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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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125. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 28. April 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

125. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode              Donnerstag, 28. April 2016

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 28. April 2016: 9.06 – 10.08 Uhr

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Tagesordnung

Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-moon gemäß § 19a der Geschäftsordnung des Nationalrates

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Inhalt

Nationalrat

Begrüßungsworte der Präsidentin Doris Bures ......................................................... 6

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 6

Verhandlungen

Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-moon gemäß § 19a der Geschäftsordnung des Nationalrates .............................................................................................................. 7

Generalsekretär Ban Ki-moon ...................................................................................... 7

Debatte:

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 11

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 12

Heinz-Christian Strache .............................................................................................. 13

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................... 15

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 16

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 18

Eingebracht wurden

Anfragen der Abgeordneten

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend freien Wettbewerb für Fernbusse (9062/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll125. Sitzung / Seite 2

Dr. Kathrin Nachbaur, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend: der Amtsschimmel wiehert im Arbeits­inspektorat (9063/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Bundesweites Monitoring bei Geneh­migungsverfahren (9064/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Klage B.V. Belegging-Maat­schappij „Far East“ gegen Österreich (9065/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Finanzen betreffend Klage B.V. Belegging-Maatschappij „Far East“ gegen Öster­reich (9066/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9067/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9068/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9069/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit be­treffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9070/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Ju­gend betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9071/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9072/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9073/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frau­en betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9074/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frank­reich (9075/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9076/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9077/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft betreffend die Fußball Europameisterschaft 2016 in Frankreich (9078/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll125. Sitzung / Seite 3

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesministe­riums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (9079/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kul­tur, Verfassung und Medien betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien (9080/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Frau­en (9081/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, In­tegration und Äußeres betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Eu­ropa, Integration und Äußeres (9082/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen (9083/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Familien und Ju­gend (9084/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (9085/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz (9086/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Gutachten im Auftrag des Bundes­ministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (9087/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Landes­verteidigung und Sport (9088/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (9089/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Gutachten im Auftrag des Bundesminis­teriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (9090/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit be­treffend: Steirischer Cannabis-Vertrieb startet Crowdfunding (9091/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Übergriffe auf Bedienstete der Finanzpolizei (9092/J)

Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend OIIP, AIES und IILP (9093/J)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Hochwasserschutz im Unter­inntal (9094/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld der Kaiserstraße (9095/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Thermopapier mit Bisphenol (9096/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll125. Sitzung / Seite 4

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Folge deinem Herzen“ – Inserat des BMVIT in „Heute“ am 26. April 2016 (9097/J)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Schutz vor Vergewaltigungen in Asylunterkünften (9098/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend Schadenbilanz 30 Jahre Tschernobyl (9099/J)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Fertigstellung Unterinntaltrasse (9100/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Förderung und Einsatz von Pflan­zenkohle in der Landwirtschaft (9101/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Ansturm aufs Unterstufengymnasium Lienz, das einer Modellre­gion Gesamtschule Osttirol geopfert werden könnte (9102/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Proteste gegen die Schließung der Post-Filiale Zell (9103/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Ausrüstung der Finanzpolizei (9104/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Entwicklung des Mitarbeiterstandes bei der Finanzpolizei (9105/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Umfärbung im Aufsichtsrat der Pädagogischen Hochschule Tirol (9106/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend fragwürdige Vorgangsweisen der ÖBB im Umgang mit Schadensrentenbeziehern (9107/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend die Zulassung zur Gerichtspraxis (9108/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Folgeanfrage zur Anfragebeantwortung 7014/AB (9109/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend offen demokratiefeindliche Maßnahmen Christian Kerns im Bundespräsidentschaftswahlkampf (9110/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend: Steirischer Cannabis-Vertrieb startet Crowdfunding (9111/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend: Steirischer Cannabis-Vertrieb startet Crowdfunding (9112/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Schuldenregulierungsverfahren 2015 (9113/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit betreffend Läuserückfallfieber (9114/J)


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Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Bestellungen von Lehr- und Bildungsfachpersonal im Burgenland (9115/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Billigarbeit im Gefängnis (9116/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Förderungen nach der Förderrichtlinie § 19c BAG (9117/J)


 


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09.06.16Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures.

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Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich eröffne die 125. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Bacher, Mag. Greiner, Krist, Mag. Schön­egger, Ing. Hackl, Hafenecker, MA, Mag. Schrangl, Zanger, Mag. Rossmann und Dr. Hable.

09.06.44Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten parlamentarischen Anfragen ver­weise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 9062/J bis 9117/J

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Diese Sitzung wird von ORF 2 und ORF III live übertragen und simultan übersetzt. Die deutsche Übersetzung der Erklärung des UN-Generalse­kretärs hören Sie auf Kanal 1 des Empfangsgeräts, die Übersetzung ins Englische er­folgt auf Kanal 2.

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.

Begrüßungsworte der Präsidentin

 


9.07.27

Präsidentin Doris Bures: Sehr geehrter Herr Bundespräsident Dr. Heinz Fischer! Lie­be Margit Fischer! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Werner Faymann! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung und liebe Gäste! Sie alle erleben heute im Parlament eine Premiere. Erstmals dürfen wir in einer Sitzung des österreichi­schen Nationalrates eine hochrangige internationale Persönlichkeit als Gast begrüßen. Es ist mir eine große Ehre und persönliche Freude, dass der Generalsekretär der wohl wichtigsten internationalen Organisation heute bei uns zu Gast ist. Wir heißen Sie, sehr geschätzter Herr Generalsekretär Ban Ki-moon, und Ihre Gattin herzlich willkommen! (All­gemeiner Beifall.)

Die Weltgemeinschaft – und Österreich ist ein Teil von ihr – ist mit immensen Herausfor­derungen konfrontiert. Wir haben die Situation im gesamten arabischen Raum, wir ha­ben den Krieg in Syrien mit all seinen Folgen. Wir erleben Terror, Klimawandel und ei­ne immer mehr wachsende Kluft zwischen Arm und Reich.

Kein Land dieser Welt kann auch nur eines dieser Probleme alleine lösen, und den­noch müssen wir ein doch paradoxes Phänomen beobachten: Je komplexer die Pro­bleme werden, desto stärker wirken die zentrifugalen Kräfte – Kräfte, die Gemeinschaf­ten auseinanderdriften lassen und die sie schwächen. Die Folgen sind wiedererstar­kende Nationalismen und Tendenzen der Entsolidarisierung. Dem müssen wir durch Dia­log entgegentreten, indem wir einander zuhören und auch über den Tellerrand blicken.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll125. Sitzung / Seite 7

Diesem Anspruch und unserer österreichischen Tradition folgt eben dieses neue parla­mentarische Instrument des internationalen Dialogs, das wir heute mit Leben erfüllen wer­den.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär Ban Ki-moon! Mit den Augen der UNO sieht die Welt größer aus. Die gewählten Abgeordneten des österreichischen Parlaments, die ös­terreichische Bundesregierung und mit ihnen Tausende Österreicherinnen und Öster­reicher vor den Bildschirmen schenken Ihnen nun ihre volle Aufmerksamkeit. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Ich lade Sie nun ein, Ihre Erklärung abzugeben.

