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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

919. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 15. Jänner 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

919. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 15. Jänner 2021

Dauer der Sitzung

Freitag, 15. Jänner 2021: 12.36 – 17.33 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maß­nahmengesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 Abs. 3 GO-BR .............................................................. 8

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .............................  76, 78

Unterbrechung der Sitzung ...................................................................................  77, 79

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsident Mag. Christian Buchmann ......................................................................... 80

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls .................................. 81

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Enthebung der Bun­desministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher vom Amt bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Kocher zum Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend                            7


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 2

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 7

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................. 8

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 5

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend ............... 8

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................... 9

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ................................................................................ 10

Verlangen auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 37 Abs. 5 GO-BR .............. 9

RednerInnen:

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 11

Korinna Schumann ................................................................................................. ..... 14

Christoph Steiner .................................................................................................... ..... 17

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 19

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... ..... 20

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher .............................................................. ..... 21

Mag. Harald Himmer ............................................................................................... ..... 23

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 25

David Egger ............................................................................................................. ..... 25

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ..... 28

Ingo Appé ................................................................................................................ ..... 32

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Januar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1196/A und 626 d.B. sowie 10532/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 32

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 33

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Januar 2021 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmen­gesetz ge­ändert werden (1197/A und 629 d.B. sowie 10530/BR d.B. und 10533/BR d.B.) ................................................................................. 32

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 33

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Januar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1124/A und 627 d.B. sowie 10531/BR d.B. und 10534/BR d.B.) ............................................................................................................... 32

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 33

RednerInnen:

Markus Leinfellner .................................................................................................. ..... 33

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ..... 37

MMag. Dr. Michael Schilchegger .........................................................................  38, 62


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 3

Dr. Karlheinz Kornhäusl .............................................................................................. 42

Josef Ofner (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 44

Ingo Appé ...................................................................................................................... 44

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 48

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 48

Johanna Miesenberger ................................................................................................ 50

Andrea Michaela Schartel (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 53

Günter Kovacs .............................................................................................................. 53

Mag. Harald Himmer (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 55

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ..... 55

Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. ..... 57

Günther Novak .......................................................................................................  60, 66

Dominik Reisinger ........................................................................................................ 64

Bundesminister Rudolf Anschober ....................................................................  67, 74

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 70

Otto Auer ....................................................................................................................... 73

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Freiheitliches Maßnahmenpaket zu Covid-19“ – Ablehnung ....................................  35, 78

Entschließungsantrag der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen“ – Ablehnung         41, 78

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „keine Verzögerung bei den Corona-Impfungen und Vorbereitung des Einsatzes von Selbsttests“ – Ablehnung ..................................................................................................................................  47, 78

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen“ – Ablehnung ...............................................................................................  59, 78

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kostenlose FFP2-Masken für alle e-card-Inhaber*innen, welche das zehnte Lebensjahr vollendet haben“ – Ablehnung (namentliche Ab­stimmung) ...................................................  66, 78

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 79

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 76

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ..................... 76

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 77

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 80

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 4

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend nicht bezogene Beihilfen durch Salzburger Sozialhilfeverbände (3820/J-BR/2021)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Ermittlungen gegen Pflegeeinrichtungen und deren Beschäftigte (3821/J-BR/2021)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen David Egger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tes­tungen und Screenings von COVID-19 (3527/AB-BR/2021 zu 3806/J-BR/2020)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tierschutz auf europäischer Ebene forcieren – schnellstmögliche Untersagung von Lebendtiertransporte (3528/AB-BR/2021 zu 3809/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratsposition zur GAP (3529/AB-BR/2021 zu 3811/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vom Hof auf den Tisch – eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebens­mittel­system (3530/AB-BR/2021 zu 3810/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tourismus in Zeiten von Corona (3531/AB-BR/2021 zu 3808/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Städte­tourismus in Zeiten von Corona (3532/AB-BR/2021 zu 3807/J-BR/2020)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Universitäres Engagement des Univ.-Prof.iR. Mag.rer.soc.oec. Dr.iur Wolfgang Benedek (3533/AB-BR/2021 zu 3813/J-BR/2020)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerpunktkontrollen im Gastgewerbe durch die Polizei (3534/AB-BR/2021 zu 3812/J-BR/2020)

 

 

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 5

12.36.04Beginn der Sitzung: 12.36 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Christian Buchmann, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA, Vizepräsident Dr. Peter Raggl.

12.36.05*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 919. Sitzung des Bundesrates, die auf­grund eines ausreichend unterstützten Verlangens von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundesrates gemäß § 40 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates für heute einberufen wurde. (BundesrätInnen der FPÖ tragen Buttons mit der Aufschrift „Kurz muss weg“ am Revers.)

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 918. Sitzung des Bundesrates vom 22. Dezember 2020 sind aufgelegen, wurden nicht beanstandet und gelten daher als genehmigt.

Zur 919. Sitzung des Bundesrates begrüße ich sehr herzlich Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz (Beifall bei ÖVP und Grünen), Herrn Vizekanzler Mag. Werner Kogler (Beifall bei ÖVP und Grünen), Frau Bundesministerin Dr. Susanne Raab (Beifall bei ÖVP und Grünen) und Herrn Bundesminister Dr. Martin Kocher. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.) Herzlich willkommen!

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Christian Buchmann: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen,

eines Schreibens des Bundeskanzlers betreffend Enthebung von Frau Bundesministerin Christine Aschbacher gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleich­zei­tiger Ernennung von Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Kocher zum Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend gemäß Art. 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 4)

2. Schreiben des Bundeskanzleramtes

Enthebung von Frau Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Kocher zum Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz (Anlage 2)


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 6

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

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BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 7

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Christian Buchmann: Eingelangt ist

ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt von Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. von 13. bis 16. Jänner 2021 in Äthiopien bei gleich­zeitiger Beauftragung von Frau Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner mit seiner Vertretung


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 8

und

ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Vertretung der Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz ab 8. Jänner 2021 durch Herrn Vizekanzler Mag. Werner Kogler bis auf Widerruf.

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Eingelangt sind und dem zuständigen Ausschuss zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Der Ausschuss hat seine Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Christian Buchmann: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte zu den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates Abstand zu nehmen. Hiezu ist eine Mehrheit von min­destens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nah­me von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einver­stan­den sind, um ein Handzeichen. – Das ist einhellig angenommen.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erfor­derlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Erklärung des Bun­deskanzlers und des Vizekanzlers zur Ernennung eines neuen Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann gehen wir so vor.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Christian Buchmann: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 2 bis 4 unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall, dann wird auch so vorge­gangen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

12.40.221. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR an­lässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tages­ord­nung.


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 9

Ich begrüße nochmals den Herrn Bundeskanzler, den Herrn Vizekanzler und die wei­teren Mitglieder der Bundesregierung sehr, sehr herzlich bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler und vom Herrn Vizekanzler abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe einer Erklärung betreffend die Er­nennung eines neuen Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.


12.41.24

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung! Ich freue mich, dass wir Ihnen im Bundesrat heute Martin Kocher als neuen Arbeitsminister vorstellen dürfen. Sie wissen, dass die Pandemie nicht nur weltweit eine Gesundheitskrise aus­gelöst hat, sondern natürlich auch eine Wirtschaftskrise, die massive Auswirkungen auf unseren Arbeitsmarkt hat. Insofern ist das Thema Standort, Wirtschaft und Beschäf­tigung nicht nur jetzt, sondern vor allem auch in den nächsten Monaten und Jahren das zentrale Thema, wenn es darum geht, dass wir wieder zu alter Stärke zurückfinden.

Wir haben in den letzten zwölf Monaten 30 Milliarden Euro an Wirtschaftshilfe bezie­hungsweise an Unterstützung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausbezahlt und zugesagt. Wir hatten über eine Million Menschen am Höhepunkt der Krise in Kurzarbeit. Erlauben Sie mir daher an dieser Stelle, ein Danke an Christine Aschbacher zu sagen, die in dieser wesentlichen Arbeit stets einen wichtigen Beitrag geleistet hat, die das ganze Jahr über mit voller Energie gearbeitet hat und die in vielen Bereichen, der Sozial­part­nereinigungen bis hin zur Kurzarbeit, eine wesentliche Rolle gespielt hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie hat meiner Meinung nach genauso wie jeder andere ein faires Verfahren verdient, hat sich aber entschieden, auch um ihre Familie zu schützen, ihr Amt aufzugeben. Mir war es als Regierungschef wichtig, schnell eine Entscheidung zu treffen, schnell eine gute Entscheidung zu treffen, damit in allen Bereichen der Bundesregierung weiter auf Hochtouren gearbeitet werden kann.

Ich freue mich, dass es gelungen ist, mit Martin Kocher einen Experten zu gewinnen, der international anerkannt ist, der bereits in der Leitungsfunktion im IHS eine wichtige beratende Rolle für uns gespielt hat und mit dem wir schon im letzten Jahr sehr gut zusammengearbeitet haben, wenn es darum ging, die Auswirkungen der Krise auf Wirtschaft und Arbeit zu besprechen und auch Maßnahmen zu setzen, um diese Aus­wirkungen abzufedern.

Es ist eine große Aufgabe, denn die Pandemie ist noch nicht vorbei, sie wird uns noch einige Monate beschäftigen. Wir sehen an den Arbeitslosenzahlen und auch an den Zahlen der Kurzarbeit, dass es ganz entscheidend sein wird, alles zu tun, um möglichst viele dieser Menschen schnell wieder zurück in Beschäftigung zu bringen.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, bedanke mich bei dir, lieber Martin, für die Bereitschaft und wünsche dir für die Tätigkeit alles Gute. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.44



BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 10

Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals, Herr Bundeskanzler, für die Ausführungen.

Ich begrüße auch Herrn Bundesminister Rudolf Anschober sehr herzlich im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Als Nächstem erteile ich Herrn Vizekanzler Mag. Werner Kogler das Wort. – Bitte, Herr Vizekanzler.


12.44.43

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Danke, Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundes­räte! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Ich möchte gleich mit dem Anlass dieser unserer Vorstellung hier beginnen. Wir durften – also ich persönlich auch, ich bin mit Martin Kocher schon länger bekannt – ihn schon länger kennenlernen und auch schätzen lernen als Wissenschafter an sich, noch mehr als wissenschaftlichen Berater der Bundesregierung, und zwar für alle Teile der Bundesregierung. Das kann man, glaube ich, getrost und auch einvernehmlich sagen. Da habe ich ihn noch einmal besonders schätzen gelernt. Jetzt freut es uns, dass wir auf diese Art und Weise in eine vertiefte Zusammenarbeit eintreten können.

Wer die mediale Charakterisierung des neuen Kollegen verfolgt hat, wird ja festgestellt haben, dass er auch Marathonläufer ist. Das ist gut. Wir wähnen uns zumindest auf den letzten Kilometern, was die Bekämpfung der Pandemie betrifft. Am Schluss ist es aber besonders schwierig, jetzt haben wir durch die Mutation auch noch Gegenwind; das muss man ganz ehrlich ansprechen. Es ist gerade wieder einmal nicht leicht. Wir werden die nächsten Tage und Wochen nur sehr behutsam vorgehen können, nichts anderes ist verantwortungsvoll. Aber eben auf diesen letzten Kilometern kann man natürlich den Marathonläufer besonders hervorstreichen.

Hervorstreichen möchte ich aber auch, und zwar ausdrücklich, dass ich mich bei aller Kritik – Klammer auf: nicht von mir, ich werte jetzt nicht; Klammer zu –, die es an der Amtsvorgängerin, an Christine Aschbacher, gegeben haben mag – völlig egal für das, was ich jetzt sagen will –, erstens ausdrücklich und zweitens tatsächlich und ehrlich für die Zusammenarbeit mit Ministerin Aschbacher und auch mit ihrem Kabinett bedanke. Das hat immer gut funktioniert, und man soll nicht so tun, als ob da nicht einiges gelungen wäre. Das ist mir tatsächlich wichtig zu erwähnen.

Damit kommen wir eh gleich ins Thema rein: Diese Methode der Kurzarbeit, die jetzt sicher weiterentwickelt werden muss, keine Frage – sie ist ja auch schon ein paar Mal adaptiert worden –, ist, kann man so sagen, einmalig, selbst im Vergleich mit der Bun­desrepublik Deutschland, sie ist in gewisser Weise eine Erfolgsgeschichte, kostet auch sehr viel. Wir haben uns angeschaut, was es uns und die Volkswirtschaft kostet, wären wir nicht überzeugt davon gewesen, hätten wir es weniger oder anders gemacht; das muss man einmal sagen.

Ähnliche Fortschritte gibt es beim Bildungsbonus, das sind, glaube ich, schon brauch­bare Anreizwirkungen, immerhin 180 Euro im Monat. Für wen er ist, wissen Sie genauso wie ich, da gibt es vernünftige Anreizwirkungen. Das kann man alles noch weiter adap­tieren. 700 Millionen Euro stehen zur Verfügung, auch wenn die Vorgängerin das jetzt nicht ganz zu Ende führen konnte, was wir unter Möglichkeiten für die Arbeitsstiftungen eingeordnet haben. Ja, wir wissen, dass da noch etwas zu vertiefen ist, das ist sicher eine Herausforderung, aber es ist eine Möglichkeit. Das Budget ist da, der größere Teil heuer, ein anderer Teil nächstes Jahr. Da, so glaube ich, ist einmal das Haus insofern ganz gut bestellt übergeben worden.


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 11

Ansonsten: Die arbeitsmarktpolitischen Schlagworte muss man jetzt hier nicht vertiefen, aber mir ist schon wichtig, zu sagen, dass diese Rettungs- und Sanierungsmaßnahmen und Überbrückungsmaßnahmen natürlich nicht nur quasi Unternehmerförderung sind, die es im Übrigen auch in dieser Situation verdient haben, sondern natürlich und vor allem auch das Ziel, die Beschäftigung zu halten, verfolgen. Was ich damit sagen will: Ich halte gerade in dem Moment nichts vom Auseinanderdividieren von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entlang von Maßnahmen der Bundesregierung. Ganz klare An­sage – bei allen sonstigen ideologischen Unterschieden, die es ja geben darf und soll, aber das ist eine klare Sache. Da sitzen wir wirklich in einem Boot, nicht zufällig, und das sieht die ganze Regierung, denke ich, ähnlich, gibt es eine gewisse Renaissance der Sozialpartnerschaft, und dafür bin ich auch dankbar. Deshalb versuchen wir ja, auch hier im Bundesrat, über alle Fraktionen hinweg, auch immer wieder noch Konsens bei den einen oder anderen Maßnahmen herzustellen, weil es das in dieser Situation braucht. An alle, die da immer mittun und von sich aus etwas einbringen: Danke dafür.

Insofern, glaube ich, muss man noch mehr in die Zukunft schauen. Ich meine, die Idee ist, dass wir uns mit gar nicht so wenigen Milliarden, also ziemlich viel Geld – da darf man immer diskutieren, ob die zielgerichtet eingesetzt sind oder nicht, ich denke natür­lich, ja –, auch wieder aus der Krise rausinvestieren wollen. Auch da wird es viele Be­schäftigungsimpulse geben.

Was ich nicht stehenlassen will, ist, dass es noch keine Konjunkturpakete gegeben hätte. Gut, dass wir mit den Milliarden dafür vorgesorgt haben, wir haben ja im Herbst 2020 schon damit begonnen. Jetzt, glaube ich, wenn es Richtung Überwindung der Pandemie geht, ist es umso besser, wenn die meisten Milliarden zur Verfügung stehen, um uns in dieser Phase eben rauszuinvestieren. Irgendwann wird es natürlich wieder darum gehen, wenn alles halbwegs saniert sein wird, auch wieder zu konsolidieren. Ganz klar. Ich denke, auf diesen Weg können wir uns verständigen, und da lassen wir uns jetzt auch nicht auseinanderdividieren.

Apropos Rausinvestieren (Zwischenruf des Bundesrates Steiner): Es wird für die öster­reichische Wirtschaft und damit für die Beschäftigung mit Sicherheit Comebackjahre geben. Wir sind nicht nur der Hoffnung, sondern auch zuversichtlich und wollen ent­schlossen etwas dazu beitragen, dass schon 2021 das Startjahr für dieses Comeback einerseits der Wirtschaft, andererseits der Beschäftigung wird. Daher ist es auch genau das Thema des neuen Arbeitsministers. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.50


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.50.39

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­kanz­ler! Herr Vizekanzler! Frau Minister! Geschätzte Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufsperren statt zusperren, das wünschen wir uns alle. Wenn es nur so leicht wäre! Corona hat uns nun einmal ganz fest in den Klauen. Wir konnten uns nicht darauf vorbereiten, es ist ganz einfach über uns hereingebrochen. Es gibt keine Erfahrungswerte, wir müssen ganz einfach beobachten, analysieren und auf Experten vertrauen – und erfreulicherweise haben wir sehr viele.

Wir haben die Coronapandemie zu bekämpfen und die Krise am Arbeitsmarkt zu bewäl­tigen. Dabei hat das Arbeitsministerium eine Schlüsselfunktion für eine zukunftsorien­tierte Arbeitsmarktpolitik. Ich sage Ihnen, Herr Minister Dr. Martin Kocher, ein herzliches


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 12

Dankeschön, dass Sie als international anerkannter, hoch kompetenter und geschätzter Wirtschafts- und Arbeitsmarktexperte das Ministerium übernommen haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bei uns in der Wirtschaftskammer Österreich finden viermal jährlich die Wirtschafts­politischen Gespräche statt. Da hatte ich die Möglichkeit, Ihre Ausführungen zu hören, und Sie waren für mich immer ein Highlight. Ich sage dafür ein herzliches Dankeschön. Aus Ihren Worten und Ausführungen habe ich auch immer wieder eine große Wert­schätzung für die Sozialpartnerschaft herausgehört. Dafür sage ich auch ein Danke­schön, weil es gerade für uns sehr wichtig ist, dass sie funktioniert, denn – und das versuche ich, auch immer wieder zu sagen – die Wirtschaft sind wir alle: wir, die Arbeit­geber und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ohne Sozialpartnerschaft würden wir nicht so gut dastehen, und dass wir immer gut gearbeitet haben, sehen wir, denn sonst könnten wir die Schwierigkeiten nicht so bewältigen. Das ist auch wichtig für die Zukunft: Wir sind gut aufgestellt, wir sind ein gutes Team.

Um die Herausforderungen, Herr Minister, die auf Sie warten, beneide ich Sie aber wirk­lich nicht. Unsere Betriebe haben seit März Umsatzverluste, und dadurch herrscht natür­lich schon Zurückhaltung und teilweise Pessimismus. Hoffnung gibt uns jetzt natürlich die Impfung und die auch wichtigen Tests. Es gibt – das wurde schon angesprochen – eine Rekordarbeitslosigkeit, und, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, trotzdem sagen laut einer Umfrage unter unseren Betrieben im Herbst 62,2 Prozent, dass ein Fach­kräftemangel herrscht. Deshalb müssen wir darauf schauen, dass diese erfolgreiche Tätigkeit, die bei der Ausbildung unserer Jugend vor allem im dualen Bereich gemacht wird, weiterhin verstärkt wird.

Wir können da aber auch sehr stolz sein: Beim ersten Lockdown im Frühjahr gab es Befürchtungen, dass 10 000 Lehrstellen wegfallen werden und es ein Minus von 20 bis 30 Prozent geben wird. Das ist erfreulicherweise nicht eingetroffen. Deshalb sage ich für den Lehrlingsbonus schon ein herzliches Dankeschön. Das Wirtschaftsministerium hat 40 Millionen Euro für die Unterstützung ausgeschüttet, und – das können wir schon sagen – damit wurden circa 20 000 Lehrstellen abgesichert.

Ich habe mir auch die Lehrlingszahlen angeschaut. Die sind ja auch wichtig, weil man ja, wenn man in so einer schwierigen Situation ist, Kraft und Zuversicht braucht – und diesbezüglich ist es immer ganz gut, wenn man weiß, wo die eigenen Stärken sind. Im Dezember 2019 gab es 109 111 Lehrlinge, im Dezember 2020 gab es 108 416. Das ist ein Minus von 0,6 Prozent. In so einer schwierigen Situation, muss ich sagen, sind wir wirklich sehr gut unterwegs. In Niederösterreich – und da bin ich als Niederösterreicherin natürlich sehr stolz, denn wir machen sehr viele Initiativen für die Jugendausbildung, wie ihr wisst – gab es ein Plus von 0,8 Prozent. Wir waren in der Vergangenheit sehr ver­wöhnt, weil es da andere Zuwächse gab.

Es ist uns aber allen klar, dass wir, die Betriebe, diese schwierige Situation nicht aus eigener Kraft bewältigen und meistern können. Deshalb sage ich für die großartigen Unterstützungen, die es gegeben hat, die es gibt und die uns ganz einfach helfen, herz­lich Danke schön.

Ein wesentlicher und wichtiger Punkt – und das ist schon angesprochen worden – ist natürlich die Kurzarbeit. Jeden Tag, wenn man das Radio einschaltet, hört man ja neue Horrorszenarien und weiß daher, dass uns die Pandemie auch weiterhin noch verfolgen wird. Daher braucht es auch eine Verlängerung der Kurzarbeit, um diese Situation zu bewältigen. Als Unternehmerin würde ich mir eine Verlängerung eins zu eins um drei bis sechs Monate wünschen, denn das wäre für unsere Betriebe wichtig.

Ich sage aber auch herzlich Danke schön für die Überbrückungskredite und dafür, dass es da Unterstützungen gegeben hat, denn es war für uns schon sehr schwierig, als wir


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auf einmal dagestanden sind und Angst hatten, weil man ganz einfach finanziell klamm war. Ich danke für den Härtefallfonds, für den Umsatzersatz, für den Verlustersatz, für den Fixkostenzuschuss.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass der Zinssatz jetzt auf 1,38 Prozent reduziert wurde. Als Unternehmerin schaue ich nämlich immer ganz genau darauf, wie es denn ist: Man hat Stundungen und weiß, dass die gestundeten Zahlungen irgendwann fällig werden und man sie ganz einfach auch zahlen muss. Daher sage ich auch dafür ein herzliches Dankeschön. Daran erkennt man, dass es da sehr viel Unterstützung gibt.

Es ist zwar schon angesprochen worden, aber man muss es immer wieder heraus­streichen: Das sind bitte keine Geschenke für die Betriebe, sondern das dient ganz einfach dazu, dass unser Wirtschaftsstandort wieder diese Stärke bekommt, die er vor der Pandemie hatte. Österreich ist ein exportorientiertes Land, wir haben eine Wirtschaft, die nicht Billigprodukte, sondern hochwertige herstellt, wir sind für unser Know-how bekannt. Der Export hat dazu beigetragen, dass wir wirtschaftlich so gut dastehen. Deshalb ist es so wichtig, dass die hiesigen Betriebe jetzt in dieser schwierigen Situation diese Begleitung haben.

Ich habe schon den Fachkräftemangel angesprochen. Der große Wunsch der Wirtschaft ist, dass es Qualifizierungen, betriebsnahe Qualifizierungen gibt, sodass alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter mitgenommen werden können. Es gibt genug Mitarbeiter, die eine zusätzliche Qualifizierung brauchen. Dafür braucht es ganz einfach eine Unterstützung. Die Wirtschaftskammer Niederösterreich macht ja sehr viele Projekte betreffend junge Leute, es gibt aber auch ein Projekt mit einer Einrichtung, um arbeitsfernen Menschen zwischen 18 und 46 eine Chance, wieder in das Berufsleben einzusteigen, zu geben und sie arbeitsfit zu machen. Da muss ich meinen Dank auch an Frau Minister Aschbacher richten, da sie diese Initiative großartig unterstützt hat.

Die Wirtschaft hat auch immer wieder Wünsche: Ich denke, dass zur Ankurbelung der Wirtschaft ein Überdenken des Handwerkerbonus gut wäre. Der Handwerkerbonus Neu wäre für uns wichtig.

Eine ganz große Bitte habe ich aber, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenn wir in so einer schwierigen Situation sind – wir haben eine Pandemie –, habe ich null Ver­ständnis dafür, dass man sich gegen Maßnahmen, die helfen, diese einzudämmen, verwahrt. Ich habe kein Verständnis dafür, dass man nicht darauf achtet, dass Tests gemacht werden. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn man nicht die geringsten Maßnahmen einhält. Ich bin auch sehr froh, dass es jetzt die Impfungen gibt.

Ich erlaube mir nur schnell, noch auf eine Initiative hinzuweisen: Es gibt nun in allen Bun­desländern Schnelltests. Bei uns im Land funktioniert die Sozialpartnerschaft: Da haben die Sozialpartner zusätzlich zu den Initiativen des Landes Schnellteststraßen eingerichtet. Es gibt vier Teststraßen, an die Betriebe herantreten können, und es gibt die Pop-up-Teststraße, die in Betriebe mit mehr als 130 Mitarbeitern kommt, sodass diese Tests rasch gemacht werden können. Es können sich dafür auch mehrere Betriebe zusammentun.

Als Unternehmerin mit einem kleineren – 86 Prozent unserer Betriebe haben weniger als zehn Mitarbeiter – und sehr praxisorientierten Betrieb habe ich eine Bitte: Es gibt so viele Beauftragte. Kann man vielleicht darüber nachdenken, dass man in den Betrieben einen Beauftragten dafür hat, also installiert und ausbildet, sodass Tests in den Betrieben gemacht werden können? Wir würden das alle sehr gerne regelmäßig machen – zum Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber natürlich auch zum Schutz unserer Kunden.

Ich sage all jenen ein herzliches Dankeschön, die so engagiert unsere Betriebe und überhaupt uns als Gesellschaft unterstützen. Ich denke, in einer solch schwierigen


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Situation gibt es nur ein Miteinander und kein Gegeneinander. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.00


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.00.33

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen und vor allen Dingen liebe Zuseher- und ZuhörerInnen! Bevor ich meine Rede beginne, möchte ich, und das darf ich auf keinen Fall verabsäumen, unserer Präsidentin Dr.in Eder-Gitschthaler für ihre Präsidentschaft danken und Herrn Präsidenten Buchmann alles Gute für seine Präsi­dentschaft unter diesen besonderen Herausforderungen wünschen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Jetzt zur Sache: Gerade wir im Bundesrat haben die Chance, manchmal sehr überlegt und auch mit der nötigen Distanz auf die politischen Entwicklungen zu blicken, und gerade der klare Blick auf die Handlungsschritte der Regierung in der Pandemie­bekämpfung lässt für uns leider nur eine Diagnose zu: eindeutig zu viel Chaos.

Das neue Jahr beginnt, wie das alte geendet hat, mit einer Sondersitzung. Was ist bisher passiert? – In Wahrheit viel zu viel, um darauf einzugehen, was alles schiefgelaufen ist. Fakt ist, wir haben fast 7 000 Covid-Tote und eine doppelt so hohe Ansteckungszahl wie in Deutschland. Deshalb halte ich es für wichtig, mich gerade jetzt ganz beispielhaft auf eine der letzten PR-Aktionen der Regierung, nämlich das sogenannte Freitesten, zu beziehen.

Die Regierung hat anfangs noch mit der Idee gespielt, irgendeinen Bonus zu geben, wenn man sich testen lässt. Das wurde dann medial abgeprüft – nein, geht doch nicht so gut –, und dann hat man die Kehrtwende gemacht und gesagt, dass man für all jene, die nicht testen gehen, die Bewegungsmöglichkeiten einschränkt – also vom Anreiz zum Zwang in nur einer Woche.

