich herzlich bei diesen Menschen, die ehrenamtlich in ihrer Freizeit diese Arbeit leisten. Ohne euch würde vieles in Österreich nicht so sein, wie es ist. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

10.42


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm dieses.


10.43.06

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Stelzer! Werter Herr Bundesratspräsident Ebner! Geschätzter Herr Vizepräsident Reisinger! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseher zu Hause und hier im Bundesratssaal! Liebe Oberösterreicher! Geschätzte Familie Ettinger aus Gmunden! Heute ist ein erfreulicher Tag für Österreich. Mit


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der Vorsitzübernahme im Bundesrat kommt Oberösterreich eine sehr wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe zu, denn Oberösterreich ist ein Vorbild.

Oberösterreich ist in vielen Belangen ein Vorbild. Unsere Heimat ist der Wirtschaftsmotor für die Republik. Dort erarbeiten Unternehmen in weltweit führender Tätigkeit, bodenständige Menschen mit ehrlicher Arbeit unseren Wohlstand. Daher sollte dieser Vorsitzwechsel in der zweiten Kammer des österreichischen Parlaments auch ein gewisses Umdenken bei der Einstellung einiger Parlamentarier bewirken.

Um Projekte umzusetzen, braucht es Politiker, die sich der Sache annehmen. In Oberösterreich funktioniert seit 2015 die Zusammenarbeit von FPÖ und ÖVP sehr gut. Einfach erklärt: In Oberösterreich gibt es eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Gerade in herausfordernden Zeiten sind Stabilität, Verlässlichkeit und Weitblick die wichtigsten Tugenden für eine positive Zukunft.

In Oberösterreich gibt es die verantwortungsvolle Zusammenarbeit zweier Parteien schon über Jahre, und darauf bin ich als Oberösterreicher stolz. Mit Hausverstand für Oberösterreich, gemeinsam handeln, agieren statt reagieren: Das sind keine leeren Worte, sondern das ist der Zugang der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Absicherung des Wirtschaftsstandorts Oberösterreich ist gelungen. Das ist sinnvolle, nachhaltige Politik für Oberösterreich. Die Landesregierung in Oberösterreich macht in der Energiepolitik Nägel mit Köpfen und keine leeren Versprechungen. Man denke an das Speicherkraftwerk in Ebensee, eine sinnvolle, nachhaltige Politik mit Herz und Hirn für die oberösterreichische Bevölkerung.

In Oberösterreich gibt es eine Wohnbauoffensive, die ihresgleichen sucht. Ein herausragendes Beispiel ist die mittlerweile fast 15-jährige Amtstätigkeit von Landeshauptmannstellvertreter Dr. Manfred Haimbuchner als Wohnbau­landes­rat in der Oberösterreichischen Landesregierung. Nirgendwo sind in diesem


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Zeitraum so viele Wohnungen errichtet worden wie in Oberösterreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Seit 2009 wurden weit mehr als 30 000 geförderte Wohneinheiten neu errichtet. Zusätzlich erhielten über 15 000 Häuslbauer eine Wohnbauförderung. Der Neubau in diesem Bereich sichert jährlich 27 000 Arbeitsplätze und hat sehr erfreuliche Nebeneffekte. Beim Amtsantritt von Dr. Haimbuchner lag die durchschnittliche Miete in Oberösterreich über dem Bundesschnitt, mittlerweile liegt sie weit darunter.

Ähnlich verhält es sich bei der Sanierung. Seit 2009 wurden über 80 000 Wohn­einheiten gefördert saniert. Durch die Sanierungsverordnung am Puls der Zeit war Oberösterreich in den letzten zehn Jahren achtmal Staatsmeister und lenkt den Weg von überbordenden energetischen Maßnahmen hin zu einer sinnvollen Nachverdichtung mit Hausverstand.

Zahlreiche innovative Sanierungsbauvorhaben, die einen besonderen Mehrwert hinsichtlich Bodenverbrauch und Nachverdichtung bieten, wurden umgesetzt. Durch die Sanierungsförderung werden zudem 6 800 Arbeitsplätze pro Jahr erhalten.

Ein weiterer wesentlicher Schritt war die WFG-Novelle 2018. Damit wurde ein Leistungsprinzip für Drittstaatangehörige eingeführt. So kam es zu Verschär­fungen bei Nicht-EWR-Bürgern. (Bundesrätin Hahn: Ja, genau!) Das Wahlkampf­versprechen „Ohne Deutsch keine Wohnung“ wurde damit erfolgreich umge­setzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist freiheitliche Politik im besten Sinne. Jene, die zu uns kommen, sich hier integrieren, ordentlich arbeiten, werden auch unterstützt. Aber alle anderen sollten nicht mit Unterstützungen vom Sozialstaat rechnen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch für junge Menschen wurde einiges erreicht. Durch das Junge Wohnen konnten bereits Hunderte junge Bürger und Familien bei ihrem Start in die


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Selbstständigkeit unterstützt werden. Doch auch ökologisch ging durch die Verankerung der Dreigeschoßigkeit im Mietwohnungsneubau und zusätzliche Förderungsmöglichkeiten bei viergeschoßiger Bebauung einiges weiter – ein wichtiger Schritt um weiterhin leistbaren Wohnraum zu ermöglichen und die Bodenversiegelung einzudämmen.

Ein großer Erfolg in der jüngeren Vergangenheit sind auch die gleichbleibenden Annuitätenverläufe im mehrgeschoßigen Mietwohnbau. Früher war es üblich, dass neue Wohnungen zu Beginn sehr günstig waren und über die Jahre immer teurer wurden.

Zusätzlich wurde vor Kurzem die Einkommensgrenzen-Verordnung angepasst. Im Frühjahr 2024 hob Dr. Haimbuchner die Einkommensgrenzen, die den Zugang zur Wohnbauförderungen und dadurch auch zum geförderten Wohnungs­markt regeln, massiv an. Für uns ist klar: Der breite Mittelstand soll in den Genuss von Wohnbauförderungsmitteln kommen. Diejenigen, die diese Leistun­gen durch ihre Abgaben aus der Erwerbsarbeit finanzieren, sollen auch davon profitieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Zudem wurde eine bundesweit einzigartige Fixzinsvariante für Häuslbauer geschaffen. Ein Fixzinssatz von lediglich 1,5 Prozent über 20 Jahre verbleibt beim Häuslbauer.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern wurden in Oberösterreich mehrere Wohnbausonderprogramme umgesetzt. Damit wurde sichergestellt, dass auch in den Krisenjahren – verursacht durch Corona, den Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Lieferengpässe – ausreichend leistbarer Wohnraum entstand und die Bürger in Beschäftigung gehalten werden konnten.

Laufend evaluiert und verbessert wird zusätzlich die Wohnbeihilfe. Durch eine Anhebung der Einkommensgrenzen, eine Systemumkehr bei der Anrechnung der Alimente, die Einführung eines Teuerungsfreibetrags und die Schaffung des


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Wohnbeihilfen-Pensionsbonus ist die Wohnbeihilfe in Oberösterreich noch treffsicherer und zählt laut Experten zu den höchsten ausgezahlten Wohn­beihilfen pro Haushalt in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Vergleich macht sichtbar: Freiheitliche Politik wirkt und die FPÖ kann Sachpolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Es bleibt also zu hoffen, dass, so wie heute Oberösterreich den Vorsitz im Bundesrat übernimmt, in naher Zukunft die Freiheitliche Partei den Vorsitz über die ganze Republik übernimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die freiheitliche Regierungsbilanz in Oberösterreich beweist, dass das ein Gewinn für unsere Heimat wäre. (Bundesrätin Schumann: Na schau! – Bundesrätin Grimling: Na dann! – Bundesrätin Hahn: Gute Nacht, Österreich!) Doch nicht nur das: Ganz allgemein wäre es wünschenswert, dass oberösterreichische Gepflogenheiten in Wien wieder mehr Einzug halten (Bundesrätin Schumann: Ja, freilich!) – Bodenständigkeit, Hausverstand, die Hinwendung zur eigenen Bevölkerung und der Blick auf vernunftbasierte Sachpolitik. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

10.51


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

10.52.07Aktuelle Stunde


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema


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„Für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige Europäische Union – Standortimpulse für Europa“

mit Herrn Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher, den ich herzlich willkommen heißen darf. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein:e Redner:in pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein:e Redner:in der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung der Bundesrätin ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte sehr.


10.53.20

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Standortpolitik ist eine ganz wichtige Heraus­forderung. Wir sind hier im österreichischen Parlament und wir haben natürlich immer die Neigung, die Themen durch die eigene Brille und aus der eigenen Sichtweise heraus zu sehen. Tatsache ist, wir Österreicher sind natürlich sehr wichtig. Wir repräsentieren in Zahlen ungefähr 2 Prozent der europäischen Bevölkerung. Wir repräsentieren ungefähr 3 Prozent der Wirtschaftsleistung, und wenn man den Blick noch globaler richtet, dann sieht man, dass Europa ungefähr 9 Prozent der Weltbevölkerung, Asien an die 60 Prozent und Afrika circa 18 Prozent hat.


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Wenn man einen Blick in die Zukunft wirft – wie die Entwicklungen weiter prognostiziert werden –, dann sieht man, dass Europa noch im Jahr 2000 etwa 33 Prozent, also ein Drittel, der Wirtschaftsleistung erbracht hat, nun etwas über 20 Prozent liegt und für 2050 etwa 15 Prozent prognostiziert sind. Ab diesem Zeitpunkt würde die Europäische Union oder Europa in der Wirtschaftsleistung auch hinter Indien zurückfallen, obwohl Indien zurzeit eigentlich nur einen Bruchteil der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union erbringt.

Was haben diese Zahlen mit Standortpolitik zu tun und welche Überlegungen sind für uns daraus abzuleiten? – Ich kann es vielleicht an einem Beispiel sagen: In der Branche, in der ich selbst die meiste Zeit in meinem Berufsleben verbracht habe, in der Telekombranche, habe ich diese Verschiebungen selber miterlebt. Die Neunzigerjahre und die Nullerjahre waren ganz großartige Jahre. Das sind jene Jahre gewesen, in denen der Telekommarkt liberalisiert wurde und in denen zu den Incumbents überall zusätzliche Wettbewerber entstanden sind – die natürlich alle eine eigene Infrastruktur gebaut haben. Das waren für die europäische Telekomindustrie ganz hervorragende Jahre; das ging so in den Neunzigerjahren.

In den späteren Nullerjahren war es dann auf einmal so: Zum ersten Mal sind die eigentlich in Ungarn eingefallen, auf dem ungarischen Markt. Um es zu beschreiben, vom Wettbewerb her: Das waren alles europäische Telekom­unternehmen; und dann ist es so, natürlich gewinnt man einmal eine Ausschreibung, ein anderes Mal verliert man sie, aber die Preisunterschiede liegen üblicherweise bei 10 Prozent, 15 Prozent – wenn es einmal ganz aggressiv hergeht, dann über 15 Prozent. Dann sind auf einmal – so im Jahr 2007, 2008 muss das gewesen sein – in Ungarn die Chinesen gekommen und haben einfach um ein Drittel des Preises angeboten, mit dem europäische Telekom­unternehmen angeboten haben.

Es ist natürlich so, dass man bei einem kleineren Projekt noch reagieren und einen Verlust in Kauf nehmen kann. Wenn das jedoch in eine Skalierung


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hineingeht – wenn zum Beispiel ein Netzausbau im Mobilbereich bei Basis­stationen circa 300 Millionen Euro ausmacht und jemand anderer um 100 Millionen Euro anbietet, dann ist es nicht so, dass man irgendeinen Kunden findet, der dann sagt: Nein, dann zahle ich halt die 300 Millionen Euro, weil du ein Europäer bist!

Was war die Folge? – Die Folge war natürlich – über die Jahre, ich mache das sozusagen im Zeitraffer –, dass es am europäischen Markt zu Restrukturierungen gekommen ist. Es sind mehrere Telekomunternehmen in Europa zusammen­gegangen. Die Unternehmen mussten natürlich auch die Produktion verlagern – es haben auch die europäischen Unternehmen angefangen, in Asien zu produzieren, um die Stückkosten zu senken, die Logistik ist verändert worden et cetera. Natürlich sind die Chinesen ab dem Zeitpunkt, als sie Marktanteile dazubekommen haben, auch ein bisschen mit den Preisen hinaufgegangen.

Übrigens ist zum damaligen Zeitpunkt – als das Ganze so dahergekommen  ist – der FPÖ-Verkehrsminister in China eingeladen gewesen und ganz begeistert zurückgekommen. Er hat gesagt, dass er sichergestellt hat, dass die Chinesen nun auch nach Österreich kommen und hier Arbeitsplätze schaffen werden. Ich habe ihm damals gesagt, dass das einige Arbeitsplätze bei der europäischen Industrie vernichten wird und dass er sich da nicht zu sehr freuen sollte. Ich möchte aber keine Geschichtsfälschung machen und dem freiheitlichen Verkehrsminister eine Schuld in die Schuhe schieben, denn selbstverständlich wären die Chinesen auch ohne den freiheitlichen Verkehrsminister gekommen.

Selbstverständlich gibt es in diesem Wettbewerb auch die positiven Aspekte: dass Infrastruktur günstiger geworden ist, dass Endgeräte günstiger geworden sind, dass Sprach- und Datendienste günstiger geworden sind und dass die Telekombranche insgesamt über viele Jahre ein ganz wesentlicher Inflations­dämpfer war und damit wesentlich zu einem starken Standort beigetragen hat. Natürlich wäre es zu kurz gegriffen, zu sagen: Na, dann müssten wir halt einfach – weiß ich nicht – Zölle einführen oder sonst irgendetwas machen, um


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den weltweiten Wettbewerb abzuwürgen oder unter sich zu bleiben und einfach nur im regionalen Bereich glücklich zu bleiben! Das geht sich in einer verwo­be­nen Weltwirtschaft einfach nicht mehr aus.

Es sind keine einzelnen Beispiele angeführt worden, es ist aber Tatsache, dass gerade auch die oberösterreichische Industrie heute stark exportorientiert und extrem erfolgreich ist. Und auch die gesamte österreichische Wirtschaft und Industrie sind ganz maßgeblich vom Export abhängig. Daher kann man vonseiten eines Standorts nicht ganz einfach sagen: Wir lassen die anderen draußen und bleiben mit uns allein glücklich. Das ist nicht möglich, weil wir nämlich auch umgekehrt sehr stark vom Export profitieren.

Wenn man wiederum die Dinge global im großen Wettbewerb rund um den Globus betrachtet, dann ergibt sich in der Zwischenzeit dieses – wie ich sagen möchte – fast schon traditionelle Bild: Amerika macht die Innovationen, China kopiert und Europa reguliert. – Dafür möchte ich jetzt zwei, drei Beispiele nennen.

Es ist super, dass wir in Österreich und in Deutschland das Glasfasernetz ausbauen. Das ist richtig und wichtig. Zum selben Zeitpunkt schießt aber Space X die Starlink-Satelliten in den Orbit und revolutioniert den gesamten Internetzugang rund um den Erdball.

Es ist richtig und wichtig, wenn zum Beispiel die Ladekabel standardisiert werden. Es ist super, dass man dann das gleiche Kabel hat. Zum selben Zeitpunkt entwickelt jedoch Apple eigene Mikrochips.

Oder sehen wir uns den Digital Services Act an: Es ist richtig und wichtig, dass wir die Nutzer schützen und dass wir dafür sorgen, dass die Nutzerrechte sichergestellt sind im Internet. Zum selben Zeitpunkt revolutionieren aber Open-AI und andere Techunternehmen in Amerika den gesamten KI-Markt weltweit.

Im Hinblick darauf muss man sich in Europa natürlich überlegen: Wie können auch wir unsere Innovation stärken? Wie können auch wir unseren Standort


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nach vorne bringen? Wie können auch wir den Topunternehmen die Möglichkeit geben, wirklich zu wachsen? – Das geschieht natürlich nicht deshalb, damit einzelne Unternehmer glücklich sind und reich werden, sondern weil das für den Standort wichtig ist, was bedeutet, dass die Arbeitsplätze hier in Europa bleiben, und diese Arbeitsplätze brauchen wir, um unseren Wohlstand zu sichern.

Das ist eben im Gesamtkonnex zu sehen, und daher ist es völlig richtig, dass der Herr Bundeskanzler den Wirtschaftsminister beauftragt hat, Überlegungen für den österreichischen Standort anzustellen und diese auch in die europäische Politik einzubringen. Es geht darum, sich im Sinne von strategischen Erörterun­gen mit Experten und Wissenschaftlern zusammenzusetzen, um eine zukunfts­gerichtete, innovative Standortpolitik zu machen. Dabei hilft uns kein Kom­munismus, kein Sozialismus und kein Nationalismus, sondern nur eine innovative, intelligente Standortpolitik, und diese werden wir vorantreiben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.03


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


11.03.31

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist mir ein großes Bedürfnis, bevor ich inhaltlich mit meiner Rede beginne, erstens Margit Göll für ihre Präsidentschaft seitens Niederösterreichs zu danken. Zweitens wünsche ich dem neuen Bundesratspräsidenten, der heute seine Antrittsrede gehalten hat, alles Gute für seine Präsidentschaft. Es ist wirklich bemerkenswert und sehr positiv, dass er gesagt hat, er möchte Brücken bauen, denn das brauchen wir jetzt wirklich. – Vielen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Jetzt zur Aktuellen Stunde: Das Spannende hier im Parlament ist ja, die Reden und das zu hören, was gesagt worden ist, mindestens ebenso spannend ist es aber, festzustellen, was nicht gesagt wird, etwa weil man darüber einfach nicht


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reden will, weil es nicht angenehm ist. Und ein bisschen hat man beim Thema der Aktuellen Stunde – verzeihen Sie mir, Herr Bundesminister! – tatsächlich das Gefühl, dass man hinsichtlich der Entscheidung über das Thema sozusagen ausgewichen ist.

Natürlich ist das europäische Thema gerade für den Bundesrat wesentlich. Natürlich ist es wichtig, hier Handlungsschritte zu setzen, um den Wirtschafts­standort Europa zu festigen und zu sichern, keine Frage. Gleichzeitig haben wir aber in unserem eigenen Land Probleme über Probleme, die angegangen werden müssen. Ich darf daran erinnern, dass wir steigende Arbeitslosenzahlen haben, dass wir in der Wirtschaft mit Standortherausforderungen konfrontiert sind und dass derzeit eine Tendenz besteht, gerade aus der Wirtschaft heraus den Wirtschaftsstandort Österreich in einem Übermaß schlechtzureden. – Es ist wichtig und richtig, zu sagen, dass wir Herausforderungen haben, ein derartiges Schlechtreden tut der Wirtschaft in Österreich aber wirklich nichts Gutes! (Zwischenruf des Bundesrates Ruprecht.) – Nein! Und diese Bundesregierung lässt ein Budget zurück, mit dem der nächsten Regierung ein Sparrucksack in unglaublichem Ausmaß umgehängt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gut. Darüber darf jetzt nicht geredet werden. Ich werde aber darauf zurück­kommen, weil es darum geht, wie es den Menschen in Zukunft in diesem Land gehen wird und in welche Richtung sich dieses Land entwickeln wird.

Zuerst zur EU-Frage: Wir von der Sozialdemokratie sagen, dass es uns wichtig ist, Lösungen anzubieten. Es ist uns wichtig, dass wir die Menschen mitnehmen. In diesen großen Transformationsprozessen, in denen wir jetzt stehen, die gewaltig sind, was die Menschen klarerweise überall spüren, sagen wir ihnen: Wir lassen euch nicht allein! Und darum fordern wir einen Transformationsfonds, denn es ist ganz wichtig, wie sich die Industriepolitik in Europa zukünftig aufstellen wird, nämlich nachhaltig und zukunftssicher. Das ist ganz, ganz wichtig.


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Es ist völlig klar, dass es im Kampf gegen die Klimakrise in Richtung Dekarboni­sierung gehen muss, es darf aber nicht in Richtung Deindustrialisierung gehen, denn das wäre für Europa ganz fatal! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundes­rates Himmer.)

Darum fordern wir einen Transformationsfonds. (Bundesrätin Huber: Den gibt es schon!) – Nein! In dieser Form für die Transformation auf europäischer Ebene gibt es ihn nicht! Es gibt den Resilienzfonds, es braucht aber einen ausgeweiteten Transformationsfonds, der die Transformation begleitet beziehungsweise in Zukunft begleiten wird. Auch in Österreich werden wir diese Einrichtung brauchen, denn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen auf dem großen Weg der Transformationen mitgenommen werden, und auch die Industrie muss in diesem Sinn unterstützt werden.

Wenn man aber diese Unterstützungsleistungen erbringt, dann können sie nicht blank erbracht werden, sondern dann müssen sie an ökologische und soziale Konditionen gebunden werden. Man kann nicht einfach sagen: Wir fördern frei heraus, es ist ganz egal: Macht mit dem Geld, was ihr wollt! – Das hat diese Regierung gemacht. Man muss jedoch das Geld an eine Arbeitsplatzgarantie und daran binden, dass die Sozialpartnerschaft eingebunden wird. Es muss wirklich darauf geachtet werden, dass das Geld bei den Menschen ankommt und diese das Gefühl haben, dass sie einen neuen Weg gehen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen einen Vorrang für die Vergabe an europäische Unternehmen und an Unternehmen im öffentlichen Eigentum. Das ist strategisch für den Standort extrem wichtig. Außerdem müssen wir endlich die Bekämpfung der Steuerflucht und des Steuerbetrugs angehen. Dieses riesige Thema darf nicht halbherzig, sondern muss mit voller Wucht angegangen werden.

In den Wandlungsprozessen muss es für die Menschen die Sicherheit geben, dass sie eine Jobgarantie haben. Es bestehen die größten Ängste, dass einzelne Gruppen Verlierer sein werden. Wir erleben große Technologieentwicklungen,


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ich erwähne jetzt etwa die großen Entwicklungen der künstlichen Intelligenz. Wir wissen, dass gewisse Berufsgruppen davon stark betroffen sein werden. Im Hinblick darauf können wir nicht sagen: Das ist leider Tatsache, das ist uns aber egal, es werden sich ja neue Arbeitsplätze entwickeln, ihr findet schon irgendwie einen Arbeitsplatz! – So geht das nicht. Vielmehr ist es gerade in diesem Zusammenhang wichtig, dass man in Weiterbildung, in Qualifizierung und in Ausbildung investiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Umso mehr – und ich darf jetzt auf Österreich zurückkommen – ist es tragisch, dass gerade jetzt die AMS-Mittel gekürzt werden. Das ist der falsche Schritt in die falsche Richtung! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ruprecht: Stimmt ja nicht!) – Es gibt in allen Bundesländern Kürzungen, das ist so.

Nicht umsonst ist man seitens der Erwachsenenbildungseinrichtungen und der Frauenorganisationen aus Oberösterreich auf die Straße gegangen. Sie sagen: Wir können nicht mehr unterstützen. Wir mussten schon Leute in den Einrich­tungen kündigen. Wir können Frauen bei der Qualifizierung nicht mehr weiterhelfen, dass sie eventuell auch nach einem Wiedereinstieg, nachdem sie ein Baby bekommen haben, wieder gut in den Beruf zurückkommen.

Die Kürzung des Budgets und natürlich die extreme Teuerung treffen diese Vereine extrem. Sie haben ganz einfach höhere Kosten, und bei einem gleichbleibenden Budget und zugleich höheren Kosten müssen sie einsparen, und damit gibt es eine Schlechterstellung bei der Beratung und Qualifi­zie­rung, Und das können wir uns nicht leisten.

Jetzt ist es besonders interessant, sich zu überlegen, worüber nicht geredet wird. Wir haben schon einen Sitzungstag hinter uns, und gestern wurde kein Wort über die Probleme gesagt, die jetzt anstehen, über die Forderungen der Industriel­lenvereinigung, über die Forderungen der Wirtschaftskammer, die auf dem Tisch liegen – und das sind keine erfundenen Dinge von der Sozialdemokratie oder von der Gewerkschaftsbewegung, nein, das liegt seit der „Pressestunde“ auf dem Tisch und wird von der IV groß, ganzseitig, in den Zeitungen annonciert.


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Auf dem Tisch liegt die Forderung nach der 41-Stunden-Woche, auf dem Tisch liegt die Forderung nach einer Nichtbezahlung des ersten Krankenstandstages, auf dem Tisch liegt die Bestrafung der Teilzeitkräfte, wenn sie ihre Teilzeit­leistung nicht aufstocken, und das wurde nicht nur einmal gesagt, sondern auch von Ihnen, Herr Bundesminister, mehrmals in den Raum gestellt, dass man das machen möchte! (Bundesminister Kocher schüttelt den Kopf.) Auf dem Tisch liegt die Kürzung der Lohnnebenleistungen, der Lohnnebenkosten.

Das kann man schon machen, aber wenn man keine Gegenfinanzierung hat, heißt das in einem zukünftigen Sparprogramm, auf das wir zugehen: Wir müssen Sozialleistungen streichen, da gehen wir hin! (Ruf bei der SPÖ: Skandal!) Das liegt auf dem Tisch, und das sind die Probleme! (Bundesrätin Hahn – in Richtung ÖVP –: So ruhig da drüben! – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Schennach und Grimling.) Auf dem Tisch liegt außerdem eine Anhebung des Pensions­antritts­alters als Vorschlag, das liegt auf dem Tisch; es ist so, das wurde immer wieder ausgesprochen, und an diesem Sonntag wurde von der Indus­triellenvereinigung auch noch die Abschaffung der Korridorpension ausgesprochen.

Ich darf daran erinnern: Diese Regierung hat die Hacklerregelung abgeschafft; diese Regierung hat die geblockte Altersteilzeit abgeschafft. (Bundesrätin Hahn: Schämt euch!) Ganz ehrlich: Da hat man ja schon an vielen Schrauben gedreht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schmid: Skandal! Für die Hackler nichts übrig!)

Jetzt wird die Frage sein: Wie gehen die Parteien mit diesen Forderungen um, die auf dem Tisch liegen? Das sind lauter Forderungen, die für eine Schlechter­stellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sorgen, ganz eindeutig! Ganz ehrlich: Den ersten Krankenstandstag nicht zu zahlen, heißt, die Leute schleppen sich krank in die Arbeit; ganz ehrlich: länger arbeiten, Anhebung des Pensions­antrittsalters ist eine Drohung für die Beschäftigten in der Pflege und in der Betreuung; und ganz ehrlich: das Abschaffen der Korridorpension – ja glauben Sie wirklich, dass jemand freiwillig solche Abschläge in Kauf nimmt, wenn die


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Person nicht sagt: Ich kann einfach nicht mehr länger arbeiten, sondern ich muss einfach aufgeben, weil es mir zu viel ist?! – Das ist es, was das bedeutet. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Lohnnebenleistungen, das ist eben das Kapital der Menschen, die nicht so viel im Geldbörsl haben, und jetzt beim Sozialstaat zu kürzen, das wäre schon ganz, ganz schlimm.

Jetzt fragt man sich: Wer steht wofür? Die ÖVP steht eindeutig dafür, dass sie diese Vorschläge annimmt; ich habe keine Gegenstimmen gehört, keine einzige! Und die FPÖ hat in vielen Punkten - - (Bundesrat Himmer: Hinhören!) – Wir hören grundsätzlich ausgezeichnet zu. Die FPÖ – und das ist das Spannende – hat gestern unglaublich viele schmissige Reden in alle Richtungen gehalten. Zu diesem Thema habe ich kein Wort gehört. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Schmid: Genau!)

Ganz ehrlich: Darum geht es. Die FPÖ war schon in mehreren Regierungskon­stel­lationen sehr wohl bereit, erstens ins Sozialsystem hineinzufahren, zweitens ins Pensionssystem hineinzufahren und Schlechterstellungen für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer in Kauf zu nehmen, um in einer Regierung zu sein. Schweigen ist das Interessante, nicht das Nebelreden, das hören wir jedes Mal, das ist gleich; worüber nicht geredet wird, ist interessant! (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt Daten auf den Tisch: Wie hält es die FPÖ, wie hält es die ÖVP mit jenen Vorschlägen, die jetzt auf dem Tisch liegen? Das wird sich in Zukunft ent­scheiden, und das wird für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig sein, um zu entscheiden, wem sie bei dieser kommenden Wahl ihre Stimme geben (Zwischenruf des Bundesrates Kofler) – mit Herz und Hirn für Österreich. – Vielen Dank. (Lang anhaltender Beifall sowie Bravorufe bei der SPÖ.)

11.14



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Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


11.14.37

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! Werte Kollegen! Liebe Frau Kollegin Schumann, ich kann Ihnen gerne auf Ihre Fragen Antworten geben. Ich darf Sie daran erinnern, es ist zum Beispiel darum gegangen, dass man die Karenzzeiten von Frauen endlich für sämtliche Anwartschaften anrechnet. (Bundesrätin Schumann: Beant­worten Sie die Fragen! Beantworten Sie die Fragen!)

Die Sozialpartnerschaft hat es nicht zusammengebracht (Bundesrätin Schumann: Was, das ist nicht das Thema!), im Gegenteil: Ich kann mich erinnern, weil ich damals im Nationalrat im Ausschuss gesessen bin (Bundesrätin Hahn: Schon wieder eine Themenverfehlung!), dass der Obergewerkschafter Beppo Muchitsch uns angefleht hat, dass wir das gesetzlich regeln. (Bundesrätin Schumann: Themenverfehlung! Themenverfehlung! Themenverfehlung!) Das haben wir gemacht, und so werden wir auch in Verantwortung für Arbeitnehmer immer die besten Gesetze und die besten Regelungen treffen. Darauf können Sie Gift nehmen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: 60-Stunden-Woche! – Bundesrat Schennach: Die neoliberale ...!)

Jetzt zur Aktuellen Stunde: Die Aktuelle Stunde im Bundesrat ist ja eigentlich das Instrumentarium, dass man mit dem zuständigen Minister eine Aussprache halten kann, weil wir ja im Gegensatz zum Nationalrat diese Möglichkeit im Fachausschuss nicht haben, und dass man auch auf bestimmte Fragen zu aktuellen Themen Antworten bekommt.

Was ich wieder einmal sehr traurig und sehr schade finde, Herr Minister Kocher: Seit Sie die Agenden des Wirtschaftsministeriums dazubekommen haben, muss ich Ihnen wirklich den Vorwurf machen, dass Sie als Arbeitsminister einfach abgetaucht sind und in dieser Funktion nicht zur Verfügung stehen.


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Auch das heutige Thema der Aktuellen Stunde: „Für eine nachhaltige, wett­bewerbsfähige Europäische Union – Standortimpulse für Europa“ ist wieder so eine typische Geschichte. Okay, Sie haben gesagt, Sie sind halt in erster Linie immer in Ihrer Funktion als Wirtschaftsminister da; aber, Frau Kollegin Schumann hat das auch schon angesprochen: Wir haben eine sehr angespannte Situation in Österreich, die Situation unseres Wirtschaftsstandorts ist ganz dramatisch, wir haben hohe Arbeitslosenzahlen, sie steigen immer mehr.

Mir ist schon klar: Natürlich müssen Wirtschaft und Mitarbeiter, Arbeitnehmer immer miteinander funktionieren, es muss ein Miteinander sein. Ich kann aber ehrlich sagen: Wenn ich jetzt an Ihre Amtszeit zurückdenke, dann bleibt bei mir Folgendes hängen: wesentliche positive Verbesserungen für Großkonzerne, die mehr oder minder beschlossen worden sind. Und wenn ich denke: Was ist für die Arbeitnehmer passiert? – Da fällt mir sofort ein: Kürzung der Karenzzeit für Mütter, Abschaffung der geblockten Altersteilzeit, Neuregelung der Bildungs­karenz nach Elternkarenz, oder – das haben wir auch alle noch im Ohr – Ihre Gedankenspiele, dass man sagt: Na ja, bei jenen Frauen, die Teilzeit arbeiten, weil sie keine Kinderbetreuung zur Verfügung haben, sollte man einmal über­legen, ob man nicht bestimmte Sozialleistungen kürzen kann.

Da muss ich sagen: Es gäbe ja wirklich sehr viel zu tun, und wir reden immer, bei jeder Bundesratssitzung, und auch im Nationalrat hört man immer wieder: Es ist eine große Herausforderung, wir werden das für die Zukunft schaffen, alles rund um Betreuung und Pflege. Es wäre so wichtig, dass man diesen Arbeit­nehmern, diesem Personenkreis signalisiert: Wir erkennen diese Arbeit, die ihr leistet, an. Warum gibt es bis heute noch keine Gesetzesvorlage, dass die endlich in die Schwerarbeiterregelung hineinkommen? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen garantieren – wir wissen ja, wenn der Nationalrat sich sozusagen auflöst, weil eben am 29. September gewählt wird –: Wenn Sie den Mut aufbringen und für Arbeitnehmer noch positive Entscheidungen treffen, haben Sie unsere Stimmen sicher, diesen Dingen werden wir sicher zustimmen.


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Es ist halt leider auch, muss ich ehrlich sagen, ein Missverhältnis zwischen den Unternehmern, die sagen, sie suchen dringend Personal, und dem Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Das heißt, man müsste sich auch diesen Bereich einmal sehr genau anschauen: Warum kann man jene Menschen, die in der Arbeits­losigkeit sind, nicht an jene Firmen vermitteln, die händeringend Personal suchen?

Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Österreich werden leider fast wöchentlich nach unten revidiert, mittlerweile spricht man schon von einer Rezession. Was wird das heißen? – Das wird wieder heißen: Die Arbeitslosigkeit steigt. Dann muss ich mit Entsetzen – Frau Kollegin Lancaster hat es in ihrer Stellungnahme zur Landeshauptleutegeschichte gesagt – bemerken, dass sogar die AMS-Mittel gekürzt werden. Das ist einfach der falsche Weg.

Ich finde immer, dass auch das größte Problem – und das ist ein Riesen­problem – dieser Regierung ist: Sie schaut nicht in die Zukunft und trifft keine Entscheidungen, die vielleicht länger wirken und jetzt schon auf später vorbereiten, nein, wir reparieren immer ein Stück dort, ein Stück da. So viele Reparaturgesetze, wie wir sie in diesen fünf Jahren gehabt haben, hat es, glaube ich, in dieser Republik noch nie gegeben.

Wenn Sie mit Unternehmern reden, merken Sie: Die Stimmung ist dramatisch schlecht, das heißt, die Wirtschaft ist verunsichert. Großkonzerne und Großbetriebe können es sich leisten, dass sie ins Ausland gehen. Der geht her und sagt: Mir ist es wurscht. Ich verlege meine Produktion nach Slowenien, nach Ungarn, in die Tschechei. Die Hauptader unserer Wirtschaft und die Masse der Arbeitgeber sind aber eigentlich Klein- und Mittelbetriebe. Die können sich das nicht leisten. Die haben einfach Angst, dass sie demnächst zusperren müssen.

Was vor allem ein ganz großes Problem ist, ist, dass die familiäre Nachfolge nicht mehr geregelt werden kann, weil die Kinder das mitbekommen und sagen: Nein, also unter diesen Rahmenbedingungen tue ich mir das gar nicht an. Vielleicht


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suche ich mir einen Job im Ausland und muss mich um nichts kümmern. Das bedeutet wiederum zusätzlich sehr, sehr viele Arbeitslose.

Deshalb wäre es eigentlich für mich ein Gebot der Stunde, Herr Minister Kocher, dass man heute diese Aktuelle Stunde dazu genutzt hätte, dass man sich ernst­haft gemeinsam überlegt, welche Konzepte es gibt, dass man versucht, Maßnah­men miteinander zu besprechen, wie man diesem Trend gegensteuern kann.

Ich habe aber das Empfinden und merke es auch an Ihrer Reaktion, mit welcher Aufmerksamkeit Sie meiner Rede zuhören: In Wirklichkeit haben Sie, glaube ich, schon mit Ihrer Funktion als Minister abgeschlossen, bereiten sich innerlich schon auf Ihre neue Aufgabe vor.

Deshalb, liebe Österreicher: Wenn ihr wirklich wollt, dass es eine Änderung gibt, dann machen wir das gemeinsam am 29. September, denn mit einem Volks­kanzler Herbert Kickl gibt es einen guten Standort Österreich und bessere Gesetze für die Arbeitnehmer. (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei ÖVP und SPÖ.)

11.21


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.21.48

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende! Ich freue mich über das Thema dieser Aktuellen Stunde. Ich arbeite jetzt seit über 20 Jahren als Umwelttechnikerin und auch als Unternehmerin mit der Industrie und für die Industrie. Deswegen sage ich auch, wir stehen an einer Zeitenwende. Wir stehen an einer Zeitenwende, ausgelöst durch die wohl größte Herausforderung, vor der wir alle gemeinsam stehen, nämlich der Klimakrise, die unsere menschliche Existenz bedroht, wenn wir nicht handeln. Es geht nur mit der Natur und nicht gegen sie. Intakte Ökosysteme sind die Grundvoraussetzung


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für unser Überleben und unsere besten Verbündeten im Kampf gegen die Klima­krise. Das ist auch der Grund, warum das EU-Renaturierungsgesetz ein so wich­tiges ist. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Klimaschutz ist aber nicht nur für uns Menschen eine Überlebensfrage, es ist auch eine Überlebensfrage für die österreichische Industrie und auch für den Industriestandort Europa, denn die Klimakrise hat auch eine sehr, sehr starke wirtschaftliche Dimension. Es geht schlichtweg darum, ob wir in Zukunft noch gut bezahlte Arbeitsplätze in unserem Land haben und ob wir noch Wohlstand in Österreich haben werden.

Warum sage ich das? – Wir sind längst in einem globalen Wettlauf, einem Wettlauf um die grünsten Produktionsweisen und um die klimafreundlichsten Technologien. Genau in diesem Wettlauf sind uns die USA und China in der letzten Zeit mit großen Schritten vorausgeeilt.

Die USA fordern uns mit einem der größten Klimainvestitionspakete, das dieses Land jemals gesehen hat, heraus und schaffen damit eine enorme Sogwirkung auf Unternehmen und auch auf europäische Expertise.

China hat sich in einigen für uns in Europa unglaublich wichtigen Wertschöp­fungs­ketten eine dominierende Rolle erarbeitet. Da müssen wir aufpassen, das müssen wir sehr, sehr ernst nehmen. Wir dürfen nicht zu lange abwarten und zuschauen, sonst werden wir abgehängt und verlieren in Österreich und in Europa den Anschluss.

Die gute Nachricht ist: Klimaschutz ist ein Wirtschaftsmotor. Allein durch den im Augenblick stattfindenden Ausbau der erneuerbaren Energien in Österreich werden 100 000 Arbeitsplätze gesichert und neue entstehen. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe vorhin davon gesprochen, dass wir an einer Zeitenwende stehen. Dieser eine Punkt ist mir wirklich sehr, sehr wichtig: Diese Zeitenwende müssen


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wir auch als Chance für die europäische Industrie und für unseren Wirtschafts­standort begreifen. Unser Anspruch in der Industriepolitik und auch bei der grünen Transformation muss ein ambitionierter sein. Wir müssen im globalen Wettlauf die Nase vorn behalten und wir müssen und wir können den Klima­schutz zu unserem Wettbewerbsvorteil machen. Wir müssen zum Weltmarkt­führer bei grüner Technologie werden. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben bereits gute Voraussetzungen dafür. Mein Heimatbundesland, die Steiermark, hat mit dem Green Tech Valley Cluster einen Hotspot für innovative Energie- und Umwelttechnologie. (Bundesrat Buchmann: Wer hat den gegründet? Wer hat denn den gegründet?) Viele steirische Unternehmen sind internationale Marktführer im Bereich der Energie- und Umwelttechnik.

Das ist natürlich kein Zufall. Die Steiermark ist auch mit ihren zahlreichen Hoch­schulen und den hier angesiedelten Unternehmen ein hervorragender Nähr­boden für junge und innovative Unternehmen. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass wir österreichweit die höchste Dichte an Green-Tech-Start-ups haben. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Es ist klar, innovative Unternehmen wachsen schneller, schaffen mehr Arbeits­plätze und sind wesentlich krisenrobuster. Viele Unternehmen sind, wie bereits angesprochen, für diese Zeitenwende bereit. Kollegin Lancaster hat heute auch schon ein Beispiel gebracht. Die Voest setzt in Linz und auch in Donawitz auf den Elektrolichtbogenofen. Damit gelingt es, einen energieintensiven Prozess wie die Stahlproduktion zu dekarbonisieren, und Kohle und Koks gehören der Vergangenheit an.

Als Weststeirerin fällt mir auch noch die Firma Wolfram Bergbau und Hütten AG ein, ein wichtiger Arbeitgeber bei uns in der Region. Die Firma Wolfram betreibt in Sankt Martin im Sulmtal schon seit einigen Jahren sehr, sehr erfolgreich parallel zur Gewinnung von hochwertigen Pulvern auf der Basis von Wolfram aus Erz auch das Recycling von Wolframschrotten. Da geht es um Wende­platten, da geht es um Bohrer, da geht es um Walzringe. In einem innovativen


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hydrometallurgischen Prozess wird dieser Schrott mit einer sehr, sehr hohen Ausbeute wieder zu einer hochreinen Wolframatlösung aufgeschlossen, die wieder unmittelbar in der Produktion eingesetzt werden kann.

Das spart natürlich Energie und macht dieses Unternehmen auch unabhängiger von Preisschwankungen und Lieferschwierigkeiten am Rohstoffmarkt, und – das darf man auch nicht unerwähnt lassen – der CO2-Footprint von recyceltem Wolfram ist nur ungefähr ein Viertel dessen, was anfallen würde, wenn man das Produkt aus frischem Erz gewinnen würde. Wolfram im Kreislauf zu halten spart also beides, Geld und CO2. Genau das ist der Weg, da müssen wir hin.

Wenn wir in Europa unabhängig werden wollen, brauchen wir die Kreislauf­wirt­schaft. Eine umfassende Kreislaufwirtschaft macht die Rohstoffversorgung österreichischer Unternehmen sicherer und stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit. (Beifall bei den Grünen.)

Was braucht es dafür von der Politik? – Die Politik muss verlässliche Rahmen­bedin­gungen vorgeben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit, um die nötigen Investitionen tätigen zu können. Die Unternehmen brauchen vor allem auch eines, sie brauchen Technologie­klarheit, keine ständigen Debatten über E-Fuels im Individualverkehr und Verbrennungsmotoren. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn ich mir diese Debatten über Verbrenner und E-Autos so anhöre, dann kommt mir immer ein Zitat, das Kaiser Wilhelm II. zugeschrieben wird, in den Sinn. Vermutlich haben es die Habsburger damals ganz ähnlich gesehen: Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung. (Heiterkeit bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schartel: Super! – Bundesrat Buchmann: Und der Kickl auch!) – Ja, Kickl denkt wahrscheinlich ähnlich – genau. (Heiter­keit der Rednerin sowie bei ÖVP und Grünen.)

Es darf kein Weiter-wie-bisher mehr geben. Eine Zeitenwende benötigt viel Mut zum Gestalten und auch Mut zur Ehrlichkeit. Wir müssen die Unternehmen in


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ein neues Jahrhundert begleiten. (Bundesrätin Schartel: Ihr zerstört lieber alles!) Ein wichtiger Schritt war der Transformationsfonds zur Dekarbonisierung der Industrie, den wir auf Bundesebene auf den Weg gebracht haben. Genau diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen. Wir müssen unseren Unternehmen ermöglichen, zukunftsfit zu werden; und das möglichst schnell. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

11.29


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.


11.29.47

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute über eine nachhaltig wettbewerbsfähige Europäische Union und über Standortimpulse für Europa. Das ist natürlich kein Ablenken davon, was es alles in Österreich braucht, um wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben, und natürlich auch kein Auseinanderdividieren von Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmern und Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, weil nämlich eine wettbewerbsfähige Wirtschaft natürlich auch hochwertige Arbeits­plätze schafft. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Das ist eine Voraussetzung dafür, dass wir in Österreich weiterhin einen hohen Wohlstand haben und auch – das ist der entscheidende Faktor, der oft ver­gessen wird – unsere sozialen Systeme weiterhin gut finanzieren können. Wenn wir nämlich Wettbewerbsfähigkeit verlieren und Arbeitsplätze verlieren, dann sind auch diese sozialen Systeme in Gefahr. Deshalb ist es so wichtig, darüber zu sprechen.

Ich nutze die Gelegenheit, am Anfang ein paar Punkte herauszugreifen, was in dieser Regierungszeit betreffend die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts


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geschehen ist: die Steuerreform mit der Senkung der Steuersätze; die Abschaf­fung der kalten Progression; die Indexierung der Sozialleistungen; wir haben im Bereich der Fachkräfte viele Initiativen gesetzt; dann die Kindergarten­milliar­den, die es zusätzlich gegeben hat; wir haben im Bereich Lehre und höhere berufliche Bildung Gesetze beschlossen, die in den nächsten zehn, 20 Jahren rückwirkend als eine der größten Reformen gesehen werden, wenn sie dann mit Leben befüllt sind – das ist ein Rahmengesetz zur höheren beruflichen Bildung. Das sind Voraussetzungen für die Zukunft; auch die Reformen der Rot-Weiß-Rot-Karte waren ganz wichtige Schritte in diesem Bereich.

Wir haben es schon gehört: Ganz entscheidend für Wettbewerbsfähigkeit ist Innovationskraft. Auch da hat es Schritte gegeben, die über die nächsten Jahre hinweg wirken werden. Der Klima- und Transformationsfonds ist schon angesprochen worden: 5,7 Milliarden Euro bis zum Ende dieses Jahrzehnts – ein Teil davon im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, ein Teil davon im BMK – um die Industrie zu unterstützen, um die Produktion in Europa und in Österreich zu erhalten, und – das ist der Teil, für den ich verantwortlich bin – um die Forschung und Entwicklung und auch Mitarbeiterqualifizierungsprogramme zu unterstützen, damit sich eben Unternehmen jederzeit neu erfinden können, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten, um sich an Neuentwicklungen anzupassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Budget für Forschung und Entwicklung bei mir im Haus hat sich in den letzten vier Jahren von knapp 100 Millionen auf 250 Millionen Euro erhöht, also um 250 Prozent, das heißt, man sieht, wie stark der Fokus darauf ist.

Wir haben den Chips Act beschlossen – danke dafür –, das macht uns sicher, dass die Halbleiterindustrie in Österreich, die nicht nur als Industrie wichtig ist, sondern auch in der Transformation eine ganz entscheidende Rolle spielt – Energiesparchips werden bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, da Serverfarmen so viel Energie verbrauchen, entscheidend sein –, auch in Österreich bleibt und weiter ausgebaut werden kann: Fast 3 Milliar­den Euro bis 2031 sind als Unterstützung für Unternehmen möglich.


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Dann möchte ich noch einen Punkt erwähnen, der sehr wichtig ist. Wir haben ein großes Start-up-Paket beschlossen – auch das ist, glaube ich, ent­scheidend für den Standort –: eine neue Gesellschaftsform, die flexible Kapitalgesellschaft, die es ermöglicht, rasch und einfach Gesellschaften zu gründen, und zweitens die Mitarbeiterinnen-, Mitarbeiterbeteiligung, die steuerlich begünstigt wird. Das sind zwei Maßnahmen, die gerade den jungen Unternehmen in Österreich extrem helfen.

Damit komme ich jetzt zum Thema Standort und Standort Europa. Was ist der Ausgangspunkt dieser Diskussion? – Wir haben eine neue Europäische Kommission, die sich gerade formiert. Es wird wichtig sein, dass Wettbewerbs­fähigkeit und Standortpolitik auf europäischer Ebene wieder einen hohen Stellenwert einnehmen, nicht als Selbstzweck, sondern um eben genau diese Ziele zu erreichen, unseren Wohlstand abzusichern. Der Wettbewerb ist in der Welt einfach härter geworden, es haben sich geopolitische Verände­rungen ergeben, es gibt Konflikte, es gibt eine Fragmentierung des Welt­handels, und da muss man ganz ehrlich sagen, davon ist Österreich als relativ kleines, mittelgroßes Land in der Welt – wir haben die Zahlen schon in einer Rede gehört – stärker betroffen als die großen Länder der Welt.

Die Exportquote von Österreich liegt bei 60 Prozent, also 60 Prozent brutto von unserem Bruttoinlandsprodukt sind aus dem Export. Für die USA ist diese Exportquote etwa 11, 12 Prozent. Das heißt, wir sind einfach abhängiger davon, dass es in der Welt eine gute Entwicklung gibt, dass es einen Welthandel gibt, der funktioniert, dass es einen fairen Handel gibt, der funktioniert, und dass unsere Unternehmen mit Innovationskraft, mit harter Arbeit und mit den richti­gen strategischen Entscheidungen dort erfolgreich sind.

Deshalb gab es den Auftrag, ein Standortimpulspapier dafür auszuarbeiten. Wir haben in vielen Runden mit Expertinnen und Experten, mit Unternehmerinnen und Unternehmern, mit den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, mit der Sozialpartnerschaft versucht, da entscheidende Impulse zu geben. Es ist jetzt


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nicht genug Zeit, um auf jeden Bereich einzugehen, aber ich möchte ein paar Dinge herausgreifen, die ich für sehr wichtig halte.

Erstens geht es darum, dass Europa strategisch darauf schaut, im Wettbewerb mit anderen Teilen der Welt nicht zu verlieren. Da geht es vor allem darum, dass Europa gerade bei der Genehmigung von Beihilfen schneller wird. Wir haben es gehört, der Inflation Reduction Act der USA ist tatsächlich ein Wettbewerbs­vorteil für die USA. Wenn wir bei Genehmigungen langsamer sind, dann verlieren wir Investitionen in Richtung USA. Es geht darum, dass wir unsere Unternehmen nicht mit unnötiger Bürokratie belasten. Wir brauchen eine regulatorische Atempause, damit es wieder gelingt, dass Unternehmen vor allem produktive Tätigkeiten vollziehen können und nicht so stark durch Berichtspflichten und andere bürokratische Pflichten belastet sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist natürlich auch eine nationale Aufgabe. Wir werden weiterhin darauf schauen müssen, europäische Gesetze so schlank wie möglich umzusetzen.

Ich möchte einen zweiten Punkt herausgreifen, der ganz entscheidend ist: Das ist der Bereich der Arbeits- und Fachkräfte. Ich glaube, da gibt es auch in den verschiedenen Fraktionen keine großen Unterschiede in der Einschätzung. Es muss uns klar sein, dass in den nächsten Jahren aufgrund der Demografie einfach viele Menschen in Pension gehen werden, wir weniger Fachkräfte und Arbeitskräfte haben werden und wir alles dafür tun müssen, damit die Poten­ziale, die es hier in Europa gibt, auch angesprochen werden. Das ist eine Aufgabe, die uns in den nächsten Jahren weiter beschäftigen wird. Wie gesagt, es wurde auch schon eine Reihe von Maßnahmen in dieser Legislaturperiode getroffen. Es wird uns weiter beschäftigen. Das ist vor allem eine nationale Aufgabe.

Wir haben in diesem Standortpapier aber auch eine Forderung geschrieben, die ich für sehr richtig am Arbeitsmarkt halte: Wir wollen, dass es in der gesam­ten Europäischen Union eine Ausbildungsgarantie bis 25 gibt, so wie es sie in


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Österreich gibt. Ich halte das für ein Vorbildmodell, das gibt es in ganz wenigen Staaten. Jemand, der in Österreich unter 25 arbeitslos wird und keine fertige Berufsausbildung hat, hat die Garantie, über das AMS eine Berufsausbildung in den verschiedensten Formen abzuschließen. Nicht alle jungen Menschen schaffen das dann leider auch wirklich, aber es gibt die Garantie, dabei unter­stützt zu werden. Ich halte das für ein Vorbild, das sollte in ganz Europa der Fall sein. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Der letzte Punkt, den ich herausheben möchte, ist noch einmal die Innovations­kraft. Wir brauchen weiter alles, um Unternehmen innovativ zu halten. In einem Land, in dem es einen hohen Lebensstandard gibt, in dem dadurch auch die Löhne auf einem hohen Niveau sind, können wir nur wettbewerbsfähig sein, wenn wir in Forschung und Entwicklung investieren, wenn wir Innovation unter­stützen und wenn wir alles dafür tun, dass die Arbeits- und Fachkräfte die Ausbildung haben, dass das auch in den Unternehmen gelingt. Das wird nicht gelingen, wenn wir nur auf diesen Bereich schauen.

Der entscheidende Faktor ist aus meiner Sicht, dass wir die Innovation mit der Produktion verbinden. In Österreich gibt es viele Unternehmer – ich könnte jetzt viele aufzählen –, die genau in dem Bereich tätig sind, die es geschafft haben, innovative Produkte auf den Markt zu bringen, teilweise auf der ganzen Welt bekannt zu sein und eben auch weiter in Österreich zu produzieren. Was nicht passieren darf, ist, dass die produzierende Industrie, aber auch die kleineren, die mittleren Betriebe, die produzieren, abwandern, weil sie hier zu hohe Kosten, zu viel Bürokratie und zu wenig Unterstützung vorfinden.