09.07.16Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-moon gemäß § 19a der Geschäftsordnung des Nationalrates

 


9.11.34

Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon: Ihre Exzellenz, Herr Bundes­präsident Heinz Fischer! Sehr geehrte Frau Doris Bures, Präsidentin des Nationalrates! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Werner Faymann! Sehr geehrte Mitglieder der Bun­desregierung! Sehr geehrter Herr Josef Saller, Präsident des Bundesrates! Ehrwürdige Mitglieder des Parlaments! Meine Damen und Herren! Es ist mir eine große Ehre, als erster internationaler Gast eine Ansprache in diesem Parlament halten zu dürfen. Ich danke Ihnen für Österreichs wichtigen Beitrag zur Arbeit der Vereinten Nationen und dafür, dass Sie ein so großzügiges Gastland sind.

(In deutscher Simultandolmetschung:) Ehrwürdige Abgeordnete! Im Sprachgebrauch der internationalen Gemeinschaft sind Wien und Österreich gleichbedeutend mit globalem Handeln. Hier wurden die Wiener Menschenrechtserklärung, das Wiener Übereinkom­men zum Schutz der Ozonschicht, ja sogar ein Pakt über Pakte – das Wiener Über­einkommen über das Recht der Verträge – sowie viele andere internationale Überein­künfte ausgehandelt, die heute für die ganze Welt von Bedeutung sind.

Hier veranstalten die Vereinten Nationen große Konferenzen zu Themen, die auf der globalen Tagesordnung ganz oben stehen. Wien ist Dreh- und Angelpunkt für die Tä­tigkeit der Vereinten Nationen in Bereichen wie der Kernenergie, der Drogen- und Ver­brechensbekämpfung, der industriellen Entwicklung und in vielen anderen Bereichen.

In dieser Woche ist Wien Gastgeber für den Koordinierungsrat der Leiter der Organisa­tionen des gesamten Systems der Vereinten Nationen, der hier zu seiner halbjährlichen Tagung zusammenkommt. Vielen Dank für Ihre herzliche Unterstützung!

Erst gestern haben wir den 20. Jahrestag des Bestehens der Organisation des Ver­trags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen begangen. Für mich war die­ser Anlass eine Heimkehr – 17 Jahre, nachdem ich den Vorsitz in der Vorbereitungs­kommission der Organisation führte. Damals war ich Botschafter meines Landes hier. Wie sich herausstellte, sollte das mein erster und letzter Botschafterposten sein. Ob­wohl dieser Einsatz eher kurz war, trugen Wiener Leidenschaft und Energie dazu bei, meinen zukünftigen Lebenslauf zu bestimmen, und waren der Anlass für mich, in den Dienst der Vereinten Nationen, dieser großartigen Organisation, zu treten.

Ich ließ mich insbesondere von der pulsierenden Wiener Kunstszene inspirieren. Eine meiner Initiativen war die Organisation der ersten Österreichisch-Koreanischen Philhar­monie hier in Wien. Sie steht für die Harmonie zwischen den beiden Ländern. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich dieses Orchester gründen durfte. Wien wird immer einen be-


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sonderen Platz in meinem Herzen einnehmen. Meine Frau und ich sind immer noch eng mit unseren Freunden von damals verbunden.

Meine Damen und Herren! Es ist für mich eine große Ehre, dass Herr Bundespräsident Fischer und seine Gattin heute hier anwesend sind. Ich habe die Bekanntschaft von Bundespräsident Fischer in seiner Zeit als Präsident des Nationalrates gemacht. Seit­dem ist er mir ein unerschöpflicher Ratgeber und wunderbarer Freund. Nun, vor der Vollendung seiner zweiten Amtszeit als Bundespräsident dieses großartigen Landes, möchte ich ihm meine Anerkennung für die inspirierende Art und Weise aussprechen, in der er Österreich als Staatsoberhaupt nach innen und außen vertreten hat.

Meine Frau und ich verbrachten zum vergangenen Jahreswechsel einen unserer selte­nen Urlaube in dieser Stadt und läuteten das Jahr 2016 im Kreise unserer österreichi­schen Freunde und als Gäste beim einzigartigen Wiener Neujahrskonzert ein. Ich dan­ke Ihnen für die herausragenden Beiträge, die Wien zu den Vereinten Nationen und Ös­terreich zu unserer Welt geleistet haben.

Österreich ist ein unverzichtbares Mitglied der Weltgemeinschaft, angefangen von der führenden Rolle in wichtigen Organen der Vereinten Nationen bis zu seinen friedenser­haltenden Kräften im Feld, von der Entwicklungszusammenarbeit bis zu seinem Eintre­ten für die Menschenrechte.

(In deutscher Sprache:) Ich danke Ihnen für Österreichs wichtigen Beitrag zur Arbeit der Vereinten Nationen. (Allgemeiner Beifall.) – Danke schön.

(In deutscher Simultandolmetschung:) Exzellenzen! Ehrwürdige Mitglieder des Parlaments! Meine Damen und Herren! Wir brauchen dringend ein weltbürgerschaftliches Engage­ment, um die Vielzahl der Bedrohungen anzugehen, mit denen die Welt konfrontiert ist. Unsicherheit breitet sich in der ganzen Welt aus. Die Ungleichheit zwischen Menschen, zwischen Nationen nimmt zu. Frauen und Mädchen leiden unter schrecklicher Diskri­minierung. Zu viele Menschen werden an zu vielen Orten ausgeschlossen, aufgrund ih­rer Rasse, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer geschlechtlichen Identität und anderer oberflächlicher Unterschiede ausgegrenzt.

Gewalttätige Extremisten begehen Gräueltaten, die Gemeinschaften spalten und zer­stören sollen. Darauf müssen wir umfassend, aber mit Bedacht reagieren. Der Aktions­plan der Vereinten Nationen zur Verhütung des gewalttätigen Extremismus ist darauf gerichtet, gegen die Triebkräfte dieser Bedrohung anzugehen. Kein Land, keine Re­gion, egal, wie groß oder stark sie ist, kann globale Probleme alleine lösen. Die Ver­einten Nationen bemühen sich um gemeinsame Lösungen. Wir müssen globale Solida­rität zeigen.

Exzellenzen! Ehrwürdige Abgeordnete! Im Laufe meiner gesamten Amtszeit als Gene­ralsekretär habe ich betont, wie wichtig globale Problemlösungen sind und wie notwen­dig eine stärkere internationale Solidarität ist. Ich habe Wert darauf gelegt, den Men­schen, die sich an den Frontlinien menschlichen Leids befinden, Gehör zu schenken.

Vor allem rühren mich die Kinder, die zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen sind. Sie erinnern mich an die Zeit, als ich als Sechsjähriger während des Koreakriegs mit mei­ner Familie ins entlegene Gebirge fliehen musste. Die Flüchtlingskinder von heute sind in den Wirren der größten Vertreibungskrise unserer Zeit gefangen.

Ich habe überall, insbesondere in Europa, die führenden Verantwortlichen dazu aufge­rufen, mit Mitgefühl und unter Achtung der Menschenrechte zu reagieren.