Bei dieser von der Regierung vorgestellten Regelung betreffend das Freitesten, die allein schon von der Begrifflichkeit her ein völlig falsches Bild erzeugt hätte, konnten wir natürlich nicht mitgehen. Wir hätten damit dem Gesundheitsminister sehr weitgehende Befugnisse gegeben, und – ganz ehrlich – die Begutachtung stellte in dieser Form eine wirkliche Farce dar: aufgrund der kurzen Frist keine brauchbaren Verhandlungen über einen Gesetzentwurf, der eindeutig massive Einschränkungen für die Bevölkerung enthielt. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Fall haben sich ganz plötzlich wieder einmal die Macht des Faktischen und die Kraft des Bundesrates gezeigt: Wenn die Opposition an einem Strang zieht und zusammenhält, dann kann die Regierung nicht so einfach tun, was sie will. (Bundesrat Steiner: Aber heute fallts um! Heute fallt ihr um! Platsch!) Der von Politikerinnen und Politikern der Regierungsfraktionen oft eingeforderte Schulterschluss wäre diesmal von­seiten der Regierung notwendig gewesen, denn man muss mit der Opposition reden, damit man in einem nationalen Kraftakt gemeinsam gegen diese wirklich schreckliche Krise kämpft.

Herr Bundeskanzler, Sie und Ihr Klubobmann haben es dann aber vorgezogen, die Opposition einfach zu beschuldigen, den Lockdown verlängern zu wollen – eine krasse Unwahrheit, denn der Lockdown war bereits bis 24.1. geplant. Es hätten sich Menschen aus diesem heraustesten können, und dies mit teilweise wirklich absurden Regelungen:


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Tests für den Kulturbereich, die zwei Tage alt sein können, Tests für die Gastronomie, die eine Woche alt sein können. Das ist keine Regelung, womit man die Pandemie bekämpft, im Gegenteil, es hätte dazu geführt, dass die Zahlen noch weiter explodiert wären. Wir haben diesen Hüftschuss der Regierung zu Recht im Interesse der Menschen in diesem Land verhindert. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

So schnell Sie mit Ankündigungen sind, so langsam sind Sie mit Lösungen. Es wäre längst notwendig gewesen, eine Teststrategie, wie wir sie nach elf Monaten heute endlich beschließen, auf die Beine zu stellen, aber nein, das passierte nicht. Diese Regierung versinkt im Chaos. Dabei wäre das alles nicht so schwierig. Wir sehen, dass in Dänemark, wo es rund 900 Altenheime gibt, die Durchimpfung bereits erfolgt ist. In Österreich gibt es weniger Heime, wir sind aber nicht einmal ansatzweise so weit. Oder schauen wir nach Israel: In diesem Land hat man in kürzester Zeit eine Durchimpfungs­rate geschafft, die wirklich großartig ist. Während in Israel innerhalb von vier Wochen die Bevölkerung durchgeimpft wurde, bräuchten wir bei dem Tempo, das wir an den Tag legen, mehr als vier Jahre, um einen sinnvollen Impfschutz zu erreichen. Genau diesen Impfschutz brauchen wir jetzt aber, dieser führt uns aus der Krise, es gibt keinen anderen Weg!

Ich darf noch etwas sagen: Wir sind in den letzten Monaten mit Pressekonferenzen der Regierung überhäuft worden – eine Pressekonferenz zur Ankündigung einer Ankündi­gung –, aber jetzt ist die Anzahl der Pressekonferenzen zurückgegangen, und es ent­steht schon der Eindruck, dass dies passiert, weil man sich wegducken möchte. Jetzt sind die Zeiten schwieriger, jetzt stehen die Fehler eindeutig auf dem Tapet, und jetzt duckt man sich weg und möchte die Auseinandersetzung mit der Bevölkerung nicht mehr haben. Das ist aber nicht gut, man lässt die Menschen im Unklaren und es führt zu Unsicherheit. Wir müssen alles tun, um diese Unsicherheiten abzumildern und um Sicherheiten zu schaffen.

Wir werden heute, das darf ich ankündigen, einen Entschließungsantrag einbringen, den wir für ganz, ganz wichtig halten. Wir wissen, dass die FFP2-Masken den Menschen mehr Sicherheit geben und dass sie eine wirksame Möglichkeit sind, sich vor der Ansteckung zu schützen. Wir wissen aber auch, dass diese Masken besonders für Menschen, die jetzt schon unter großem finanziellen Druck leiden, nicht billig sind. Das heißt, wir werden heute mit unserem Entschließungsantrag fordern, dass alle Öster­reicherinnen und Österreicher ab dem 10. Lebensjahr über die E-Card fünf FFP2-Masken im Monat bekommen sollen. Das ist eine wichtige Forderung, und wir wollen, dass sie umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf mich nun an den neuen Arbeitsminister wenden: Die Herausforderungen, die auf Sie zukommen, sind enorm groß, das ist natürlich klar. Es sind jetzt 533 000 Menschen, die keine Arbeit haben, 417 000 Menschen, die in Kurzarbeit sind, und Ihre Aufgabe als Minister und Experte wird es nun sein, die Übersetzungsarbeit von Statistiken über Arbeitslosigkeit in die Praxis zu leisten. Das ist ein wichtiger Schritt, weil die Statistik Schicksale widerspiegelt. Jeder und jede Arbeitslose in dieser Statistik entspricht einem Schicksal, entspricht dem Leben einer Familie, ihrer persönlichen Situation. Ich bitte Sie, Herr Minister, überdenken Sie ganz dringend Ihre Haltung zum Arbeitslosengeld! Es ist ganz wichtig, jetzt das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent zu erhöhen, jetzt ist Zeit dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

530 000 Menschen ohne Arbeit und 50 000 freie Stellen: Da braucht man kein Rechen­wunderwuzzi zu sein, um zu erkennen, dass Arbeit zu suchen jetzt mehr als schwierig, ja fast unmöglich ist. Die Menschen müssen aber ihre Existenz führen und wollen abgesichert sein, und es ist ganz, ganz wichtig, diesbezüglich zu handeln.


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Schauen wir auf die einzelnen Gruppen: Die Jugendarbeitslosigkeit muss dringend be­kämpft werden, wir wollen keine verlorene Coronageneration. Wir brauchen Konjunktur­programme und Perspektiven.

Wir müssen auch auf die Frauen schauen. Und weil die Frauenministerin heute auch hier ist: Die Frauen sind, das muss ich ganz eindeutig sagen, mit all ihren Problematiken und all den Dingen, die sie jetzt gerade in der Pandemie schultern, eine „verschwiegene Gruppe“, um das unter Anführungszeichen zu sagen. Die Situation der Frauen muss klarer dargestellt werden. Die Frauen sind ganz stark von Arbeitslosigkeit betroffen, und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen sicher nicht, dass die Frauen die Verliererinnen dieser Krise werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen auch nicht, dass ein neues Proletariat entsteht, das unter jeder Bedingung Arbeit annimmt, weil es einfach nicht anders geht. Das ist nicht das Erfolgsmodell Österreich, das wollen wir auf keinen Fall.

Es muss auch klar gesagt werden, dass Corona für schwere Verwundungen in der Gesellschaft sorgt. Es ist wahrzunehmen, es ist anzusprechen und nicht klein- und schönzureden. Die Trauer um den Verlust eines Menschen, den man durch Corona verloren hat, die Angst vor der Ansteckung, die Angst vor der eigenen wirtschaftlichen Zukunft, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die Angst davor, das Unter­nehmen, das man mühevoll aufgebaut hat, zu verlieren, die Depressionen, die aufgrund der mangelnden sozialen Kontakte entstehen, die Wut auf die Umstände, all das gibt es und ist mehr als verständlich.

Armut ist für viele früher kein Thema gewesen, aber die Armutsgefährdung ist bei Personengruppen angekommen, die nie gedacht hätten, dass sie davon betroffen sein würden. Bitte schauen Sie beim Einkauf im Lebensmittelgeschäft einmal in die Wagerl der Leute hinein, Sie werden sehen, wie viele Billigprodukte da drinnen landen, weil die Leute sich einfach nicht mehr leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sozialmärkte sind übervoll. Wir haben ein großes Problem, und dieses ist anzu­sprechen und wahrzunehmen.

Wir brauchen Perspektiven, um die Menschen wieder aus diesem Tal herauszuführen. Heute beschließen wir die Teststrategie. Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Schritt. Nach elf Monaten gibt es wie gesagt endlich die Teststrategie, vor allen Dingen die betriebliche Teststrategie, die Absicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Krankheitsfall. Die Kosten für die Tests werden vom Bund übernommen – auch ein ganz, ganz wesentlicher Schritt –, und die Tests finden in der Arbeitszeit statt. Das ist ein wirklicher Erfolg, und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind sehr, sehr stolz darauf, dass das gelungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch ein Erfolg der Sozialpartnerschaft, auch darauf kann man stolz sein. Die Sozialpartnerschaft funktioniert. Sie hat bei der Kurzarbeit funktioniert und sie hat jetzt bei der betrieblichen Teststrategie funktioniert. Sie funktioniert bei noch einem Punkt, der uns so wichtig ist: Es wird die Maskenpausen geben. Das ist ganz, ganz wichtig, weil die Menschen wirklich belastet sind, wenn sie lange die Masken tragen und dabei arbeiten müssen. Darauf kann man stolz sein. Das trägt sozialdemokratische Hand­schrift, ganz eindeutig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen aus dem Negativtal heraus. Wir müssen die Sorgen und die Nöte der Menschen, die sie derzeit haben, sehen und anerkennen, und es braucht Perspektiven, es braucht Arbeitsmarktperspektiven. Es braucht wirklich die Einrichtung von Stiftungen. Ich darf nur die Forderung nach einer Pflegestiftung wiederholen – die Stiftung zu aktivieren –, denn wir brauchen zukünftig 40 000 Menschen mehr in der Pflege. Wir brauchen viele Maßnahmen für junge Menschen und für langzeitarbeitslose Menschen.


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Und bitte: Entfernen wir uns von den Statistiken, sondern sehen wir immer das Leben der Menschen mit all ihren Sorgen und Nöten und schauen wir, dass wir so stark und gemeinsam durch die Pandemie kommen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.12


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Frak­tionsvorsitzender Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


13.12.26

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Werte Kollegen! Sehr geehrter Herr Arbeitsminister Kocher, vorerst möchte ich Ihnen wirklich von Herzen, aber vor allem für die fast eine Million Arbeitslosen und Menschen in Kurzarbeit alles erdenklich Gute für Ihre zukünftige Arbeit in den nächsten Monaten wünschen.

Sie wurden in den vergangenen Tagen mit unzähligen Vorschusslorbeeren überhäuft, auch der Kanzler und sein Vize haben sich in der Lobhudelei Ihnen gegenüber förmlich überschlagen. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Nun, Herr Arbeitsminister, ich sehe das ein wenig nüchterner, denn niemandem in diesem Land, der gerade ohne Job dasteht – eine alleinerziehende Mama, die nicht weiß, was sie ihrem Kind zu essen auf den Tisch stellen soll, weil man es sich schlicht und einfach nicht leisten kann –, nie­mandem von jenen Menschen, die täglich mit der Ungewissheit in die Arbeit fahren, ob sie den Job auch noch am nächsten Morgen haben werden, nützt es etwas und ist damit geholfen, wenn man Sie mit Lob überhäuft.

Ich nehme mir nun das Recht heraus, das nicht zu tun. Ich werde Sie dann loben, Herr Arbeitsminister, wenn es wirklich Erfolge am Arbeitsmarkt gibt und es bei den Be­schäftigungszahlen wieder bergauf geht (Beifall bei der FPÖ), wenn man es geschafft hat, dass keine Familien mehr aufgrund der Coronapolitik dieser Regierung ihr Dasein am Existenzminimum fristen müssen. Dann werde ich mich bei Ihnen bedanken, denn ich wüsste keinen Grund, warum ich das jetzt schon tun sollte, Herr Minister, denn auch für Sie gilt: zuerst die Arbeit und dann das Lob.

Bei aller Euphorie für den Neuen will ich aber auf die geschasste Arbeitsministerin Mag.a Aschbacher nicht vergessen. Ich wünsche ihr natürlich alles Gute für ihre Zukunft. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir uns keine großen Sorgen um die Zukunft von Frau Mag.a Aschbacher machen müssen, hat uns doch die ÖVP Steiermark in der Vergangenheit schon öfter bewiesen, dass sie ihre Schäfchen auch nach Aberkennung eines Doktortitels oder eben eines Magistertitels nicht fallen lässt. Zwar sind diese dann als Landesräte oder Minister nicht mehr tragbar, für eine Karriere in der Länderkammer reicht es dann allerdings allemal. Also Vorsicht, liebe ÖVP-Kollegen aus der Steiermark, sonst ist euer Platz schnell weg! (Beifall bei der FPÖ.)

Nun wieder zurück zum brandneuen Arbeitsminister: Herr Minister, Sie werden schnell feststellen müssen, dass es einen gravierenden Unterschied macht, als Experte zu arbeiten, als Experte in einer eventuellen Expertenregierung zu sein oder als Experte in einer von Kurz geführten Regierung zu arbeiten. Sie sind jetzt sozusagen ein parteifreier ÖVP-Minister – das ist zwar ein Widerspruch in sich, aber sei’s drum. Ich bin mir sicher, dass man Ihnen auch das Kabinett von Frau Aschbacher mit allen ÖVP-Soldaten aufs Auge drücken wird, damit natürlich diese Kurz-Truppe die völlige Kontrolle über Sie und Ihr Handeln hat – wir wissen ja alle, wie so etwas abläuft. Man sagt immer, Herr Minister, die Hoffnung stirbt zuletzt, und deshalb hoffe ich wirklich inständig, dass Sie sich dann mit Ihrer unbestrittenen Expertise das eine oder andere Mal auch gegen diesen Kanzler durchsetzen können, und zwar zum Wohle unseres Arbeitsmarktes, auch wenn es nicht in die PR-Strategie des Kanzlers passt. (Beifall bei der FPÖ.)


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Aber Vorsicht, Herr Minister, denn wenn dem Sonnenkönig Sebastian etwas nicht passt oder etwas entgegen seiner Strategie läuft, wird er ganz schnell sehr trotzig! Wir alle hier herinnen mussten es schon miterleben, als wir in letzter Sekunde Gott sei Dank das völlig verkorkste Freitestenexperiment noch abwenden konnten. Ich glaube, nicht nur mir ist es so ergangen: Mich hat die Reaktion der ÖVP, aber vor allem die Reaktion des Kanzlers an ein kleines Kind erinnert, das plötzlich ganz trotzig wurde, weil man ihm das Spielzeug oder die Schokolade weggenommen hat – das ist ein Vergleich, der schon sehr treffend ist.

Ich erinnere Sie, Herr Arbeitsminister, an unseren Bildungsminister, der ja nun Ihr Kol­lege wird, denn auch dieser war damals als parteifreier Experte angetreten. Nur wenige können sich noch daran erinnern, dass Herr Faßmann eigentlich wirklich ein Experte in Sachen Bildung wäre. Leider sind wir aber an einem Punkt angekommen, an dem sich viele Eltern und auch Lehrer fragen, für was wir derzeit in Österreich überhaupt noch einen Bildungsminister haben. (Bundesrat Schreuder: Wofür!)

Ich weiß, dass der von mir ansonsten geschätzte Herr Minister Faßmann wirklich alles versucht hat, um gegen die Lockdownsucht des Kanzlers in unseren Schulen vorzu­gehen. Sogar eine eigene Studie von Professor Wagner erhob, dass Ansteckungen in den Schulen geringer sind als andernorts, aber bei diesem Kanzler blieb das leider ohne Erfolg, und die Schulen sind weiterhin zu.

Unsere Lehrer und Lehrerinnen leisten immer noch Unglaubliches und auch die Eltern neben ihrem Beruf und in einer angespannten Situation im Allgemeinen. Die Eltern müssen seit Monaten immer wieder auch noch den Heimunterricht irgendwie auf die Reihe bekommen. Ich kann euch sagen, das ist alles andere als lustig. Für eine Familie mit zwei Kindern zum Beispiel, von denen ein Kind in der Volksschule und eines in der Hauptschule ist, ist das eine Challenge, das alles unter einen Hut zu bringen. Ich habe Beispiele mitgebracht (einen Stapel Papier in die Höhe haltend), die zeigen, was das für ein Pensum ist, was die Eltern und Schüler in nur einer Woche an Lernunterlagen abzuarbeiten haben. Es ist unglaublich viel Stoff, der allein in der Hauptschule zu bewältigen ist. Das muss man sich einmal vorstellen: Das sind nahezu über 70 Seiten an Aufgaben, die ein Schüler in der Hauptschule in einer Woche zu bewältigen hat.

Neben Deutsch, Englisch und Mathematik kommt nämlich noch Lernstoff für Geschichte, Physik, Geografie, Zeichnen, Ernährung und Haushalt, Biologie, Religion und vieles mehr dazu, und für die Vermittlung dieses Stoffes sind einzig und allein die Eltern zuständig. – Herr Kanzler, seien Sie mir nicht böse, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sie nur im Ansatz nachempfinden können, was für eine Aufgabe Sie den Eltern da gerade zumuten. (Beifall bei der FPÖ.)

Einmal heißt es: Schulöffnung am 11. Jänner, dann am 18. Jänner und jetzt am 25. Jän­ner, wobei das mit dem 25. Jänner seit dem vorgestrigen „ZIB 2“-Interview von Herrn Sektionschef Netzer auch noch nicht fix ist, weil er ja nicht sagen kann, wie lange der Lockdown noch dauert. Das heißt, unsere Eltern und Schüler sind halt wieder einmal davon abhängig, wie unser Kanzler gelaunt ist, ob der oberste Zeuge Coronas uns noch länger einsperren will oder nicht. Und das ist eine bodenlose Frechheit, Herr Kanzler! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist eine bodenlose Frechheit, was Sie gerade mit unseren Kindern und Familien in Österreich aufführen! All das und vieles mehr wird unseren Familien in Österreich zugemutet, im Bereich Bildung auch deshalb, weil sich leider ein Experte gegenüber einem Studienabbrecher nicht durchsetzen kann. (Zwischenrufe der Bundesräte Raggl und Seeber.)

Sie, Herr Arbeitsminister, haben nun die Entscheidung getroffen, in eine Regierung einzutreten, die unsere Bürgerrechte mit Füßen tritt. Sie, Herr Arbeitsminister, haben die


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Entscheidung getroffen, in eine Regierung einzutreten, die stets versucht, die parlamen­tarischen Grundprinzipien zu hintergehen. Sie treten in eine Regierung ein, der unsere Demokratie, um es vorsichtig zu formulieren, nur peripher ein Anliegen ist. Sie treten in eine Regierung ein, die sich stets von einem Lockdown in den nächsten hantelt. Sie treten in eine Regierung ein, die stets ankündigt und dahinter nichts umsetzt, in eine Regierung, in der nur eine Sicht der Dinge die wahre ist, nämlich die der Zeugen Coro­nas, nicht aber jener, die einen vernünftigen Umgang mit der Coronakrise einfordern. Sie treten in eine Regierung ein, die die Gesellschaft in die Bösen und die Braven spaltet. (Zwischenruf des Bundesrates Seeber. – Vizekanzler Kogler: ... Kickl! Das ist ja unerträglich!)

Ich hoffe, Herr Minister, Sie haben sich den Eintritt in eine derartige Regierung gut überlegt, denn auch Ihre Reputation steht auf dem Spiel – viel Zeit, zu überlegen, hatten Sie ja nicht wirklich. Auch deshalb hoffe ich jetzt auf Ihre demokratische Vernunft. (Zwi­schenruf des Bundesrates Lackner.) Sie haben nun die Chance, Herr Arbeitsminister, die Demokratie in dieser Regierung wieder einzufordern, denn alle anderen Minister haben sich mit der neuen Normalität in Richtung Demokratur schon längst angefreundet.

Sehen Sie, Herr Arbeitsminister, was ich mit all diesen Beispielen aufzeigen will? – Sie stehen vor einer riesengroßen Herausforderung mit einerseits einer Million Arbeitslosen und Bürgern in Kurzarbeit und andererseits einem egozentrischen Kanzler, der alles und jedes seiner PR-Strategie unterordnet, „koste es, was es wolle“. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb komme ich noch einmal auf meinem Anfangsappell zurück: Ich wünsche Ihnen, Herr Minister, viel Glück, vielmehr noch aber Durchsetzungsvermögen, denn das werden Sie dringend brauchen!

Zum Schluss hätte ich noch eine Frage an den Kanzler und seinen Vize, weil sie beide da sind: Wisst ihr beide, was an Grundrechten das Schöne ist? – Keine Antwort, ihr wisst es nicht? (Heiterkeit bei der FPÖ.) Dann gebe ich euch diese noch in einem Satz: Das Schöne an Grundrechten ist, sie gelten auch für jene Menschen, deren Meinung Ihnen und dieser unsäglichen Regierung ganz und gar nicht ins Konzept passt. Und wissen Sie, was? Das ist gut so. (Beifall bei der FPÖ. – Vizekanzler Kogler: Das sagt einer, der nicht einmal zwischen Grundbuch und Grundrechten unterscheiden kann!)

13.24


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.24.52

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zusehe­rinnen und Zuseher! Es ist immer wieder spannend, wenn die FPÖ über Grundrechte spricht, aber bitte. (Bundesrat Steiner: Das ist in unserem Parteiprogramm, seit Grün­dung!)

Geschätzter Herr Arbeitsminister Kocher! Ich war positiv überrascht, als ich erfuhr, dass Sie nun dieses Ressort übernehmen – es ist ja nicht irgendein Ressort, schon gar nicht in Zeiten wie diesen. Es freut mich sehr, dass Sie in dieser schwierigen Situation bereit sind, für unser Land und die Menschen, die hier leben, Verantwortung zu übernehmen, dass Sie bereit sind, eine relativ komfortable und sichere Position zu verlassen, und sich nun ganz aktiv im Brennpunkt des Geschehens einbringen.

Auch im Namen meiner Fraktion möchte ich Ihnen sagen, dass wir es sehr begrüßen, mit Ihnen hier einen ausgewiesenen Experten für dieses wichtige Ministerium zu be­kommen. Wir stecken, ausgelöst durch eine weltweite Pandemie, mitten in einer der größten Wirtschaftskrisen der Geschichte und damit natürlich auch in einer Krise am


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Arbeitsmarkt. Viel wird davon abhängen, wie die Pandemie weiter verläuft beziehungs­weise wann wir sie überwunden haben. Es ist dabei von entscheidender Bedeutung, wie solidarisch und verantwortungsvoll wir alle uns hier verhalten. Ich appelliere an alle Men­schen in unserem Land, die allseits bekannten Regeln einzuhalten. Auch der Grad der Impfbereitschaft wird ein entscheidender Faktor bei der Bekämpfung der Pandemie sein.

In wirtschaftspolitischer Hinsicht gibt es meiner Meinung nach mehrere Phasen. Zu­nächst stand und steht noch immer Rettung und Absicherung im Vordergrund. Genauso wichtig ist es jedoch auch, bereits jetzt zu beginnen, aus der Krise herauszufinden. Das Gebot der Stunde heißt: Investieren. Denn eines sollten wir aus der Finanzkrise 2008 und den Folgejahren gelernt haben: Sparen in der Krise, Sparen als Weg aus der Krise, das ist der falsche Weg. (Beifall bei Grünen und SPÖ.) Damit wurde damals auch ein hoher Grad an Sockelarbeitslosigkeit generiert, dessen Auswirkungen uns heute noch beschäftigen. Wir müssen vielmehr Geld in die Hand nehmen, und zwar viel Geld, und uns aus der Krise herausinvestieren.

Die Bundesregierung hat bereits umfassende Investitionsprogramme, durchaus auch ge­paart mit einer Bildungsoffensive, in den Zukunftsbereichen Digitalisierung, Ökolo­gisie­rung, Energiewende sowie im Pflege- und Gesundheitsbereich auf den Weg ge­bracht.

Die Lage am Arbeitsmarkt ist dramatisch. Derzeit sind mehr als eine halbe Million Menschen in Österreich ohne Job, etwa ein Drittel davon ist in Langzeitarbeitslosigkeit. Langzeitarbeitslosigkeit stellt ein besonderes Problem dar: Zum einen ist die Armuts­gefährdung evident, zum anderen wird es immer schwieriger, wieder an den Arbeits­markt anzuknüpfen, je länger jemand arbeitslos ist. In diesem Bereich werden wir einen langen Atem brauchen, um zu verhindern, dass sich ein hoher Grad an Sockel­arbeits­losigkeit verfestigt. Es ist auch notwendig, zusätzlich zu den Investitions- und Qualifizie­rungsprogrammen Beschäftigungsprogramme zu entwickeln – Beschäftigungsprogram­me für Privatunternehmen, für die Gemeinden und die kommunalen Dienste und für gemeinnützige Organisationen.

Aus den Medien entnehme ich, dass Sie solchen Programmen durchaus offen gegen­überstehen. Das stimmt mich zuversichtlich, und ich würde vorschlagen: Gehen wir das möglichst rasch an!

Ein Wort noch zur Sozialpartnerschaft: Gerade in dieser Krise wurde deutlich, wie wert­voll und durchaus auch umsetzungsstark diese Institution ist. Es freut mich daher sehr, dass Sie, Herr Minister, die Bedeutung der Sozialpartner bereits des Öfteren unter­strichen haben und dass Sie auch vorhaben, mit den Sozialpartnern eng zusam­men­zuarbeiten.

Herr Minister Kocher, nochmals danke, dass Sie in dieser schwierigen Situation in die Bresche springen. Ich wünsche Ihnen alles Gute in Ihrem neuen Arbeitsfeld, und ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.29


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


13.30.02

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir NEOS freuen uns über den durch Ihren Antritt erfolgten Kurs­wechsel in der Bundesregierung. Wir schätzen Ihre weit über den Arbeitsmarkt hinaus­reichende Expertise. Wir freuen uns insbesondere darüber, dass wieder eine liberale


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Grundhaltung mit Expertise und Substanz in der Bundesregierung vertreten ist, und gratulieren auch Ihnen, Herr Bundeskanzler, zu dieser mutigen Entscheidung.

Wir NEOS bedauern allerdings die vergebene Chance, dass die Vakanz im Arbeits­ressort nicht für einen größeren Wurf genutzt wurde, um auch die Gesundheits- und Sozialressorts neu zu organisieren. Es wäre wichtig, dass die Sozial- und Arbeits­agenden wieder zusammengeführt werden und sich das Gesundheitsministerium stärker auf die Pandemiebekämpfung konzentrieren kann.

Ich möchte jetzt, Herr Arbeitsminister, auf einige in Ihrer überparteilichen Stellung ge­äußerten Positionen eingehen und diese positiv hervorheben. Sie haben sich für einen schlanken Staat, für einen athletischen Staat mit weniger Staatsausgaben ausge­sprochen. Sie haben sich vor der Nationalratswahl 2019 gegen die Wahlzuckerln im Pensions­system geäußert. Sie haben die Abschaffung der sogenannten Hacklerregelung be­grüßt, also der vorzeitigen abschlagsfreien Pension. Sie haben öfters eine Strukturreform im Pensionssystem gefordert, insbesondere ein Anheben des Referenzpensionsalters, an­gepasst an die steigende Lebenserwartung. Sie haben sich für ein degressives Arbeits­losengeld ausgesprochen. Sie haben sich für eine Liberalisierung der Ladenöffnungs­zeiten ausgesprochen und auch die Sonntagsöffnung davon nicht ausgeklammert. Sie haben sich für eine Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent ausgesprochen. Sie haben sich für eine Senkung der Körperschaftsteuern ausgesprochen. Sie haben sich für den leichteren Zugang von Asylwerbern zum Arbeitsmarkt ausgesprochen.