Ein letzter Punkt, weil es angesprochen wurde und weil es mir wichtig ist, dass nicht der Eindruck entsteht, mir wäre der Arbeitsmarkt nicht wichtig: Ich darf ganz kurz etwas zur Bilanz der letzten drei Jahre sagen, nehmen wir den 30. Juni als Referenzzeitpunkt: Wenn man sich die Arbeitslosenquote vom 30. Juni anschaut, sieht man, dass die Jahre 2022, 2023 und 2024 die drei Jahre mit der geringsten Arbeitslosenquote der letzten zehn Jahre waren. Das ist kein Zufall. Wir haben nämlich drei Jahre, 2022, 2023 und 2024, mit den höchsten Mitteln


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für die aktive Arbeitsmarktpolitik – für Qualifizierungsmaßnahmen, für Wieder­eingliederung und so weiter – aller Zeiten pro Arbeitssuchenden in Österreich gehabt. Dafür habe ich mich eingesetzt, weil ich es für sinnvoll halte, dass wir Arbeitskräfte, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, möglichst gut und möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt bringen und, wenn es notwendig ist, höher qualifizieren oder umqualifizieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt keine Kürzung der AMS-Mittel, weil es noch kein Budget 2025 gibt. Das ist der entscheidende Faktor, ich möchte das klarstellen. (Bundesrätin Hahn: Das macht auch keinen Unterschied!) Es hätte auch jetzt noch kein Budget für 2025 gegeben, wenn es eine Regierung gäbe, die auch noch nächstes Jahr im Amt wäre. Jetzt gibt es im Herbst Nationalratswahlen, der Verwaltungsrat des AMS hat natürlich auch schon Beschlüsse gefasst, um abzusichern, dass Programme weitergeführt werden können, aber die Aussage, dass es Budget­kürzungen gäbe, ist unrichtig. Ich möchte das wirklich klarstellen: Die gibt es nicht!

Es braucht natürlich ein Budget 2025, ein Bundesbudget, das im Nationalrat beschlossen werden muss, um klare Sicherheit zu haben, wie die Mittel ausschauen. Das gab es aber immer, das ist keine Eigenheit der jetzigen Situation, deswegen finde ich schon, dass das ein bisschen parteipolitische Kleingeld­wechslerei ist, wenn wir jetzt auf diesen Punkt eingehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir wollen und ich will, dass die AMS-Programme weitergeführt werden, dafür brauchen wir ein Budget, dass von einer Regierung beschlossen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.40


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.


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Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile ihm dieses.


11.41.17

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die uns via ORF oder auch via Livestream mitverfolgen! Im Gegensatz zu manchen meiner Vorredner bin ich schon der Meinung, dass das Thema sehr gut gewählt ist, wenn es um Standortimpulse und um die Wettbewerbsfähigkeit Europas geht.

Der Herr Bundesminister hat darauf hingewiesen: Europa steht vor einer Neuaufstellung, vor einer personellen Neuaufstellung, was die Kommission betrifft, was das Europäische Parlament, aber auch manche Akteure im Europäischen Rat betrifft. Es wird auch eine inhaltliche Neuaufstellung in manchen Sachfragen geben müssen. Diese Neuaufstellung wird natürlich auf jenen Ergebnissen basieren, die in der Vergangenheit kundig geworden sind, aber es wird auch eine Weiterentwicklung geben müssen.

Das Thema ist auch deshalb gut gewählt, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil es in Europa 23 Millionen Unternehmungen gibt, die – wenn die Zahlen stimmen, und ich zweifle nicht daran – 128 Millionen Beschäftigte, also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in diesen Betrieben haben. Damit geht es um einen Wirtschaftsstandort, den es zu entwickeln gilt, um Arbeitsplätze, die es zu erhalten gilt, und wo möglich auch darum, neue Arbeitsplätze zu erarbei­ten.

Das renommierte deutsche „Handelsblatt“ hat jüngst darauf hingewiesen, dass für die Unternehmensführungen im 21. Jahrhundert Changemanagement erforderlich ist und dass die Rahmenbedingungen – wie sie es selbst mit einem Akronym bezeichnet haben – VUCA , V – U – C – A, sind, was im Englischen für die Verwundbarkeit der aktuellen wirtschaftlichen Lage am Standort steht, das für Unsicherheiten steht, mit denen die Unternehmensführungen zu tun


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haben, das für die Komplexität einer neuen Weltwirtschaft mit vielen Verwerfungen steht, was auch internationale Handelsbeziehungen und die WTO betrifft, und auch für Mehrdeutigkeit, für Ambiguität steht.

Mit dieser Mehrdeutigkeit haben die Unternehmensführungen entsprechend zu kämpfen, daher stellt sich die Frage: Wie kann die Politik Rahmenbedingungen schaffen, um diese schwierigen Voraussetzungen für die Unternehmungen kalku­lier­barer, gestaltbarer zu machen und Arbeitsplätze in Österreich abzusichern, wenn möglich neue Arbeitsplätze zu schaffen und darüber hinaus auch den europäischen Wirtschaftsstandort stärken?

Ich war jüngst bei einer Versammlung der steirischen Industrie eingeladen. Dort wurde eine Umfrage unter steirischen Industriebetrieben über ihre Investi­tions­freudigkeit in absehbarer Zeit präsentiert. Es hat alle im Saal mit Sorge erfüllt, dass die Industrie zwar selbstverständlich Ersatzinvestitionen tätigen wird, aber bei den Neuinvestitionen entweder eine gewisse Zurückhaltung am Standort Österreich oder am Standort Europa übt, und wenn sie die Zurückhaltung nicht übt, dann mit ihren Investitionsentscheidungen nach Amerika oder nach Asien abwandern will. Das können wir alle gemeinsam nicht wollen.

Das zeigen auch die Gespräche, die wir im ERP, also in den Marshallplanmitteln haben, auch dort ist bei den Klein- und mittelständischen Unternehmungen eine gewisse Investitionszurückhaltung spürbar, was unmittelbar auch immer Aus­wirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitsplätze hat.

Was wir jetzt tun müssen, ist die Widerstandsfähigkeit, die Produktivität ent­sprechend zu stärken. Der Herr Bundesminister hat darauf hingewiesen, dass natürlich der Abbau von Wachstumshindernissen eminent wichtig ist. Was wir jetzt brauchen sind schnellere Genehmigungen bei strategischen Investitionen. Diese Important Projects of Common European Interest müssen mit einem Fast Track ausgestattet werden, wenn wir die europäische Industrie und Wirtschaft stärken wollen.


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Herr Bundesrat Himmer hat in seinen Ausführungen sehr richtig darauf hinge­wiesen, dass Amerika immer der Innovator ist, die Asiaten sehr starke Produzenten sind und dass die Europäer sehr stark im Regulativen verhaftet sind. Das muss sich rasch ändern, wollen wir weiter einer der führenden Wirtschaftsstandorte auf der Welt bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich schließe mit einem Thema, das mir immer ein Herzensanliegen war und bei dem wir als Österreich, aber auch als Europa sehr aufpassen müssen – der Herr Bundesminister hat auch darauf hingewiesen –: Wir sind sehr stark bei Inves­titionen in Innovationen, in Investitionen in unsere Universitäten, Fachhoch­schulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch bei den betrieb­lichen Investitionen in Innovation. Wir liegen im europäischen Ranking da sogar auf Platz sechs und sind damit über dem europäischen Durchschnitt. Wir sind sehr stark bei den Inputs, bei den Outputs allerdings besteht noch Nach­schärfungsbedarf. Das ist dann wieder wichtig für Arbeitsplätze, denn wenn wir Produkte, Dienstleistungen marktfähig machen, sind damit positiv Arbeitsplätze verbunden und damit auch eine Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich und Europa.

Es ist gut, einen Plan zu haben, es ist gut, einen Bundesminister zu haben, der Standortimpulse im Auftrag des Bundeskanzlers formuliert hat, und es ist gut, dass Karl Nehammer einen Österreichplan hat, um die Republik weiter zu entwickeln und den Wirtschaftsstandort abzusichern. (Beifall bei der ÖVP.)

11.47


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Sascha Obrecht. Ich erteile ihm dieses.


11.47.56

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte


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Zuseherinnen und Zuseher! Es ist fast unfassbar, nicht? (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Bilanz ÖVP-Grün“, „Höchste Teuerung + geringstes Wachs­tum in Westeuropa“, „Teuerung: +22%“, „Wohlstand: -2,4% BIP/Kopf“, „10 Mrd. Euro fehlen im Budget“ auf das Redner:innenpult.) Wir leben in Zeiten mit steigender Arbeitslosigkeit, mit Rekordinflation – und die Bundesregierungs­parteien kommen hierher, reden über Kutschen, über das Pferd, über die Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts in den Neunzigern, über Lade­kabel, aber nicht über diese brennenden Themen. Das ist wirklich das, was man heute aus dem Ganzen mitnehmen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Kollege Buchmann sagt, es ist keine Themenverfehlung, dann muss man nur schauen, was der Bundesminister gemacht hat. Er selbst ist ja auch immer wieder auf die österreichische Situation zurückgekommen, weil es so dringend ist, darüber zu reden. Da unterstütze ich ihn ja auch, ich will ja auch über die österreichische Situation reden. Mich hat vor allem interessiert, was der Bundes­minister so gemacht hat. Er war ja am Anfang der Superminister – Arbeit und Wirtschaft! Was bleibt also über von der Zeit Minister Kochers? – Na ja, Felbermayr vom Wifo sagt: verlorene Jahre. (Bundesrat Himmer: Die niedrigste Arbeitslosigkeit, Herr Kollege!) – Die niedrigste Arbeitslosigkeit, sagen Sie? (Bundesrat Himmer: Arbeitslosigkeit ist nicht wichtig?) Die Arbeitslosigkeit ist im Steigen, falls Sie es nicht mitbekommen haben. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Himmer: Ja, aber sie war drei Jahre am niedrigsten ...! Unter den Sozialdemokraten war sie höher! Am höchsten ist sie in Wien!) Die Industrie ist am Schwächeln, die Baubranche ist am Boden: Was das für die Zukunft bedeutet, wissen wir alle. – Das bleibt übrig!

Der Minister hat auch gemeint, ihm sei es darum gegangen, dass es kein Auseinanderdividieren zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gibt. Ja das ist besonders spannend, denn alles, was er in seiner Zeit als Minister gemacht hat, war genau das. (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) Es hat sich ein Angriff auf Arbeitnehmer an den nächsten gereiht. Was hat er getan? – Er wollte die Bildungskarenz abschaffen – nicht geglückt –, er wollte das Arbeitslosengeld


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kürzen – nicht geglückt –, er wollte die Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte nach unten nivellieren. Da gab es sogar einen Vorschlag, der ins Parlament gekommen ist. Das war dann ein redaktionelles Versehen, wir hatten es aber ganz genau schwarz auf weiß, dass er das probiert hat. All diese Dinge hat er versucht. Den Punkt mit der Altersteilzeit, mit dem geblockten Modell, hat er zumindest geschafft – zulasten der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ein Angriff nach dem anderen gegen die österreichischen Arbeitnehmer:innen, das ist die Bilanz von Minister Kocher. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn er dann hierher kommt und sagt, er wolle das nicht auseinanderdividieren, frage ich mich, was das war. Er ist dafür zuständig, wie es dem Wirtschafts­standort Österreich geht. Wenn wir uns das anschauen, ist es ja fast erschreckend: teilweise 40 Prozent Steigerung bei Kosten für bestimmte Lebensmittel durchrauschen zu lassen, Mietensteigerung bis zu 25 Prozent. Eine Behörde, die das hätte kontrollieren können, die Bundeswettbewerbsbehörde, hat er über zwei Jahre lang an der Spitze unbesetzt gelassen. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Die war fast handlungsunfähig aufgrund dessen – und das war auch seine Regentschaft –, nur weil es den Abtausch mit einem anderen Posten mit den Grünen nicht gegeben hat. Ja, auch das war Minister Kocher in dieser Zeit.

Das alles hat er zu verantworten und das hat für den österreichischen Wirt­schaftsstandort auch extrem nachteilige Folgen. Warum? – Wenn man die Inflation durchrauschen lässt, dann muss die Gewerkschaft natürlich hergehen und sagen: Wir wollen höhere Löhne. – Das ist ganz logisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Das haben sie auch erfolgreich gemacht. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass die Lohnkosten steigen, dass österreichische Betriebe innerhalb der Europäischen Union einen Wettbewerbsnachteil haben und der Wirtschafts­standort Österreich dadurch massiv ins Hintertreffen gerät – das ist auch Minister Kocher –, weil man nicht bereit war, in die Inflation einzugreifen, so


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wie es andere Staaten gemacht haben. (Bundesrat Himmer: Die höchste Beschäftigungszahl, das ist Minister Kocher! Die höchste Beschäftigungszahl!)

Die höchste Beschäftigungszahl, Sie können es so oft sagen, wie Sie wollen, die österreichischen Zahlen sind ganz klar: Wir bewegen uns nicht in die richtige Richtung. (Bundesrat Himmer: Und auch die höchsten Gehälter, die es jemals gegeben hat! – Bundesrätin Schumann: Herr Himmer, Sie hätten ja reden können zum Thema!) Wir haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten, glaube ich, ein Bruttoinlands­produkt pro Kopf, das am Sinken ist. Das heißt, wir haben tat­sächlich eine Wohlstandsvernichtung. Auch das ist in seiner Amtszeit als Minister passiert. (Bundesrat Himmer: Auch das ist falsch!) – Das ist nicht falsch. Wenn Sie es mir nicht glauben, schauen Sie bitte bei Google nach (Bundesrat Buchmann: Herr Dr. Google!), schauen Sie sich das Wifo an und das, was das IHS sagt! Beim IHS war er selbst Chef, und die sagen eben jetzt auch, dass die Prognosen miserabel sind und dass wir jetzt zu verantworten haben, dass die nächste Regierung ein Sparpaket zu schnüren oder sich zu überlegen haben wird, wo sie andere Einnahmen herbekommt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich bin schon gespannt auf die Sparpläne! Die 32-Stunden-Woche wird ja billig!)

All das war Minister Kocher. Das Beste, was man in der Replik auf ihn und von den anderen Parteien hört, ist immer die Meinung, dass er redlich bemüht war, Projekte umzusetzen, das aber nicht geglückt sei. Das will ich später nie über meine politische Tätigkeit hören, ganz egal, wo das war, weil das viel zu wenig ist.

Ein Letztes noch: Falls Sie sich fragen, warum die Bundesregierung immer noch intakt ist, nachdem eine Regierungspartei der anderen Regierungspartei vorwirft, sie habe Verfassungsbruch begangen, nachdem der Generalsekretär einer Regierungspartei die Ministerin der anderen Regierungspartei sogar anzeigt, dann haben Sie den Grund hier neben mir sitzen. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger. – Bundesrat Himmer: Weil die Opposition auch keine Option ist! Das ist das Problem!) Es gibt noch eine Besetzung, die ausständig ist: Das Amt des Gouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank ist noch zu besetzen, und da


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will natürlich die ÖVP noch ihren Kandidaten, Minister Kocher, als Gouverneur durchdrücken.

Das ist ganz schön bezeichnend, weil die ÖVP immer dafür war: Leistung muss sich lohnen. – Anscheinend geht es nicht darum, wie diese Leistung ausschaut. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

11.53


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. Ich erteile ihr das Wort.


11.53.15

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige Europäische Union – Standortimpulse für Europa“: Der Titel der heutigen Aktu­ellen Stunde ist eigentlich völlig daneben. Wenn sich der Bundesminister für Arbeit im österreichischen Parlament lieber um Standortimpulse für Europa kümmert, als sich um Standortimpulse für Österreich einzusetzen (Zwischenrufe bei der ÖVP), ist er rücktrittsreif. (Beifall bei der FPÖ.)

So ein Minister ist rücktrittsreif, aber wir haben es eh schon vom Vorredner gehört: Wie man merkt, wie man mitbekommt, sind Sie ja schon am Vorbereiten für den Absprung. Sie haben ja da schon etwas im Hinterkopf, und wie es ausschaut und ich den Medienberichten entnehmen darf, sollen Sie ja wirklich Nationalbankgouverneur werden.

Der Standort Österreich, die Standortsicherung in Österreich wäre aber enorm wichtig. Es wäre enorm wichtig, dass man schaut, dass die Betriebe nicht absiedeln, dass man innovativ bleibt, dass man vielleicht einmal irgendetwas tut, dass man den größten Brocken für die Unternehmer von deren Schul­tern nimmt, nämlich die ganzen Lohn- und Lohnnebenkosten, dass man in dieser


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Richtung etwas macht, damit eben unsere heimischen Betriebe wettbewerbs­fähig sind.

Also da können Sie sich wirklich einmal an der Nase nehmen, Herr Minister Kocher! Sie arbeiten zu viel vom Schreibtisch und am Reißbrett und machen nur Statistiken, als dass Sie sich stattdessen endlich einmal um die Sorgen und Ängste der Österreicher wirklich kümmern und sie ernst nehmen würden. Alleine der Titel der heutigen Aktuellen Stunde demonstriert aber wieder einmal diese EU-Hörigkeit. Das finde ich unfassbar.

Die Teuerung, die Inflation, die Menschen können sich das Leben fast schon nicht mehr leisten. Wir wissen alle, dass der Arbeitsmarkt hier in Österreich nur ganz, ganz langsam wieder in Schwung kommt, denn die stagnierende Wirtschaft lässt halt einfach die Arbeitslosenzahlen enorm steigen.

Ende Juni waren 338 051 Personen beim AMS gemeldet, vorgemerkt, inklusive Schulungsteilnehmer. Sie haben vorhin ja sogar falsche Zahlen zitiert, Herr Minister, wenn ich es richtig verstanden habe, weil es tatsächlich innerhalb des letzten Jahres, also im Vergleich zum Vorjahresmonat, eine Steigerung der Arbeitslosigkeit um 10 Prozent gegeben hat. Das ist erschreckend.

Das sind in Zahlen ausgedrückt über 30 000 Menschen, die zusätzlich arbeitslos sind, Tendenz steigend. Wir sind momentan bei einer Arbeitslosenrate von 6,2 Prozent, ebenfalls Tendenz steigend. Die Insolvenzen sind explodiert, eben­falls –das dritte Mal sage ich das jetzt – Tendenz steigend. Das alles – und da können Sie sich alle an der Nase nehmen! – hat diese schwarz-grüne Bundes­regierung zu verantworten.

Wo soll das denn hinführen? – Wenn man sich die Zuwächse der Arbeitslosigkeit in den einzelnen Branchen anschaut, fallen mir schon einige Fragen dazu ein. Was ganz wichtig ist und was uns allen unter den Nägeln brennt, ist: Wie kann es sein, dass es im Gesundheits- und Sozialwesen ein Plus, einen Zuwachs von 7,6 Prozent gibt? – Wir wissen alle, wie prekär die Situation in der Pflege ist.


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Kann es sein, dass diese schwarz-grüne Bundesregierung da etwas gewaltig verbockt hat, nämlich während Corona? Kann es sein, dass eure Schikanen dem Pflegepersonal gegenüber während der Coronazeit viele Menschen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich dahin getrieben haben, dass sie ihren Beruf an den Nagel gehängt haben und sich anderweitig eine Arbeit gesucht haben? – Gerade in diesem Bereich brauchen wir aber ganz dringend Mitarbeiter. In diesem Bereich hat diese schwarz-grüne Bundesregierung völlig versagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Gott sei Dank hat der Spuk aber bald ein Ende und werden im Herbst die Karten neu gemischt: Am 29. September wird diese schwarz-grüne Bundesregierung vom Volk abgewählt, dann können wir mit einem Volkskanzler Kickl (Ruf bei der ÖVP: Eh klar!) in eine positive Zukunft für Österreich gehen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.57


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächste Rednerin wurde mir Manuela-Anna Sumah-Vospernik gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


11.57.46

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. Wir NEOS lieben Europa, und deswegen haben wir auch – ich würde sagen im Gegensatz zur FPÖ – jede Menge Ideen für Standortimpulse für Europa. Die aktuellen Herausforderungen sind groß, aber die Chancen, die sich uns bieten, sind größer. Mit gezielten Reformen können wir ein neues Wirtschaftswunder in Europa schaffen.

Wir NEOS wollen gemeinsam die Weichen stellen, um Europa zu einem starken und nachhaltigen Wirtschaftsstandort zu machen. Aus unserer Sicht muss der erste Schritt die Einführung einer Zukunftsquote für alle EU-Ausgaben sein. Mit einem stärker zukunftsorientierten Budget soll sich die EU von einer Subven­tions- zu einer Investitionsunion entwickeln. So würden wir endlich über neue


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eigene Mittel verfügen, die aus dem Emissionshandelssystem, dem CO2-Grenz­ausgleichsmechanismus und der internationalen Steuer auf multinationale Unternehmen stammen. Diese Mittel sollen vollständig in Zukunftsinvestitionen fließen. (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Für Österreich bedeutet das konkret: Neue eigene Mittel auf EU-Ebene sollen im selben Ausmaß zu Steuer- und Abgabensenkungen führen, um Mehrbelas­tungen zu verhindern. So schaffen wir eine Win-win-Situation für alle Mitglied­staaten und sichern die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Der zweite Schritt muss eine umfassende Deregularisierungsoffensive für den Binnenmarkt sein. Bürokratische Hürden und überregulierte Märkte hemmen das Wirtschaftswachstum und die Innovation. Es ist an der Zeit, diese Hürden abzubauen und den Binnenmarkt zu liberalisieren. Ein deregulierteres Europa bedeutet mehr Wettbewerb und sinkende Preise. (Ruf bei der SPÖ: Geh, das glaubt ja niemand!) Ein Energiebinnenmarkt, der die Verfügbarkeit von günstigem Strom und Energie sichert, ist außerdem ein zentraler Hebel, um die Inflation zu senken und die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Lassen Sie uns diese Hebel umlegen und den Binnenmarkt zu einem Motor für Wachstum und Wohlstand machen!

Der dritte Schritt ist die Stärkung des europäischen Industriestandortes. Unsere Industrie ist das Rückgrat unserer Wirtschaft und der Garant unseres Wohl­stands. Doch um in einer globalisierten Welt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir unsere Industrie kontinuierlich modernisieren und stärken. Mit gezielten Investitionen in Forschung und Entwicklung, Digitalisierung und nachhaltige Technologien können wir den Industriestandort Europa zukunfts­fähig machen.

Eine Europäische Zentralbank, die sich auf die Preisstabilität konzentriert, wird dabei helfen, ein stabiles wirtschaftliches Umfeld zu schaffen, in dem Unter­nehmen wachsen und gedeihen können.


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Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Europa nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen stark und erfolgreich ist!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderungen sind groß, aber die Chancen, die sich uns bieten, sind größer. Mit einer Zukunftsquote für alle EU-Ausgaben, einer Deregulierungsoffensive für den Binnenmarkt und einer Stärkung des Industriestandortes Europa können wir ein neues Wirtschafts­wunder in Europa schaffen. Lassen Sie uns gemeinsam den Weg zu einer nachhaltigen, wettbewerbsfähigen Europäischen Union beschreiten! – Vielen Dank.

12.01


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße sehr herzlich im Bundesrat Frau Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, Dr. Martin Kocher, zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Mög­lichkeit einzuhalten.


12.01.46

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Frau Präsidentin, ich kann es auch relativ kurz machen. Ich glaube, dass es klar ist, dass es wichtig ist, auch über die europäischen Themen zu diskutieren. Ich komme darauf gleich noch einmal zurück.

Erstens, was den Standort betrifft, um noch ein paar Rankings zu nennen, die klar zeigen, dass Österreich grundsätzlich für die Zukunft gut gerüstet ist: Wir sind, was die Standortattraktivität in Europa betrifft, in einer Studie des IFO-Instituts – des Münchner IFO-Instituts, deshalb unverdächtig – von vor ungefähr einem Monat, von vor sechs Wochen unter den top vier, wenn es um nationale


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Unternehmen geht, unter den top sieben, wenn es um internationale Unter­nehmen geht, also sehr, sehr attraktiv als Standort, um weiter zu investieren. Ich könnte jetzt viele Beispiele von Unternehmen nennen, die in Österreich trotz schwieriger konjunktureller Lage weiter investiert haben.

Wir sind im European Innovation Scoreboard – es wurde schon genannt – von Platz acht 2022 auf Platz sechs im letzten Jahr nach vorne gekommen. Wir sind jetzt weiter auf Platz sechs, die Zahlen wurden letzte Woche – ganz aktuell – präsentiert. Wir sind ein innovatives Land in der Europäischen Union und wollen unter die top fünf kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Wir sind in einem Ranking der Boston Consulting Group, in dem es um die Attraktivität als Standort für Arbeitskräfte geht, unter 180 Ländern der Welt auf Platz elf. Das heißt also, aus der ganzen Welt kommen Arbeitskräfte gerne nach Österreich. Das ist, glaube ich, ein gutes Zeichen dafür, dass es bei uns eine hohe Lebensqualität gibt, hohe Löhne gibt, dass die Leute gerne zu uns kommen und dass der Standort ein sehr attraktiver ist, über Investitionen hinaus.

Wenn man jetzt über Europa spricht und Europa und der europäischen Debatte die Wichtigkeit abspricht, so wie das jetzt gerade gemacht wurde – nicht von der letzten Rednerin, sondern von der Rednerin davor –, dann muss man noch einmal darauf verweisen, dass 60 Prozent Exportquote Österreich zu einem sehr attraktiven und sehr erfolgreichen Land gemacht haben.

Wenn wir jetzt um unser Land eine Mauer herumbauen oder uns nicht darum kümmern, was in Europa passiert, dann gefährden wir damit unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze. Genau das darf nicht passieren. Deswegen bedanke ich mich für die Debatte und freue mich auf weitere Debatten hier im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.04


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.


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12.04.34Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortungen,

jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen,

eines Schreibens des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die bereits gestern im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 969. und der 970. Sitzung des Bundesrates gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung bereits gestern im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 969. und der 970. Sitzung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

*****

(Schriftliche Mitteilung siehe 969. Sitzung des Bundesrates.)

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. am 11. Juli in der Schweiz bei gleichzeitiger Beauftragung von Bundesminister für


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Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz mit seiner Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Aufgrund eines mir zugekom­menen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungs­punkte 1 bis 3, 5 und 6, 19 und 20, 22 und 23, 25 und 26, 27 und 28 sowie 29 und 30 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erheben sich dagegen Einwände? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

12.07.031. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden (2558 d.B. und 2688 d.B. sowie 11530/BR d.B. und 11553/BR d.B.)


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2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungs­gesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversorgungsgesetz, das Einkommen­steuergesetz 1988, das Heimarbeitsgesetz und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden (Telearbeitsgesetz – TelearbG) (2597 d.B. und 2689 d.B. sowie 11531/BR d.B. und 11554/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Theaterarbeitsgesetz geändert wird (2605 d.B. und 2690 d.B. sowie 11555/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 1 bis 3 ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Frau Bundesrätin, ich bitte um die Berichte. 


12.07.52

Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:


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Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe außerdem den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeitsinspektions­gesetz 1993, das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversorgungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Heimarbeits­gesetz und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich wiederum gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe außerdem im Namen des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Theaterarbeitsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Bericht­erstattung.


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Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich noch darauf hinweisen, dass heute noch bis 16.30 Uhr die Möglichkeit besteht, die Sensibilisierungstage 2024 unter dem Motto „Barrierefrei wählen“ in der Agora im Erdgeschoß zu besuchen.

Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht dort waren, sich die angebotenen Präsentationen und Testmöglichkeiten anzusehen. Der Herr Präsident, der Herr Vizepräsident und ich hatten gestern die Möglichkeit – und ich kann Ihnen sagen, es ist sehr beeindruckend (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) und es bereichert wieder, wenn man sich diese Möglichkeiten anschaut. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. Ich erteile es ihm.


12.10.28

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Schreuder: Du hast einen Zettel mit!) Es ist ja fast schon aufgelegt: Gerade vorhin hat man dem Arbeitsminister gesagt, ihn interessiert gar nicht, was am öster­reichischen Arbeitsmarkt passiert. Jetzt reden wir über drei Gesetze, für die die Legistik aus seinem Ministerium kommt – und er ist schon wieder weg. (Bundesrätin Hahn: Quod erat demonstrandum! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Er ist schon wieder weg – und er schickt schon wieder seine Staatssekretärin, die jetzt bei mir zum Handkuss kommt und sich die Kritik der Opposition anhören muss. Er selbst nimmt sie nicht wahr, es ist ihm wieder einmal egal – und das bestätigt nur alles, was wir gerade vorhin gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben auch gesagt, das habe ich besonders stark hervorgehoben, dass sich Minister Kocher dadurch hervorgetan hat, dass er immer wieder Angriffe gegen Arbeitnehmer:innen reitet. Dieser ist eher schleichend, weil er nicht wirklich wie ein Angriff daherkommt. Es ist mehr eine vertane Chance. Sie können sich


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vielleicht erinnern, während der Covid-Pandemie hat sich das Homeoffice sehr verbreitet. Die Bundesregierung hat sich dann nach sehr, sehr langem Zögern dazu entschlossen, dem vielleicht legistisch ein bisschen nachzugehen und ein Homeofficepaket zu schnüren – ein Homeofficepaket, das das Minimum dargestellt hat.

Man hat es extrem eng beschränkt; diese Regelungen galten nur für Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer in den eigenen vier Wänden beziehungsweise bei nahen Angehörigen wie der Lebensgefährtin, und nicht darüber hinaus. Wenn man zum Beispiel bei einem Freund oder im Café gearbeitet hat, war das nicht mehr abgedeckt, und die Sonderregelungen galten alle nicht. Das hat für Kritik gesorgt – quer durch, egal, wer es war, in der Wissenschaft, in der Lehre, überall wurde das kritisiert. Jetzt, nach einiger Zeit, hat man sich dazu entschlossen, das zu öffnen.

Man nennt das Ganze jetzt Telearbeitsgesetz – und man weitet es eben auf genau diese Örtlichkeiten aus. Was man dabei aber nicht tut, ist, all die anderen offenen Dinge mitzuregeln, die man regeln könnte. Was wissen wir nämlich auch? – Es gab eine Befragung. Das Ministerium hat ja in diesem Fall tatsächlich davor etwas gemacht. Man hat L&R Sozialforschung betrieben, hat die Leute gefragt – und 70 Prozent der Arbeitnehmer:innen im Homeoffice haben gesagt, sie kriegen keinen angemessenen Kostenersatz für all das, was sie selbst zur Verfügung stellen, wofür sich der Arbeitgeber auch die Kosten erspart, weil er ja nichts mehr zur Verfügung stellen muss (Zwischenrufe bei der SPÖ) – die Personen arbeiten von zu Hause aus –; also er muss nicht, er kann – das ist offen –, aber er muss prinzipiell nicht.

Das ist so spannend, weil im Gesetzestext nur drinsteht, es ist ein angemessener Kostenersatz für digitale Arbeitsmittel zu leisten. Was ist denn bitte ange­mes­sen? – Niemand weiß es so recht, deswegen war es auch schon beim Obersten Gerichtshof. Es gab eine Formel, zu der der Oberste Gerichtshof gar keine Stellung bezogen hat, weil er gesagt hat, das wurde nicht ausreichend gerügt, dass er dazu inhaltlich etwas sagen muss. Wir wissen es daher weiter nicht.


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Was macht die Bundesregierung? – Sie schaut sich das an und sagt: Nein, das regeln wir wieder nicht! Das Gesetz enthält wieder keine klare Regelung. Wir werden wieder darauf angewiesen sein, dass Gerichte für uns sagen, was dieses Gesetz überhaupt bedeutet. Das ist zu wenig.

Wir haben zusätzlich die Sache, dass Homeoffice und dann Telearbeit praktisch aus Beweisgründen schriftlich vereinbart werden muss. Das ist zivilrechtlich ein Wahnsinn, ein Blödsinn. Das gibt es ja gar nicht. Entweder ist etwas schriftlich zu vereinbaren, dann ist es Voraussetzung dafür, dass es gilt – oder es ist etwas aus Beweisgründen zu machen, dann ist es nicht Voraussetzung dafür, dass es gilt. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Wir haben einfach beides widersprüchlich im Gesetzestext drin. Auch das wurde im Rahmen der Evaluierung kritisiert. Das wurde nicht geändert. Der Kostenersatz wurde nicht geändert. All diese Fragen wurden offengelassen.

Zusätzlich hat man sich noch die sozialversicherungsrechtliche Absicherung dieser Arbeitnehmer:innen angesehen – und da geht es um den Unfallversiche­rungsschutz. Man hat nicht gesagt, dass die Personen während der Telearbeit geschützt sind. Nein, man versucht, eine künstliche Barriere zu machen mit Telearbeit im engeren Sinn und Telearbeit im weiteren Sinn. Wenn man ein bisschen weiter fährt als bis zur Arbeitsstätte – zu dem Telearbeitsplatz –, dann ist man auf einmal nicht mehr in Bezug auf das Wegerisiko abgesichert.

Spannend dabei ist ja: Wenn man auf diesem Weg sein Handy in der Hand hat und eine Mail schreibt, dann hat man sehr wohl Unfallversicherungsschutz. Ja, egal, ob es Telearbeit im weiteren Sinne ist oder nicht – ich habe ihn trotzdem. Warum macht man so eine Regelung überhaupt, wenn man von vornherein weiß, sie ist extrem missbrauchsanfällig, sie ist nicht praxistauglich? Auch da werden die Gerichte bei Beweisfragen feststellen müssen, ob es Unfallver­siche­rungsschutz gab oder nicht.

Warum machen wir solche Gesetze? Warum wird so etwas beschlossen, wo wir von vornherein wissen, es wird danach Wickel geben, weil es unklar ist? Und


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warum? – Ja, weil die Arbeitgeberseite nicht mitgehen wollte. Und Minister Kocher zeichnet sich dadurch aus, dass er nichts macht, was gegen die Inter­essen der Industriellenvereinigung geht (Bundesrat Schmid: Genau ...!), und das zeichnet sich auch bei diesem Gesetzespaket wieder ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit will ich es zu diesem Tagesordnungspunkt lassen. Wir beschließen da unter anderem eben tatsächlich auch eine Verbesserung, basierend auf einer Sozialpartnereinigung in der Baubranche. Die finden wir gut, da werden wir mitgehen. Beim Theaterarbeitsgesetz gibt es auch Änderungen, die wir im Wesentlichen als nicht weitreichend genug sehen. Auch da hätte ich viel zu sagen. Ich werde es an dieser Stelle unterlassen, weil es noch einen wichtigeren Punkt gibt.

Wir haben gestern in der Plenardebatte eines erlebt, nämlich dass hier alle parteiübergreifend applaudieren, wenn es darum geht, sich dafür zu bedanken, dass Menschen im Katastropheneinsatz tätig sind – und das mit vollem Recht. Da müssen wir uns wirklich herzlich bedanken, weil diese Menschen Großartiges für dieses Land leisten. (Ruf bei der SPÖ: Richtig!) Deswegen haben wir 2019 eine Initiative gestartet, dass Arbeitgeber:innen eine Entschädigung erhalten, wenn sie ihren Arbeitnehmern für solche Tätigkeiten freigeben.

Unsere Initiative wurde aufgegriffen – und das ist jetzt im Gesetz. Es gibt allerdings unverändert keinen Rechtsanspruch darauf, dass diese Personen das machen können; auch wenn es zum Beispiel ihr eigenes Haus betrifft, wird es schwierig. Wir wollen das deswegen mit diesem Rechtsanspruch regeln. Da alle gestern so brav in die Hände gepascht haben und gesagt haben, das ist so super, dass sie das machen  – was ich auch finde –, schlage ich vor: Unter­stützen wir diese Leute doch gemeinsam!

In diesem Sinn bringe ich folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsatzkräfte und Betroffene beim Katastropheneinsatz im Beruf absichern!“

Worum geht es? – Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen folgenden Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit“ – der nicht hier ist – „wird aufgefordert, umgehend dem Nationalrat und dem Bundesrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der ein Rechts­anspruch auf Freistellung und Entgeltfortzahlung für im Katastrophenschutz­einsatz stehende Einsatzkräfte geschaffen wird. Zugleich ist sicherzustellen, dass für im Einsatz befindliche ehrenamtliche Einsatzkräfte, auch eine pauschale Abgeltung etwaiger Verdienstausfälle aus selbständiger Tätigkeit geschaffen wird. Für von Katastrophen Betroffene soll ein Schadensbeseitigungs-Urlaubs­anspruch geschaffen werden.“

*****

Ja, und ähnlich wie schon während der Coronapandemie, als alle gefunden haben, man muss – auch da wiederum zu Recht – den Pflegerinnen und Pflegern und allen Leuten, die in den Spitälern tätig waren, Applaus spenden und Dank aussprechen, bietet sich jetzt auch da die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass dieser Dank tatsächlich auch gesetzgeberische Folgen nach sich zieht. Bei den Pfleger:innen im Gesundheitsbereich haben Sie es nicht gemacht. Vielleicht machen Sie es beim Katastrophenschutz? Sie haben die Chance, Sie können einfach zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.17


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Mag. Sascha Obrecht, Horst Schachner, Genossinnen und Genossen


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eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Einsatzkräfte und Betroffene beim Katastropheneinsatz im Beruf absichern!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Ruprecht. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


12.17.54

Bundesrat Günther Ruprecht (ÖVP, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Frau Staatssekretärin! Lieber Sascha! Wenn wir darüber reden, wer nie da ist oder wann irgendjemand nicht da ist, dann möchte ich festhalten: In der Aktuellen Stunde ist es um ein wichtiges Thema gegangen, um den Standort Österreich – und wer war wieder einmal nicht da? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Euer Parteivorsitzender war nicht da. (Bundesrätin Schumann: Das geht ins Leere!) Jetzt ist er da, ja, ja, aber man muss das schon einmal ganz klar sagen: Wer selten da ist in diesem Hause, das ist unser Kollege Babler. Öster­reich ist anscheinend nicht wichtig. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: ... Kollege Steiner ... so lang weg!) – Das ist halt so. (Bundesrat Leinfellner: Der sucht sich einen Arbeitsplatz, den braucht er nach dem 29. September!)

Lieber Sascha, du weißt, dass ich dich sehr schätze. Die Arbeitswelt ist natürlich in Bewegung – sowohl was technische Neuerungen als auch was organisa­torische Gestaltungen betrifft; das wissen wir. Diese Veränderungen bringen natürlich mit sich, dass gesetzliche Regelungen nicht mehr den geänderten Verhältnissen gerecht werden und so der Anpassung an die neuen Verhältnisse bedürfen.

Mit den drei im Paket zu besprechenden Gesetzesmaterien – dem Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungs­gesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz mit Einbeziehung verschiedener anderer Gesetzesmaterien, zum Beispiel Arbeit oder Sozialversiche­rung betreffend, in dem es wie besprochen vor allem um die Telearbeit geht,


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und dem Theaterarbeitsgesetz – wird diese notwendige Anpassung an die neuen Herausforderungen vorgenommen. Neue Entwicklungen bringen immer wieder Chancen, aber natürlich auch neue Benachteiligungen oder Gefahren: dass Menschen auf der Strecke bleiben und andere vielleicht in einem unverhältnismäßigen Ausmaß davon profitieren. Da müssen wir als Arbeitnehmer­vertreterinnen und Arbeitnehmervertreter natürlich aufmerksam sein. (Bun­des­rat Schennach: ... Regelungen ...!)

Chancen und Benachteiligung sind nicht gleichmäßig verteilt. Mit den gesetz­lichen Anpassungen wird nun aber ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen Gerechtigkeit besser verwirklicht werden soll. (Bundesrat Schennach: Aber geh!)

So geht es im ersten Punkt vor allem um die Ausweitung der Bestimmung des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes auf Leiharbeiter, damit diese Gruppe von Menschen gerechtere Verhältnisse vorfindet. Gerade im Bereich der Leiharbeit – lieber Horst, du weißt es – wurden in letzter Zeit sehr viele positive Maßnahmen umgesetzt, und das ist auch sehr, sehr wichtig.

Die Leiharbeiter sind ja eine wichtige Gruppe. Gerade wir in der Steiermark wissen das, weil wir ja unseren Automobil- beziehungsweise Mobilitätscluster haben. Da muss man auch Danke sagen, nämlich den Sozialpartnern – dem ÖGB, der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer – dafür, dass da wirklich viel passiert ist und dass damit auch die Leiharbeiter wertgeschätzt wurden. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Die zweite Gesetzesmaterie bezieht sich auf die Telearbeit in ihren Auswirkungen auf verschiedene Bestimmungen und Gesetze. Die damals als Homeoffice bezeichnete Möglichkeit, Arbeit auch von zu Hause aus zu leisten, hat in der Zeit der Coronapandemie bewirkt, dass Wirtschaft und auch Schulen offen gehalten werden konnten, das muss man sagen. Zoom, Teams et cetera, viele dieser Dinge waren vor Corona kaum bekannt und sind jetzt eigentlich ganz normal und Standard.


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Damals vor allem für den Notstandsmodus konzipiert, hat sich diese Maßnahme als eine mit sehr vielen Vorteilen, etwa die Umweltbelastung und die Zeit­belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffend, erwiesen. Als Vertreter der Pendlerinnen und Pendler muss man auch sagen, dass es hier, was Homeoffice beziehungsweise Telearbeit betrifft, um sehr positive Auswir­kun­gen geht, denn jeder Kilometer, für den man nicht Zeit im Auto auf dem Weg zur Arbeit verbringt, ist natürlich ein Vorteil: Dann kann man entsprechend mehr Zeit im Verein oder auch zu Hause verbringen.

Aber es stellen sich auch viele Fragen, nämlich die Mehrfachbelastung der von zu Hause Arbeitenden, die soziale Funktion von Arbeit oder die Bereitstellung der Betriebsmittel betreffend.

Die Tatsache, dass die Arbeit nicht nur von der eigenen Wohnung aus geleistet werden kann, sondern auch von anderen Orten aus, führt zu einer Änderung der Bezeichnung von Homeoffice zu Telearbeit. Ich bedanke mich bei der Bundes­regierung dafür, dass auch hier entsprechende Maßnahmen gesetzt und Verände­rungen vorgenommen wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Nach dem vorliegenden Gesetz liegt Telearbeit dann vor, wenn Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig Arbeitsleistungen unter Einsatz von Kommunikationstechnologien entweder in einer Wohnung oder an einem anderen selbst gewählten Ort außerhalb des Unternehmens erbringen. Das bedeutet natürlich Konsequenzen, etwa für die Einteilung der Arbeitszeit, für die Unfallversicherung, für die Haftpflicht. Mit dieser Gesetzesanpassung wird versucht, verschiedene dieser Konsequenzen zu regeln.

Wenn diese Regelungen verschiedenen Vertreterinnen und Vertretern hier im Haus nicht weit genug gehen, so muss demgegenüber gesagt werden, dass nicht alles gesetzlich geregelt werden kann beziehungsweise soll, ist doch zu vieles noch in Entwicklung; wobei die Konsequenzen teilweise viel zu schwer abzuschätzen sind, als dass dies einer guten gesetzlichen Regelung zugeführt werden könnte.


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Bei diesem Thema braucht es natürlich auch die Einbindung der Sozialpartner und eine ständige Weiterentwicklung. Gesetze sind ja nicht immer Abschluss einer Entwicklung, sondern müssen ebenso auf dem Wege bleiben, also für Entwicklungen offenstehen.

Mit den Gesetzen wird ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen die Eigen­verantwortung – das ist uns als Volkspartei natürlich sehr, sehr wichtig – der verschiedenen betroffenen Personen und Gruppen Ausgestaltung finden kann und soll.

Solches gilt auch in Bezug auf den dritten Punkt, das Theaterarbeitsgesetz. Für die österreichische Kulturlandschaft sind Festspiele der verschiedenen Arten, Opern, Operetten oder Theateraufführungen, prägend. Österreich ist ein Kultur­land; die Steiermark, für die ich hier stehe, ist ein Kulturland.

Der oberösterreichische Landeshauptmann hat es heute schon gesagt: Es ist eine Kooperation zwischen Oberösterreich und der Steiermark, und im Salzkammergut wird mit Bad Ischl heuer die Europäische Kulturhauptstadt gestaltet. Es ist eine großartige Initiative. – Ein großes Danke gebührt da Landeshauptmann Christopher Drexler, der ja die Kulturagenden in unserem Land hervorragend übernommen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade in diesem Sommer zeigt sich wieder die Attraktivität dieser Veranstal­tungen, sie sind ein Aushängeschild unserer Hochkultur in unserem Land. Dass aber Ausführende, insbesondere Ensemblemitglieder, mitunter unterbezahlt sind, dass es da eine Schieflage gibt, bleibt oft unterbelichtet. Da kann das vorliegende Gesetz Abhilfe schaffen, ohne jedoch alle damit verbundenen Fragen lösen zu können. Es stellt aber einen wichtigen Schritt dar, um hier mehr Gerechtigkeit zu schaffen.

Zum Abschluss noch eine Bemerkung: Mit den Gesetzen können wir Gerechtig­keit fördern, nicht aber die Gerechtigkeit schaffen. Gerechtigkeit werden wir nie vollständig erreichen. Wenn das möglich wäre, müsste Österreich im Finale in


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Berlin spielen und gewinnen! (Heiterkeit des Bundesrates Himmer.) In diesem Sinne ein steirisches Glückauf! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.25


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel zu Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.25.56

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen! Wir haben jetzt, glaube ich, eine Gesetzes­vorlesung par excellence gehabt, in allen drei Bereichen.

Wir werden allen drei Tagesordnungspunkten zustimmen. Ganz gerne zustimmen werden wir dem Antrag der SPÖ, denn wir klatschen nicht nur und bedanken uns nicht nur, sondern wir meinen es wirklich ernst und möchten alles dazu beitragen, dass in diesem Bereich wirklich Unterstützung erfolgt! (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Himmer.)

12.26


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Simone Jagl zu Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.26.41

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen, Besucherinnen und Besucher, Zuseher:innen zu Hause! Wenn es etwas Positives gibt, das zumindest zum Teil auf die Coronapandemie zurückzuführen ist, dann ist das der gewaltige Schub im massiven Umbruch der Arbeitswelt. New Work ist das Schlagwort. New Work steht für ein neues Verständnis von Arbeit, für ein neues Verständnis von Führung und ganz generell für einen Arbeitsalltag, der dem digitalen Wandel und einer globalisierten Arbeitswelt gerecht wird.

Seit vielen Jahren ist ein zunehmendes quasi Verschmelzen von Arbeit und Privatleben, das sogenannte Work-Life-Blending, zu beobachten. Gerade junge


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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber schon lange nicht mehr nur solche, haben mittlerweile den Anspruch an ihren Job, dass dieser einen anderen Zweck hat als nur den reinen Broterwerb. Arbeitnehmer:innen haben zunehmend den Anspruch, dass sie als Menschen und ihre Bedürfnisse verstärkt im Mittelpunkt unternehmerischer Tätigkeit stehen. Zu diesen Bedürfnissen gehört eben auch immer stärker, dass sie arbeiten können, von wo aus sie wollen.

Ich beobachte das schon seit einigen Jahren in meinem privaten Umfeld, im Freundeskreis unserer erwachsenen Kinder: Wirklich viele junge Erwachsene arbeiten zunehmend von zu Hause aus, von den Wohnorten von Freundinnen und Freunden, die sie vielleicht gerade besuchen, die vielleicht in einer ent­fernten Stadt wohnen. Sie arbeiten zunehmend von Cafés aus oder von unterwegs, wenn sie in Österreich oder sogar in der Welt unterwegs sind. Ich finde das persönlich fantastisch, dass sich junge Menschen heutzutage von konventionellen Arbeitszeitmodellen befreien, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.

All das haben auch Unternehmen erkannt. Eine relativ aktuelle Studie, nämlich aus dem Jahr 2023, hat rund 600 Firmenvertreter:innen zur Verbreitung flexibler Arbeitszeitmodelle befragt. Laut dieser Studie bieten bereits 89 Prozent der österreichischen Unternehmen Möglichkeiten, vom Homeoffice aus zu arbeiten. 93 Prozent der befragten Unternehmen berichten, dass sich Bewerber:innen die Möglichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten, auch erwarten. Besonders interessant finde ich, dass ein großer Teil der Unternehmen bei Bewerbenden die Nachfrage nach Workations beobachtet. – Workations ist quasi eine Sonderform des Remote Working, nämlich das Arbeiten im Urlaub oder in urlaubsähnlichem Umfeld.

Die Pandemie hat den größten Umbruch der Arbeitswelt seit Jahrzehnten ange­stoßen. Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. – So heißt es in der Studie weiter.


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Während der Coronapandemie haben wir gesetzliche Regelungen für das Arbeiten im Homeoffice eingeführt, nach einer Evaluierung erweitern wir nun diese Regelungen, um auch ortsungebundene Telearbeit außerhalb der Wohnung zu umfassen.

Das Wesentliche ist jetzt auch schon mehrmals gesagt worden: Wir definieren Telearbeit als regelmäßige Arbeitsleistungen in der eigenen Wohnung oder an einem anderen selbst gewählten Ort außerhalb des Unternehmens. Damit wird es eben möglich, auch an Orten wie den Wohnungen von Angehörigen, in Coworkingspaces oder in Cafés zu arbeiten.

Der Unfallversicherungsschutz am Arbeitsweg wird je nach Arbeitsort unter­schiedlich geregelt, und das ist ja auch sinnvoll, wie man sieht, wenn man sich anschaut, dass es im Prinzip keine Einschränkung gibt, wo diese Arbeit getätigt werden kann. (Bundesrätin Schumann: Was? Na, das ist nicht sinnvoll!) Ich finde es also durchaus sinnvoll, dass es jetzt keinen Unfallschutz, keine Unfallversiche­rung gibt, wenn jetzt jemand von hier nach, sagen wir, Innsbruck reist und dort eine Zeit lang arbeitet. Wieso sollte er den ganzen Weg dorthin diesen Unfallschutz haben? (Bundesrätin Schumann: Nicht wahr! Nicht wahr!) Das ist ja nicht wirklich als Arbeitsweg definiert, sondern die Arbeit erfolgt dort. (Rufe bei der SPÖ: Na geh! Na boah! Ja, geh! – Bundesrätin Schumann: Sehr neoliberal, Frau Grüne! Ja, wirklich!) – Na ja, ich meine, lassen wir die Kirche ein bisschen im Dorf. (Bundesrätin Schumann: Also das verteidigen, da brauchst schon gute Nerven!)

Bei Telearbeit im engeren Sinn, also in der eigenen Wohnung oder in Coworking­spaces, sind die Arbeitnehmer:innen natürlich unfallversichert, auch am Arbeitsweg. Voraussetzung ist, dass beispielsweise der Coworkingspace in der Nähe ist oder die Entfernung dem üblichen Arbeitsweg entspricht. Bei Tele­arbeit im weiteren Sinn sind eben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Telearbeitsplatz unfallversichert.

Die Telearbeit und die Orte, an denen sie geleistet werden kann, müssen natürlich zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgebern schriftlich zu


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Beweiszwecken vereinbart werden. Was die Formulierung betrifft – das haben wir ja auch vom Experten im Ausschuss gehört –, war es tatsächlich ein Wunsch der Sozialpartner, dass diese so bleibt.

Die Unternehmer:innen, die Unternehmen sind verpflichtet, den Mitarbeitenden die notwendigen digitalen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Also ich weiß nicht, was da das Problem sein soll. Es steht ausdrücklich drinnen, dass sie dazu verpflichtet sind.

Die Voraussetzungen für die Telearbeitspauschale bleiben unverändert. Da hätten wir uns auch, wie von der AK gefordert, eine Valorisierung gewünscht. Das war halt jetzt in dem Moment noch nicht möglich.

Alles in allem zeigt das vorhin Gesagte, dass das vorliegende Gesetz gut und wichtig ist, weil es die neue Lebensrealität von immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abbildet, weil es einfach eine neue Realität der Arbeitswelt abbildet. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.33


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es liegt noch eine Wortmeldung vor. – Bundesrat Sascha Obrecht, bitte.


12.33.12

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Ich will das nur in aller Kürze abhandeln, weil es sonst zu technisch wird – es ist nur so realitätsfern, was Sie gerade gesagt haben: Sie haben gemeint, der Arbeitgeber, die Arbeitgeberin muss die digitalen Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, das steht so im Gesetz. Haben Sie den nächsten Satz im Gesetz auch gelesen? Dieser lautet: „Davon kann durch Vereinbarungen abgewichen werden“. – Es gibt in der Privatwirt­schaft de facto keine Vereinbarung, in der das nicht drinnen steht – also, ein bisschen müssen wir auch drüber reden. (Bundesrätin Schumann: Genau!)


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Das mit der Unfallversicherung: Ich habe es Ihnen schon gesagt und vielleicht noch einmal, um es deutlich zu machen, mit Ihrem Beispiel mit dem Weg nach Innsbruck: Wenn ich jetzt am Weg nach Innsbruck Telefonate mache, wie das in der modernen Arbeitswelt üblich sein wird, wenn ich da sitze und am Laptop etwas schreibe, bin ich unfallversichert. (Zwischenruf der Bundesrätin Jagl.) – Ja, bin ich. Das heißt, ich habe eine Regelung, bei der es ohnehin in ganz vielen Fällen so sein wird, dass ich ohnehin gerade arbeite. Es gibt überhaupt keine Begründung dafür, dass man diese künstliche Aufdröselung in Telearbeit im engeren und im weiteren Sinn macht. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Es ist extrem missbrauchsanfällig, und der schlaue Arbeitnehmer, die schlaue Arbeit­nehmerin ist wohl immer gerade am Arbeiten, wenn er oder sie am Weg nach Innsbruck ist. (Beifall bei der SPÖ.)

12.34 12.34.20


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen jetzt nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. – Das ist bereits erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetter­entschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungs­gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 124

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsatzkräfte und Betroffene beim Katastropheneinsatz im Beruf absichern!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt. (Rufe bei der SPÖ: Ja! Klatschen wir wieder ein bisschen! Aber klatschen können wir! Da klatschen wir wieder!)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Telearbeitsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Theaterarbeitsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

12.36.314. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Übereinkommen (Nr. 190) über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt (2591 d.B. und 2691 d.B. sowie 11556/BR d.B.)



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Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Frau Bundesrätin, ich bitte um den Bericht. 12.36.54


Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Bericht­erstat­tung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Philipp Kohl. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 126

12.37.51

Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Die Gewalt ist die Waffe des Schwachen“, der Mut die des Starken. Mit diesem Zitat von Mahatma Gandhi steige ich in die Debatte betreffend Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ein.