Österreich hat durch alle Jahre hindurch seine Solidarität unter Beweis gestellt. 1956 öffnete dieses Land seine Grenzen für die Ungarn, die vor den sowjetischen Unterdrü­ckungsmaßnahmen flohen. Während der Balkankriege in den 1990er-Jahren war Öster­reich Zufluchtsort für Tausende traumatisierter Flüchtlinge.


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Und als im vergangenen Herbst eine neue Welle von Ankömmlingen aus Syrien und anderen Teilen des Nahen und Mittleren Ostens kam, mobilisierten sich Österreicherin­nen und Österreicher, um an den Bahnhöfen eine helfende Hand auszustrecken. Da­von war ich ungeheuer beeindruckt. Ich rief Bundeskanzler Faymann an, um ihm mei­ne Anerkennung für die mitfühlende Art und Weise auszusprechen, mit der er die Si­tuation lenkte.

Wir haben eine moralische und rechtliche Pflicht, jenen zu helfen, die vor Krieg, Men­schenrechtsverletzungen und Verfolgung fliehen. Unser Bekenntnis zur Menschenwür­de wird mit Sinn erfüllt, wenn wir den Familien, die auf der Suche nach Frieden ihr Le­ben riskiert haben, ein warmherziges Willkommen bereiten und ihnen Unterkunft und Nah­rung geben.

Ich möchte die Großzügigkeit anerkennen, die die Menschen und Regierungen Euro­pas bisher gegenüber Migranten und Flüchtlingen gezeigt haben, nicht zuletzt hier in Ös­terreich. Aber es bereitet mir Sorge, dass europäische Länder nun eine zunehmend re­striktive Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik verfolgen. Solche Politikkonzepte und Maß­nahmen senden eine sehr negative Botschaft in Bezug auf die Verpflichtungen der Mit­gliedstaaten nach dem humanitären Völkerrecht und dem europäischen Recht aus.

Ich begrüße die offenen Diskussionen, die in Europa – auch in Österreich – zur Frage der Integration geführt werden. Aber ich bin auch über die Fremdenfeindlichkeit, die in­ner- und außerhalb Österreichs zunimmt, höchst beunruhigt. Alle führenden Verantwort­lichen Europas sollten den Grundsätzen gerecht werden, die bisher die Union geleitet haben.

Spaltung und Marginalisierung verletzen Menschen und untergraben die Sicherheit. Wenn der Ankunftsprozess gut gesteuert wird, ist die Aufnahme von Flüchtlingen ein Gewinn für alle. Diese Menschen sind tapfer, widerstandsfähig und zukunftsorientiert. Sie bringen benötigte Fähigkeiten und Energien in ihre neue Gesellschaft mit ein. (Bei­fall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Ich verstehe die Schwierigkeiten und Herausforderungen und habe volles Verständnis dafür, wie herausfordernd diese Dinge sind. Österreich hat einen Ansatz gewählt, der zu einem gemeinsamen Handeln führt, und die Vereinten Nationen bemühen sich um die Herbeiführung umfassender Lösungen. Am 19. September dieses Jahres wird die Generalversammlung der Vereinten Nationen ein wichtiges Gipfeltreffen abhalten, um die Frage der Migration und der Flüchtlinge weltweit anzugehen und auf die gemeinsa­me Verantwortung hinzuweisen. Ich habe Herrn Bundeskanzler Faymann eingeladen, an diesem Gipfel im September teilzunehmen.

Nächsten Monat, am 23. und 24. Mai, werden wir den ersten Weltgipfel für humanitäre Hilfe in Istanbul einberufen, aus dem ein globales Bekenntnis zur Beendigung der An­griffe auf unschuldige Menschen und zu gemeinsamen Werten hervorgehen wird. Von dem Weltgipfel für humanitäre Hilfe soll eine Botschaft der Unterstützung für die 125 Mil­lionen Menschen auf der Welt ausgehen, die unmittelbar von Krisen betroffen sind. Ich vertraue darauf, dass sich Österreich aktiv an diesen wichtigen Ereignissen beteiligen und dass es seine stolze Tradition der Offenheit und Solidarität bekräftigen wird.

Dazu gehört die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit. Ich war ermutigt, als ich von Außenminister Kurz hörte, dass die österreichische Regierung eine drastische Erhö­hung der Mittel für ihre wertvolle öffentliche Entwicklungszusammenarbeit plant. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Ehrwürdige Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund schweren Leids sehen wir Beweise dafür, dass Multilateralismus funktioniert. In der vergangenen Woche, am Internationalen Tag der Mutter Erde, haben wir einen Rekord gebrochen. 175 Länder haben am Amtssitz der Vereinten Nationen in New York das Pariser Klima-


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schutzübereinkommen unterzeichnet. Das war die höchste Zahl von Ländern, die je an einem einzigen Tag einen Vertrag unterzeichnet haben.

Dies baut auf der historischen Vision der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung auf, die mit 17 Zielen dafür sorgen soll, dass alle Menschen ein Leben in Würde führen kön­nen und niemand zurückgelassen wird. Das ist ein universales Projekt. Selbst in den reichsten Ländern gibt es noch immer Bevölkerungsgruppen, die in tiefster Armut le­ben. Selbst die technologisch am weitesten fortgeschrittenen Länder können die Um­welt ausbeuten. Und selbst die stabilsten Demokratien kämpfen gegen Rassismus, reli­giöse Intoleranz und andere Formen der Unterdrückung.

Ich vertraue darauf, dass Österreich einen nationalen Plan für die Ziele für nachhaltige Entwicklung aufstellen und international tätig werden wird, um dazu beizutragen, ande­ren einen Weg in eine bessere Zukunft zu bahnen. Die hier in Wien ansässigen Orga­ne der Vereinten Nationen werden Sie alle dabei unterstützen. Ich bitte Sie um eine ra­sche Ratifizierung des Klimaschutzabkommens. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bundespräsident Fischer! Verehrte Parlamentspräsidenten und Abgeordnete! Ex­zellenzen! Meine Damen und Herren! Um diese ehrgeizigen Pläne in echten Fortschritt umzusetzen, brauchen wir Ihre Hilfe. Sie hier im Parlament sind die Stimme des Vol­kes. Sie sind die Vertreter und die Stimme des Volkes. Sie können diese Anliegen bei den Vereinten Nationen zur Sprache bringen. Und als Gesetzgeber können Sie Ihre Ge­sellschaft und den Einfluss Österreichs in der Welt gestalten.

Ich hoffe, Sie werden die Ziele für nachhaltige Entwicklung zur Grundlage der österrei­chischen Entwicklungspolitik machen. Nochmals dränge ich Sie, das Übereinkommen von Paris so bald wie möglich zu ratifizieren. 15 Länder haben es bereits am Tag der Unterzeichnung ratifiziert. Es hat mich sehr ermutigt, dass viele Länder ihre Absicht be­kundeten, das Abkommen bis Jahresende zu ratifizieren. Wir brauchen 55 Länder, auf die 55 Prozent der Treibhausgasemissionen entfallen, um dieses Abkommen wirklich in Kraft treten zu lassen. Wir können keine Zeit verschwenden. Ich zähle auf Ihre Un­terstützung als Abgeordnete des Parlaments. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Als Parlamentarier können Sie eine entscheidende Rolle dabei spielen, gefährlichen fremdenfeindlichen Diskursen zu begegnen und Vertrauen zwischen Bevölkerungsgruppen zu schaffen. Sie können auch einen Beitrag zur Stär­kung der Frauen leisten. Das ist eine der obersten Prioritäten in meinem Amt als Ge­neralsekretär sowie der UNO. Ohne dass wir 50 Prozent der Bevölkerung stärken, kön­nen wir nicht erwarten, dass wir unser Potenzial voll ausschöpfen können. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach.)