Wenn man jetzt all diese aufgezählten Positionierungen, die Sie als IHS-Chef geäußert haben, mit den Parteiprogrammen vergleicht, kommt die größte Überschneidung eigent­lich nicht mit der ÖVP, sondern mit den NEOS heraus. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Des­wegen, sehr geehrter Herr Bundesminister, bieten wir NEOS Ihnen gerne unsere Zusammenarbeit an und wünschen Ihnen alles Gute für diese herausfordernde neue Aufgabe. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.32


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für sein Kommen. Wir freuen uns sehr über die Anwesenheit des Herrn Bundesministers Dr. Martin Kocher. Er hat sich auch gleich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.33.05

Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bun­desräte! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Es ist noch unge­wohnt für mich. Die Frage – ich habe es schon gesagt –, ob ich als Arbeitsminister von Österreich tätig werden möchte, kam sehr überraschend und kurzfristig. Ich bedanke mich für das Vertrauen bei allen, die es ausgesprochen haben. Mir ist auch klar, dass ich das Vertrauen erst rechtfertigen muss. Es wird eine wichtige Aufgabe. Ich habe aber dieses Angebot sehr gerne angenommen, weil ich glaube, dass die Zeit da ist, Verantwortung in einem Bereich zu übernehmen, der auch nach der akuten Krise noch ein schwieriger sein wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich möchte mich ganz ausdrücklich auch bei meiner Vorgängerin bedanken. Es wurde schon angesprochen: Sie hat das Ministerium für Arbeit, Familie und Jugend in einer Phase übernommen, als noch niemand die Pandemie vorausgesehen hat, und sie hat es geschafft, einerseits die Folgen der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt abzufedern – dazu werde ich gleich noch mehr sagen –, und sie hat mir gleichzeitig ein sehr gut


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bestelltes Haus hinterlassen, sodass ich sofort mit der Arbeit losstarten kann. – Vielen Dank an Frau Christine Aschbacher. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weiß, dass die Krise noch nicht überstanden ist. Wir haben aktuell 530 000 Ar­beits­lose und etwa 413 000 Personen in Kurzarbeit. Mir ist auch klar, welche persönlichen Schicksale da dahinterstehen. Es ist völlig klar, dass wir es möglichst rasch schaffen müssen, diese Arbeitslosigkeit zu reduzieren und die Menschen aus der Kurzarbeit wieder in die Beschäftigung, in die normale Beschäftigung zu bringen. Die Voraus­set­zung dafür, und das zeigt sich nicht nur Österreich – wir sind einer globalen Pandemie ausgesetzt –, ist, dass wir das Infektionsgeschehen in den Griff bekommen. Nur wenn die Infektionszahlen zurückgehen, sind weitere Öffnungsschritte möglich, und weitere Öffnungsschritte bedeuten auch weitere Verbesserungen am Arbeitsmarkt.

Wir müssen trotzdem in Schritten vorgehen. Im Moment, das wurde schon ange­sprochen, geht es um die akute Bekämpfung einer Sondersituation, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg am Arbeitsmarkt nicht mehr erlebt haben. Als nächster Schritt ist dann wichtig, wieder möglichst rasch Beschäftigung zu schaffen, Arbeit zu schaffen, die Rah­menbedingungen am Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass möglichst rasch viele Men­schen, die jetzt arbeitslos sind, wieder Arbeit finden und dass möglichst rasch das Wachstum wieder gestärkt wird. Umso wichtiger ist es, diese Pandemie so rasch wie möglich hinter uns zu bringen, die Chance zu nutzen, sich impfen zu lassen. Langfristig ist die Schutzimpfung bei Weitem die beste Möglichkeit, die Ausbreitung der Pandemie in den Griff zu bekommen und zum normalen Leben zurückzukehren.

Was den Arbeitsmarkt und den Standort betrifft, geht es jetzt darum, die Folgen der Arbeitslosigkeit, wie gesagt, abzufedern und die Auswirkungen der Pandemie so gering wie möglich zu halten.

Wir tun das aktuell mit der Kurzarbeit. Die Kurzarbeit, speziell für diese Krise gestaltet, hat es ermöglicht, über eine Million Jobs zu erhalten und diese Unterauslastung in der Wirtschaft zu überbrücken. Die Kurzarbeit ist aus meiner Sicht nach wie vor sehr rele­vant; solange es Einschränkungen gibt, solange es Lockdowns gibt, muss es Kurz­arbeitsregelungen geben. Wie wir die Kurzarbeit nach Auslaufen der Phase drei im März weitergestalten und fortführen, ist natürlich abhängig von den Infektionszahlen und von den weiteren Öffnungsschritten, die möglich sind. Jedenfalls müssen wir aus meiner Sicht über die Zukunft der Kurzarbeit diskutieren.

Neben der Kurzarbeit stehen weitere Maßnahmen bereit, die meine Vorgängerin schon auf den Weg gebracht hat, um auf die aktuelle Situation zu reagieren.

Erstens die Joboffensive – das wurde auch schon angesprochen –: Wir haben dieses Jahr 428 Millionen Euro vorgesehen, um Menschen für Branchen, für Tätigkeiten zu qualifizieren, die auch nach der Krise besonders nachgefragt werden. Da geht es vor allem um Pflege, um den Bereich Klima und Natur und um den Bereich Digitalisierung, aber auch um weitere Bereiche. Qualifikation wird der Schlüssel für ein Comeback auf dem Arbeitsmarkt sein.

Zweitens geht es mir auch sehr um die Zukunft des Arbeitens. Da hat die Ausgestaltung von Homeoffice hohe Priorität. Wir werden auch nach der Krise noch viel Nachfrage nach Homeofficeregelungen haben, und es geht darum, möglichst rasch eine klare Regelung zu finden, um Homeoffice zu ermöglichen.

Drittens: Seit dem Sommer forciert die Taskforce für Jugendbeschäftigung gezielt Aus­bildung, Beschäftigung und Vermittlung junger Menschen. Außerdem gelingt es auch dem AMS selbst während der Krise, Jugendliche laufend zu vermitteln. Im letzten Jahr waren es 83 000 Personen zwischen 20 und 24 Jahren, die über Vermittlung des AMS einen neuen Job gefunden haben.


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Viertens: der Neustartbonus, der Beschäftigungsanreize für arbeitslose Menschen setzt, damit sie aus der Arbeitslosigkeit und wieder in Beschäftigung kommen, nämlich in eine vollversicherte Beschäftigung.

In der aktuellen Krisenzeit wird es grundsätzlich wachstumsbeeinflussend wirken, welche spezifischen Angebote wir für die verschiedenen Zielgruppen schaffen. Auch da gibt es Angebote, die wir natürlich laufend an die aktuellen Gegebenheiten anpassen. Insge­samt geht es mir darum, in den nächsten Wochen und hoffentlich nur noch wenigen Monaten die Krise abzufedern. Danach geht es darum, in Österreich Rahmenbedin­gungen am Arbeitsmarkt und für die Wirtschaft zu schaffen, die möglichst bald einen Beschäftigungsaufbau, einen starken Rückgang der Arbeitslosigkeit ermöglichen, und dann geht es darum, die Zukunft zu gestalten: die Zukunft der Arbeit, neue Arbeitswelten und die neuen Technologien, die uns sehr bald auch mehr beschäftigen werden.

All diese Maßnahmen bringen uns dem Ziel näher, Vollbeschäftigung zu schaffen. Das Schöne an diesem Ressort ist, dass alle Parteien, ja, alle Menschen in Österreich, das gleiche Ziel verfolgen.

Es geht darum, Vollbeschäftigung zu schaffen. Das wird nicht in ein, zwei Jahren möglich sein, aber es ist das Ziel aller. Über die Maßnahmen und über die Interventionen, um das zu erreichen, können wir kontrovers und auch viel diskutieren, und darauf freue ich mich persönlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Je besser es uns gelingt, die Maßnahmen jetzt umzusetzen und aus der Krise zu kommen, desto schneller können wir wieder auf einen Wachstumspfad kommen und den österreichischen Arbeitsmarkt wieder auf ein Niveau zurückführen, das vor der Krise bestanden hat.

Ich freue mich, mit Ihnen allen, liebe, sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in der Regierung für Österreich, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Unternehmen in diesem Land arbeiten zu dürfen, und ich mache mich sofort an die Arbeit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.40


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke, Herr Bundesminister. Wir freuen uns auch auf die Arbeit, um mit Ihnen gemeinsam in den nächsten Monaten das Comeback der österreichischen Wirtschaft zu gestalten und damit Arbeitsplätze zu schaffen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Harald Himmer. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.41.13

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja tatsächlich so, dass das Thema Arbeit ein fundamentales Thema der Politik ist. Wir wissen alle, dass Arbeit für die Menschen wichtig ist, damit sie ihr Leben in Selbstbestimmung bewältigen können. Sie ist wichtig für die Wertschätzung, sie ist wichtig dafür, dass man sich um sich selbst und um seine Familie kümmern kann. Daher ist ja letztendlich auch das Recht auf Arbeit eine der fundamentalen Säulen unserer Gesellschaft.

Gleichzeitig haben wir jetzt erleben müssen, dass im Zusammenhang mit der Corona­krise auch dieses Recht tatsächlich eingeschränkt werden musste, weil es eben in den Zielkonflikt mit einem noch wesentlicheren Recht oder mit einer noch wichtigeren The­matik geraten ist, nämlich mit der Gesundheit und mit der Frage des nackten Über­lebens. Darum geht es! Es geht darum, Menschenleben zu retten. Das ist eigentlich der


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einzige Grund, warum es im Rahmen dieser Krise tatsächlich dann auch zu Einschrän­kungen dieses so fundamentalen Rechts gekommen ist.

Ich glaube, wenn wir hier die Debatte mit einem neuen Arbeitsminister führen, ist klar, dass es wichtig ist, den Blick nach vorne zu richten und zu sehen, wie wir aus dieser Krise herauskommen werden. Tatsächlich ist es natürlich, wenn es um Wirtschaftspolitik geht, so, dass es dann in der Koalition mitunter für eine Partei wie der Volkspartei, die eine Mitterechtspartei ist (Heiterkeit bei der FPÖ – Bundesrat Steiner: Da muss er selber lachen!), nervig ist, mit den Grünen auf eine gemeinsame Linie zu kommen – und umgekehrt. Gleichzeitig bilden wir aber auch Standpunkte ab, die ja nicht nur bei unseren Parteien, sondern auch in der Bevölkerung vertreten sind, und kümmern uns damit um eine Thematik, die sehr, sehr wesentlich ist. Es ist wert, sich hier – von unterschiedlichen Ideologien und unterschiedlichen Standpunkten kommend – zu einer sehr guten Politik zusammenzufinden.

Wenn es mitunter auch amüsiert, dass es unterschiedliche Zugänge von zwei Regie­rungsparteien gibt, die hier bemüht sind, gemeinsam für das Land durch die Krise zu kommen, so darf ich schon auch daran erinnern, dass es ja angeblich auch schon innerhalb von Parteien unterschiedliche Meinungen geben kann und soll. Wenn ich dabei in Richtung Sozialdemokratie blicke: Als die Parteivorsitzende zum Thema Arbeit die Viertagewoche empfohlen hat (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), war sehr rasch der burgenländische Landeshauptmann zu Wort und hat erklärt, für welchen Blöd­sinn er diese Idee hält. Auch Altvizekanzler Androsch und, ich glaube, auch Bürgermeis­ter Ludwig haben gleich ihre begrenzte Begeisterung für diese Idee zum Ausdruck gebracht. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Während ich es ja noch logisch nachvollziehen kann, wenn man in Wirtschaftsfragen eine unterschiedliche Meinung zur Parteivorsitzenden hat, ist es bemerkenswert, dass sie eigentlich auch in dem Kerngebiet als Ärztin, als Virologin, als die sie sich jetzt um eine staatstragende verantwortungsvolle Rolle der Sozialdemokratie bemüht, nicht die geschlossene Gefolgschaft der Sozialdemokratie hat. Daher sage ich: So ist halt das Leben. Ich möchte aber schon erwähnen, dass das Leben so ist, wenn man gerade immer wieder herausarbeitet, dass es amüsant ist, dass eine Mitterechtspartei mit einer Linkspartei mitunter Diskussionsbedarf über Maßnahmen hat. (Zwischenruf des Bundes­rates Schachner. – Bundesrat Steiner: Ihr seid nicht mitterechts!)

Was die Freiheitlichen anlangt, ist es tatsächlich ein interessanter Zeitpunkt, zu be­trachten, wie es jetzt eigentlich weitergeht und wie sie sich selbst definieren. Sie haben ja eine sehr wesentliche Führungspersönlichkeit in Ihren Reihen, die heißt Herbert Kickl. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Bravo!) – Na toll, da gibt es Zwi­schenapplaus, das ist ganz hervorragend. Ich persönlich bin ja auch schon länger in der Politik, verfolge Politik schon länger und habe auch Herbert Kickl schon länger verfolgt. Deswegen weiß ich auch, dass Herbert Kickl schon viele Jahre in der Freiheitlichen Partei ist und immer mit herausgearbeitet hat, was es für Probleme gibt, was alles in diesem Land falsch läuft und was alles an tiefschürfenden Problemen vorhanden ist. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist ja gut so!)

In den ersten Jahren, in denen er tätig war, hatte er für diese vielen Probleme eine Ant­wort, und diese Antwort hat Jörg Haider geheißen. Es hat viele, viele Probleme gegeben, die Antwort hat geheißen: Jörg Haider. Nach zehn Jahren ist man draufgekommen, Jörg Haider ist nicht die Antwort, Jörg Haider ist das Problem, und man hat wieder neue Probleme gefunden. Und da gab es wieder eine Antwort auf die Probleme und wie sie gelöst werden können. Sie wurde wieder in einer Person manifest, und die Antwort hieß H.-C. Strache. (Bundesrätin Schumann: Was ist das für eine Rede? Was für ein Inhalt?) Es gibt Probleme, und die Antwort auf diese Probleme hat geheißen: H.-C. Strache. (Bundesrat Steiner: Das heißt aber, dass die ÖVP dauernd Probleme produziert hat!)


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Das heißt, Herr Kickl hat sich also ungefähr 20 Jahre lang um zwei Parteiobleute ge­kümmert, die er als die große Antwort auf die Herausforderungen der Republik prä­sen­tiert hat, und in der Zwischenzeit sind beide sehr pfui. Der Erste ist jetzt nicht mehr so pfui, weil da andere Dinge passiert sind, aber H.-C. Strache ist ja bei der Freiheitlichen Partei nicht mehr so populär. Daher glaube ich nicht, dass sich der neue Bundesminister Kocher besonders kränken muss, wenn Herr Kickl, der bei seinen eigenen Leuten ungefähr zehn Jahre braucht, um draufzukommen, dass einer nicht hui, sondern eher pfui ist, sich aus diesem Speed heraus bemüht, einem neuen Minister gleich einmal a priori die Qualifi­kation abzusprechen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Es könnte ja sein, dass er sonst ein paar Jahre verschläft, bis er draufkommt, dass er hier Kritik üben müsste.

Vor diesem Hintergrund ist es sicher so, dass wir sehr froh sein können, dass wir einen Experten in dieser Regierung haben, dass wir jemanden haben, der ein ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler ist. (Bundesrätin Schumann: Das ist jetzt ein Experte in der Regierung ...! – Bundesrat Steiner: Ihr habt jetzt schon zwei Experten! Habt ihr Faßmann für die Bildung schon abmontiert?)

Ich finde Zwischenrufe ja durchaus lebendig, was mich aber wundert, ist, dass die Vor­sitzende der Sozialdemokratie eine Parallelrede hält, während ich hier spreche. Das halte ich für ein bisschen übertrieben. Aber viel Spaß dabei! (Zwischenruf der Bundes­rätin Schumann.)

Also, ein Experte ist sehr wichtig in einem Themengebiet, in dem es stark darum geht, über fachliche Lösungen, über tatsächliche Probleme, über Herausforderungen, die wir in Zukunft haben werden, zu sprechen und den Fortschritt der Wissenschaft nicht nur im Gesundheitsbereich, sondern eben auch im Bereich der neuen Technologien zu nützen. Es geht um neue Chancen, die sie ermöglichen, darum, Umwelttechnologien zur Schaf­fung neuer Arbeitsplätze zu nutzen. Wir verstärken auf dem Gebiet die Kompetenzen dieser Bundesregierung noch zusätzlich. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit Bun­desminister Kocher einen weiteren Faktor haben, der uns dabei helfen wird, in diesem Jahr gemeinsam aus dieser Krise zu kommen und die Rahmenbedingungen für eine prosperierende Wirtschaft zu schaffen, was auch im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes sein wird. (Beifall bei der ÖVP.)

13.51


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Kollegin Korinna Schumann zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.51.51

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich darf folgende tatsächliche Berich­tigung machen: Bundesrat Himmer hat in seiner sehr blumigen und kritikreichen Rede behauptet, ich wäre die Vorsitzende der SPÖ. Das bin ich nicht; ich bin die Fraktions­vorsitzende im Bundesrat. So ist es halt, wenn man Einzelpersonen gar so sehr blumig und vielschichtig bearbeitet. Da kommt dann halt manchmal ein kleiner Fehler heraus. Der möge bitte hiermit berichtigt sein. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Man möge mir verzeihen! – Vizekanzler Kogler: Ruf­schä­digend ist das nicht, oder? – Bundesrat Spanring: Na ja, das weiß man nicht so genau!)

13.52


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichtigung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.52.35

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Minister, sehr geehrte Herren Minister! Liebe


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Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernseh­bild­schirmen! Kollege Himmer, selten lasse ich mich dazu hinreißen, andere zu kommen­tieren, aber die Bewerbungsrede für den nächsten Ministerposten hätten Sie sich sparen können, wirklich. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Zurück zur Sache: Herr Arbeitsminister, herzlich willkommen! Sie sind Marathonläufer, und diese Kondition, die werden Sie brauchen, denn Sie starten mit einem Sprint, und die Kräfte muss man sich ja bekanntlich einteilen. Wir haben heute schon viele Zahlen gehört: eine Million Menschen in Kurzarbeit oder arbeitslos. Man muss sich aber auch vorstellen: Hinter jeder einzelnen Zahl steht ein einzelnes Schicksal, es steht ein Mensch dahinter, es steht wahrscheinlich eine ganze Familie dahinter.

Nehmen wir zum Beispiel einmal eine Familie aus meiner Nachbarschaft: eine junge Familie, neu in die Wohnung neben uns eingezogen. Sie haben am Anfang des ersten Lockdowns ein Kind bekommen. Er kommt aus der Gastronomie und ist einhergehend mit diesem Lockdown natürlich in die Kurzarbeit geschickt worden. Er weiß bis heute nicht, ob sein Betrieb überhaupt noch aufsperren wird. Ihm fehlt Planungssicherheit, er hat gar nichts.

Wissen wir hier herinnen wirklich, wie es ist, wenn man nichts weiß, nicht weiß, wie es weitergeht, keine Planungssicherheit hat, mit weniger Einkommen auskommen muss? Diese Familie ist nicht so privilegiert wie wir mit unseren Politikergehältern, vielleicht sogar zwei, drei Politikergehältern, wenn man vielleicht noch etwas daneben macht, zum Beispiel Bürgermeister ist. Wir wissen das also nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass diese Familie bei Gott leider kein Einzelfall in Öster­reich ist. Wir können uns gar nicht vorstellen, mit welcher Frustration, mit welchem Druck diese Familien jeden Morgen aufwachen, denn die Kosten laufen weiter. Die haben Existenzängste, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Kreditrate, die Miete, die Autoreparatur, da flattern die Rechnungen nur so ins Postkastl, und da ist die Frustration verständlicherweise wirklich groß.

Ich möchte noch weitergehen zu den lieben Studierenden: Die wissen auch nicht, wie sie ihren Nebenjob ersetzen sollen, das Einkommen, mit dem sie sich ihr Studium finanzieren. Die sind meistens in der Gastronomie beschäftigt, wie wir alle wissen, und die Gastronomie ist runtergefahren. Das heißt, wir müssen auch diesen Studentinnen und Studenten unter die Arme greifen, denn nicht alle Studentinnen und Studenten haben gut verdienende Eltern, die ihnen Unterstützung anbieten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen diesen jungen Familien, den Studentinnen und Studenten, und diesen jungen Leuten, die motiviert sind, etwas zu tun, die das Zeug haben, etwas weiter­zubringen, wirklich Perspektiven geben. Wir müssen ihnen Sicherheit geben.

Gehen wir es konstruktiv an! Wir müssen Klarheit schaffen, was die Schulöffnung angeht, kein Hin und Her. Wir haben heute schon ein Beispiel gehört. Wie machen wir es: mit dieser berühmten A- und B-Lösung, die einen Schüler am Montag, die anderen am Dienstag? Dann haben wir aber nebenbei Homeoffice. Da steigt der Druck, wie das Herr Steiner heute schon ausgeführt hat. Ein Videomeeting parallel mit Homeschooling, dann liegen die Nerven bei den Menschen verständlicherweise auch blank. Das kann ich wirklich nachvollziehen.

Kollegen Lackner muss ich recht geben: Wir müssen uns aus dieser Krise heraus­inves­tieren. Wir dürfen uns nicht aus dieser Krise heraussparen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir müssen Geld in die Hand nehmen. Wir brauchen zum Beispiel Geld für Arbeitsplätze, für Lehrstellen in den Gemeinden durch Unterstützung des Bundes, liebe Bundesregierung. Als Verhaltensökonom, sehr geehrter Herr Arbeitsminister, verstehen


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Sie sicher auch den Ansatz, den ich hier als Regionalsprecher für die vielen schönen Gemeinden in unserem Bundesland und in ganz Österreich einbringen möchte. Die Gemeinden sind ja auch Wirtschaftsmotor und damit sind sie auch Arbeitsplatzgaranten.

Ich bin schon einmal dazu hier am Rednerpult gestanden. Was machen die Gemeinden mit dem Geld, das sie bekommen? – Sie legen es nicht unter den Kopfpolster, nein, sie investieren es, sie bauen Feuerwehrhäuser, Musikerheime, Kindergärten und so weiter. Damit sichern wir die Arbeitsplätze unserer fleißigen Leistungsträgerinnen und Leis­tungsträger in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese regionalen Arbeitsplätze liegen mir einfach am Herzen, denn das sind dann die Leute, die zum Bäcker gehen, die ins Schuhgeschäft gehen, die ins Kleidungsgeschäft im Ort gehen und die sich auch das Wohnen zu Hause leisten können müssen; nicht wegziehen, keine Landflucht, wenn wir da einmal die ländlichen Regionen betrachten.

Noch einmal zurück zu den Gemeinden: Ich war neulich mit einem ÖVP-Bürgermeister in Kontakt und dieser hat mir eigentlich etwas ganz Nettes mitgegeben. Er hat gesagt: David, bitte setz dich dafür ein, dass wir wirklich eine finanzielle Unterstützung bekom­men. Wortwörtlich hat er gesagt: Wir brauchen frisches Geld ohne Mascherl, denn wenn ich einen Kredit will, dann kann ich auch ins Gebäude gegenüber gehen und mir einen Kredit bei der Bank holen.

Gestern habe ich einen erschreckenden Anruf von einer Angestellten aus einem großen Produktionsbetrieb bekommen – das betrifft dann auch wieder Sie, Herr Arbeitsminister. Sie hat mir gesagt, dass mittlerweile Listen herumgehen. Es ist gut so, dass Impflisten herumgehen, und das ist wichtig. Wir haben immer betont, auch unsere Parteispitze hat immer betont: Impfen, impfen, impfen! Impfen ist wichtig, dahinter stehe ich zu 100 Pro­zent. Dann ist mir aber noch etwas gesagt worden, sie hat ihre Bedenken geäußert und hat gesagt: David, ich habe da ein bisschen einen Druck und ich verspüre da einen Druck, vielleicht auch vonseiten meines Arbeitgebers, von wem auch immer. Wenn ich mich jetzt zum Beispiel gegen das Impfen entscheide, bin ich dann schlechter gestellt, habe ich dann schlechtere Jobchancen oder muss ich dann vielleicht sogar um meinen Job oder Arbeitsplatz Angst haben?

Eines muss ich ganz ehrlich sagen: Wir sagen Nein zu irgendwelchen Privilegien oder irgendeinem Zwang und Nein zu solchen Ungerechtigkeiten. Als Sozialdemokratie wer­den wir da genau hinschauen, dass solche Ungerechtigkeiten gegen unsere fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land in unseren Betrieben nicht passieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen auch der Appell an Sie, lieber Herr Minister: Bitte nehmen Sie sich das zu Herzen, schauen Sie auf die fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land! Wer trägt denn zusammen mit den Klein- und Mittelbetrieben den großen Teil der Steuerlast – 80 Prozent! –? Heute ist schon davon gesprochen worden, dass nach der Gesundheitskrise die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise kommt, in der wir in Wahrheit schon mittendrin stecken. Da müssen wir uns die Frage stellen: Wer soll diese Krise bezahlen? Wer bekommt die Rechnung präsentiert? Wer bekommt den Rucksack mit diesen Steinen umgehängt?

Sind es die Pflegerinnen und Pfleger, die als Heldinnen und Helden gefeiert worden sind? Sind es die Pensionistinnen und Pensionisten? Sind es die Lehrerinnen und Leh­rer? Sind es die Büroangestellten in Salzburg? Sind es die Bauhackler aus Tirol oder ist es vielleicht der Maschinenkonstrukteur aus Wien? Oder – und das geht auch an die Adresse der Grünen – setzt sich die Regierung mit einer ehrlichen Digitalsteuer für die Internetriesen Amazon und Co durch, für diese Milliardenkonzerne, die bei uns oft keinen


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Euro Steuern zahlen im Gegensatz zu jeder Kellnerin und jedem Kellner in diesem Land? (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Lieber Herr Vizekanzler, Hand aufs Herz: Sie haben von Steuern auf Vermögen ge­sprochen. Wir werden Sie an den Taten messen. Wir hoffen, dass Sie auch Ihren Regie­rungspartner davon überzeugen werden. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Wir als SPÖ werden genau hinschauen, wem Sie diesen Rucksack beziehungsweise die Rechnung für diese Krise umhängen werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass nicht die fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land diese Rech­nung umgehängt bekommen, denn das darf nicht sein!

Was wir brauchen: Es ist an der Zeit für eine ehrliche und solidarische Finanzierung aus dieser Krise, liebe Bundesregierung.