Gewalt ist ein großes Thema unserer Zeit und leider sehr oft ein großer Bestandteil unserer Gesellschaft. Als Gewalt kann jede Form von Handlung –physisch, psychisch oder emotional – definiert werden, die darauf abzielt, anderen Personen Schaden zuzufügen, sie zu verletzen oder zu unterdrücken. Gewalt hat viele Gesichter und tritt in zahlreichen Erscheinungsformen und Ausprägungen auf. Es ist wichtig, dass wir uns dieser verschiedenen Formen bewusst sind, um wirksam dagegen vorgehen zu können.

Eine Art von Gewalt ist die psychische oder emotionale Gewalt, die oft weniger offensichtlich, aber nicht minder verletzend ist. Hierzu gehören Handlungen, die darauf abzielen, das psychische Wohlbefinden einer Person zu beeinträchtigen. Beispiele dafür sind Einschüchterung, Drohungen, Mobbing, Erniedrigungen oder Manipulation. Diese Form der Gewalt kann tiefgreifende und lang anhaltende Auswirkungen auf die mentale Gesundheit und das Selbstwertgefühl der Betrof­fenen haben.

Gewalt berücksichtigt sowohl direkte, sichtbare Handlungen als auch subtile, indirekte Formen der Unterdrückung und Benachteiligungen. In allen Fällen aber geht es darum, dass Gewalt Handlungen umfasst, die die Integrität, Würde und Sicherheit eines Menschen beeinträchtigen oder bedrohen. Wir müssen uns als Gesellschaft bewusst sein, dass Gewalt in keiner Form toleriert werden darf. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, gegen jede Form von Gewalt vorzu­gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist daher von großer Bedeutung, dass wir uns gemeinsam für die Beseitigung von Gewalt und Belästigung am


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 127

Arbeitsplatz einsetzen. Das Übereinkommen 190 der International Labour Organization verlangt „ein gesetzliches Verbot von Gewalt und Belästigung“, eine Verhinderungsstrategie und Verfahren zur Durchsetzung und Überwachung. Opfer müssen Zugang zu Unterstützungen haben, und es müssen Maßnahmen für Untersuchungen in Fällen von Gewalt und Belästigungen getroffen werden. Zum Schutz vor Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt schlägt die Empfeh­lung Nummer 206 Maßnahmen vor.

Dieses Übereinkommen soll alle Personen schützen, die einer Beschäftigung nachgehen, einschließlich Praktikantinnen und Praktikanten, Freiwilligen und Arbeitssuchenden. Es ist entscheidend, dass es ein Arbeitsumfeld gibt, in dem Menschen sicher arbeiten können, ohne Angst vor Gewalt oder eben Beläs­tigung.

In Österreich sind Gewalt und Belästigung bereits durch Bestimmungen im Strafgesetzbuch verboten, und das Gleichbehandlungsgebot und das Gleich­behandlungsgesetz verbieten Benachteiligungen aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung oder sexueller Orientierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe meine Rede mit einem Zitat begonnen und ich werde meine Rede auch mit diesem Zitat beenden: Die „Gewalt ist die Waffe des Schwachen“, der Mut die der Starken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.41


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


12.41.46

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich


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einfach; ich freue mich wirklich. Ich freue mich ganz, ganz toll, dass es jetzt so weit ist, dass wir diese Vereinbarung, diese ILO-Richtlinie 190, im Bundesrat beschließen.

Es war ein derartig langer Kampf, dass es so weit gekommen ist. Das kommt aus einer starken Bewegung der Gewerkschaftsfrauen, über alle Fraktionen hinweg, aus dem Erleben der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, der Betriebs­rätinnen und Betriebsräte, der Personalvertreterinnen und Personalvertreter, die genau wissen, was sich an den Dienststellen, in den Unternehmen abspielt, wie stark Gewalt oft das Arbeitsleben der Menschen vergiftet, wie oft Frauen – besonders Frauen, aber auch Männer – von sexueller Belästigung betroffen sind. Aus diesem Erleben heraus war es extrem wichtig.

Ich danke auch sehr für die Unterstützung vonseiten der sozialdemokratischen Frauen. Ich danke dann auch sehr – im weiteren Schritt, denn es war ein langer, langer Prozess, dass wir so weit kommen, dass heute diese ILO-Richtlinie beschlossen wird, dass sie ratifiziert wird – den Sozialpartnern, die sich ja mit der Bitte, endlich zu ratifizieren, an Herrn Bundesminister Kocher und auch an Frau Bundesministerin Raab gewandt haben. Es hat ewig lang gedauert, aber nun ist nicht die Dauer das Wichtige, sondern einfach die Tatsache, dass dieses Übereinkommen jetzt ratifiziert wird und dass man – und das ist ganz, ganz wichtig – jetzt die nächsten Schritte setzen muss, um wirklich Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu bekämpfen.

Bundesrat Kohl hat ja schon sehr deutlich ausgeführt, worum es sich bei diesem Übereinkommen handelt. Ich muss aber sagen: Das ist kein Thema, über das man  lala – hinweggehen kann. Es ist nicht so, dass alles gut ist, und es ist nicht so, dass man sagen kann: Wir haben schon genug gesetzliche Regelungen!, und dann ist alles fein.

Ich darf auf die Studie der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft Vida ver­weisen, in der man sich ganz genau die Frage der sexuellen Belästigung und der Gewalt – besonders der sexuellen Belästigung im Bereich der Gastronomie


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und des Hotelleriegewerbes – angeschaut hat. Was da bei den Befragungen herausgekommen ist, ist bestürzend – ich muss ganz ehrlich sagen, es ist bestürzend.

Von den befragten Personen sagen 79 Prozent der Frauen und 54 Prozent der Männer, sie wurden in den letzten zwei Jahren sexuell belästigt. Das sind also keine Zahlen, bei denen man sagen kann: Na, das ist ein bisserl was!, sondern das ist ganz arg. Bei 78 Prozent waren es Gäste, Kollegen bei 48 Prozent, Vorge­setzte bei 35 Prozent und bei 1 Prozent waren es andere, zum Beispiel die Lieferanten. Das sind Zahlen, die einen umhauen, und es ist ganz klar, dass da etwas zu tun ist.

Wenn man sich auch die Zitate der befragten Personen anhört – wie eine Arbeitnehmerin gesagt hat –: „Oft werden Dinge als Spaß abgetan oder ‚Das ist halt die Gastro‘, ‚Geh’ bitte, stell dich nicht so an‘, ‚Na das gibt doch zumindest gutes Trinkgeld‘, ‚Dann‘“ brauchst „,du [...] nicht in der Gastro arbeiten, wenn du das nicht aushältst‘.“ – Das ist nicht der Zugang.

Ich danke allen Arbeitgebern – nämlich jenen 40 Prozent –, die da eingegriffen haben. Es ist aber wichtig, jenen 60 Prozent, die nicht eingegriffen haben und nicht geschaut haben, dass dieser Zustand kein dauerhafter wird und abgedreht wird, auf die Finger zu hauen. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass man da etwas tut. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin mir auch sicher, dass von Wirtschaftsseite alles getan wird, um diesen Zustand von sexueller Belästigung, Gewalt am Arbeitsplatz zu beseitigen, weil es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an einem guten Arbeitsplatz gut bis zu ihrem regulären Pensionsantrittsalter zu bringen und nicht mit dieser furchtbaren Form der Gewalt oder Belästigung konfrontiert zu sehen.

Die Gewalt am Arbeitsplatz hat zugenommen – auch das ist ganz klar. Wir hören aus den verschiedensten Bereichen, auch aus dem öffentlichen Dienst: Die Aggression ist extrem hoch! – Es wird sich an den Personen, die Kundendienst


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haben, oft wirklich aggressiv abgearbeitet, das geht bis zur körperlichen Bedrohung. Wir haben jetzt erst wieder die Berichte vom AMS Steiermark gehört, wie es da zugeht, wie Beraterinnen und Berater sozusagen aggressiv angegriffen wurden. Da ist einfach ein Riegel vorzuschieben.

Auch die Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter – wir haben gestern darüber gesprochen – kriegen die volle Länge und die Verärgerung der Personen ab, und das geht wirklich bis hin zur körperlichen Bedrohung. Ganz ehrlich: Da braucht es in den Unternehmen, an den Dienststellen ein Schutzkonzept, ein wirklich gutes Schutzkonzept und es braucht auch das gesellschaftliche Übereinkommen: Wir wollen das nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Das fängt beim Reden an und geht weiter in dem, wie ich meine Beschwerde vorbringe. Man kann sich einmal über etwas ärgern, aber die Personen, die diese Beschwerde annehmen, sind ja nicht die, die für den Zustand etwas können, sondern meist nur jene, die die Beschwerde annehmen.

Es ist die Art, wie man miteinander spricht, und ich glaube, da kann man eingreifen. Es muss sowieso selbstverständlich sein, dass es keine körperliche Gewalt und keine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gibt – das muss auch selbstverständlich sein!

Ich sage es noch einmal: Unsere jungen Gewerkschaftsfrauen sagen, das größte Problem, das die weiblichen Lehrlinge haben, ist das Problem der sexuellen Belästigung. Das ist etwas, das nicht geht. Es geht auch nicht, dass jemand sagt: Geh bitte, stell dich nicht so an, du kannst dich ja gleich da vor uns umziehen, brauchst ja nicht extra wohin zu gehen! – Es ist auch so, dass man nicht sagen kann: hearst, Schatzi oder Mausi!, sondern das ist ein Lehrling, der einen Namen hat und der ein Recht hat.

Ich glaube, da sind wir uns alle einig, und darum freue ich mich heute: Ich freue mich wirklich, dass diese ILO-Richtlinie jetzt ratifiziert wird. Bitte sagen wir nicht:


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In Österreich ist schon alles getan!, sondern kämpfen wir weiter für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer, damit Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz endlich ein Ende haben. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.48


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.48.27

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher hier im Saal und vor den Bildschirmen! Laut der Auskunftsperson im Ausschuss sind ja 187 Länder Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, und davon haben bisher 13 Mitglieder das Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ratifiziert.

Die völkerrechtliche Verpflichtung, die wir da eingehen, zeigt aber, dass auf nationaler Ebene kein Anpassungsbedarf besteht. (Bundesrätin Schumann: Geh! – Bundesrätin Hahn: Statistiken sagen etwas anderes!) Sie verlangt „ein gesetzliches Verbot von Gewalt und Belästigung“, eine „Strategie [...] zur Verhinderung“, Sanktionen zur Durchsetzung und Überwachung, außerdem müssen „Opfer Zugang zu Abhilfe [...] und [...] Unterstützung haben“, und es müssen „Vorkeh­rungen für [...] Untersuchung in Fällen von Gewalt und Belästigung“ getroffen werden.

Das hört sich gut an und ist auch dringend notwendig, aber leider wird sich mit dieser Ratifizierung des Übereinkommens gegen Gewalt und Belästigung – so wie Kollege Kohl oder Kollegin Schumann das angesprochen haben – nichts ändern. Es ist ein technisches Übereinkommen, und de facto wird keine einzige zusätzliche Maßnahme zum Schutz von Frauen oder im Allgemeinen von Arbeitskräften vor Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz beschlossen. So bleibt es wie immer bei einer Ankündigungspolitik.


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Obwohl Sicherheit und respektvoller Umgang am Arbeitsplatz oberste Priorität haben sollen, wird – wir haben es von Kollegen Kohl und Kollegin Schumann gehört – am Arbeitsplatz gemobbt, gedemütigt, belästigt, beleidigt, beschimpft, das geht hin bis zu tätlichen Angriffen – ob es im Tourismus oder bei Zug­begleitern ist. Jeder Übergriff ist zu verurteilen und – ich unterstreiche diese Worte von Kollegin Schumann – man muss den Verantwortlichen auf die Finger hauen, denn das darf nicht sein. Auch wenn es nur eine Ankündigung ist, werden wir als Zeichen gegen Gewalt am Arbeitsplatz zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

12.50


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


12.50.48

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Will­kommen, Besucherinnen und Besucher hier im Hohen Haus! Sehr geehrte Zuseher:innen zu Hause! Dieser Tagesordnungspunkt behandelt ein ziemlich schwieriges Thema, nämlich eines, das uns immer häufiger betrifft.

„Schreien, erniedrigen und herumschubsen. Vor allem in der Pflege, im Tourismus und in der Gastronomie gibt es zahlreiche Vorfälle von psychischer und physischer Gewalt.“ – So steht es in einem ganz aktuellen Artikel der „Wiener Zeitung“ vom 19. Juni 2024.

An dieser Stelle sei nur erwähnt: Ja, die „Wiener Zeitung“ gibt es entgegen aller Unkenrufe tatsächlich weiterhin, und zwar sehr erfolgreich als Onlinemedium. (Bundesrätin Schumann: Ja, genau! Net, net, net! Das macht es nicht besser, schon gar nicht für die Grünen! – Bundesrätin Hahn: Das ist der falsche Platz für so etwas! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das musste sein.

Ein Lehrling hat der „Wiener Zeitung“ seine Geschichte erzählt. Der erst 15-Jährige berichtet: „Er war schon immer unangenehm und aggressiv, aber das war


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das erste Mal, dass er mich körperlich angefasst hat [...] Mir ging in dem Moment nur durch den Kopf: Was, wenn er mich jetzt schlägt oder würgt, wie wehre ich mich dann?“ – Solche oder ähnliche Vorfälle – wir haben es in den vorigen Reden auch ausführlich gehört – häufen sich. Mittlerweile wird jeder dritte Lehrling bedroht, bloßgestellt, beschimpft oder tatsächlich tätlich angegriffen, heißt es in dem Artikel weiter.

Eine andere Personengruppe, die in besonderem Maß von Gewalt am Arbeits­platz betroffen ist – und das wundert wahrscheinlich wenige von uns hier –, sind Frauen. Die Arbeiterkammer Wien und die Gewerkschaft Vida haben in den letzten Jahren auch da eine Häufung von Fällen, besonders von Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, verzeichnet. In Österreich ist jede fünfte Frau davon betroffen. Sexuelle Belästigung ist ein Akt von Gewalt, sie ist ein Auswuchs geschlechtsbasierter Machtverhältnisse und betrifft deswegen vorwiegend Frauen. 93 Prozent der betroffenen Arbeitnehmer:innen sind weiblich, die Täter mit fast 98 Prozent fast ausschließlich männlich. Kollegin Schumann hat recht anschaulich ausgeführt, dass Gewalt an Arbeitsplätzen nicht nur ein Problem unter Kolleginnen und Kollegen ist oder von Vorgesetzten an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgeübt wird, sondern tatsächlich auch von Kundinnen und Kunden, von Klient:innen an Arbeitnehmer:innen.

Dabei ist klar – und das haben wir heute auch schon oft gehört und man kann es nicht oft genug erwähnen –, dass das einfach nicht tolerierbar ist. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Arbeitswelt frei von Gewalt, Belästigung und Diskrimi­nierung. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Das Übereinkommen, um das es hier geht, wurde auf der Konferenz der ILO, der International Labour Organization, tatsächlich schon im Jahr 2019 beschlossen. Es hat einige Zeit gedauert; jetzt sind wir froh, dass es so weit ist. Das Ziel ist ganz klar: die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt. Es ist damit das erste entsprechende internationale Recht. Damit sollen eben jede Form von Gewalt, ob körperlich, sexualisiert, jede Form von Belästigung, jede


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Form von Druckausübung und tätlichen Angriffen am Arbeitsplatz verunmöglicht werden.

Wer soll geschützt werden? – Einfach alle Personen, die einer Beschäftigung nachgehen. Das heißt, neben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im klassischen Sinn sollen auch Praktikantinnen und Praktikanten, aber auch Freiwillige und Arbeitsuchende geschützt werden. Es ist eine wirklich sehr umfangreiche Personengruppe, die da geschützt werden soll.

Wir ratifizieren damit die ILO-Konvention 190 für Österreich. Die Ratifizierung ist völkerrechtlich bindend; in einem nächsten Schritt muss sie dann natürlich raschestmöglich umgesetzt werden. Sie enthält übrigens auch eine Pflicht, alle sechs Jahre zu berichten. Die Internationale Arbeitsorganisation, die ILO, hat überdies ein Beschwerderecht, wie wir im Ausschuss erfahren konnten, das sie nutzen kann, wenn sie der Meinung ist, dass Länder die Vereinbarung nicht erfüllen. Es ist nicht nur für Österreich gut, sondern natürlich auch international, dass wirklich geschaut wird, dass die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden.

Es gibt auch bereits ein Überwachungs- und Meldesystem, es kann zum Beispiel eine sogenannte Observation ausgesprochen werden. Die schlimmsten Fälle, die da tatsächlich eingemeldet werden, werden bei den ILO-Treffen besprochen. Mit Blick auf das Prinzip Blaming and Shaming sollen Länder allein deswegen schon ein Interesse an einer gewissenhaften Umsetzung der Maßnahmen haben.

Ich bitte wirklich um und freue mich über breite Zustimmung, die hoffentlich bevorsteht, denn alle arbeitenden Menschen müssen sich an ihrem Arbeitsplatz, in ihrem Arbeitsumfeld sicher fühlen können. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

12.56



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Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Claudia Arpa. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


12.56.25

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Ich möchte gleich hier, an dieser Stelle dem neuen Präsidenten alles Gute und eine gute Hand für die Vorsitzführung im nächsten halben Jahr wünschen.

Wenn es in einem Tagesordnungspunkt um Gewalt geht, stelle ich mich immer sehr gerne heraus, weil ich natürlich im beruflichen Kontext damit zu tun habe da ich in einem Frauenhaus arbeite. Deswegen habe ich mir gedacht, ich melde mich heute auch noch einmal zu Wort. Die Anzahl an verbalen und körperlichen Übergriffen am Arbeitsplatz hat in den letzten Jahren wieder zugenommen, und Frauen sind eindeutig stärker davon betroffen als Männer.

Bei meiner letzten Rede vor zwei Wochen habe ich ja auch über Frauenmorde berichtet. Mittlerweile ist der nächste Frauenmord zu verzeichnen und leider sind auch weitere Frauen verletzt worden. Wieder ist es so, dass Frauen, aber auch deren Angehörige mit großem Leid konfrontiert werden. Wir müssen uns natürlich auch immer vergegenwärtigen, dass der Mord an einer Frau die Spitze einer Gewaltpyramide ist, er ist nämlich die absolute Eskalation.

Frauen erleben Gewalt in vielfältiger Weise: durch sexistische Witze, durch Objektifizierung von Frauen, durch Verbreiten von Geschlechterklischees; es gibt eine gläserne Decke, die Frauen in ihren Karrieren bremst, und strukturelle Gewalt; hinzu kommen verstärkt Hass im Netz, sexuelle Belästigung und auch verbale Gewalt.

Bevor die Spitze der Gewaltpyramide erreicht ist, finden häufig sexuelle Gewalt und Vergewaltigungen – Rapeculture – statt. All das sind Formen von Gewalt, die Frauen erleben. Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass wir


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sie bekämpfen können. Wir dürfen da nicht wegschauen, sondern wir müssen handeln.

Am Arbeitsplatz findet Gewalt in unterschiedlichen Formen statt. Die Internationale Arbeitsorganisation, ILO – wir haben heute eh schon einiges darüber gehört –, definiert Gewalt am Arbeitsplatz als „jede Handlung, Begebenheit oder von angemessenem Benehmen abweichendes Verhalten, wodurch eine Person im Verlauf oder in direkter Folge ihrer Arbeit schwer beleidigt, bedroht, verletzt oder verwundet wird“. Vor Gewalt am Arbeitsplatz müssen wir Menschen ganz generell und Frauen im Besonderen dringend schützen.

Geschätzte Damen und Herren! Auch die Politik ist ein Arbeitsplatz, und wir haben Vorbildwirkung. Eines beobachte ich als Mitglied des Bundesrates ebenso, wie es mir Kolleginnen und Kollegen in der Kommunalpolitik immer wieder berichten, nämlich dass die beleidigende Sprache teilweise salonfähig gemacht worden ist und sich häufig gegen Frauen richtet. Ich erinnere an Formen von Gewalt, sexistische Witze, sprachliche Abwertung, Objektifizierung – all das erleben Frauen. Da müssen wir sagen: Lassen wir das nicht zu! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

All jene, die das regelmäßig und wiederholt tun, müssen sich im Klaren darüber sein, was sie damit machen. Erinnern Sie sich: Was mit Sprache und mit Worten ausgedrückt wird, erzeugt letztendlich unsere Wirklichkeit. An sich gibt es ja gesellschaftliche Normen, dass es nicht in Ordnung ist, verbal aggressiv gegen­über Mitmenschen aufzutreten. So lehren wir es schon unseren Kindern von klein auf, dass man andere nicht beleidigen soll.

Es ist halt leider so, dass ein solcher Umgangston manchmal auch in Debatten zu finden ist, und ich glaube, das hat auch Auswirkungen. Es besteht speziell bei Frauen die Gefahr, dass sie sich, wenn sie ständig beleidigt werden, aufgrund solcher Angriffe zurückziehen. Die Wissenschaft nennt das Silencing. Das halte ich in einer Demokratie für sehr bedenklich, denn Frauen müssen Teil einer


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lebendigen Demokratie sein und auch bleiben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Zum anderen – das merken wir möglicherweise auch alle, aber das ist zumindest meine Wahrnehmung– ist es einfach so, dass unser gesellschaftliches Klima zum Teil sehr rau geworden ist und dass manche Menschen mittlerweile sogar Gewalt als adäquates Mittel sehen. Das müssten wir uns wirklich anschauen, weil wir das einfach nicht wollen.

Landeshauptmann Stelzer hat in seiner Rede heute am Vormittag angemerkt, dass unsere Wortwahl eine Vorbildwirkung haben soll und somit eine wichtige Grundlage für die Zusammenarbeit in der Gesellschaft ist. Auch Präsident Ebner appellierte heute in seiner Antrittsrede an den Zusammenhalt für eine starke und wehrhafte Demokratie. Ich appelliere an das Wissen, wie Sprache wirken kann. Seien wir ein Vorbild dafür und setzen wir im gemeinsamen Tun ein Zeichen dafür, dass wir hart in der Sache, aber respektvoll im Umgang sind! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Auf dem Weg zu unserem gemeinsamen Ziel der liberalen Demokratie, einem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Dasein ohne Vorurteile und Diskriminierung, geht es nicht ohne gegenseitige Achtung und Stärkung des Miteinanders. Bauen wir an diesem starken Miteinander! Ich sage einmal herzlichen Dank, und wir stimmen dem natürlich zu. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

13.01 13.01.57


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


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Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsgemäße Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundes­rates Schreuder.)

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungs­gesetz, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.03.585. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (2611 d.B. und 2668 d.B. sowie 11582/BR d.B.)


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6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Druckgerätegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die innerstaatlichen Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/1628 in Bezug auf die Emissionsgrenzwerte für gasförmige Schadstoffe und luftverun­reinigende Partikel und die Typgenehmigung für Verbrennungsmotoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte festgelegt werden (Mot-G), erlassen wird (2612 d.B. und 2669 d.B. sowie 11583/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6, über welche die Debatten unter einem durch­geführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 5 und 6 ist Frau Bundesrätin Bernadette Geieregger. – Ich bitte um die Berichte.


13.04.58

Berichterstatterin Bernadette Geieregger, BA: Ich darf Ihnen den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geän­dert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf Ihnen ebenso den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Druckgerätegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die innerstaatlichen Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/1628 in Bezug auf


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die Emissionsgrenzwerte für gasförmige Schadstoffe und luftverunreinigende Partikel und die Typgenehmigung für Verbrennungsmotoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte festgelegt werden, erlassen wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Bericht­erstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


13.06.18

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucherinnen und Besucher und Zuschauer via Livestream! Heute stehen wir vor einer bedeutenden Neuerung in der österreichischen Gesetzgebung, die uns als Vorreiter im digitalen Zeitalter auszeichnet. Mit dieser Gesetzesnovelle ist Österreich das erste Land weltweit, das Gewerbeverfahren unmittelbar elektro­nisch durch die Eintragung ins Gisa, also das Gewerbeinformationssystem Austria, ermöglicht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Gisa-Express.

Dies bedeutet, dass es nun möglich ist, ein Gewerbe online anzumelden, einen Betriebsstandort zu verlegen und einen gewerberechtlichen Geschäftsführer einzutragen, und das alles bequem und zeitsparend von jedem Ort aus und vor


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allem ohne lange Wartezeiten: Mit dem Gisa-Express passiert das Ganze nämlich in Zukunft unverzüglich, direkt online. Mit dieser neuen Möglichkeit sollen beispielsweise Gewerbeanmeldungen schon während der Eingabe in das Gisa elektronisch validiert werden können. Bisher hatten die Behörden bis zu drei Monate Zeit, einen Antrag für eine Gewerbeanmeldung zu beantworten.

Es ist eine extreme Erleichterung für die österreichischen Unternehmen, dass sie in Zukunft nicht mehr bis zu drei Monate auf eine Bewilligung warten müssen, sondern durch die sofortige automatisationsunterstützte Erledigung gleich eine Antwort erwarten können. Diese Maßnahme spart auch bei den Behörden Zeit und Kosten, und zwar durch die Verminderung des Prüf- und Eintragungsauf­wandes durch die Behörden, welche nun die elektronisch eingetragenen Angaben nicht mehr manuell prüfen und freigeben müssen.

Die bisherigen Services der Gewerbeverwaltung bleiben aber weiterhin erhalten. Das heißt, die Möglichkeit der unmittelbaren elektronischen Eintragung in das Gisa soll ein Zusatzangebot sein, von dem Gewerbetreibende Gebrauch machen können, aber nicht müssen.

Das ist eine Maßnahme, die wirklich Sinn macht und uns endlich ins Zeitalter der Digitalisierung bringt. Sie ist ein entscheidender Schritt in der Modernisierung der Gewerbeordnung und wird für alle Beteiligten enorme Erleichterungen mit sich bringen. Die Effizienz wird dadurch erheblich gesteigert, was besonders in der heutigen schnelllebigen Zeit von großer Bedeutung ist.

Das Gisa erleichtert den Unternehmerinnen und Unternehmern die adminis­tra­tive Abwicklung erheblich. Diese Maßnahme spart Zeit, Geld und auch Nerven und stärkt letztlich den Wirtschaftsstandort Österreich. Österreich geht da einmal mehr mit gutem Beispiel voran und setzt Maßstäbe, die sicherlich auch international Beachtung finden werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rät:innen der Grünen.)


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Ein weiteres Highlight dieser Gesetzesnovelle, auf das ich besonders eingehen möchte, betrifft die Meistertitel in der Berufsausbildung. Mit dieser neuen Regelung werten wir handwerksähnliche Berufe deutlich auf: Auch Personen, die eine Befähigungsprüfung in Gewerben wie zum Beispiel Bestattung, Elektrotechnik, Gas- und Sanitätstechnik, Waffengewerbe, aber auch Fußpflege, Kosmetik und Massage abgelegt haben, werden nun berechtigt, die Bezeich­nung Meisterin beziehungsweise Meister vor ihrem Namen zu führen.

Dies ist eine längst überfällige Anerkennung für die hohe Fachkompetenz in diesen Berufen und die wichtige Arbeit, die geleistet wird. Der Meistertitel steht für Qualität, für Erfahrung und Professionalität. Durch die Aufwertung dieser Berufe stärken wir nicht nur das Vertrauen der Kundinnen und Kunden in die Dienstleistungen, sondern erhöhen auch die Attraktivität dieser Berufe für junge Menschen. Eine qualifizierte und motivierte Fachkräftebasis ist der Schlüssel zu einer dynamischen und zukunftssicheren Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Insgesamt ist diese Gesetzesnovelle ein bedeutender Schritt in Richtung Modernisierung und Anerkennung. Sie zeigt, dass wir mit der Zeit gehen und notwendige Schritte unternehmen, um unsere Wirtschaft und vor allem unsere Berufsausbildung zukunftsfit zu machen. Österreich setzt damit ein starkes Zeichen für Innovation und Wertschätzung im Handwerk und Gewerbe.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie, den gegenständlichen Gesetzesänderungen zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

13.11


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. – Ich bitte um Ihren Redebeitrag. 


13.11.46

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte


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Zuseherinnen und Zuseher! Gisa-Express ist zweifelsohne eine wichtige und sinnvolle Digitalisierungsmaßnahme, und deshalb stimmen wir heute auch zu. Der Wegfall der manuellen Prüfung beschleunigt den Prozess natürlich, jedoch muss schon auch sichergestellt werden, dass entsprechende Begleitmaß­nahmen gesetzt werden, um potenziellen Missbrauch zu verhindern, zum Beispiel in Form von Vorlagen von Zeugnissen.

Es wäre auch wichtig, dass man sich schon anschaut, ob die Daten stimmen können, ob die Angaben richtig sind, ob alles plausibel und stimmig ist, oder ob es sich eventuell um Falschangaben handeln könnte. Wie bereits erwähnt, stimmen wir zu, auch wenn aus unserer Sicht nicht alle Punkte optimal umge­setzt wurden.

Bei der Novellierung der gewerblichen Marktüberwachung handelt es sich um eine innerstaatliche Rechtsanpassung aufgrund einer EU-Verordnung, die nationale Behörden dazu verpflichtet, dass Produkte, die für Verbraucherinnen und Verbraucher problematisch sind, vom europäischen Markt durch geeig­nete Maßnahmen wie Rückrufe, Sanktionen oder Warnungen ferngehalten werden. Ziel ist es vor allem, einen verbesserten Schutz und Sicherheit für Verbrauche­rinnen, Verbraucher sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Produkten wie etwa Motorsägen, Baumaschinen und Feuerlöschern sicherzustellen.

Gegen dieses Vorhaben gibt es auch von unserer Seite keine Einwände. Was wir allerdings anmerken und als wichtig erachten: Es muss eine ausreichende Ressourcenausstattung für die Marktüberwachung geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.13


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 144

13.13.38

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vize­präsident! Frau Staatssekretär! Kollegen des Bundesrates! Sehr verehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Wir Freiheitlichen sind der Meinung, dass die Gewerbeordnung, die in ihren Grundzügen aus dem Jahre 1859 stammt, eine generelle Überarbeitung benötigt. Dies wäre ein wichtiger Schritt, ein Schritt für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik, und gehört zu den zu schaffenden Rahmenbedingungen, um Österreich als Wirtschafts­standort attraktiv und weltweit, hinsichtlich anderer Standorte, wettbewerbs­fähig zu machen sowie Arbeitsplätze und somit den Wohlstand der öster­reichischen Bevölkerung zu sichern.

Derzeit werden laufend Neuerungen mit kleinen Änderungen eingebracht, ein einziges Flickwerk – unserer freiheitlichen Meinung nach hat das wirklich nicht Sinn und Zweck. (Beifall bei der FPÖ.) Um den Wirtschaftsstandort Österreich wie soeben beschrieben zukunftsfit zu machen, ist die Vereinfachung der Gewerbe­ordnung und der zum Beschluss stehende sogenannte Gisa-Express ein kleiner Baustein in die richtige Richtung.

Beim anderen Tagesordnungspunkt geht es, wie meine Vorredner bereits erwähnt haben, um die gewerbliche Marktüberwachung, die dazu beitragen soll, dass nicht konforme Produkte vom Unionsmarkt ferngehalten werden.

Wir Freiheitlichen hoffen in diesem Zusammenhang, dass die Kontrollen, die zum Beispiel durch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen bei nicht für den Straßenverkehr bestimmten mobilen Maschinen und Geräten wie Motorsägen, Rasenmähern, Baumaschinen oder anderen verkehrstechnischen Verbrennungsmotoren für Schifffahrts- und Schienenfahrzeuge sowie speziell für diesen Bereich hergestellten Druckgeräten durchgeführt werden, nicht überbordend sind. – Ich denke, das braucht niemand. (Beifall bei der FPÖ.)

13.15



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 145

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Bitte, ich erteile es Ihnen.


13.15.43

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende! Ich kann es kurz machen, Kollegin Schwarz-Fuchs hat diesen Tagesordnungspunkt 5 bereits sehr schön erläutert. Es geht um eine Novelle der Gewerbeordnung. Wir schaffen wirklich massive Erleichterungen für die Erlangung von Gewerbe­berechti­gungen. Gisa-Express bedeutet, Gründerinnen und Gründer können das in Zukunft viel, viel schneller als bisher, nämlich tatsächlich auf Knopfdruck, erledigen.

Das ist eine enorme Zeitersparnis für die Personen, die ein Gewerbe anmelden, Kollegin Schwarz-Fuchs hat das auch schon erwähnt. Bisher hat es beispiels­weise bei freien Gewerben bis zu zehn Tage und bei reglementierten Gewerben sogar bis zu drei Monate gedauert. Jetzt gibt es keine Wartezeiten mehr, all das geht auf Knopfdruck – ein wichtiger Schritt für unsere Betriebe.

Auch auf die zweite Änderung möchte ich noch kurz eingehen, nämlich die Meistertitel in der Berufsausbildung – auch eine gute Sache. Bereits seit 2020 dürfen ja alle Meister:innen im Handwerk den Meistertitel tragen. Heute ermöglichen wir das auch für die handwerksähnlichen Gewerbe, wie zum Beispiel die Kontaktlinsenoptik, die Elektrotechnik, die Gas- und Sanitärtechnik und viele weitere.

Das sind Gruppen, die aus historischen Gründen bisher keine Meisterprüfungen, sondern eben Befähigungsprüfungen abgelegt haben. Nun können auch diese Berufsgruppen endlich den Meistertitel tragen. Ein guter Schritt und eine wichtige Aufwertung für diese Berufe – ich bitte um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.17 13.17.32



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 146

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Druckgerätegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die innerstaatlichen Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/1628 in Bezug auf die Emissionsgrenzwerte für gasförmige Schadstoffe und luftverunreinigende Partikel und die Typgenehmi­gung für Verbrennungsmotoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte festgelegt werden, erlassen wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 147

13.19.287. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz geändert wird (4093/A und 2653 d.B. sowie 11565/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin wurde mir Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff genannt. – Frau Bundesrätin, ich bitte um den Bericht.


13.19.37

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Tourismus, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt vor.

Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage somit mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Bericht­erstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.20.12

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Ich werde zum Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes-


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gesetz, mit dem das Medienkooperations- und -förderungs-Transparenz­gesetz geändert wird, sprechen. Transparenz ist ja nicht gerade das Stecken­pferd von ÖVP und Grünen.

Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen, und warum wir das machen, werde ich jetzt erläutern: Grundsätzlich wäre es nachvollziehbar, dass diejenigen, die bisher von der Ausnahme bei den Transparenzbestimmungen profitiert haben, nun auch eine Ausnahme von den neuen, umfassenderen Bestimmungen begehren. Die Formulierung ist da allerdings sehr, sehr weit gefasst, wie wir wissen.

Ausgenommen werden sollen nur generell Aufträge, deren Zweck – ich zitiere – „in der Veröffentlichung von ausschließlich an ein ausländisches Zielpublikum gerichteten Tourismuswerbebotschaften im Ausland besteht“. Ein ausländischer Medieninhaber muss nun nicht mehr zwingend gegeben sein. Der Begriff „Tourismuswerbebotschaften“ ist auch nicht hinreichend bestimmt. Es ist unklar, was alles darunter fallen könnte, und außerdem bedeutet es wohl, dass alle Einschaltungen der Österreich-Werbung nun generell vom Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz ausgenommen sind.

In der Vergangenheit haben wir die intransparente Konstruktion der Österreich-Werbung über einen Verein immer wieder kritisiert. Dieser intransparente Verein hätte nun noch mehr Möglichkeiten für intransparente Werbeschal­tungen, und das kann wohl nicht sein.

Der Hintergrund der Novelle im Jahr 2023 war, die Transparenz zu erhöhen und Ausnahmen, die bisher nicht von den Transparenzbestimmungen umfasst waren, einzuschränken. Die nun für den Tourismus vorgesehene weitgehende Aus­nahme geht weiterhin in die Gegenrichtung.

Unverständlich ist auch, warum in Z 2 weiterhin an der alten Systematik und an der Anknüpfung an periodische Druckwerke oder elektronische Medien fest­gehalten wird. Die Unterscheidung zwischen periodischen und nicht periodi­schen Medien wurde mit der Novelle 2023 aufgegeben. Der Grund war, dass sich in


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der Vergangenheit gezeigt hatte, dass diese Bestimmungen missbrauchsanfällig waren. Beispielsweise wurden Tageszeitungen eigene nicht periodische Sonderhefte beigelegt. Diese waren dann nicht von der Transparenzbestimmung erfasst. Hinzu kommt noch, dass die Bestimmung bereits rückwirkend ab 1.1.2024 gelten sollte. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

13.22


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. – Bitte, ich erteile es Ihnen.


13.22.50

Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Geschätzte Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuhörer vor den Bildschirmen und hier im Saal! Um Transparenz sicherzustellen, verpflichtet das Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz die öffentliche Hand, Inserate und andere entgeltliche Werbeleistungen in regel­mäßigen Abständen zu melden.

Davon ausgenommen ist im Ausland verbreitete Tourismuswerbung, die den ausschließlichen Zweck hat, ausländische Gäste anzusprechen. Diese Ausnahme gilt allerdings derzeit – also seit Anfang 2014 – nur für Inserate, Sponsoring, Produktplatzierungen in TV, Radio, Printmedien und im Onlinebereich, nicht aber für Werbebotschaften auf Plakaten, in Kinos, auf Public Screens, auf Wänden und anderen möglichen Werbeträgern. Das wird jetzt angepasst und repariert beziehungsweise wird diese Ausnahmeregelung verlängert. Wie auch schon vor 2024 soll das touristische Auslandsmarketing wieder zur Gänze von diesen medienrechtlichen Meldepflichten ausgenommen werden.

Die Bürokratie, die der Österreich-Werbung entstehen würde, um im Zusam­men­hang mit der Auslandswerbung dem Transparenzgesetz gerecht zu werden, würde einen riesigen Aufwand bedeuten und wäre mit sehr, sehr hohen Kosten verbunden. Wenn jemand nachschauen will, wie im Ausland geworben wird,


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braucht er nur auf die Homepage der Österreich-Werbung zu schauen: Der Medienplan ist für jeden einsehbar.

Sehr geehrte Damen und Herren, vielleicht auch noch kurz zur Wertigkeit des Tourismus in Österreich: Österreich ist ein sehr, sehr beliebtes Urlaubsland. Mit 151 Millionen Nächtigungen war das Jahr 2023 ein sehr erfreuliches Jahr für alle Tourismusunternehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und natür­lich für die heimische Wirtschaft. Dieses Ergebnis ist nur mehr 1 Prozent unter dem Rekordniveau von 2019.

Der direkten Beitrag des Tourismus und der Freizeitwirtschaft zum Brutto­inlands­produkt von 6,2 Prozent beziehungsweise 7,8 Prozent zeigt, dass diese Branchen ganz wesentliche Wirtschaftsfaktoren für Österreich sind. Sie bringen nicht nur Wertschöpfung und Wohlstand in die Regionen, sondern tragen auch ein positives Image des gesamten Standortes in die Welt hinaus. (Beifall bei der ÖVP.)

An dieser Stelle auch noch ein herzliches Dankeschön an dich, Frau Staats­sekretärin, für deine wirklich großartige Arbeit in diesem Bereich.

Ich bitte um eine breite Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

13.25


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, ich erteile es Ihnen.


13.25.55

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Bei diesem Tages­ordnungspunkt geht es, wie bereits erwähnt wurde, um das Medienkoope­rations- und -förderungs-Transparenzgesetz. Wenn man das hört oder liest, würde man nie glauben, dass das aus dem Tourismusausschuss kommt, sondern eher vermuten, es kommt aus dem Bereich Medien.


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Bevor ich in den Tagesordnungspunkt sozusagen eingehe, muss ich sagen, dass es mich wundert, dass der ORF heute die Übertragung aus dem Bundesrat wieder um 13 Uhr beendet hat und stattdessen zwei Dokus und sonst irgend­welche Sendungen zeigt. Ich würde mich freuen, wenn der ORF auch die Bundesratssitzungen ganztägig übertragen würde. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie bereits erwähnt war das touristische Auslandsmarketing bis Anfang 2024 zur Gänze von den medienrechtlichen Meldepflichten ausgenommen. Die Novellierung des Medientransparenzgesetzes hat zu einer Uneinheitlichkeit geführt. Es wurde auch schon erwähnt, dass mit diesem Antrag Medien­transparenz für touristische Werbebotschaften im Ausland geschaffen werden soll. Begründet wird diese Ausnahme in der Transparenzbestimmung mit Bürokratieabbau. Bürokratieabbau ist natürlich wichtig, aber, geschätzte Damen und Herren, bitte nicht auf Kosten der Transparenz.

Grundsätzlich stelle ich mir immer wieder die Frage, wie stark der Bürokratie­abbau sein wird und welchen Verlust an Transparenz wir erleben werden. Ich gehe einmal vom Positiven aus, dass es mit Blick auf das Steuergeld, mit dem Werbung im Ausland geschaltet wird – das somit auch im Ausland ausgegeben wird –, zumindest eine Kosten-Nutzen-Rechnung und somit ein Monitoring dieser Kosten geben wird.

Über die Wertigkeit des Tourismus in Österreich lässt sich sicher nicht streiten. Österreich ist eines der stärksten Tourismusländer der Welt, das hat Kollegin Lassnig bereits erwähnt. Der Tourismus ist eine wirklich tragende Säule der österreichischen Wirtschaft, insbesondere für den ländlichen Raum. Er sorgt für die Beschäftigung von circa 260 000 Mitarbeitern. Auch die Kooperation mit der Landwirtschaft ist unglaublich wichtig.

Der Tourismus würde dringend maßgeschneiderte Rahmenbedingungen, Per­spektiven und treffsichere Maßnahmen brauchen. Die Tourismusbranche steht weiterhin vor großen Herausforderungen: ob das die Zurückgewinnung von


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Mitarbeitern, die Digitalisierung oder die hohen Energie- und Betriebskosten betrifft.

Ich bedanke mich bei allen Touristikern und bei allen Mitarbeitern für die Bemühungen und den Einsatz, den sie jeden Tag für unsere treuen Gäste leisten und wünsche allen schöne Sommertage in Österreich. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Himmer.)

13.28


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler. – Bitte schön, Frau Staatssekretärin.


13.28.58

Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Mag. Susanne Kraus-Winkler: Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Wie ich gerade gehört habe, muss ich keine Zuseher mehr begrüßen, weil nicht mehr übertragen wird. (Rufe bei der SPÖ: Livestream!) – Wenn dennoch übertragen wird, dann freue ich mich auch, unsere Zuseher begrüßen zu dürfen!

Grundsätzlich freue ich mich, dass alle Redner hier gezeigt haben, dass sie verstehen, dass der Tourismus in Österreich ein wichtiger Teil der österreichi­schen Wirtschaft und – im gesamten österreichischen Bundesgebiet, auch in den ländlichen Bereichen – ein wichtiger Garant für Wohlstand ist. Wir haben diesen Antrag im Tourismusausschuss eingebracht, weil wir vorher, bevor die Novellierung des Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetzes erfolgt ist, eine einheitliche Rechtslage hatten, nach der touristische Aus­landswerbung nicht eingemeldet werden musste. Dann war das eben, wie heute schon erwähnt wurde, uneinheitlich.

Ich möchte hier aber auf jeden Fall dem widersprechen, dass es Intransparenz bei der Auslandswerbung im Tourismus gibt. Ich darf darauf hinweisen, dass die Österreich-Werbung – und das betrifft in dem Fall ja nicht nur die Österreich-


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Werbung, sondern auch die Landestourismusorganisationen beziehungsweise alle, die im Ausland touristische Werbung für Österreich machen – 27 Märkte mit 21 Büros betreut, und gerade diese Büros entscheiden eigentlich, wo sie in welchen Medien auf den jeweiligen Märkten etwas platzieren; die wissen am besten, wie man das macht.

Zusätzlich würde ich gerne darauf hinweisen, dass wir seit 1. Jänner bei der Österreich-Werbung aufgrund der neuen Statuten auch einen Aufsichtsrat mit acht Personen haben, der zu 100 Prozent aus unparteiischen beziehungsweise unabhängigen Experten besteht, die sich – und ich kann das bestätigen, weil ich als Präsidentin der Österreich-Werbung an diesen Sitzungen teilnehme – ganz genau erklären lassen, warum in welchen Medien was geschaltet wird. Darüber hinaus wird die Österreich-Werbung zusätzlich vom Rechnungshof geprüft, der sich ebenso ganz genau ansieht, wo was geschaltet wird und wie der Einsatz der Steuermittel in diesem Zusammenhang zu sehen ist. – In diesem Sinne bitte ich Sie alle sehr, sehr herzlich um Ihre Zustimmung zum gegenständlichen Antrag.

Abschließend darf ich noch sagen, dass der Tourismusbericht 2023 im Tourismusausschuss ebenso beschlossen wird. Alle, die sich dafür interessieren: Bitte machen Sie ihn auf! (Präsident Ebner übernimmt den Vorsitz.)

Zusätzlich ein letzter Punkt betreffend all diese Weichenstellungen, die vorzu­nehmen wir in der Tourismuspolitik in den letzten zwei Jahren in Österreich intensiv versucht haben: Ich würde Sie gerne auf Resy aufmerksam machen. Resy ist nicht der Freund von irgendjemandem, den wir kennen, nein, Resy ist ein Dashboard für über 2 000 Gemeinden und fast 600 Regionen, auf dem Sie sehr viele Basisindikatoren, vor allem auch zum Tourismus, aber generell zu den Gemeinden finden. Sie finden unter www.resy-dashboard.at alle diese Details, und Sie können damit wesentlich schneller herausfinden, wie es zum Beispiel im Zillertal mit dem Tourismus, aber auch hinsichtlich Beschneiung


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et cetera aussieht. Ich hoffe, Sie finden Resy auch sehr wichtig für die zukünfti­gen Entscheidungen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

13.32


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr das Wort.


13.32.57

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident, jetzt habe auch ich die Gelegenheit, Ihnen zur Präsidentschaft zu gratulieren und gutes Gelingen für Ihre Vorhaben, für das nächste halbe Jahr zu wünschen. An dieser Stelle möchte ich mich auch gerne bei Kollegin Göll für das letzte halbe Jahr bedanken, für ihre wirklich umsichtige Präsidentschaft und für die Schwerpunkte und die Aktionen, die sie gesetzt hat.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen, Besucher:in­nen – willkommen hier bei uns im Hohen Haus –, und Zuseher:innen zu Hause via Livestream! Ich habe ein bisschen das Schicksal der Letztrednerin: Es ist schon wirklich ganz vieles – im Prinzip eigentlich alles – gesagt worden, was ich auch sagen wollte; ich mache es deswegen kurz. (Bundesrätin Schumann: Bravo!)

Wir haben ein Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz umgesetzt, das Inseratenkorruption verhindert. Wir haben die Bekanntgabe­pflichten deutlich erweitert und verschärft. Staatliche Institutionen und Unternehmen müssen seither Inserate und andere entgeltliche Werbeleistungen in regelmäßigen Abständen melden. Ich bin wirklich froh, dass uns das gelungen ist, weil es wirklich ganz gut und wichtig ist.

Wie schon erwähnt: Bis Anfang dieses Jahres war Tourismuswerbung, die im Ausland verbreitet wird, die den ausschließlichen Zweck hat, ausländische Gäste


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anzusprechen, ausgenommen. Der entsprechende Beschluss 2014 war damals einstimmig, möchte ich nur dazusagen. Seit der Änderung Anfang dieses Jahres sind Teile der Auslandswerbung immer noch ausgenommen, andere Teile wie zum Beispiel Werbebotschaften auf Plakaten, in Kinos, auf Public Screens, Wänden und sonstigen möglichen Werbeträgern sind meldepflichtig, und das wollen wir mit der vorliegenden Änderung wieder korrigieren.

Frau Staatssekretärin, Sie haben bereits gut ausgeführt, was so quasi die Basis ist, wie viele Büros die Österreich-Werbung unterhält, in wie vielen Märkten – europäische Länder sind dabei, Südostasien, arabische Länder –; die Medien­auftritte werden eben von den Mitarbeiter:innen vor Ort koordiniert, und die wissen am besten, wo sie das platzieren. Der bürokratische Aufwand, den Bestim­mungen des Transparenzgesetzes in der Auslandswerbung gerecht zu werden, wäre wirklich groß, und gleichzeitig unterliegt diese Werbung wie auch schon erwähnt Rechenschaftspflichten. Der Rechnungshof prüft und es gibt den Aufsichtsrat, der genau darauf achtet, welche Mittel in der Medienarbeit ein­gesetzt werden, wie der Medienauftritt gestaltet wird.

Die Ausnahmeregelung, die wir heute wieder beschließen, baut lediglich den bürokratischen Aufwand ab, da sollten wir schon die Kirche im Dorf lassen; deswegen kurz und schmerzlos: Bitte um Zustimmung! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.35 13.35.54


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

13.36.298. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schul­unter­richtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 und das Schulpflichtgesetz 1985 geändert werden (4100/A sowie 11523/BR d.B. und 11601/BR d.B.)


Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatter ist mir Herr Bundesrat Philipp Kohl genannt. – Ich bitte um den Bericht.


13.36.53

Berichterstatter Philipp Kohl: Ich darf Ihnen den Bericht des Unterrichts­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorberei­tungslehrgänge, das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 und das Schul­pflichtgesetz 1985 geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Unterrichtausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.



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13.37.39

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Geschätzte Besucher:innen hier im Sitzungssaal und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, schade, heute hätten wir zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage die Möglichkeit gehabt, über Bildung zu sprechen, aber der Herr Minister ist nicht da – na gut. Ah (in Richtung des den Saal betretenden Bundes­ministers Polaschek), er trifft gerade ein, dann lassen wir ihm doch glatt die Zeit! Das ist schön, es freut mich sehr, dass wir diese Gelegenheit heute noch einmal haben.

Worum geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf? – Wir müssen leider wie so oft wieder einmal feststellen: Wir haben es mit einem auf den ersten Blick vielleicht eher unscheinbaren Gesetz zu tun, mit einer unscheinbaren Sammel­novelle, aber doch mit einigermaßen unterschiedlichen Themen. Diese Themen müssen aus meiner Sicht auch ganz unterschiedlich betrachtet und vor allen Dingen bewertet werden. Man muss auch dazusagen: Wir haben wieder einmal festzustellen, dass es eine sehr, sehr kurze Begutachtungszeit gegeben hat, aber das ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass wir knapp vor einer National­ratswahl stehen; das ist womöglich nicht ganz ohne Grund passiert.

Man muss dazusagen – und das stelle ich immer wieder fest, wenn ich alles, was so zum Bereich Bildung gehört, Revue passieren lasse –, dass in den letzten fünf Jahren unter der aktuellen Regierung, Schwarz-Grün, im Bildungsbereich nicht wirklich etwas weitergegangen ist. Man will offensichtlich den Anschein wahren, indem man jetzt noch schnell, auf den letzten Drücker irgendetwas umsetzt. So kommt es mir jedenfalls vor.

Schauen wir es uns aber einmal genauer an: Worum geht es denn? – Da geht es zum einen um den Bereich der Digitalisierung. Es soll zum Beispiel unter anderem das Portal bildung.gv.at als zentrales Bildungsportal digitale Schule implementiert und sozusagen zu einem Datenverbund ausgebaut werden.


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Da sind wir auch ehrlich: Da gibt es durchaus positive Ansätze. Dass die Stammdaten der Schülerinnen und Schüler in Zukunft direkt aus dem Melde­register übernommen werden können, ist aus meiner Sicht zum Beispiel durchaus sinnvoll und erspart den Lehrkräften das mühsame händische Eingeben in den Computer, das bis dato immer wieder erfolgen muss. Das Zeugnis soll nun digital ausgestellt werden können und mittels digitaler Signatur fälschungs­sicher ausgestaltet werden – so hat man es mir zumindest auch im Ausschuss versichert. – So weit, so in Ordnung, und da können wir auch noch einigermaßen mitgehen, aber es gibt durchaus noch einige Dinge, die für uns unklar sind und über die man noch einmal reden muss.

Was beispielsweise für uns nicht klar ist: Es sollen dadurch nicht nur adminis­trative, sondern auch unterrichtsbezogene Abläufe vereinfacht werden. Was man sich allerdings darunter jetzt konkret vorstellen kann und soll, geht zumindest für mich aus dem Gesetz in keinster Weise hervor. Ich frage mich, ob da nicht irgendwo wieder sozusagen ein Pferdefuß versteckt ist und sich nicht irgendwo ein Mehraufwand für die Schulen versteckt.

Dazu kommt, dass in den Schulen die unterschiedlichsten Ausgangslagen gegeben sind, was die digitale Infrastruktur betrifft, auch was die Nutzung von Software, Verwaltungs- und Kommunikationssoftware, betrifft. Die einen arbeiten mit SchoolFox, die anderen vielleicht mit Teams oder Untis, die einen verwalten ihre Daten mit Sokrates, andere mit Edwin oder anderen möglichen Softwareanwendungen.

Das heißt, ich habe die Befürchtung, die Schulen werden da ein bisschen alleingelassen. Es wird diesbezüglich einfach Schulungen brauchen, wenn es zu einer Umstellung kommt.

Eines dürfen wir auch nicht vergessen: Es geht auch um Eltern, es geht um Erziehungsberechtigte, und da könnte es auch an der einen oder anderen Stelle Unterstützungsbedarf geben. Wir dürfen nicht vergessen: Nicht jeder ist ein Digital Native und nicht für jeden ist es so ganz easy und einfach, mit digitalen


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Medien, Handysignatur und ID Austria und wie auch immer diese digitalen Dinge jetzt alle heißen, umzugehen. Da könnte es also durchaus noch Bedarf an Unter­stützung geben.

Im Ausschuss haben wir gehört, dass technisch mit dem Edtech Hub – das ist ein etwas sperriger Begriff – alles bereits längst fertig und technisch umgesetzt ist. Deshalb frage ich mich umso mehr, warum man nicht eine längere Begutachtungs­frist vorgesehen hat und es nicht noch mehr Austausch auch im Vorfeld mit allen Stakeholdern, die da infrage kommen, gegeben hat.