Ich bin hocherfreut, gerade am Töchtertag bei Ihnen zu sein – dem Tag, an dem Sie Ih­re Töchter zur Arbeit mitbringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich habe eine Bot­schaft für die Mädchen in diesem Publikum und in aller Welt: Seid Weltbürgerinnen! Je­de Einzelne von euch kann einen Unterschied bewirken. Also nochmals: Seid Weltbür­gerinnen! Ich zähle auf euren Einsatz und euer Engagement. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach.)

Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Redner! Herr Bundespräsident! Meine Damen und Her­ren! Als ich in Österreich lebte, habe ich sehr hart gearbeitet, aber ich hatte auch im­mer ein Gefühl der Leichtigkeit, der Behaglichkeit, was daran liegt, dass die Österrei­cher eben so angenehm sind. Ich habe nie perfekt Deutsch gelernt, aber es gibt ein Wort, das ich gemeistert habe und das dieses Gefühl treffend beschreibt (in deutscher Spra­che:) Gemütlichkeit. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.)

(In deutscher Simultandolmetschung:) Es ist schwierig, dieses Wort in andere Sprachen zu übersetzen, aber Sie alle verstehen, dass es einem Gefühl der Akzeptanz, der Wär­me, der Freundlichkeit in den sozialen Beziehungen Ausdruck verleiht. Für mich liegt


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darin das Wesen Österreichs. Ich vertraue darauf, dass Sie auf Ihren Beziehungen zu den Vereinten Nationen und zu Ihren Nachbarn nah und fern aufbauen werden und un­sere globale Chance auf eine bessere Zukunft ergreifen werden. Das ist unsere mora­lische und politische Pflicht: diese Welt besser zu machen, für alle Menschen, egal, wo­her sie kommen, egal, welcher Religion sie angehören, egal, welche Unterschiede es gibt. Wir möchten menschliche Würde schaffen, und dafür setzen sich die Vereinten Na­tionen ein.

Ich bin mir durchaus der Kritik an der Effizienz oder Wirksamkeit der Vereinten Na­tionen bewusst, aber es ist dies die einzige universale internationale Organisation – sie baut auf der Charta der UNO auf –, in der es um Menschenwürde, Frieden und Sicher­heit in der Welt geht und durch die eine nachhaltige Entwicklung für alle Menschen ge­schaffen werden soll. Das ist die Organisation, die Sie unterstützen müssen und soll­ten. Als Generalsekretär der Vereinten Nationen setze ich mich dafür ein und verpflich­te mich bis zu meinem letzten Amtstag, diesen Weg gemeinsam mit Ihnen für die Men­schen in der Welt zu beschreiten, um diese Welt besser zu machen. Ich danke Ihnen für Ihr Leadership, Ihre Führerschaft. (In deutscher Sprache:) Danke schön. (Allge­meiner Beifall.)

9.34


Präsidentin Doris Bures: Herr Generalsekretär, ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Ausführungen.

Wir haben in der Präsidialkonferenz vereinbart, eine Debatte durchzuführen. Alle sechs Klubobleute kommen nach Fraktionsstärke mit einer Redezeit von je 5 Minuten zu Wort.

In diesem Sinne: Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.

 


9.35.39

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Dear Secretary-General, welcome to the Parliament! We are extreme­ly pleased that this reform of our Rules of Procedure is inaugurated with your speech.
I think this is the idea, why we introduced this reform of our Rules of Procedure.

Einer Ihrer Vorgänger, Herr Generalsekretär, Dag Hammarskjöld, hat einmal gesagt: „Die Vereinten Nationen sind ein zugegebenermaßen nicht perfektes, aber unersetzli­ches Instrument für die gemeinsame Arbeit der Nationen an einer gerechteren und si­chereren Weltordnung.“

Wie wahr ist das – denn die Vereinten Nationen sind wahrlich alles andere als perfekt, aber sie sind unser Instrument, unser wichtiges Instrument, um die Welt friedlicher zu gestalten! Gerade Sie, Herr Generalsekretär, haben auch die vielfältigen Konventionen und Arbeiten der Vereinten Nationen aufgezählt, und Sie persönlich haben ja auch im­mer diese Arbeit der Vereinten Nationen verbessert. Sie fanden klare Worte, auch zu Entscheidungen im Sicherheitsrat, die zu kritisieren waren, und Sie haben sich auch konsequent für eine friedliche Lösung des Konfliktes in Syrien eingesetzt, denn nur ei­ne politische Lösung kann eine Lösung sein, die den Interessen der Menschen vor Ort gerecht wird – der Menschen in ihrem Alltag, der Frauen, der Kinder, die verfolgt sind, der ethnischen Gruppen wie etwa der Kurden, die dort dem Völkermord ausgesetzt sind. Es kann auch nur eine politische Lösung im Kampf gegen den Terror des „Islami­schen Staates“ geben.

Wenn ich sage, die Vereinten Nationen sind leider nicht perfekt, dann geht es auch um eine Reform der Vereinten Nationen. Es geht um die Frage, ob Vetorechte im 21. Jahr­hundert wirklich das richtige Instrument sind. Es geht darum, wie wir die Vereinten Na­tionen transparenter machen können. Gerade Österreich als neutrales Land möchte da auch einen massiven Beitrag leisten, denn die Neutralität Österreichs ist der Boden un­serer aktiven Außenpolitik. Deswegen sind wir auch sehr froh und stolz, dass Wien UNO-


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Sitz ist und auch UNO-Sitz bleiben wird und dass Sie einmal, als Sie ein Ehrenzeichen der Stadt Wien entgegengenommen haben, gesagt haben: Schön, zu Hause zu sein!

Die Vereinten Nationen haben letztes Jahr 70. Geburtstag gefeiert, und wir müssen lei­der festhalten, dass auch nach dem 70. Geburtstag der Vereinten Nationen 800 Millio­nen Menschen täglich hungrig zu Bett gehen, 700 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, 60 Millionen Kinder keine Bildung erhalten, weil sie keine Schule haben, in die sie gehen können, und 2,5 Milliarden Menschen keine angemes­sene Gesundheitsversorgung haben.

Wenn wir uns das anschauen, dann wissen wir auch, dass die aktuelle Frage der Flucht­bewegungen in den Ursachen bekämpft werden muss. Da sind die SDGs, die Sus­tainable Development Goals, ein Thema, genauso wie auch das Paris-Abkommen mit dem Ziel, den Klimawandel zu bekämpfen, das wir – das verspreche ich Ihnen – recht­zeitig ratifizieren werden, und wir werden es – noch viel wichtiger – nicht nur ratifizie­ren, sondern auch die notwendigen Maßnahmen setzen, um diese Bedrohungsszena­rien für unser Weltklima nicht Realität werden zu lassen.