Schließen möchte ich mit einem Zitat von Helmut Schmidt: „In der Krise beweist sich der Charakter.“

Herr Minister, ich wünsche Ihnen für Ihr Amt ganz, ganz viel Kraft. Bitte machen Sie es nicht – wie es Teile der Regierung jetzt schon machen – nach der Trial-and-Error-Methode! Tragen Sie Ihr Herz am richtigen Fleck für die fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land! Seien Sie mutig! Seien Sie nicht nur ein kleines Mosaiksteinchen in der türkisen Marketingmaschinerie, sondern trauen Sie sich als Ar­beitsminister mit Herzblut für Gerechtigkeit und für die ganz normalen Leute in diesem Land zu kämpfen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.01


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.02.08

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hummer von der ÖVP! (Rufe: Himmer!) – Himmer, Entschuldigung! Ihr kabarettistischer Beitrag vorhin war wirklich sehr erheiternd. Auch wir haben darüber gelacht. Bei Ihnen merkt man, welche Auswirkungen es hat, wenn die schwarz-grüne Bundesregierung die Theater und sons­tigen öffentlichen Veranstaltungsorte sperrt. Bei Ihnen hat das schon die Auswirkung, dass Sie hier im Plenum am Rednerpult Kabarett spielen. Aber es freut mich, dass Sie immerhin den freiheitlichen Klubobmann Herbert Kickl lobend erwähnt haben und seine Werte schätzen. Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Wir haben über 500 000 Arbeitslose, über 400 000 Menschen in Kurzarbeit – erschrecken­de Zahlen. Verantwortlich dafür ist nicht nur Corona allein, sondern auch die hilflose Politik – die Murkspolitik, sage ich immer – dieser schwarz-grünen Bundesregierung. Mit Minister Kocher bekommt Österreich nun zwar einen Arbeitsminister, welcher ein anerkannter Experte in der Wissenschaft ist, in diesem Bereich einen internationalen Ruf hat – er wird in den Medien sogar schon als Krisenmanager für die Regierung bezeichnet –, jedoch ist das alles viel zu kopflastig gesteuert. Wir Salzburger würden sagen: blitz­gscheit, aber knallhart und empathielos. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Es ist wenig Herz dabei. Das mag zwar in der Wissenschaft durchaus gewünscht und erforderlich sein, ist aber bei einem Arbeitsminister dennoch fehl am Platz.

Von einem Arbeitsminister erwartet man sich nicht nur, dass er mit Zahlen und Sta­tistiken arbeitet, analysiert und bewertet, sondern dass er auch mit Herzblut und Empa­thie für die Menschen in diesem Land arbeitet. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 29

Es ist auch zu wenig, wenn Sie so wie Ihre Vorgängerin von einer regionalen Ge­schäfts­stelle zur anderen fahren und Fotos für die Presse machen. Einfühlungsvermögen ist gefragt, und genau das traue ich Ihnen noch nicht zu. Skeptisch machen uns Frei­heitliche auf jeden Fall Ihre medialen Äußerungen, und das schon seit längerer Zeit. Allein das, was ich in den letzten ein bis zwei Jahren von Ihnen lesen oder hören durfte, lässt mich daran zweifeln, ob Sie wirklich die richtige herzvolle Besetzung für diese Position sind.

Ich denke daran, dass Sie die Pensionskürzungen nicht kritisieren. Sie möchten das Pensionsantrittsalter hinaufschrauben. Sie haben zwar vorhin die Kurzarbeit etwas positiver dargestellt, haben aber dennoch gewarnt, dass es zu hohe Anreize für die Konsumation der Kurzarbeit gibt. Sie plädieren, ob offen oder weniger offen, für die Sonntagsarbeit – das ist ein No-Go! Da werden wir Freiheitlichen nie dabei sein. Lassen Sie den Familien ihren Sonntag! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie lehnen die Erhöhung des Arbeitslosengeldes für coronageschädigte Menschen auf 70 Prozent ab, Sie lehnen eine Aufstockung der AMS-Mittel ab und Sie lehnen die Hacklerregelung ab. Sie gehören aber genau jener schwarz-grünen Bundesregierung an, welche zwar die Hacklerregelung abgeschafft hat, sich aber im selben Aufwasch 210 Millionen Euro für PR, Werbung und Marketing gegönnt hat. Dabei hätte die Hacklerregelung nur 30 Millionen bis 40 Millionen Euro gekostet.

Auch der Frühstarterbonus ist ja eigentlich eine Augenauswischerei, denn die Menschen bekommen bis zu 60 Euro, aber 300 Euro nehmen wir ihnen. Das ist ein Minusgeschäft!

Den Vogel abgeschossen hat aber gestern Vizekanzler Kogler – er ist schon ein bisschen müde, kommt mir vor. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Die Grünen waren mitver­antwortlich dafür, dass die Hacklerregelung abgeschafft wurde, und Vizekanzler Kogler stand gestern im Nationalrat – ich habe geglaubt, ich höre nicht richtig – und beendete seine Rede allen Ernstes mit folgendem Satz:

„Wir haben auch wieder Chancen, schon in diesem Jahr. Die nächsten Jahre werden mit Sicherheit Comebackjahre für die österreichische Wirtschaft und für die Arbeitsplätze. In diesem Sinn: Ärmel aufkrempeln, weitertun [...] und etwas hackeln!“

Ich wiederhole: „Ärmel aufkrempeln, weitertun [...] und etwas hackeln!“ – Geht’s noch, Herr Vizekanzler? Das ist Zynismus! Dieser Satz, den Sie gestern im Plenum hier an dieser Stelle gesagt haben, ist Zynismus pur und ein Schlag ins Gesicht für jeden Men­schen, der 45 Jahre in diesem Land hart gearbeitet hat, 45 Jahre Steuern gezahlt hat, 45 Jahre Abgaben gezahlt hat. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Und nach diesen 45 Jah­ren werden diese Menschen jetzt behandelt, als wären sie Bittsteller. – Nein, im Gegen­teil! Diese Menschen haben sich als Nettozahler ihre Pension selbst verdient, selbst erarbeitet und haben es sich verdient, nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension zu gehen! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Es ist das typische Sittenbild. Diese schwarz-grüne Bundesregierung agiert derart abge­hoben und arrogant, dass es auf keine Kuhhaut mehr passt. Alle konstruktiven Vor­schläge der Freiheitlichen oder der anderen Oppositionsparteien wurden vom Tisch gefegt und abgeschmettert. Ich nehme Sie beim Wort, Herr Minister Kocher, vor 5 bis 10 Minuten haben Sie gesagt, dass Sie ernst nehmen möchten, was die Opposition einfließen lässt.

Aber genau diese Vorschläge, die zur Linderung dieser hohen Arbeitslosigkeit, dieser Wirtschaftskrise etwas beigetragen hätten, die etwas dazu beigetragen hätten, die Situation zu verbessern, werden von Schwarz-Grün abgeschmettert. Dafür tingelt ihr von einer Pressekonferenz zur anderen und es ist reine Showpolitik.


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Herr Minister Kocher, bitte lassen Sie sich nicht von diesen Starallüren von Kanzler Kurz und Co anstecken! Erste Ansätze haben wir schon vor ein paar Tagen gesehen, bevor Sie in die Plenarsitzungen von Nationalrat und Bundesrat gegangen sind, haben Sie schon die ersten Pressekonferenzen gegeben. Lassen Sie sich bitte nicht von diesen Starallüren anstecken, sondern kümmern Sie sich mit Herz und Verstand um Ihre eigenen, ureigensten Aufgaben als Arbeitsminister – es sind nicht wenige!

Ich gehe nun auf ein paar Punkte ein, die Sie gerne ändern möchten. Sie haben die Langzeitarbeitslosen erwähnt und haben gesagt, Sie möchten die Probleme angehen. Da würde ich Ihnen empfehlen, zu veranlassen, dass diese verstaubten Ausdrücke Langzeitarbeitslose und Langzeitbeschäftigungslose entstaubt, entwirrt, entknotet werden, dass da kein Unterschied mehr gemacht wird, sondern dass das zu einem Begriff gemacht wird. Das ist verstaubt.

Die Mitarbeiter des AMS hätten durch den § 10, wenn jemand, sagen wir, die Arbeit verweigert, vereitelt oder ablehnt, Sanktionsmöglichkeiten – aber den Mitarbeitern wer­den da oft von der Dienstgeberseite, sprich vom Ministerium, Prügel zwischen die Beine geworfen. Geben Sie den Mitarbeitern des AMS mehr Kompetenz in die Hand, damit könnte man vielleicht auch dazu beitragen, die Situation etwas zu verbessern!

Joboffensive, Fachkräfteausbildung: Schauen Sie sich bitte die Zahlen an, wie viele Menschen es sich nicht leisten können, eine Facharbeiterausbildung zu machen! Die dauert über die Aqua-Stiftung, an die ich da denke, immerhin zwei bis drei Jahre, ausbezahlt wird die Höhe des Arbeitslosengeldes. Das kann sich kein Familienvater leisten. Das kann sich vielleicht ein junger Bursch oder ein junges Mädchen leisten, die noch daheim bei den Eltern wohnen, aber sicherlich niemand, der zu Hause eine Familie ernähren muss. Mit der strikten Weigerung, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, werden wir diesen Menschen auch weiterhin keine Chance geben können, sich weiterzu­qualifizieren.

Sie haben den Neustartbonus angesprochen. Das ist eigentlich ein bisschen ein Etiket­tenschwindel, weil es diesen Neustartbonus mit der Eingliederungsbeihilfe im Grunde schon zuvor gegeben hat – und diese Eingliederungsbeihilfe ist halt ein bisschen umbe­nannt worden und heißt inzwischen Neustartbonus. Boni gibt es bei der Regierung derzeit übrigens viele. Wir haben den Neustartbonus, wir haben den Frühstarterbonus, wir haben den Lehrlingsbonus – ja, im Prinzip (Bundesrat Seeber: Kinderbonus, Kinder­bonus!) sind diese Boni ein Tropfen auf den heißen Stein. (Vizekanzler Kogler: Kinder­bonus!) Horchen Sie auf die Opposition (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler), horchen Sie auch auf uns Freiheitliche! Da könnte man sich leicht noch viel herausholen, was besser wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Lektüreempfehlung würde ich Ihnen ganz dringend eine Studie aus den Dreißi­gerjahren ans Herz legen, und zwar „Die Arbeitslosen von Marienthal.“ Schauen Sie sich den Film an oder lesen Sie das Buch dazu! Es ist wirklich erschreckend, wenn man das sieht, vielleicht haben Sie dann mehr Verständnis dafür, wie es Menschen geht, die länger als drei Monate arbeitslos sind. Schauen Sie sich diese Studie an, lesen Sie das Buch dazu: „Die Arbeitslosen von Marienthal.“

Ja, Herr Minister Kocher, es muss endlich wieder Substanz in die österreichische Politik kommen: eine Politik der Wärme und keine Politik der sozialen Kälte, eine Politik mit Zuversicht und keine Politik, welche mit Angst und Schrecken agiert, eine Politik mit Vertrauen in die Menschen und keine Politik der Unterdrückung der Menschen.

Ein weiterer Punkt: Sie haben vorhin die Taskforce angesprochen. Ich halte es wirklich für einen Wahnsinn, dass Sie die Jugendagenden abgeben. Man beklagt, dass die Jugendarbeitslosigkeit so hoch ist, hat extra dafür eine Taskforce eingerichtet, und nun


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geben Sie als Arbeitsminister diese Agenden ab. Das ist der falsche Weg, das ist das falsche Signal, und ich finde das echt schwach. (Beifall bei der FPÖ.)

Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, ich habe es letztes oder vorletztes Mal schon angesprochen: Wenn Sie nicht permanent das Pensionsalter hinaufschrauben würden und die Menschen nicht immer länger arbeiten müssten, dann wären die Arbeitsstellen früher frei und die jungen Menschen könnten auf diese Stellen nachrücken. Dieser Wirt­schaftskreislauf hat viele, viele Jahrzehnte gut funktioniert und hat sich bewährt. Darüber habe ich übrigens mit einem Kollegen von Ihnen gesprochen, mit Prof. Aubele in Inns­bruck, das ist schon ein paar Jahre her – gut, er hört nicht zu, der Herr Minister –, auch Prof. Aubele in Innsbruck hat dies so gesehen.

An den Bundeskanzler gerichtet: Tja, der Hauptverantwortliche für die ganze Wirtschafts­krise ist eigentlich der Bundeskanzler. (Bundesrat Bader: Natürlich!) Er zieht die Fäden im Hintergrund (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Der hat ja ...!), schickt seine Minister aus, die alles, was er sich hat einfallen lassen, ausbaden müssen, und kommt mir vor wie ein Dirigent: Kurz, der Dirigent, welcher sein Orchester, sprich die Regierungs­mitglieder, herumdirigiert und wie Marionetten auf der politischen Bühne herumjagt.

Dabei gehört Kurz, Kanzler Kurz, Herr Kurz, in die Verantwortung genommen. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Kanzler Kurz gehört da ganz kräftig in die Verantwortung genom­men, weil es die Menschen draußen ausbaden. Das jüngste Beispiel ist die Verlän­gerung der Schulschließungen, und es ist Politik ohne Gespür, die da gemacht wird. Anscheinend habt ihr die Bodenhaftung verloren, ihr wisst nicht mehr, wie es den Menschen da draußen geht. Diese Schulschließungen sind ein Wahnsinn, sie sind wirklich ein Wahnsinn! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie nehmen einer ganzen Generation bereits das zweite Schuljahr und nehmen Tausenden von Schülern die Chance auf eine gute Ausbildung. (Bundesrat Köck: ... sind wir in Österreich!)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Frau Bundesrätin, Ihre Redezeit von 10 Minu­ten ist bereits ausgeschöpft. Kommen Sie bitte zum Schlusssatz. (Bundesrat Steiner: Es gibt keine Redezeitbeschränkung!)


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Frau Präsidentin, vielen herzlichen Dank. Es ist mir bewusst, dass in der Präsidiale so etwas besprochen wurde. (Zwischen­ruf bei der ÖVP.) Laut der Geschäftsordnung des Bundesrates gibt es eine solche Redezeitbeschränkung im Bundesrat nicht. (Neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist mir klar, und ich möchte keine Usancen brechen, aber mir ist das Thema schon wichtig, sodass ich meine Rede jetzt zu Ende bringen werde. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ohne Gespür für die Menschen wird da Politik gemacht (Bundesrat Schennach: ... Redezeit!), und ich habe es vorhin schon gesagt: Sie nehmen der Jugend, dieser Generation bereits das zweite Schuljahr. Tausenden Schülern wird die Chance auf eine gute Ausbildung genommen, und es werden Ausbildungslücken bleiben, obwohl die Lehrerschaft – Hut ab! – da wirklich vorbildlich mitarbeitet und sich bemüht, aber der ordentliche Präsenzunterricht in den Schulen ist durch nichts zu ersetzen.

Sie belasten durch die Nichtöffnung der Schulen die Familien. Ich habe E-Mails bekom­men, ich habe Anrufe bekommen. Erst gestern am Abend hat mich eine Mutter ver­zweifelt angerufen und hat gesagt: Ich kann nicht mehr. – Diese Mutter hat drei Kinder an drei verschiedenen Schulen und einen Computer zu Hause und sie ist teilzeitbe­schäftigt. Ihr wächst alles über den Kopf und sie nimmt zum Einschlafen am Abend eine Schlaftablette, damit sie in der Nacht zumindest ein paar Stunden durchschlafen kann, so weit ist sie mittlerweile schon. Sie ist aber kein Einzelfall, ich habe Hunderte solcher Nachrichten erhalten.


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Wenn wir so weitermachen – ich habe auch das schon einmal gesagt –, dann werden wir von der Coronapandemie und der Wirtschaftskrise über eine Insolvenzwelle in eine psychische Pandemie steuern. Die Menschen haben von dieser Politik die Nase ge­strichen voll und können nicht mehr.

Abschließend noch einmal an Minister Kocher: Ich appelliere an Sie als Arbeitsminister, und ich fordere Sie auch auf: Machen Sie alles, was in Ihrer Macht steht, dass die Schulen wieder geöffnet werden! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Sie wissen genau, eine gute Ausbildung ist die beste Chance, dass man nicht in die Arbeitslosigkeit abrutscht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Geben Sie den jungen Menschen diese Chance – und Sie haben es vorhin selbst gesagt: Qualifikation als Chance –, setzen Sie sich in dieser Bundesregierung dafür ein, dass die Schulen aufgesperrt werden! Lassen Sie nicht eine ganze Generation verhungern, geben Sie ihnen eine Chance für die Zukunft! – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.18.19

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Vizekanzler! Geschätztes Regierungskollegium! Herr Kollege Himmer, es ist schön, dass Sie sich Sorgen um die Sozialdemokratie machen, aber wie unser Name schon sagt, sind wir eine demokratische Gesinnungsgemeinschaft, bei der es in der Länderkammer auch die Meinungsfreiheit gibt, die schon in der Vergangenheit gelebt wurde, aber auch in der Gegenwart gelebt wird.

Eigentlich hätte ich mir eher erwartet, dass Sie, Herr Kollege, den Redebeitrag des Kollegen Steiner kommentieren oder zurückweisen. Okay, das ist nicht passiert, dann hole ich das nach. (Bundesrat Himmer: Das habe ich nur gemacht, weil ich dir die Redezeit ...!) Ich finde es unangebracht und im Sinne des kollegialen Miteinanders im Hause entbehrlich, diesen süffisanten Seitenhieb auf den amtierenden Präsidenten des Bundesrates auszuteilen, das war unterste Schublade. (Ruf bei der FPÖ: Fakten sind Fakten!) Dies erlaube ich mir als ehemaliger Präsident in diesem Haus anzumerken. Dem neuen Präsidenten, der Frau Vizepräsidentin und dem Herrn Vizepräsidenten wün­sche ich für diese Amtsperiode alles Gute. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

14.19.402. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Januar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1196/A und 626 d.B. sowie 10532/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Januar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1197/A und 629 d.B. sowie 10530/BR d.B. und 10533/BR d.B.)


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4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Januar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1124/A und 627 d.B. sowie 10531/BR d.B. und 10534/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Nunmehr gelangen wir zu den Tagesordnungs­punkten 2 bis 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-BuschbergerIch bitte um die Berichte.


14.20.45

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine geschätz­ten Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Jänner 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf auch den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Natio­nal­rates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemie­ge­setz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme auch diesmal gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Jänner 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf auch den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Covid-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Jänner 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke der Berichterstatterin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen dieses. Bitte.


14.22.33

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ich glaube, wir haben heute wirklich den richtigen Button, den wir uns angesteckt haben, erwischt: Kurz muss weg. – Wir haben es ge­sehen, er hat ja beinahe fluchtartig dieses Haus verlassen. (Bundesrat Bader: Hör auf!)

Es wäre aber auch möglich, dass er dieses Haus fluchtartig verlassen hat, weil er beim Abstimmverhalten mancher Fraktionen das Lachen nicht mehr hätte verhalten können:


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Freitesten nein, Eintrittstesten ja. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schennach und Schumann.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es manche hier nicht glauben wollen: Nur weil das Kind einen anderen Namen hat, ist es trotzdem noch immer das­selbe. Kartoffeln bleiben auch dann noch Kartoffeln, wenn man  wie bei uns in der Steiermark Erdäpfel zu ihnen sagt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Auch dieses Eintritts­testen wird nichts anders sein, als das Freitesten in seiner ursprünglichen Form gewesen ist.

Lieber Kollege Kovacs, ich schätze dich ja wirklich sehr, du hast wirklich vernünftige Ansätze (Heiterkeit bei der SPÖ), du hast selbst auf Facebook geschrieben: Eintrittstes­tungen sind verfassungswidrig. (Bundesrat Steiner: Recht hat er!) – Ich weiß nicht, wie ich es mir es erklären soll bei uns hat man immer gesagt, vielleicht hat sich diese Mei­nung auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Person geändert –, dass dieses Posting, das unzählige Male geteilt worden ist, wieder verschwunden ist. Ich frage mich: Warum ist es verschwunden? Weil sich deine Meinung geändert hat? – Ich glaube eigentlich nicht, dass sich deine Meinung da geändert hat, ich glaube eher, dass die SPÖ oder die SPÖ-Spitze da wieder einmal im Liegen umgefallen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage, es sind genau diese Anbiederung an den Sonnenkönig und dieses Umfallen, das wieder einmal passiert ist, die heute wahrscheinlich dazu geführt haben, dass der Bundeskanzler fluchtartig den Raum verlassen hat, denn da hätte er sich vor Lachen sicher nicht mehr halten können. Ich bin davon überzeugt, dass viele Sozialisten heute nicht mehr wissen, wie sie draußen in der Bevölkerung erklären sollen, dass Eintritts­testen etwas anderes ist als dieses Freitesten (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), gegen das man ursprünglich im Dezember noch so auf die Barrikaden gestiegen ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Deswegen freue ich mich ja bei diesem Tagesordnungspunkt 3 tatsächlich auf die na­mentliche Abstimmung, damit ihr draußen auch wirklich erklären könnt, wie eure Haltung heute zu diesem aus unserer Sicht wieder einmal verfassungswidrigen  Gesetzestext ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Liebe Sozialisten, nehmt es aber nicht allzu schwer, denn diese Sorgen sind ja wirklich Kleinigkeiten im Vergleich zu den Sorgen des Gesundheitsministers. Ja, Herr Bundes­minister, diese Bundesregierung bringt wieder einmal ein Gesetz auf den Weg, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verfassungskonform ist. (Zwischenbemerkung von Bun­desminister Anschober.) Ich weiß wirklich nicht, was Ihnen mehr Sorgen bereitet: dass der Verfassungsgerichtshof wieder einmal Ihre unzähligen verfassungswidrigen Verord­nungen in die Schranken weist, oder der Blick in Richtung SPÖ, der Blick in Richtung einer SPÖ-Parteichefin, die wirklich alles dafür tut, Ihren Job als Gesundheitsminister zu übernehmen. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Eine SPÖ-Parteichefin, die alle Grundsätze über Bord geworfen hat und die offen­sichtlich alles tut, um mit diesem PR-Kanzler die Grünen aus der Bundesregierung zu drängen (Zwischenrufe bei der SPÖ): Na, da kommt einem Bundeskanzler Kurz, dessen Verhältnis zu den Grünen ich habe so das Gefühl schon seit langer Zeit etwas gespalten ist, eine situationselastische SPÖ gerade recht. Ich sage, der Anfang ist ja schon passiert (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober), Ihre Staats­sekretärin Lunacek, Ihre grüne Staatssekretärin, ist bereits von einer Sozialistin abgelöst worden. Das war nämlich auch der Zeitpunkt, zu dem die SPÖ in diese Bundesregierung eingezogen ist. (Beifall bei der FPÖ. Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Ja, Herr Bundesminister, es ist ja wirklich nur mehr eine Frage der Zeit, wie lange es noch dauern wird, bis auch die restlichen Regierungsmitglieder der Grünen von den Sozialisten abgelöst werden. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates


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SchennachHeiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ. Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, bei allen Sorgen mit der Sozialdemokratie, wie auch immer, sage ich: Es kann ja nicht der Weg sein, dass diese Bundesregierung die österreichische Wirtschaft gegen die Wand fährt. Jeder macht Fehler, jeder kann Fehler machen, und ich werfe Ihnen nicht vor, welche Maßnahmen zu Beginn dieser Pandemie gesetzt wurden. Das werfe ich Ihnen nicht vor, aber inzwischen sollten wir gescheiter geworden sein. Ich sage, jeder Mensch macht Fehler, aber der Vernünftige lernt aus diesen Fehlern.

Wir gehen von Lockdown zu Lockdown, obwohl wir inzwischen wissen, dass der Lock­down nichts bringt, wir gehen von Lockdownverlängerung zu Lockdownverlängerung. Das Einzige, was es uns bis heute gebracht hat, waren 30 Milliarden Euro für den Steuerzahler, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.) Das ist es, was ich Ihnen vorwerfe: Sie ruinieren die Wirtschaft, Sie ruinieren das Bildungssystem in diesem Land, und Sie treiben die österreichische Bevölkerung schön langsam wirklich in den Wahnsinn. Dafür sind auch Ihre Verordnungen verantwortlich. Zu Weihnachten durften sich zehn Personen aus beliebig vielen Haushalten treffen (Bundesrat Schennach: Nein, nein, nein!), zwei Tage später waren es sechs Personen aus zwei Haushalten (Rufe bei der SPÖ: Nein!), heute darf eine Familie ihre Eltern nicht mehr besuchen. Ja meine sehr geehrten Damen und Herren, wer soll sich denn da noch auskennen? Anscheinend haben wir sogar da schon unterschiedliche Meinungen und kennen uns nicht mehr aus. (Beifall bei der FPÖ. Ruf: Du kennst dich nicht aus! Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Bei diesem Verordnungschaos, das Sie seit Beginn dieser Pandemie auf den Weg bringen – na, glauben Sie wirklich, dass sich dabei noch irgendjemand auskennt? Glau­ben Sie wirklich, dass zu Silvester jeder alleine zu Hause gesessen ist, glauben Sie das wirklich? Ich kann Ihnen sagen, die Österreicher pfeifen inzwischen auf Ihre Verordnun­gen, Sie haben zu Silvester darauf gepfiffen (Bundesrat Köck: Das ist nicht wahr!) und sie pfeifen auch heute auf Ihre Verordnungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich mache Ihnen einen Vorschlag, und das ist ein vernünftiger Vorschlag: Beenden Sie diesen Lockdown, einen Lockdown, der nichts bringt! Beenden Sie diese Maßnahmen, öffnen Sie die Gastronomie, die Hotellerie, die Schulen, den Handel! Deswegen darf ich an dieser Stelle folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Freiheit­liches Maßnahmenpaket zu Covid-19“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die gesetzliche Regelungen für folgende Maßnahmen umfasst:

- Das sofortige Ende des Covid-19-Lockdowns

- Die Vorlage von ehrlichen und transparenten Daten als Entscheidungsbasis

- Die verpflichtende Überprüfung und Begutachtung aller bisherigen und künftigen Maßnahmen

- Den konsequenten und rascheren Schutz der Bevölkerung über 75 Jahre und der Risikogruppen


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- Die Aufstockung der Behandlungskapazitäten und der Kapazitäten der Gesundheits­behörden“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wäre ein Antrag, dem man heute zustim­men kann, der vernünftig ist, der den Menschen in diesem Land wirklich hilft, denn auch dieses Gesetz, das wir heute wieder auf den Weg bringen, ist ja wieder ein Freibrief für diesen Gesundheitsminister, seine verfassungswidrigen Verordnungen weiterhin auf den Weg zu bringen. Wir alle wissen, dass dieser Gesundheitsminister mit seinem Verord­nungschaos nicht nur seine eigenen Nerven strapaziert, sondern vor allem die Nerven unserer Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der FPÖ.)

Eine breite Masse der Österreicher hat sich gegen das Freitesten gewehrt, und ja, auch eine breite Masse der österreichischen Bevölkerung wehrt sich gegen dieses Eintritts­testen. Beim Freitesten ist Ihnen das mediale Feuerwerk anscheinend entglitten, beim Eintrittstesten haben Sie das besser im Griff gehabt. Manche munkeln ja auch, dass dieses Freitesten nur ein Testballon dieser Bundesregierung gewesen ist, wie schon so oft, um danach dasselbe Kind unter einem anderen Namen wieder auf den Weg zu bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn die SPÖ bei diesem Freitesten, Eintrittstesten – oder wie immer wir das in Zukunft nennen wollen – wieder einmal im Liegen umgefallen ist: Wir Freiheitliche stehen auf der Seite der Österreicher. Setzen wir doch heute gemeinsam ein Zeichen! Vielleicht ist noch der eine oder andere dabei, der sagt: In meinem freien Mandat, meinem Abstimmungsverhalten stelle ich mich auch auf die Seite der Österreicher. – Na, das wäre etwas, womit wir heute wirklich diesen par­lamentarischen Schulterschluss leben könnten, die Österreicher würden es uns danken!

Ich möchte nicht in die Bevölkerung hinausgehen und dem Wirt erklären, dass er sein Gasthaus aufsperren darf und keine Entschädigungszahlungen mehr bekommt. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.) Eines könnt ihr mir glauben: Keiner lässt sich täglich für seinen Vormittagskaffee in der Teststraße testen, der wird diesen Vormittags­kaffee nicht trinken, und der Wirt wird dann alleine in seinem Gasthaus sitzen, in seinem leeren Gasthaus! – Diese Bundesregierung erspart sich wieder einmal Entschädigungs­zahlungen.