Auf einiges wurde aus meiner Sicht gänzlich vergessen. Es wird jetzt von den Schulen sozusagen verlangt, dass sie dem digitalen Wandel auch entsprechend Rechnung tragen – gut. Es wird sowohl auf unterrichtlicher, aber auch auf Verwaltungs- und administrativer Ebene verlangt, auf digitale Endgeräte zurück­zugreifen, auf digitale Inhalte, digitale Methoden umzustellen. – Ja, natürlich – darüber brauchen wir nicht zu reden –, das ist natürlich wichtig und ein Zeichen der Zeit, aber das muss begleitet werden. Ich frage mich jetzt aber: Wo sind diese zusätzlichen Ressourcen für die IT-Betreuung? Wer soll denn die Technik betreuen, wenn irgendetwas nicht so funktioniert, wie es soll?

Die Schulen brauchen bereits heute weit mehr Unterstützung dabei, als sie tatsächlich haben, denn die Lehrkräfte – und da mache ich ein großes Rufzeichen am Ende des Satzes – sollten ihre Arbeitszeit in erster Linie darauf verwenden können, wofür sie ausgebildet sind, nämlich für die Bildung ihrer Schülerinnen und Schüler. (Beifall bei der SPÖ.) Lehrkräfte sind keine Netzwerkadministratoren und Lehrkräfte sind keine Sekretariatskräfte, aber von zusätzlichem IT-Support ist Ihrerseits eigentlich nie die Rede gewesen, und ist es auch jetzt nicht.

Unverständlich ist für uns auch ein weiterer Punkt, nämlich dass es im Bildungs­dokumentationsgesetz keine Anpassung hinsichtlich des Informationsfreiheits­gesetzes gegeben hat. Das klingt jetzt auch ein bisschen sperrig. Was meine ich damit?


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Wir haben die große Befürchtung, dass nämlich ohne gesetzliche Regelung vermutlich zahlreiche Informationsbegehren an die Schulen herangetragen werden. Da könnte es zum Beispiel um das Abschneiden einer Schule bei einer IKM-Plus-Kompetenzmessung gehen oder um eine Abfrage, was die Zusam­mensetzung der Schülerinnen und Schüler betrifft, sei es, was die Religion, den Migrationshintergrund und dergleichen mehr anbelangt. Da fragt man sich dann schon, was unter Umständen mit diesen Daten und Informationen dann in weiterer Folge passieren kann.

Für uns ist das jedenfalls ein absolutes No-Go. Ohne eine klare gesetzliche Rege­lung öffnet das aus unserer Sicht Tür und Tor für öffentlich zugängliche Schul­rankings, und das geht einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Denn: Jede Schule hat unterschiedliche Gegebenheiten und Problemstellungen. Vergleiche wären da aus meiner Sicht unter Umständen gar nicht angebracht und würden womög­lich in einer völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Form politisch genutzt und instrumentalisiert werden.

Ein ganz anderer Teil dieser Sammelnovelle betrifft die vorwissenschaftliche Arbeit, die VWA. Dem Gesetzentwurf entsprechend sollen die Schülerinnen und Schüler jetzt zwischen verschiedenen Formen von Abschlussarbeiten im Rahmen der Matura wählen können. Auch das sehen wir grundsätzlich einmal positiv, dass da jetzt der Überarbeitungsprozess in Gang gekommen ist und eine Verände­rung angedacht ist.

Dass man über das Format der Matura auch ganz generell nachdenken muss, sagen wir nicht erst seit gestern. Da hat sich aber in den letzten Jahren aufseiten der Regierung nicht wirklich etwas getan. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Es hat sich in den letzten Jahren einfach der Zugang zu und der Umgang mit Information radikal und drastisch verändert, und das wird auch noch weiterhin der Fall sein. Wohin sich das entwickelt, wissen wir alle miteinander noch nicht – Stichwort KI, Stichwort Chat-GPT und so weiter.


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Das heißt, man muss sich die Matura an sich generell einmal anschauen: wie man sie moderner gestalten kann, zeitgemäßer gestalten kann und den heutigen Gegebenheiten anpassen kann. Das ist in den letzten fünf Jahren nicht passiert. Was jetzt vorliegt, ist ein einzelner kleiner Baustein, aber in Wahrheit ein Schnellschuss. Da hätte es wirklich ein großes, umfassendes Paket gebraucht, das wäre sinnvoller gewesen.

Grundsätzlich muss ich festhalten: Es gibt in letzter Zeit zahlreiche Ankündi­gun­gen – das habe ich Ihnen auch gestern schon gesagt –, zuletzt eben dieses große Entlastungspaket, wie Sie es genannt haben, von dem Sie ja selbst gesagt haben, dass Sie hoffen, noch vor dem Sommer zu einem Beschluss zu kom­men. – Gut, das ist jetzt im Nationalrat nicht passiert, zumindest meines Wissens nicht. Ich habe auch noch einmal recherchiert, ob ich nicht irgendetwas in irgendeiner Form übersehen habe, aber: Nein, das ist nicht der Fall.

Man muss sagen, Planungssicherheit für die Schulleiterinnen und Schulleiter, wenn es dann um das nächste Schuljahr geht, schaut anders aus. Das nächste Schuljahr beginnt ja auch schon in einigen wenigen Wochen. Bis dahin kann ich mir schwer vorstellen, dass es noch zu den entsprechenden Gesetzesbeschlüssen kommt.

Noch dazu muss ich feststellen – ich habe mich jetzt auch in den Medien noch einmal schlaugemacht –, dass sich jetzt das BMBWF, respektive Sie, Herr Minister, und das BMKÖS, respektive Herr Vizekanzler Kogler, in Wahrheit gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben. Der Bildungsminister sagt, das liegt jetzt alles beim BMKÖS, ist alles quasi umsetzbar und wartet sozusagen nur mehr auf Umsetzung. Vizekanzler Kogler dürfte davon offensichtlich noch nichts mitbekom­men haben, der hat davon noch nichts gesehen und gehört. – Gut, es riecht also unterm Strich ein bisschen nach Wahlkampf. Änderungen hat es noch keine gegeben.

In Summe handelt es sich auch bei diesem Gesetzentwurf – so wie ich es auch gestern im Rahmen der Debatte zur Dringlichen Anfrage schon gesagt habe – in


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Wahrheit wieder einmal nur um eine Nacht-und-Nebel-Aktion und um durch­gepeitschte kleine Flicken, kleine Pflaster, mit denen eben versucht wird, das Bildungssystem ein bisschen zu flicken, offene Stellen, Lücken zuzukleben. Ein wirkliches Gesamtkonzept, um die Bildung in Österreich weiterzuentwickeln, habe ich in Ihrer Regierungszeit leider nicht gesehen.

Wenn ich über die Bildungspolitik der schwarz-grünen Regierung noch einmal Resümee ziehen darf, dann fällt mein Resümee, freundlich formuliert, eher ernüchternd aus. Nur mehr in aller Kürze, nachdem wir es gestern auch schon sehr zeitintensiv besprochen haben: Es bleiben Baustellen über Baustellen. Es gibt keine wesentlichen Verbesserungen im Bereich der Elementarpädagogik, keine besseren Bedingungen für die Pädagoginnen und Pädagogen. Bei der Inklusion sind wir nach wie vor rückschrittlich unterwegs – ich habe es auch gestern schon gesagt: Die UN-Konvention ist in Österreich nach wie vor nicht umgesetzt. Der Lehrkräftemangel: Mit einer Alibiaktion namens Klasse Job sollen jetzt Quereinsteiger sozusagen die Schulen retten, und trotzdem sind tagtäglich fachfremder Unterricht und Mehrdienstleistungen der Lehrkräfte an der Tagesordnung. Was das Entlastungspaket betrifft, so kann ich nur sagen: Ja, schauen wir einmal!

Dazu kommt noch ganz erschwerend – und ja, da kann man auch ein Auge aufmachen –: Selbst der Rechnungshof kritisiert so manches. Da geht es zum Beispiel um die Bildungsdirektionen und eine Kompetenzzersplitterung, wie der Rechnungshof kritisiert. Oder auch: Der Rechnungshof kritisiert zu wenig administratives Unterstützungspersonal an den Pflichtschulen und so weiter und so fort.

Eine Baustelle hat der Herr Minister dann auch selbst noch aufgemacht, nämlich die verschränkte Ganztagsschule. Wir haben diese jahrelang gefordert und tun das immer noch. Zunächst sind wir dafür belächelt und in Wahrheit verteufelt worden – jetzt erkennt plötzlich auch der Bundesminister, dass das ein gutes, ein sinnvolles und richtiges Modell ist, mit dem man die Schülerinnen und Schüler auch entsprechend gut und richtig fördern kann. – Warum erst jetzt, zwei Monate


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vor der Wahl?, frage ich mich. – Aber gut, okay. (Bundesrat Himmer: Man kann es dir einfach nicht recht machen, oder? Wenn man es nicht macht, passt es nicht, und wenn man es macht, passt es auch nicht!)

Zusammengefasst: Passiert ist nicht viel. Die nächste Regierung muss vieles reparieren, das die jetzige Regierung leider verabsäumt hat. Ich muss feststellen: So wichtig kann der ÖVP die Bildung nicht gewesen sein, aber leider – und das tut mir schon weh – auch den Grünen offensichtlich nicht.

Die Prämisse für die nächste Bundesregierung muss einfach sein: Jedes Kind verdient es, die beste Bildung zu erhalten. Mit einem sozialdemokratischen Bildungsminister oder einer sozialdemokratischen Bildungsministerin wird das auch passieren – mit Herz und mit Hirn für Österreich! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Oje, oje, oje!)

13.49


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Ruf. Ich erteile ihm das Wort.


13.49.49

Bundesrat Mag. Bernhard Ruf (ÖVP, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Liebe Frau Kollegin Hahn, ich rufe Ihnen zu: Fürchten Sie sich nicht!, bezie­hungsweise: Fürchte dich nicht! Diese Angst, die da geäußert wurde, ist unbe­gründet. (Bundesrätin Schumann: Welche Angst? – Bundesrätin Hahn: Wir werden es beobachten! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Na ja, jetzt kommt da wirklich ein Digitalisierungspaket, das viel erleichtert und viel Nutzen für die Schüler:innen, für die Lehrer:innen und für die Eltern bringt, und dann kommen wieder sozusagen die ängstlichen Unkenrufe. (Bundesrätin


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Hahn: Aber dann muss man es konkretisieren! Dann muss man es konkretisieren, damit ...!)

Wie haben Sie, Herr Minister, es im Nationalrat so schön auf den Punkt gebracht? – Wir „entwickeln konsequent weiter und nutzen den Schwung, den uns die Möglichkeit der Digitalisierung bietet“. Wir haben ja Gott sei Dank in unserem Land in vielen Bereichen gute Beispiele für die erfolgreiche Implemen­tierung von Digitalisierung zum Vorteil und zum Nutzen der Bevölkerung, etwa beim Digitalen Amt, mit dem wir alle ungehindert Zugang zum Parlaments­server haben, oder bei Finanzonline, das wirklich viele Vorteile bietet – nicht nur bei der Auszahlung des Klimabonus.

Dass diese Digitalisierung nun auch Einzug in die Schulbürokratie hält, ist absolut begrüßenswert. Es ist erfreulich dabei, dass das nicht so von heute auf morgen passiert, sondern in Pilotprojekten schon ausgelotet wurde. Ich freue mich als ehemaliger Klassenvorstand, der die Mühen des Schulalltags und vor allem des Schulanfangs zur Genüge kennt, dass der digitale Schülerausweis und die Bünde­lung der diversen Daten auf dem Bildungsserver für alle Lehrerinnen und Lehrer, für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Eltern Erleichte­rung schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie alle werden sich freuen und sich auch davon überzeugen können, dass nicht diskreditierende und lügendurchtränkte Polemik, sondern konstruktive Arbeit für unsere Gesellschaft diese auch weiterbringt und besser macht.

Nun noch zur Reform der vorwissenschaftlichen Arbeit: Seit 2012 ist die vor­wissenschaftliche Arbeit in den Gymnasien verpflichtend; ihr Vorläufer war die FBA, die Fachbereichsarbeit, die freiwillig war. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter: Wir entwickeln die vorwissenschaftliche Arbeit weiter, weil eben in den vielen Jahren die Erkenntnis gewonnen wurde, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler diese vorwissenschaftliche Arbeit als Vorbereitung für die Universität nutzen beziehungsweise gut machen können.


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Das heißt, ab jetzt ist es freigestellt, ob eine vorwissenschaftliche Arbeit verfasst wird. Ein Schüler, ein Maturant kann die VWA machen oder er kann jetzt neu auch eine sogenannte Projektarbeit machen – eine forschende, eine künstle­rische oder eine gestaltende Projektarbeit – mit digitalen Medien oder auch in einem analogen Medienformat für die Anhänger der analogen Kreidezeit. (Bundesrätin Schumann: Mein Gott! Die alten Leute sind in der analogen Kreidezeit?)

Man kann aber statt der Arbeit alternativ auch ein schriftliches Klausurfach wählen oder auch eine zusätzliche mündliche Prüfung machen. Das heißt, wir haben da wirklich ein breites, vielfältiges - - (Bundesrätin Schumann: Das sagen wir den Pensionist:innen, dass sie in der analogen Kreidezeit sind! – Zwischenruf des Bundesrates Kofler.) Ich habe jetzt auf die FPÖ angespielt, weil die ja die Digitali­sierung der Schulen nach schwedischem Vorbild oder Nichtvorbild sozusagen fordert.

Das heißt, wir haben da wirklich ein breites, vielfältiges Angebot für die Maturantinnen und Maturanten.

Herr Minister, herzlichen Dank für dieses Paket zum Nutzen unserer Schulen und zum Nutzen unserer Menschen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

13.53


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Ich begrüße natürlich Herrn Bundesminister Martin Polaschek sehr herzlich bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.


13.54.12

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ja, wir Freiheitliche begrüßen ja


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Digitalisierungen grundsätzlich, und das letzte Paket, bei dem wir Laptops oder Tablets für die Schulen angeschafft haben, ja, das war etwas Gutes; auch dass die Kinder sie sich danach behalten können, ist natürlich etwas Gutes.

Was dann nicht mehr ganz so gut funktioniert hat, war die Umsetzung in den Gemeinden: Auch Sie wissen ja, die Schulerhalter, die Kommunen sind halt in vielen Bereichen noch nicht über das 56k-Modem hinausgekommen. Jetzt haben wir die modernsten Geräte angeschafft, und die Lehrerinnen und Lehrer regen sich auf und sagen: Wir können keinen Unterricht machen, wenn ich 20 Minuten und länger brauche, damit ich endlich in das Programm einsteigen kann. – Ja, das verstehen wir natürlich auch. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus dem Grund haben wir dann gesagt: Na gut, Sie sind nicht zuständig dafür, die Kommunen sind zuständig, haben dann auch Anträge eingebracht, nämlich betreffend die Modernisierung der Internetinfrastruktur in den Schulen. – Das Problem ist: Dort sind keine freiheitlichen Bürgermeister; da sind rote und schwarze Bürgermeister, die das Problem nicht erkennen wollen, und, Herr Bundesminister, da kann man die besten Sachen einführen, es hilft halt nicht, wenn man es nicht zu Ende denkt und im Endeffekt keiner mit dem Glumpert etwas anfangen kann, weil in den Schulen die Infrastruktur nicht vorhanden ist.

Ja, ob jetzt dieser Schülerausweis der große - - (Unruhe bei der SPÖ.) Wenn ihr (in Richtung SPÖ) fertig seid mit dem Kaffeehausgetratsche, dann - - schön! (Bundes­rätin Schumann: Leinfellner ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Haben wir noch einen Kaffee?) Ob jetzt der Schülerausweis der große Wurf ist, wage ich zu bezweifeln.

Zum Zeugnis: Ja, wenn ich das Zeugnis nicht mehr in der Hand halten kann, sondern digital irgendwo durch die Weltgeschichte schicke, weiß am Ende des Tages kein Mensch, wo die heiklen Daten gespeichert werden, wo die Daten überhaupt herumschwirren. Ich weiß nicht, ob das mit dieser Gesetzesänderung der große Wurf ist, Herr Minister.


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Das ist aber noch das geringere Übel, denn wenn ich mir ein paar Aussagen der vergangenen Wochen von Ihnen anschaue, in denen Sie über Zwangstags­schulen fantasieren, dann hoffe ich schon, dass der Bildungsminister weiß, dass er für Bildung zuständig ist und nicht für Kinderbetreuung. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Was? Aber in den Privatschulen fördern wir ...!) Die Kinderbetreuung ist etwas Wichtiges, Herr Bundesminister, aber dafür sind Sie nicht zuständig.

Eines interessiert mich auch – Kollege Ruf hat das ja vorhin als große Weiter­entwicklung empfunden –, nämlich diese vorwissenschaftliche Arbeit. Zuerst haben Sie gemeint, sie ist in Stein gemeißelt, dann haben Sie darüber geredet, ob wir sie nicht doch abschaffen, und jetzt sind wir alle gespannt, was bei dieser Ersatzarbeit, oder wie sie jetzt genannt wird, herauskommt. Ich sage, bei Ihnen als Bildungsminister würde ich mich nicht wundern, wenn eine Abschluss­arbeit Klimakleben oder so irgendetwas werden würde. Das könnte ich mir vorstellen (Bundesrätin Schumann: Mah!), das ist aber keine Wertschätzung für die Matura, da brauchen wir etwas anderes.

Ich darf aber auch noch kurz zur Leistungsbilanz von Ihnen als Bildungsminister etwas sagen, ich darf noch kurz allgemein auf die Leistungsbilanz dieser schwarz-grünen Bundesregierung im Bildungsbereich zu sprechen kommen – ich gehe ja davon aus, dass wir uns im Herbst nicht mehr sehen werden, also wird heute wahrscheinlich eine der letzten Möglichkeiten sein, um da einmal Bilanz ziehen zu können.

Was hat die Bundesregierung gemacht? – Die Aufweichung von Deutsch vor Schuleintritt, dafür haben wir es nicht geschafft, dass wir Deutsch als Pausen­sprache einführen. Das wäre eine Aufgabe gewesen, das hätten Sie machen können! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben teilweise den Unterricht ausgelagert – ich sage nur: Sexualkunde­unterricht, bei dem man irgendwelche externen linken Vereine in die Schulen hineinholt, was die Eltern dann auch noch zahlen müssen. Wie das mit einer


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Schulgeldfreiheit zusammenpasst, das müssen Sie mir vielleicht im Anschluss auch noch erklären. (Bundesrat Schreuder: Das ist eine sehr charmante Rede, Herr Kollege! So freundlich und charmant!)

Weiters: die Streichung des Wortes Erziehung aus den Lehrplänen, eine Abwer­tung der Matura durch die Einbeziehung von Zeugnisnoten, eine Ankündigung Ihrer Zwangstagsschule, damit man Kinder von in der Früh bis in die Nacht indoktrinieren kann.

In der Coronazeit haben wir auch Schulschließungen gehabt, haben Hunderte Millionen Euro für irgendwelche sinnlosen Tests beim Fenster hinausgeworfen. Es gab einen Maskenzwang, einen Psychoterror und die Verfolgung von Kindern, die zu Hause unterrichtet worden sind.

Da kann ich nur sagen: Bravo, Herr Bundesminister, bravo ÖVP, bravo Grüne, aber ein Bravo geht an die ganze Einheitspartei: die Schwarzen, die Grünen, die Roten, die Rosaroten und wer da alles dabei gewesen ist!

Übrig bleibt ein Trauerspiel der Bildungspolitik für unsere Österreicher. Wir brauchen endlich Perspektiven im Bereich der Bildung und nicht irgendwelche Drag-Queen-Lesungen bei Volksschulkindern, irgendwelche Verschwulungen bei linken Vereinen (Bundesrätin Schumann: Ver-was? – Bundesrat Schreuder: Ver­schwulungen! – Heiterkeit des Bundesrates Schreuder), die Sexualkundeunterricht machen! Wir brauchen endlich eine Abschaffung von dieser Genderei in der Bildungspolitik, eine Wiedereinführung der Sonderschullehrerausbildung. – Sie wissen das alles, Sie machen es aber nicht. Sie wissen es aber! Sie wissen das! Sie wissen das! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Atmen! Atmen! – Bundes­rätin Schumann: Alles gut, alles gut!)

Ich bin ja wirklich froh, dass wir Sie wahrscheinlich das letzte Mal in diesem Haus haben. Im Herbst mit einem Volkskanzler Herbert Kickl (Bundesrat Schreuder: Ah!) gibt es dann endlich eine Bildungspolitik für unsere Österreicher, und diese


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Bildungspolitik werden wir im Mistkübel der politischen Geschichte versenken. (Beifall bei der FPÖ.)

13.59


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr das Wort.


14.00.07

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen, Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, nach dem abenteuerlichen Ausflug (erheitert) des Kollegen Leinfellner ins, ich weiß nicht, World Wide Web, zu Corona, zu Genderwahn und in sonstige Gefilde komme ich zum eigent­lichen Tagesordnungspunkt zurück. (Bundesrat Steiner: Weil dir die nichts anderes aufschreiben! Weil die Rede schon vier Tage alt ist! Weil du nicht replizieren kannst!)

Wir behandeln jetzt nämlich ein Digitalisierungspaket, das tatsächlich Erleichte­rungen für Schülerinnen und Schüler, für Pädagog:innen und Eltern bringt. Wer Kinder hat, kennt die Zettelwirtschaft zu Schulbeginn, zu Schul­schluss, und dazwischen werden die Mitteilungen auch nicht weniger. Da gibt es ständig irgendwelche An- und Abmeldungen zu unterschreiben, Frühwarnungen, Hortabmeldungen an Ausflugstagen und was es sonst noch so alles gibt. Was das für einen Aufwand besonders auch für die Pädagoginnen und Pädagogen und im Speziellen zu Schulbeginn bedeutet, das hat Kollege Ruf schon eindrücklich erklärt.

Unsere beiden jüngsten Söhne befinden sich zwar in der gleichen Schulstufe, besuchen aber zwei unterschiedliche Schulen, und da gibt es verschiedene Systeme. In der einen Schule gibt es schon seit Längerem SchoolFox, und das funktioniert auch einigermaßen, in der anderen Schule hatten sie bis vor


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Kurzem tatsächlich noch ein sogenanntes Gravis. Das war ein wirklich haptisches Heft, eine Mischung aus Schulplaner und Mitteilungsheft. Das hat auch irgendwie funktioniert, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem es irgendwie unauffindbar war. Dann waren halt alle Notizen, Mitteilungen und Sonstiges wieder weg – zurück zum Start hieß es dann.

Alle Programme, wie sie Kollegin Hahn beschrieben hat, können bisher nicht miteinander verknüpft werden. Das neue Bildungsportal soll nun diese Ver­knüpfung schaffen, das ist vor allem für Eltern eine Erleichterung.

Mit diesem Digitalisierungspaket vereinfachen wir einerseits die Verwaltung und auch die Interaktion zwischen Schule, Eltern und Schülerinnen und Schülern – also nicht nur die Kommunikation, sondern tatsächlich auch die Interaktion. Das nützt, wie gesagt, Eltern, Schülerinnen und Schülern und auch den Pädago­ginnen und Pädagogen. Das Paket bringt zum Beispiel Dinge wie die Möglichkeit eines elektronischen Schülerausweises, auch die Möglichkeit, dass man Zeug­nisse auch später noch elektronisch abrufen und selber ausdrucken kann. Wer ein Kind hat, das schon einmal seine Schulnachricht verschmissen hat, und versucht hat, eine Kopie davon zu bekommen, wird es zu schätzen wissen, dass das dann relativ einfach geht. Es bringt auch den automatischen Datenabgleich mit dem Meldeamt auf sicheren Servern, die beim Bundesrechenzentrum untergebracht sind, also auch einen einheitlichen Datenschutz.

Also alles in allem ist das tatsächlich eine wirklich gelungene Sache und ein Schritt in Richtung Zukunft.

Der zweite wichtige Punkt, den wir heute behandeln, ist eine umfassende und vor allem auch zukunftsgerichtete Reform der VWA, der vorwissenschaftlichen Arbeit. Und ja, die Kritik ist berechtigt, dass das alles sehr schnell gegangen ist. Uns wäre es auch lieber gewesen, hätte es im Vorfeld umfassende gemeinsame Diskussionen und eine gemeinsame Auseinandersetzung gegeben. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass wir Gelegenheiten beim Schopf packen sollten, wenn sie sich ergeben, und das ist eine gute Gelegenheit.


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Eine Reform der VWA ist notwendig, das war uns allen schon seit Längerem bewusst. Wir ermöglichen damit nämlich erstmals stärkenorientiertes und individuelles Arbeiten der Schülerinnen und Schüler ihren Interessen entsprechend mit den Medien, die sie besonders interessieren. Also ich finde das ganz gut, da kommen wir tatsächlich einer schüler- und stärkenzentrierten Sicht von Bildung doch ein Stück weit näher.

Wichtig ist vor allem, dass wir die VWA nicht abschaffen, dass wir vor der KI nicht kapituliert haben, uns von der KI nicht geschlagen geben. Im Gegenteil: Die VWA wird kreativ zur neuen Abschlussarbeit weiterentwickelt. Wir integrieren die neuen Medien, anstatt sie zu verdammen, das ist wichtig und zukunftsorien­tiert.

Die Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich weiterhin intensiv mit einem selbst gewählten Thema, und das ist und bleibt natürlich das Hauptziel. Sie lernen dabei, zu recherchieren und zu forschen, sie lernen, dass für die Überprüf­barkeit die Dokumentation und Reflexion des Prozesses wichtig ist, und sie lernen Quellenkritik und Reflexion von Quellen.

Neu ist, dass die Schülerinnen und Schüler das künftig eben ihren Interessen und Stärken entsprechend in unterschiedlichster Form tun, nämlich multimedial, mit Interviews, Forschungsprojekten, Werkstücken, Videos, Podcasts, was auch immer die Jugendlichen tatsächlich interessiert. So geht Motivation, so bringen wir die individuellen Talente junger Menschen bestmöglich zur Geltung.

Gut ist auch, dass es einen sanften Übergang, eine Übergangsregelung gibt: Jeder Schüler, jede Schülerin kann selbst entscheiden, ob sie diese neue Form jetzt schon wählt. Alle, die das wollen, bekommen ab dem kommenden Schuljahr die Möglichkeit dazu. Ich freue mich, wenn diese dann schon möglichst viele Schülerinnen und Schüler wahrnehmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.06


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke.


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Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik. Ich erteile ihr das Wort.


14.06.11

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir NEOS von der aktuellen Bildungspolitik halten, habe ich gestern schon ausgeführt. Heute sprechen wir zum sogenannten Digitalisierungspaket.

Die Bezeichnung dieses Gesetzes klingt vielversprechend, weil in Sachen Digita­lisierung in der Schule wirklich große Herausforderungen auf uns zukommen, aber dieses Digitalisierungspaket wird nicht helfen, diese Herausforderungen zu meistern.

Ein wichtiger Hebel für die Bewältigung dieser Herausforderungen wäre die Lehrerfortbildung. Es gibt nämlich immer noch viele Lehrerinnen und Lehrer, die sich nicht zutrauen, digitale Tools zu nutzen, manchmal sogar aus Angst, sich vor den eigenen Schülerinnen und Schülern zu blamieren. Wir brauchen also eine umfassende Fortbildung, damit alle Lehrerinnen und Lehrer Profis in digitaler Didaktik werden.

Darüber hinaus benötigen wir digitale Lehr- und Lernmittel. Lernprogramme, die sich individuell an das Lernniveau jedes Kindes anpassen, bieten enorme Chancen, die weit über die Möglichkeiten gedruckter Schulbücher hinausgehen.

Der IT-Fachkräftemangel ist auch in aller Munde, aber der Informatikunterricht endet bei uns schon in der fünften Klasse AHS. Wir müssen die Informatik weiter fortführen, durchgehend bis zur Matura, damit schon in der Phase der Studien- und der Berufswahl die IT-Themen präsent sind.

Bringt das vorliegende Digitalisierungspaket also große Lösungen? Wird die Lehrkräftefortbildung neu aufgestellt? Wird die Schulbuchaktion so reformiert, dass digitale Lernprogramme finanziert werden? Wird der Informatikunterricht bis zur Matura durchgeführt? – Nein, nichts von all dem steckt in diesem


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Digitalisierungspaket. Es sind leider wieder nur die kleinen Schräubchen, die so gerne und auch dieses Mal wieder gedreht werden.

Der vorliegende Gesetzesbeschluss bringt nur kleine digitale Entlastungen, die aber durch neue Belastungen wieder konterkariert werden, wie die Stellung­nahmen im Begutachtungsverfahren deutlich zeigen. Er bringt eine Scheinlösung namens Verlängerung der Schulversuche, weil man sich nicht über die echte Lösung, nämlich die volle Schulautonomie, traut.

Enttäuschend ist aber nicht nur der Inhalt der Novelle, sondern auch, wie sie zustande gekommen ist, was mir als Juristin besonders wehtut, nämlich unter großem Zeitdruck, obwohl die Themen längst bekannt waren, mit einer kurzen Begutachtungsfrist, mit einer Husch-Pfusch-Gesetzesqualität, wie die vorlie­genden Stellungnahmen und nachträglich eingebrachte Abänderungsanträge im Plenum beweisen – und mit einem Minister, Herr Minister, der für Verwirrung statt Klarheit sorgt, indem er ohne Not mit Ankündigungspolitik, Stichwort VWA, die Menschen verwirrt.

Was wir im Bildungssystem brauchen, sind große Antworten auf die großen Herausforderungen. Diese Novelle beweist, dass weder die echten Herausfor­derungen erkannt wurden noch der Mut zu echten Lösungen vorliegt.

Wenn im Bildungsbereich endlich wirklich etwas weitergehen soll, wenn allen Kindern die Flügel gehoben werden sollen (Bundesrat Himmer: Das ist die Rede von gestern, oder?) – nein –, dann, liebe Mamas, Papas, Opas, Omas, Lehrerinnen und Lehrer, wählen Sie bitte am 29.9. die NEOS. – Danke. (Bundesrat Himmer: Also doch die Rede von gestern!)

14.09


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Martin Polaschek. Ich erteile ihm das Wort.



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14.09.43

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Nach der Werbeeinschaltung der NEOS darf ich zum Thema zurückkommen. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Den Raum an Möglichkeiten, welche die Digitalisierung für uns alle öffnet, bringen wir mit konkreten Maßnahmen auf den Boden. Einige der Dinge, die gerade angesprochen worden sind, sind sehr wohl bereits im Angebot.

Ja, wir haben an den pädagogischen Hochschulen ein umfassendes Fort- und Weiterbildungsangebot für Lehrerinnen und Lehrer eingerichtet. Dieses Angebot wird verstärkt wahrgenommen. Es gibt sehr viele Angebote, auch über Massive Open Online Courses, genau diese Dinge, die immer wieder gefordert werden.

Ja, es gibt bereits eigene Lernapps, es gibt immer mehr. Wir haben genau aus diesem Grund 100 KI-Pilotschulen in Österreich eingerichtet. Wir haben rasch reagiert, wir haben im kommenden Schuljahr über alle Schultypen, über alle Bundesländer verteilt 100 durch Expertinnen und Experten ausgewählte KI-Pilotschulen, an denen wir aktiv den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Unterricht prüfen. Das ist genau die Modernisierung, die wir vorantreiben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Für Lernapps stehen bereits jetzt eigene Budgetposten über den Familienlasten­ausgleichsfonds zur Verfügung, damit in Ergänzung zu klassischen Schulbüchern auch vermehrt auf solche Unterrichtsmaterialien zurückgegriffen werden kann. Wir haben bereits ein eigenes Gütesiegel für solche Lernapps eingeführt, damit die Schulen auch wissen, auf welche Apps sie sich verlassen können.

Informatik in der Oberstufe ist ein wichtiges Thema. Die Lehrpläne dazu sind gerade in Überarbeitung. Es gibt bereits jetzt Informatik in der Oberstufe, und da


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sind, auch in Abstimmung mit Leuten aus der Praxis, gerade die nächsten Weichenstellungen in Vorbereitung.

Was tun wir jetzt? – Mit der vorliegenden Novelle werden Schulen entlastet, und wir schaffen auch in der Schulverwaltung moderne E-Government-Standards. Die elektronische Ausstellung von Schulzeugnissen wird möglich; sie wird freiwillig möglich, niemand muss es tun. Schulanmeldung und Schulwechsel werden einfach, ohne Suche nach Dokumenten und Papier gelöst. (Bundesrat Schennach: Das ist hervorragend!) Es gibt auch die freiwillige Möglichkeit – bisher war es nur ein Pilotprojekt –, den Schülerausweis, wie andere den Führerschein, am Handy zu haben. Das ist also eine massive Weiterentwicklung.

Was die vorwissenschaftlichen Arbeiten angeht: Ja, die vorwissenschaftlichen Arbeiten wurden in den letzten Jahren intensiv diskutiert. Es hat verschiedene Vorschläge gegeben, diese abzuändern. Schlussendlich kam jetzt auch noch aus einer Expertinnen- und Expertengruppe, die sich mit KI auseinandergesetzt hat, einstimmig – einstimmig! – die Aufforderung, die VWA in der jetzigen Form zu überdenken.

Hätten wir das nicht gemacht, hätten wir genau in diesem Hause die Diskussion, oder ich hätte den Vorwurf bekommen: Alle wissen, dass gehandelt werden muss, warum tun wir nichts? (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Wir haben genau das getan. Alle haben gewusst, dass gehandelt werden muss. Ja, wir haben schnell gehandelt, aber wir haben gehandelt, und es gibt überhaupt keine Verwirrung. Ich weiß nicht, wo da Verwirrung sein sollte. Wir haben gehandelt, alle Schulen wurden umgehend, noch am Tag der Mitteilung, dass die Regierungsvorlage ins Parlament kommt, entsprechend informiert. Alle Schulen haben bereits die entsprechenden Handlungsanweisungen bekommen.

Ich kann Ihnen sagen, ich war bis inklusive letzter Woche auch schon in einigen Schulen, wo mich Direktorinnen und Direktoren darauf angesprochen und gesagt haben: Großartig, jetzt gibt es mehr Wahlmöglichkeit! Wir haben bereits die ersten Überlegungen von Schülerinnen und Schülern, die andere Arbeiten


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abgeben wollen, weil sie eben andere Talente haben, es muss nicht die vorwissenschaftliche Arbeit sein! – Das ist für mich schnell, das ist effektiv und das ist eine sinnvolle Modernisierung der Schulen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dort, wo es Sinn macht, sind wir bei den bestehenden, bewährten Modellen geblieben, etwa was die BHS-Diplomarbeiten angeht: diese haben sich bewährt, deshalb werden sie auch beibehalten. Anders bei den BMS-Abschlussarbeiten, wo es auch schon lange Kritik gegeben hat. Da haben wir nun auch die Möglich­keit, besser auf die Stärken der Kinder einzugehen. Deshalb halte ich dieses gesamte Paket für einen sehr, sehr wichtigen Schritt hin zu einer weiteren Moder­nisierung der Schule, und wir werden alles dafür tun, dass das auch in den nächsten Jahren so fortgesetzt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.14 14.14.32


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14.15.069. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Studienförderungs­gesetz 1992 geändert werden (4111/A und 2692 d.B. sowie 11557/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 177

Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatter ist mir Herr Bundesrat Matthias Zauner genannt worden. – Ich bitte um den Bericht.


14.15.37

Berichterstatter Matthias Zauner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Studienförde­rungsgesetz 1992 geändert werden, zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einhellig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben. 14.16.08


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein. – Zu Wort gemeldet ist dazu niemand.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (Die Bundesrät:innen Schennach und Schumann: Über­raschend!)


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 178

14.16.4310. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz erlassen wird und die Zivilprozess­ordnung, das Konsumentenschutzgesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – VRUN) (2602 d.B. und 2616 d.B. sowie 11566/BR d.B.)


Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Zum 10.? (Bundesrat Schennach: Die Verbandsklage ist 10! – Bundesrätin Schumann: Nehmen wir den zehnten!)

Bitte um Verzeihung, da hat sich ein Blatt drübergeschoben.

Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrätin Klara Neurauter genannt worden. – Ich bitte um den Bericht.


14.17.50

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz erlassen wird und die Zivilprozessordnung, das Konsumenten­schutz­gesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle).

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 179

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Manfred Mertel. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Schennach: Langsam, die Ministerin ist noch nicht da! – Bundesrat Schreuder: Die Ministerin ist schon im Haus!)


14.19.00

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herzliche Gratulation zur Vorsitzführung und zur Bestellung beziehungsweise zur Wahl zum Präsidenten. Sehr geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Die Frau Ministerin ist noch nicht hier, sodass ich vielleicht die Zeit ein bisschen überbrücken darf.

Ich möchte allen Oberösterreichern, die heute eine Rede gehalten haben, aus tiefster Überzeugung, aus tiefstem Herzen gratulieren. Oberösterreich ist ja eines von drei Bundesländern, die noch eine Konzentrationsregierung haben, und das hat man heute gefühlt: dass dort alle Parteien zusammenarbeiten. Ich darf auch sagen: Frau Dr. Sumah-Vospernik hat sich dementsprechend engagiert eingebracht, sodass es also eine sehr positive Darstellung des Bundeslandes Oberösterreich war. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ, ÖVP und Grünen.) – Das ist aber Applaus von den anderen Bundesländern; wichtig – danke, dass ihr das als Österreicher – und als Kärntner darf ich das besonders erwähnen – sehr positiv gesehen habt.

Ich darf aber auch darauf hinweisen, dass ich selbst fünf Jahre lang in Linz gelebt habe, dass ich dort auch sozialisiert worden bin (Heiterkeit bei der ÖVP – Bundes­rat Himmer: Aso?! Das erklärt einiges!) und dass ich am Voest-Gelände arbeiten durfte. Dementsprechend ist es für mich auch passend, dass wir heute eine Abrundung zu den vielen Debatten finden, denen ich mit Leidenschaft zugehört habe.

Mein Arbeitsplatz war damals das Voest-Gelände, und es hat damals geheißen, jeder, der dort drinnen arbeitet, ist ein sogenannter Koksstierler oder ein


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Tschinaller. (Allgemeine Heiterkeit.) Das hat mich als jemanden, der die univer­sitäre Ausbildung schon irgendwie im Auge gehabt hat, trotzdem sehr stolz gemacht, weil ich ein Teil jener war, die hart gearbeitet haben. Tschinaller hat man zu jenen gesagt, die am Hochofen Schwerstarbeit geleistet haben, die aus dem Mühlviertel gekommen sind, und ich freue mich heute noch, mich als solcher bezeichnen zu dürfen.

Deswegen habe ich jetzt auch den Übergang zur geschätzten Frau Bundes­ministerin Dr. Zadić geschafft und komme auch zu diesem aktuellen Thema. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesministerin Zadić.) Die EU-Richtlinie hat uns ja vorgegeben, dass die Möglichkeit von Verbandsklagen zum Schutze der Konsumenten auch in innerstaatliches Recht übergeführt werden muss. Da komme ich eigentlich gleich mit großer Leidenschaft zu Ihnen, Frau Ministerin. Die Richtlinie hat uns vorgegeben, dass wir 2022 ein Gesetz haben sollten, nun sind wir im Jahr 2024 und beschließen dieses Gesetz.

Leider muss ich natürlich sagen, dass mein Herz nach wie vor bei den Tschinallern und bei den Koksstierlern ist, weil da, wenn man dem Gesetzestext folgt, doch ein breiter Regelungsspielraum eröffnet worden ist – sowohl der Frau Ministerin als auch dem Parlament – und dieser Regelungsspielraum aus meiner Sicht nicht hundertprozentig ausgeschöpft worden ist.

Was mich aber ein bisschen traurig macht, ist, dass genau jene Menschen, die in den letzten Jahren besonders gefordert waren – durch eine Teuerungswelle, durch viele Wellen der Krisen, ob das die Pandemie war oder die Energiekrise, sie haben eigentlich sehr darunter gelitten –, um ihr normales Leben bewältigen zu können, wieder warten müssen: Es wurde eine Zahl von 50 festgelegt, und der kleine Mann, der ja diese Verbandsklagen ebenso in Anspruch nehmen können soll, muss warten, bis die Zahl 50 erreicht ist.

Das ist unser Kritikpunkt, Frau Ministerin, und in diesem Sinne muss ich der Einladung des Parlaments, dem Gesetzestext oder dem Gesetzesbeschluss zu


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folgen, eine Absage erteilen. Die SPÖ wird diesem Gesetz keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

14.23


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.

Ich begrüße noch einmal Bundesministerin Alma Zadić sehr herzlich bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


14.23.51

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident – auch von mir alles Gute für die Präsidentschaft! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen und hier im Saal! Denken wir an Servicegebühren bei Telekommunikationsanbieter:innen oder so manche Troubles mit Energieanbietern! Wenn wir ein Problem mit dem Service dieser Unternehmen oder anderen Dingen haben, kommen wir kaum zu den relevanten Stellen durch; oft wird man telefonisch abgeschasselt, wie man in Wien sagt, oder bekommt keine Antwort auf Briefe.

Man ärgert sich über gefühlt oder tatsächlich ungerechte Behandlung beziehungs­weise Übervorteilung. Meist schreckt man dann aber davor zurück, zu klagen, weil es alleine – als Frau oder als Mann – schlichtweg zu unsicher erscheint, weil die Erfolgschancen gegen einen übermächtigen Prozessgegner zu gering erscheinen und es einfach zu teuer werden könnte.

Nun ist es aber so, dass gemeinnützige – und das ist ein wichtiger Punkt, das heißt, nicht auf Gewinn ausgerichtete – und dem Vereinszweck nach konsu­mentenschutzrechtliche Einrichtungen, wie es sie ja jetzt auch schon gibt und wie sie mittels Sammelklage auch teilweise schon tätig werden – wie zum Beispiel die Arbeiterkammer, der ÖGB, der VKI, aber nun auch private und eben


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gemeinnützige Vereine wie der VSV, der Verbraucherschutzverein –, zukünftig als sogenannte Qualifizierte Einrichtungen ermächtigt werden, für Konsu­ment:innen gegen mutmaßlich rechtswidrig handelnde Unternehmen vorzu­gehen und gebündelt mittels Verbandsklage Ansprüche gegen sie geltend zu machen.

Das ist konsumentenrechtlich immens empowernd, denn man ist nicht mehr allein, man ist nicht die Einzige, die glaubt, im Recht zu sein, sondern hat die Unterstützung und auch die rechtliche Vorabprüfung durch einen Konsu­ment:innenschutzverein. Das ermutigt, vor allem im Falle von Übervorteilung, rechtlich tätig zu werden.

Ja, es braucht 50 Männer und Frauen, also 50 Verbraucher:innen, für so eine Verbandsklage, aber ich gehe davon aus, dass das in der heutigen digitalen und medialen Zeit zu bewerkstelligen ist, denn oft geht es ja um wohl­bekannte Anliegen, die schon lange diskutiert werden und gerne verfolgt werden würden.

Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich für Verbandsklagen weitaus größer als der von der EU vorgegebene. Er betrifft nämlich die Sachverhalte des gesamten Privatrechts, nicht nur bestimmte Bereiche, wie es die EU-Richtlinie vorsieht. Auch das ist ein Erfolg. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Zu seinem Recht durch Klage zu kommen, ist nun eben niederschwellig möglich. Es ist niederschwellig und relativ risikofrei, da mit relativ geringen Kosten zu rechnen ist, die ja in den Gesetzesänderungen auch festgelegt werden, nämlich mit maximal 20 Prozent des eingeklagten Anspruchs, aber bis maximal 250 Euro. Auch das ist ein super Erfolg für den Konsument:innenschutz. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Möglichkeit der Verbandsklagen wird aber auch präventiv wirken, da die Konzerne mit mehr und gewichtigeren Klagen rechnen müssen, die nicht zuletzt


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aufgrund ihrer Reichweite auch medial aufschlagen werden. Das wird wohl dazu führen, dass Unternehmen konsument:innenorientierter werden handeln müssen.

Zusätzlich schafft das Instrument der Verbandsklage rechtliche Chancengleich­heit. Es sind nicht mehr David und Goliath, die gegeneinander antreten – oder aus Angst eben nicht gegeneinander antreten –, und das ist ein immenser demo­kratiepolitischer Gewinn, weil so das Vertrauen in den Rechtsstaat gestärkt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist daher für mich – und ich glaube für viele hier – unverständlich, dass die SPÖ da nicht mitgeht, weil es ein wirklich toller Tag für den Konsument:innen­schutz ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Sei nicht traurig!)

14.28


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. Ich erteile ihr das Wort.


14.28.41

Bundesrätin Viktoria Hutter (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – landläufig vielleicht besser unter Sammelklagen bekannt – ist uns ein wahrer Meilenstein des Verbraucherschutzes gelungen.

Zentrale Inhalte sind ein Gesetz, mit dem Qualifizierte Einrichtungen zugelassen werden, welche die kollektiven Interessen von Verbrauchern vertreten sollen, sowie die Einführung von Verbandsklagen auf Unterlassung und Verbandsklagen auf Abhilfe in das Verfahrensrecht der Zivilprozessordnung.


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Kollegin Kittl hat die Novelle ja bereits ausführlich erläutert und ist auch schon auf die Kritikpunkte der SPÖ eingegangen, daher wiederhole ich das nicht alles noch einmal an dieser Stelle.

Wir setzen eine EU-Richtlinie in nationales Recht um und schaffen somit ein einheitliches System für Europa. Wir vermeiden somit auch einen Klage­tourismus von Deutschland nach Österreich. Wir schaffen mit dieser Novelle eine Stärkung der Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern und daher bitten wir auch um breite Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.29


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


14.30.01

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseher! Liebe Österreicher! Der Schutz der Verbraucherrechte und Konsumentenrechte hat für mich oberste Priorität. Es ist entscheidend, dass wir in einer Welt, die zunehmend globalisiert und digitalisiert wird, die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Bürgerin­nen und Bürger vor unerlaubten Praktiken zu schützen.

Leider stellen wir fest, dass die bisherigen Anstrengungen zur Durchsetzung der Verbraucherrechte nicht ausreichen. Auch trotz der Fortschritte in der Gesetz­gebung sehen wir nach wie vor erhebliche Lücken in der Durchsetzung dieser Rechte. Unerlaubte Praktiken im Bereich des Onlinehandels oder bei globalen Dienstleistungsanbietern nehmen zu. Diese Entwicklung macht deutlich: Unsere bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um den Schutz der Verbraucher sicherzustellen.

Ein zentrales Instrument zur Stärkung der Verbraucherrechte sind die Verbandsklageverfahren. Diese Verfahren haben sich bereits bewährt, um


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kollektive Interessen effektiv zu vertreten, doch müssen sie weiterentwickelt und gestärkt werden. Verbraucher müssen in der Lage sein, Schadenersatz zu erhalten oder anderwärtige Wiedergutmachung zu erfahren.

Unsere Aufgabe ist es, die rechtlichen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass Verbraucher nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch geschützt sind. Dazu gehört eine klare gesetzliche Verankerung der Abhilfeentscheidungen in den Verbandsklageverfahren. Dieser Gesetzesbeschluss muss jedenfalls einer Evaluie­rung unterzogen werden. Man wird sehen, ob unter anderem die zwei Richter­stellen ausreichen werden und praxistauglich sind.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die Rechte der Verbraucher in Europa zu stärken und ihnen den Schutz zu bieten, den sie verdienen! Nur so können wir das Vertrauen in den Markt und in unsere demokratischen Institutionen beför­dern und bewahren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.32


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić. Ich erteile ihr das Wort.


14.32.24

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Der heutige Tag ist ein guter Tag für Verbraucherinnen und Verbraucher, denn heute haben wir die Möglichkeit, über ein Gesetz zu debattieren, das es Verbrauche­rinnen und Verbrauchern leichter macht, ihre Rechte gegenüber großen Konzer­nen tatsächlich durchzusetzen. Wenn ich tatsächlich sage, dann meine ich: Die Verbraucherinnen und Verbraucher können sicherer sein und sie können rascher zu ihrem Recht kommen, weil sie nicht mehr darauf angewiesen sind, dass sie großen Konzernen gegenüberstehen, die oftmals sehr viel mehr Geld und


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speziali­sierte Rechtsabteilungen haben, sondern weil sie ihr Recht gemeinsam durchsetzen können.

Und gemeinsam ist auch in diesem Zusammenhang ein Stichwort: In der Vergan­genheit war es oft so, dass Verbraucherinnen und Verbraucher, auch wenn sie im Recht waren, ihr Recht nicht durchgesetzt haben, weil das Risiko für sie zu hoch war, weil es mit sehr hohen Kosten verbunden war, ihr Recht durchzu­setzen, und sie daher lieber auf ihre Ansprüche verzichtet haben, anstatt diese geltend zu machen.

Mit dieser Verbandsklage schaffen wir einen wahren Meilenstein für Ver­braucher:innen in Österreich. Denken Sie nur an die zahlreichen Anwendungs­fälle der Vergangenheit: Der VW-Dieselskandal mit Zigtausenden Geschädigten, massenhaft eingesetzte schadhafte Brustimplantate, der Brand der Gletscher­bahn in Kaprun mit über 100 Toten, Anlegerschäden wegen irreführender Kunden­beratung von Banken und viele andere Prozesse mehr lassen sich jetzt in einer Verbandsklage führen.

Welche Vorteile hat das? – Das hat vor allem den Vorteil, dass es ein minimiertes Prozessrisiko für Verbraucher:innen gibt, weil die Verbandsklage sogenannte Qualifizierte Einrichtungen führen können, also Verbraucher:innen­organisationen, die das Prozessrisiko für die vielen Geschädigten dann tragen, und dadurch auch das Prozessrisiko minimiert wird.

Ich möchte jetzt noch einmal hervorheben, dass Qualifizierte Einrichtungen nicht nur die etablierten Qualifizierten Einrichtungen wie die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer oder der Verein für Konsumenteninformation sein können, sondern auch andere Einrichtungen, die sich etabliert haben und bereits für Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gekämpft haben. Genau diese können jetzt auch Klagen vor Gericht führen. Das halte ich tatsächlich für entscheidend.


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Ein zweiter Punkt, der aus meiner Sicht das Prozessrisiko auch minimiert, ist die Möglichkeit, dass Prozessfinanzierer die Kosten drittfinanzieren. In Deutschland gibt es eine meines Erachtens sehr einschränkende Regelung, weil es dort klare Vorgaben für Prozessfinanzierer gibt, etwa auch die Vorgabe, wie viel sie verdienen sollen. Im Hinblick darauf finde ich es gut, dass wir in Österreich einen anderen Weg gewählt haben: Wir haben hier eine gewisse Freiheit für die Prozessfinanzierer, weil uns die Erfahrung in Deutschland lehrt, dass sich heut­zu­tage leider keine Prozessfinanzierer für Verbandsklagen finden, was die Kommission veranlasst hat, darüber nachzudenken, ob die Umsetzung in Deutsch­land gut erfolgt ist oder nicht. Aus diesem Grund halte ich unsere Regelung der Prozessfinanzierung für besonders gelungen.

Einen Punkt möchte ich noch nennen: Es wird oftmals gesagt, 50 Verbraucher sind zu viel. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Themen aufgreifen: Es gibt eine Klage auf Unterlassung. Die Unterlassungsklage richtet sich gegen rechtswidrige Verhaltensweisen von Konzernen, wenn beispielsweise kollektive Interessen von Verbraucher:innen gefährdet sind, weil in den AGBs benach­teiligende Klauseln zu finden sind. Dann reicht ein Verbraucher aus, und die Qualifizierte Einrichtung kann die Verbandsklage selbst führen, ohne dass es 50 Verbraucher geben muss. 50 Verbraucher muss es aber für den Schaden­ersatz oder zum Beispiel für Verfahren betreffend Preisminderung oder Repa­ratur geben. Das heißt, für eine Verbandsklage auf Abhilfe und für die Schadenersatzklage braucht es 50 Verbraucher:innen, die geschädigt sind.

Das ist bei uns aber einfacher als in Deutschland, weil wir einen einzigen Gerichts­standort haben: Beim Handelsgericht werden all diese Klagen gesammelt. Das macht es einfacher, mehr Personen zu finden, und das macht es auch einfacher, eine einheitliche Rechtsprechung zu erlangen.

Insofern glaube ich, dass die Gesetzwerdung betreffend die Verbandsklage zwar lange gedauert hat, denn wir haben sehr lange verhandelt, dass dieses Gesetz aber letztlich wirklich gut geworden ist. Ich freue mich wirklich, dass es uns


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gelungen ist, diesen Meilenstein im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher umzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.37 14.37.25


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.37.5911. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Außerstreitgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2024 – GB-Nov 2024) (2606 d.B. und 2617 d.B. sowie 11567/BR d.B.)


Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun wirklich zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrätin Klara Neurauter genannt. – Ich bitte um den Bericht.


14.38.22

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Außerstreitgesetz geändert werden, Grundbuchs-Novelle 2024.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


14.39.08

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Der jetzigen Grundbuchs-Novelle liegt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auf Schutz des Privat- und Familienlebens in Bezug auf Veröffentlichungen im Grundbuch zugrunde. Dazu ist vorweg einmal zu sagen: Das Grundbuch samt all seinen Urkunden ist öffentlich. – Das ist ganz spannend: Damit sind wir wieder einmal beim öffentlichen Interesse, was Grund und Boden betrifft, was wir ja auch gestern besprochen haben.

Die Anforderungen des Grundbuchsystems sind Richtigkeit, Genauigkeit und Überprüfbarkeit, und um diesen gerecht zu werden, wurden bisher sämtliche im Zusammenhang mit dem grundbuchsrelevanten Geschäft verbundene Urkunden in die Urkundensammlung des Grundbuchs aufgenommen. Das waren oft auch sehr persönliche Urkunden wie Scheidungsunterlagen oder Exekutionsbewilligungen.

Da kommen wir dann gleich zum Grund für die Grundbuchs-Novelle. Manche, wie die eben genannten Urkunden, betreffen nämlich sehr persönliche Bereiche und Daten der beteiligten Personen oder sogar unbeteiligter Personen. Da lautet die


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Entscheidung, dass es zu einer Verletzung des Menschenrechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens gekommen ist.