Mister Secretary-General, I wish you personally all the best, but even more: I wish the United Nations all the best, because they are our tool. You said we should be global citizens. I think we are global citizens, and even more: I think we have to work hard al­so to be global politicians who make wise global decisions every day. Thank you for being here, Mister Secretary-General! (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach.)

9.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Lopatka. – Bitte.

 


9.40.01

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­te Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Excellency! We are deeply honoured that you addressed our Parliament.

Wir haben ja letztes Jahr die Möglichkeit geschaffen, dass herausragende Persönlich­keiten hier im Plenum des Nationalrates das Wort ergreifen können. Dass Sie der Erste waren, ist eine große Auszeichnung für das österreichische Parlament. Danke, dass Sie trotz Ihres engen Zeitkorsetts Zeit für uns gefunden haben!

Ich bin überzeugt davon, dass es in diesen Tagen keine Organisation gibt, die unersetz­barer, notwendiger und bedeutender ist, als es die Vereinten Nationen sind. Die Arbeit der Vereinten Nationen wird auch von Österreich entsprechend unterstützt. Die Bundes­hauptstadt Wien hat auf der Weltkarte einen ganz wichtigen Platz. Wien ist eine Dreh­scheibe der internationalen Diplomatie, hier wird oft Weltpolitik gemacht – das haben Sie, Herr Generalsekretär, 2007, am Beginn Ihrer Amtszeit, gesagt, als Sie damals Wien be­sucht haben. Damit haben Sie die diplomatischen Bemühungen unseres Landes gewür­digt und betont, dass auch ein Land von der Größe Österreichs, ein kleineres Land Gro­ßes für die Staatengemeinschaft leisten kann.

Es ist Tradition Österreichs seit dem Zweiten Weltkrieg, eine Brückenfunktion wahrzu­nehmen und sich als konstruktiver Verhandlungspartner in die Staatengemeinschaft ein­zubringen. Es ist uns gelungen, dass Wien eine Stadt geworden ist, in der Dialog statt­findet, in der internationale Organisationen ihren Sitz haben, und es ist auch immer wie­der gelungen, dass in Wien für den Frieden dieser Welt entscheidende Gespräche statt­gefunden haben. Wir hoffen, dass nach den erfolgreichen Atomverhandlungen betref­fend den Iran nun bei den Syriengesprächen ein Ergebnis erreicht wird, sodass es den Menschen wieder ermöglicht wird, in ihr Land zurückzukehren.


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Wir haben eine Rolle, die wir gerne einnehmen: Wien ist einer der vier Amtssitze der UNO. Neben New York, Genf und Nairobi haben wir hier als Amtssitz der Vereinten Na­tionen eine ganz wichtige Aufgabe, wenn es um Frieden geht, wenn es um bessere Le­bensbedingungen geht, wenn es darum geht, dass sich die Humanität auf diesem Pla­neten durchsetzt.

Gerade in schwierigen Zeiten wie jenen, die wir jetzt erleben – die Flüchtlingskrise, schwe­lende Konflikte auch vor den Toren Europas –, ist es wichtig, dass jene Organisation, die für Friedenserhaltung, für Konfliktprävention und, was ganz besonders wichtig ist, für den Schutz der Menschenrechte und somit für die Hoffnung von Millionen von Men­schen steht, von Österreich entsprechend unterstützt wird.

Die Vereinten Nationen, oft finanziell nicht so ausgestattet, wie es notwendig wäre, ver­sorgen Millionen von Flüchtlingen, versuchen, in Krisenregionen zu vermitteln, haben eine Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Österreich hat immer wieder einen fai­ren Anteil geleistet, wenn es um den Einsatz der Blauhelme gegangen ist. Mehr als 100 000 Blauhelme sind zurzeit bei 16 Friedensoperationen weltweit unterwegs.

Die Charta der Vereinten Nationen ist nach wie vor der Kompass für internationale Zu­sammenarbeit, der Kompass für weltweite Lösungen. Wir stehen vor einer Unzahl an schwerwiegenden weltpolitischen Herausforderungen, die wir nur gemeinsam lösen kön­nen: Gescheiterte Staaten, Terrorismus, Klimawandel – das alles ist unmittelbar spür­bar und hat auch Auswirkungen auf uns, aber wir gehören zu jenen, die frei entschei­den können. Bei uns kann das Parlament entscheiden, welchen Beitrag Österreich leis­tet, damit die Vereinten Nationen starke Vereinte Nationen sind.

Wir sollten unseren Beitrag zu folgenden Bereichen leisten: Förderung der Menschen­rechte, Rechtsstaatlichkeit, Ausbau der internationalen Beziehungen, auch Bemühun­gen im Bereich der nuklearen und konventionellen Abrüstung. – Das sind alles Punkte, für die Österreich seit dem 14. Dezember 1955 eine wesentliche Säule ist.

Herr UNO-Generalsekretär, Sie haben einmal gesagt: „Österreich ist mein zweites Hei­matland geworden.“ „Ich habe mein halbes Herz in Wien gelassen und komme jetzt wie­der nachschauen, ob es noch da ist.“ – Ich wünsche mir, dass Sie oft nachschauen kom­men. Ihnen alles Gute! Thank you very much for your leadership! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach.)

9.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


9.45.34

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr UNO-Generalsekretär! Ich darf Ihnen versichern, dass es auch für uns eine Ehre ist, dass Sie heute hier bei uns im Hohen Haus, im österreichischen Parlament, zu Gast sind, und dass es gerade für uns als wesentliches und wichtiges Mitglied der Vereinten Nationen notwendig und wichtig ist, diese friedensbringende Arbeit auch weiterhin zu unterstüt­zen. Wir haben als Republik Österreich die grundsätzliche Tradition, ein neutrales Land zu sein. Diese Neutralität ist uns immer wichtig, und wir sind als Vermittler in Krisen und Konfliktherden tätig.

Nicht umsonst ist Wien, wie heute angesprochen wurde, einer der Amtssitze der UNO, und nicht umsonst haben wir Österreicher uns immer wieder bei Blauhelmeinsätzen, bei Friedensmissionen internationaler Art vonseiten des österreichischen Bundeshee­res, aber auch vonseiten der Exekutivkräfte eingebracht.

Im Gegensatz zu ihrem glücklosen Vorgänger, dem Völkerbund in der Zwischenkriegs­zeit, hat die UNO nach dem dramatischen Zweiten Weltkrieg bis heute letztlich eine sehr


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erfolgreiche Geschichte, und es ist wichtig, dass es diese Vereinten Nationen gibt, an­gesichts all der Konfliktherde und leider Gottes kriegerischen Entwicklungen in dieser Welt, bei denen es notwendig ist, friedensschaffend einzugreifen.

Zahlreiche internationale Konflikte und Krisensituationen konnten auch dank der UNO abgeschwächt werden, aber in vielen Regionen dieser Welt herrschen Konflikte und herrscht Krieg. Auch in der Zeit des Kalten Kriegs war die UNO letztlich ein ganz wich­tiger Faktor, aber wir erleben leider auch aktuell eine neue Zuspitzung eines, wenn man so will, Kalten Kriegs oder eines neuen Kalten Konflikts in Europa, wenn wir die Ent­wicklung in der Ukraine bewerten, wenn wir bewerten, dass die NATO mit massivem militärischen Gerät an den osteuropäischen Grenzen auffährt, dass 700 Kilometer von Österreichs Grenze entfernt in der Ukraine heute ein Bürgerkrieg herrscht, von dem man kaum mehr etwas in den Zeitungen liest, und dass auch eine Zuspitzung eines Kalten Konflikts zwischen Russland und der westlichen Welt der Fall ist.