Genauso wenig möchte ich den Künstlern erklären, warum sie im leeren Saal stehen, ohne Eintrittskarten zu verkaufen. Auch das möchte ich niemandem erklären müssen. (Bundesrat Schennach: Musst du auch nicht!)

Eines kann ich Ihnen sagen: Das, was heute hier passiert, ist Mittäterschaft, das ist Mittäterschaft! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitliche stehen weiterhin auf der Seite der Österreicher und nicht auf der Seite dieser Coronadiktatur der Bundesregierung! (Beifall bei der FPÖ.)

14.34


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Freiheitliches Maßnahmenpaket zu Covid-19“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte sehr, Frau Bundesrätin.



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14.34.38

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es alle schon bemerkt – und das ist nicht lustig –: Das Jahr 2021 startet mit der Pandemie. Es startet aber auch mit der Impfung. So ist es in diesen Tagen: Es gibt schlechte Nachrichten, und es gibt gute Nachrichten.

Mit den Maßnahmen der letzten Wochen ist es uns gelungen, die Zahl der Neuinfek­tio­nen immerhin auf knapp 1 500 – das ist die Zahl des heutigen Tages – zu senken. Ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, dass wir im letzten Sommer hier davon sprachen, dass wir im besten Fall vielleicht in 2 oder 3 Jahren einen Impfstoff zu erwarten haben. Wir haben uns im Wissen um die Pandemie und ihre Gefahren Woche für Woche schrittweise vorgetastet, mit den Hauptregeln Abstand zu halten, die Hygienevor­schrif­ten zu beachten und so wenig persönlichen Kontakt wie möglich zu pflegen, um die Ausbreitung des Virus hintanzuhalten. Dabei haben uns bekanntlich die Disziplin der Menschen und die Temperaturen im Sommer – denn das wissen wir jetzt auch, das Virus mag es überhaupt nicht warm – geholfen. Was wir jetzt erleben, ist der Winter, und es ist nicht nur so, dass sich das Virus im Winter äußerst wohlfühlt, es beginnt sogar noch zu mutieren und wird somit um 50 Prozent ansteckender.

Umso wichtiger ist es nun, die Testmöglichkeiten wahrzunehmen – wir haben gestern vom Herrn Gesundheitsminister gehört, wir schaffen es mittlerweile, 100 000 Tests täglich zu machen –, weiterhin die bekannten Regeln einzuhalten und vor allem, wenn Impfstoff verfügbar ist, zu impfen. Heute werden wir weitere wichtige Maßnahmen be­schließen, die es uns ermöglichen werden, der Pandemie weiter entgegenzutreten und die notwendigen Mittel in den verschiedensten Bereichen dazu zur Verfügung zu stellen.

Ein Punkt davon ist der Kostenersatz von bis zu 1 300 Euro für Ärztinnen und Ärzte, um die Software für den elektronischen Impfpass zu implementieren. Das betrifft jene Ärz­tinnen und Ärzte, Gruppenpraxen beziehungsweise Primärversorgungseinrichtungen, die in einem Vertragsverhältnis zur ÖGK oder einem anderen Sozialversicherungs­träger – der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen sowie der Versicherungs­an­stalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau – stehen. Es ist wichtig zu erwähnen: Das Projekt des elektronischen Impfpasses läuft gut an.

Auch den Covid-Zweckkostenzuschuss beschließen wir heute. Mit der vorliegenden Än­derung werden Zweckkostenzuschüsse an die Länder für Schutzausrüstung, Gesund­heitsberatung unter der Rufnummer 1450 und administrativen Aufwand im Zusam­men­hang mit Testungen auf den Zeitraum bis Juni 2021 verlängert werden. Das ermöglicht es dann auch den Gemeinden, für die Aufwendungen und Kosten, die im Bereich von Massentestung und Impfstraßen entstanden sind, Kostenersatz zu erhalten.

An dieser Stelle möchte ich jedem einzelnen Gemeindebediensteten, den Feuerwehren und so weiter herzlich Danke sagen, denn ich habe persönlich erlebt, dass sie in den letzten Wochen immer wieder zur Verfügung gestanden sind und in einer großartigen Art und Weise sämtliche Aufgaben abgewickelt haben. Ich glaube, auch ihnen gebührt an dieser Stelle ein Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Und ja, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind noch weit davon entfernt, zu unserem normalen Alltag zurückzukehren. Darum ist es sehr wichtig, die Grundlagen herzustellen und nun schrittweise Möglichkeiten zu schaffen, um die Bereiche des täglichen Lebens, die derzeit aufgrund des sehr hohen Infektionsrisikos geschlossen sind, wieder zu öffnen. Das ist der Grundgedanke des sogenannten Zutrittstestens, Ein­trittstestens. Das Prinzip kennen wir ja bereits aus den empfohlenen Testungen vor den Feiertagen: Mit einem frisch negativen Testergebnis hat man zeitweilig eine gewisse Form von Sicherheit, nämlich dass man genau jetzt keine Viren überträgt, somit keine


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Ansteckungsgefahr von einem ausgeht und man für die Umgebung keine Gefahr dar­stellt.

Ich selber konnte mit meiner Familie mit neun Personen unbeschwert Weihnachten feiern, weil wir zeitnah testen gegangen sind. (Bundesrat Steiner: Wahrscheinlich sechs Tage vorher!) Am nächsten Tag war es auch wieder gut, und wir haben uns getrennt. Es war für mich persönlich ein sehr erleichterndes Gefühl, in diesem Moment keine Gefahr für andere zu sein.

Um auf den Gedanken zurückzukommen: Die Tests wurden weiterentwickelt, die Test­straßen wurden weiter ausgebaut, und daher sind die Testungen jetzt relativ leicht um­setzbar. Die Testungen sind kostenlos und in örtlicher Nähe erreichbar, und zwar in vielen Bezirken. Wir haben heute kurz darüber gesprochen, mit Kollegin Holzner habe ich darüber gesprochen, dass fast alle Bezirke schon permanente Teststraßen haben, wo die Leute hingehen und sich testen lassen können.

Unter Vorweisung eines persönlichen negativen Testergebnisses wird es zukünftig möglich sein, gewisse derzeit leider geschlossene Bereiche des täglichen Lebens und vor allem auch der Kunst- und Kulturstätten wieder zu nutzen. Die Testungen sind freiwillig und sollen stets freiwillig sein und unter größtmöglicher Wahrung des Daten­schutzes passieren. So ist festgelegt, dass Daten aus Testungen gemäß den Daten­schutzrichtlinien auch sofort wieder gelöscht werden.

Es wird aber auch bestimmt – und das liegt in unserer Verantwortung –, dass wir bei den Eigentests, den sogenannten Wohnzimmertests, sofern sie positiv sind, dafür Sorge tragen, einen PCR-Test durchzuführen. Das wird nach einer Kontaktaufnahme mit 1450 oder den Gesundheitsbehörden innerhalb von 48 Stunden organisiert werden.

Die Einschränkungen, die wir rund um Corona erleben und tragen, gefallen uns allen nicht, und wir sind derer inzwischen auch müde und sehnen uns ein Ende herbei. Das Ende der Pandemie scheint auch schon langsam sichtbar zu werden, in Form der Impfung ist es auch schon an eine Zeitschiene gebunden. Nun ist es wichtig, dass wir alle noch einmal unsere Energie bündeln, um die Zeit bis in den Frühling gemeinsam zu schaffen. Und wir können das, davon bin ich fest überzeugt! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.42


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Schennach: Jetzt sind die Oberösterreicher stark! Am Rednerpult, auf der Regierungsbank!)


14.42.31

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich an meine Vorrednerin anschließen: Das ist ja sinnvoll! Stellen Sie die Tests bereit, dagegen kann ja niemand etwas haben! Ich erinnere daran, dass wir im letzten Jahr oft Situationen gehabt haben, dass Personen mit Symptomen bei der Hotline angerufen haben, sich testen lassen wollten und abgewimmelt worden sind. Es wurde gesagt: Das ist nicht notwendig, Sie haben ja keine Kontaktperson gehabt, wahrscheinlich ist es nur ein Schnupfen und, und, und. – Ermöglichen Sie ruhig diese Testungen, aber verschonen Sie die österreichische Bevölkerung mit diesen Zwangstestungen! (Beifall bei der FPÖ.)

Darüber stimmen wir heute ja ab. Sie ermöglichen mit diesem Gesetzentwurf die Zwangstestungen. Ob Sie das jetzt Freitesten, Reintesten oder Eintrittstesten nennen, ist ohne Belang. Es geht um Zwangstestungen, und da stelle ich eine einfache Frage: Wie kommt man auf die perverse Idee, gesunde, symptomlose Menschen unter den


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Generalverdacht zu stellen, Träger dieses Virus zu sein, damit man diese dann zwangs­weise testen kann, bevor sie ihre normalen Grundrechte ausüben dürfen? Und das, bitte schön, meine Damen und Herren, geschieht bei einer derzeitigen Rate von 0,3 Prozent an Infizierten. Das heißt, 99,7 Prozent der Bevölkerung sind gottlob nicht infiziert.

Unter diesen 0,3 Prozent gibt es auch symptomlos Infizierte. Die sind aber, wenn über­haupt, in den seltensten Fällen ansteckend. Dazu gibt es sehr viele Studien. Noch dazu muss jemand, auch wenn er positiv getestet ist, ja nicht einmal mit dem Virus infiziert sein, sondern das Problem sind oft die Tests selber, weil sie unzuverlässig sind.

Jetzt sagen Sie vielleicht: Ja, das ist wieder die Aluhutfraktion. – Ich kann Ihnen aber von der Website Ihres Gesundheitsministeriums zitieren. Da heißt eine Frage unter „Häufig gestellte Fragen“ zum Coronavirus, Testungen und Quarantäne: „Ich gehöre einer Risikogruppe an und fühle mich gesund – brauche ich einen Test?“ – Die Antwort Ihres Ministeriums: „Nein. Ein Antigen-Test oder PCR-Test sollte insbesondere bei Krankheitszeichen zur Klärung der Ursache durchgeführt werden, bei einer gesunden Person haben diese Tests nur eine sehr begrenzte Aussagekraft. (Auch ein negatives Ergebnis kann eine Infektion nicht mit Sicherheit ausschließen.) Wenn man gesund ist [...], sagt ein negativer Test auf COVID-19 nichts darüber aus, ob man doch noch krank werden kann.“ – Und jetzt kommt es, und das ist, bitte schön, ein Skandal: „Ein Antigen-Test oder PCR-Test stellt daher keinesfalls eine Schutzmaßnahme dar.“ Und das wollen Sie heute hier beschließen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht sagen Sie: Na ja, man kann ja klüger werden. – Das kommt bei Ihnen aber schon häufig vor, Herr Bundesminister. Vor circa einem Jahr, am 27. Jänner, gab es von Ihnen noch eine Aussendung über die APA, weil der Wiener Landesparteiobmann der FPÖ, Dominik Nepp, schon frühzeitig davor gewarnt hat, dass es dieses Virus aus China gibt, und gesagt hat, dass man sich schnell Grenzschließungen zu China, dann auch Richtung Italien überlegen sollte. Da haben Sie wörtlich gesagt – und das war vor einem Jahr –: „Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit dem Coronavirus in Österreich ist derzeit gering und wir sind gut auf eine allfällige Ausbreitung des Virus vorbereitet.“ – Das war heute vor einem Jahr. Und jetzt überlegen Sie sich einmal, was wir in diesem Jahr 2020 alles erlebt haben! (Bundesrat Köck: Der Kickl hat damals gesagt, sofort alles runterfahren! – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Dann sagen Sie weiter, Herr Bundesminister: „Die echte Grippe ist aktuell bei uns viel näher und gefährlicher als das Coronavirus, man kann sich aber schützen. Den wirk­samsten Schutz bietet die Influenza-Impfung – auch während der Grippesaison.“ Da man uns immer vorwirft, wir sind irgendwelche Verschwörungstheoretiker: Es war Ihr Gesundheitsminister, der davon gesprochen hat, die Influenza sei gefährlicher als das Coronavirus.

Ende September 2020, Herr Gesundheitsminister, sagten Sie sinngemäß noch: Nie­mand hat die Absicht, einen zweiten Lockdown zu verhängen. – Da haben Sie gesagt, dass das, was der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer auch medienöffentlich gemeint hat, nämlich dass das im Ministerium bereits vorbereitet wird, nicht nur eine Ente, sondern eine ganze Entenfarm ist. Und fast auf den Tag genau ist tatsächlich dieser zweite Lockdown verhängt worden. Ich stelle mir jetzt schon die Frage: Können Sie sich eigentlich selbst noch glauben, Herr Minister? (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben heute leider noch keinen Redebeitrag der SPÖ zu diesem Thema gehört. Ich bin schon gespannt, warum denn das Konzept der Bundesregierung ursprünglich ganz skandalös und verfassungswidrig und auf jeden Fall abzulehnen war, wie es ja auch Georg Dornauer, Tiroler Landesparteiobmann Ihrer Partei, der SPÖ, gefordert hat und gesagt hat: Das ist ein Generalverdacht, es kommt nicht infrage, dass man sich ins


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Wirtshaus hineintesten muss! – Dazu werden Sie vielleicht sagen: Na ja, der Gesetz­entwurf hat sich mehrfach verändert. – Frau Fraktionsvorsitzende Schumann, ich habe es gehört, Sie haben vorhin gesagt: Wir konnten ja dem Gesundheitsminister keine so weitreichenden Ermächtigungen geben. – Ja was hat sich denn geändert? (Bundesrätin Schumann: Eine Menge!)

Ich habe mir den Gesetzestext angeschaut, und man muss sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, wie diese Gesetzwerdung überhaupt war. Zunächst einmal stellt man den Begutachtungsentwurf am 1. Jänner zur Begutachtung frei. Das heißt, das erste Mal konfrontiert man die Öffentlichkeit am 1. Jänner damit, einem Feiertag, und die Frist endet am 3. Jänner, einem Sonntag. Das heißt, die Leute haben nur über das Wochen­ende die Gelegenheit dazu gehabt, ihre grundrechtlichen Bedenken und ihre Einwen­dungen vorzubringen – und da geht es um massive Grundrechtseinschnitte.

Ich gebe Ihnen schon recht, ja, der Entwurf hat sich geändert. Sie haben nun einen sehr langen Ausschussbericht, in dem Sie sich wie bei einem Wunsch an das Christkind wünschen, wo der Minister aufpassen muss, dass er bitte die Tests nicht länger als 48 Stunden wirksam sein lässt und dass das beim Handel dann wahrscheinlich nicht mehr vom Gesetz gedeckt ist. Schauen Sie sich doch einmal den Wortlaut des Gesetzes an! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Damit meine ich die letztgültige Fassung von gestern, die mit Abänderungsantrag im gestrigen Plenum im Nationalrat so be­schlossen wurde und die heute hier zur Abstimmung steht. Das ist, wenn man so will, eigentlich eine Blankovollmacht für den Gesundheitsminister. Genau dem stimmen Sie zu, und genau das werden Sie vor Ihren Wählern auch verantworten müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte zu einem anderen Thema kommen, weil es damit zusammenhängt. Dieser Testzwang, den wir heute beschließen – also nicht mit unseren Stimmen, wir werden natürlich dagegen stimmen –, ist ja nur die Vorbereitung. Wir als freiheitliche Fraktion werden heute als einzige Fraktion gegen diesen Gesetzesbeschluss stimmen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich darf aber trotzdem darauf hinweisen – und ich glaube, wir werden uns damit auch wieder als prophetisch erweisen, und Sie werden es erleben –, dass der Impfzwang auf eine ähnliche Weise wie jetzt dieser Testzwang vorbereitet und kommen wird. (Bun­desrat Schennach: Oh!) Es ist genau dieselbe Propaganda, die jetzt schon beginnt: Wir haben die Wunderimpfung, die Superimpfung, die uns jetzt durch diese Pandemie führen wird!

Die Position der Regierung ist, vereinfacht gesagt – und das wird ja auch so beworben –, dass es keine Impfschäden geben wird: Die Impfung ist sicher, lassen Sie sich impfen! – Ich stelle Ihnen eine einfache Frage: Wenn denn das so ist und die Impfung sicher ist, was genau regelt denn das österreichische Impfschadengesetz? Was regelt das? Wo ist der Anwendungsbereich? Warum habe ich ein Gesetz mit einem Anwendungsbereich für ein Phänomen – nämlich Impfschäden –, das es nicht gibt? (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann.) Wurde dieses Gesetz von Aluhutträgern beschlossen? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich komme gleich zum Punkt, ich gebe Ihnen einen Hinweis. Im Gesetz steht: „Der Bund hat für Schäden, die durch eine Schutzimpfung [...]“ gegen bestimmte Krankheiten, die dann im Gesetz verankert sind, „verursacht worden sind, nach Maßgabe dieses Bundes­gesetzes Entschädigung zu leisten.“ Das ist ein sehr altes Gesetz, es wurde mehrfach novelliert, und Sie, Herr Gesundheitsminister, haben bereits durch Verordnung – das muss man auch einmal anerkennend festhalten – die Covid-19-Schutzimpfung aufgenommen. Sie gehört nun auch zu dieser Liste der empfohlenen Impfungen und fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Impfschadengesetzes.


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Man muss aber immer die Details lesen, so wie es oft auch bei Versicherungsklauseln ist. Das Impfschadengesetz verspricht sehr viel, nämlich die Entschädigung für Schäden, die Menschen aufgrund einer Impfung erleiden. In den Folgeparagrafen 2, 2a und so weiter wird dann diese Entschädigung sehr stark eingeschränkt, und es gibt sehr viele Menschen, die jahrelang mit den Sozialbehörden um ihre Entschädigung betreffend dieser Impfschäden kämpfen mussten und die schwierigste Beweislasten trugen, um ihren Schaden nachzuweisen, um die Kausalität nachzuweisen und, und, und. Das heißt also, das Gesetz verspricht sehr viel, um die Menschen in Sicherheit zu wiegen, und hält sehr wenig. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Das ist auch der Grund, warum wir sagen, dass der Impfzwang Nonsens ist. Sie müssen um das Vertrauen der Menschen werben, wenn Sie wollen, dass sie geimpft werden. Und wie wirbt man um dieses Vertrauen? – Na ganz einfach: Erweitern Sie die Haftung des Impfschadengesetzes! Nehmen Sie den Menschen die Angst und sagen Sie: Wir als Bund, als Staat übernehmen die Haftung für Impfschäden, die aus den Covid-19-Schutzimpfungen resultieren. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schumann, Grimling und Schennach.) – Dann werden Sie vielleicht das Vertrauen, das Sie bei vielen Menschen verloren haben, wieder gewinnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist auch der Grund, warum wir heute einen Entschließungsantrag einbringen. Ich verlese nur noch die Formel:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- ein gesetzliches Verbot von Zwangstestungen in Österreich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen;

- ein gesetzliches Verbot von Zwangsimpfungen in Österreich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen;

- eine Novellierung der §§ 17 Abs 3 und 4 Epidemiegesetz, die Impfpflichten für be­stimmte Berufsgruppen, Bevölkerungsgruppen oder Einzelpersonen gesetzlich ver­bietet;

- Eine Novellierung des Impfschadengesetz, die alle Schäden durch freiwillige und ange­ordnete Impfungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infek­tionen umfasst.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

14.54


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat.



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14.54.25

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Wenn ich jetzt zynisch wäre, könnte ich sagen: Wir kommen von der Jusvorlesung zur Medizinvorlesung. – Ich bin es aber nicht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kol­legen! Sehr geehrte Damen und Herren, die via Livestream zugeschaltet sind! Wir sind alle müde geworden. Ich bin müde geworden, Sie sind müde geworden. Ich bin nicht nur müde und es leid, mir da Halbwahrheiten und Unwahrheiten in den Reden der Frei­heitlichen anzuhören (Zwischenruf bei der FPÖ), ich bin es auch leid, mir Sorgen um den Gesundheitszustand von Herrn Leinfellner zu machen. Dein Blutdruck war ja jetzt sicherlich in lichten Höhen. Ich habe wirklich schon Sorge gehabt, dass ich da heute noch zu einem Einsatz komme. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind es natürlich müde geworden, dass wir nicht in die Geschäfte können, dass wir die Masken immer mitführen müssen, dass unsere Kinder im Augenblick noch nicht in die Schule können. Wir sind einer weltweiten Pandemie müde geworden, die die Welt mittlerweile nahezu ein Jahr fest in ihrem Griff hat – 95 Millionen Infizierte weltweit, knapp 2 Millionen Tote. Wir kämpfen nach wie vor einen beherzten Kampf gegen diese Geißel der Menschheit. Wir sehnen uns natürlich zu Recht nach Normalität, das ist ja verständlich. Es ist ja nur allzu menschlich, dass wir uns danach sehnen, unsere Freun­dinnen und Freunde wieder zu treffen und unsere Eltern öfter zu sehen, dass wir uns auch danach sehnen, wieder ins Wirtshaus oder in die Oper gehen zu können. Ich sehne mich auch wieder nach einem Fußballspiel mit anderen Sportbegeisterten.

Aber wie kommen wir dorthin? – Darauf gibt es nur eine Antwort, und die lautet: Wir müssen die Infektionszahlen nach unten drücken, mit aller Gewalt müssen wir die Neuinfektionsrate runterbringen, und da gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie man das tun kann. Die eine ist Testen, und die zweite ist Impfen. Da gibt es nichts dazwischen, da gibt es links und rechts davon nichts. Testen und Impfen sind die einzigen beiden Möglichkeiten, wie wir die Infektionsrate nach unten bekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Dafür ist es natürlich wichtig, dass wir gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen und beschließen – wie wir das heute ja auch tun wollen –, und das, was mich natürlich be­sonders freut, mit einer sehr breiten Mehrheit hier im Hohen Haus, im Plenum des Bundesrates.

Eine dieser Rahmenbedingungen ist das COVID-19-Zweckzuschussgesetz, ein Gesetz, das vor allem auch im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz sehr massiv einge­fordert und mitverhandelt wurde. Da darf ich natürlich als Steirer nicht ganz ohne Stolz sagen, dass mein Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz maßgeblich daran beteiligt war. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Bundesländern, den Kommunen, den Gemeinden bedanken, die genauso wie die Einsatzorganisationen unermüdlich im Einsatz sind, um Teststraßen aufzustellen und Impfinfrastruktur aufzubauen. Das ist eine Arbeit, die man gar nicht genug schätzen kann. Umso wichtiger ist es (Bundesrat Spanring: ... Danke zu sagen!), dieses Gesetz, mit dem Geld vom Bund an die Länder refundiert wird, die dann maßgeblich am Kampf gegen diese Pandemie beteiligt sind, heute hier zu verabschieden.

Weil schon wieder Zwischenrufe vonseiten der freiheitlichen Kollegen – die beiden Damen sind jetzt draußen – kommen: Die FPÖ ist gegen alles. Ich habe überhaupt noch nie erlebt, dass Sie irgendetwas für gut befunden hätten: Sie sind gegen das Testen, Sie sind gegen das Impfen, Sie sind gegen den Lockdown. Von Ihnen kommt keine einzige


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konstruktive Idee, kein einziger konstruktiver Vorschlag. In Wahrheit sind Sie damit gegen dieses Land, gegen die Menschen, gegen die Gesundheit der Menschen. (Bun­desrat Spanring: Bla, bla, bla!) Es ist ein skandalöses Verhalten, das Sie da an den Tag legen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich komme jetzt zu den beiden Punkten Testen und Impfen: Die Tests, die mittlerweile angeboten werden, haben eine sehr gute Sensitivität und Spezifität. Es geht rasch, es tut nicht weh, ich schütze damit vor allem andere, und ich schütze mich. Es gibt Angenehmeres im Leben, da gebe ich Ihnen recht, aber weh tut es nicht.

Was auch wichtig ist: Es wird immer wieder behauptet, dass jemand, der keine Symp­tome hat, nicht Überträger sein kann. Das ist wissenschaftlicher Schwachsinn! Es tut mir leid, dass ich das in dieser Härte sagen muss.

Anthony Fauci, der US-amerikanische Infektiologe, hat gesagt, dass wir davon aus­gehen, dass 50 Prozent der Ansteckungen über Asymptomatische, die noch nicht wussten, dass sie Virusträger sind, erfolgt sind. Daher verstehe ich nicht, wie man gegen diese Maßnahme sein kann. Wenn wir uns impfen lassen, können wir wieder in die Oper, zu einer Sportveranstaltung und so weiter gehen. Als Alternative: Tragen Sie eine FFP2-Maske! Bitte, wer das lieber tut, dem sei das vergönnt.

Das Zweite – zur Impfung –: Meine Damen und Herren, ich nenne Ihnen jetzt eine Zahl, die ich durchaus beeindruckend finde. Nur zwei Impfungen von jenen, die wir alle kennen und die wir auch verabreicht bekommen haben, wurden an mehr Probandinnen und Probanden getestet als die Covid-19-Impfungen – nur zwei, alle anderen wurden an wesentlich weniger Probanden getestet!

Mittlerweile wurden weltweit knapp 20 Millionen Impfdosen verimpft, wobei diese Zahl täglich wächst; und ich habe auch nach diesen 20 Millionen Impfdosen noch nichts von schwerwiegenden Nebenwirkungen und Komplikationen, wie sie immer wieder von­seiten der Freiheitlichen genannt werden, gehört.

Das Erfreuliche ist – und das ist heute schon gesagt worden –, dass die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, jeden Tag steigt. Ich darf an dieser Stelle Professor Kollaritsch zitieren: „Wenn Sie die Impfung nicht mögen, versuchen Sie’s mit der Erkrankung.“ – Sie können sich ja aussuchen, was Ihnen lieber ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch schon zum Ende kommen. Ich darf Ihnen nämlich berichten, dass ich wegen und dank meines Brotberufs bereits in der glücklichen Lage bin, meine erste Impfdosis verabreicht bekommen zu haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt darf ich Sie einladen, zuzuhören, ich habe nämlich tatsächlich zwei Neben­wir­kungen verspürt. Die eine war ein unsagbares Glücksgefühl (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen) in diesem Moment und danach wegen des Siegs der Wissenschaft, der Menschheit, der Medizin über dieses Virus, und die zweite war ein Gefühl von Hoffnung, dass wir jetzt auf den letzten Metern dieses Marathons angelangt sind und einen Weg zurück zu unserer Normalität, zu unserem Leben finden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich danke Ihnen und wünsche noch eine schöne Woche. Bleiben Sie gesund!

15.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort gemeldet. – Bitte schön.



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15.03.12

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolle­gen! Herr Bundesminister! Kollege Kornhäusl hat gesagt, die FPÖ sei gegen alles. Ich berichtige tatsächlich, dass wir nicht gegen alles sind. Wir sind auch nicht gegen Imp­fungen, wie Sie das behauptet haben, wir sind nicht gegen Testungen, wie Sie das be­hauptet haben, nein, wir sind gegen die Zwangsmaßnahmen dieser Bundesregierung, und wir teilen nicht die Meinung der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Bravo! – Ruf bei der SPÖ: Kabarett!)

15.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Ingo Appé zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, Sie gelangen zu Wort.