Die neue Regelung will nun sowohl dem Bedürfnis nach Transparenz im Rechtsverkehr – welche die Anforderungen des Grundbuchsystems gewähr­leisten – als auch dem notwendigen Schutz persönlicher Daten gerecht werden. Da bedarf es einer Abwägung der Grundrechte – ich hoffe, Herr Kollege Kofler, Sie hören zu –; Abwägung bedeutet einen schonenden Ausgleich für die Aufrechterhaltung und das Wirksambleiben aller betrof­fenen Grundrechte. (Zwischenruf des Bundesrates Kofler.)

In diesem Sinn gibt es beim Grundbuch so eine Art bloße Bewilligungsurkunden, die nur indirekt für die Grundbuchseintragung notwendig sind, wie zum Beispiel solche, die die Identität oder Sachverhalte bestätigen. Das kann ein Pass sein, ein Nachweis über den Personenstand oder die Staatsbürgerschaft, aber auch steuerliche Unbedenklichkeitsbescheide oder eben Scheidungsurkunden. Diese Bewilligungsurkunden werden zukünftig nicht mehr in die Urkundensammlung aufgenommen, aber eine zusätzliche Regelung wird jetzt sein, dass beim Bezirks­gericht ein gebührenfreier Antrag gestellt werden kann, bestimmte Daten, die in diesen Urkunden vorkommen, schwärzen zu lassen. Da muss das Gericht abwägen, ob die Interessen des Privatlebens schwerer wiegen als das rechts­staatliche Interesse an der Veröffentlichung der gesamten Urkunde.

Ja, das kostet vorab vielleicht mehr richterliche Zeit, aber, wie meine Kollegin Agnes Sirkka Prammer im Nationalrat betont hat: Zukünftige Rechtspraxis und Rechtsprechung wird die Abwägung klären. Vorab mehr Zeit in den Datenschutz und das Recht auf den Schutz des Privat- und Familienlebens zu investieren, ohne aber die Transparenz oder die Verlässlichkeit des öffentlichen Grundbuch­systems zu gefährden, erscheint jedenfalls gerechtfertigt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.42


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.


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Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl. Ich erteile ihr das Wort.


14.42.55

Bundesrätin Barbara Prügl (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Ich möchte jetzt vorweg gleich die Gelegenheit nutzen, als Oberösterreicherin quasi meinem oberösterreichischen Kollegen Franz alles Gute für den Vorsitz, die Präsident­schaft zu wünschen, im Sinne eines guten und fortschrittlichen Oberösterreichs in Österreich.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Interesse an Grundstücken und vor allem daran, wem was gehört, ist, möchte ich fast sagen, ein Grundinteresse in Österreich. Es ist jetzt rechtlich geregelt, dass jede und jeder das Grundbuch einsehen kann.

Ein bisschen etwas zur Entstehungsgeschichte des Grundbuchs zu sagen ist vielleicht auch interessant. Die Aufzeichnungen von Rechten an Grundstücken haben eine lange Tradition. Das Grundstück gibt es in seiner heutigen Rechts­form bereits seit 1883. (Bundesrat Schennach spricht mit Bundesrät:innen seiner Fraktion.) – Geschätzter Herr Kollege Schennach, ein bisschen leiser, bitte! Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) – Da wäre schlafen fast gescheiter. (Ho-Rufe bei der SPÖ.)

100 Jahre später, 1980, wurde mit der Speicherung sämtlicher Dokumente in einer Grundstücksdatenbank begonnen. Seit 1992 sind alle Eintragungen österreichweit digital vorhanden. Sämtliche Grundbuchs- und Katasterdaten sind heute übers Internet abrufbar, und seit 2012 gibt es die neue Grundstücks­datenbank, wie wir sie jetzt kennen und auch sehr gerne nutzen und in Anspruch nehmen.

Es ist damit gewährleistet, dass man das Hauptbuch und auch die Urkunden­sammlung einsehen kann. Wie ist das möglich? – Bei Gericht, bei Notaren und


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über das Internet. Spätestens wenn jemand Interesse hat, Grund und Boden zu erwerben, zu kaufen, sei es ein Grundstück, Wohnungseigentum – also wenn Sie eine Eigentumswohnung erwerben –, ist es auch unumgänglich, dass man sich  anhand des Grundbuchs informiert, wer bücherlich eingetragen ist und wer Eigentümer, Eigentümerin des Objekts ist und auch welche Belastungen eingetragen sind.

Wenn der Kauf der Eigentumswohnung beispielsweise grundbücherlich abgewickelt ist, ist dann der neue Eigentümer im Grundbuchsauszug ersichtlich. Kommt es – das wurde schon erwähnt, aber ich möchte es auch noch erwähnen – zur Eigentumsveränderung, beispielsweise durch eine Scheidung, sind entsprechende Urkunden als Nachweis notwendig. In einem solchen Fall eines Scheidungsvergleichs enthält der Vertrag nicht nur grundbücherlich relevante Informationen, beispielsweise die Obsorge für die Kinder, und da ist schon infrage zu stellen, ob das beim Abruf überhaupt ersichtlich sein sollte.

Anhand dieses Beispiels bestätigt sich die Notwendigkeit der heute vorliegenden Grundbuchs-Novelle, und zwar wegen des Rechts auf Privatsphäre und Fami­lienleben. Mit der Grundbuchs-Novelle können die Einsicht und die Aufnahme von Urkunden ins Grundbuch beschränkt werden. Damit kommen wir einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nach, und ja – das ist schon erwähnt worden, und da sind wir uns in dieser Runde großteils einig –, wir finden es wichtig und richtig, die familiären und privaten Daten, die eigentlich der Sache des Grundbuchs gar nicht dienlich sind, zu schützen.

Wie funktioniert es? – Beim Bezirksgericht kann man künftig einen gebühren­freien begründeten Antrag stellen, dass die Einsicht in eine bestimmte Urkunde beschränkt werden kann. Das soll auch für Altfälle gelten, also für Urkunden, die bereits in der Grundstücksdatenbank sind. Es werden damit natürlich vielleicht zwei Urkunden erzeugt und es entsteht dadurch ein gewisser Aufwand, aber die Datensicherheit, die dadurch gewährleistet wird, steht sicher darüber.


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Alle weiteren relevanten Dinge hat meine Kollegin, meine Vorrednerin, bereits erwähnt. Ich komme daher zum Schluss: Sehr geehrte Damen und Herren, das Grundbuch entwickelt sich mit Sicherheit stetig weiter. Die vorliegende Novelle hebt die Qualität der Grundbuchsdaten und schafft Sicherheit für die Bürge­rinnen und Bürger in Österreich. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.47


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Manfred Mertel. Ich erteile ihm das Wort.


14.47.47

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Ministerin! Ich darf Ihnen zu diesem Gesetz recht herzlich gratulieren. Ich glaube, das war absolut notwendig. Aus der Praxis darf ich Ihnen berichten, dass es für mich immer eine große Schwierigkeit war, Bürgern beziehungsweise Bürgerinnen, die in einem Rechtsmittelverfahren waren, zu erklären, dass man eigentlich nur dann Eigentümer ist, wenn man im Grundbuch steht, und dass es viele Probleme gegeben hat, sich im Grundbuch einzutragen.

Gerade die Beispiele mit dem Scheidungsvergleich waren typisch. Ich glaube, dass man da eine sehr vernünftige und gute Lösung gefunden hat. Alles andere haben die beiden charmanten Vorrednerinnen ausgeführt, sodass ich Ihnen nur sagen darf: Die SPÖ wird diesem Beschluss ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Kaltenegger.)

14.48


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm das Wort.



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14.48.55

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Wir haben es alle gehört: Es geht um eine Grund­buchs-Novelle. Wesentliche Neuerungen sind die Beschränkungen der Einsicht in Urkunden und die Aufnahme bestimmter Dokumente in die Urkunden­sammlung. (Bundesrat Schreuder: Jetzt kommt eine Abrechnung mit der Corona­pandemie!)

Insbesondere wird es möglich sein, einen gebührenfreien – und das war uns wichtig – Antrag zu stellen, um sensible Daten vor öffentlicher Einsicht zu schützen, wenn das Geheimhaltungsinteresse das öffentliche Interesse überwiegt.

Wir Freiheitliche begrüßen diese Maßnahme. Der Schutz der Privatsphäre unserer Bürger ist von höchster Bedeutung, auch wenn die Umsetzung einen gewissen Mehraufwand für Gerichte und natürlich auch für Vertragserrichter bedeutet. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.49


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor (Bundesrat Kofler hebt die Hand) – liegen doch vor; Kollege Bundesrat Klemens Kofler hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


14.50.08

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! (Bundesrat Schreuder: Ach so, jetzt kommt noch etwas!) Liebe Kollegin MMag. Kittl! Wo sitzt sie denn? (Bundesrätin Kittl: Da!) – Ach, da ist sie! Das hast du absichtlich falsch gesagt. Ich habe gestern etwas ganz anderes gesagt.


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Das heute ist eine sinnvolle Sache, denn da geht es um den Nachweis, eine Wohnung oder ein Grundstück zu besitzen. Wenn ich das zum Beispiel über einen Scheidungsvergleich in meinen Besitz bekomme, dann geht das niemanden etwas an, was auch sonst noch im Scheidungsvergleich drinnen steht. Wir stimmen dem ja eh zu.

Du hast aber gestern behauptet, ein Grundstück gehört dir praktisch nicht zur Gänze, da muss man dann nachfragen und umwidmen. (Bundesrätin Kittl: Nein, ich habe gesagt, in Abwägung von öffentlichem Interesse!) – Natürlich, du hast in Abrede gestellt, dass dir ein Grundstück zur Gänze gehört. Das war es! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Gehts auf einen Kaffee, bitte!)

14.50 14.50.59

Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.51.3412. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechts­anwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwalt­­schaftsdienstgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024 – BRÄG 2024) (4124/A und 2621 d.B. sowie 11535/BR d.B. und 11568/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 196

Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrätin Klara Neurauter genannt. – Ich bitte um den Bericht.


14.52.00

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwalts­anwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwaltschafts­dienstgesetz geändert werden, Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. 14.52.47


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein. Es ist dazu niemand zu Wort gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 197

14.53.2313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertragsteuerinformationsberichte (CBCR-Veröffentlichungsgesetz – CBCR-VG) (2556 d.B. und 2618 d.B. sowie 11569/BR d.B.)


Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


14.53.48

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz über die Veröf­fentlichung länderbezogener Ertragsteuerinformationsberichte, CBCR-Veröffentlichungsgesetz.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


14.54.40

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, gestern ging es um die


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 198

Abwägung von Rechten, eben um öffentliches Interesse und Eigentum, heute um öffentliches Interesse und Privat- und Familienleben. Es ging um die Abwägung, das war gestern das Thema. (Zwischenruf des Bundesrates Kofler.)

Jetzt geht es um das Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertragsteuerinformationsberichte. Es ist eine wichtige Regelung für mehr Transparenz über die Geschäftstätigkeit von multinationalen Unternehmen, nämlich darüber, wo sie ihre Gewinne versteuern beziehungsweise wo sie sie versteuern sollten.

Multinationale Konzerne, die ihren Sitz in Österreich haben und mehr als 750 Millionen Euro Umsatz machen, müssen Ertragsteuerinformationsberichte, sogenannte Country-by-Country-Reports – deswegen auch der Name CBCR-Veröffentlichungsgesetz –, an die Steuerbehörden sowie ab 2025 auch an das öffentlich zugängliche Firmenbuchgericht übermitteln. Diese Berichte zeigen die Gewinne, die der in Österreich ansässige Konzern oder die Niederlassung in Österreich machen und ob sie diese in Österreich versteuern.

Durch das Firmenbuchgericht werden nun diese Ertragsteuerinformationen öffentlich einsehbar und damit auch öffentlich fundiert diskutierbar. Das ist ein wichtiger Punkt, denn damit müssen sich Unternehmen auch öffentlich rechtfertigen, warum sie die Gewinne nicht in dem Land versteuern, in dem sie die Gewinne machen, also offensichtlich Steuerflucht begehen. Wenn man das sieht und wenn man das öffentlich diskutiert, ist das natürlich für das Ansehen und auch die Marke des Unternehmens nicht unbedingt gut. Genau das ist ja auch Sinn der Sache.

Steuerflucht ist hochgradig unfair, aber nicht nur gegenüber den im Land steuerzahlenden Mitbewerber:innen, weil es eine immense Wettbewerbs­verzerrung ist, sondern auch gegenüber der Gesellschaft, die auf die Einnahmen aus der korrekten Gewinnbesteuerung angewiesen ist und gerade in einem


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Wohlfahrtsstaat, wie Österreich einer ist, mit diesem Geld die soziale Sicherheit aufrechterhalten werden muss.

Man darf auch nicht vergessen, dass in Österreich tätige Unternehmen auch von dem Umfeld, das der Staat Österreich schafft, profitieren, denn nur ein sicherer Staat mit Einwohner:innen mit guten Einkommen bietet einen zahlungs­kräftigen Kundenstock. Nicht nur das: Das steuerflüchtige Unternehmen profitiert auch von einer guten Infrastruktur im Land, zu der es, wenn es eben keine Steuern zahlt, kaum etwas beiträgt. Da geht es neben der Mobilitäts­infrastruktur um Sicherheit, aber auch um Ausbildung, um das Gesundheits­wesen für die Arbeitnehmer:innen, aber auch um die Versorgungsinfrastruktur und sicher noch um einiges mehr.

Im Sinne einer solidarischen Gesellschaft müssen wir diese Steuerflucht stoppen, denn es geht nicht, dass Gewinne privatisiert und Kosten sozialisiert werden, was bedeutet, dass den Aufwand für private Gewinne eben die Allgemeinheit trägt. Das globale Steuersystem muss fairer werden, und die heutige Regelung unterstützt eines der wichtigsten Instrumente dafür, nämlich die Transparenz. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.58


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. Ich erteile ihm das Wort.


14.58.25

Bundesrat Christoph Stillebacher (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Besucher hier im Haus! Bei diesem Tagesordnungspunkt, wie es Frau Bundesrätin Kittl schon ausgeführt hat, geht es um das Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertragsteuerinformationsberichte.


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Konzerne versuchen immer wieder, Steuerzahlungen möglichst gering zu halten. Das ist ja grundsätzlich auch legitim, aber diese Konzerne finden so manche Strukturen vor, die ihnen das besonders leicht machen. Wir bemühen uns, diese Schlupflöcher einfach so weit wie möglich zu schließen. Die Umsetzung dieser EU-Richtlinie geht, wie bereits erwähnt, genau in diese Richtung.

Ob ein Konzern dort Steuern zahlt, wo er viel Umsatz macht, oder ob Gewinne in Niedrigsteuerländer verschoben werden, soll durch ein neues Gesetz trans­parenter werden. Ziel ist es, dass multinationale Konzerne verpflichtet werden, einen Ertragsteuerinformationsbericht – weniger sperrig auch Country-by-Country-Report genannt – zu erstellen und an die Finanzbehörde zu übermitteln und gleichzeitig beim Firmenbuchgericht einzureichen, damit dieser über diese Register öffentlich einsehbar ist. Aus diesen Ertragsteuerinformationsberichten soll ersichtlich sein, welche Umsätze und Gewinne ein Konzern in den jeweiligen EU-Ländern erzielt und welche Ertragsteuern er dort entrichtet.

Das ist eine Maßnahme, die zwar nicht zu einer höheren Besteuerung von Kapitalerträgen führt, aber eben mehr Transparenz bei Kapitalgesellschaften bringt, und es wird nachvollziehbarer, wie internationale Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften und wo sie Steuern zahlen. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)

Die Transparenz ist sicherlich der erste Schritt zu mehr Steuerehrlichkeit für Konzerne. Die Richtlinie ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, sondern ein weiterer Mosaikstein. Nach den ersten Erfahrungen ist eine Novellierung sicherlich empfehlenswert. Selbstverständlich kann der Kreis der Unternehmen oder Institutionen, die in diesem Gesetz von der Pflicht betroffen sind, bei Bedarf auch erweitert werden. Veröffentlichungsregeln und Fristen oder Ähn­liches können dann jederzeit angepasst oder verschärft werden. – Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.00


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.


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Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Sascha Obrecht zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrätin Schumann: Ausführlich bitte, ich muss das jetzt ...! – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Stillebacher: Nie!)


15.01.08

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass multinationale Konzerne ordentlich Steuern zahlen, ist so etwas wie eine Grundforderung der SPÖ. Es liegt in unserer DNA, solche Geset­zesvorhaben zu unterstützen. Insofern gibt es da keine andere Handhabe, als diesen Gesetzesvorschlag zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Kleinigkeit muss man halt schon noch ergänzen: Die Richtlinienumsetzung hätte schon vor über einem Jahr passieren sollen, schon vor dem 22. Juni 2023. Das ist aber eine Sache, die jetzt nicht nur der Justizministerin zuzuordnen ist. (Bundesrat Schreuder – erheitert –: Du sagst es mit so einem Lächeln, so als ob du glücklich darüber wärst!) – Na ja, glücklich bin ich nicht darüber, ganz im Gegenteil. Es stellt sich vor allem auch die Frage, warum das jetzt ein Jahr zu spät kommt, denn die Justizministerin hat rechtzeitig zu einer Arbeitsgruppe eingeladen, es waren alle Stakeholder dabei, dennoch ist es jetzt so spät da. Wer gebremst hat, weiß ich nicht (Bundesrat Schennach: Na ja! – Bundesrätin Schumann: O ja!), aber ich habe da so eine Vermutung. (Bundesrat Schennach: Schau geradeaus!)

Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass sich das bei der Bundesregierung leider durchzieht: Richtlinien werden leider oftmals verspätet umgesetzt (Ruf bei der ÖVP: Kurzfristig!), aber man muss dazusagen, im Justizministerium zumin­dest nicht so schlimm wie im Arbeitsministerium. – Vielen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

15.02


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.


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Nächster Redner ist Herr Bundesrat Spanring. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr.


15.02.25

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! (Bundesrat Schreuder: Weiter so! So freundlich!) Frau Minister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren Zuschauer hier und vor den Bildschirmen! Dieses Gesetz mit dem sperrigen Namen Ertragsteuerinformations­berichte-Veröffentlichungsgesetz soll sicherstellen – das haben wir gehört –, dass multinationale Konzerne ihre Steuerinformationen nicht nur den Behörden, sondern auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Jeder Bürger soll dann sehen können, wo große Konzerne ihre Steuern zahlen und auch in welchem Umfang. Das schafft Transparenz und erhöht natürlich auch die öffentliche Kontrolle.

Auch wir sind der Meinung, Unternehmen sollen ihren fairen Anteil an Steuern dort zahlen, wo sie auch ihre Gewinne erwirtschaften. Wir Freiheitliche werden diese Maßnahmen heute unterstützen, weil Transparenz einerseits natürlich das beste Mittel gegen Steuervermeidung ist und auch weil genau das eine lang­jährige Forderung der FPÖ ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Der Druck der Öffentlichkeit wird hoffentlich sicherstellen, dass Konzerne ihre Steuerpflichten zukünftig etwas ernster nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.03


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.

Die Frau Justizministerin wird eine Stellungnahme abgeben. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte schön.


15.03.47

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Der


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vorliegende Entwurf eines Bundesgesetzes über die Veröffentlichung länder­bezogener Ertragsteuerinformationsberichte – oder einfacher gesagt: Country-by-Country-Reporting – verbessert die Transparenz der Tätigkeit multinationaler Unternehmen; es wurde schon viel dazu gesagt. Multinationale Großunter­nehmen stellen Staaten oft mit intransparenten Geschäftspraktiken vor Heraus­forde­rungen. Zugrunde liegt das Problem, dass die Gewinnerwirtschaftung multinationaler Unternehmen teils schwer nachvollziehbar ist – schwer nachvoll­ziehbar für Bürgerinnen und Bürger, schwer nachvollziehbar für die NGOs, für Journalist:innen, aber auch für die Zivilgesellschaft. Das verhindert, dass wir eine ehrliche Debatte darüber führen, wie mit Steuertricks und Steuerunehrlichkeit gearbeitet wird.

Ich glaube schon, dass wir in einer Demokratie so weit sein müssen, dass es Transparenz in diesem Zusammenhang gibt, damit wir öffentlich darüber debattieren können, damit letzten Endes auch der Gesetzgeber zielgerichtete Regelungen treffen kann, denn es geht um Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Viele Unternehmen, Klein- und Mittelbetriebe zahlen ihre Steuern in Österreich, und es ist auch nur fair, dass auch all jene, die global agieren, große Konzerne, die global, in verschiedenen Ländern agieren, ebenfalls ihren fairen Anteil an Steuern in Österreich zahlen.

Deswegen wurde diese Richtlinie auf europäischer Ebene mit deutlich strengeren Berichtspflichten auf den Weg gebracht. Das Ziel der Richtlinie war dabei eben, die Transparenz der Tätigkeit solcher Konzerne zu erhöhen. Unternehmen müssen dem Firmenbuchgericht in Zukunft ein sogenanntes Country-by-Country-Reporting vorlegen. Was steht in so einem Bericht? – In so seinem Bericht steht, wie viel Geld ein Konzern in einem Land verdient, wie viel Steuern, genauer Ertragsteuern, er dort zahlt. Das heißt, das Ganze bringt uns allen Klarheit: Wo erzielen Konzerne welche Umsatzerlöse und in welchem Land zahlen sie Ertragsteuern? Genau diese Transparenz macht eine öffentliche Debatte über den Grad der Steuerehrlichkeit auch möglich.


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Damit das Gesetz nicht zahnlos bleibt, gibt es auch Strafen, die dahinterstehen, und ja, die Strafen waren tatsächlich der Knackpunkt, warum es letzten Endes länger gedauert hat. Wir haben uns dafür entschieden, dass es zwei Formen von Strafen gibt, und zwar sogenannte Zwangsstrafen. Die können wiederholt verhängt werden, wenn das Unternehmen oder der Konzern nichts offengelegt hat. Bei mittelgroßen Kapitalgesellschaften sind das bis zu 20 000 Euro, bei großen Kapitalgesellschaften sogar bis zu 50 000 Euro, mehrfach ver­hängt.

Das Zweite – das halte ich für entscheidend – ist ein Novum in unserem Firmen­buchgericht, das sind Ordnungsstrafen. Ab sofort gibt es, wenn das Unter­nehmen etwas Falsches angibt, Ordnungsstrafen, sogar bis zu 20 000 Euro. Das ist insofern spannend und wichtig, als dass wir das Instrument der Ordnungs­strafen in diesem Bereich bis jetzt nicht kennen. Wenn Falsches offengelegt wird, wird es jetzt auch strafbar sein. Für große Kapitalgesellschaften beträgt der Betrag bis zu 50 000 Euro und bei Vertreter:innen eines Unternehmens von öffentlichem Interesse sogar bis zu 100 000 Euro.

Insofern glaube ich, dass das wirklich ein gutes Mittel ist, um mehr Transparenz im Kampf gegen Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung zu erzielen. Ich hoffe, es stößt auf breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.08 15.08.03


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank für die Stellungnahme.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.08.2914. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird (2557 d.B. und 2619 d.B. sowie 11570/BR d.B.)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Ich bitte um den Bericht. 15.09.04


Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des National­rates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeß­ordnung 1975 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


15.09.43

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Ministerin! Bisher war der Kostenersatz für


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Freisprüche in Strafverfahren auf maximal 10 000 Euro gedeckelt, und das liegt, wie man sich gut vorstellen kann, weit unter den tatsächlichen Kosten.

Das heißt ganz genau: Beschuldigte, die freigesprochen wurden, mussten ihre gesamten Kosten – wenn das Verfahren lange und kompliziert war, waren es oft sehr, sehr hohe Anwaltskosten – bezahlen. Schon lange haben wir Grünen gefordert, dass es da zu einer Änderung kommt, wir haben das auch ins Regierungs­programm hineinverhandelt, denn es geht für uns um grundlegende Rechte, die nicht von finanziellen Möglichkeiten abhängig gemacht werden oder jeman­den nach einem Freispruch gar in finanzielle Not bringen sollen.

Daher wurde der Rechtsanwaltskostenersatz auf das etwa Sechsfache bei langen Strafverfahren erhöht, und auch bei Einstellungen – das ist erstmalig – von Ermittlungsverfahren wird nun ein Kostenersatz von bis zu 6 000 Euro geleistet. Statt wie bisher 2,4 Millionen Euro stehen nun ganze 70 Millionen Euro pro Jahr für diesen Kostenersatz zur Verfügung, das heißt circa 30-mal so viel.

Es hört kaum jemand zu, es fühlt sich niemand – Gott sei Dank – angesprochen, aber es kann uns allen passieren. (Bundesrat Schreuder: Ich höre dir zu!) Jahrzehntelang wurde das von der ÖVP abgeblockt. 2021 hat Frau Ministerin Edtstadler noch gesagt, dass der Verteidigungskostenersatz zu teuer ist. Sehr schmunzeln musste ich, als im Ausschuss Kollege Himmer gesagt hat, es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass man da bisher bei Freispruch so viel selbst zahlen musste. Jetzt haben wir aber eine Einigung erzielt, das freut uns natürlich, und es freut uns auch, dass das – wahrscheinlich – ein einstim­miger Beschluss ist. – Auf Wiedersehen! (Beifall bei den Grünen sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

15.11


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Harald Himmer zu Wort gemeldet. – Bitte, Sie gelangen zu Wort.



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15.12.03

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Liebe Kollegin Kittl, es ist immer schön, wenn ich dich zum Schmunzeln bringe. Vielleicht kann ich dich auch jetzt mit meinen Ausführungen noch einmal zum Schmunzeln bringen (Bundesrat Schreuder: Jetzt hast du die Latte sehr hoch gelegt!), wenngleich ich glaube, dass wir da eine sehr ernste Materie betrachten und hier diskutieren.

Ich muss auch sagen, ich habe jetzt keine Ahnung, was Kollegin Edtstadler zu irgendeinem Zeitpunkt bei irgendeiner Anfrage gesagt hat, es tut aber beim Thema, was es an Justizopfern in der Vergangenheit gegeben hat und in der Gegenwart gibt, nichts zur Sache, es hat damit überhaupt nichts zu tun. Es ist ja so, dass man natürlich bejubeln kann, dass das jetzt erhöht wird – eine Ver­dreißigfachung! –, aber ich habe ja im Ausschuss den Beamten gefragt, was eigentlich ungefähr zu veranschlagen wäre, wenn sozusagen die gesamten Kosten zu ersetzen wären. Der hat sehr ehrlich geantwortet, dass er natürlich keine wissenschaftlichen oder statistischen Erhebungen hat, hat aber gemeint, er schätzt das auf circa das Vierfache.

Wenn wir also diese Zahl annehmen und sagen, dass jetzt ungefähr, glaube ich, 60, 70 Millionen Euro im Budget reserviert worden sind, dann heißt das, dass also geschätzt wird, dass der tatsächliche Schaden bei circa 250 Millionen Euro liegt. Jetzt möchte ich sagen: Ich selbst habe betreffend das Thema Strafver­folgung, Strafprozess auch mehr Kompetenz entwickelt, als ich mir je gewünscht hätte. Wenn man zwölf Jahre strafverfolgt wird, setzt man sich mit unter­schiedlichen Dingen auseinander, deswegen kann ich sagen, dass dieser Teil, der die Anwaltskosten betrifft, ja nur ein Teil des Schmerzes ist.

Wenn man strafverfolgt wird, heißt das, dass die Republik zwar nicht sagt, dass man ein Verbrecher ist, aber sagt, dass man möglicherweise ein Verbrecher ist. Das wird auch so formuliert. Es hat auch eine Vorgängerin von (in Richtung


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Bundesministerin Zadić) Ihnen, sie war auch einmal Beschuldigte, einmal erzählt, dass sie das so schockiert hat. – Wie hat sie geheißen, sie war vom BZÖ, die Kärntnerin? (Bundesrat Schennach: Gastinger!) – Gastinger, genau! – Die hat mir einmal erzählt: Also das ist ein Wahnsinn, wenn man dann so einen Brief kriegt und da steht: beschuldigt des Verbrechens. Ich war einmal Justizministerin, dann kriege ich da ein Schreiben: beschuldigt des Verbrechens.

Das ist aber die Formulierung, mit der man das als Beschuldigter zugestellt bekommt, und wer einen des Verbrechens beschuldigt, das ist die Republik. Die Republik Österreich beschuldigt einen eines Verbrechens. Das schaut man sich dann in der nächsten Zeit, aber eben nicht über Tage, sondern über Wochen, Monate, Jahre – manchmal auch über sehr viele Jahre – an.

Der größte Schmerz, der dabei entsteht, betrifft eigentlich gar nicht einen selbst, sondern die Familie, die Eltern, die Frau, die Kinder, und das zieht sich über Jahre. Das ist nicht irgendetwas. Dann kommen natürlich auch Opportunitäts­kosten, wie dass das jetzt nicht unbedingt karrierefördernd ist, dazu. Wenn man – wie zum Beispiel in meinem Fall – Vorstand eines börsennotierten Unter­nehmens ist, kann man so etwas in einer solchen Situation schwer fortsetzen, dann sagt man natürlich: bis sich das geklärt hat. Man weiß natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es zehn, zwölf Jahre dauert, bis sich das geklärt hat.

Daher möchte ich sagen: Ich finde es gar nicht so zum Schmunzeln, dass dieser Bereich des Kostenersatzes wirklich nur ein Teil des verursachten Schadens ist. Jetzt möchte ich einen Vergleich bringen, und frage: Worum geht es bei vielen Wirtschaftscausen? – Oft geht es sozusagen um den Tatbestand der Untreue, denn es ist bald einmal etwas Untreue. Meistens geht es darum, dass Geld irgendwohin gezahlt worden ist und irgendjemand sagt: Nein, das Geld ist nicht für irgendetwas verwendet worden, hin und her, und darüber diskutiert man dann ein, zwei, drei, 15 Jahre.


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Die Summen sind so – die Frau Minister wird mich korrigieren, wenn ich etwas Falsches sage –: Bis 300 000 Euro Streitsumme sind es fünf Jahre und über 300 000 Euro ist man mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht, denn die Annahme ist, man habe fremdes Vermögen – meistens das Vermögen der Firma, auf das man aufgrund der Managementverantwortung Zugriff gehabt hat – falsch verwendet und damit der Firma einen Schaden in dem Volumen zugefügt. Deswegen ist normiert, dass bis zu zehn Jahren Haft drohen, wenn der Schaden 300 000 Euro übersteigt.

Jetzt vergleiche ich das damit, dass ich sage, unser Justizsystem schätzt, was die Rechtsanwaltskosten betrifft, von sich aus, den Bürgern im Jahr ungefähr 250 Millionen Euro Schaden zuzufügen, 250 Millionen Euro Schaden!, den Menschen privat für ihre Verteidigungskosten bezahlen müssen, deren Verfahren nachher oder im Laufe des Verfahrens eingestellt werden oder die bei Gericht einen Freispruch erhalten. Jetzt habe ich nicht umgerechnet, wie viele Jahre das wären, wenn man jetzt sagen würde, was weiß ich, über 300 000 Euro bedeuten zehn Jahre Haft. Auf jeden Fall aber müsste sich das österreichische Justiz­system nach den eigenen Maßstäben eigentlich selbst zu Hunderten und Tau­senden Jahren Haft bedrohen, wenn man diesen Schaden mit denselben Maßstäben messen würde.

Ich sage daher, ich bin nicht so enthusiastisch, was dieses Gesetz betrifft. Ich möchte einfach eine Sensibilisierung für diesen Umstand, was da vielen Menschen und vielen Familien – das geht hin bis zu den kleinen Kindern – an Unrecht geschieht. Im Justizsystem ist es immer total schwierig. Ich weiß, wie wichtig es ist, dass jemand, der eine Straftat begeht, verurteilt wird. Natür­lich ist es eine Ungerechtigkeit, wenn jemand, der eine Straftat begeht, nicht verurteilt wird, aber es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit – ich weiß nicht, ob du (in Richtung Bundesrätin Kittl) jetzt wieder schmunzelst, ich verwende diesen Ausdruck wieder –, wenn man eine Straftat nicht begangen hat.

Ich habe mich zum Beispiel, als wir das letzte Mal hier die Diskussion betreffend Gewalt an Frauen hatten, gewundert, weil ich es eigentlich auch schade finde,


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dass hier gesagt worden ist, dass praktisch neun von zehn Fällen wegen mangelnder Beweise eingestellt werden. Deswegen sind ja jetzt diese – wie heißen sie? –, diese Institute – bitte? (Bundesministerin Zadić: Gewalt­ambulanzen!) –, die Gewaltambulanzen geschaffen worden, um dort aufzu­nehmen, welche Verletzungen und so weiter stattgefunden haben.

Das wundert mich ehrlich gesagt auch ein bisschen, wenn ich das mit Wirt­schaftsstrafverfahren vergleiche, denn wenn man auch nur annähernd eine solche Beweisevidenz bei Wirtschaftsstrafverfahren anlegen würde, dass man sagt, solange das nicht hundertprozentig bewiesen ist, muss freigesprochen werden, dann wären viele, viele Wirtschaftsstrafverfahren viel, viel rascher eingestellt. Im Wesentlichen gibt es eigentlich oft im schlechteren Fall – ich sage jetzt nicht, dass es nicht auch Zeugen gibt, die die Wahrheit sagen, aber in der Regel der Fälle bekommt man Probleme – einen Haberer, der einen vernadert. Das ist eigentlich ausreichend (Heiterkeit des Redners), dass das Leben auf Jahre davon sozusagen determiniert ist.

Ich werde jetzt vielleicht die Zeit überschreiten, ich sage es gleich, weil mir so viel einfällt, aber ich werde dann versuchen, es doch ein bisschen in einen Wordrap zusammenzufassen. (Bundesrat Steiner: Du wolltest 3 Minuten in der Präsidiale!) – Nein, da will ich nicht 3 Minuten reden, sondern noch ein paar Mal 3 Minuten.

Der erste Kronzeuge der Republik Österreich war ein gewisser Gernot Schieszler. Ich habe einmal das Vergnügen gehabt, ihn persönlich kennen­zulernen. Es gibt einfach Personen, für die die Justiz ein besonderes Handerl hat – die als Kronzeugen auftreten. Ich sage, jeder, der den kennt, hat gewusst, er wird, wenn man zu ihm sagt: Wenn du das sagst, dann gehst du frei!, alles behaupten. Ich sage, das sind Personen, die, wenn man zu ihnen sagt: Wenn du behauptest, dass die Erde eine Scheibe ist, gehst du frei!, dann sagen, dass die Erde eine Scheibe ist. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Solche Personen zerstören Leben!


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Lassen Sie mich aber zur Verantwortung der Justiz zurückkommen! Das Faktum, das ich bringen möchte, ist: 250 Millionen Euro Schaden, was tatsächlich auch vom Ministerium anerkannt wird, wenn man sagt, dass die 70 Millionen Euro ungefähr ein Viertel dieser Summe darstellen.

Ich habe das Gefühl, dass es auch in Ihrer Amtszeit eine Reihe von Justizopfern gegeben hat. Auch wenn Kollege Steiner jetzt noch einmal einen Zwischenruf machen wird, aber ich halte zum Beispiel auch H.-C. Strache in einem relevanten Ausmaß für ein Justizopfer, weil ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen kann, wie man zehnmal auf jemanden schießt und nicht einmal trifft. Da frage ich mich: Was ist mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft los?

Ich halte Gernot Blümel für ein Justizopfer. Mit wie viel Aufwand und mit wie viel Medienberichterstattung der verfolgt worden ist – und herausgekommen ist genau nichts.

Ich halte den ehemaligen Bundeskanzler Kurz – jedenfalls von dem ausgehend, was bis jetzt geschehen ist – für ein Justizopfer, wenn ich bedenke, dass er für eine unvollständige Antwort in einem Untersuchungsausschuss acht Monate bedingte Haft bekommen hat. Wenn wir das damit vergleichen, dass man sagt: Das Recht muss für jeden gleich sein!, und wir sagen: Okay, wir wenden das jetzt bei jeder Auskunftsperson im U-Ausschuss an und verfolgen diese mit demsel­ben Aufwand über Jahre und Monate so akribisch, bis wir einen falschen Halbsatz finden!, wenn man diesen Maßstab bei allen Auskunftspersonen anlegen würde, na dann möchte ich mir anschauen, was das bedeutet.

Jetzt kann man sagen: Nein, das ist nicht so, das gilt eh nur für Kurz! – Wenn man es bei allen Personen so anlegt, ist es aus meiner Sicht schlicht nicht admi­nistrierbar, dann muss ich sagen: viel Spaß bei allen zukünftigen U-Ausschüssen, in denen man das mit derselben Akribie macht! Wenn es nur für Kurz so wäre, würde ich es auch nicht in Ordnung finden.


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Dann, finde ich, gibt es auch umgekehrt Nichtjustizopfer. Ein prominentes Beispiel (in Richtung Bundesministerin Zadić) ist Ihr politischer Förderer, Peter Pilz. Der ist ein Genie. Der hupft immer irgendwie vom Schauferl. Was der wahr­scheinlich in Summe an Bruch von Amtsgeheimnissen und Verleumdungen in seinem ganzen Leben begangen hat, würde für viele, viele Jahre Haft reichen. Er hat aber vieles sozusagen unter dem Schutz der Immunität gemacht.

Bei der letzten Geschichte, als er die Begegnung mit Radasztics gehabt hat, wird das so geschickt gemacht, dass es dann einfach nach zehn Jahren verjährt ist und er sich dann auch nicht mehr wegen falscher Zeugenaussage zu verantworten hat.

Daher glaube ich, dass wir in Zukunft eine Justiz brauchen, die gerechter wird, die auch ihre Verantwortung übernimmt. Ich glaube, gerade in Bezug auf die angesprochenen 250 Millionen Euro anerkannten Schaden, die die Justiz den Bürgern pro Jahr verursacht, dass es einmal im Jahr eigentlich so etwas wie einen Schadensbericht geben müsste, damit man auch wirklich darin nachlesen kann, was da passiert ist. Ich glaube, dass es für uns alle wichtig ist, dass wir wieder einmal eine parteiunabhängige Justiz haben.

Ich darf Ihnen, Frau Minister, persönlich wirklich das Allerbeste mit ihren Kindern wünschen, viel, viel Glück und das Allerallerbeste für die Zukunft – das meine ich ganz ehrlich. Da wünsche ich Ihnen jedes Glück der Erde, das man mit Kindern haben kann. Für die Justiz wünsche ich mir in Zukunft aber wieder eine parteiunabhängige Führung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.25


Vizepräsident Dominik Reisinger: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.


15.25.59

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Justizministerin! Jetzt ist ein bisschen die Frage: Wie setzt man an so eine lange


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Vorrede an? (Bundesrat Himmer – erheitert –: Du schaffst das!) Zuerst einmal: Mein Respekt, dass du deine eigenen, persönlichen Erlebnisse hier hereingebracht hast; ich finde es wirklich respektabel, dass man das nicht zwischen den Zeilen lesen muss, sondern dass du das direkt angesprochen hast.

Ein bisschen unglücklich ausgeufert ist es in zwei Fällen. Erstens: Gewalt in Beziehungen. Wenn Frauen Opfer von Gewalt sind und da nicht immer jedes Verfahren durchgezogen werden kann, hat das unter anderem sehr ver­schiedene psychologische und soziale Ursachen. Das hier hereinzunehmen habe ich ehrlich gesagt als unglücklich empfunden.

Das Zweite: Fälle, die unter die Immunität einer Abgeordneten oder eines Abgeordneten fallen, verjähren nicht, lieber Kollege Himmer, die verjähren nicht. (Bundesrat Himmer: Habe ich das gesagt?) – Das hast du gesagt: Nach zehn Jahren sind sie verjährt. Die sind dann aber nicht verjährt. (Bundesrat Himmer: Nein, die Radasztics-Geschichte war nach zehn Jahren verjährt! Da war er ja nimmermehr Abgeordneter!) Alles, was in eine Amtszeit eines Politikers oder einer Politikerin fällt, kann nicht verjähren, sondern wird erneut ein Fall. (Bundesrat Himmer: Wenn ich das gesagt habe, habe ich es nicht gemeint!)

Im Ausschuss, liebe Frau Bundesministerin, habe ich gesagt: endlich ein Stück Gerechtigkeit! Da muss ich übrigens jetzt Frau Kittl, eine wirklich geschätzte Kollegin, ein bisschen korrigieren: Alle Parteien – die FPÖ, die ÖVP, die NEOS, die SPÖ und die Grünen – haben in dieser Legislaturperiode hier gefordert, dass wir da Gerechtigkeit walten lassen müssen. Diese Verteidigungssätze gehen einfach nicht. Der Schaden für die Betroffenen ist zu groß.

Deshalb kam es zu dieser Neugestaltung der Pauschalsätze bei den Verteidigern im Falle eines Freispruchs und, was neu ist, auch bei einer Einstellung, denn auch um eine Einstellung zu erwirken, muss man sich verteidigen. Was gut ist, Frau Bundesministerin, ist, dass wir da auch eine Möglichkeit haben, auf das hat der liebe Harry Himmer nicht repliziert, aber das wäre so etwas, was du vorhin gemeint hast. Wir haben jetzt einen Satz – der Kollege vom Ministerium hat


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gesagt: mal vier –, aber es gibt Fälle, die in der Zeit und im Umfang das normale Maß weit überschreiten. Für diese Überschreitung, sowohl von der Verfahrens­dauer als auch vom Umfang des Verfahrens, ist vorgesehen, dass die Pauschal­kostenbeträge überschritten werden können.

All das ist gut, das ist richtig. Alle Parteien wollen es, und ich denke, es ist ein Stückchen mehr Gerechtigkeit, das da ins Justizsystem kommt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.)

15.29


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


15.29.41

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ich glaube, es ist schon sehr vieles zu diesem Tagesordnungspunkt gesagt worden. Ich möchte auch nichts wiederholen. Eines dürfen wir nicht vergessen, nämlich dass man heute zum Teil das Strafrecht und viele andere Rechte heranzieht, um politische Arbeit zu machen.

Die Reputation dieser Menschen in der Bevölkerung werden wir halt nie mehr herstellen können, wenn man Leute wegen sieben, acht, neun, zehn, elf verschiedener Dinge anzeigt. Im Endeffekt kommt nichts heraus. Es kommen Freisprüche heraus, es kommen Einstellungen heraus.

Eines ist wichtig, nämlich dass man zumindest keinen finanziellen Schaden davonträgt.

Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.30



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 215

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke sehr.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik. Ich erteile ihr das Wort.


15.30.42

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir von den NEOS unterstützen diesen Gesetzentwurf natürlich auch.

Dass die Verteidigerkosten im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung zumindest, wie jetzt schon gesagt, zum Großteil ersetzt werden, sollte sich in einem hoch entwickelten Rechtsstaat wie Österreich von selbst verstehen. Das tat es allerdings bis dato nicht.

Anders nämlich als im Zivilverfahren, in dem man sich als Kläger immer dreimal überlegt, ob man klagt, weil im Falle eines Unterliegens das Verfahren sehr teuer werden kann, muss natürlich der Staat bei Verdachtslagen Ermittlungen auf­nehmen und dem Verdacht nachgehen. Am anderen Ende des Verfahrens steht aber möglicherweise ein zu Unrecht Beschuldigter oder eine zu Unrecht Beschuldigte. Im Falle einer Verurteilung müssen die Verteidigerkosten natürlich sowieso selbst bezahlt werden. Im Falle eines Freispruchs ist es aber eines Rechtsstaates nicht würdig, die freigesprochenen Bürgerinnen und Bürger auf Verfahrenskosten sitzen zu lassen, vom eigenen Zeit- und Nervenaufwand, den ein Strafverfahren immateriell daneben noch kostet – Herr Kollege Himmer hat es beschrieben –, einmal ganz abgesehen.

Die österreichischen Rechtsanwälte fordern daher ja schon lange diesen Kosten­ersatz, weil – wie der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammer­tages, Utudjian, unlängst formuliert hat – nicht schon das Verfahren selbst zur Strafe werden darf.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 216

Von welchen Zahlen sprechen wir? – 2019 wurden in Österreich 9 285 Per­sonen rechtskräftig freigesprochen. Darin enthalten sind noch gar nicht die Zahlen der Einstellungen von Verfahren. Das heißt, über 9 000 Personen bleiben jährlich auf ihren Verteidigerkosten sitzen, und das ist in manchen Fällen existenzbedrohend.

Wie Kollegin Kittl schon gesagt hat: § 393a StPO sieht bis dato vor, dass maximal 10 000 Euro ersetzt werden. Die Rechtsanwaltskammer hat errechnet, dass bei einem kleinen Schöffenverfahren mit sieben Verhandlungstagen schnell 30 000 Euro brutto Anwaltskosten zusammenkommen, bei einem Groß­verfahren ab zwölf Verhandlungstagen 60 000 Euro.

Die Rechtsanwaltskammer fordert daher auch schon jahrzehntelang einen Kostenersatz im Strafverfahren, der in anderen Ländern längst gängige Praxis ist. In Liechtenstein zum Beispiel werden die Verteidigerkosten ohne Obergrenze vom Staat übernommen, in Finnland setzt das Gericht einen angemessenen Betrag auf Basis von Stundensätzen fest, und in Deutschland werden die Kosten auf Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes refundiert.

Die geplante Regelung in Österreich ist also längst überfällig – danke, Frau Ministerin, dass Sie sich dieser Sache angenommen haben.

Darf ich Sie an dieser Stelle aber auch noch daran erinnern – die Legislatur­periode ist schon fast vorbei –, dass auch die Gerichtskosten, die Pauschal­gebühren in Österreich exorbitant hoch sind? Im internationalen Vergleich haben wir ein viel zu teures Gerichtsverfahrenssystem. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

15.33


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke sehr.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Alma Zadić. Ich erteile ihr dieses.



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 217

15.33.50

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich glaube, wir sind alle froh, dass es endlich gelungen ist, diesen Verteidiger:innen­kosten­ersatz zu erhöhen. Warum sage ich das? – Ich sage das, weil es wirklich einfach rechtsstaatlich notwendig und wichtig war, denn Freisprüche und Einstellungen von Strafverfahren zeichnen einen gut funktionierenden Rechtsstaat aus.

In unserem Rechtsstaat – und das ist wirklich ein hart erkämpftes Recht – ist es nicht so, dass, wenn die Staatsanwaltschaft anklagt oder wenn es eine Anzeige gibt, das Ganze automatisch einen Schuldspruch bedeutet. Nein, so ist es nicht. (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Es gibt die Staatsanwaltschaft, die in Österreich – das ist ja nicht in allen Ländern so – verpflichtet ist, den Wahrheitsbeweis anzu­treten. Das heißt, sie muss die Wahrheit ermitteln.

In anderen Ländern gibt es die Möglichkeit des Plea Bargainings, bei dem man es sich mit der Partei ausmachen kann: Machen wir das, oder machen wir das nicht? Zu welchen Konditionen nimmt man die Strafe an, und zu welchen Konditionen nimmt man sie nicht an?

Das ist bei uns nicht der Fall, sondern die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, jedem Verdacht nachzugehen. Natürlich bedeutet das nicht automatisch einen Schuldspruch. Wenn aber die Staatsanwaltschaft überzeugt ist, dass die Schuld mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit erwiesen ist, dann hat sie die Verpflichtung, anzuklagen, und dann muss das Gericht – und das ist unab­hängig davon, welches Verfahren gerade geführt wird, ob es um Körperverletzung, um Korruption geht oder ob es ein Wirtschaftsstrafverfahren ist – in jedem Fall eine fast 100-prozentige Schuld feststellen, denn nur dann kann es verurteilen. Sonst muss es freisprechen. Das sind unterschiedliche Standards, die die Staatsanwaltschaft hat und die das Gericht hat.

Es ist, glaube ich, eine historische Errungenschaft und ein zentrales Element der Demokratie, dass eben nicht jedes Ermittlungsverfahren oder jede Anklage


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 218

automatisch einen Schuldspruch bedeutet. Das bedeutet aber für mich gleich­zeitig, dass es bei einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens auch einen notwendigen Ersatz von Kosten geben muss, denn dazu sind wir als Rechtsstaat all jenen Menschen verpflichtet, die sich zum Teil jahrelang einem Ermittlungsverfahren stellen müssen.

Dass wir ein ungerechtes System hatten – und nach wie vor würde ich mir eigent­lich einen kompletten Kostenersatz wünschen –, hat man ja auch schon vor zehn Jahren gesehen, als es die Tierschützer:innenprozesse gab. Da wurden die Tier­schützer:innen teilweise in den finanziellen Ruin getrieben und am Ende frei­gesprochen. Alle haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass es eine Erhöhung des Kostenbeitrags braucht, aber geschehen ist nichts.

Ich erinnere daran: Es waren ÖVP-Justizminister zur damaligen Zeit, und es war auch die ÖVP, die das damals nicht wollte. Ich freue mich aber wirklich, dass es gelungen ist – und da danke ich auch dem Finanzminister, der das erkannt hat –, dass wir von den 2,5 Millionen Euro, die der Justiz zur Verfügung gestanden sind, jetzt auf 70 Millionen Euro erhöht haben. Vielleicht gelingt es uns in der Zukunft, dass wir es noch weiter erhöhen. Ich glaube, dass das für den Rechts­staat wichtig ist. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Und ja, es ist nicht jedes Verfahren gleich. Es gibt aber Verfahren, die lange dauern und sehr komplex sind. Genau dazu haben wir uns mit dem Österreichi­schen Rechtsanwaltskammertag zusammengesetzt, um einmal auszurechnen, was ein komplexes Verfahren bedeutet und was es insbesondere finanziell bedeutet.

Deswegen haben wir auch diese Unterscheidung getroffen: Verfahren vor einem Bezirksgericht, Verfahren vor einem Landesgericht, Verfahren vor einem Einzel­richter, Verfahren vor einem Geschworenen- oder Schöffengericht. Bei einem besonders komplexen Verfahren vor einem Geschworenen- oder Schöffen­gericht gibt es einen Ersatz von bis zu 60 000 Euro.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 219

Es gibt jetzt auch – und das halte ich schon für wichtig, weil es Ermittlungsver­fahren gibt, die lange dauern, und da braucht es meines Erachtens auch einen Ersatz – für das Ermittlungsverfahren erstmalig einen Ersatz von bis zu 6 000 Euro und bei besonders komplexen Verfahren von bis zu 12 000 Euro. Ich glaube, dass das ein wichtiger Schritt, ein Riesenerfolg für den Rechtsstaat und auch für die Betroffenen ist.

Vielleicht gelingt es uns in der Zukunft wirklich, dass wir diese zur Verfügung gestellten 70 Millionen Euro um weitere Millionen erhöhen, damit wir zu einem tatsächlichen Kostenersatz sowohl bei Einstellungen als auch bei Freisprüchen kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

15.39


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.

Es gibt eine weitere Wortmeldung: Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


15.39.11

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum einen möchte ich nur kurz, Herr Kollege Himmer, das Schmunzeln von Frau Kittl erklären: Das Schmunzeln war nicht auf diesen Fall bezogen. Ich habe auch großen Respekt, dass du deinen Fall, den wir natürlich alle kennen – es ist ja kein Geheimnis –, hier dargestellt hast. Das ist nicht selbstverständlich. Ich finde es sehr mutig, dass du das gemacht hast, und den Fall sehr interessant. Das Schmunzeln war allerdings darauf bezogen, dass man das früher, in anderen Legislatur­perioden, immer abgelehnt hat und jetzt sozusagen als gerechte Handlung sieht. Darauf war das Schmunzeln bezogen. Ich glaube, da gab es ein Miss­verständnis.

Ich möchte nur eines unbedingt sagen, weil mir das als Bundesrat und als Mitglied der Legislative wirklich wichtig ist: Wenn wir hier stehen und als


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 220

Bundesrät:innen reden, dann sollten wir Dinge, die passieren – Dinge, die vielleicht auch juristisch ein Thema sind –, politisch bewerten. Dazu sind wir auch da. Wir sind allerdings nicht dazu da, sie juristisch zu bewerten. Wir sind nicht dazu da, die Frage zu beantworten: Wer ist ein Justizopfer, wer ist kein Justizopfer? Wir sind nicht dazu da, etwas als gerecht oder ungerecht zu benennen, einen Schuldspruch oder einen Freispruch zu fällen – das ist nicht unsere Aufgabe.

Vor dem Parlament, unten bei der Pallas Athene, gibt es eine Figur, die die Judikative darstellt, und eine, die symbolisiert: Wir sind die Legislative. Das sind zwei getrennte Aufgaben – und ich finde, das sollten wir uns alle immer ganz wesentlich vergegenwärtigen: Wir können politisch beurteilen, aber wir sind hier nicht die Justiz. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

15.40


Vizepräsident Dominik Reisinger: Eine weitere Wortmeldung: Herr Kollege Schennach. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


15.41.08

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Ja, es ist eh gut, wenn die ÖVP zu murren anfängt, denn es geht um Kollegen Himmer. Ich habe das vorhin vergessen und möchte es nachholen. Du hat etwas Unerhörtes gesagt: Du hast gesagt, du bist froh, wenn es wieder jemanden Parteiunabhängigen im Justizministerium gibt.

Ich habe weder etwas mit der Justizministerin zu tun noch mit euch, aber eines muss man sagen: So, wie die Frau Justizministerin ihr Ressort geführt hat, da könnt ihr euch alle etwas abschneiden. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ich denke: Sei so couragiert und entschuldige dich für diese flapsige Bemerkung! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kittl. – Zwischenrufe der Bundesräte Steiner und Leinfellner.)

15.41



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 221

Vizepräsident Dominik Reisinger: Es gibt eine weitere Wortmeldung. – Bitte.