Daher ist es umso notwendiger und wichtiger, diesen Krisenherd und auch diese Kon­fliktsituation im Auge zu behalten und sich da auch vermittelnd einzubringen.

Und natürlich hat die UNO mit ihrer Bedeutung auch eine ganz wichtige Aufgabe in der Konfliktregion des Nahen Ostens. Dort gibt es viele Konfliktherde. Wir haben bis heute eine Konfliktsituation im Nahen Osten, wenn wir auch an den Staat Israel denken, der bis heute erleben muss, dass viele arabische Länder sein Existenzrecht nicht anzuer­kennen bereit sind und bis heute die Vernichtung des Staates zum Teil auch prokla­mieren und ausrufen. Daher steht uns noch viel Arbeit bevor, auch die Konflikte in die­sen Regionen hoffentlich nachhaltig zu überwinden und nachhaltigen Frieden mit ge­genseitiger Anerkennung und mit gegenseitigem Respekt voreinander sicherzustellen.

Weltweit ist die UNO im Einsatz, um friedensstiftend und friedenssichernd tätig zu sein. Gewiss dauert es oft lange, bis man Erfolge erzielt, aber auch hier gilt, was der be­rühmte deutsche Soziologe und Ökonom Max Weber einmal so treffend formuliert hat: ein starkes, langsames Bohren von harten Brettern, mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich, damit man dann irgendwann einmal auch den entsprechenden Erfolg erzielen kann.

Wir Österreicher haben, das haben Sie heute auch angesprochen, wenn es um die Kon­fliktsituationen und Krisen in unserer Nachbarschaft gegangen ist, Großartiges geleis­tet. Wir waren, wenn es um Nachbarschaftshilfe gegangen ist, immer ein glühendes Vor­bild in dieser Welt, sei es in der Tschechenkrise, sei es in der Ungarnkrise oder auch in dem Konflikt im ehemaligen Jugoslawien, als dieser Staat in einem grausamen Bürger­krieg auseinandergebrochen ist. Wir haben immer geholfen, bis an unsere Belastungs­grenze, und waren immer ein sehr hilfreiches Volk.

Wenn es darum geht, dass wir aktuelle Krisen zu überwinden haben, dann wollen wir auch hilfreich sein, keine Frage, aber wir können natürlich nicht die Konflikte oder auch die Völkerwanderungswellen dieser Welt, die von verschiedenen Kontinenten ausge­hen, ob von Afrika oder dem Nahen Osten, bewältigen, indem wir diese Probleme in Eu­ropa lösen.

Wir müssen die Ursachen vor Ort in Angriff nehmen, und es ist daher wichtig, dass die UNHCR-Aufnahmezentren vor Ort durch die Europäische Union entsprechend unter­stützt werden und dass wir die Ursachen vor Ort beseitigen, die Konflikte vor Ort lösen und den Menschen vor Ort Perspektiven geben, damit sie dann, wenn die Konflikte überwun­den sind, auch vor Ort in der Region ihr Land letztlich wieder aufbauen können.

Kriegerische Konflikte, Terrorismus, massenhafte Wanderungsbewegungen, das sind die Entwicklungen der heutigen Zeit, aber ich sage bewusst: Wir müssen letztlich diese Probleme vor Ort in den Regionen in Angriff nehmen. (Präsidentin Bures gibt das Glo­ckenzeichen.) Es ist daher auch traurig, wenn wir aktuell erleben, dass es ja auch part-


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nerschaftliche Entwicklungen vonseiten der Europäischen Union mit der Türkei gibt und man leider auch ein Schweigen vernimmt, wenn die türkische Armee gegen die dortige Minderheit der Kurden brutalst mit Gewalt vorgeht.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann, Sie müssen zum Schlusssatz kommen.

 


Abgeordneter Heinz-Christian Strache (fortsetzend): Ich komme zum Schluss:

Wir werden diese wichtige Rolle innerhalb der UNO selbstverständlich auch weiterhin voll mittragen und unterstützen, haben da oder dort aber natürlich auch kritische ande­re Meinungen, und es ist auch ganz besonders wichtig, gerade in der Vielfalt der parla­mentarischen Demokratien unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Positionen zu­zulassen und die Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Ich denke, diese Vielfalt ist auch ein ganz wesentlicher Faktor. (Beifall bei der FPÖ.)

9.51


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte.

 


9.51.56

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Dear Excellency! Mr. Secretary-General, I would like to start with some personal words. I was really deeply impressed by your speech, by your touching engagement, your sense of humour. Now I can un­derstand a little bit better what made the commitment of Paris come true. It is also your personal success. Thank you so much for that. (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP und NEOS.)

Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Präsidentin! Meine geschätzten Kol­legInnen Abgeordneten! Ich möchte gerne zwei Aspekte aus dieser beeindruckenden Re­de aufgreifen, und zwar einerseits vor allem die Problematik, die Flüchtlingssituation, aber andererseits auch die hoffnungsgebende Thematik, nämlich Klimaschutz und das inter­nationale Abkommen von Paris.

Seit zwei Jahren ist die Anzahl der Konflikte und die daraus resultierende Anzahl von Menschen, die vertrieben sind und Schutz suchen, weltweit dramatisch angestiegen. Es sind jetzt über 60 Millionen Menschen. Die dramatische Lage von vielen dieser Men­schen zeigt uns, mit welcher Dringlichkeit sich die gesamte Welt der globalen humani­tären Frage stellen muss, auch finanziell. Der ökonomische Bedarf an humanitären Hil­feleistungen steigt jährlich an. Ich glaube, seit 2012 hat sich der Bedarf verdoppelt. Das ist ein Thema, das uns als Staatengemeinschaft alle betrifft, und eine Thematik, der wir uns auch widmen sollten.

Wir als Vertreter der grünen Fraktion begrüßen ausdrücklich den für Mai geplanten und erstmals stattfindenden humanitären Weltgipfel in Istanbul. Das ist sehr wichtig als glo­baler Aufruf zum Handeln, sowohl an die Staaten als auch an die Zivilgesellschaft. Wir haben große Hoffnungen in diesen Gipfel, wir hoffen auf neue weltweite Ansätze zum Umgang mit Flucht, Flüchtlingen und Binnenvertriebenen und auch auf neue Ansätze, auf länger anhaltende Konflikte zu reagieren, aber auch bereits in Prävention zu inves­tieren, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit besser zu koordinieren und vor allem länger planbare, vorhersehbare Finanzierung in den Vordergrund zu stellen. Für uns als grüne Fraktion ist der Schutz der Menschen in den Vordergrund zu stellen und das internationale humanitäre Recht ganz entscheidend zu verstärken, und da hof­fen wir sehr auf diesen Gipfel. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ganz ausdrücklich möchte ich auch betonen, dass es mir sehr gut gefallen hat, dass Sie sich auch gestern bei uns im österreichischen Fernsehen dazu geäußert haben und für mehr Solidarität in den europäischen Staaten geworben haben. Mittlerweile ist die Frage der Flüchtlinge auch eine Solidaritätsfrage geworden, eine europäische Soli-


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daritätsfrage, und da haben Sie uns nicht nur als Fraktion hier im österreichischen Par­lament, sondern als grüne Familie in allen europäischen Parlamenten als ganz starke Verbündete. Wir setzen uns ganz massiv für eine europäische Lösung ein, möchten ger­ne auch das Dublin-System überarbeiten und ein solidarisches und verantwortungsvol­les System etabliert wissen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

Österreich hat da bereits einiges geleistet, auch als Austragungsort von Außen- und Frie­denspolitik auf mehreren Ebenen. Das ist auch ein ganz wichtiger Beitrag zu Friedens­bemühungen.