15.03.55

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Leinfellner, herzlichen Dank für die Werbe­durchsage für die SPÖ! Wir SPÖ-Bundesräte schaffen es nicht, in einem Redebeitrag so oft SPÖ zu sagen. Herzlichen Dank dafür, denn das bleibt bei den Leuten hängen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kollegen von der FPÖ, kommt bitte einmal aus eurer Blase heraus! Es geht nicht ums Anbiedern, es geht nicht darum, dass Rendi-Wagner den Job von Herrn Anschober haben will. Es geht ganz einfach um Menschenleben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir bieten Alternativen an, den Dialog, und wir versetzen die Menschen nicht in Angst und Schrecken. Das ist unsere Prämisse. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Liebe FPÖ, wollt ihr wirklich, dass wir im Bundesrat dieses Gesetz jetzt zwei Monate blockieren, sodass nichts mehr möglich ist? Wollt ihr das in Zeiten dieser Pandemie, die nicht mehr nur vor der Tür steht, sondern schon unabwendbar da ist, die aufgrund der Mutation noch schlimmer wird, wirklich? Als Nicht-Humanmediziner nach einem Fach­mann zu reden ist nicht so einfach. Wollt ihr das wirklich? Das ist doch unverantwortbar! Das nur aus populistischen Gründen zu machen kann man nur auf das Tiefste ablehnen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Da die Nebenwirkungen als so fürchterlich dargestellt werden: Lest doch einmal einen Beipackzettel von einem Medikament! Was da nicht alles drinsteht! Wir wissen, dass eine 80-Jährige im Falle einer Schwangerschaft Schwierigkeiten bekommt, wenn sie Tabletten gegen Bluthochdruck nimmt, aber deswegen werden wir jetzt nicht das Medi­kament verbieten! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Liebe Freunde, jeder, der etwas mit Gesundheit am Hut hat und nicht den Aluhut, bekommt bei euren Wortmeldung Gänsehaut.

Sehr geehrter Bundesminister, wir hoffen, dass wir mit dieser vernünftigen Variante des Testens sicherer durch die nächsten Monate kommen werden. (Bundesrat Spanring: ... alles anders! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Damit ist auch dieses unselige Freitesten weg vom Fenster. Sie, liebe Regierung, haben sich damit eine Riesenblamage erspart, denn beim Freitesten aus dem Lockdown trotz hoher Infektionszahlen hat nichts gepasst – rechtlich nicht, und vom gesundheitlichen Nutzen her schon gar nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)

Angesagt ist nun ein vernünftiges Testen, und dies mit einer starken sozialdemo­kra­tischen Handschrift. So wie unsere Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner als unum­strittene Fachfrau festgestellt hat, ist neben dem so wichtigen Impfen eine durchdachte und


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verständliche Teststrategie – da liegt die Betonung auf wirklich durchdacht – enorm wichtig, um weitere Lockdowns zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Was haben wir zum Schutz der Gesundheit erreicht? – Die Wohnzimmertests sind jetzt als Herzstück des vernünftigen Testens gesetzlich verankert. Die Tests kommen zu den Menschen nach Hause und in die Betriebe: Testen, Testen, Testen, mit einem massiven Ausbau des freiwilligen Testens – keine Zwangstesterei, wie die ganze Zeit propagiert wird!

Enorm wichtig sind die kostenlosen Tests für die wichtigen Schlüsselberufsgruppen wie das Gesundheitspersonal, die Pädagogen et cetera. Enorm wichtig ist auch die neue Teststrategie, die auch Grundlage für eine Sozialpartnereinigung ist, nämlich betreffend die Freistellung für das Testen während der Arbeitszeit, die so wichtige Maskenpause und den Kündigungsschutz bei einem positiven Testergebnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch angebracht, positiv zu vermerken, dass endlich auch mit der Opposition geredet wurde und deren Vorschläge auch angenommen wurden. Demnach muss die Lage schon wirklich sehr ernst sein (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ), denn eines ist klar: Der harte Lockdown, in dem wir uns noch immer befinden, Herr Bundesminister, wirkt nicht, und es stehen Befürchtungen an, dass noch härtere Maßnahmen zu setzen sein werden.

Was noch erschreckender ist – Sie haben dies selbst bereits bestätigt –: Der mutierte Virus B.1.1.7 wird uns noch vor viel größere Schwierigkeiten stellen. Dies zeigen uns die derzeitige Lage in England und Irland und auch die bereits existierenden Verdachtsfälle in Österreich. Es ist daher höchst an der Zeit, in die Gänge zu kommen und eine klare, transparente Impfstrategie zu kommunizieren.

Eines ist nämlich klar: Die derzeitige Pandemiebekämpfung dieser Bundesregierung ist eine Bankrotterklärung. Die Kompetenzen im Pandemiefall sind im Epidemiegesetz eigentlich klar geregelt. Die Kompetenz liegt ausschließlich bei Ihnen, Herr Gesundheits­minister. Da käme der Föderalismus eigentlich gar nicht zum Tragen. Wir müssen froh sein, dass jetzt die Länder und Gemeinden eingesprungen sind, aber Sie werden ja am laufenden Band von Bundeskanzler Kurz ohne Blinker rechts überholt.

Dies war schon bei der Aktion mit den FFP2-Masken für über 65-Jährige so. Übrigens, diese Aktion mit den Masken ist perfekt gelaufen: Wie hat es im vergangenen Jahr geheißen? – In kürzester Zeit haben die Betroffenen die Masken. – Bis heute wurde erst ein Teil ausgeliefert, und wenn man das Packerl erhalten hat, stellt man fest, es sind überraschenderweise Masken aus China, nicht vielleicht von einem der österreichischen Unternehmen, die ja auch zur Genüge Masken anbieten. Nein, nicht: Kauf ein in Österreich!, sondern: Kauf ein in China!, heißt die Devise. Dies ist wirklich traurig.

So, und nun zur nächsten Aktion plus, der Impfaktion 80 plus: Na hawidere, wie der Wiener zu sagen pflegt, das war auch wieder eine Überholaktion des Kanzlers von rechts ohne Blinker an Ihnen vorbei, Herr Bundesminister. Am 27.12. fand ja offiziell die mediale Eröffnung der Impfspiele statt: Österreich impft – hurra! –, Bundeskanzler rettet die Nation, Berichterstattung läuft nach Wunsch. Ein Auszug aus dem Videoprotokoll vom 30.12. zum Thema Covid-19-Impfstrategie lautet allerdings: Es wird angeregt, bereits neben Alten- und Pflegeheimen auch an den Krankenanstalten, zumindest an den Covid-Stationen, zu impfen. Es wurde nunmehr im E-Shop der BBG die Möglichkeit geschaffen, eine Woche nach dem Bestelltag der Alten- und Pflegeheime auch für die Covid-Stationen in Krankenanstalten Impfstoff zu bestellen. Darüber hinaus ist die Impfung in Krankenanstalten aber nicht möglich, da es im Jänner noch immer einen Engpass an Impfstoff gibt. Das restliche Personal in den Krankenanstalten (Zwischenruf des Bundesrates Novak) kommt wie ursprünglich geplant im Anschluss an die Alten- und Pflegeheime dran. – So weit der Auszug aus dem Protokoll.


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Dann aber ist die Stimmung in Österreich umgeschlagen, und es hat für den Kanzler nicht so gut ausgesehen: alles zu langsam, Impfdosen vergammeln im Keller und so weiter waren dann die Meldungen. Auch im Ausland wurde da schon heftigst geimpft. So lautet die nächste Schlagzeile: „Kanzler greift durch“ – alle der Gruppe 80 plus werden ab sofort geimpft. Somit konnten Sie, Herr Gesundheitsminister, das Gesund­heitsministerium, die Länder die gesamten bisher geplanten Impfstrategien über Bord werfen – wieder eine Glanzleistung.

Wie sieht diese Aktion 80 plus nun allerdings in der Realität aus? – Freitagnachmittag kam ein E-Mail an die Bürgermeister: Bis 16 Uhr am Montag sind alle Impfwilligen der ÖGK zu melden. – Aha! Impfung am Wochenende ab 16. Jänner in der ÖGK – ein Kinderspiel, weil ja jeder Bürgermeister die Handy- und Telefonnummern seiner Bürger samt Filter für das entsprechende Alter in der Hosentasche hat. Also gab es eine Sonderschicht mit der Amtsleitung, ZMR-Listen abfragen, Infoschreiben drucken, kuver­tieren, Postversand. – Postversand? Fehlanzeige, denn es ist ja, wenn der Brief an­kommt, eine Woche zu spät für die Adressaten. Findet also am Wochenende Kuriere!

Viele Kollegen haben auf die Feuerwehren zurückgegriffen oder halt Freiwillige in An­spruch genommen, um mit den Informationen zeitgerecht beim Bürger zu sein – bei mir waren es zum Beispiel 511 Bürger und Bürgerinnen –, aber auf die Gemeinden ist wie immer Verlass. Wir haben es geschafft: Bis Sonntagmittag war alles ausgeliefert, und am Montag glich es auf der Gemeinde einem Bienenstock, aber wir haben es wieder geschafft, und um 16 Uhr waren 350 Impfwillige registriert. Nun kommt es: Um 17 Uhr haben wir die Infoblätter zur Impfung erhalten, am Dienstag in der Früh einen Antwort­katalog für eventuelle dringende Anfragen – aber eh wurscht. Gestern waren es schluss­endlich 400 von 511 – toll! –, alle mit der Erwartungshaltung, am Wochenende wird geimpft. – Nix da! Jetzt trauen sich die über 80-Jährigen nicht mehr aus dem Haus, weil sie stündlich auf den Anruf der ÖGK warten, wann sie zum Impfen drankommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nebenbei sind zudem noch viele Fragen offengeblieben: Wie kommen ältere Personen aus dem ländlichen Bereich in die Impfzentren der Bezirke, wenn sie nicht mobil sind? Was ist mit den Bettlägerigen, den 24-Stunden-Betreuten und -Betreuern und, und, und? All die­se Fragen wurden an die Bürgermeister gestellt, und wieder werden wir alle alleine ge­lassen. Wir Gemeinden helfen zwar, wo wir können, aber alles werden wir auch nicht stemmen.

Wie hat Hans Winkler in der „Kleinen Zeitung“ treffend bemerkt? „Die Regierung muss sich wünschen, dass möglichst wenige sich impfen lassen wollen, denn sie hat nicht genug Impfstoff.“ – Genau so ist es auch. In Kärnten ist die Situation so, dass wir es vielleicht schaffen, wenn auch zusätzliche Impfungen zugelassen und geliefert werden, bis Ostern, Ende März, diese Impfwilligen 80 plus durchzuimpfen – bis Ende März. Das ist kein Märchen, da ist die Schlagzeile der „Kleinen Zeitung“: Bis Ende März 27 820 Imp­fungen für Kärnten.

Nur hat das Ganze noch einen Pferdefuß, Herr Minister: Diese Impfdosen für jene über 80 wären die gewesen, die Sie eigentlich laut eigener Zielvorgabe in Ihrer Impfstrategie für das Krankenhauspersonal und die Ärzte vorgesehen hätten. Dazu passt dann auch noch die Schlagzeile der „Kronen Zeitung“: „Schröcksnadel fordert die“ sofortige „Impfung für ÖSV-Athleten“. (Bundesrat Schennach: ... das ist ...!) – Ist das schon der Beginn eines Verteilungskampfes um Impfstoffe? Wo liegt die Priorität in unserem Land: Wintertourismus, Skiliftlobbyisten, Skisportler? Bei aller Hochachtung für ihre Leistung, muss wirklich alles – unser Gesundheitssystem, unsere Wirtschaft, unsere Kinder und die Freiheit von uns allen – geopfert werden? Ich hoffe inständig nicht.

Zurück zur Impfstrategie: In Dänemark weiß heute jeder Staatsbürger, wann er im heurigen Jahr seine Impfung bekommt. Bei uns ist jetzt elf Monate nichts passiert, es


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herrschen nur Unwissen und Unsicherheit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Bader und Zwazl.) Die Conclusio des Ganzen lautet: Da hat das Machtwort von Bundeskanzler Kurz zum völligen Impfchaos geführt.

Abschließend das Resümee zur Erfolgsgeschichte dieser Bundesregierung: Coronaapp gescheitert, Coronaampel gescheitert, Massenteststrategie gescheitert, Impfstrategie gescheitert. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Um diesbezüglich den Österreiche­rinnen und Österreichern mehr Sicherheitsgefühl geben zu können, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Verzöge­rung bei den Corona-Impfungen und Vorbereitung des Einsatzes von Selbsttests“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden. (1197/A)

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher nachstehenden Ent­schließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, die Durchführung der Corona-Impfungen nicht zu verzögern und unverzüglich alle vorhandenen Impfdosen an die Länder zur Verimpfung auszuliefern.

Er wird weiters aufgefordert, umgehend eine zentrale digitale Möglichkeit zur Impf­an­meldung und eine zentrale digital einsehbare Statistik über die bereits erfolgten Impfun­gen zu schaffen.

Um möglichst breites, regelmäßiges und niederschwelliges Testen zu ermöglichen, soll in Zukunft darüber hinaus auch auf den Einsatz von Tests zur Eigenanwendung gesetzt werden, sobald diese am Markt verfügbar sind.

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, die notwendigen Schritte, was die arbeits­rechtliche Situation und den Kontakt zur Gesundheitsbehörde (Verdachtsfall-Manage­ment, PCR-Testung, etc.) betrifft, umgehend klar zu regeln. Weiters ist die Qualität, die Sicherheit und die Zulassung dieser Tests sicher zu stellen.

Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass derartige Selbsttests breitflächig und kostenfrei zum Einsatz gebracht werden.“

*****

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.18


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Verzögerung bei den Corona-Impfungen und Vorbereitung des Einsatzes von Selbsttests“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 48

15.18.56

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesrat Kornhäusl hat in seiner Rede behauptet, dass 50 Prozent aller Asymptomatischen ansteckend sind. Das ist falsch.

Ich berichtige tatsächlich: Die WHO hat bereits im Juni festgestellt, dass das nicht so ist, des Weiteren gibt es vom Herbst eine Studie aus Wuhan, in der mehrere Tausend Per­sonen darauf getestet wurden, und auch da ist herausgekommen, dass asymptomatisch Infizierte nicht ansteckend sind. Zuletzt gab es kürzlich eine Studie der Universität Inns­bruck, in der die beiden Leiter der Inneren Medizin ebenfalls zum Ergebnis gekommen sind, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass irgendjemand, der asymptomatisch infiziert ist, jemanden anstecken kann. In Ihrer Welt sind das aber wahrscheinlich wieder Alu­hutträger. (Beifall bei der FPÖ.)

15.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.20.08

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich kann gleich auf die tatsächliche Berichtigung erwidern und vielleicht ein paar Begrifflichkeiten klarstellen.

In dieser Studie mit den 50 Prozent ging es darum, dass 50 Prozent der Ansteckungen von Personen erfolgt sind, die zu diesem Zeitpunkt keine Symptome gehabt haben. Wenn eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Symptome hat, kann sie ent­weder eine dauernd asymptomatische Person sein, die auch nachher keine Symptome hat, oder sie kann präsymptomatisch sein und in den nächsten Tagen Symptome ent­wickeln.

Die Personen, die präsymptomatisch sind – das wissen wir –, sind genauso ansteckend wie Personen, die symptomatisch sind (Bundesrat Spanring: Sind Infizierte!), sie sind infiziert und erkranken dann nachher. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Person keine Symp­tome hat, weiß sie, wenn sie nicht getestet ist, aber noch nicht, ob sie eine präsymp­tomatische oder asymptomatische Person ist, deswegen macht das für die Ver­haltens­vorschriften von nicht Getesteten keinen Unterschied.

Asymptomatische – dauernd Asymptomatische – sind nach dem Stand der Wissen­schaft viel weniger ansteckend als präsymptomatische oder symptomatische Personen. Das Letzte, was ich gelesen habe: Sie verursachen nur 25 Prozent der Ansteckungen im Ver­gleich zu Personen, die symptomatisch sind, aber sie sind auch nicht komplett ansteckungsfrei.

So, jetzt zum Inhalt dieser Gesetzesvorlage: Ich möchte kurz das Zustandekommen dieser Novelle rekapitulieren und das, was sich letztlich gegenüber dem Silvester­ent­wurf, den wir ja noch abgelehnt haben, geändert hat. In diesem Silvesterentwurf ist ja versucht worden, das, was der Herr Bundeskanzler in einer Pressekonferenz erklärt hat, irgendwie zu einem Gesetz zusammenzuschustern. Das war nicht das erste Mal.

Es ist natürlich schwierig, Marketinggags in verfassungskonforme Gesetze zu gießen. In diesem Silvesterentwurf ist versucht worden, drei Sachen zu verknüpfen – was zum Scheitern verurteilt war –: erstens die Massentests, die nach dem damals angekün­dig­ten Plan keine gute Idee waren, da Massentests, die man in großem Zeitabstand wie es sich der Herr Bundeskanzler vielleicht nach dem Vorbild der Slowakei gedacht hat  und zu einem Zeitpunkt durchführt, an dem das Infektionsgeschehen schon länger zurückgeht, medizinisch sinnlos sind.


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Sehr viel sinnvoller sind die Tests so, wie sie jetzt in den meisten Bundesländern auch zukünftig geplant sind; teilweise wurde schon damit begonnen, ständige nieder­schwel­lige Gratistestmöglichkeiten zu schaffen. Der Regierungsplan war, wenn man Ihnen gute Absichten unterstellt, einen Anreiz zu schaffen und die Beteiligung an diesen Massen­tests zu steigern.

Es ist natürlich eine der schlechtesten Ideen, sowohl verfassungsrechtlich als auch medizinisch, die Geltung der Ausgangsbeschränkung mit der Teilnahme an Massentests zu verknüpfen, weil nämlich wie wir das heute auch schon öfters gehört haben  ein Test nur eine Aussage über die Infektiosität zum Zeitpunkt des Tests beziehungsweise je nachdem, ob es ein Schnelltest oder ein PCR-Test ist  für ein paar Stunden bis Tage machen kann. Man kann auch für die Zukunft noch Prognosen oder Wahrschein­lich­keitsrechnungen anstellen, aber sicher nicht so, wie es vom Bundeskanzler verkündet worden ist, dass ein negatives Testergebnis, das man sich bei einem Massentest holt, dann eine Woche lang den Zutritt zu Betrieben, Gastronomiebetrieben, Kultur- und Frei­zeiteinrichtungen gewähren soll, denn das wäre medizinisch kontraproduktiv gewesen.

Ein drittes Thema: Es wurde damals die Teilnahme an den Massentests unzulässiger­weise auch mit Betretungsverboten verknüpft.

Jetzt, in der fünften Sitzung, ist es das erste Mal, obwohl es schon oft die Gelegenheit gegeben hätte, dass ich das Wort Lockdown in den Mund nehme. Das ist ein Wort, das ich nicht mag, weil es kein rechtlicher Terminus ist und weil es einen sehr vagen Be­deutungsinhalt hat. Es dient sowohl den Personen, die es verwenden, als Ausdruck, wenn sie sich nicht genau festlegen wollen, als auch den Personen, die es hören, als Projektionsfläche; man kann sich also unterschiedliche Sachen darunter vorstellen. Den Vogel abgeschossen hat ÖVP-Nationalratsklubobmann Wöginger, als er gesagt hat: Lockdown heißt Lockdown. – Das ist so ähnlich wie: Brexit means Brexit. (Bundesrat Himmer: Da ist er aber auf der sicheren Seite, oder? Heiterkeit des Bundesrates Bader.)

Welche Maßnahmen damit nämlich gemeint sind, was alles davon umfasst wird, reicht von Ausgangsbeschränkungen über Betretungsverbote für den Handel oder Gastrono­miebetriebe oder Beherbergungsbetriebe oder Kultureinrichtungen, Freizeiteinrich­tun­gen bis hin zu Veranstaltungsverboten, Distanzunterricht oder nicht, Auflagen oder nicht. Ich halte es deswegen nicht nur rechtlich, sondern auch politisch für keine gute Idee, diesen Begriff zu verwenden, denn eine allfällige Einschüchterungsabsicht oder eine Absicht, damit das Verhalten von Personen zu beeinflussen, was vielleicht im Frühling damit verbunden war, geht momentan nach hinten los.

Was ich vorschlagen würde oder was ich sogar schon in der Sitzung vor Weihnachten gesagt habe, betrifft eine Maßnahme, die mir nach wie vor fehlt, nämlich die Forcierung des Homeoffice: Die Schweiz, ein Land, das nicht für die Gängelung der Wirtschaft be­kannt ist, hat diese Woche eine Maßnahme gesetzt, die Agenda Austria – sie ist auch nicht für wirtschaftsfeindliche Positionen bekannt – hat eine Studie vorgestellt, dass über ein Drittel der Arbeitsplätze in Österreich für dauerndes Homeoffice geeignet sind.

Jetzt ist es nicht unbedingt so, dass die Methode, wie man die Homeofficebeteiligung stark erhöht, eine normative sein muss, also es muss meiner Meinung nach nicht unbe­dingt eine Verordnung sein. Es wäre auch eine Möglichkeit, dass sich die Sozialpartner gemeinsam hinstellen und sagen (Bundesrat Schennach: ... häufiger genutzt werden!), sie sind der Meinung, dass das Homeoffice sehr viel häufiger genutzt werden soll, weil das nachgewiesenermaßen eine der besten und effizientesten Möglichkeiten zur Kon­taktreduktion und zur Vermeidung von Ansteckungssituationen ist.

Ich möchte in dem Zusammenhang auch noch auf die Einreiseverordnung eingehen, wie ich das auch schon vor Weihnachten gemacht habe. Es ist am 15.12.2020 in dieser


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Einreiseverordnung eine Länderliste für die Staaten, aus denen die quarantänefreie Einreise möglich ist, veröffentlicht worden. Ich habe schon damals gesagt, das ist grundsätzlich eine gute Idee, aber diese Liste muss am besten wöchentlich upgedatet werden, um auf die unterschiedlichen Infektionsgeschehen in diesen Ländern eingehen zu können.

Was ist passiert? Es ist vier Wochen lang nichts passiert, die Novelle dieser Länderliste ist erst diese Woche kundgemacht worden. In der Zwischenzeit sind in einem dieser Länder, in Irland, die Infektionszahlen ganz stark angestiegen. Österreich hat nicht rechtzeitig darauf reagiert und hat noch drei Wochen, nachdem dort bereits eine sehr gefährliche Inzidenz aufgetreten war, die quarantänefreie Einreise aus Irland erlaubt. Das halte ich für fahrlässig.

Irland war zu dem Zeitpunkt, als die Liste am 15.12. kundgemacht worden ist, das beste Land Europas, aber bereits vor Weihnachten gab es in Irland schon diese Werte, die Zahlen sind so in die Höhe gegangen, dass die Anzahl der Personen, die sich zu Weih­nachten treffen konnten, von der irischen Regierung bereits vor Weihnachten stark reduziert wurde und dort die höchste das ist die fünfte  Stufe betreffend die Strenge der Maßnahmen ausgerufen worden ist. Wir haben uns drei Wochen lang Zeit gelassen. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Viele andere Länder bringen es auch zusammen, wöchentlich ein Update dieser Länderliste zu machen, das ist keine Hexerei: Deutschland macht das, Dänemark macht das, Norwegen macht das, Finnland macht das. Die machen wöchentliche Updates.

Sehr erfreulich in der neuen Version der Einreiseverordnung ist, dass endlich die Digita­lisierung, was die Erfassung der Einreisenden betrifft, Einzug hält – Digitalisierung statt der monatelangen Zettelwirtschaft, die unleserliche handschriftliche Angaben enthält, die dann vermutlich von Grundwehrdienern in den Computer eingegeben werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber ich muss sagen, er kommt auch ziemlich spät. Wir sind viele Monate hinterher, hinter anderen Ländern wie zum Beispiel Griechenland, Spanien oder Italien, auf die der Herr Bundeskanzler damals noch herabgeschaut hat. Diese Digitalisierung brauchen wir nicht nur bei der Erfassung der Einreisen, sondern auch im Contacttracing.

Diese Novelle, die durch überparteiliche Zusammenarbeit in eine mehrheitsfähige Fas­sung gebracht werden konnte, ermöglicht jetzt feiner abgestufte und damit auch raschere Öffnungsschritte, wenn sich die seit Mitte November sichtbare Verminderung des Infektionsgeschehens weiter so fortsetzt, und ich kann nur appellieren, dass wir weiter daran arbeiten, dass die Einschränkungen der persönlichen Freiheiten kontinuier­lich wieder verringert werden können. – Danke.

15.31


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte.


15.31.30

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zusehe­rinnen via Livestream bei dieser Sondersitzung des Bundesrates! Ja, wir sind in dieser Zeit alle schon etwas müde, wie mein Kollege gesagt hat, und auch etwas mürbe geworden. Die Einschränkungen, die wir in unserem Alltag hinnehmen müssen, sind einfach schon anstrengend für alle Gesellschafts- und Berufsgruppen, ich möchte gar nicht alle aufzählen.

Jede und jeder ist auf irgendeine Art und Weise betroffen, im Beruf, im Privatleben. Unser Alltag hat sich durch die Coronapandemie auf eine Weise verändert, wie wir es


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uns vor einem Jahr nie und nimmer vorstellen konnten. Einfach einkaufen zu gehen – auch außer Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs –, jegliche Art von Konsum war für uns immer eine Selbstverständlichkeit, ist aber derzeit zum Schutz nur ein­ge­schränkt möglich.

Freunde zu treffen, Kontakte zu pflegen – ich denke da an unsere Jungfeuerwehr­grup­pen und die Volkstanzgruppe im Dorf –, Kunst- und Kultureinrichtungen zu besuchen oder ein einfacher Kinobesuch mit den Kindern oder Freundinnen und Freunden, unein­geschränkt Urlaub zu machen, egal wohin wir gehen wollen: Das alles ist so wertvoll für uns geworden; aber wie so oft lernen wir vieles erst durch einen Mangel wieder zu schätzen.

Die Coronapandemie hat uns vieles gelehrt. Jedem und jeder von uns sei es selbst überlassen, welche Lehren er oder sie aus dieser Zeit mitnimmt. Am Beginn des Aus­bruchs der Pandemie in Österreich stärkte uns der Zusammenhalt. „Schau auf dich, schau auf mich“ war der große Leitspruch zu Beginn und hat für mich und für uns alle immer noch Gültigkeit, auch jetzt.

Halten wir uns gemeinsam an die Maßnahmen und schützen wir uns nicht nur selber, sondern auch unser Gesundheitssystem und damit ganz sicher auch jene, die die Spitäler und Gesundheitseinrichtungen dringend brauchen, egal ob mit oder ohne Coronaerkrankung! Ich erinnere da an die ganz aktuellen Bilder aus Großbritannien, wo Einsatzfahrzeuge, Rettungsfahrzeuge in der Warteschlange vor den Spitälern stehen.

Ich kann daher absolut nicht verstehen, dass es immer noch Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum gibt, die den Ernst der Lage nicht verstehen oder vielleicht nicht ver­stehen wollen. Für mich grenzt das Nichttragen eines Mund-Nasen-Schutzes an gegen­seitige Respektlosigkeit und mangelnde Wertschätzung (Bundesrat Schreuder: Danke!), nämlich den Nächsten gegenüber. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Schumann.)

Ich denke, gerade hier im Hohen Haus zeigt das wirklich keine Stärke des Einzelnen oder der Partei, sondern ist für mich eine Missachtung der Bedeutung und der Würde des Parlaments, denn wenn ich Sie im Zug, am Bahnhof, in der U-Bahn oder im Hotel sehe, tragen Sie ja auch eine Maske. Dieses Verhalten hier herinnen ist für mich etwas befremdlich, aber, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, Sie werden nicht über Ihren Schatten springen, wir wissen das. Manche in Ihrer Partei dürfen vielleicht nicht, und ein Teil will es wahrscheinlich auch gar nicht.