15.42.08

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Entschuldige, ich glaube, ich habe völlig klargemacht – das, was ich zum Ausdruck bringen wollte, ist ganz einfach –: Ich möchte in keiner Art und Weise in irgendeiner Form die Frau Minister persönlich beleidigen. Es war mir wichtig, das zu sagen – und das andere ist eine politische Bewertung.

Auch weil ich das zuerst gehört habe, weil ich das mit den Kindern gesagt habe: Ich habe auch nicht gemeint, dass die Frau Ministerin an den Herd gehen soll. Um Gottes willen! Ich wollte ihr einfach persönlich alles Gute wünschen – und das andere ist eine politische Bewertung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.42 15.42.45


Vizepräsident Dominik Reisinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.43.1015. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Genossenschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das Genossenschaftsinsolvenzgesetz,


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 222

das Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, das Genossenschaftsspaltungs­gesetz und das Unternehmensgesetzbuch geändert werden (Genossenschafts­rechts-Änderungsgesetz 2024 – GenRÄG 2024) (4123/A und 2622 d.B. sowie 11571/BR d.B.)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Ich bitte um den Bericht.


15.43.37

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Genossenschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Firmenbuch­gesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das Genossenschafts­insolvenz­gesetz, das Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, das Genossenschafts­spaltungs­gesetz und das Unternehmensgesetzbuch geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. 15.44.30


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zur Debatte liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie wieder Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 223

erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.44.5616. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (4131/A und 2623 d.B. sowie 11536/BR d.B. und 11572/BR d.B.)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist wiederum Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Ich bitte um den Bericht.


15.45.19

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 224

15.46.12

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es hat sich irgendwie ein bissl eine Unart in diese Regierung eingeschlichen: nämlich Dinge im stillen Kämmer­lein mit Stakeholdern zu besprechen – und sie möglichst schnell, rasch und unerkannt (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder) an diesem Haus vorbeizu­führen. Die gehen in einen keinen Ausschuss hinein – na ja, es ist schon angenehmer. Bevor man eine Begutachtungsfrist einhält, bevor man im Parlament Rede und Antwort stehen muss, ist es klasse, irgendwo im Kammerl zu sitzen und etwas mit seinen drei, vier, fünf Experten zu besprechen und es dann in Form eines Abänderungsantrages einzubringen.

Worum geht es bei diesem Wohnungseigentumsgesetz jetzt tatsächlich? – Es geht darum, bei irgendwelchen Balkonkraftwerken Nachbarschaftsrechte außer Kraft zu setzen, dass man keinen mehr fragen muss. Wichtig ist, dass man jetzt in den letzten paar Tagen oder Wochen noch eine Änderung schafft, durch die man die Umwelt retten möchte – mit irgendwelchen 0,8-kW-Kraftwerken, und der Nachbar darf nicht mehr mitreden.

Na, das würde ich mir wünschen, wenn jemand eine Funkantenne oder einen Satellitenspiegel anbringen will, sein Haus –ich weiß nicht – grün, blau oder rot streichen oder einen Zaun bauen möchte. Na, das schaue ich mir an, dass die Nachbarn da nirgends mitreden dürfen! Bei den Balkonkraftwerken, da schaffen wir es jetzt aber. Das Eigentum ist euch allerdings nichts wert.

Ich erinnere nur daran, was passiert ist: Die Leerstandsabgabe wurde eingeführt. Ich bin ja wirklich froh, dass sich inzwischen einige Rechtsanwälte gefunden haben, die sagen: Na, das schauen wir uns an, wie es mit den Eigentumsrechten da tatsächlich ausschaut! Da bin ich wirklich gespannt. Wenn die Verfahren einmal abgeschlossen sind, wird das der Zeitpunkt sein, an dem wir auch diese Leerstandsabgabe wieder zurücknehmen. (Bundesrat Schreuder: Atmen, atmen!)


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 225

Wie das mit den Balkonkraftwerken ausschauen wird, das werden wir uns auch noch anschauen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dieses Gesetz ist auf jeden Fall abzulehnen! Husch-Pfusch wie fast alles aus diesem Haus. (Beifall bei der FPÖ.)

15.48


Vizepräsident Dominik Reisinger: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


15.48.20

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes: Seit 2022 gilt: Will die Mehr­heit der Wohnungseigentümer:innen – also die Mehrheit, nicht wie üblich alle – Solaranlagen auf Gemeinschaftsflächen, ist das möglich und kann nur beeinsprucht werden, wenn es einer Eigentümerin oder einem Eigentümer unverhältnismäßig Nachteile bringt. Das heißt, es braucht nicht die Zustimmung aller Wohnungseigentümer:innen im Haus – und wir wissen, die ist auch nicht so leicht zu bekommen, weil selten alle Eigentümer:innen erreichbar sind.

Nach Ansicht der Rechtsprechung ist diese Regelung aber eben nicht auf einzelne Wohnungseigentümer:innen anwendbar, wenn es zum Beispiel darum geht, PV-Anlagen auf Balkonen, Terrassen oder auch Dächern von Reihen­häusern anbringen zu wollen. Die bräuchten noch die Zustimmung aller Wohnungseigen­tümer:innen. Diese Lücke – und es ist tatsächlich eine Lücke – schließen wir nun mit dieser Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes. Ab nun braucht es für ein kleines Sonnenkraftwerk nicht einmal mehr die Zustimmung der Wohnungseigentümer:innen, sondern es reicht die Information an die Wohnungs­eigentümer:innen, dass man eine PV-Anlage installieren möchte. Wenn diese nicht innerhalb von zwei Monaten darauf reagieren, gilt es als Zustimmung. Widersprochen werden darf nur aus wichtigen Gründen.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 226

Das ist eine kleine Gesetzesänderung, aber es ist eine wichtige Gesetzes­änderung, denn auch viele, viele kleine Schritte oder eben viele kleine Balkonkraftwerke leisten ihren Beitrag zur Steigerung der Produktion von erneuerbarer Energie.

Ein kleiner Exkurs: 2023 wurden bereits 87 Prozent des Stroms in Österreich mittels Erneuerbarer erzeugt, mittels Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse, und durch die erfolgreiche Förderung und den Wegfall der Umsatzsteuer auf Solaranlagen liegen schon auf über 420 000 Dächern Sonnenpaneele. Das ist wirklich ein Erfolg. (Beifall bei den Grünen.)

Auch 2023 wurden 2,6 Gigawatt nur an neuen PV-Leistungen gebaut – das versorgt 700 000 Haushalte –, und es sind in diesem einen Jahr mehr PV-Anlagen gebaut worden als in sämtlichen Jahren vor dieser Regierungsperiode. (Beifall bei den Grünen.)

Heute geht es darum, die eigene Stromproduktion für die Menschen, die in Wohnungseigentumsobjekten leben, zu erleichtern, und dafür braucht es eigentlich nur PV-Paneele und eine Steckdose, nicht mehr.

Liebe SPÖ – pardon, FPÖ (Bundesrätin Schumann: Immer habt ihr es mit uns!), ich muss schon sagen – auch angesichts dessen, was Sie im Ausschuss gesagt haben –: Ich finde es höchst populistisch und eigentlich auch sehr naiv, wenn man da von der Gefahr von brennenden Häusern spricht, denn erstens geht es, wir haben es hier schon einmal gehört, um maximal 800-Watt-Anlagen, und zweitens: Haben Sie schon einmal etwas von Sicherungen in diesen Häusern gehört? (Bundesrat Spanring: 2,5 Kilowatt ...!)

Ganz im Gegenteil, so ein kleines Kraftwerk bringt klarerweise Kostenersparnis beim Strom und macht uns unabhängiger von diktatorischem Gas und Öl aus Russland. Aber auch das will die FPÖ scheinbar nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Daher ist sie dagegen und unterstützt damit die Kriegstreiberei in Russland


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 227

(Bundesrat Spanring: Die Kriegstreiber seid schon ihr!); und es ist ihr auch egal, ob wir in der Energiewende vorankommen oder nicht.

Uns Grünen ist das aber nicht egal. (Beifall bei den Grünen.) Daher freuen wir uns auch über diese kleine Änderung im Wohnungseigentumsgesetz, denn sie rückt das Ziel der Stromerzeugung zu 100 Prozent aus erneuerbarer heimischer Energie in greifbare Nähe. Das tut uns gut und nicht der russischen Kriegs­kassa. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

15.52


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Viktoria Hutter zu Wort. Ich erteile ihr dieses.


15.52.47

Bundesrätin Viktoria Hutter (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In diesem Tagesordnungspunkt geht es um Balkonkraftwerke. Es geht darum, wieder ein Stück weiter in Richtung Energieunabhängigkeit, in Richtung Energiewende zu kommen. Wir erleichtern heute mit der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes die Errichtung von Balkonkraftwerken, wie Kollegin Kittl schon ausführlich erläutert hat.

Dass die Kollegen von der FPÖ wieder einmal nicht zustimmen, ist nicht verwunderlich, wollen sie ja einerseits die Energieversorgung durch Russland nicht schwächen, und andererseits bin ich mir leider auch nicht sicher, ob alle wissen, oder sagen wir besser, akzeptieren, dass es den Klimawandel gibt und dass die Auswirkungen uns auch wirklich alle betreffen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dass Sie wenig Interesse an diesem Thema haben, haben wir ja leider auch schon bei der Besichtigung der Sonnenwelt in Großschönau gesehen, die unsere Margit Göll im Rahmen der Exkursion Bundesrat im Bundesland organisiert hat, wo ja alle FPÖ-Bundesräte durch Abwesenheit geglänzt haben. (Bundesrätin


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 228

Schumann: Nein, es stimmt nicht, es war einer mit!) – Nein, in der Sonnenwelt war niemand mit.

Jeder noch so kleine Beitrag hilft uns im Kampf gegen den Klimawandel, jeder noch so kleine Beitrag trägt zur persönlichen Energieunabhängigkeit bei – und all jenen, die einen Balkon oder eine Terrasse haben, wird eben mit dieser Gesetzes­änderung die Installation solcher Mini-PV-Anlagen wesentlich erleichtert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.54


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Manfred Mertel zu Wort. Ich erteile es ihm.


15.54.42

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Vizepräsident aus Oberösterreich, da sind wir stolz, als Kärntner! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Schreuder: Unser Lieblings­jurist aus Kärnten!) Frau Bundesministerin Dr. Zadić! – Heute ist es das letzte Mal, dass Sie mich sehen.

Heute ist so ein Glückstag für mich: Ich habe immer das Glück, nach so tollen, kompetenten Damen sprechen zu dürfen. Inhaltlich kann ich gar nichts mehr dazu sagen. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrätin Schumann: Manfred, Manfred! – Bundesrat Spanring: Musst du Fernsehen schauen? – Ruf bei der FPÖ: ... emotional!) Wir werden auch dazu die Zustimmung erteilen, Frau Ministerin.

Ich muss aber jetzt natürlich auch meinem Kollegen Leinfellner recht geben, weil ich als Jurist ebenfalls die Verfassung liebe. Die Verfassung ist im Studium fast mein Lieblingsgegenstand gewesen, und da möchte ich schon einmal streng sein und sagen, was ich Ihnen schon beim letzten Mal gesagt habe, nämlich dass wir in diesem Haus doch wieder zu normalen Gesetzgebungsbegutachtungsverfahren zurückkehren sollten.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 229

Ich weiß, dass das jetzt eine Initiative war, die vielleicht alle erfasst und die kurzfristig zu machen war, aber ich möchte die Gelegenheit schon nützen, darauf hinzuweisen, dass wir in einem Parlament alle Interessenvertretungen mitnehmen sollten, und die Interessenvertretungen haben Mitglieder, und alle haben eigent­lich auch das Recht, ihre Stellungnahme zu einem Gesetzgebungsprozess abzugeben beziehungsweise ihre Meinung zu äußern. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Das zu sagen ist mir deswegen wirklich ein Bedürfnis, weil ich es in letzter Zeit wiederholt gesehen habe. Ich war selbst oft als Jurist tätig und möchte anmerken, dass wir oft Finanzausgleichsgesetze zur Begutachtung bekommen haben und uns eine Begutachtungsfrist von drei Tagen gesetzt worden ist, wobei die Unterlagen so umfangreich waren, dass ich sie in den drei Tagen nicht einmal hätte durchblättern können. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Dementsprechend, glaube ich, sollten wir gemeinsam die Demokratie ernst nehmen, und ich glaube auch, da einen guten Vergleich zu haben. Sie wissen, für mich ist oft das Bild das Wichtigste. Wir haben jetzt die Fußballeuropameister­schaft (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ), und das Finale ist am Sonntag. Besonders wichtig für mich ist, dass da eine Mannschaft im Finale steht, die dieses Gemeinsame gelebt hat, dieses Gemeinsame der Generationen (Bundesrat Schennach: Spanien!), und das ist Spanien. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schreuder: Sei vorsichtig, ...!) – Nein, ich wollte das nur beispielhaft sagen, als Beispiel für uns. (Bundesrat Schennach: Jetzt kommt ein ...!)

Wenn der Abwehrspieler Navas älter ist als Yamals Vater, dann zeigt das, dass da junge und ältere Generationen gut miteinander harmonieren. (Bundesrätin Schumann: Bravo!) Ich wünsche mir, dass diese Mannschaft Europameister wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Eder und Himmer.) Warum? – Weil sie dann eine Vorbildnation im Fußball wäre, sodass man sagt, wir müssen miteinander leben. Das sehe ich auch hier im Bundesrat immer: Dass wir junge, tüchtige Damen und Herren und sehr versierte und erfahrene Menschen haben.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 230

In diesem Zusammenhang – Frau Ministerin, ich komme zu Ihnen – finde ich, dass wir nicht mehr erfolgreiche Egoisten in unserem Land brauchen, sondern dass wir Menschen brauchen, die Friedensstifter sind, die positive, verbindende Charaktere sind. In diesem Sinne möchte ich Ihnen ein gutes Zeugnis ausstellen, sofern es mir als älterem Menschen erlaubt ist, einer jungen Frau ein gutes Zeugnis auszustellen. (Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrätin Schumann: Doch!)

Ich bedanke mich für Ihr Engagement für Österreich, auch das sei gesagt. In diesem Sinne sind Sie, glaube ich, ein tolles Vorbild für alle unsere Frauen, die wir hier haben. In diesem Sinne darf ich Ihnen das überreichen. (Der Redner überreicht Bundesministerin Zadić eine Packung Schokolade. – Allgemeine Heiterkeit und Beifall. – Bundesministerin Zadić: Oberösterreichische Pralinen, danke!)

15.58 15.58.46


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.59.2017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (2609 d.B. und 2687 d.B. sowie 11558/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 231

Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Ich bitte um den Bericht.


15.59.40

Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für den Bericht.

An dieser Stelle darf ich Staatssekretärin Plakolm recht herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Wir steigen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Philipp Kohl. Ich erteile ihm das Wort.


16.00.28

Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Zivildienst ist in Österreich eine unverzichtbare Säule, die nicht nur in verschiedenen Einrichtungen, sondern auch in der Gesellschaft von großer Bedeutung ist.


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Die Facetten des Zivildienstes sind vielfältig und reichen von der Unterstützung in sozialen Einrichtungen bis zur Entlastung des Pflege- und Sozialsektors. Der Zivildienst fördert das Gemeinwohl durch Solidarität und soziales Engagement, stärkt den sozialen Zusammenhalt und bietet eine wichtige Alternative zum Wehrdienst.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die aktuelle Novelle zum Zivildienst bringt einige Änderungen mit sich, wie die Möglichkeit, fachärztliche Untersuchungen bei Systemumgehern anzuordnen, sowie die Teilbarkeit des Zivildienstes, und auch das Papamonat wird nun so wie im Wehrrechtsänderungsgesetz berück­sichtigt, um jungen Vätern die Möglichkeit zu geben, Zeit mit ihren Neugebo­renen zu verbringen.

Insgesamt spielt der Zivildienst eine unverzichtbare Rolle in Österreich, indem er sozialen Einrichtungen und der Gesellschaft insgesamt zugutekommt, die persönliche Entwicklung fördert und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts beiträgt.

Ich danke hiermit allen Zivildienern für ihren wertvollen Einsatz und ihr Engagement für das Gemeinwohl. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

16.02


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Der nächste Redner ist Herr Bundesrat Daniel Schmid. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Schennach: Nett reden über Zivildiener!)


16.02.17

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die neuen Änderungen des Zivildienstgesetzes ermöglichen es den Zivildienern, ihren Dienst besser mit persönlichen oder familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen.


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Die Flexibilität ist ein wichtiger Schritt, da sie den individuellen Bedürfnissen der Dienstleistenden, der Zivildiener gerecht wird. Besonders hervorheben möchte ich die Einführung des Papamonats für Zivildiener, die grundsätzlich positiv zu bewerten ist.

Zivildiener spielen ja eine zentrale Rolle im Rettungs- und Pflegewesen. Etwa 40 Prozent der Zivildiener sind im Rettungsbereich beschäftigt, gefolgt von Sozialhilfe, Hilfe für Menschen mit Behinderung und Betreuung von älteren Menschen. Auch in Kindergärten leisten die Zivildiener sehr wertvolle Unterstützungsarbeit.

Organisationen wie das Rote Kreuz und der Samariterbund betonen regelmäßig die immense Bedeutung, die die Zivildiener für ihre Arbeit haben. Im vergan­ge­nen Jahr haben die Einrichtungen einen Bedarf von 16 300 neuen Zivildienern gemeldet. Das sind knapp 90 Prozent Abdeckung.

Studien der Wirtschaftsuniversität Wien zeigen, dass die positiven Auswirkun­gen des Zivildienstes überwiegen. Demnach generiert der Zivildienst einen finanziellen Mehrwert von fast 680 Millionen Euro und unterstützt junge Menschen bei ihrer Berufsentscheidung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Miesenbacher.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte hier ein Beispiel aus meiner Familie erwähnen: Ich selber war nie im Zivildienst, ich habe ganz normal den Wehrdienst abgeleistet, bin nachher den Weg des Unteroffiziers gegangen, habe den Ausbildungsweg des Unteroffiziers eingeschlagen, und meine grundsätzliche Einstellung zum Zivildienst war zur damaligen Zeit eher ein bissel anders, als sie heute ist.

In meiner Familie habe ich dann Familienmitglieder gehabt, die nicht den Weg eingeschlagen haben, den ich eingeschlagen habe, sondern die gesagt haben: Nein, wir machen nicht den Wehrdienst, wir gehen in den Zivildienst! – Ich habe


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das damals ein bissel naserümpfend beobachtet, habe mir gedacht: Was ist mit denen los? – So.

Die haben das gemacht. Die haben das gemacht, und ich habe durch diese zwei Familienmitglieder erleben dürfen, was für eine großartige Arbeit die Zivildiener machen – wirklich großartige Arbeit, Arbeiten, bei denen ich mir für mich selber gar nicht vorstellen kann, dass ich sie machen kann.

Jetzt komme ich zurück zur Unterstützung: wie das die Menschen, die jungen Menschen, bei der Wahl des Berufs unterstützt. Einer meiner Cousins hat die HTL für Maschinenbau und Fertigungstechnik besucht, hat dann nach dem Abschluss in weiterer Folge den Zivildienst bei der Lebenshilfe Tirol absolviert, und auf Basis der Erfahrungen, die er damals bei der Lebenshilfe gemacht hat, hat er sich entschieden, die Ausbildung am Institut für Sozialpädagogik in Stams zu absolvieren. Und heute? – Heute arbeitet er als Sozialbetreuer für Behin­dertenarbeit und Behindertenbegleitung in Wien. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Ein weiteres Beispiel aus meiner Familie ist ein Großcousin. Er hat eine Lehre gemacht, eine Handwerkerlehre, ganz normal, und ist nach der Handwerker­lehre – damals eigentlich auch zu meiner Überraschung – in den Zivildienst gegangen, hat den Zivildienst abgeleistet, auch bei der Lebenshilfe Tirol, und auch bei ihm haben die Erfahrungen in dieser Organisation, in dieser Insti­tution dazu geführt, dass er sich entschieden hat, eine Ausbildung zu absol­vieren. Heute arbeitet er als Coach für Jugendliche in der beruflichen Integration.

Diese beiden Beispiele zeigen, welch positive Auswirkung der Zivildienst auf Berufsentscheidungen hat; aber nicht nur das, sie zeigen auch, dass Menschen, die – wie ich damals – eigentlich eine negative Einstellung zum Zivildienst haben, eine ganz andere Einstellung dazu bekommen können. Ich bin heute froh und glücklich, dass wir diesen Zivildienst haben.


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Die aktuelle Gesetzesänderung bietet Zivildienern eben mehr Flexibilität, um ihren Dienst besser mit persönlichen oder familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Dies ist besonders in der heutigen Zeit von großer Bedeutung, da sich die Lebensumstände und Bedürfnisse der Menschen ja ständig ändern.

Trotz dieser positiven Entwicklung ist es aber wichtig, die Herausforderungen zu erkennen, die beispielsweise mit der Einführung des Papamonats einhergehen. Sehr geehrte Damen und Herren, da gilt es, auch weiterhin im regen Austausch mit den entsprechenden Organisationen und Institutionen zu bleiben, ein offenes Ohr für sie zu haben.

Der Bedarf an Zivildienern steigt. Sie sind mittlerweile unverzichtbar, denn ohne sie könnten viele Organisationen, viele Institutionen ihre Aufgaben nicht erfüllen. Dennoch bleibt die strukturelle Problematik im Gesundheitssystem bestehen. Der Einsatz von Zivildienern kann diese Probleme keinesfalls nachhaltig lösen. Es ist daher wichtig, dass die zukünftige Regierung die Ursachen für den Personalmangel, insbesondere im Gesundheits- und Sozialbereich, langfristig angeht und eben nicht nur Symptome bekämpft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sozialdemokratie wird gemeinsam mit dem künftigen Bundeskanzler Andreas Babler (Heiterkeit bei der ÖVP – Bundesrat Schennach: Wo ist er? Wo ist der Steiner?) dieser staatspolitischen Verantwortung gerecht werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Er ist gar nicht da! – Bundesrätin Schumann: Wo ist der Kollege Steiner? Ist auch wieder nicht da! – Ruf bei der ÖVP: Bundesrat Babler!)

Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließen! Abschließend möchte ich festhalten, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Fortschritte, die durch diese Novelle erreicht werden, anerkennen und der Änderung des Zivildienstgesetzes zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.09


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.


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Für eine Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


16.09.43

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Herr Vorsitzender! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich wollte eigentlich zu Beginn sagen, dass ich alles von den Mitgliedern des Bundesrates, die sich hier zu Wort gemeldet haben, Gesagte nur unterstreichen kann; ich unterstreiche vieles, aber nicht alles – ich glaube, da wären wir uns einig. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit des Bundesrates Tiefnig.)

Das ist aber schon eindeutig gefallen: Der Bedarf an Zivildienern ist in den letzten Jahren sehr stark gestiegen. Die große Herausforderung, in der wir mittendrin stehen, ist, dass aktuell geburtenschwache Jahrgänge bei der Stellung zum Zug kommen – genau in diesen Jahren –, das die Situation definitiv nicht leichter macht und wir genau aus diesem Grund den Zivildienst laufend weiterentwickeln, laufend weiter anpassen und attraktiveren müssen.

Man darf eines nicht vergessen: Bei den Zivildienern handelt es sich um eine essenzielle Stütze – nicht nur in den Einrichtungen, in denen sie zum Einsatz kommen, sondern insbesondere in der gesamten Gesellschaft. Zivildiener sind in erster Linie mit vulnerablen Gruppen im Einsatz, und oftmals ist es auch der erste Berührungspunkt von jungen Männern mit dem Sozialbereich, mit dem Gesundheitsbereich, mit der Pflege, wie bereits erwähnt worden ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit der Novelle des Zivildienstgesetzes stärken wir den Zivildienst an sich, machen ihn flexibler und trauen den Zivildienern am Ende des Tages auch mehr zu; wir geben ihnen mehr Verantwortung – auch das ist eine ganz wesentliche Attraktivierung.

Auf die einzelnen Bestandteile der Novelle ist bereits eingegangen worden – vielleicht noch einmal im Schnelldurchlauf: Eine Teilung des Zivildienstes ist


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künftig in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen im Einvernehmen mit den Einrichtungen möglich; auch eine stundenweise Freistellung – bisher konnte sie nur tageweise in Anspruch genommen werden – wird künftig möglich sein; der Papamonat genauso, wie das bereits mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz geändert wurde.

Wir haben eine Handhabe gegenüber Systemverweigerern geschaffen, die einen gesundheitlichen Grund vorschieben, obwohl sie einer beruflichen Tätigkeit, vielleicht sogar einer Selbstständigkeit, nachgehen. Da kann dann in begründeten Fällen die Zivildienstserviceagentur auch hergehen und einen Facharzt beauf­tragen, dass er noch einmal ein gesundheitliches Gutachten macht.

Durch eine entsprechende Befähigung ermöglichen wir Zivildienstleistenden auch einen unbeschränkten qualifizierten Einsatz – das ist zum Beispiel im Rettungswesen bereits der Fall.

Wir wissen, dass wir in sämtlichen Bereichen, in denen Zivildiener zum Einsatz kommen, einen enormen Fachkräftemangel haben; deswegen ist aus meiner Sicht der Zivildienst auch ein wichtiges Sprungbrett – ein Headhunter, wenn man so will –, damit wir mehr Männer in diese Mangelberufe bekommen, damit es für junge Burschen attraktiver wird, Ausbildungen zu starten. Man sieht ja anhand der sehr persönlichen Geschichten, dass doch beim einen oder anderen aufgrund des Zivildienstes dann ein anderer Bildungsweg, ein anderer Lebens­weg eingeschlagen wurde. Ich glaube, dort und da würde uns ein ausgegliche­neres Geschlechterverhältnis auch nicht schlecht tun.

Ich möchte mich ganz herzlich bedanken, weil diese Verbesserungen nur aufgrund der guten Zusammenarbeit möglich sind, die wir parteiübergreifend in den intensiven Verhandlungen, auch im Rahmen der Begutachtungsphase, hatten. Ich möchte mich explizit auch beim Verteidigungsministerium bedan­ken – wir haben in den letzten Jahren eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen Verteidigungsministerin und mir als Staatssekretärin in meiner Zustän­digkeit für den Zivildienst gehabt; das ist einmalig und war in den Jahren zuvor


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in dieser Art und Weise nicht selbstverständlich – und natürlich auch bei den Expertinnen und Experten in der Zivildienstserviceagentur. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.13 16.13.21


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank für die Stellungnahme.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.13.4918. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz geändert wird (4092/A und 2664 d.B. sowie 11584/BR d.B.)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Ich ersuche um Ihren Bericht.


16.14.10

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz geändert wird.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich erteile ihr dieses.


16.14.55

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir befinden uns in einer Welt, die immer digitaler wird – ich glaube, das muss ich Ihnen hier herinnen nicht erklären –, auch deswegen kommt es zu dem heutigen Gesetzesbeschluss, und deswegen habe ich das zum Anlass genommen, meine Rede heute einmal nicht auszudrucken, sondern sie hier am Tablet zu haben.

Ob digitaler Meldezettel, Wahlkarte beantragen oder gar ein Unternehmen gründen: All das wird in Zukunft auch einfach und digital möglich sein. Ich freue mich, dass wir heute einen weiteren Schritt zu einer digitalen Verwaltung mit all ihren Vorteilen beschließen.

Fast jeder hat einen Computer, ein internetfähiges Handy und kann somit in Zukunft oft mühselige Behördenwege von zu Hause aus erledigen. Wichtig ist mir, zu betonen, dass es bei einem Kann bleiben muss: Es muss also weiterhin sichergestellt sein, dass man auch per Telefon, per Post oder einfach persönlich einen Antrag stellen kann.


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Es gibt auch bereits das Tool der ID Austria. Alle, die das noch nicht haben, bitte kurz aufpassen, denn auch das vereinfachen wir in Zukunft: Wenn man bei der Erstellung eines Passes oder eines Führerscheins bereits ein Foto hinterlegt hat, muss man das nicht mehr extra mitbringen und kann die ID Austria somit noch einmal einfacher beantragen.

Es geht aber nicht nur um eine Vereinfachung in der Digitalisierung für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch in der Kommunikation der Bundes­einrichtungen. So kann in Zukunft vieles über den digitalen Weg ausgetauscht und somit einiges an Papier gespart werden.

So möchte ich auch schon mit einem Zitat enden: „Die Digitalisierung geht nicht ‚vorbei‘, sie ist nicht irgendein technologischer Trend. Vorbeigehen wird höchs­tens der Gedanke daran, dass sie vorbeigeht.“ – Daher freue ich mich sehr, dass wir heute hier einen weiteren Schritt in die digitale Zukunft gehen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

16.16


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


16.17.02

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Das ist eine ziemlich eindeutige und einheitliche Angelegenheit, das kann ich wirklich sehr, sehr kurz machen.

Die gesamte Regelung ist praxisorientiert und erscheint uns auch relativ betrugs­sicher, mit einer ganz, ganz kleinen Einschränkung: Das ist das „ersetzende Scannen“, nämlich dass ein „Scanprodukt an die Stelle des Originalaktes treten kann“. Da müssen wir schauen, wie sich das bewährt, das könnte unter Umständen ein Problem sein. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass es in der öffentlichen Verwaltung die Akten auch analog gibt, das heißt, wir haben


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beides – ein duales System. Das ist wichtig, um alle gesellschaftlichen Gruppen daran teilnehmen zu lassen.

Was vor allem ganz wichtig ist, ist die Wahlfreiheit bei den Kommunikations­arten. Das heißt, auf der einen Seite habe ich das Recht auf elektronischen Verkehr, aber ich kann auch eine physische Antragstellung per Post oder tele­fonisch machen. Das ist in einem Übergang so der Fall.

Uns scheint das alles sehr schlüssig, und deshalb stimmen wir dem auch sehr gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Tiefnig.)

16.18


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. – Bitte, Sie gelangen zu Wort.


16.18.46

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Kollegen aus dem Bundesrat! Liebe Kollegen hier und zu Hause! Grüß Gott! Diesmal wird es mir wirklich einfach gemacht – alle meine Vorredner haben in Wahrheit das Gleiche gesagt –: Wir begrüßen natürlich die Digitalisierung, wir müssen aber danach trachten, dass der alte, analoge Weg auch immer aufrecht bleibt.

Das hat auch nichts mit dem Alter zu tun. Man sagt immer, die Alten können das nicht – das ist Unsinn, die können das genauso gut, es will nur nicht jeder so agieren. Wir wollen uns ja nicht unbedingt in die digitale Welt hineinziehen lassen. Das hat auch nichts mit der „Kreidezeit“ zu tun, wie euer Kollege, der jetzt wahrscheinlich schon den Urlaub angetreten hat und nicht mehr im Saal ist, gesagt hat. – Danke schön, auf Wiedersehen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.


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Nächster Redner ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Sie gelangen zu Wort. (Bundesrat Schennach: Der Steiner ist schon auf Urlaub? Was hat er gesagt? – Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Kofler – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Nein, der Kreidezeit..., der Professor ist schon! – Bundesrat Schennach: Ich hab’ ver­standen, der Steiner ist schon auf Urlaub! – Bundesrat Schreuder – auf dem Weg zum Redner:innenpult, erheitert –: So, ist der Dialog beendet?)


16.19.53

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Herrn Kofler insofern beruhigen, weil eigentlich genau das mit diesem Gesetz passiert: Zu jedem digitalen Weg wird immer auch eine andere Kommuni­kationsform festgeschrieben, die nicht digital ist. Das halte ich für ganz wichtig.

Eines finde ich in so einem Fall immer ganz interessant – ich weiß, ich habe diesen Satz schon sehr oft gesagt –: Wer immer Digitalisierungspolitik macht, muss sich wirklich vergegenwärtigen – da wird einem bewusst, in welchem historischen Moment wir eigentlich leben –, dass wir die letzte Generation sind, die sowohl die analoge als auch die digitale Welt gekannt haben wird. (Bundes­rat Schennach: Und deshalb wählen wir!)

In Zukunft wird es die digitale Welt geben, und wir haben dafür auch sehr viel getan: Es gibt jetzt digitalen Grundunterricht in der Schule, und wir tun ja alles dafür, dass die Menschen in diesem Bereich fit werden. Was man tatsächlich nicht wissen kann, ist natürlich, ob es auch in Zukunft Menschen geben wird, die sich der digitalen Welt einfach verweigern – das kann ja durchaus sein. Damit wird man leben und Kommunikationswege eröffnen müssen.

Alles in allem möchte ich hier aber schon auch einmal abfeiern, dass Österreich tatsächlich – wenn es um die digitale Verwaltung geht – internationaler Spitzenreiter ist und ganz, ganz viele Länder genau darauf schauen, wie wir das hier in Österreich machen. (Beifall bei den Grünen.)


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Das Digitale Amt hat mittlerweile über zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzer und Finanzonline hat mittlerweile fast sechseinhalb Millionen Nutzerinnen und Nutzer, glaube ich. Das sind schon gewaltige Zahlen, die zeigen, wie das ange­nommen wird und wie gerne das auch gemacht wird. Wer schon einmal einfach nur einen Meldezettel online ausgefüllt hat und nicht mehr aufs Amt gehen musste, wird sehr froh gewesen sein, dass das möglich gewesen ist. (Bundesrat Schennach: Aber im Amt sind nette Menschen!)

In diesem Sinne freuen wir uns über diese Möglichkeit und auch darüber, dass unser Handy demnächst auch ein Lichtbildausweis sein kann. Man kann also nur zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Miesenberger.)

16.22


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


16.22.17

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Seniorenvertreterin muss ich mich bei diesem Tagesordnungspunkt zu Wort melden, da wir ja alle gesagt haben: analog und digital. Das ist uns wirklich ganz, ganz wichtig. (Bundesrat Schennach: Für die Senioren!) Ich bin sehr froh, dass es dazu einen Antrag im Nationalrat gegeben hat und dass wir das heute so beschließen, denn wir wollen niemanden zurück­lassen.

Ich habe einen Vielleicht-Schwiegersohn aus Deutschland. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik. – Bundes­rat Himmer: Ist er hoffentlich vielleicht?) Er ist immer so begeistert, wie weit wir in Österreich schon sind. Das ist gut und das ist richtig. Auch die Seniorinnen


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und Senioren machen mit Begeisterung mit, es gibt jedoch immer wieder welche, die da nicht mitkönnen. Darum ist es mir wichtig, Frau Staatssekretärin, dass wir diese Sensibilität auch weiterhin walten lassen, alles digital und analog bean­tragen zu können.

Ich möchte mich auch für die Möglichkeit bedanken, dass der Bundesschatz seit letzter Woche unbürokratisch telefonisch und postalisch zugänglich ist, ohne dass dadurch die Konditionen weniger gut sind. (Bundesrätin Schumann: Das haben wir gut gemacht, wir Sozialdemokraten! Ohne uns wäre das nicht gewesen! Das war die Sozialdemokratie!) Es wurde ja immer gesagt, dass das etwas kostet. Jeder kann das jetzt auch telefonisch und postalisch machen und kriegt die gleichen Konditionen, wie wenn er es digital macht. Das war uns als Senioren­vertreterinnen und -vertreter wichtig. Die Regierung hat das erkannt, hat reagiert – dafür ein herzliches Dankeschön. Wir bleiben dran. – Danke für Ihre Unterstützung! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.24


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Für eine Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


16.24.12

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Das E-Government-Gesetz in Österreich feiert heuer ein großes Jubiläum, nämlich den 20. Geburtstag. Damit man ein bisschen ein Gefühl dafür bekommt, wo wir vor 20 Jahren circa gestanden sind, erzähle ich vielleicht ein paar zeitgeschichtliche Anekdoten dazu:

2004 wurde Griechenland Europameister. Unser österreichisches Nationalteam war damals auf Platz 74 der Fifa-Weltrangliste. Zu dieser Zeit haben wahr­scheinlich noch die Wenigsten mit Begriffen wie E-Government etwas anfangen können. Trotzdem wurden damals bereits die notwendigen Schritte gesetzt,


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sodass wir heute als Land im internationalen Vergleich zu den Frontrunnern zählen – und das mit Erfolg im Bereich E-Government.

Die nun vorliegende Novelle steht ganz im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Wir schaffen die rechtlichen Grundlagen für einen weiteren Digitalisie­rungsschub in der Verwaltung und dafür, dass die digitale Transformation auch weitergehen kann. Wir bekräftigen natürlich, dass alle Menschen mitgenom­men und die Werte Selbstbestimmung und Wahlfreiheit auch in dieser Gesetzesnovelle noch einmal unterstrichen werden.

Die einzelnen Änderungen in der Novelle zum E-Government-Gesetz kurz im Überblick: Wir schaffen weiterhin die Wahlfreiheit, dass die Bürgerinnen und Bürger zwischen den Arten der Kommunikation mit Behörden auswählen können. Es muss immer eine Alternative zum elektronischen Weg geben. Innerhalb der Bundesverwaltung soll nach und nach rein elektronisch kommuni­ziert werden und damit auch ein Digitalisierungsschub durch die Verwaltung gehen. Scans ersetzen Papierakten, das spart Platz bei Lagerflächen und natür­lich auch Verwaltungskosten. Die Erleichterungen bei der ID Austria sind bereits angesprochen worden. Ganz wichtig ist die rechtliche Gleichstellung von elektronischen Ausweisen mit haptischen Lichtbildausweisen. Das sorgt für die gleiche Rechtsqualität, für die gleiche Verwendungsmöglichkeit gegenüber Behörden. So kann man sich dann beispielsweise auch bei Wahlbehörden damit ausweisen.

Ich glaube, am Ende des Tages bringt diese Novelle eine deutliche Zeitersparnis für die Bürgerinnen und Bürger und Rechtssicherheit für Wahlfreiheit. Ich freue mich, dass uns das in Österreich einen weiteren Schritt vorwärtsbringt. Danke auch an die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ, die sich im Laufe dieser intensi­ven Beratung davon haben überzeugen lassen, sodass sie dem zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der Grünen.)

16.26 16.26.34


Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.


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Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir zu den nächsten Tagesordnungspunkten kommen, darf ich Herrn Bundes­­minister Johannes Rauch recht herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. – Herz­lich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.27.1319. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird (4117/A und 2658 d.B. sowie 11524/BR d.B. und 11573/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden (4118/A und 2659 d.B. sowie 11574/BR d.B.)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir kommen nun zu den Tagesordnungs­punkten 19 und 20, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 19 und 20 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die


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Berichte.


16.27.46

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz und das Gesundheits- und Ernäh­rungssicherheitsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bettina Lancaster. Ich erteile ihr dieses.


16.28.50

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Ein Qualzuchtverbot ist dringend notwendig, da


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stimmen wir von der Sozialdemokratie mit den Regierungsparteien überein. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Unterschied zu den Regierungsparteien differenzieren wir jedoch nicht zwischen Haustieren und Nutztieren, wir denken sie zusammen. Für uns hat jede Kreatur ein Recht auf Schutz vor degenerativer Züchtung. Es macht keinen Unterschied, ob wir sie uns in die Wohnung holen und als Begleiter fürs Leben bestimmen oder für die Sportausübung brauchen oder ob wir sie in den Dienst unserer Ernährung stellen.

Lebewesen ist Lebewesen, und eine zukunftsfitte Gesellschaft zeichnet sich durch einen respektvollen Umgang mit den Tieren in ihrer Gesamtheit aus. Dies braucht eine belastbare Gesetzesgrundlage, davon sind wir überzeugt. Ich möchte den Mops, der unter ständiger Atemnot leidet, genauso wenig wie den Truthahn, der sich aufgrund angezüchteter Brustmuskelentwicklung kaum mehr auf den Beinen halten kann. (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

(In Richtung Bundesrätin Miesenberger:) Meine geschätzte Kollegin vom Bauern­bund (Bundesrätin Miesenberger – erheitert –: Du glaubst nicht, wie schnell die Truthähne sind!), diese Überzüchtungen, deren es in der industrialisierten Land­wirtschaft eine Vielzahl gibt, sind nicht der Garant für Ernährungssicherheit, sondern im Gegenteil, sie dienen der geistbefreiten Effizienzsteigerung und maßlosen Profitsteigerung (Beifall bei der SPÖ), zulasten des Tierwohls, aber auch zulasten der psychischen Gesundheit der Bäuerinnen und Bauern.

Nicht selten liegt die Ursache für katastrophale Tierschutzverletzungen in den Ställen bei den psychischen Überforderungen. Ein Aufruf von mir: Wir sollten generell davon wegkommen, Tiere als Dinge zu sehen! Bei der vorliegenden Vorlage fehlt es uns eben auch an der Durchgängigkeit des Tierschutzes, und dies begründet hauptsächlich unsere kritische Auseinandersetzung und damit auch unsere Ablehnung.


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Weiters vermuten wir auch einen etwas freien Umgang mit den Länderkompe­tenzen. Jedenfalls gibt es aber Überschneidungen mit den Gesetzgebungen in den Bundesländern. Oberösterreich hat zum Beispiel seit Langem den Sach­kundenachweis. Meine Mitarbeiterin im Bürgerservice prüft mit höchster Sorgfalt alle Voraussetzungen für eine rechtmäßige Anmeldung eines Hundes – das braucht Zeit. Eine Übertragung von weiteren Aufgaben in diesem Bereich auf Gemeinden in Bezug auf Verordnungen sehe ich schon jetzt sehr kritisch. Unsere Mitarbeiter:innen in den Ämtern sind mit all den Arbeiten, die zu den Gemeinden geschoben werden, überbeansprucht und wir haben die Grenzen schon längst überschritten.

Bei aller Digitalisierung, die ich sehr begrüße, gibt es doch immer eine Person am Endgerät, die die Richtigkeit kontrolliert. Das nehme ich jetzt auch gleich zum Anlass, mich bei meinen Gemeindemitarbeiter:innen oder auch bei den Gemeinde­mitarbeiter:innen insgesamt in der Verwaltung recht herzlich zu bedanken. Mit Umsicht und Freundlichkeit meistern sie oft schwierige Herausforderungen (Bun­desrätin Schumann: Bravo!) an der Schnittstelle zu den Bürgerinnen und Bürgern: Danke! (Beifall bei der SPÖ.)

Anmerken möchte ich auch noch, dass aus unserer Sicht jetzt der richtige Zeit­punkt gewesen wäre, Regelungen zur Vollspaltenbodenhaltung bei Schweinen zu treffen. Das ist endlich auch auf die Reihe zu bringen.

Weiters kritisieren wir, dass die rund 840 Stellungnahmen zum Ministerial­entwurf nur unzureichend oder überhaupt nicht berücksichtigt wurden. So sieht der respektvolle Umgang auf Augenhöhe mit Engagierten, mit NGOs, aber auch mit Interessenvertretungen nicht aus.

Jetzt noch in aller Kürze zum EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz und zum Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz: Auch da gibt es keine Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion. Bei manchen Aspekten hätten wir vielleicht mit Bauchweh mitgehen können. Dass jedoch dem Gremium zur Planung und Koordinierung der Kontrollen Vertreter:innen der Kontrollierten


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angehören, geht sich dann mit uns nicht mehr aus. Das klingt so, wie den Bock zum Gärtner zu machen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.34


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Bundesrat Schennach: Jetzt wird alles rosig!)


16.34.26

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! In den letzten Monaten habe ich mich tatsächlich sehr, sehr intensiv mit dem Thema Tierschutz beschäftigt. Das ist auch dem geschuldet, dass gerade in Oberösterreich in der letzten Landtagssitzung ein neues Hundehaltegesetz beschlossen worden ist, wobei es da primär darum ging, den Schutz der Menschen zu gewährleisten, auch aufgrund der Beiß­attacke, des schrecklichen tödlichen Vorfalls, der in Naarn einer Joggerin wider­fahren ist. (Bundesrat Schennach: Drei Hunde!) Es ist gut und richtig und wichtig, sehr wichtig, da Richtlinien und vor allen Dingen Regeln festzulegen, aber – und darüber reden wir heute hier – es ist auch ganz wichtig, die Tiere zu schützen.

Vielleicht ganz kurz zu meiner Kollegin Lancaster: Wir müssen tatsächlich auf­hören, „Tiere als Dinge zu sehen“! Ich glaube, das sollten wir alle unterschreiben und uns auch darauf konzentrieren, aber gerade zu dem, was die Nutztiere betrifft, wird mein Kollege Gfrerer später noch ein paar Worte verlieren.

Worum geht es bei dem Tierschutzgesetz, das wir heute beschließen? – Resul­tierend aus dem Tierschutzvolksbegehren schaffen wir nun Bestimmungen, die unseren Tieren Leid und Qual ersparen und das vor allen Dingen, und das ist ganz wichtig, in Zukunft auch verhindern.


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Tierschutz ist für uns Grüne von höchster Bedeutung, und mir persönlich ist Tierschutz quasi in die Wiege gelegt worden. Umso mehr macht es mich auch betroffen, die Folgen von Überzüchtung und von Qualzucht zu sehen. Es gibt so viele offensichtliche Auswirkungen von Qualzucht. Wenn wir uns erinnern: In der Vergangenheit waren es die kupierten Ohren bei Dobermännern, kupierte Schwänze bei Rottweilern; und jetzt – Kollegin Lancaster hat es auch schon angesprochen – kommt es tatsächlich dazu, dass Möpse so gezüchtet werden, dass die Nase richtig platt ist und die Tiere nicht einmal mehr Luft bekommen und dann operiert werden müssen, damit sie wieder atmen können. – Das sind Folgen von Qualzucht, und das stellen wir nun ab. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte behaupten, das ist ein Systemwandel – ein Systemwandel, der Vorbild für ganz Europa sein kann. Mit einer Qualzuchtkommission wird es nun möglich sein, Zuchtprogramme festzulegen, um Tierleid auszumerzen; und mit einem bundesweit – und das ist auch sehr wichtig – zu erbringenden Sach­kundenachweis wird jetzt – und das ist auch ganz wichtig –, schon bevor jemand ein Tier erwirbt, sichergestellt, dass der zukünftige Besitzer, die zukünftige Besitzerin auch über das notwendige Wissen verfügt, um den Bedürfnissen des Tieres und dessen Verhalten – auch in der Umgebung – gerecht zu werden.

Das war nämlich bis jetzt nicht der Fall. In vielen Ländern gibt es Sachkunde­nachweise, aber da hat es dann Fristen gegeben, auch wenn man das Tier schon gehabt hat. Wenn wir das jetzt vorher und bundesweit einführen, dann verhindern wir vielleicht auch, dass Menschen zu einem Tier kommen, das für sie selber vielleicht nicht geeignet ist. Daran gekoppelt – und das halte ich auch für wichtig und wesentlich – wird es zu diesem theoretischen Sachkundenachweis, der im Vorfeld zu erbringen ist, auch einen Praxisteil geben, der nach Erwerb des Tieres innerhalb eines Jahres zu erbringen ist. Es gibt aber nicht für Hunde Verbesserungen, diese Sachkundenachweise gelten nämlich auch für die Haltung von Reptilien und Exoten.


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Die Heimtierdatenbank wird verbessert. Zusätzlich zur bereits bestehenden Chippflicht bei Hunden ist die Chipnummer künftig beim Setzen des Chips durch einen Tierarzt oder eine Tierärztin verbindlich in die Datenbank einzutragen – außerdem auch der Name der Züchterin beziehungsweise des Züchters, die Chipnummern der Elterntiere, eventuell auch Gutachten über das Vorliegen von Qualzuchtmerkmalen und der eben schon beschriebene Sachkundenachweis.

Zu nennen ist auch – das dürfen wir nicht vergessen –, dass es künftig Zirkussen untersagt ist, Kamele und Büffel zu halten, weil dort tatsächlich keine art­gerechte Tierhaltung möglich ist.

Ich denke, wir können uns alle freuen, dass wir dieses Gesetz heute auf den Weg bringen, und ich möchte mich bedanken. Ich möchte mich ausdrücklich bei allen Menschen bedanken, die das schlussendlich möglich gemacht haben: bei den Tierschutzorganisationen, bei den Tierschutzombudspersonen, bei den Mitgliedern des Tierschutzrates, seiner Arbeitsgruppe und insbesondere der Arbeitsgruppe Qualzucht, bei den internationalen Expertinnen und Experten, bei der Fachstelle Tierhaltung und Tierschutz, bei den Expertinnen und Experten aus den Ländern, der Tierärztekammer, der Veterinärmedizinischen Universität für die Zusammenarbeit in Bezug auf die Qualzuchtkommission und insbe­sondere bei den Expertinnen und Experten, Legistinnen und Legisten und allen befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im zuständigen Ministerium. – Und: Herzlichen Dank an Sie für die Zustimmung heute. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

16.39


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


16.39.52

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der vorgelegten Novelle zum


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 253

Tierschutzgesetz wollte die schwarz-grüne Regierung oder wollten Sie als grüner Minister einen großen Wurf landen. Teilweise sind auch wirklich gute Ansätze dabei – man merkt, Sie haben sich bemüht, es ist ja ein Jahr daran gearbeitet worden. Jedoch: Den von mir erwähnten großen Wurf haben Sie leider nicht gelandet, weil dieses neue Gesetz doch in weiten Teilen mutlos und unausge­goren ist.

Für uns Freiheitliche ist der Tierschutz enorm wichtig. Wir leben das auch, das zeigen verschiedenste Beispiele. (Bundesrätin Miesenberger: ... Bauern ...!) Das Tierschutzvolksbegehren in Niederösterreich, initiiert von Landesrat Waldhäusl, hat 427 000 Unterstützer gefunden und damit sogar ein bisschen mehr erreicht als Herr Bohrn Mena, der  ein Tierschutzvolksbegehren initi­iert hat, mit 416 000 Unterstützern.

Auch wir Freiheitliche lehnen es ab und sehen es nicht gerne, wenn Tiere als Dinge bezeichnet werden. Unser Verständnis ist, dass Tiere Mitgeschöpfe sind, und wir haben schon vor etlichen Jahren in Salzburg Tiere als Mitgeschöpfe in unserer Salzburger Landesverfassung verankert. Das war damals eine freiheit­liche Initiative und das wäre vielleicht eine Anregung für uns alle hier, das auch auf Bundesebene irgendwie umzusetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche können dieser Novelle wie gesagt aus verschiedensten Gründen nicht unsere Zustimmung geben. Qualzucht wurde ja heute schon besprochen. Es ist wirklich komisch oder eigenartig: Jeder von uns lehnt die Qualzucht ab, jeder sagt, Qualzucht gehört verboten. Warum dann in der Novelle ein Unterschied zwischen Haustieren und Nutztieren gemacht wird, ist mir ein Rätsel. Mitge­schöpf ist Mitgeschöpf, Tier ist Tier, und beide werden durch diese Qualzuchten gequält.

Ich habe es vor einem Jahr schon einmal gesagt: Wenn jemand einen Teacup­hund, so einen kleinen Hund, haben will, dann soll er sich besser ein Stofftier zulegen. Da gehört angesetzt: dass man da keinen Unterschied zwischen den Tieren macht.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 254

Genauso wünschenswert wäre eine Verschärfung der gesetzlichen Regelung von betäubungslosem Töten. Es ist im Gesetz drinnen – das sogenannte Schächten –, aber das ist viel zu schwammig, denn da gibt es noch sehr viele Schlupflöcher. Das rigorose Verbot von betäubungslosem Töten fehlt uns in dieser Novelle.

Des Weiteren: Es gab zwar vor einem Jahr eine, sagen wir einmal, kleine, margi­nale Verschärfung bei den Lebendtiertransporten zu Schlachtzwecken. Das muss nicht sein; es braucht nicht zu sein, dass Tiere lebend vom Ort A zum Ort B transportiert werden, um dann am Ort B geschlachtet zu werden. (Bundesrätin Miesenberger: ... Bauern ...!) Auch dazu ist nichts drinnen. Da wurde zwar vor einem Jahr eine Strafe marginal angehoben, aber das ist uns zu wenig weitreichend.

Genauso die Regelungen zur Gebrauchshundeausbildung: Wenn sich da nicht die Freiheitlichen und ein paar mutige, ambitionierte Hundezüchter auf die Hinter­beine gestellt hätten, wäre das, was in der Novelle drinsteht, sicherlich viel ärger und rigoroser ausgefallen. Das Schlimmste konnten wir damit Gott sei Dank abwenden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke aber auch an die tierversuchsfreie Forschung. Auch da gibt es genügend Möglichkeiten, es ist nicht immer nötig, dass man für neue Produkte Tierversuche macht, sondern es gibt genügend Alternativen, zum Beispiel technische Einrichtungen in digitaler Form – wenn ihr es schon so gerne hört –, dass man keine Tiere in Versuchen quälen muss. Auch dieser Bereich ist in dieser Novelle zu wenig berücksichtigt.

Wir werden dieser Novelle wie gesagt deshalb nicht zustimmen können. (Beifall bei der FPÖ.)

16.44


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen. (Bundesrat Schennach: So! Jetzt schreibt mit! Der wird uns jetzt den Unterschied zwischen Nutz- und Wohnungs...!)



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 255

16.44.33

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Es werden mit diesen zwei Tagesord­nungspunkten zwei Gesetze beschlossen: das EU-Qualitätsregelungen-Durch­füh­rungsgesetz und das Tierschutzgesetz. Beide Bereiche sind eben dem Stand, den Anforderungen der heutigen Zeit anzupassen.

Ein Satz zum EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz: Was die Lebensmittelimporte betrifft, was die Werbemaßnahmen zu Lebensmitteln im Speziellen im biologischen und regionalen Bereich betrifft, hätte es wirklich ausufernde Maßnahmen und Vorgaben gegeben. Das werden wir mit diesem Gesetz wieder auf ein normales Maß bringen. Es wird eine neue Organisation geschaffen, die dann auch auf Bundesebene mehr Kompetenz haben soll.

Jetzt zur Novelle des Tierschutzgesetzes: Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Erinnerung ein Blick in die Vergangenheit! Wir haben im Sommer 2022, fast genau vor zwei Jahren, vor allem Verbesserungen für die landwirtschaftlichen Nutztiere beschlossen, zum Beispiel das Verbot der dauernden Anbindehaltung von Rindern. Das Kückenschreddern wurde verboten, verschärfte Einschrän­kungen bei Tiertransporten und weitere Maßnahmen sind damals beschlossen worden.