Ich möchte aber trotzdem drei kritische Punkte ansprechen, die immer wieder Ansatz­punkte für Auseinandersetzungen hier im Hohen Haus sind. Leider spielt Österreich im­mer noch eine bescheidene Rolle, was die Entwicklungszusammenarbeit betrifft. Da sind wir einen kleinen Schritt weitergekommen, aber wir sind nach wie vor noch weit von dem entfernt, was die Vereinten Nationen den Staaten als Ziel vorgegeben haben. Das wird immer wieder auch hier im Hause diskutiert, und ich denke, wir sollten eingedenk Ihres Besuches heute diese Frage noch einmal eingehend erörtern, auch für die zu­künftigen Finanzpläne der Republik Österreich.

Auch die Hilfe vor Ort ist aus österreichischer Sicht verbesserungswürdig. Zum World Food Programme haben wir in den letzten Jahren aus unserer Sicht zwar etwas bei­getragen, aber wir können in diesem Bereich noch deutlich mehr machen. Auch die Beiträge zum Kinderhilfswerk und zum Flüchtlingshilfswerk der UNO sind aus unserer Sicht – aus meiner Sicht – jedenfalls verbesserungswürdig, was den österreichischen Bei­trag betrifft.

Aber eines gibt Hoffnung – darauf möchte ich zum Abschluss noch kurz zu sprechen kommen –, und zwar das Klimaabkommen von Paris. Man muss sich das vorstellen: Die­se 20 Jahre dauernden Verhandlungen, diese schwierige Ausgangssituation – und dann wird es tatsächlich geschafft! Das ist der Wendepunkt zu einer neuen Epoche und hat auch gezeigt, dass dieses multilaterale System der Vereinten Nationen funktionieren kann, obwohl es oft kritisiert und schon totgesagt wurde. Das Abkommen von Paris ist ein Erfolg für den Klimaschutz, aber auch für das multinationale Zusammenarbeiten. So viele Vertragsparteien sind dort zusammengesessen – und jetzt dieser Wendepunkt zu einer neuen Politik, die die Lebensgrundlagen für viele Millionen Menschen weltweit verbessern kann!

Wir haben bereits gestern einen Antrag hier im Hause eingebracht und hoffen auf die baldige Ratifizierung auch seitens Österreichs; wir möchten nicht auf die Europäische Union warten. Und auch diesbezüglich möchte ich eingedenk Ihrer heutigen Rede alle dazu aufrufen, dass wir hier einmal eine Vorreiterrolle einnehmen und dieses Paris Agree­ment of hope auch tatsächlich ratifizieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.

 


9.57.34

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Dear Secretary-General! It’s great to have you here. You are my mayor, you are our mayor. If we are global citizens, you are our mayor – and I think it is tremendously important to have a mayor.

Sehr geehrte Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Regierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich halte es für wichtig, dass wir in unserem globalen Dorf einen Bürgermeister haben, weil ein Bürgermeister natürlich mehr als nur eine Funktion ist: Das ist ein Symbol! Es ist ein Symbol, dass wir zusammengehören, dass wir miteinander sind, dass wir hier verbunden sind. Ich glaube, das zu begreifen, ist die Grundvoraussetzung für alles, was dann an guter Politik folgen kann, die wir in


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nationalen Parlamenten, in internationalen Organisationen, in den Vereinten Nationen ma­chen können und machen sollen.

Ich stehe am Abend gerne am Balkon, schaue in den Himmel (Heiterkeit bei der ÖVP Abg. Fekter: Umarme Bäume!) und denke dann oft: Wir sind ja wirklich nur ein Tropfen Zeit. Da oben sind Millionen von Galaxien mit jeweils Milliarden von Planeten – und wir können diesen unseren nicht verlassen. Wir haben nur diesen einen Planeten, und wir sind hier zur Gemeinsamkeit verpflichtet. Das ist unsere Pflicht, das ist unsere Chance. Da kommt mir dann immer die Rocky Horror Picture Show in den Sinn. – Ich weiß nicht (in Richtung von Generalsekretär Ban Ki-moon), kennen Sie die Rocky Horror Picture Show? (Allgemeine Heiterkeit.) Das ist ein Musical, eigentlich eines der Generation mei­ner Eltern, nicht meiner Generation. Da gibt es den Criminologist, das ist der Erzähler, und der analysiert: „And crawling on the planet’s face, some insects called the human race. Lost in time, and lost in space … and meaning.“

Ich denke, wenn ich mich dann hochbeame auf einen dieser Planeten und auf die Erde runterschaue (allgemeine Heiterkeit – Abg. Schieder: „There’s a light“!), dann ist es tat­sächlich so, dass diese Analyse von außen betrachtet wahrscheinlich stimmt: Wir be­wegen uns hier als menschliche Rasse auf dem Planeten, lost in time, lost in space, lost in meaning. Wir hauen uns, wir schlagen uns, wir ermorden uns gegenseitig. Im letz­ten Jahrhundert: 120 Millionen Ermordete, von Menschenhand getötet. – 120 Millionen Menschen im letzten Jahrhundert von Menschenhand getötet!

Natürlich ist die UNO, sind die Vereinten Nationen ein Erbe dieses schrecklichen Jahr­hunderts. Die Ideen gab es vorher schon. Ein Vordenker des liberalen Staates, der li­beralen Demokratie ist Immanuel Kant, er formulierte dies schon im 18. Jahrhundert in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“. Er hat vom ewigen Frieden geträumt, er hat von völ­kerrechtlicher Verständigung geträumt. Das war ja auch eine der Grundlagen für die Charta der Vereinten Nationen.

Die Frage ist: Können wir etwas tun, wenn sich die Menschen schlagen, hauen, ermor­den? Ab und zu verzweifelt man auch in diesen Tagen, in diesen Jahren, und ab und zu schöpft man Hoffnung, so wie in Paris.

Ich glaube, lost in meaning ist der Ausgangspunkt. Wenn wir meaning herstellen kön­nen, wenn wir gemeinsamen Sinn herstellen können, dann können wir auch handeln. Ge­meinsamer Sinn heißt: die Menschenwürde. Wir sind frei und gleich an Menschenwür­de geboren. Wenn wir das alle teilen als Menschen, dann haben wir gewonnen.