Ein paar Kolleginnen und Kollegen von Ihnen sind vernünftig und tragen die Masken beziehungsweise die Maßnahmen mit, gerade in dieser schwierigen Zeit. Wir kennen das in Oberösterreich, und gerade in Oberösterreich ist man, so hört man, nicht mehr ganz auf der Linie der Bundespartei; da erinnere ich nur an die Pressemeldung von Klubobmann Mahr aus Oberösterreich, in der er die Äußerungen von Bundes­partei­obmann Kickl über den neuen Arbeitsminister Kocher kritisiert. Der andere Teil Ihrer Partei rund um den Klubobmann stellt sich hier im Plenum aber gerne und bei jeder Gelegenheit als Besserwisser der Nation dar und prangert alles an und verunsichert damit die Menschen (Bundesrätin Schartel: Wer?!), und das ist meiner Meinung nach gefährlich und einfach nicht zielführend. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, es stimmt, die Situation ist, auch weltweit, nicht einfach. Die Entwicklung der Neu­infektionszahlen, die Situation in den Spitälern – die zwar durch den Lockdown sicher etwas entschärft worden ist –, die Entwicklung in den Nachbarländern, wie gesagt, und jetzt auch noch eine Mutation des Virus, von der wir wissen, dass sie noch ansteckender ist, machen weitere Entscheidungen und die Vorgehensweise nicht leicht, aber ich habe den Verdacht, dass es vonseiten der FPÖ einfach nur Parteitaktik ist.


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Während die SPÖ eingelenkt hat und jetzt auch mit uns, den Regierungsparteien, das Eintrittstesten mitträgt, schalten Sie von der FPÖ auf stur und spielen dabei ganz be­wusst mit der Ungeduld der Menschen, die in den letzten Monaten alle Maßnahmen mitgetragen und damit sich und andere geschützt haben.

Geschätzte KollegInnen von der Freiheitlichen Partei, Sie bringen damit andere – vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst, ich weiß es nicht – in Gefahr, indem Sie, glaube ich, ganz bewusst die Gesellschaft spalten und Sicherheit und Stabilität in unserem Land aufs Spiel setzen; ich denke da an die vielen Demonstrationen. Das wissen Sie genau, und damit wollen Sie politisches Kleingeld wechseln. Da denke ich an den Beitrag auf einer Social-Media-Plattform, in dem Klubobmann Steiner unseren Herrn Bundeskanzler beschimpft, nämlich aufs Tiefste. (Bundesrat Steiner: Was habe ich denn gesagt?) – Na ja, auf der Social-Media-Plattform spricht man nicht, aber man schreibt, und das ist somit geschriebenes Wort. (Bundesrat Steiner: Aha!) Anstatt verantwortungsvoll für unser Land und seine Menschen zu handeln - - (Bundesrat Steiner: Was steht denn da?) – Das möchte ich hier gar nicht wiederholen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ah so, na super!)

Sie wissen nämlich ganz genau: Wenn wir sofort wieder alles aufsperren, schießen die Infektionszahlen in die Höhe, und die Spitäler sind im Nu wieder an der Grenze ihrer Kapazitäten. Das wollen wir nicht riskieren, und das darf auch nicht passieren. Das ist eine Gefahr für uns alle, das sollte Ihnen klar sein, und das ist uns auch klar. Daher braucht es jetzt ein verantwortungsvolles Handeln und ein vernünftiges, sensibles Vor­gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Mit den zugelassenen Impfstoffen gibt es jetzt endlich eine Möglichkeit, der Pandemie beizukommen.

Kurz noch zu Ihrer Stellungnahme (in Richtung FPÖ): Es ist kein Zwangstesten und kein Zwangsimpfen. Diese Testung, diese Teststrategie, diese Impfstrategie sind die große Hoffnung für ältere Menschen, für Hochrisikogruppen, für Menschen in kritischer Infra­struktur und natürlich für alle, die sich auf diese Art freiwillig vor einer Coronaerkrankung schützen wollen. Daher ist es jetzt notwendig, Schritt für Schritt die Impfung für diese Personen möglich zu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Teil der Strategie muss es auch sein, den Menschen zu kommunizieren, dass regelmäßiges Testen genauso vor einer Ausbreitung schützt wie das Tragen der Maske, das Abstandhalten und regelmäßiges Händewaschen. Wir dürfen Tests nicht als Einschränkung sehen, sondern als Möglichkeit, sich und andere vor einer Erkrankung zu schützen. Schau auf dich und schau auf mich: Ich glaube, es gibt keinen treffenderen Aufruf.

Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss wird im Rahmen der Teststrategie Besuchern und Kunden das sogenannte Eintrittstesten für Veranstaltungen und für das Betreten be­stimmter Orte ermöglicht werden. Ebenso soll es sogenannte Screenings in bestimmten Berufsgruppen geben. Das betrifft unter anderen körpernahe Dienstleister, Lehrper­sonal, Gastronomie – wir kennen das aus der Vorlage. Wichtig und wesentlich ist, dass bei den Testungen in den Betrieben die Kosten vom Bund übernommen werden, dass also den Dienstnehmern dabei keine Kosten entstehen.

Weiters wird mit einem Gesetzesbeschluss ein weiterer Schritt zur Umsetzung des E-Impfpasses gesetzt. Die Eintragung der Covid-Impfung in den elektronischen Impfpass kann somit sofort passieren.

Ich möchte erwähnen, dass ein weiterer Gesetzesbeschluss im Besonderen für die Länder und Gemeinden wesentlich ist. Auf die Länder und Gemeinden kommen durch die Umsetzung der Teststraßen und der Covid-19-Impfstellen erhebliche Mehrkosten im Bereich Personal, Anmietung von geeigneten Räumlichkeiten und Infrastruktur zu. Dazu


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werden vom Bund weitere 110 Millionen Euro in die Hand genommen, um den Ländern und Gemeinden bei der Abwicklung zu helfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist es wichtig, dass wir einen breiten Zugang, ein breites Angebot von Tests und Impfmöglichkeiten für die Bevölkerung aufstellen. Eine Umsetzung mithilfe von zentralen Anlaufstellen, Arztpraxen, Apotheken, Betrieben und mobilen Angeboten ist notwendig, um ein breites, niederschwelliges Angebot zu schaf­fen.

Ich bin mir sicher, es ist für die Menschen danach, genauso wie es Kollege Kornhäusl mit den Nebenwirkungen bei der Impfung beschrieben hat, ein gutes Gefühl, negativ getestet, auch geimpft und geschützt zu sein und so wieder die Möglichkeit zu haben, ohne Risiko etwas von jener Normalität, wie wir sie vor der Pandemie als selbst­ver­ständlich wahrgenommen haben, zu erlangen.

Die Bewältigung dieser Gesundheitskrise und der Weg daraus sind langwierig, nicht leicht – das wissen wir – und, wie wir bei uns so sagen, einfach zach. Das ist es einfach für uns alle, und daher müssen wir einander helfen, uns gegenseitig motivieren und bei diesem Marathon, wie wir heute schon gehört haben, alle Schritt für Schritt mit ins Ziel nehmen. Wir sollten, denke ich, unseren Egoismus überwinden, um andere und Schwächere zu schützen. Das ist unsere Aufgabe als Verantwortungsträger und nicht zuletzt als Staatsbürger. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.42


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundes­rätin Andrea Michaela Schartel zu Wort gemeldet. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung verweisen. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte schön.


15.42.50

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Bundesrätin Meisenberger hat in Ihrer Rede behauptet (Bundesrätin Miesenberger: Miesenberger!), dass die FPÖ nur dahin gehend unterstützend wirkt, dass sie die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt.

Ich berichtige tatsächlich: Die FPÖ unterstützt weder die Regierung noch die ÖVP. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Aber die Spaltung treibt ihr voran! – Bundesrat Steiner: Das macht ihr schon selber! Danke, da brauchen wir gar nichts mehr tun!)

15.43


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


15.43.20

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Es ist bekannt, dass wir dieses Gesetz aus burgen­ländischer Sicht kritischer sehen, sehr kritisch sehen. Das Freitesten – das habe ich schon am 22.12. Herrn Minister Anschober gesagt – sehen wir als verfassungswidrig. Auch beim Eintrittstesten sind wir aus burgenländischer Sicht eher der Meinung, dass es verfassungswidrig ist, und deshalb werden wir – das stelle ich jetzt gleich fest – diesem Gesetz heute nicht zustimmen. (Bundesrat Himmer: Wer ist „wir“?)

Die Begründung liegt aber natürlich vor allem im Handeln der Regierung, im Handeln der türkis-grünen Regierungsparteien. Ich möchte das jetzt in einer Abfolge darstellen, damit man ein bisschen auf die letzten Monate repliziert und sich daran erinnern kann, was alles passiert ist und was ÖVP und Grüne gemeinsam hier in der Republik Öster­reich veranstaltet haben.


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Zum Ersten: Die türkis-grüne Regierung hat bei der Bekämpfung der Coronapandemie – und das sage ich ganz offensiv als Burgenländer – flächendeckend versagt. Die türkis-grüne Regierung hat aus meiner Sicht nie wirklich Gespräche mit uns, mit den Parteien oder mit anderen relevanten Gruppen gesucht, die bei den Maßnahmen hätten ein­gebunden werden können. Die türkis-grüne Regierung erließ vor allem im vorigen Jahr Gesetze und Verordnungen, die massive Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte und eine Reihe von Verfassungsbrüchen zur Folge hatten. Gleichzeitig hat die türkis-grüne Regierung die höchsten Infektions- und Todeszahlen zu verantworten. Meine Damen und Herren, der türkis-grünen Regierung ist der Schein wichtiger als das Sein. Ins­zenierung und millionenschwere Inserate für Medien ersetzen keine Politik und kein Management – ich erinnere an die 210 Millionen Euro. (Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Die türkis-grüne Regierung hat nicht nur im Zusammenhang mit den nicht durchdachten Massentests damals die völlig absurde Idee gehabt, sich freitesten zu lassen. Zum Versagen beim Impfen möchte ich gar nicht Stellung nehmen, sie hat es nämlich drei Wochen lang verabsäumt, für die Gesundheit unserer Menschen zu impfen. Drei Wochen hat man ins Land ziehen lassen, nach Weihnachten waren Sie praktisch auf Tauch­station. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Alle anderen Staaten haben schon geimpft und wir haben das eigentlich verabsäumt. Das muss man ganz klar sagen.

Es geht hier um Menschenleben. Gestern habe ich vernommen, dass insgesamt 7 000 Men­­schen verstorben sind, 3 000 Menschen in den Pflegeheimen. Wenn man es genau nimmt, könnte man einmal nachfragen, warum nicht wichtige Maßnahmen in den Alten­heimen gesetzt worden sind, damit wir das in Zukunft noch verhindern. (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Anschober.)

Die Bundesländer, meine Damen und Herren, haben das Impfmanagement dann über­nehmen müssen, und das wird auch in allen neun Bundesländern gut funktionieren. In Wahrheit ist das aber auch eine Bankrotterklärung für diese türkis-grüne Regierung gewesen, weil das eben nicht geklappt hat. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober. – Bundesrat Steiner: Der Minister ist nervös!) Und die türkis-grüne Regierung war in den letzten Tagen nicht fähig, konkrete Informationen zur Schulöff­nung, für die Wirtschaft und für die Bevölkerung zu liefern. Also ich habe nichts gehört. (Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Die türkis-grüne Regierung hat keinen Plan für die Zeit nach der Bewältigung der Pan­demie. Das Management in der Pandemie hat völlig versagt, und das Management wird auch in der Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen dieser Pandemie versagen.

Zu Tagesordnungspunkt 1 möchte ich ein bisschen auf Mag. Himmer replizieren: Warum haben wir heute eigentlich Tagesordnungspunkt 1 gehabt? – Weil es eine Ministerin gab, die ihre Doktorarbeit, ihre Magisterarbeit gefälscht hat. Deshalb waren wir heute zu diesem Punkt hier! Und wir bekommen mit Herrn Kocher einen Nachfolger, der, glaube ich, kaum auf die ArbeitnehmerInnen, vor allem nicht auf die Arbeitslosen schauen wird, da heute im „Standard“ zu lesen war, dass das Arbeitslosengeld, anstatt es zu erhöhen, vielleicht noch mehr reduziert werden soll. Unglaublich! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Diese türkis-grüne Regierung muss zur politischen Verantwortung gezogen werden, denn diese Regierung wird die sozialen und wirtschaftlichen Folgen dieser Pandemie unmöglich bewältigen können beziehungsweise auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer austragen wollen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Wie gesagt, der burgenländische Teil der Frak­tion wird heute dagegenstimmen. – Danke schön. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie Beifall und Bravorufe bei BundesrätInnen der FPÖ.)

15.48



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Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Himmer zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.48.56

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Da hier gesagt worden ist, dass die Frau Bundesminister ihre Magisterarbeit gefälscht hat, ihre Doktorarbeit gefälscht hat, möchte ich tatsächlich berichtigen, dass diesbezüglich jetzt eine Überprüfung stattfindet.

Ich empfinde es wirklich als unpassend, die Unschuldsvermutung so mit Füßen zu treten, wie das soeben hier geschehen ist. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

15.49


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses.


15.49.37

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Herr Prä­si­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Ich muss sagen, bei der Rede des Kollegen Kovacs habe ich noch einmal auf die Rednerliste geschaut. Sie, Herr Kollege, waren als Proredner ein­getragen, ich habe auch geschaut, unter welcher Parteizugehörigkeit Sie eingetragen sind. Ich muss sagen, ich bin über das, was Sie hier gesagt haben, schon sehr verwun­dert. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Ich bin verwundert, weil ich es wirklich schade finde, dass Sie den Expertinnen und Experten nicht vertrauen und weil ich es vor allem auch bedauerlich finde, dass Sie Ihrer eigenen Parteivorsitzenden, einer Epidemiologin, nicht vertrauen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ihre eigene Parteivorsitzende ist Epidemiologin, sie ist Infektiologin, sie war Sektions­chefin für öffentliche Gesundheit – und Sie vertrauen ihr offensichtlich nicht. (Bundesrat Leinfellner: Man darf vielleicht auch anderer Meinung sein!) Lieber Herr Kollege Kovacs, wenn Sie schon Ihrer Parteivorsitzenden nicht vertrauen und wenn Sie schon der Bun­desregierung nicht vertrauen, vertrauen Sie doch Ihrer eigenen Community auf Face­book. Die schreibt nämlich – ich darf zitieren –: Weiß nicht, was besser ist, testen und Gastro öffnen oder zugesperrt lassen. – Und die schreibt weiters: Wenn sie wieder auf­sperren dürfen, sind mir die Bedingungen ehrlich gesagt herzlichst wurscht, und wenn man dafür im Handstand reingehen muss. – Zitatende. Ich kann Sie beruhigen, das ist nicht geplant. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht auf alles eingehen, was wir heute schon gehört haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen nur sagen: Vieles ist wirklich schlicht zynisch, das erkennt man, wenn man einen Blick auf die Infektionszahlen wirft, wenn man weiß, dass in Österreich mittlerweile über 380 000 Menschen positiv getestet wurden, wenn man mit Leuten ins Gespräch kommt, die heute noch an Langzeitfolgen leiden, die heute noch müde sind, nichts schmecken, nichts riechen – die heute noch mit diesen Folgen zu kämpfen haben. (Bundesrat Steiner: Und wie viele sind genesen?) Und es ist zynisch gegenüber allen, die den Kampf gegen dieses Virus verloren haben. Es ist auch zynisch gegenüber allen, die sich an die Maßnahmen halten und alles dafür tun, damit die Zahlen sinken und wir möglichst gut durch diese Pandemie kommen kön­nen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen einen Kampf gegen eine Pandemie, gegen ein Virus, gegen unglaubliche Auswirkungen auf die Gesundheit, auf die Gesell­schaft, auf die Wirtschaft, auf uns alle. Das fordert uns, das verlangt uns allen alles ab.


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Und ich habe eine große Bitte in Ihre Richtung (Richtung FPÖ): Lassen wir nicht zu, dass der Kampf gegen Corona auch zu einer Auseinandersetzung zwischen uns selbst wird – gegen Fakenews, gegen die unglaublichen Dynamiken, mit denen sich da Nachrichten verbreiten, und gegen all jene, die versuchen, in dieser Situation auch noch einen Keil in die Gesellschaft hineinzutreiben! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Jawohl, auf das haben wir gewartet! Bravo! Sehr gut!)

Ich sage Ihnen allen: Vergeuden wir nicht unsere Energie, indem wir uns gegenseitig bekämpfen! Stecken wir doch alle Energie da hinein, wo wir sie wirklich brauchen, nämlich in den Kampf gegen diese Pandemie! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das hättet ihr früher sagen können!)

Was bedeutet das, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Fangen wir zunächst einmal damit an, dass wir uns unseren Glauben an die Forschung und an die Wissen­schaft nicht nehmen lassen, dass wir weiterhin auf diese vertrauen. Vertrauen wir auf die­jenigen, die Virologie studiert haben, und nicht auf ein Youtube-Video, auf eine Whatsapp-Nachricht und auf den vermeintlichen Experten! Prüfen wir die Nachrichtenquellen, die es da gibt!

Unter dieser Voraussetzung gibt es im Kampf gegen das Virus eine wirklich gute Nach­richt: Es gibt ein Gegenmittel, es gibt eine Impfung. Ich bin froh, wenn wir heute alles dafür tun, damit diese Impfung allen, die das freiwillig möchten, flächendeckend zur Ver­fügung gestellt wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir arbeiten daran, wir machen das – es hat bereits begonnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind ohne Zweifel herausfordernde Monate, die da auf uns zukommen und die auf uns warten, insbesondere wenn wir an die Zahlen aus Großbritannien denken. Auch da tut es gut, wenn wir an die Wissenschaft glauben und daran, was uns die Wissenschaft ermöglicht hat. Wir können uns heute nämlich ganz einfach Klarheit darüber verschaffen, ob wir selbst infektiös sind, also dieses Virus in uns tragen und damit vielleicht auch andere gefährden. Ich bin froh, dass wir heute auch eine Teststrategie beschließen, die dem Stand der Wissenschaft gerecht wird. Wir werden diese Teststrategie weiter adjustieren. Die nächsten Monate gilt wirklich: Testen, testen, testen! – Wir ermöglichen damit hoffentlich, verschiedene Bereiche der Wirtschaft wieder zu öffnen. Ich glaube, das ist ein Hoffnungssignal, das jeder von uns braucht. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist Unsinn! Was sollen wir da glauben?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Testen gibt es schon am nächsten Wochenende die nächste Gelegenheit. (Bundesrätin Schartel: Hurra!) Es finden Mas­sentestungen statt. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung berichten, dass diese von unseren Gemeinden und allen Freiwilligen, die da im Einsatz sind, unglaublich profes­sionell und toll organisiert werden. Ich kann Sie nur bitten – jeden Einzelnen –: Gehen Sie hin, nutzen Sie die Möglichkeit, verschaffen Sie sich Gewissheit! Das ist es, was wir brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte damit schon zum Schluss kommen. Es gibt Ereignisse im Leben eines jeden Menschen, an die er sich immer erinnern wird – das sind persönliche, private, ganz positive Ereignisse –, es gibt aber auch Ereignisse, an die man sich kollektiv erinnert. Wenn wir an den Beginn der Pandemie denken, dann war das solch ein Ereignis, an das wir uns alle erinnern werden. Der Beginn der Pan­demie: Diesen Eintrag in den Geschichtsbüchern hat die Pandemie bereits. Wir stecken aber mitten drinnen, und wir haben es in der Hand, das Ende dieser Pandemie zu schrei­ben und mitzubestimmen. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich möchte, und zwar möchte ich, dass wir dann lesen können: Es war schwierig, aber wir haben durch­gehalten, wir haben zusammengehalten und wir haben schließlich auch am Comeback festge­hal­ten! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

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BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 57

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.


15.56.14

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­schätzter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich glaube, Sie können tatsächlich froh sein, dass es die SPÖ gibt und dass uns das Wohlergehen der Menschen in unserem Land so wichtig ist, dass wir bereit sind, mitzuwirken. (Beifall bei der SPÖ.) Wir sind bereit, mitzuwirken, damit wir dieses Virus in unserem Land bald besiegen und keinen weiteren Lockdown mehr brauchen. Wir können mit gutem Gewissen und selbstbewusst be­haup­ten: Die Teststrategie, die nun vorliegt, geht auf unsere Rechnung! (Beifall bei der SPÖ.)

Man muss schon sagen, ohne uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen wäre das Chaos perfekt. Wenn man den Vorschlag zum Freitesten noch vor wenigen Tagen gesehen hat – von der Vorgehensweise ganz zu schweigen –, dann wird schon klar, dass es da mittlerweile eine Überforderung in der Bundesregierung gibt.

Ja, die Herausforderungen sind groß. Wer möchte schon eine Pandemie bewältigen müssen? Vernünftige Menschen, Menschen mit Hausverstand werden aber in einer Krise immer versuchen, alle Menschen, die zu einer Lösung beitragen können, einzu­binden, und das sind nun einmal alle Parteien, die Sozialpartner, die Länder und die Gemeinden und so weiter. Unsere Parteivorsitzende und wir als Gesamtpartei bringen, das können wir mit Fug und Recht behaupten, seit Monaten Vorschläge, wie diese Pandemie bewältigt werden kann. Von uns liegt seit Monaten eine Teststrategie auf dem Tisch und endlich, so muss man sagen, werden diese Vorschläge auch aufgegriffen.

Wir haben oft den Eindruck, dass Wählerstimmen, dass die persönlichen Umfragewerte des Kanzlers einfach wichtiger sind, und dann kommt am Ende des Tages solch ein Chaos heraus. Die Leute werden es mittlerweile müde, permanent eine Karotte vor die Nase gehalten zu bekommen, die man ihnen dann am nächsten Tag wieder wegnimmt. All das, was mit Vertrauen und Zusammenhalt zu tun hat, ist keine Frage der Appelle, sondern das muss man leben, denn nur dann kann es gelingen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Vertrauen und dieser Zusammenhalt, die auch meine Vorrednerin angesprochen hat, schwinden zunehmend und entgleiten dieser Regierung, weil sie nicht gelebt werden und nicht ernst gemeint sind. Die Menschen können die Maßnahmen nur mehr schwer mittragen, weil sie nicht stringent sind, weil sie schwer nachvollziehbar und manchmal auch nicht sinnvoll sind. (Beifall des Bundesrates Hübner.)

Ich bin jetzt ganz ehrlich: Dass wir heute hier mitgehen, ist für uns – sagen wir es gelinde – zwiespältig. Wir könnten natürlich auch auf dem Standpunkt stehen und sagen: Regelt euch doch dieses Chaos selber, wir haben damit nichts zu tun! Schaut selber, wie ihr aus diesem Chaos herauskommt! – Dafür sind uns als SozialdemokratInnen aber die Menschen und dieses Land zu wichtig. Wir springen ein, damit die Gesetze zumin­dest halbwegs erträglich sind. Wir fühlen uns den Menschen verpflichtet. Wir spüren Verantwortung und wollen aus dieser Krise nicht auf deren Rücken politisches Kleingeld machen, wie dies die andere Oppositionspartei, die FPÖ, permanent versucht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Ich möchte an drei Beispielen veranschaulichen, was zurzeit alles schiefläuft und wo dringend nachgebessert gehört. Das eine sind die Schulen. Hoffentlich, muss ich sagen, werden jetzt, während wir hier im Parlament sind, die Selbsttests ausgeliefert, und das ist gut so, diese brauchen wir ganz dringend. Diese Idee hatte der Bildungsminister, um den Schulstart für kommenden Montag zu ermöglichen. Das hat ihm allerdings der Kanzler ganz eiskalt abgedreht, was ich sehr, sehr schade finde.


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Nicht flächendeckend beliefert sind bis dato, muss ich sagen, die Kindergärten. Diese haben aber im Unterschied zur Schule aktuell offen und sie hatten permanent offen, auch in den letzten Wochen. Sie alle wissen, dass es verdammt schwer ist, sich als MitarbeiterIn in der Elementarbildung zu schützen, weil man mit Handschuhen und Masken nicht gemeinsam mit Kindern arbeiten kann. Deshalb möchte ich bitten, dass für MitarbeiterInnen im Bildungsbereich ab der Elementarbildung diese Testmög­lich­keiten ab sofort flächendeckend zur Verfügung stehen und dass auch diese KollegInnen bei der Impfstrategie prioritär behandelt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht da – welch ein Zufall! – größtenteils um Frauen, und diese Frauen brauchen, wie meine Kollegin und Fraktionschefin schon gesagt hat, mehr Beachtung, denn sie sind die, die derzeit diese Jobs nach bestem Wissen und Gewissen machen. Sie haben nebenbei eine Familie, sie haben oft zu pflegende Angehörige zu versorgen, Kinder, die im Homeschooling sind, und so weiter. Frauen leisten zurzeit Ungeheures und viele, viele Alleinerzieherinnen sind wirklich am Ende und können bald nicht mehr. Es braucht da Aufmerksamkeit und konkrete Unterstützungsmaßnahmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweites Beispiel: Wie derzeit mit den Kindern und Jugendlichen umgegangen wird, ist, finde ich, skandalös. Oberstufenschüler – das sind Teenager! – sind teilweise seit Mitte Oktober nicht mehr in der Schule gewesen, das heißt, nicht mehr unter Gleich­altrigen gewesen. Volksschulkinder, die gerade mit der Schule begonnen haben, haben keinen persönlichen Kontakt zu ihrer Lehrerin, und Sie wissen, wie sehr die Kinder die­sen persönlichen Austausch brauchen, das Gesicht sehen müssen.

Die psychische Belastung dieser jungen Menschen ist massiv, die soziale Isolation wirkt langsam verheerend. Ich frage mich: Was ist angedacht, um die Folgen dieser Proble­matik abzufangen? Wer in dieser Regierung denkt an die Kinder? – Das frage ich mich wirklich! (Bundesrat Hübner: Was ist Ihr Vorschlag?) Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bildung permanent Verhandlungsmasse ist – die Bildung spielt näm­lich kurzfristig kein Geld ein. Auch Kinder sind Verhandlungsmasse, weil sie aktuell keine Wählerstimmen bringen.

Die Folgen – das, was diese Generation derzeit ausbrütet – werden gravierend sein. Wir werden uns wahrscheinlich in einigen Monaten hier herinnen wünschen, dass wir besser auf diese Generation geschaut hätten. Ich sage das nur ungern voraus und hoffe, dass ich mich täuschen werde, aber ich fürchte, dass wir in dieser Hinsicht noch ganz üble Sachen erleben müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein drittes, vielleicht kleines Beispiel – auch ein Beispiel dafür, dass mangelnde Koope­ration zu vielen, vielen Fehlern führt, die vermeidbar wären – aus dem Bereich Lohnver­rechnung: ArbeitnehmerInnen, die in letzter Zeit in Quarantäne waren, haben nachweis­lich am Ende des Jahres Steuernachteile. Ich bin mir sicher, das ist nicht im Sinne der Erfinder – der Regierenden, der EntscheidungsträgerInnen –, aber diese Fehler passie­ren, wenn man die Experten und Expertinnen nicht einbezieht. Es fällt einem kein Stein aus der Krone, wenn man in einer Krise auf Experten zugreift und sie in die Lösungs­findung miteinbezieht.