Das ist heute nicht das Thema. Heute geht es um die Heim- und Haustiere. Auch für diese Tierarten ist es wichtig, dass wir gesetzliche Grundlagen schaffen, damit auch Besitzer und Besitzerinnen der verschiedensten Tierarten, die privat, zu Hause gehalten werden, wissen, was zu tun ist, welche rechtlichen Rahmen­bedingungen es gibt. Das heißt: Ist es überhaupt sinnvoll oder möglich, im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung diese oder jene Tierarten zu halten?


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 256

Heim- und Haustiere zu halten braucht Zuneigung zu den jeweiligen Tieren, es bedeutet mehr oder weniger Zeitaufwand, es bedeutet auch eine große Verantwortung, vor allem braucht es fachliche Qualifikation und es kostet Geld. Das darf man nicht ganz unterschätzen.

Die SPÖ stimmt diesem zweiten Teil hinsichtlich Tierschutz nicht zu. Übrigens: Dem ersten Teil, als es um die Nutztiere gegangen ist, als wir das behandelt haben, hat die SPÖ auch nicht zugestimmt. Der FPÖ ist Tierschutz auch sehr wichtig, haben wir gerade gehört, diese hat aber 2022 genauso nicht zuge­stimmt. Das ist etwas, was ich nicht ganz verstehe. Wir entwickeln den Tierschutz schrittweise immer wieder in die richtige Richtung, und wenn Sie heute nicht zustimmen, dann sind Sie für Qualzucht und für Welpenhandel. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Haustiere sind Lebewesen, deshalb wird auch von vielen Tierschutzorgani­sa­tionen und -verbänden schon jahrelang und zu Recht eine fachliche Ausbildung eingefordert. Auch das wird jetzt umgesetzt. In Zukunft braucht es einen Sachkundenachweis: für die Hundehaltung 6 Stunden und 4 Stunden für exoti­sche Tiere. Diese Bestätigung – das ist schon gesagt worden – ist vor Erwerb der Tiere vorzulegen. Ich denke, 6 Stunden oder 4 Stunden sind sehr kurz. Es ist dringend notwendig, dass man sich das fachliche Wissen auch aneignet.

Ich finde es auch sehr wichtig, dass man sich vor dem Kauf eines Haustieres gedanklich damit beschäftigt, was die Auswirkungen im täglichen Leben sind, wenn man zu Hause mit einer Familie auf einmal ein oder mehrere Haustiere zu betreuen hat. Viel zu oft nämlich, denke ich, werden Haustiere speziell zu Ostern oder zu Weihnachten als „Geschenkartikel“ – unter Anführungszeichen – verwendet. Sie werden verschenkt, und nicht selten sind die Beschenkten überfordert und die Tiere werden in Tierheimen abgegeben. Damit tut man weder den Menschen noch den Tieren etwas Gutes.

Ein ganz wesentlicher Punkt ist, in Zukunft die Qualzucht zu verbieten. Das ist, wie der Name schon sagt, eindeutig Tierquälerei, und die wollen wir nicht.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 257

Aufgrund verschiedener Züchtungsmerkmale scheint einigen Züchtern Qual­zucht als unbedingt notwendig zu sein. Diesem Trend dürfen wir nicht nachgeben, und das werden wir auch nicht tun. Wir werden nicht nachgeben. Es wird in Zukunft eine wissenschaftlich besetzte Kommission geben, und in den Beiräten sitzen Zuchtorganisationen und Experten. Das sind diejenigen, die die praktische Expertise einbringen, um eben die Qualzucht zu beenden.

Eines ist auch klar: Wo Verfehlungen stattfinden, da braucht es auch strengere Kontrollen. Das betrifft nicht nur die Qualzucht, sondern im Speziellen natürlich auch den illegalen internationalen Welpenhandel. Den müssen wir unterbinden, denn auch der verursacht großes Tierleid, das wir nicht akzeptieren können.

Geschätzte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Eines möchte ich zum Schluss in aller Deutlichkeit sagen: Wenn heute die SPÖ und die FPÖ wie angekündigt dem Tierschutzgesetz nicht zustimmen, dann beweist das, dass ihr allgemein gegen Tierschutz seid (Bundesrätin Schumann: Na geh! – Bundes­rätin Hahn: Nicht verstanden, sorry!), dass ihr für Qualzucht und einen regen Welpen­handel seid. (Bundesrat Spanring: Stimmt nicht!) Wir setzen uns für einen Tier­schutz mit Hausverstand ein. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwi­schen­ruf des Bundesrates Schmid.)

16.51


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundes­minister.


16.51.52

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Zunächst, das möchte ich festhalten, bedanke ich mich trotz Nichtzustimmung von einzelnen Parteien zum Tierschutzgesetz für das Bekenntnis zum Tier­schutz, das parteiübergreifend abgegeben worden ist.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 258

Worum geht es heute? – Wir werden strengere Regeln zum besseren Schutz von Haustieren und Heimtieren verabschieden und verankern. Warum ist das wichtig? – Weil wir die Erfahrung gemacht haben, nicht nur wir, sondern insbe­sondere auch die Tierschutzorganisationen, dass gerade im Haus- und Heim­tierbereich Tiere häufig eher wie Sachgegenstände denn als Lebewesen behandelt und gehalten werden. Deshalb ist es wichtig und notwendig, dass wir jetzt verpflichtend einen Sachkundenachweis einführen, das heißt ein Mindestmaß an Kenntnissen, wie mit Tieren umzugehen ist, was eine Tierhaltung bedeutet, damit dann zum Beispiel auch Entwicklungen hintangehalten werden, die wir jedes Jahr zu Weihnachten und zu Ostern haben, dass nämlich Tiere verschenkt und dann drei Wochen später in Tierheimen abgegeben werden.

Das Qualzuchtverbot wird deutlich verschärft. Das halte ich tatsächlich für eine ganz wichtige Maßnahme, weil es einfach nicht sein kann, dass Tiere nur aufgrund bestimmter modischer Merkmale so gezüchtet werden, dass sie dann schwer unter Atemnot zu leiden haben, Erkrankungen ihres Bewegungsappa­rates zutage treten und ähnliche Dinge mehr. Dazu wird es eine wissenschaft­liche Kommission geben, die Qualzuchtthemen bearbeitet, um das auch auf eine gute Basis zu stellen.

Die Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel halte ich mindestens für ebenso wichtig, weil sich da international ein Schwarzmarkt entwickelt hat, der tatsächlich zu Tierleid führt.

Wir schaffen auch eine klare Rechtsgrundlage für die Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und erweitern die Heimtierdatenbank.

Unterm Strich sind das, glaube ich, Maßnahmen, die dazu beitragen werden, den Tierschutz in Österreich sukzessive weiterzuentwickeln, und ich bedanke mich jetzt schon für Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.54 16.54.14


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 259

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben - - (Die Bundesrät:innen Schreuder und Hauschildt-Buschberger: Um ein Handzeichen!) – Bitte? Um ein Handzeichen, ja. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen.

16.55.3821. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe (MTD-Gesetz 2024 – MTDG) erlassen wird und das Rezeptpflichtgesetz, das Apothekengesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (4095/A und 2660 d.B. sowie 11525/BR d.B. und 11575/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 260

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht, Frau Bundesrätin.


16.56.05

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe erlassen wird und das Rezeptpflichtgesetz, das Apo­thekengesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Bericht­erstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. – Ich erteile es Ihnen, Frau Magistra.


16.56.46

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher:innen zu Hause! Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um die Neuregelung der Berufsbilder samt Aktualisierung der Berufspflichten


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 261

und -kompetenzen für die Berufsgruppen der sogenannten gehobenen medizinisch-technischen Dienste.

Was sind diese gehobenen medizinisch-technischen Gesundheitsberufe? – Das betrifft in Summe mehr als 40 000 Personen, die diesen insgesamt sieben Berufsgruppen angehören. Darunter fallen Physiotherapeuten und Physiothera­peutinnen, Biomedizinische Analytiker:innen, Radiologietechnolog:innen, Logo­päd:innen, Diätolog:innen, Ergotherapeut:innen und Orthoptist:innen.

Was wird nun mit dieser Vorlage neu? – Neu ist unter anderem die Schaffung einer Möglichkeit zur Höherqualifizierung im tertiären Bereich. Es geht auch um die Schaffung der Möglichkeit einer zumindest teilweisen Weiterverordnung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten, die die Berufsausbildung auch hergibt.

Es geht um die Ermöglichung der Berufsausübung schon während eines Nostri­fizierungs- oder Anerkennungsverfahrens. Das ist insofern wichtig, als dadurch Mitarbeiter:innen, die ihre Ausbildung im Ausland gemacht haben, schon wäh­rend dieser Verfahren im Beruf tätig sein können, was angesichts des Fach­kräfte­mangels sehr wichtig ist.

Prinzipiell sind diese Modernisierungen richtig und wichtig. Dieses Gesetz wurde das letzte Mal 1992 reformiert. Diese Berufsgruppen verdienen großen Respekt und große Wertschätzung und verdienen es, unter den bestmöglichen Arbeits­bedingungen zu arbeiten. Wir Sozialdemokrat:innen finden generell, dass alle Berufsgruppen im Gesundheitsbereich unseren gesamten Respekt, der sich auch in guten Arbeitsbedingungen niederschlagen sollte, verdienen.

Dass wir im Gesundheitsbereich große Baustellen zu bewältigen haben, spüren, glaube ich, die Patienten und Patientinnen tagtäglich und hautnah. Ich erwähne nur ganz kurz den generellen Fachkräftemangel und auch die schleichende Privatisierung in verschiedenen Bereichen. Dem muss man natürlich massiv entgegenwirken.


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Ich komme jetzt zur Begründung, warum die SPÖ, obwohl wir diese Moder­ni­sierungen wichtig finden, bei dieser Vorlage nicht mitgehen wird: Aus unserer Sicht ist eine große Chance vergeben worden, dieses Gesetz auch tatsächlich ins Jahr 2024 zu transferieren.

Es wäre wichtig gewesen, alle Forderungen dieser Berufsgruppen zu hören und gewissenhaft miteinzubeziehen. Dass der Bedarf groß ist, zeigen die ungefähr 450 Stellungnahmen, die eingegangen sind. Es gab auch eine Unterschriften­sammlung, es gab 10 000 Unterstützer:innen, um die Forderungen aus diesem Bereich, der Berufsverbände und des Dachverbandes, umzusetzen. Ich finde, diese beeindruckende Zahl der Meldungen unterstreicht die Notwendigkeit, dieses Gesetz zu reformieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Gabriele Jaksch, die Präsidentin von MTD-Austria, sagt: Die drei Kernforderungen der Berufsgruppen sind und bleiben sozusagen aktuell und notwendig. Da geht es einerseits darum, einen niedrigschwelligen Zugang zu therapeutischen und diagnostischen Leistungen für alle Patient:innen ohne Anordnungsverschärfung zu erlangen.

Die Anordnungsverschärfung wird also kritisiert. Es wäre wichtig, dass diese Berufsgruppen, wie in vielen anderen Ländern auch, eigenverantwortlich agieren dürfen, dass sie das, was sie gelernt haben, anbieten und ausüben dürfen, ohne dass es ärztlich verordnet sein muss. Wir haben den Verdacht, dass sich da die Ärztekammer zum Schluss doch noch durchgesetzt hat. Diese Notwendig­keit einer ärztlichen Anordnung ist ein großer Kritikpunkt, das finden wir und auch die Berufsgruppen sehr bedauerlich.

Der Dachverband fordert auch den Zugang zu Prävention für alle dieser sieben Berufsgruppen und weiters eine umfassende Befugniserweiterung durch die Spezialisierung und Akademisierung dieser Berufe.

Ich möchte noch einmal mit den Worten von Gabriele Jaksch sagen, was die Quintessenz der Stellungnahme dieser Berufssparten ist. Sie hat gesagt:


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Die Novelle erlaubt noch immer keine sinnvolle Nutzung der Expertise von Fachkräften, obwohl diese aufgrund zunehmender Komplexität und Differenzierung dringend notwendig wäre, Befugniserweiterungen durch die Spezialisierung bleiben aus. Dies verfehlt das Ziel des Regierungsüber­ein­kommens, in dem die Attraktivierung der Gesundheitsberufe festgehalten wurde.

Es wäre doch sinnvoll, wenn die Ressourcen dieser Berufsangehörigen ent­sprechend ihrer erworbenen Kompetenzen für die Allgemeinheit uneingeschränkt und niedrigschwellig zugänglich wären. Die Umsetzung der Forderungen aus den Berufsgruppen hätte dazu beigetragen, das gesamte Gesundheitssystem zu entlasten und zu stärken und auch dem Personalmangel entgegenzuwirken. Wir können deshalb dieser, wie wir finden, unvollständigen Reform nicht zustim­men. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.03


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte schön, Frau Bundes­rätin.


17.03.26

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Für Patientinnen und Patienten ist ein nieder­schwelliger Zugang zu Gesundheitsleistungen wichtig, und zwar nicht nur im Krankheitsfall, sondern bereits im Zusammenhang mit der Vorsorge: beispiels­weise, wenn sich jemand um Unterstützung umsieht, weil sie oder ihn regel­mäßig Rückenschmerzen plagen, die zu wenig intensiv sind, um eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen, aber doch so unangenehm, um das Problem in Angriff zu nehmen und einer Verschlechterung des Zustandes vorzubeugen.

In einer idealen Welt wäre die Hausärztin oder der Hausarzt der erste Ansprech­partner in solchen Fällen beziehungsweise bei solchen Problemen, mögen sie uns


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vielleicht in dem Moment noch so klein oder unbedeutend erscheinen. Gemein­sam würde ein multiprofessionelles Team entsprechend den Bedürfnissen der Patientin, des Patienten ein abgestimmtes Gesundheitsvorsorgekonzept erstellen, das durch die Unterstützung der notwendigen Gesundheitsberufe zur Umsetzung gelangt. In der Realität landet ein handlungswilliger Mensch vermutlich direkt bei einer Physiotherapeutin oder einem Physiotherapeuten und dieser versucht, aus dieser professionellen Perspektive Lösungen für die Beschwerden zu entwickeln.

Dieses kleine Beispiel soll einen wichtigen Aspekt des heute zu beschließenden MTD-Gesetzes verdeutlichen, das unter anderem für Patientinnen und Patienten einen niederschwelligen Zugang zu den Gesundheitsleistungen der medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe schafft, da der eigenverant­wort­liche Tätigkeitsbereich dieser Berufsgruppe im Bereich der Gesundheitsprävention erweitert wird.

Neu formuliert werden die Berufskompetenzen der jeweiligen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe mit dem Ziel, ein modernes Kompetenzprofil zu verankern, das Raum für fachliche und technische Weiter­entwicklung lässt. Gleich bleibt mit der Neuerlassung des MTD-Gesetzes der streng geregelte Zugang zu den einzelnen Gesundheitsberufen ganz im Sinne der Patientinnen- und Patientensicherheit.

Durch die im Gesetz formulierten Tätigkeitsfelder sowie die persönlichen Ausbildungsvoraussetzungen können Patientinnen und Patienten darauf vertrauen, dass fachliche Standards für die Berufsausübung etabliert sind. Neu eingeführt wird die Verordnung von Arzneimitteln und Medizinprodukten basierend auf einer ärztlichen Erstverordnung oder einer Verordnung des Gesundheitsministers.

Insbesondere die Verordnung von Arzneimitteln durch Angehörige der MTD-Berufe bedeutet eine Übertragung von Kompetenzen, damit aber auch von Verantwortlichkeiten. Im Sinne der Patientinnen- und Patientensicherheit ist


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folglich diese Veränderung der Anordnungs- und Verantwortungsstruktur als eine weitere Verantwortungsübernahme durch die medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe zu sehen. Diese erfordert daher jedenfalls in bestimmten kritischen Bereichen eine noch engere Abstimmung zwischen den Professionen der MTD-Berufe und der Ärztinnen- und Ärzteschaft in der Betreu­ung von Patientinnen und Patienten.

Es werden somit die fachlichen Kompetenzfelder der medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe weiter gestärkt und die Verantwortlichkeit im Hinblick auf die an erster Stelle stehende Wahrung der Patientinnen- und Patientensicherheit weiter klargestellt. Insgesamt war die Neuerlassung des MTD-Gesetzes eine langjährige Forderung der Berufsangehörigen, der nun­mehr nachgekommen wird. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

17.07


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weiters ist Herr Bundesrat Günter Pröller zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.07.19

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Es wurde schon von meinen Vorrednern angesprochen, heute diskutieren wir die Novelle des Medizinisch-therapeutisch-diagnostischen-Gesundheitsberufe-Gesetzes.

Das hört sich sehr spannend an. Diese Novelle des Berufsgesetzes ist seit über 32 Jahren überfällig und alle Betroffenen, mehr als 40 000 Angehörige in sieben Gesundheitsberufen, die dafür zuständig sind, hatten oder haben größte Erwartungen in diese anstehende Novelle gesetzt. Auch die Freiheitliche Partei hat diese Novelle schon lange gefordert. Jetzt liegt das Resultat nach Monaten von sozusagen Geheimverhandlungen auf dem Tisch, aber damit ist niemand zufrieden.


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Kollegin Gruber-Pruner hat das sehr treffend aufgezählt: Es gab Abänderungs­anträge, aber keine abschließende Begutachtung, keine Einarbeitung der unzähligen Kritikpunkte. Dabei wäre eine ordentliche Regelung für das Funktio­nieren unseres Gesundheitssystems und für eine echte Gesundheitsreform notwendig und wichtig. Was jetzt vorliegt, schafft Unsicherheit, ist unvollständig und wieder mit vielen Verordnungsermächtigungen für den Gesundheits­minister versehen. Das heißt – ich fasse das zusammen –: Die Punkte, die Kollegin Gruber-Pruner aufgezählt hat – was dagegenspricht –: Sie hinterlassen wieder einen Scherbenhaufen in diesem und in vielen anderen Bereichen. Daher werden wir dem Antrag nicht zustimmen.

Einen Dank möchte ich an alle Angehörigen der gehobenen Gesundheitsberufe aussprechen, sie leisten sehr viel für die Menschen. In diesem Sinne, und weil das meine letzte Rede heute ist, wünsche ich allen erholsame Sommertage, damit wir im Oktober wieder frisch und mit voller Kraft da sein können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.09


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundes­minister.


17.09.17

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Die wesentlichen Eckpunkte der Novellierung des MTD-Gesetzes sind heute schon dargelegt worden. Ich möchte noch einen Aspekt hervorheben, weil er wichtig ist und auch sozusagen den Rahmen dafür schafft, was sich künftig im medizinischen Bereich abspielen wird. Es wird die Stärkung des Teamgedankens besser zum Ausdruck gebracht.

Wir haben heute im Gesundheitswesen die Situation, dass die Zusammenarbeit der Berufsgruppen auf Augenhöhe viel wichtiger ist als noch vor wenigen Jahren. Die in den jeweiligen Fachbereichen im Gesundheitswesen tätigen


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Berufsgruppen werden gestärkt, das ist der Fall, das ist auch mit diesem MTD-Gesetz der Fall. Das war auch eine langjährige Forderung der Berufsgruppen; sie warten wie gesagt seit 30 Jahren darauf.

Es ist moniert worden, dass einiges nicht enthalten sei, was von der Berufsgruppen gewünscht worden sei. Ich bin ja Gott sei Dank im ständigen Austausch, auch mit Frau Jaksch, die ich gestern getroffen habe und die sich ausdrücklich noch einmal bedankt hat, dass es überhaupt gelungen ist, dieses Gesetz jetzt zu beschließen. Ist alles enthalten? – Nein. Wäre es besser gewesen, zu warten? – Nein.

Die klare Aussage von Frau Jaksch war: Gott sei Dank ist es jetzt dazu gekommen, nach 30 Jahren diesen Schritt zu machen, weil damit jedenfalls die Voraus­setzung dafür geschaffen ist, in der Zukunft gut arbeiten zu können! Und die Berufsgruppen haben sich auch ausdrücklich dafür bedankt.

Ich meine, dass damit eine wichtige Voraussetzung geschaffen worden ist, um auch umzusetzen und in Gang zu bringen, was in der Gesundheitsreform grundgelegt ist. Es ist – wie schon öfters dargelegt – im Wege des Finanzaus­gleichs gelungen, mit 1 Milliarde Euro plus pro Jahr tatsächlich mehr Mittel in das System hineinzubekommen und dort jene Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Bedingungen für die Patientinnen und Patienten verbessert werden.

Letzter Satz dazu aus meiner Sicht: Wir haben betreffend Primärversorgungs­einrichtungen – um das noch zu erwähnen – eine überaus erfreuliche Entwick­lung; das ist auch ein Ort, an dem diese Berufsgruppen jetzt eingebunden werden, um das Angebot zu verbreitern und zu verbessern. Wir werden es im nächsten Jahr schaffen, die Grenze von 100 Primärversorgungseinrichtungen in Österreich zu durchbrechen, und das ist erfreulich. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

17.11



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Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. (Bundesrat Christian Fischer hebt die Hand.) – Bitte schön, Herr Kollege Fischer, ich erteile Ihnen das Wort.


17.11.56

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher vor den Bildschirmen! Wir alle wissen, dass die Arbeit im Pflegebereich eine enorme physische und psychische Belastung mit sich bringt. Pflegekräfte tragen täglich immense Verantwortung und arbeiten oft unter schwierigsten Bedin­gungen im Schichtdienst. Es ist daher nur gerecht, dass diese harte und wertvolle Arbeit endlich die Anerkennung findet, die sie verdient, und nicht nur beklatscht wird.

Im Dezember 2023 habe ich einen wichtigen Entschließungsantrag eingebracht, um das Pflegepersonal in die Schwerarbeitsregelung aufzunehmen. Leider haben die Volkspartei, die Grünen und die NEOS in unserem Plenum dagegen­gestimmt, was eine große Enttäuschung für unsere Pflegekräfte war. Umso erfreulicher ist es, dass ein gleichlautender Antrag der Sozialdemokratie im Niederösterreichischen Landtag am 20. Juni 2024 einstimmig beschlossen wurde (Rufe bei der SPÖ: Hö! Oh! Schau, schau! – Bundesrat Schmid: Haben wir zwei verschiedene Standards?), mit der Prämisse: sofortige Umsetzung auf Bundesebene. (Ruf bei der SPÖ: ... mit gespaltener Zunge!)

Also nochmals: Der Antrag der Sozialdemokratie, „Pflege ist Schwerarbeit“, wurde einstimmig, also unter anderem mit den Stimmen der Volkspartei, der Grünen und der NEOS, in Niederösterreich beschlossen. (Ruf bei der FPÖ: Aber wir sind dort auch, oder?) – Ihr habt eh beim ersten Mal mitgestimmt, danke.

Ich stelle mir stellvertretend für Tausende Pflegekräfte nun folgende Frage: Warum ist euer Abstimmungsverhalten im Niederösterreichischen Landtag


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anders als bei uns hier in der Länderkammer? (Bundesrat Schennach: Das ist eine gute Frage!)

Frau Bundesrätin Jagl und Kollege Zauner (Zwischenruf des Bundesrates Zauner – Ruf bei der SPÖ: Kollege Zauner ...!), können Sie mir erklären, warum Ihre Parteien auf Landesebene für den Antrag stimmen und hier im Bundesrat dagegen? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Zauner. – Bundesrätin Hahn: Nicht so emotional, Kollege Zauner!) Versteht das irgendjemand? Weiß das irgendjemand? Was ist da los, Herr Kollege Zauner? (Beifall bei der SPÖ.) Haben Sie in Nieder­österreich Ihre Partei nicht im Griff? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Zauner. – Bundesrätin Hahn: Ich glaube, du hast ins Schwarze getroffen, Christian!) Herr Zauner, Sie sind Landesgeschäftsführer der ÖVP: Was ist da wirklich los?

Diese inkonsequente Handlung ist nicht nur verwirrend (Zwischenruf des Bundes­rates Zauner – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ), sondern auch ein Schlag ins Gesicht unserer Pflegekräfte. Die Pflegekräfte in Österreich verdienen unsere Unterstützung und Wertschätzung. (Bundesrat Schmid: Haben wir zwei Doppelstandards? – Ruf bei der SPÖ: ... gespaltener Zunge!) Lassen Sie uns gemein­sam dafür sorgen, dass unsere Pfleger die Anerkennung erhalten, die sie verdienen!

Ich bringe hiermit den vom Niederösterreichischen Landtag einstimmig beschlos­senen SPÖ-Antrag „Pflege ist Schwerarbeit“ als Entschließungsantrag ein und bitte Sie um einen überparteilichen Schulterschluss aus Wertschätzung gegenüber und zum Wohle von Tausenden Pflegekräften in Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflege ist Schwerarbeit“

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert,

1. die Schwerarbeitsverordnung so zu ändern, dass Tätigkeiten der berufs­bedingten Pflege und Betreuung von kranken, pflege- und betreuungs­bedürftigen sowie behinderten Menschen, die nicht überwiegend, beziehungs­weise ausschließlich in einer Leitungs- oder Aufsichtsfunktion bestehen, jedenfalls als besonders belastende Berufstätigkeiten gelten sowie

2. eine Gesetzesvorlage vorzulegen, mit der die Ausbildungszeiten zu Pflege- und Sozialbetreuungsberufen als Versicherungszeiten für das Erreichen der Schwerarbeitspension anerkannt werden.“

*****

Ich bitte um eure Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.16


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Pflege ist Schwerarbeit“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Gibt es weitere Wortmeldungen? (Bundesrätin Böhmwalder hebt die Hand.) – Kollegin Böhmwalder, bitte, ich erteile dir das Wort.


17.16.35

Bundesrätin Sandra Böhmwalder (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister, es ist ja nicht das erste Mal, dass wir zwei da vorne stehen. Wir beziehungsweise Sie haben sehr viel umgesetzt, die Bundesregierung unter Bundeskanzler Karl Nehammer hat sehr viel umgesetzt (Heiterkeit bei der SPÖ), auch Pflegereformen, und seit ich im Bundesrat bin, habe ich sicher schon drei, vier Mal zum Thema Gesundheitswesen gesprochen. (Bundesrätin Schumann: Bravo!)


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Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil Kollege Bundesrat Fischer den Antrag aus dem Niederösterreichischen Landtag eingebracht hat (Bundesrätin Schumann: Ja, eh gut!); er hat aber vergessen, dass der Antrag im Landtag auch einen Zusatzantrag gehabt hat. (Bundesrätin Schumann: So was ...!) Ich habe es damals schon gesagt, lieber Christian, als du den ersten Antrag eingebracht hast: Es ist sinnvoller, die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen zu ver­bessern, um einen längeren gesunden Verbleib im Erwerbsleben zu ermög­lichen.

In den letzten Jahren ist mehr Positives im Pflegebereich passiert als in den 20 Jahren zuvor. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundes­rätin Schumann: Ist das jetzt der Zusatzantrag, oder was?) Die Bundesregierung hat in den Jahren 2022 und 2023 schon zwei Pflegereformen umgesetzt und heute wird ein weiteres Maßnahmenpaket beschlossen.

Was ist in den vergangenen Jahren umgesetzt worden? – Gehaltszuschüsse für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegebereich; eine sechste Urlaubswoche für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab 43 Jahren (Bundesrätin Schumann: Aber es geht um die Schwerarbeitsregelung! – weiterer Zwischenruf bei der SPÖ); ein Ausbildungszuschuss von 600 Euro (Bundesrätin Hahn: Aber wo liegt jetzt das Problem, dass ihr ... nicht zustimmen könnt? Wo liegt das Problem? – Rufe bei der ÖVP: Zuhören! Zuhorchen!); ein Pflegestipendium für Umsteiger von mindestens 1 500 Euro pro Monat; Erhöhung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung (Bundesrätin Schumann: Schwerarbeitsregelung, um die geht’s!); Erhöhung des Angehörigenbonus. Die Maßnahmen wurden im Rahmen des Finanzausgleichs langfristig gesichert, das sind also nachhaltige Projekte, die da umgesetzt worden sind. (Bundesrätin Schumann: Was hat das mit der Schwerarbeit zu tun?) Und ab September erhalten Umsteiger, die ein Studium für Gesundheits- und Krankenpflege an einer Fachhochschule absolvieren, ein Pflegestipendium. (Beifall bei der ÖVP.)

Im vergangenen Jahr haben bereits mehr als 7 000 Personen das Pflegestipen­dium in Anspruch genommen und waren dadurch während der Ausbildung


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finanziell abgesichert. (Bundesrat Schmid: Was hat das mit der Schwerarbeit zu tun?) Nun erweitern wir die Anspruchsberechtigung, was eine zusätzliche Motivation sein soll, in der Pflege arbeiten zu wollen. Auch die Nostrifikation ausländischer Ausbildungen wird vereinfacht und beschleunigt. Die Altersgrenze für alle Sozialbetreuungsberufe wird auf 18 Jahre gesenkt. Es gibt Unterstützung bei der Pflege ab dem ersten Tag und Angehörige können sich beispielsweise einen Tag pro Woche freinehmen. (Bundesrätin Schumann: Was hilft das für die Pension?)

Wir haben ganz, ganz viele Maßnahmen für den Bereich Pflege und Betreuung generell gesetzt (Bundesrätin Hahn: Aber das war keine Erklärung, warum man dem Antrag nicht zustimmen kann! – Bundesrätin Schumann: Genau! Dann kriegt ihr halt keine Schwerarbeitsregelung ...!), wir haben ganz, ganz viel gemacht. Wir werden natürlich weiterarbeiten. (Bundesrätin Hahn: Dann stimmt zu, unserem Antrag, das ist eine ganz einfache Gschicht! Das ist eine ganz einfache Gschicht!)

Zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: An dieser Stelle möchte ich allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die im Pflege- und Betreuungsbereich arbeiten, überhaupt einmal einen herzlichen Dank sagen. Sie leisten jeden Tag Großartiges! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Stimmt dem Antrag zu!) Wir werden natürlich weiterhin an Verbesse­rungen arbeiten, denn das sind jene Menschen, die es sich am meisten verdient haben, dass wir für sie arbeiten und etwas für sie machen. (Bundesrätin Hahn: Stimmt dem Antrag einfach zu, ganz easy! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Dann bringt bitte einen Antrag ein, dem man auch zustimmen kann. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl. – Rufe bei der SPÖ: ... das ist doppelbödig bis zum Gehtnichtmehr!)

17.20


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es liegt noch eine Wortmeldung von Kollegen Christian Fischer vor. – Bitte, Herr Bundesrat.



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17.20.20

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Ich bin jetzt sprachlos. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. (Bundesrat Himmer: Trotzdem hast du dich aber zu Wort gemeldet!)

Kollegin Böhmwalder! Liebe Kollegen von der ÖVP! Was hat das jetzt mit meinem oder mit unserem Antrag, dass die Pflegekräfte in die Schwerarbeits­regelung fallen, zu tun? Ich weiß es nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist unbestritten: Der Herr Bundesminister hat ja - - Es ist eh etwas geschehen. Aber redet einmal bitte – wie ich, als ich im Spital in Lilienfeld war – zum Beispiel mit einem Gipser oder mit einer Pflegekraft auf der Station! Diese Leute raufen darum, dass sie in die Schwerarbeitsregelung kommen. Sie hackeln 35 Jahre lang im Spital, und ihr macht es ihnen schwer, dass sie wohlverdient in die Schwer­arbeitsregelung kommen! Und jetzt kommt ihr mit einem Pflegestipendium?! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Was ist mit den Frauen, die gar nicht in die Schwerarbeitsregelung fallen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist eine klassische Themenverfehlung. Bleibt bei der Sache! Es ist ein vernünf­tiger Antrag, dass die Leute, die in der Pflege arbeiten (Bundesrat Himmer: Die allein genügt!), endlich einmal einen leichteren Zugang zur Schwerarbeitsregelung bekommen. Ihr aber erzählt mir da Larifari. Wir sind ja kein Pfitschigogerl-Verein! Herr Zauner, hast du deine Partei nicht im Griff? Das gibt es ja nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Macht bei unserem Antrag mit! Das ist eine gute Sache. Wir sind stolz auf alle Pflegekräfte. Zu dem aber, was ihr jetzt gemacht habt: kein Kommentar! – Ich wünsche euch trotzdem schöne Ferien. Ich komme aber noch einmal. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

17.21 17.21.51



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 274

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Pflege ist Schwerarbeit“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist abgelehnt.

17.22.5322. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird (2551 d.B. und 2661 d.B. sowie 11576/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln und das Bundesgesetz über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten


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Kreuzes (Rotkreuzgesetz – RKG) geändert wird (4101/A und 2662 d.B. sowie 11526/BR d.B. und 11577/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tages­ordnungspunkten 22 und 23, über welche die Debatten unter einem durch­geführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 22 und 23 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


17.23.37

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln und das Bundesgesetz über die Anerkennung des Öster­reichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich ebenfalls gleich zur Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



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Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.24.40

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Beim Beschluss betreffend die Änderung des Medizinproduktegesetzes geht es um eine extrem technische Novelle, um eine EU-Vorgabe umzusetzen. Wir sind aber mit dieser Form der Umsetzung überhaupt nicht einverstanden. Es ist dies nämlich eine Übergangsbestimmung, um zu bescheinigen, dass Medizin­produkte und In-vitro-Diagnostika auch nach Ablauf weiter Verwendung finden dürfen, weil es sonst zu einem Engpass kommt.

In der Novelle ist von „Benannten Stellen“ die Rede – wer immer diese „Benannten Stellen“ sind. Und die nächste interessante Formulierung ist, dass gebrauchte Produkte „kein unannehmbares Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit der Patienten, Anwender oder anderer Personen“ darstellen dürfen. Was bedeutet denn „unannehmbares Risiko“ beziehungsweise was ist ein annehmbares Risiko? Was ist der Unterschied zwischen einem annehmbaren Risiko und einem unannehmbaren Risiko? – So wie das formuliert wurde, ist das unserer Meinung nach ein unannehmbarer Text, und deshalb werden wir auch nicht dafür stimmen.

Die zweite Änderung findet unsere Zustimmung, obwohl auch diese Novelle sehr seltsam ist. Da geht es darum, sicherzustellen, dass zumindest bedürftige Menschen die entsprechenden rezeptpflichtigen Arzneimittel bekommen. Das Gesetz sieht allerdings vor, dass das das Rote Kreuz macht. In Anbetracht dessen frage ich: Warum nicht die Johanniter? Warum nicht die Malteser? Warum nicht die Arbeiter-Samariter? Warum nicht die Berufsrettung? – Es gibt in diesem Zusammenhang verschiedene Organisationen, da wird aber aus­schließlich auf das Rote Kreuz abgestellt. Und dazu kommt noch, dass das Rote


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Kreuz davon ausgenommen wird, eine Fälschungsprüfung bei den Medika­menten, die sie dann zu verteilen haben, vorzunehmen. Auch das ist etwas seltsam. Man könnte auch sagen, die Umsetzung ist ein bisschen stümperhaft. Trotzdem wollen wir sicherstellen, dass bedürftige Menschen Medikamente bekommen, und deshalb werden wir dieser Novelle zustimmen.

Herr Bundesminister! Wenn wir schon hier beisammen sind, möchte ich noch etwas erwähnen: Ich habe in Straßburg etwas mit all jenen Ländern unter­nommen, die bis heute eine der wichtigsten Konventionen nicht ratifiziert haben, in der es um Medizinkriminalität, die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit durch Straftaten geht. Das ist eine Konvention, welche die Menschen schützt.

Österreich hat diese Konvention 2011 unterschrieben, aber niemals ratifiziert, während Albanien 2015 unterschrieben und 2016 ratifiziert hat und die Türkei 2012 unterschrieben und 2017 ratifiziert hat, und so weiter. Der einzige Grund, warum dieser Schutz in Europa aufrecht ist, ist, weil drei afrikanische Staaten ohne Müh und Not diese Konvention ratifiziert haben, nämlich Guinea, Burkina Faso und Marokko. Daher wirkt und funktioniert diese Konvention.

Es ist nach wie vor ein Rätsel, warum Österreich bis heute nicht ratifiziert hat. Wir alle wissen doch, woher die Medikamente kommen und wie viele Placebos zum Teil in notwendigen Medikamenten sind, und diese Konvention dient genau dazu, sicherzustellen, dass es keine Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten gibt.

Herr Bundesminister, Sie haben noch einige Monate, und vielleicht könnten Sie diese Monate dazu nützen, um intern, in Ihrem Haus, dem nachzugehen, warum denn um alles in der Welt diesbezüglich nichts weitergeht und warum man zwar eine Konvention unterschreibt, dann aber nach so langer Zeit nicht daran denkt, diese zu ratifizieren, damit diese Konvention, die für uns alle sehr wichtig ist, nämlich die Sicherung vor Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, auch bei uns Gültigkeit hat.


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Viele andere Staaten der Europäischen Union haben in den letzten Monaten diese Konvention ratifiziert; wir tun überhaupt nichts. – Vielleicht kann uns ja der Herr Minister im Oktober, wenn wir wieder zusammenkommen, über­raschen, dass wir endlich zu dieser Ratifizierung kommen.

In diesem Sinne: Wir werden das Medizinproduktegesetz ablehnen, aber das zweite, das sogenannte Rotkreuzgesetz, annehmen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.30


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte schön, Frau Bundesrätin.


17.30.37

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben es schon gehört: Wir haben bei diesen beiden Tagesordnungspunkten mehrere Beschlüsse. Der eine ist das Medizin­produktegesetz mit einer Reihe von Anpassungen technischer Art, entsprechend EU-Vorgaben und -Verordnungen. Das ist eine eher technische Sache, und das hier im Detail auszubreiten ist wahrscheinlich mäßig spannend.

Tatsächlich ein bisschen spannender ist der zweite dieser Tagesordnungspunkte, da geht es um eine Verlängerung des Infrastruktursicherungsbeitrages für den pharmazeutischen Großhandel und damit um eine wichtige Maßnahme, um die Versorgungssicherheit mit Medikamenten auch im heurigen Jahr wieder zu gewährleisten, sicherzustellen und auch zu verbessern. Das heißt, wir unterstützen den pharmazeutischen Großhandel bei Produkten, die eine eher niedrige Marge haben, um zu gewährleisten, dass diese Produkte bei Bedarf vorhanden und auch eingelagert sind (Bundesrat Schennach: ... Stellen!) und das Ganze für den Großhandel auch kostendeckend stattfindet.


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Neu mit dem heurigen Jahr ist ein Monitoring- und Prognosesystem, das auf Echtzeitdaten zurückgreifen wird und es uns damit erleichtern wird, Engpässe früher und auch schneller zu erkennen und dann eben auch rascher gegen­zusteuern.

Das Zweite bei diesen Tagesordnungspunkten ist, dass wir damit eine Situation beziehungsweise eine Leistung des Roten Kreuzes rechtlich klarstellen. Das Rote Kreuz übernimmt in sehr vielen Bereichen in Österreich die kostenlose Ausgabe von Medikamenten an Menschen in prekären Situationen.

Was kann man sich darunter vorstellen? – Für Menschen, die obdachlos sind, Menschen, die vielleicht keine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich haben, die nicht in unserem System erfasst sind, Menschen, die am Rande der Gesellschaft sind, aber natürlich genauso auch medizinische Behandlung brauchen, die Medika­mente brauchen, hat das Rote Kreuz seit Jahren eine kostenlose Ausgabe von Grundmedikamenten übernommen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, das ist eine ganz wichtige Dienstleistung für diese Menschen, die beispielsweise über Ambermed, über das Neunerhaus hier in Wien stattfindet.

Wir stellen klar, in welchem rechtlichen Rahmen das in Zukunft erfolgen soll. Das ist sehr wichtig für diese Menschen, und ich möchte daher um breite Zustimmung bitten. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.33


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.33.20

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Zu Minister Rauch: Ich habe mir jetzt aufgeschrieben, Minister Rauch bürgt für verlässlich schlecht, und die SPÖ hat „stümperhaft“ gesagt, das gefällt mir auch ganz gut.

Minister Rauch bürgt für stümperhafte Gesetze, auch was das jetzt betrifft. Bezüglich Versorgungssicherheit und Medikamentenengpässen zieht man das


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jetzt auf eine noch höhere Ebene. Das heißt, im schlimmsten Fall werden dann die Reserven auch noch aus Österreich ausgelagert. Wir haben in Zeiten von Corona gesehen, was passiert, wenn wir etwas nur aus dem deutschen Raum brauchen – also Bayern –, als das dann an der Grenze aufgehalten worden ist und wir die Versorgung nicht gekriegt haben. Es ist also sehr intelligent, wenn man jetzt die Medikamentenversorgung, die Lager auch noch aus Österreich auslagert: typisch Rauch, typisch stümperhaft, typisch für diese Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Rauch bürgt für ein kaputtes Gesundheitssystem. Rauch will jetzt auch noch, dass ich einen Arzttermin über die ja wirklich Coronahotline 1450 abwickle. Das heißt, wenn ich jetzt einen Arzttermin grandios funktionierende ehemalige brauche, rufe ich dann bei 1450 an. Da hebt dann irgendwo in einem Kammerl in Wien jemand ab, und der sagt mir, ob ich im Zillertal einen Arzttermin kriege. Also noch verrückter kann es ja nicht sein. Als wäre mit voller Absicht geplant, in Ihren letzten Monaten das Gesundheitssystem mit voller Wucht noch einmal an die Wand zu fahren – so kommt es mir vor. Das ist doch nicht mehr normal! (Beifall bei der FPÖ.)

Rauch bürgt für: Gesundheitssystem hin; Rauch bürgt für: Regierung hin; Regierung bürgt für: Regierung kaputtscheto. – Nichts geht mehr, rien ne va plus! Es ist genug, es ist Zeit für eine Neuwahl!

Noch eines zur SPÖ: Natürlich haben wir dem Antrag des Kollegen (Rufe bei der SPÖ: Fischer!) Fischer aus Niederösterreich herzlich gerne zugestimmt. Es geht um das Pflegepersonal, es geht um pflegende Personen, die es sich wirklich verdient hätten, in die Schwerarbeiterregelung zu kommen – da brauchen wir gar nicht zu diskutieren.

Das Match hier jetzt mit der ÖVP hätte sich die SPÖ aber sparen können. Wisst ihr, warum? – Wenn ihr euren Babler zur Abstimmung hier gehabt hättet, wenn ihr geschaut hättet, dass ihr vollzählig seid, hätten wir sogar eine Mehrheit gehabt, weil von der ÖVP nämlich bei der Abstimmung zwei Abgeordnete


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gefehlt haben. (Bundesrätin Schumann: ... den halben Tag nicht da! Bundesrat Steiner war den halben Tag nicht da! Steiner war nicht ... Leute vorgesetzt! Die Leute vorgesetzt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Also schaut ihr in Zukunft, dass eure Leute bei der Abstimmung im Saal sind, dann habt ihr eine Mehrheit! Babler aber interessieren eure eigenen Anträge nicht. Ihr seid falsche Fuffziger! (Beifall bei der FPÖ.)

17.36


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Böhmwalder. – Bitte.


17.36.33

Bundesrätin Sandra Böhmwalder (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bei diesen beiden Tagesordnungspunkten fassen wir mehrere Beschlüsse. Kollegin Hauschildt-Buschberger hat es schon erzählt: Es sind insgesamt drei Gesetzentwürfe, die wir heute auf den Weg bringen.

Von diesen Punkten betrifft ein Teil die Verlängerung des Infrastruktur­sicherungsbeitrages für Arzneigroßhändler bis zum 31. August 2025. Dieser Beitrag sorgt dafür, dass preisgünstige Medikamente weiterhin verfügbar bleiben. Ohne diesen Beitrag könnten viele dieser Medikamente aus Renta­bilitätsgründen nicht mehr angeboten werden – diese Regelung hat sich bereits im letzten Winter bewährt.

Denken Sie an günstige Medikamente, die besonders von älteren Menschen benötigt werden. Diese Medikamente könnten knapp werden oder man müsste lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Durch die Verlängerung dieses Beitrags stellen wir sicher, dass solche Medikamente verfügbar bleiben.

Zusammengefasst: Diese beiden Gesetzentwürfe sorgen für eine höhere Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten und stellen Liefersicherheit für preisgünstige Medikamente her.


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Der dritte der Punkte betrifft eine Änderung im Rotkreuzgesetz. In unserem Land sind 8,8 Millionen Menschen krankenversichert, aber es gibt in Österreich Menschen ohne Sozialversicherung, die jedoch oft nicht selbst dafür verant­wortlich sind. Dies hat oftmals unterschiedliche Gründe – das sind zum Beispiel Obdachlose oder Studierende ohne Leistungsnachweis.

Wir beschließen heute einen gesetzlichen Rahmen, damit das Österreichische Rote Kreuz und seine Zweigvereine weiterhin Arzneimittel unentgeltlich an Bedürftige abgeben können. Diese Regelung umfasst alle Arten von Arznei­mitteln, einschließlich rezeptpflichtiger Medikamente, sofern eine ent­sprechende Verschreibung vorliegt. Dies stellt sicher, dass auch die Schwächsten in unserer Gesellschaft Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung haben.

Ich bitte um breite Unterstützung für diese wichtigen Gesetzesvorhaben im Gesundheitswesen und bedanke mich beim Roten Kreuz, bei allen hauptamtlichen Mitarbeitern, bei allen ehrenamtlichen Mitarbeitern und bei allen Zivildienern für ihren großartigen Einsatz rund um die Sicherheit und das Gesundheitswesen für die Menschen in Österreich. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.39


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Bundes­minister.


17.39.29

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Vorsitzende! Geschätzte Damen und Herren! Vielleicht gehe ich zuerst auf den zweiten Punkt ein und sage, was es damit auf sich hat: Es geht hierbei um die Möglichkeit, dass das Rote Kreuz auf rechtssicherer Basis Medikamente an Menschen, die keine Versicherung haben, abgeben kann. Von denen gibt es nämlich welche.


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Allein in Wien profitieren davon etwa 4 000 Kinder. Ambermed, eine Stelle, die in Wien eingerichtet ist, oder auch das Neunerhaus Gesundheitszentrum haben mehr als 80 Ärztinnen und Ärzte, die freiwillig Menschen, die eben keine Versiche­rung haben, versorgen, und zwar mit Medikamenten versorgen. Das passiert im Übrigen auf freiwilliger Basis und durch Spenden des Medikamentengroß­handels. Die Medikamente werden dort zur Verfügung gestellt und abgegeben. Und das war bisher nicht rechtssicher geregelt. Das heißt, diese Einrichtung hätte schließen müssen, und damit wäre eine Versorgungslücke entstanden. Mit dieser Novelle wird jetzt sichergestellt, dass die Abgabe dort auf rechtlich einwand­freier Basis stattfinden kann.

Kurz zur Medikamenteneinlagerung: Natürlich passiert die in Österreich. Wir haben ja die Voraussetzungen geschaffen, auch mit anderen Maßnahmen, angefangen von der magistralen Zubereitung bis zur Wirkstoffeinlagerung, dass wir die Möglichkeit haben, Medikamentenengpässen zu begegnen. Diese Einlagerung wird vom Pharmagroßhandel in Österreich gemacht. Dieses Lager kann man auch besichtigen. Diese Wirkstoffe sind in Österreich und nicht irgendwo eingelagert. Das ist auch deshalb wichtig, weil wir so sehr rasch auf Engpässe reagieren können und auch reagiert haben, wenn sie vorhanden gewesen sind.

Ich darf auch daran erinnern, dass die österreichische Bundesregierung einem Werk in Tirol, das ein wichtiger Hersteller von Antibiotika ist, eine Subvention in der Größenordnung von 50 Millionen Euro hat zukommen lassen, was dann dazu geführt hat, dass dieser Standort mit einem Investment von 200 Millionen Euro ausgebaut worden ist. Darum beneiden uns andere europäische Mitglied­staaten, weil dieses Werk imstande ist, nicht nur den österreichischen Bedarf zu decken, sondern auch den Großteil des europäischen Bedarfs zu decken. Das ist Standortpolitik, das ist aktives Kümmern um die Versorgungssicherheit, und das ist auch in der Zeit dieser Bundesregierung geschafft worden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Herr Bundesrat Schennach, was die Ratifizierung angeht, werde ich mich gerne im Haus kundig machen, was es damit auf sich hat. Ich muss Ihnen ganz offen gestehen, das hatte ich so nicht am Schirm. Da werden Sie eine adäquate und ausführliche Antwort auf diese berechtigte Frage aus meinem Haus erhalten (Bundesrat Schennach: Danke!), weil ich die Einschätzung teile: Wenn Abkommen geschlossen werden, dann sollten sie auch eingehalten und befolgt werden. Dazu ist Österreich verpflichtet. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

17.42


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es liegt eine weitere Wortmeldung des Herrn Bundesrates Christian Fischer vor. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.42.45

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher:innen! Das Rettungswesen in Österreich steht nicht nur wegen der demografischen Entwicklung vor großen Herausforderungen. Die längere Lebenserwartung unserer Bevölkerung geht mit vielen komplexen Krankheitsbildern einher. Die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes verändert sich. Die Einsätze werden immer mehr und herausfordernder. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, geeignete Mitarbeiter für den Rettungsdienst zu gewinnen.

Rettungs- und Notfallsanitäter leisten körperlich sowie psychisch harte Arbeit, dennoch gilt ihre Tätigkeit als Hilfsarbeit. Das hat im beruflichen Alltag viele Nachteile. Insbesondere fallen Rettungs- und Notfallsanitäter auch nicht unter das Nachtschwerarbeitsgesetz, anders als Arbeitnehmer der Feuerwehren. Dabei ist die Tätigkeit der Feuerwehren jener der Rettungsdienste sehr ähnlich.

Das Gesetz definiert, dass die Arbeitnehmer der Feuerwehr Nachtschwerarbeit leisten, wenn sie im Zeitraum von 22 bis 6 Uhr mindestens 6 Stunden Einsätze oder Arbeitsbereitschaft für Einsätze im Schichtdienst leisten. Diese


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2013 eingeführte Sonderstellung gilt, weil sie besonderen Belastungen wie Lebensgefahr, Arbeit unter starker Hitze oder Kälte ausgesetzt sind.

Sanitäter sind ähnlich erschwerten Bedingungen ausgesetzt, außerdem fährt bei vielen Feuerwehreinsätzen auch die Rettung mit. Die Aufnahme der Mitarbeiter der Rettungsdienste in das Nachtschwerarbeitsgesetz hätte für die Berufsgruppe vor allem auch den Vorteil, in den Genuss besonderer Maßnahmen der Gesund­heitsvorsorge zu kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf daher im Namen unserer hauptamtlichen Rettungssanitäter folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme der Sanitäter:innen in das Nachtschwerarbeitsgesetz“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, dem National­rat und dem Bundesrat umgehend eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, mit der die Aufnahme der Sanitäter:innen in das Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG) vorgenommen wird.“

*****

Ich bitte um breite Zustimmung und möchte mich bei meinem Stützpunktleiter Helmut Koberwein stellvertretend für alle Sanitäter österreichweit bedanken. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.45 17.45.32


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Aufnahme der Sanitäter:innen in das Nachtschwerarbeitsgesetz“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.


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Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Ihre Plätze haben Sie bereits eingenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rotkreuzgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Aufnahme der Sanitäter:innen in das Nachtschwerarbeitsgesetz“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


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17.47.3324. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Epidemiegesetz 1950, das Patientenverfügungs-Gesetz und das Suchtmittelgesetz geändert werden (2530 d.B. und 2663 d.B. sowie 11527/BR d.B. und 11578/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist wieder Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Frau Bundesrätin, ich bitte um den Bericht.


17.47.59

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Epidemiegesetz 1950, das Patienten­­verfügungs-Gesetz und das Suchtmittelgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Bericht­erstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Ich erteile es Ihnen, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 288

17.48.48

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Wenn irgendetwas aus dem Ministerium des Herrn Rauch kommt, dann zahlt es sich meistens aus, dass man ein zweites Mal hinschaut. Wir wissen ja, wie genau es dieser Herr in der Vergangenheit mit der Wahrheit genommen hat, auch in diesem Haus.

Ich erinnere nur an die Verlängerung der Haltbarkeit von Impfdosen. Herr Minister, in diesem Haus wollten Sie uns erklären – wo wir schon einen Zettel in der Hand gehabt haben, auf dem gestanden ist, wie es laufen soll –, dass Impf­dosen nicht weggeschmissen werden dürfen, weil Sie sie eintauschen. Zeitgleich haben Sie gesagt: Wir Freiheitliche sollen wenigstens in Rufweite der Wahrheit bleiben. – Ein Satz, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Die Wirklichkeit hat aber dann etwas anders ausgeschaut, Sie haben nämlich die Haltbarkeit von dem abgelaufenen Klumpert weiter verlängert und haben es nach wie vor an die Leute weiter verimpfen wollen. Da muss ich schon sagen: Wer war nun in Rufweite der Wahrheit und wer war nicht in Rufweite der Wahrheit, Herr Bundesminister? (Beifall bei der FPÖ.)

Nachdem Sie es mit der Wahrheit nicht immer so genau nehmen, komme ich dann schon auf diese Gesetzesänderung zu sprechen. Heute gaukeln Sie uns eine Modernisierung, eine Digitalisierung vor, wissen aber ganz genau, dass es im Endeffekt um nichts anderes geht als um eine Datensammlung von Gesundheits­daten von unseren Bürgern – nämlich in Ihrem Ministerium. Dort haben sensible Gesundheitsdaten schlicht und ergreifend nichts verloren. (Beifall bei der FPÖ.)

Der wahre Grund ist genau diese Datensammlung. Das ist wieder einmal an Unehrlichkeit kaum zu überbieten. (Bundesrat Schreuder: Das sind die Reptiloiden!) – Reg dich nicht so auf! (Bundesrat Schreuder: Ich reg mich nicht auf!) Ich habe ja nicht gesagt, dass er hier herinnen gelogen hat, auch wenn es schlicht und ergreifend die Wahrheit wäre – aber ich will ja keinen Ordnungsruf kriegen.