Ich war 1998 bei den indonesischen Studenten. Wir haben gemeinsam gegen den Dik­tator demonstriert. An diesem Tag sind Studenten verschwunden. Sie wurden Haifi­schen gefüttert, haben wir im Nachhinein erfahren. Ich habe damals verstanden, dass eben nicht überall auf dem Planeten gemeinsames meaning ist. Wir müssen die Men­schenwürde schützen, und dann können wir auch gute Lösungen finden.

Ich war 1997 in Sarajevo beim U2-Konzert, gemeinsam mit 20 000 Soldaten, mit der Friedenstruppe im Stadion. Bono Vox hat „Miss Sarajevo“ gesungen. Ja: Etwas geht im­mer! Und das ist mein Wunsch: Dass auch in Syrien etwas geht.

Mister Secretary-General, ich verstehe nicht, dass wir da nicht mehr zusammenbrin­gen, gemeinsam mit der UNO, mit der Europäischen Union, mit anderen Institutionen. Wir brauchen eine Flugverbotszone. Es sind sieben Millionen Flüchtlinge im Land, es sind fünf Millionen Flüchtlinge außerhalb des Landes. Wir brauchen einen Rückzugs­ort, wir brauchen Zuversicht, einen Marshallplan, Wiederaufbau für den Nahen Osten. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zum Schluss, Frau Präsi­dentin.

Wir müssen meaning herstellen für diese Menschen, damit sie vor Ort auch eine Per­spektive haben. Das ist mein dringender Wunsch, und Ihnen als meinem Bürgermeis-


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ter wünsche ich dafür alles Gute. (Beifall bei NEOS, SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach und des Abg. Haider.)

10.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


10.03.07

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Generalsekre­tär! Werte Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir die Bilanz der UNO Revue passieren lassen, dann, glaube ich, sind wir uns alle über etwas einig, und zwar: Wir wollen mehr!

Die UNO hat selbstverständlich große Erfolge errungen, und auch Ihre Bemühungen wa­ren sehr oft von Erfolg gekrönt, aber letztlich wollen wir mehr! Wir wollen deshalb mehr, weil man, wenn man sich die Welt so ansieht, bemerkt, dass die Weltgemeinschaft noch mehr können muss. Wir haben eine Situation, wo 60 Millionen Menschen vor über hundert kriegerischen Konflikten auf der Flucht sind. Wir haben eine Situation, wo 500 Millionen Menschen aus ihrer Heimat weggehen wollen, weil sie einfach vor Ort katastrophale Lebensbedingungen vorfinden. Und wir haben die Situation – und das ist aus meiner Sicht das Allerschlimmste –, dass jedes Jahr 6 Millionen Kinder auf der Welt verhungern, und zwar unter den Augen der UNO, unter den Augen der Weltge­meinschaft – und das ist nicht hinzunehmen!

Wenn wir uns vor Augen führen, was wir von der UNO erwarten, ist Folgendes wichtig: Die UNO sind wir alle. Die UNO ist die Weltgemeinschaft, und wir gehören zu dieser Weltgemeinschaft. Deshalb ist jede Forderung, die wir an die UNO stellen, ja gleichzei­tig auch eine Forderung an uns selbst.

Wenn es um Konflikte in der Welt geht, gerade jetzt in Syrien oder auch im Irak, in Li­byen und in vielen anderen Regionen, dann sehen wir, dass viele in dieser Weltge­meinschaft nicht nach den Regeln spielen, die wir uns gemeinsam gegeben haben. Wir haben in dieser Weltgemeinschaft die Regel aufgestellt, dass wir gemeinsam gegen Hun­ger und vor allem gegen Krieg vorgehen wollen.

Leider gibt es einige – und da gehören die USA leider auch dazu –, die sich nicht an die Regeln halten, die die ganze Welt als ihren Hinterhof betrachten und mit der Macht, die sie haben, auch über die UNO, tun, was immer sie tun wollen. Die Konflikte im Irak, in Libyen, in Syrien und in vielen anderen Teilen der Welt sind dadurch entstanden, dass große Mächte ihren Einfluss geltend gemacht haben, um sich Vorteile vor Ort zu verschaffen. Die 100 000 Toten, die dadurch entstanden sind, waren leider jenen, die da die Entscheidungen getroffen haben, egal.

Da müsste die UNO, müsste die Weltgemeinschaft, müssten wir alle auf den Plan tre­ten und sagen: Bis hierher und nicht weiter!, denn Krieg ist nicht die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln. Das glauben leider viele, das ist aber nicht der Fall.

Was wir wollen, ist Politik ohne Krieg. Wir wollen nicht, wenn politische Verhandlungen scheitern, wenn ein Regime vor Ort jemandem nicht passt, dass man dann einmar­schiert, Bomben wirft und all diese Probleme einfach in Kauf nimmt, die wir jetzt erle­ben, denn wenn man sich die Flüchtlingsströme ansieht, dann kommen die ja genau aus solchen Konflikten.

Syrien ist in Wirklichkeit ein Weltkrieg, nur dass nicht die ganze Welt dort kämpft, son­dern es ein Stellvertreterkrieg der ganzen Welt ist. Jeder hat dort seine Einflussberei­che, jeder hat dort seine Interessen. Ein Militärberater hat mir einmal gesagt: Ein Kon­flikt, wo man drei Monate keine Munition liefert, ist automatisch beendet. Gerade in Sy­rien wäre der Konflikt nach drei Monaten beendet, würden nicht von der Türkei ange­fangen alle möglichen Länder dort ihre Interessen wahren, indem sie die einen oder die anderen mit Waffen versorgen.


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Da sind wir beim Terrorismus. Es heißt immer, wir müssen gegen den Terrorismus kämpfen. – Ja, das müssen wir, aber gegen den Terrorismus auf jeder Seite. Es gibt keine guten Terroristen. Deshalb ist es auch nicht hinzunehmen, auch nicht von der UNO, dass die USA ganz gezielt Terroristen vor Ort ausrüsten, schulen, um sie für ihre Zwecke einzusetzen. Das ist nicht in Ordnung.

Deshalb: Die UNO ist wichtig, die UNO hat Großes geleistet, aber wir wollen mehr. Da wir alle Teil der UNO sind, da wir alle Teil dieser Weltgemeinschaft sind, müssen wir auch von uns mehr verlangen. Deshalb müssen auch wir Klartext sprechen, und wir müs­sen all jenen, die gegen die Regeln spielen, die ihre Interessen auf dem Rücken ande­rer umsetzen und ausüben, sagen: Bis hierher und nicht weiter! Wir wollen in einer Welt leben, wo Frieden herrscht und wo die Probleme, die wir alle gemeinsam haben, gelöst werden. Das erwarte ich mir von der UNO, das erwarte ich mir von uns allen. (Beifall bei Team Stronach, ÖVP, FPÖ und NEOS.)

10.08


Präsidentin Doris Bures: Ich danke allen Klubvorsitzenden für ihre Redebeiträge. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Generalsekretär Ban Ki-moon, für Ihre Ausführungen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates findet um 10.15 Uhr statt. Die Mitteilung und die Tagesordnung liegen auf. – Herzlichen Dank.

Diese Sitzung ist geschlossen. (Allgemeiner Beifall.)

10.08.27Schluss der Sitzung: 10.08 Uhr

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1017 Wien