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(Bundesrat Schreuder: Atmen! Atmen!) Schlicht und ergreifend hat er die Unwahr­heit gesagt, und das ist nicht im Interesse unserer Österreicher, wie nahezu alles aus grünem Haus. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.51


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


17.51.26

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die heute zu beschließenden Änderungen des Gesundheits­telematikgesetzes dienen dazu, die elektronische Erfassung personenbezogener Gesundheitsdaten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung datenschutz­konform zu gestalten und insbesondere die weiteren Voraussetzungen für die Umsetzung des elektronischen Impfpasses zu schaffen. Es geht darum, fest­zulegen, wer berechtigt ist, Daten in Elga zu speichern – die Mitarbeiter:innen der Gesundheitshotline 1450 sollen so beispielsweise in Zukunft ebenfalls den Inhalt der Beratungsgespräche in Elga festhalten können –, wer Zugriff auf die Daten hat, wann Daten gelöscht werden müssen und so weiter. Insge­samt sind es viele technische Details, die eine möglichst sichere Nutzung der elektronischen Gesundheitsanwendungen sicherstellen sollen.

Wichtig ist dabei aber auch – und das machen wir auch –, die Bürgerinnen und Bürger nicht zu vergessen. Ihre Patientinnen- und Patientendaten sind es nämlich, die gespeichert werden. Daher ist es auch unabdingbar, festzulegen, wie die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, Zugriff auf ihre gespeicherten Daten zu haben, festzulegen, was über sie gespeichert wird, und zu entscheiden, welche Daten gelöscht werden sollen. All das wird im Gesund­heitstelematikgesetz geregelt.

Der Schutz der hochsensiblen Gesundheitsdaten von Patientinnen und Patienten in allen Versorgungsstrukturen des Gesundheitswesens hat für uns


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immer oberste Priorität. Dem tragen wir mit diesem Beschluss Rechnung, und das wird auch der Leitgedanke für die Umsetzung bei den weiteren technischen Details sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Himmer.)

17.53


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.53.25

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Vorsitzende! Werter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Mit dem Gesundheitstelematikgesetz und dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz wird ein Schritt von 2018 – damals mit uns und mit der FPÖ, mit der Gesundheitsministerin Hartinger-Klein – weiterentwickelt. Es geht um den Vollbetrieb des E-Impfpasses, der ja damals hochgelobt worden ist – auch in der Hinsicht, dass Daten für die Zukunft gesichert werden, dass der Papierkram nicht mehr vorherrscht, und auch, dass in Zukunft, besonders bei Impfungen wie bei Tetanus- oder bei FSME-Impfungen, nicht die Zeit über­sehen wird und die Impfungen auch rechtzeitig wieder stattfinden oder Infor­mationen dazu hinausgehen.

Ich glaube, es ist wichtig, dass diese Weiterentwicklung stattfindet. Wir wissen, dass die Digitalisierung nie beendet sein wird. Diese Daten sind in Zukunft dementsprechend gesichert und stehen auch für die Rettungsdienste zur Verfügung. Das ist ein ganz wichtiger Schritt, dass wir wissen oder auch sehen, dass die Daten in Elga abgesichert sind, aber auch dementsprechend für Rettungsdienste zur Verfügung stehen. Wenn diese Infusionen tätigen und vielleicht Allergien vorherrschen, könnte das bis zu lebensbedrohlichen Situationen führen.

In diesem Sinne können wir sagen: Es ist ein wichtiger Schritt, eine Weiterent­wicklung. Es wird uns auch in Zukunft die künstliche Intelligenz in positiver Hinsicht weiter auf dem Weg begleiten. Wir sehen bei Hautkrebs oder bei


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anderen Tumoren, dass die künstliche Intelligenz durch das Wissen der Daten jetzt schon mehr Sicherheit geben kann als das ärztliche Wissen. So ist auch da die Sicherheit ein wichtiger Schritt, wie meine Vorrednerin schon gesagt hat.

Die Sicherheit der Daten muss einfach auch in Zukunft gewährleistet sein. Wir wissen, dass wir als Bürgerinnen und Bürger sehr viele Daten schon persönlich freigeben, ob beim Einkaufen oder bei vielen anderen Sachen oder durch die Uhr, die wir an der Hand tragen. Diese Daten hier aber sollten dementsprechend gesichert sein – zum Schutz der Menschen. Daher werden wir diesem Gesetz­entwurf zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.55


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Magistra.


17.55.49

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir als SPÖ werden diesem Tagesordnungs­punkt zustimmen, bei dem es darum geht, diesen elektronischen Impfpass einzu­führen und damit auch ein zentrales Impfregister in Betrieb zu nehmen oder auszubauen.

Ich möchte es an einem sehr konkreten Beispiel veranschaulichen, vielleicht auch unseren Zuseherinnen und Zusehern zu Hause. Ich habe meinen Impfpass mitgebracht – ich habe mittlerweile sogar zwei Impfpässe. (Die Rednerin hält einen gelben und einen orangen Impfpass in die Höhe.) Alle meiner Generation oder meines Jahrgangs kennen vielleicht dieses Drama mit den Impfpässen, in die jeder Arzt irgendwie irgendwas einträgt. (Bundesrat Schreuder: Man vergisst es oder weiß nicht, wo es liegt!) Wenn ich wissen will, wann welche Impfung oder welche Auffrischung erforderlich ist, habe ich es nie geschafft, das herauszu­finden. Ich freue mich auf den Moment, wenn ich das übersichtlich digital abrufen kann und möglicherweise – und das ist angekündigt – auch ein Impfkalender


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dabei ist, mit dem man erinnert wird, wann welche Auffrischung notwendig ist oder welche Impfung anstehen würde. Also mir gibt das Sicherheit, für mich ist das beruhigend.

Auch den zweiten Bereich finde ich beruhigend. Wenn wir wissen, dass diese Elektronische Gesundheitsakte auch für Rettungsdienste und für die Gesundheitshotline 1450 abrufbar ist, dann gibt mir das die Gewissheit, dass, wenn ich einen Unfall habe, die Rettungskräfte meine Daten abrufen können, wissen, auf was ich allergisch bin, auf welche Medikamente ich gut oder schlecht reagiere. Das kann lebensrettend für mich sein – und für die Bürger:innen. Darum beruhigt mich auch dieser Punkt.

Noch zwei Sicherheitsnetze für alle, die skeptisch sind: Es gibt die Möglichkeit für alle Bürger:innen, sich auch von dieser Elektronischen Gesundheitsakte abzumelden, wenn man das nicht will. Das ist die Möglichkeit, auszusteigen, wenn man das partout nicht will; es gibt also eine gewisse Art der Freiwillig­keit.

Wir wissen zusätzlich, dass mit dieser Reform auch den Empfehlungen der Datenschutzbehörden gefolgt wird und wir sicher sein können, dass unsere Daten datenschutzkonform verwaltet und abgespeichert werden. Das heißt, wir freuen uns über diese Maßnahme und stimmen gerne zu. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

17.58


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundes­minister.


17.58.39

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte!


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 293

Das gibt mir Gelegenheit, jetzt noch dazu Stellung zu nehmen, wie sich das in Österreich mit Elga und mit den Gesundheitsdaten verhält.

Erster Punkt – danke, Frau Bundesrätin Pruner, Sie haben es gesagt –: Wer es nicht will, kann sich von Elga abmelden. 97 Prozent der Menschen tun das nicht, 3 Prozent tun das. Warum ist es wichtig, bei Elga zu sein? – Sie haben es auch gesagt: weil dort Gesundheitsdaten vorhanden sind, auf die im Notfall rasch zuge­griffen werden kann, und weil das Leben retten kann. Ich sage das in aller Deutlichkeit.

Ich ziehe den folgenden Vergleich: Wir sind ja heute auch so digital unterwegs, dass wir unsere Banküberweisungen digital machen. Wer das nicht möchte, geht zur Bank, füllt seinen Zahlschein von Hand aus und kann es auch so machen. Das gilt auch für Elga. Wer nicht will, dass seine Gesundheitsdaten gespeichert sind, kann sich von Elga abmelden – Punkt. Diese Opt-out-Möglichkeit gibt es. Sie wird in Anspruch genommen, allerdings von sehr wenigen, weil die Men­schen erkannt haben, dass der Nutzen hoch und der Datenschutz gewährleistet ist.

Mit einer Legende möchte ich sofort aufräumen: Es gibt im Gesundheitsministerium im Keller keinen geheimen Datenspeicher, auf dem die Gesundheitsdaten gespeichert werden. Die Gesundheitsdaten werden bei Elga gespeichert, das ist eine Einrichtung, die von den Bundesländern – allen neun –, der Sozialver­sicherung und dem Bund gemeinsam betrieben wird. Die Beschlüsse dazu müssen jeweils einstimmig in der Bundes-Zielsteuerungskommission fallen, und ich habe noch keinen einzigen Fall erlebt, in dem die Bundesländer – auch nicht dort, wo die FPÖ mitregiert – gegen einen Beschluss dort gestimmt haben, weil es einfach so ist, dass die Elga als Datenplattform ausgebaut wird und dort jetzt auch Dinge Platz greifen wie die Speicherung von Befunden, sodass man in Zukunft nicht mehr von A nach B nach C laufen und irgendwelche ausge­druckten Röntgenbilder oder MRT-Bilder oder Disketten oder Datenträger oder gar ausgedruckte PDF-Dokumente mitschleppen muss, sondern dass man darauf zugreifen kann, nämlich digital.


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Wichtig finde ich auch, dass es möglich ist, entlang dieser Daten oder auch von Befunden die Diagnosesicherheit zu erhöhen. Ich würde Sie alle einladen: Machen Sie sich kundig in Spitälern, vorwiegend dort, wo Forschung betrieben wird, etwa bei der St. Anna Kinderkrebsforschung, was es mit sich bringt, wenn Krebsdiagnosen nicht nur mit zehn, 20, 30 Fällen, die im eigenen Kranken­haus vorhanden sind, abgeglichen werden können, sondern mit bestimmten Schnittbildern, die aus Hunderttausenden von Proben international gezogen werden. Das erhöht die Diagnosesicherheit unendlich. Damit wird Patientinnen und Patienten geholfen, und das ist der Zweck von Digitalisierung.

Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern soll den Patientinnen und Patienten nützen, und genau das ist hier grundgelegt und ist im Übrigen auch mit der E-Health-Strategie, die wir gestern vorgestellt haben, grundgelegt. – Danke sehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.01 18.01.45


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

18.02.2125. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­versiche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialhilfe-


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Grundsatzgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (4115/A und 2694 d.B. sowie 11528/BR d.B. und 11559/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­siche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz und das EU-Beamten-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2024 – SVÄG 2024) (2607 d.B. und 2697 d.B. sowie 11560/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 25 und 26, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Als Berichterstatterin zu den Punkten 25 und 26 wurde mir wieder Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger genannt. – Ich bitte um die Berichte. 18.02.57


Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:


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Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz und das EU-Beamten-Sozialversiche­rungsgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme auch da gleich zur Antragstellung:

Der Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Bericht­erstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Fischer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen. (Präsident Ebner übernimmt den Vorsitz.)


18.04.41

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Vizepräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Ursprünglich wollten wir dem Tagesordnungspunkt 25 zustimmen (Bundesrätin Miesenberger: Ja, da wart ihr im Ausschuss ...!), allerdings haben wir unser Abstimmungsverhalten geändert, weil die Regierungsfraktionen in zweiter


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Lesung einen umfangreichen Abänderungsantrag eingebracht haben, mit dem eine Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz beschlossen wurde.

Inhaltlich sehen wir zahlreiche Punkte kritisch, insbesondere auch die oftmals unklaren Begrifflichkeiten, wodurch wir Schwierigkeiten und Unklarheiten in der Praxis erwarten. Ebenso bedenklich finden wir, dass die Aufzeichnungspflicht über die Verabreichung von Arzneimitteln in der Nacht von den Ärzten auf die Pfleger abgeschoben wird und diese damit letztendlich auch die Verant­wortung tragen.

Auch dem Tagesordnungspunkt 26 müssen wir unsere Zustimmung verwehren, da diese Änderung eine weitere Entmachtung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung bedeutet, weil künftig für bauliche Maßnahmen, Mietverträge oder Ähnliches, aber auch für die Erstellung der Dienstpostenpläne nicht nur das Sozialministerium zustimmen muss, sondern nunmehr auch das Einvernehmen mit dem Finanzminister hergestellt werden soll. Es wird wieder ein Gesetz geschaffen, das nicht durchdacht ist und alles komplizierter macht.

Was bedeutet die geplante Gesetzesänderung in der Praxis? – Wenn ein Sozialversicherungsträger ein neues Projekt plant beziehungsweise Sanierungen notwendig sind, war es bisher üblich, dass der Sozialversicherungsträger die Arbeiten lediglich nach einem Beschluss im Verwaltungsrat in Auftrag geben durfte. Die vorliegende Gesetzesänderung sieht jetzt vor, dass die geplanten Tätigkeiten des Sozialversicherungsträgers durch ein zweites Ministerium bewilligt werden müssen. Sollte der Finanzminister sein Veto zu einer geplanten Sanie­rung aussprechen, sind dem Sozialversicherungsträger die Hände gebunden. Das hat zur Folge, dass für die Versicherten nicht mehr die entsprechende Qualität gewährleistet werden kann. Das öffnet Tür und Tor für private Investoren im Gesundheits- und Pflegebereich.

Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Stoppen Sie den Ausverkauf unserer Gesundheitseinrichtungen! Unternehmen Sie alles, um den Verkauf der


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österreichischen Vamed-Anteile rückgängig zu machen! (Beifall bei der SPÖ.) Einige Großkonzerne wittern da bereits das große Geschäft.

Nehmen Sie endlich den Beschluss der Zerschlagung unserer Sozialversicherungs­träger zurück! Die versprochene Patientenmilliarde war ein Marketinggag. Im Jahr 2023 bilanzierte die ÖGK wieder mit einem Verlust in der Höhe von sage und schreibe 386 Millionen Euro zulasten unserer Gesundheitsversorgung.

Unsere Gesundheit ist unser größtes Gut. Das haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank, offensichtlich nicht verstanden. Aus meiner Sicht verdient das ein klassisches Nicht genügend. Setzen! – Danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Hast du eine Lehrer­ausbildung?)

18.08


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.


18.08.18

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Unter den Tagesordnungspunkten 25 und 26 beschließen wir die Novellierung einer Reihe von Gesetzen. Zwei davon möchte ich an dieser Stelle herausgreifen.

Die Änderungen in den Sozialversicherungsgesetzen ASVG, BSVG und GSVG stellen sicher, dass der Bezug einer Versehrtenrente, welche aufgrund der Verminderung der Arbeitsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls zugestanden wird, weder auf den Anspruch auf Ausgleichszulage zur Pension noch auf den Anspruch auf Sozialhilfe anzurechnen ist. Ich denke, das ist eine sehr, sehr gute Sache.


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Bedeutungsvoll erscheint mir auch die Änderung im Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, durch die es zu einer grundsätzlichen Neuformulierung der Kompetenzen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege kommt. Gänzlich neu ist in Zukunft die Möglichkeit, Arzneimittel in den Bereichen Nahrungsaufnahme, Körperpflege sowie Pflegeinterventionen und -prophylaxen zu verordnen. Ähnlich der Formulierung im MTD-Gesetz ist wiederum eine Weiterverordnung nach ärztlicher Erstverordnung oder eine Erstverordnung auf Basis einer Verordnung des Gesundheitsministers vorge­sehen.

Wie schon bei Tagesordnungspunkt 21 erwähnt, ist diese Übertragung von Kompetenzen im Sinne der Patientinnen- und Patientensicherheit vor allem auch als eine weitere Verantwortungsübernahme durch die Gesundheitsberufe zu sehen. Durch diese Veränderung der Anordnungsstruktur und damit einher­gehend auch Verantwortungsstruktur wird es jedenfalls in bestimmten kritischen Bereichen zu einer noch engeren Abstimmung zwischen den Professionen der Pflege und der Ärztinnen- und Ärzteschaft in der Betreuung von Patien­tinnen und Patienten kommen.

Ich denke, da muss sich Kollege Fischer keine Sorgen machen, denn auch darauf wird sicherlich ganz sensibel Bedacht genommen.

Es werden damit die fachlichen Kompetenzfelder der professionellen Pflege weiter gestärkt, und auch die Verantwortlichkeit im Hinblick auf die an erster Stelle stehende Wahrung der Patientinnen- und Patientensicherheit wird weiter klargestellt. Ich bitte daher um breite Zustimmung. (Beifall bei den Grünen.)

18.10


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich erteile das Wort.



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18.10.51

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Geschätzte Zuhörer:innen und Zuseher, die noch vor den Bild­schirmen sitzen! Ich freue mich ganz besonders, heute hier im Hohen Haus zu diesen zwei Tagesordnungspunkten sprechen zu dürfen – wenn auch am späten Nachmittag, aber umso wichtiger für jene, die dadurch künftig Verbes­serungen, Besserstellungen erfahren dürfen.

Worum geht es bei diesen Gesetzesänderungen? – Künftig sollen Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr als Einkommen gewertet und bei der Berechnung der Ausgleichszulage berücksichtigt werden. Auch Sozialhilfebezieher:innen sollen diese Leistungen künftig ungeschmälert bekommen.

Warum war diese Änderung so wichtig? – Die Versehrtenrente, die Unfallrente ist eine Geldleistung, die als Entschädigung der Versicherten für die Minderung der Erwerbstätigkeit, die trotz Unfallheilbehandlung und Rehabilitations­maßnahmen zurückgeblieben ist, dienen soll. Damit sollen aus einem Unfall oder einer Erkrankung erwachsende Kosten und Aufwände, etwa für spezielle Therapien oder Hilfsmittel, abgedeckt werden.

Der Bezug der Versehrtenrente hatte eben zur Folge, dass diese bisher als Einkommen berücksichtigt wurden und Ausgleichszulagenbezieher – insbeson­dere auch die Ehepartner, wenn das Einkommen zusammengerechnet wurde – vom Bezug ausgeschlossen wurden. Der Bezug einer Ausgleichszulage, die der Abdeckung des Grundbedarfs der allgemeinen Lebenserhaltungskosten dient, soll dadurch künftig nicht mehr geschmälert werden. Das ist eine wichtige Änderung, gerade für Einkommensschwächere in unserer Gesellschaft, und wir können daher nicht verstehen, dass es dafür keine Zustimmung seitens der SPÖ gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)


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Weiters möchte ich auch den dritten Teil des Pflegepaketes positiv erwähnen. Wir valorisieren den Angehörigenbonus von 1 500 Euro, den wir 2024 eingeführt haben. Weiters führen wir das Pflegestipendium auch im akademi­sierten Bereich der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung ein. Wir beschleunigen die Nostrifizierungen von ausländischen Pflegekräften und installieren eine zentrale Anlaufstelle in den Fachhochschulen zur besseren Abwicklung. Das alles sind nach dem ersten und zweiten Pflegepaket nun weitere Maßnahmen und Meilensteine auf dem Weg zu mehr Fachkräften, zu einem besseren Berufsbild in der Pflege und einer notwendigen Entlastung der pflegenden Angehörigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Zum Abschluss noch ein Zitat, das mir persönlich sehr wichtig ist: Eine Gesell­schaft wird daran gemessen, wie sie mit den Alten und Kranken und den Schwächeren ihrer Mitglieder umgeht. – Daher sind wir doch etwas verwundert, dass die SPÖ bei diesen Punkten nicht mitgehen kann, geht es doch auch um Ausgleichszulagen-, Sozialhilfebezieher:innen, Pflegekräfte und pflegende Angehörige.

Interessant war ja, dass die Kolleginnen und Kollegen – das hat Kollege Fischer ja selber irgendwie in seiner Rede erwähnt – im Ausschuss bei einem Punkt dabei waren, danach gab es ein wenig Unsicherheit, und beim zweiten Punkt waren sie wieder dagegen. (Bundesrätin Schumann: Aber nicht so arg wie die Niederösterreicher beim Antrag! – Bundesrätin Grimling: Niederösterreich!) Das hat dann irgendwie ein bisschen nach Zickzackkurs ausgeschaut, aber es dürfte uns ja eigentlich nicht wundern. Wir haben es ja gestern und heute mehrfach erlebt: Was die SPÖ sagt und was die SPÖ tut, sprich wo sie überall nicht mitstimmt, da liegen ja Welten dazwischen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Was ist jetzt?! Frau Miesenberger, wo sind wir denn ...? Na geh, Frau Miesenberger, jetzt sind wir aufgeregt! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Sei es im Bereich Sicherheit, sei es im Bereich Landwirtschaft, sei es im


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Bereich Pflege und in vielen, vielen anderen Themenfeldern mehr. (Bundesrat Schennach: Niederösterreich! – Bundesrätin Schumann: Die ÖVP Niederösterreich!)

Der Zickzackkurs der SPÖ in so vielen Fragen zeigt gerade die aktuelle Uneinig­keit dieser Partei, und wir hören und lesen heute – die Medien berichten heute ja intensiv (Bundesrätin Hahn: Jetzt sind Sie beleidigt, oder?) – über das neue Buch des burgenländischen Landeshauptmannes. (Bundesrätin Schumann: Na und? – Bundesrätin Hahn: Was hat das eine mit dem anderen zu tun? – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen (Beifall bei der ÖVP), außer dass es gut ist (Bundesrätin Schumann: Mitterlehner-Buch ist großartig! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – horchen Sie zu, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, beruhigen Sie sich! (Bundesrätin Hahn: Wir sind die Ruhe selbst!) –, dass es einen gibt, der eben einen Plan hat, und das ist der Österreich­plan (Bundesrätin Schumann: Ja! – Zwischenruf des Bundesrates Schachner), und derjenige, der den Plan hat, ist unser Bundeskanzler Karl Nehammer. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Bravo!)

Ebendieser Plan steht am 29. September zur Wahl. (Bundesrätin Schumann: Burger, Pommes! – Bundesrätin Hahn: Antidepressiva, Alkohol!) Daher lade ich alle Österreicherinnen und Österreicher dazu ein, diesem Österreichplan und unserem Bundeskanzler die Stimme zu geben. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Österreich in eine gute, stabile Zukunft gehen kann! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.16


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm das Wort.


18.16.26

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseher! Dieser Gesetzes­änderungsantrag ist unterstützenswert, wenngleich er wiederum nur Teilbereiche


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abdeckt. Bei diesem sogenannten kleinen Pflegepaket ist endlich die Pflege daheim inbegriffen. Es gibt nicht immer und überall die Option eines Pflegeplatzes, daher ist die Pflege daheim so wichtig. Wir stimmen daher TOP 25 zu, wenn­gleich Verbesserungen wünschenswert wären.

Zu TOP 26: Verbesserungen sind immer positiv, gerade bei diesem Sozial­versicherungs-Änderungsgesetz 2024 – Verbesserungen für Verbrechensopfer und bei Versehrtenrente und Pflegestipendium. Zeiten der Pflegekarenz, der Pflegeteilzeit und der Begleitung von Kindern bei Reha-Aufenthalten sollen in Bezug auf die Mindestversicherungsmonate als Versicherungsmonate für den Erwerb eines Pensionsanspruchs gelten. Ob diese Änderung der Sicht des VfGH standhält, wird sich weisen. Wir stimmen dem Antrag wie im Nationalrat zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.17


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. Ich erteile ihm das Wort.


18.17.53

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Noch einmal zu Tagesordnungspunkt 25: Worum es da geht, muss schon noch einmal ausgeleuchtet werden, finde ich.

Gemäß Antrag soll nämlich der Abschlag bei Inanspruchnahme einer Invaliditäts-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitspension vor Vollendung des 60. Lebensjahres von derzeit maximal 13,8 Prozent auf 9 Prozent gesenkt werden, wenn innerhalb der letzten 20 Jahre vor dem Stichtag zehn Jahre Schwerarbeit vorliegen. Das gilt für Personen, die Schwerarbeit geleistet haben – für alle, nicht nur für Pflege­kräfte, aber für die eben jetzt auch.


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Diese Forderung wird richtigerweise mit der besonderen psychischen und physischen Belastung sowie der Ausbildungsdauer der Pflege- und Sozialbetreu­ungsberufe begründet, weil eben nur wenige in diesem Bereich Beschäftigte es schaffen, die Voraussetzungen für eine Schwerarbeitspension zu erfüllen.

Das heißt, wir schaffen damit eine Verbesserung für jene Personen, die in der Pflege tätig sind und schwer arbeiten. Ich verstehe jetzt überhaupt nicht, warum die SPÖ nicht zustimmt, denn eine halbe Stunde zuvor wurde ein Antrag ein­gebracht, in dem gefordert wurde, die Schwerarbeitsregelung für die Pflegekräfte umzusetzen. Das ist ein Schritt in diese Richtung. Ich verstehe Ihre Ablehnung nicht! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich verstehe auch nicht die Ablehnung dessen, dass es Pflegekräften gestattet sein soll, Medikamente weiter zu verordnen und das auch ohne ärztliche Anordnung zu tun. Diese Forderung kommt aus der Berufsgruppe. Die Berufs­gruppen wollen das. Das ist kein Abschieben der Verantwortung, das ist eine Ausweitung der Kompetenzen. Die Pflegekräfte sind dafür ausgebildet, und es ist endlich an der Zeit, glaube ich, auch diesen Forderungen nachzugeben. Diese Ärztevorbehalte, die wir in vielen Bereichen haben, sind antiquiert. Das heißt, Pflegepersonal soll das tun, was seiner Ausbildung entspricht, und das wird jetzt auch umgesetzt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir greifen die Selbstverwaltung nicht an, wir stärken sie. Warum? – Die Sozial­versicherung bekommt erstmals aus dem Finanzausgleich, aus Steuermitteln, 300 Millionen Euro zusätzlich, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Das ist eine Stärkung der Selbstverwaltung. Wir wissen nämlich, dass dort die Situation finanziell so ist, dass zusätzliche Leistungen, die von den Versicherten gebraucht werden, nur dann erbracht werden können, wenn das Geld dafür auch da ist. 300 Millionen Euro pro Jahr über den Finanzausgleich in den nächsten fünf Jahren sind sichergestellt, um auszubauen, was es an zusätzlichen Leistungen braucht.


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Ich finde, das ist eine Stärkung und keine Schwächung der Selbstverwaltung. Das ist keine Verteidigung dessen, was in Zeiten der letzten Regierung statt­gefunden hat, denn die Patientenmilliarde gibt es tatsächlich nicht. Deshalb wird jetzt zusätzliches Geld in diesem Bereich bereitgestellt, und ich finde, das ist richtig so. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

18.21


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Daniel Schmid. Ich erteile ihm das Wort.


18.21.17

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt muss ich schnell auf Kollegin Miesenberger replizieren: Sehr geehrte Kollegin, am heutigen Sitzungstag gibt es insgesamt 34 Abstimmungen; bei diesen 34 Abstimmungen stimmt die Sozialdemokratie 32 Mal zu und elf Mal dagegen. Diese elf Abstimmungen, bei denen wir nicht mitgehen: Das hat Gründe, weil wir Differenzen in den Inhalten sehen. (Unruhe und Heiterkeit bei der ÖVP. – Rufe bei der ÖVP: Das geht sich nicht aus! Das stimmt nicht!)

Jetzt sage ich Ihnen etwas: Dass wir nicht ausschließlich Oppositionspolitik beziehungsweise Showpolitik machen, sondern uns unserer staatspolitischen Verantwortung bewusst sind, unterscheidet uns von Ihnen (in Richtung FPÖ), denn im Gegensatz zu Ihnen tragen wir Entscheidungen mit. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben aber sämtliche Anträge, die wir gestellt haben, in den Ausschüssen entweder vertagt oder abgelehnt – gestern wurden zum Beispiel bis auf meinen etliche Entschließungsanträge von Vornherein abgelehnt. (Bundesrat Spanring: Ja!)


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Also gehen Sie nicht her und kritisieren die Sozialdemokratie, dass wir nicht mit­gehen, denn – noch einmal – wir sind heute bei mehr als der Hälfte der Anträge mitgegangen! Das ist die staatspolitische Verantwortung, die wir Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten im Gegensatz zu Ihnen tragen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger. – Bundesrätin Schumann: Das ist aber wahr!)

18.22 18.22.44


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder. – Bundesrätin Schumann: Was ist, Herr Schreuder? Was ist los? Tun wir uns wieder mit der ÖVP verbrüdern?)

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungs­gesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2024.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.24.0727. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 geändert wird (4106/A und 2695 d.B. sowie 11561/BR d.B.)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über Sozialbetreuungsberufe geändert wird (2613 d.B. und 2696 d.B. sowie 11562/BR d.B.)


Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen zu den Tagesordnungspunkten 27 und 28, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Als Berichterstatterin zu den Punkten 27 und 28 ist mir Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger genannt. – Ich bitte um die Berichte.


18.24.58

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über Sozialbetreuungsberufe geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr das Wort.


18.26.05

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Irgendwie komme immer ich zum Handkuss, wenn es davor eine Rechenschwierigkeit gab. Kollege Schmid ist gerade draußen. Ich habe nicht mehr genug Zeit gehabt, um das nachzuhören, aber elf nicht zugestimmte von 34 sind noch immer 34. (Bundesrätin Schumann: Wir stimmen jetzt überall zu! Was ist, Frau Jagl?) Irgendetwas hat da nicht gestimmt. Vielleicht hört ihr euch das noch einmal an. (Bundesrätin Schumann: Beruhigen wir uns wieder, oder was? Was soll das?! Ein bisschen der ÖVP ...!)

Wir schließen mit der Übergangsbestimmung für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen eine vorübergehende Lücke. (Bundesrätin Schumann: So lieb ist die ÖVP zu euch! Super! Die nächste Novembersitzung geb’ ich mir dann! Man muss nur warten können!) Im März erst haben wir umfassende Änderungen im


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Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz beschlossen, mit denen wir geschützte Berufsbezeichnungen geschaffen haben.

Nun ergänzen wir um eine Übergangsbestimmung, die ursprünglich einfach nicht enthalten war, weil es zu der Zeit die Einschätzung gab – auch von den Berufs­verbänden und der Arbeiterkammer –, dass diese Regelung nicht notwendig wäre. In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass wir diese Übergangsregelung doch brauchen. Analog zur Regelung für Sozialarbeiter:innen sind nämlich nun auch Personen berechtigt, die Bezeichnung Sozialpädagogin oder Sozialpädagoge zu führen, die innerhalb von drei Jahren nach einem nicht einschlägigen Grundstudium ein aufbauendes Masterstudium der Sozialpädagogik im Ausmaß von 120 ECTS abschließen.

Im zweiten Tagesordnungspunkt geht es um eine 15a-Vereinbarung betreffend die Ausübung von Sozialbetreuungsberufen. Es ist tatsächlich nur eine kleine Änderung, aber damit trotzdem ein weiterer Baustein, um dem Mangel an Fach­personal in sozialen Berufen entgegenzuwirken. In drei der neun Bundesländer stehen soziale Berufe bereits auf der Mangelberufsliste. Das bedeutet, dass einer offenen Stelle weniger als eineinhalb Arbeitssuchende gegenüberstehen. Aktuell ist das zwar nur in Oberösterreich, Vorarlberg und Salzburg der Fall, entsprechende Fachkräfte fehlen aber in ganz Österreich.

Besonders seit der Pandemie ist der Bedarf an gewissen Dienstleistungen der sozialen Arbeit massiv gestiegen, beispielsweise im Gewaltschutz, in der Familienberatung oder in der materiellen Grundsicherung; aber auch in der Alten- und Behindertenarbeit gibt es mehr Bedarf.

Die Ausübung der verschiedenen Sozialbetreuungsberufe ist mit einem Mindestalter verbunden. Dieses Mindestalter war bis jetzt je nach Bundesland unterschiedlich angesetzt. Teilweise mussten Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger das 21. Lebensjahr, teilweise das 19. Lebensjahr erreicht haben. Das wird jetzt vereinheitlicht und auf 18 Jahre herabgesetzt, womit wir einen nahtlosen Übergang zwischen Pflichtschulabschluss, der Ausbildung und dem


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Einstieg in einen Sozialbetreuungsberuf ermöglichen. Somit wirken wir eben auch dem Mangel an Pflege- und Betreuungskräften entgegen.

Gleichzeitig nehmen wir eine Kompetenzerweiterung für Heimhelfer:innen vor. Das ist im Sinne der angesprochenen stärkeren Zusammenarbeit verschie­dener Pflege- und Gesundheitsberufe besonders wichtig. Diese Heimhelferinnen und Heimhelfer sollen künftig diplomiertes Pflegepersonal nach Anweisung unterstützen können. Zum Beispiel bei der Verabreichung von Augen- und Ohren­tropfen, beim Anlegen von Kompressionsstrümpfen, bei der Vitalzeichen­kontrolle wie dem Messen von Blutdruck oder Körpertemperatur, aber auch beim Messen von Blutzucker sollen die Heimhelfer:innen unterstützen. Sie erhalten dafür eine entsprechende Schulung.

Auch das sind Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, den Mangel an Fach­kräften in den Pflege- und Betreuungsberufen zu bewältigen. Ich freue mich über Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.30


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Philipp Kohl. Ich erteile ihm das Wort.


18.30.44

Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bundesrätin Jagl hat bereits über die Änderung des Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetzes 2024 informiert. Sie hat alle wichtigen Punkte genannt: die Senkung der Altersgrenze auf 18 Jahre, die Erweiterung von Kompe­tenzen der Heimhelferinnen und Heimhelfer, die sprachlichen Anpassungen und die neuen Bezeichnungen – das war alles da. Warum aber die NEOS dagegen­stimmen, ist mir nicht ganz klar, aber im Leben muss auch nicht immer alles logisch sein. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)


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Abschließend möchte ich im Namen des gesamten Burgenlandes – das kann ich ja sagen, weil ich der einzige Vertreter aus dem Burgenland bin, der jetzt da ist (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP) – dem neuen Präsidium unter der Vorsitz­füh­rung von Oberösterreich alles Gute wünschen. Ich wünsche euch, werte Kolleginnen und Kollegen, einen schönen und erholsamen Sommer! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

18.32


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr das Wort.


18.32.14

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Noch einmal: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir als Sozialdemokratie stimmen der Reparatur dieses Gesetzes zu. Wir haben im Frühling schon einmal darüber diskutiert, dass die Berufsbezeichnung für Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen geschützt gehört.

Trotzdem bleibt die Grundforderung in der Sozialarbeit nach einem geschützten Berufsrecht für die soziale Arbeit bestehen. Das ist insofern eine Frage des Respekts diesem Berufsstand gegenüber – wir haben es heute schon gehört –, als es diesen gravierenden Mangel in manchen Bundesländern und gleichzeitig auch einen Mehrbedarf in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Bildung, in verschiedensten Bereichen gibt. Das wäre einfach ein sehr großartiges Zeichen an diesen Berufsstand, wenn wir endlich dieses Berufsrecht umsetzen könnten. Trotz alledem: Wir stimmen dieser Reparatur zu. – Auch ich wünsche allen einen schönen Sommer! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

18.33


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 312

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr das Wort.


18.33.30

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Inhaltlich ist ja von den Kollegen schon das Wesentlichste ausge­führt worden. Wie gesagt, das ist sehr begrüßenswert. Vor allem die zweite Novellierung, mit der man den Heimhilfen mehr Kompetenzen gestattet, ist durchaus eine Entlastung und eine Hilfe für die häusliche Pflege.

Es ist natürlich oft so, dass sich nahe Verwandte kümmern – ich habe es zum Beispiel bei meinem Mann erlebt, das Zuckermessen ist oft nicht so leicht gewesen –, und da ist es oft toll, wenn eine externe Person kommt. Deswegen: Ja, das ist ganz gut. – Ich wünsche auch einen schönen Sommer! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

18.34


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


18.34.18

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Vielleicht, weil wir ja im Bundesrat sind, lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, wie denn die Mitwirkung der Bundesländer bei einem derartigen Prozess vonstattengeht. Ich finde, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Beschluss­fassung zustande kommt.

Es war die Landessozialreferent:innenkonferenz, die diese Änderung im September 2022 in einem einstimmigen Beschluss vorgeschlagen hat, nämlich im Hinblick auf eine Senkung der Altersgrenzen und eine Erweiterung der Kompe­tenzen. Es ist in weiterer Folge ein Entwurf auf Beamt:innenebene erstellt worden,


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der wiederum der Landessozialreferent:innenkonferenz zugeleitet worden ist, wo es keine Einwände oder nur kleine Abänderungen gegeben hat. Er wurde dann neuerlich beschlossen, dann dem Ministerrat zugeleitet – ein Minister­ratsbeschluss – und nach Beschluss der Novelle eben an die Landeshauptleute übermittelt. Das war die Mitwirkung, die gut funktioniert.

Ich darf mich an dieser Stelle einmal für die Kooperation im Kreise der Landes­sozialreferent:innen und auch der Landesgesundheitsreferent:innen bedanken, diese ist nämlich tatsächlich ausgezeichnet. Es ist auch unter Mitwirkung der jeweils in den Ländern zuständigen Referent:innen für Soziales, Gesundheit und Pflege gelungen, zu diesen Einigungen zu kommen – nicht zuletzt bei der Pflegereform, aber auch bei der Gesundheitsreform.

Den zweiten Punkt – bei dem geht es um das Bundesbehindertengesetz – möchte ich doch noch ein bisschen hervorheben, weil es dabei auch darum geht, die Neuausrichtung des Österreichischen Behindertenrates voranzubringen (Bundes­rätin Schumann: Der kommt aber erst! Den haben wir noch nicht!) und dort beispielsweise die Förderungen zu erheben, auch Kompetenzerweiterungen für die Behindertenanwaltschaft durchzusetzen und die Voraussetzungen zu schaffen, dass die wichtige Tätigkeit der Bundesbehindertenanwaltschaft künftig noch besser und auch föderal gestaltet ausgeübt werden kann. Ich bedanke mich für die Zustimmung. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundes­rät:innen der ÖVP.)

18.36 18.36.32


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt.  Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 314

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialarbeits-Bezeichnungs­gesetz 2024 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungs­gesetz zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz zwischen dem Bund und den Ländern über Sozialbetreuungsberufe geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

18.38.0029. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz und das Behinderteneinstellungsgesetz geän­dert werden (4116/A und 2698 d.B. sowie 11529/BR d.B. und 11563/BR d.B.)

30. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden (4105/A und 2699 d.B. sowie 11564/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 315

Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 29 und 30, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Als Berichterstatterin zu den Punkten 29 und 30 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger genannt. – Ich bitte um den Bericht.


18.38.45

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz und das Behinderteneinstellungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­menten­schutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Impf­schadengesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Finally: Auch ich wünsche euch einen schönen Sommer! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)


Präsident Mag. Franz Ebner: Wir gehen in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr das Wort.


18.39.58

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream! Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es trennen Sie eigentlich nur noch Kollegin Schumann und ich und allenfalls noch unser Herr Minister von der wohlverdienten Sommerpause. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nur weil es der letzte Tagesordnungspunkt ist, den wir heute behandeln, heißt es nicht, dass er nicht wichtig ist – ganz im Gegenteil –, sondern es geht darum, Brücken zu bauen und Barrieren abzubauen. Konkret geht es um Verbesse­rungen für Menschen mit Behinderungen. Meine lieben Damen und Herren, ich stehe heute ja nicht nur als Politikerin vor Ihnen, sondern auch als Frau mit Behinderung. Als solche weiß ich ganz genau, mit welchen Herausforderungen Menschen mit Behinderungen tagtäglich konfrontiert sind. Ich habe selbst auch erlebt, wie es ist, gegen Barrieren – physische, soziale, aber auch bürokra­tische Barrieren – anzukämpfen.

In meiner Studienzeit, als ich beispielsweise noch auf den Rollstuhl angewiesen war, wurde ich einmal zweimal hintereinander von einem überfüllten Bus abgewiesen. Diese 30 Minuten, als ich auf den dritten Bus gewartet habe und natürlich hoffte, dass dieser mich dann nicht wieder abweist, sondern mit­nimmt, waren nicht nur eine verlorene Zeit, sondern es war gleichzeitig auch eine schmerzhafte Erinnerung daran, wie isolierend eine Welt, die nicht für alle zugänglich ist, sein kann. Solche Erfahrungen müssen einfach der Vergangen­heit angehören. (Allgemeiner Beifall.)

Mit dem heutigen Beschluss setzen wir einen Schritt in die richtige Richtung, es gibt eine wesentliche Änderung für die Behindertenanwaltschaft, unser Herr Minister hat es bereits angekündigt, und den Bundesbehindertenbeirat, den Österreichischen Behindertenrat – diese werden künftig nicht nur finanziell gestärkt, sondern speziell auch dahin gehend, was die Kompetenzen anbelangt.


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Der Bundesbehindertenbeirat beispielsweise berät zukünftig nicht nur – wie bisher – das Sozialministerium, sondern auch die gesamte Regierung. Somit ist sichergestellt, dass wir Menschen mit Behinderung eine starke Stimme in allen Ministerien haben. Die Behindertenanwaltschaft wird aufgewertet, es gibt zukünftig in Graz und in Salzburg regionale Stellen vor Ort, die regional bei Diskriminierungserfahrung unterstützen und beraten.

Unternehmen mit mehr als 400 Mitarbeitern und Ministerien sind zukünftig ver­pflichtet, Barrierefreiheitsbeauftragte zu installieren, zu benennen und sicher­zustellen, dass niemand aufgrund von Barrieren in der Arbeitswelt ausgeschlossen wird. Auch im bürokratischen Bereich gibt es eine Erleichterung, nämlich was die Beantragung des Behindertenpasses anbelangt. Konkret: Das Foto muss nicht neu gemacht werden, wenn es schon eines in der Datenbank gibt.

All diese Maßnahmen setzen ein ganz klares Zeichen, nämlich: Wir stehen für Menschen mit Behinderung, wir stehen dafür, Brücken zu bauen und Barrieren abzubauen. Brücken sollen zu einer Gesellschaft gebaut werden, in der Inklusion nicht nur ein Wort, sondern tatsächlich auch gelebte Realität ist.

Da wir jetzt schon beim letzten Tagesordnungspunkt angekommen sind, möchte ich euch allen noch einen wunderschönen Sommer wünschen und den parla­mentarischen Mitarbeitern herzlichen Dank für die Unterstützung und für die Arbeit sagen. Bleibt gesund und sportlich! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.43


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


18.44.09

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, soweit noch dabei! Ich glaube, Kollegin Eder hat inhaltlich schon sehr viele Dinge


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gesagt, aber trotzdem ist darauf hinzuweisen, dass da wirklich gute Schritte gelungen sind, große Schritte, die ganz wichtig für Menschen mit Behinderungen sind. Das kann man nur lobend erwähnen. – Frau Miesenberger, schauen Sie, wenn was gescheit ist, dann sagen wir es und dann finden wir das großartig. Dann sagen wir ja, da gehen wir mit, denn das macht Sinn. Und das, was hier vorliegt, macht Sinn, besonders für die Menschen mit Behinderungen.

Diese Weiterentwicklung erstens des Bundesbehindertenbeirates ist etwas ganz, ganz Wichtiges, um ihn selbst auch gegenüber einem künftigen Minister oder einer Ministerin zu stärken. Das ist auf zwei Ebenen klug: erstens für die Menschen mit Behinderung, auf der anderen Seite auch in der Zusammenarbeit mit einem zukünftigen Ministerium. Das ist ein taktisch sehr kluger Schritt.

Die Behindertenanwaltschaft zu stärken ist auch wirklich klug, auch, sie heraus­zulösen, dass es jemand sein kann, der dieses Amt annimmt, der nicht aus den Verwaltungsstrukturen kommt, sondern jemand, der von außen kommt. Das finde ich großartig, vor allen Dingen, dass es dann auch Regionalstellen geben wird.

Es ist wichtig, zu sagen: Die Knochenarbeit passiert im Sozialministeriumservice – das wird oft vergessen, denn man spricht von den Ministerien –, und dort sind die Beschäftigten wirklich großartig in dem, wie sie die Materien rund um Menschen mit Behinderungen oder besonderen Bedürf­nissen bearbeiten. Ihnen sei wirklich ganz, ganz großer Dank ausgerichtet. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Jetzt kann man sagen, das ist gut und das ist großartig, aber ein bissel was ist noch zu tun. Daher bringe ich einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Korinna Schuhmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung eines Inklusionsfonds zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen“


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Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat ehest­mög­lich eine Regierungsvorlage zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen mit folgenden Maßnahmen zu übermitteln:

- Einbeziehung der in Tagesstrukturen (Beschäftigungstherapien) tätigen Menschen mit Behinderungen in die gesetzliche Kranken- und Pensionsver­sicherung.

- Errichtung eines lnklusionsfonds, nach dem Vorbild des Pflegefonds von Bund und Ländern gespeist, aus dem die Sozialversicherung und sonstige Maßnahmen, welche die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben verbessern, finanziert werden.

*****

Das ist unser Entschließungsantrag. Es ist also noch etwas zu tun. Lohn statt Taschengeld ist noch nicht umgesetzt, da muss man noch etwas tun. Die Menschen mit Behinderungen haben wirklich jedes Recht, dass man sich für sie einsetzt und dass sie nicht eine Gruppe sind, die man vergisst. Es sind 1,4 Millionen Menschen in Österreich, die – in der verschiedensten Form – eine Behinderung haben.

Jetzt ist es sozusagen die letzte Sitzung, bevor wir in den Sommer gehen. Da gilt es, Danke zu sagen: Danke an die Beschäftigten im Parlament – sei das die Kanzlei, sei es das Expedit, seien das die Kameraleute, die hier arbeiten, seien es die parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, seien es die Beschäftigten in der Parlamentsdirektion. Wir alle könnten hier nicht so entspannt arbeiten und unsere demokratischen Aufgaben wahrnehmen, wenn sie nicht den Back­ground hätten und uns unterstützen würden. Dafür ganz, ganz großen Dank vonseiten der Sozialdemokratie.


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Wir wünschen natürlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, allen Bundes­rätinnen und Bundesräten einen schönen Sommer. Aus persönlichem Wissen heraus: Mögen Sie gesund bleiben, bis zur nächsten Sitzung! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

18.48


Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Der von den Bundesräten Korinna Schuhmann, Kolleginnen und Kollegen ein­gebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schaffung eines Inklusionsfonds zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.


18.48.43

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Kollegen! Liebe Österreicher! Ich glaube, es gibt Menschen in diesem Land, die es schwerer haben als wir, die es sehr, sehr schwer haben. Es ist Aufgabe der Politik, alles für diese Menschen zu machen, um ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten.

Ja, die Schritte mit diesen Gesetzesänderungen zeigen, dass wir in diesem Bereich richtig unterwegs sind, deswegen gibt es auch die Zustimmung von uns Frei­heitlichen. Natürlich sind wir für Dinge, die etwas Positives bewegen. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Tiefnig.)

Warum habe ich mich zu diesem letzten Tagesordnungspunkt noch gemeldet? – Ich werde nicht dieses Haus, aber den Bundesrat mit Ablauf des Montags verlassen und mein Mandat zurücklegen.

Ich darf mich bei allen Mitarbeitern für die Unterstützung bedanken, ich darf mich ganz besonders bei meinem Klub für die Kameradschaft in den letzten fünf


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Jahren bedanken, ich darf mich aber bei allen in diesem Haus für die letzten fünf Jahre bedanken.

Es war zumindest, glaube ich, eine ehrliche Zusammenarbeit, auch wenn es nicht immer kameradschaftlich gewesen ist. Ich habe mich halt immer bemüht, an diesem Rednerpult ehrlich zu sein, auch wenn es nicht jedem immer so recht gewesen ist.

Ich darf auf jeden Fall den Mitarbeitern der Parlamentsdirektion und auch allen in diesem Haus einen schönen Sommer wünschen. Ich glaube, das eine oder andere Mal werden wir uns im Haus sicher noch wiedersehen. – Schönen Sommer und bis bald! (Lang anhaltender, stehend dargebrachter Beifall bei der FPÖ, Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

18.50


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat Leinfellner. Auch von dieser Stelle alles Gute für deine persönliche Zukunft!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


18.50.54

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Es herrscht natürlich ein bisschen Abschiedsstimmung und Unruhe. Das erinnert mich immer an den letzten Schultag, so ähnlich ist diese Stimmung dann immer bei diesen allerletzten Bun­desratssitzungen, wenn wir kurz davor sind, sozusagen in die Schulferien zu gehen.

Ich möchte aber schon noch einen Gedanken mitgeben: Ich kann mich sehr gut an meine Kindheit erinnern. Da war dieser letzte Schultag und der Beginn des Sommers immer ein Versprechen – ein Versprechen, sich zu entspannen, eine schöne Zeit zu haben, sich zu erholen. Es war gerade heute Morgen: Für meine Nachbarin, die nicht mehr ganz so jung ist, ist die zunehmende Hitze im Sommer eine Qual, und sie fürchtet sich schon vor dem Sommer und ist froh, wenn er


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wieder vorbei ist. Sie hat zu mir heute auch gesagt: Noch mehr Angst macht mir, dass es vielleicht der kühlste Sommer ist, den ich jetzt noch erleben werde, mit Blick auf das, was da kommt!

In diesem Sinne möchte ich schon auch sagen: So schön der Sommer ist, wir merken alle, was der Klimawandel mit unserem Sommer macht. Wir haben wirklich viel zu tun.

Trotzdem wünsche ich aber in diesem Sinne allen einen schönen Sommer. Genießen Sie die Zeit! Es gibt wunderschöne kulturelle Veranstaltungen quer durch das ganze Land, von der Kulturhauptstadt Bad Ischl – jetzt muss ich das natürlich auch noch sagen, als jemand, der in Oberösterreich aufgewachsen ist, dass ich das auch noch loswerde – bis zu all diesen Festspielen rundum in unserem Land.

Ich möchte mich natürlich vor allem – auch wenn noch so viel Unruhe im Raum herrscht – bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei allen, die hier sind, vom ORF, vom Parlament, auch bei denen, die draußen stehen, immer auf uns aufpassen, ganz herzlich bedanken und ihnen einen ganz, ganz tollen Sommer wünschen, auch wenn meine Minuten an Rede jetzt dafür gesorgt haben, dass er ein bisschen später beginnt.

Ich wünsche wirklich allen Bundesrätinnen und Bundesräten: Genießen Sie es! Wir sehen uns nach der Wahl wieder auf der anderen Seite. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

18.53


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Himmer. Ich erteile dieses.


18.53.20

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich,


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dass wir zu diesem Tagesordnungspunkt, der sehr wichtig ist, eine einhellige Abstimmung zusammenbringen werden. Ich schließe mich auch dem Dank an all jene an, die diesen Betrieb hier im Hohen Haus und im Speziellen im Bundesrat ermöglichen, alle Mitarbeiterinnen und alle Mitarbeiter!

Was den Herbst betrifft, haben wir wohl fraktionsdifferenziert unterschiedliche Wünsche, aber persönlich wünsche ich allen Bundesrätinnen und Bundesräten dieses Hauses über alle Fraktionen hinweg und auch euren Familien einen schönen Sommer, Gesundheit und das Allerbeste. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

18.54 18.54.18


Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesord­nungspunkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz und das Behinderteneinstellungsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Schaffung eines Inklusionsfonds zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungs­gesetz 1957 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.56.20Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Franz Ebner: Es liegt mir ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 30 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

Tagesordnungspunkte 1 bis 3:

Die Bundesräte Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 1 einen Entschließungsantrag ein.

Abstimmungen:

Tagesordnungspunkt 1: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen. Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.


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Tagesordnungspunkt 2: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 3: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 4:

Abstimmungen:

Berichterstattung: Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, wird angenommen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 5 und 6:

Abstimmungen:

Tagesordnungspunkt 5: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 6: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 7:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 326

Tagesordnungspunkt 8:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 9:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 10:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 11:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 12:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 13:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 14:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 327

Tagesordnungspunkt 15:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 16:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 17:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 18:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 19 und 20:

Abstimmungen:

Tagesordnungspunkt 19: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 20: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 21:

Die Bundesräte Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Entschließungsantrag ein.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 328

Abstimmungen:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkte 22 und 23:

Die Bundesräte Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 23 einen Entschließungsantrag ein.

Abstimmungen:

Tagesordnungspunkt 22: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 23: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 24:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 25 und 26:

Abstimmungen:

Tagesordnungspunkt 25: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 329

Tagesordnungspunkt 26: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 27 und 28:

Abstimmungen:

Tagesordnungspunkt 27: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 28: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 29 und 30:

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 29 einen Entschließungsantrag ein.

Abstimmungen:

Tagesordnungspunkt 29: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 30: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teiles des Amtlichen Protokolls? (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll970. Sitzung, 970. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 2024 / Seite 330

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 30 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf und Zuweisung


Präsident Mag. Franz Ebner: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 16 Anfragen, 4217/J-BR/2024 bis 4232/J-BR/2024, eingebracht wurden.

Weiters eingelangt ist eine an den Herrn Präsidenten des Bundesrates gerichtete Anfrage, 4233/J-BR/2024, der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tätigkeitsbericht des Bundesrates.

Zudem eingelangt ist der Antrag 422/A-BR/2024 der Bundesräte Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Kein Placebo-‚Gemeindehilfspaket‘ – Rettung der Gemeinden vor dem Finanzkollaps“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 3. Oktober, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 1. Oktober 2024, 14 Uhr, vorgesehen.


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Auch ich möchte mich den Wünschen anschließen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Bundesratskanzlei, aus der Parlamentsdirektion, die den Bundesratsbetrieb organisieren, herzlich danken. Gerade als Vorsitzender weiß man: Das ist eine höchst professionelle und tolle Vorbereitung und Unterstützung. Ein großes Danke dafür! (Allgemeiner Beifall.)

Auch ich wünsche euch und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen schönen Sommer. Die Sitzung ist geschlossen. (Allgemeiner Beifall.)

19.04.37Schluss der Sitzung: 19.04 Uhr

 

 

 

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