Zum Glück springen immer wieder auch die Länder ein, und ich möchte es am Beispiel Wien festmachen: Gestern wurde im Bildungsausschuss in Wien neuerlich eine Sonder­finan­zierung im Umfang von 10 Millionen Euro für Hort- und Kindergartenessensbeiträge während dieses neuerlichen Lockdowns beschlossen. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist für die Familien in Wien eine wirklich große Entlastung.

Noch ein Beispiel: Heute startet in Wien die Impfstrategie. An diesem Wochenende, von 15. bis 18. Jänner, werden die MitarbeiterInnen des Gesundheits- und Pflegebereichs geimpft. Ab 18. Jänner können sich dann alle WienerInnen für eine Impfung registrieren lassen. Wir nehmen uns da ein Beispiel an Dänemark. Die haben das vorbereitet und


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rollen das jetzt in einem Tempo aus, das wir auch bräuchten. Wir brauchen ein höheres Tempo bei der Testausrollung und bei der Impfausrollung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Dass wir heute hier trotzdem mit mehr oder weniger gutem Gewissen mitgehen können, ist darauf zurückzuführen, dass wir als Sozialdemokratie in den Verhandlungen einige Verbesserungen durchsetzen konnten. Es geht um die Masken und die Maskenpause, die gemeinsam mit der Gewerkschaft verhandelt worden ist. Es geht darum, dass posi­tive Testergebnisse keine Kündigung rechtfertigen. Es geht darum, dass die Berufsgrup­pen­testungen kostenlos sind, dass Betriebe bei der Einrichtung von Impfstraßen und Teststraßen unterstützt werden und um einiges mehr. Darauf können wir stolz sein.

Da das Vorausschauen nicht die Stärke dieser Regierung ist, möchten wir jetzt noch einen Entschließungsantrag einbringen, der vor allem eine Branche betrifft, die von diesen vielen Lockdowns zurzeit ganz hart betroffen ist, nämlich die Kunst- und Kultur­branche. Obwohl sie so diszipliniert versucht haben, alles zu tun, um das Infektions­ge­schehen gering zu halten, wurden sie doch sehr, sehr hart getroffen. Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Gesundheitsminister wird aufgefordert, – wenn aufgrund sinkender Infektionszahlen Lockerungen der Maßnahmen gegen Covid-19 in Aussicht gestellt werden – in den entsprechenden Covid-Verordnungen eigene, branchenspezifische Regelungen für den Kulturbereich vorzusehen, die die spezifischen Voraussetzungen von Kulturbetrieben berücksichtigen.

Jedenfalls sollen die Verordnungen – auch nach offenen Gesprächen mit den Betrof­fenen – folgendes enthalten:

- Klare und rechtzeitige Vorgaben für Kulturbetriebe.

- Gleichbehandlung der Kultur.

- Vorgaben für zu erstellende Präventionskonzepte.

- Niederschwellige Testmöglichkeiten.

- Lebensnahe Öffnungszeiten von Kulturbetrieben.

Zentraler Ausgangpunkt der Regelungen sollen jedenfalls die von den Kulturbetrieben zu erstellenden Präventionskonzepte sein, die die jeweiligen Bedingungen vor Ort opti­mal berücksichtigen.“

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.08


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen“ ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


16.08.26

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man so gegen Schluss der Tages­ordnung zum Reden kommt, hat man sich ja einiges mitgeschrieben, und mir ist auf­gefallen, dass es doch mehrere Wiederholungen gegeben hat.

Immer wieder wurde gesagt, dass die Regierung nach elf Monaten noch immer keine Teststrategie hat. Ich habe eine Stricherlliste gemacht: Das wurde sechs Mal erwähnt, da muss also ein Stück Wahrheit dahinterstehen. (Bundesminister Anschober: Es wird nicht wahr, wenn man es wiederholt! – Heiterkeit des Redners. – Bundesrat Bader: ... jeder Statistik, die ich selber gemacht habe!)

In Dänemark weiß jeder, wann er geimpft wird – das ist heute im Zuge der Debatte drei Mal gefallen. Dabei hat Dänemark nicht mehr Einwohner als wir, nein, Dänemark hat, wie wir alle wissen, weniger Einwohner als Österreich (Bundesrat Bader: Niederöster­reich auch!), nämlich 5,8 Millionen im Gegensatz zu uns mit 8,8 Millionen.

Das Dritte, das mir aufgefallen ist – und das habe ich jetzt in der Hand (eine Testkassette in die Höhe haltend) –: Wir haben heute das erste Mal diesen Antigenselbsttest ge­macht – ich glaube zumindest, dass es das erste Mal bei uns war. Das wird in Zukunft öfter vorkommen, und das ist, glaube ich, auch ein Verdienst unserer Parteivorsitzenden Rendi-Wagner, die immer wieder gepredigt hat, dass das in die Haushalte kommen sollte, damit jeder diesen Test zu Hause durchführen kann, denn jeder sollte sich testen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Genau!)

Was mir noch aufgefallen ist – ich weiß, dass wir jetzt noch anderes zu besprechen haben, aber darüber hat heute nur der eine oder andere ganz nebensächlich geredet, für uns Ge­meinden ist es aber wichtig –, ist, dass Herr Leinfellner den Unterschied zwischen Eintritts­testen und Freitesten nicht kennt, zumindest ist das in der Rede hier so herausge­kommen. (Bundesrat Steiner: Was ist der Unterschied? Was ist der Unter­schied?)

Was mich besonders gefreut hat, war die Rede von Dr. Kornhäusl, der sich bei den Gemeinden bedankt hat. Danke schön, dass das jemand der Mühe wert gefunden hat. Kollege Appé hat ja das Leiden der Gemeinden, glaube ich, sehr gut und ausführlich hier abgehandelt.

Nun komme ich zum Thema Zweckzuschussgesetz. Dieses mag für den einen oder anderen nicht so wichtig sein, aber für uns als Gemeinden ist es sehr wichtig, nachdem alle diese Arbeiten von der Regierung über das Land Richtung Gemeinden abgeschoben worden sind. Die logistischen Aufwände und die anfallenden Kosten, die die Gemeinden in weiterer Folge belasten, abzuhandeln, ist ein Riesenaufwand.

Es ist aber nicht so, dass wir ein Problem damit hätten, die Infrastruktur oder Ver­an­staltungssäle für diese Testungen zur Verfügung zu stellen, nein, das ist es bei Weitem nicht, sondern es geht um die Entschädigung des freiwilligen Personals, die ent­sprechende Verköstigung und anfallende Überstunden, die Feuerwehren, die mit dabei sind, und eben die Gemeindebediensteten, die ich gerade genannt habe. Die Verköstigungen, die freiwillige Feuerwehr und das medizinische Personal wurden ja über das Land abge­rechnet. Dieses Gesetz sollte deshalb für die Zukunft regeln, dass die Überstunden von Mitarbeitern der Gemeinden, die natürlich auch oft am Wochenende anfallen, endlich einmal vergütet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Gemeinden dürfen wir auch die Anschaffungskosten, die wir haben, nicht außer Acht lassen – sei es nun die Anbringung von Glasschutzwänden in den Amtsräumen,


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Schutzmasken, Desinfektionsmittel und so weiter. Ich hoffe, dass das einstimmig beschlossen wird; ich gehe davon aus, dass die Gemeinden unterstützt werden. Aber wenn ich hier stehe und über die Gemeinden rede, dann kann ich natürlich nicht umhin, noch einmal kurz darauf zu replizieren, wie es derzeit den Gemeinden geht – und denen geht es nicht gut, meine Damen und Herren.

Spreche ich nur von Kärnten allein, von den 132 Gemeinden, die 150 Millionen Euro weniger Kommunalsteuern und Ertragsanteile haben, dann wissen wir alle, dass wir das auch 2021 nicht stemmen werden, weil all die Budgets, die gemacht werden, nicht halten werden. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, dass der Finanzminister verkündet hat: Wir werden alles erledigen. „Koste es, was es wolle“.

Meine Damen und Herren, da schaue ich jetzt schon auch zur ÖVP: Ich weiß nicht, was ihr mit dem Bundesminister ausgemacht habt – als Bürgermeister oder Bürgermeis­te­rinnen, die hier im Bundesrat oder im Nationalrat sitzen und die den Herrn Bundes­minister unterstützen, weil ja so viel Geld geflossen ist; dazu werde ich noch kurz kommen –, aber es ist leider nicht so. Wenn ich bei uns in Kärnten auf dem Land unterwegs bin und mit ÖVP-Bürgermeistern rede, dann sind die nicht eurer Meinung, nämlich dass uns der Herr Finanzminister da so viel Geld gegeben hat. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

All dieses Geld wäre in guten Zeiten natürlich super: wenn man ein Projekt hat, 1 Million Euro bekommt, selbst 1 Million Euro dazugibt, und 50 Prozent geschenkt bekommt. In meinem Fall sind es ein paar Nullen weniger, für eine kleinere Gemeinde sind es 100 000 Euro. Wir errichten eine Fotovoltaikanlage, 50 Prozent bekommen wir vom Land und aus anderen Töpfen, damit wir das zu 100 Prozent finanzieren. Das ist ja in Ordnung, da kann man ja nur in jede Richtung Danke sagen.

Wie werden wir allerdings unsere Gemeinden und wie werden sich die Städte in Zukunft finanzieren? Der Herr Bundesminister hat gesagt, „Koste es, was es wolle“, aber dann hätte man halt auch den Gemeinden und Städten diese 3 Milliarden Euro für die zwei Jahre zur Verfügung stellen können – es ist ja auch immer noch möglich, dass man das macht. Es ist ja andererseits in der Privatwirtschaft auch gegangen, dass Geld zur Verfü­gung gestellt wird (Bundesrat Bader: Wir reden in der nächsten Plenarsitzung!), und deswegen verstehe ich die Meinung von euch, die ihr hier herinnen sitzt, nicht. (Bundesrat Bader: Wir reden in der nächsten Plenarsitzung!) – Du kannst heraus­kom­men und reden, das ist ja kein Problem. Du kannst auch gern darüber reden, warum das, was der Herr Bundesminister macht, so super und so toll ist.

Ich sage euch eines – das sagt man bei uns in Kärnten –: Der lasst uns an der aus­gestreckten Hand verhungern. – Das ist das Problem, das ist das, was der Herr Bundesminister mit uns macht – das sind nicht Sie, das ist der Bundesminister für Finanzen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich werde Ihnen noch drei Aspekte dazu sagen: 150 Millionen Euro in Kärnten. Wir alle wissen, die Kurzarbeit bringt auch keine Kommunalsteuer, wir alle wissen, dass die Bruttolöhne der jeweiligen Bediensteten in weiterer Folge 3 Prozent für die Gemeinden bringen. Man muss dazu auch sagen, dass die Bevölkerung ja schon die Befürchtung hat – die Menschen kommen zu uns und sagen das –, dass irgendwann in diesem Bereich die Abgaben für Müllabfuhr, Abwasser und so weiter erhöht werden. Das geht natürlich nicht, weil dieser Haushalt ausgeglichen erstellt werden muss, aber das sind die Befürchtungen der Menschen, die dort leben.

Ich muss einfach noch einmal feststellen – ich weiß nicht, wie das bei euch ist –: Bei uns in Oberkärnten zum Beispiel, wo ich zu Hause sind, im Lesachtal, im Drautal, und auch dort, wo Ingo Appé zu Hause ist, haben wir heuer Massen an Schnee gehabt. Bei mir zu Hause sind es zum Beispiel am Dach 1,80 Meter und vor der Haustür 2 Meter. Wir haben


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in den Gemeinden gigantische Schneeräumungskosten. Jeder weiß, wenn einer eine Maschine in Bewegung setzt, dann ist es meistens so, dass diese dann einen Tag später kaputt ist, weil sie einfach diese Belastungen nicht mehr aushält. – Das kommt also auch noch dazu.

Ich kann nur eines sagen: Ein Ja – hoffentlich von allen – zu diesem Zweckzuschuss und noch einmal die Bitte an den Herrn Bundesminister für Finanzen, das einzuhalten, was er versprochen hat: „Koste es, was es wolle“. Rettet bitte schön auch die Ge­meinden! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

16.17


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Kollege Bundesrat Michael Schilchegger. Ich erteile ihm dieses.


16.17.29

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Damen und Herren Kollegen! Ich habe mich nun zum zweiten Mal zu Wort gemeldet, um noch ein bisschen auf die Debatte einzugehen. (Bundesrat Köck: Du hörst dich aber gern reden, gell?!) Ich habe aus den Reihen der ÖVP oft gehört, wir würden die Gesellschaft spalten, das wurde uns Freiheitlichen immer wieder vorge­worfen. Von Kollegen Kornhäusl habe ich mir aufgeschrieben, wir seien gegen das Tes­ten, gegen die Impfung und gegen den Lockdown, wir brächten überhaupt nichts Konstruk­tives ein. Das kann man einfach so nicht stehen lassen, weswegen ich mich jetzt be­mühe, das zu korrigieren.

Ich halte es wirklich für gefährlich, wenn man da stark vereinfacht und reduziert und zum Beispiel die Menschen in Impfbefürworter und Impfgegner oder Regierungsbefürworter und Lockdownbefürworter und -gegner unterteilt. (Ruf bei der ÖVP: ... die FPÖ!)

Diese zwei Gruppen gibt es so nicht, sondern es gibt ganz verschiedene Menschen. Es mag sein, dass es sehr viele militante Impfbefürworter gibt, die sagen: Ich möchte sofort geimpft werden und jeder andere muss auch geimpft werden, um uns alle zu schützen! Dann gibt es sicher sehr viele Impfskeptiker, die sagen: Ich möchte nicht geimpft werden, das kommt überhaupt nicht in Frage, und ich möchte auch, dass das Medikament gar nicht zugelassen wird, das ist eine Gefahr für uns alle! Es gibt sicher Menschen, die sich noch keine Meinung gebildet haben, die unsicher sind und diesbezüglich Führung und Anleitung brauchen. Das heißt, zum Ersten ist die Welt ein bisschen bunter, als Sie sich das vorstellen.

Zum Zweiten stehen wir auf keinen Fall aufseiten der Impfgegner und wir sagen auch nicht, die Menschen sollen sich nicht impfen lassen, weil das viel zu gefährlich ist. Das werden Sie aus keiner freiheitlichen Positionierung hören. Umgekehrt glauben wir nun auch nicht, dass die Regierung eine direkte Impfpflicht verordnen will, weil sie weiß, dass das verfassungsrechtlich schwierig ist. Was wir allerdings sehr wohl glauben – und deswegen warnen wir auch immer vor dieser Impfpflicht –, ist, dass Sie die indirekte Impfpflicht einführen wollen, so wie Sie heute hier die indirekte Testpflicht einführen.

Bei der Frage, wie man viele Menschen zur Impfung bewegt, die derzeit vielleicht skep­tisch sind, ist Ihr Zugang: Na ja, dann muss man das denen eben indirekt schmackhaft machen, und wir tun so, als wäre das alles kein Problem und als gäbe es keine Impfschäden, und die Menschen können sich darauf verlassen – aber zahlen wollen wir nicht dafür, wenn es tatsächlich Impfschäden gibt.

Unsere Haltung ist eine andere, wir sagen, man darf die Menschen auf keinen Fall dazu zwingen. Man muss das Impfen freiwillig belassen und muss um das Vertrauen werben, indem man sagt: Wenn es Impfschäden gibt, dann steht die Republik dafür mit jedem Cent gerade. (Beifall bei der FPÖ.)


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Herr Kollege Kornhäusl, Sie haben Dr. Kollaritsch, wie ich glaube, richtig zitiert: Wenn Sie die Impfung nicht wollen, versuchen Sie es mit der Krankheit! – Zitatende. Ja, genau diese Wahlfreiheit wollen wir Freiheitlichen auch, genau diese Wahlfreiheit. Sie wollen das aber nicht. Sie wollen, dass die Menschen durch indirekten Impfzwang dazu getrieben werden, sich impfen zu lassen; und beim Testen ist es genauso.

Herr Kollege Appé, Sie haben die rhetorische Frage gestellt, ob wir wirklich so unver­antwortlich sein wollen, dass wir das Gesetz im Bundesrat nun blockieren wollen. Sie haben es in den Verhandlungen geschafft, dass nun das Freitesten weg vom Fenster sei. – Da sehe ich nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie verstehen den Gesetzes­be­schluss, der hier vorliegt, nicht oder aber Sie sagen bewusst die Unwahrheit. Vielleicht fragen Sie noch einmal bei Ihren burgenländischen Parteikollegen nach, wie denn der Gesetzesbeschluss wirklich aussieht. (Beifall bei der FPÖ.)

Bleiben wir ein bisschen beim Grundproblem: Was ist denn wirklich passiert, dass die Menschen mehr und mehr das Vertrauen verlieren? Was ist das Problem der aktuellen Lage? (Ruf bei der ÖVP: Die Menschen haben es eh nicht verloren, Sie haben es verloren!) Was ist das Problem, dass die Zahlen nicht nach unten gehen? Aus meiner Sicht lehnen viele Menschen einfach Ihre Maßnahmen als nicht mehr nachvollziehbar ab, daher halten sie sich auch viel weniger daran. Das kann man beobachten, das ist auch die Rückmeldung, die zum Beispiel ich von sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern bekommen habe und die man auch auf der Straße so mitbekommt.

Ich sage aber: Den Bürgern ist daraus kein Vorwurf zu machen. Wer hat denn das Spiel angefangen? – Die Regierung hat damit angefangen, weil sie sich nicht an ihre eigenen gesetzlichen Vorgaben und auch nicht an die Grundrechte hält. Ich komme gleich auf diese beiden Vorwürfe zurück, die ich Ihnen, Herr Bundesminister, ganz speziell Ihnen, mache. Wenn Sie sagen, dass wir die Situation haben, dass sich die Menschen nicht mehr daran halten, und Sie halten sich nicht an die gesetzlichen und verfassungs­ge­setzlichen Vorgaben, dann kann doch nicht mehr vom selben, nämlich mehr Verord­nungs­ermächtigungen an einen Bundesminister zu geben, die Lösung sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte das noch näher begründen: Der Vorwurf, Sie kümmern sich nicht um die Grundrechte, ist durch den VfGH bestätigt. Ich sehe das auch in meinen Anfechtungen als Rechtsanwalt. Da kommen Bürger, Gastwirte und Unternehmer zu mir und wollen, dass wir die Verbotsverordnungen anfechten. Da gibt es dann ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und man kann in den Verordnungsakt Einsicht nehmen. Es findet sich dort keine einzige Grundrechtsabwägung, obwohl der Verfassungsgerichtshof genau das so aufgetragen hat, dass das eine Grundvoraussetzung dafür ist, diese Maß­nahmen erlassen zu können.

Ich möchte aber gar nicht so sehr auf dieser abstrakten Rechtsdogmatik stehen bleiben. Es geht mir jetzt einmal nur um diese gesetzlichen Schranken. Bleiben wir einmal bei § 15 Epidemiegesetz, das ist ein Teil von diesem Gesetzentwurf, mit dem Sie ja schon wieder die Auflagen erweitern möchten. Dieser regelt an sich Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen. Das ist das Gesetz, das es in dieser Form schon seit 1913 gibt. Es wurde im letzten Jahr natürlich ein bisschen geändert, aber der Hauptzweck sind immer noch Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen.

Was machen Sie, Herr Bundesminister, in Ihrer Maßnahmenverordnung daraus? Sie regeln, ob sich die Mizzitant mit dem Nachbar treffen darf oder nicht. Das ist für Sie ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)


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Sie sagen jetzt: Nein, das ist ja gar nicht der zentrale Kernpunkt, der Kernpunkt ist ja die Ausgangsregelung, der Lockdown basiert ja auf einer Ausgangsregelung!, dazu Folgen­des: Schaut man sich im COVID-19-Maßnahmengesetz, das im Sommer so beschlos­sen und erweitert wurde, die gesetzlichen Grundlagen an, dann heißt es dort, eine solche Lockdownausgangsregelungsverordnung ist nur dann zulässig, rechtskonform, gesetzeskonform, wenn dieser Lockdown unerlässlich ist, um einen drohenden Zusam­menbruch der medizinischen Versorgung zu verhindern. – Das ist Ihr eigener Maßstab.

Schauen wir uns die Situation ein bissl an: aktive Fälle heute auf der Normalstation, Normalbettenbelegung: 1 825. Wie viele zusätzlich verfügbare Normalbetten gibt es? 4 659, also das Zweieinhalbfache; für jedes belegte Bett gibt es zweieinhalb in Reserve. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Schauen wir uns die Fälle auf der Intensivstation an: 354 mit heutigem Tage, zusätzlich verfügbare Intensivbetten: 591. Das ist das 1,7-fache, meine Damen und Herren, also für jedes belegte Intensivbett gibt es 1,7 Intensivbetten, die frei sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Jetzt können Sie natürlich sagen: Na, bitte! Jedes einzelne Intensivbett ist zu viel! – Dafür kann man ja durchaus werben, aber mein Vorwurf ist folgender: Sie verfehlen Ihren eigenen gesetzlichen Maßstab und halten sich mit Ihren Verordnungen nicht an das Gesetz. Das heißt, nach dem Gesetz ist der Lockdown sofort zu beenden! (Beifall bei der FPÖ.)

16.25


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile ihm dieses.


16.25.21

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerin­nen und Zuhörer zu Hause! Mein Redebeitrag wird sich in erster Linie auf den Tagesord­nungspunkt 4, also auf das Zweckzuschussgesetz beziehen.

Wie mein Kollege Günther Novak schon so treffend ausgeführt hat, wird die SPÖ-Frak­tion dieser Gesetzesvorlage die Zustimmung geben, ganz einfach deshalb, weil diese Zweckzuschüsse des Bundes den Ländern und den Gemeinden für die Mehr­ausgaben zur Bekämpfung der Pandemie ganz schlicht und einfach auch zustehen, weil sie unbedingt notwendig und auch mehr als gerechtfertigt sind.

Wir als SPÖ fordern diese Kostenersätze schon seit Monaten, und einmal mehr muss ich mir, müssen wir uns die Frage stellen: Warum erst jetzt? Warum lässt man die Ge­meinden über Monate in der Warteschleife zappeln? Warum wird diese Regierung immer dann aktiv, wenn der Druck von außen zu groß wird, und man ganz einfach nicht mehr länger wegschauen kann?

Diese fragwürdige Vorgangsweise zieht sich ja in den letzten Monaten auch durch viele andere Bereiche wie ein türkis-grüner Faden. Schaue ich mir an, wie mit den Gemeinden umgegangen wird beziehungsweise wo die Gemeinden für Sie, Herr Minister, und für den Bundeskanzler einspringen müssen und für Sie Ihre Kohlen aus dem Feuer holen müssen, dann kommt mir ein oft strapaziertes Zitat von Willi Molterer über die Lippen, Sie alle kennen es, aber es trifft es am besten: „Es reicht!“

Es reicht wirklich, Herr Minister, und es nervt auch immens. Die Länder, die Gemeinden, die Feuerwehren, das Bundesherr, das Rote Kreuz und viele Freiwillige machen seit Monaten zum Teil auch Ihre Arbeit, werden dadurch finanziell belastet und müssen dann auch noch Monate auf Entschädigungen und Zuschüsse warten. Ganz ehrlich: Das


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versteht bald niemand mehr. Das raubt uns, den Menschen in den Gemeinden, Energie, die Motivation, und gerade diese brauchen wir in dieser so schwierigen Zeit.

Mein Kollege Ingo Appé hat schon ein sehr gutes Beispiel aus der Kärntner Gemeinde geschildert, ich habe jetzt ein zweites aus meiner oberösterreichischen Gemeinde, das Ihr schlechtes Krisenmanagement sehr gut auf den Punkt bringt. Hören Sie zu! Meine Gemeinde war Anfang Dezember Teststandort für den ersten Massentest, Sie können sich sicher erinnern. Ganz abgesehen davon, dass die Ankündigung des Bundes­kanz­lers überfallsartig kam, die so wichtigen Detailinformationen für die Bevölkerung durch Bund und Länder völlig misslungen beziehungsweise gar nicht erfolgt sind, war auch die Gesamtunterstützung für die handelnden Personen vor Ort, ich darf es höflich formulie­ren, mehr als ausbaufähig. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Ohne Eigenstrategie, ohne Engagement und Kompetenz der Feuerwehren, des Roten Kreuzes und der Gemeindebediensteten hätten Sie, Herr Minister, bei diesen Massen­tests Schiffbruch erlitten. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren und des Roten Kreuzes, des Bundesheeres und natürlich auch bei den vielen Freiwilligen und bei den Gemeindebediensteten für diese großartige Arbeit herzlich bedanken. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie der Bundesrätin Kittl.)

Es ging dann aber weiter: Die Regierung kündigte für Anfang Jänner den zweiten Durch­gang für Massentests an. Da sollten es aber dann weniger Teststandorte sein, worauf mir die Gesundheitsbehörde mitteilte, dass wir nicht mehr dabei sind und den Teststand­ort abbauen sollen. Irgendwie vorausahnend haben wir das ganz einfach nicht gemacht, und siehe da, zwei Tage später erreichte mich ein Mail: Wir sind doch wieder Teststand­ort.

So, damit der Informationsfluss zumindest dieses Mal besser laufen sollte, nützte ich die Gemeindezeitung zum Jahreswechsel, informierte die Bevölkerung darüber und richtete, wie es sich gehört, an diese einen Appell zum Mitmachen.

Die Druckfarbe der Zeitung war noch gar nicht trocken, da wurde der von Ihnen ange­kündigte Test um eine Woche nach hinten verschoben. Um die Bevölkerung von dieser Verschiebung abermals in Kenntnis zu setzen – schließlich geht es ja um die Gesundheit der Menschen –, bereiteten wir ein Gemeindesonderblatt mit der Terminkorrektur vor. Kurz darauf wurde mir erneut schriftlich mitgeteilt, dass der Massentest jetzt am Ende des Lockdowns, von 22. bis 24. Jänner, über die Bühne gehen solle. (Bundesminister Anschober: Von wem eigentlich?) – Von der Gesundheitsbehörde, von der Bezirks­hauptmannschaft. (Bundesminister Anschober: Ja ...!) – Immer über Weisung oder Anordnung, durch eine Information des Krisenstabes des Landes, Sie kennen ja die Hierarchien. – So weit, so gut.

Nachdem wir den Teststandort seit eineinhalb Monaten aufrechterhalten hatten, teilte mir aber nun die Gesundheitsbehörde, wieder die BH, mit, dass wir als Testgemeinde jetzt doch nicht mehr gebraucht werden und den Standort endgültig abbauen können. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Jetzt frage ich Sie, Herr Bundesminister: Wie bewerten Sie dieses chaotische Hin und Her? Welches Bild zeichnen Sie mit Ihrem Krisenmanagement, was bewirken Sie damit? (Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Sie sind, glaube ich, der Chef der Gesundheitsbehörden, und die sind weisungsgebunden. (Bundesminister Anschober: ... ich bin der Chef des Landes Oberösterreich ...!) – Nein, nicht des Landes, Sie wissen, was ich meine. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) Wie, glauben Sie, geht es den Menschen, die sich auf das Testen verlassen wollen, und jenen, die sich tagelang – tagelang! – für den reibungslosen Ablauf ins Zeug legen?

Sie müssen doch ganz einfach verstehen, dass durch Ihr Missmanagement – noch ein­mal: Es ist Ihr Missmanagement! – unnötig Probleme verursacht und die Menschen


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verunsichert und auch demotiviert werden. Deshalb richte ich mich heute nicht wie gewohnt als Bürgermeister an die Bevölkerung, sondern mit einem Appell an Sie und an den Regierungschef: Hören Sie bitte endlich auf – und das ist jetzt die Antwort auf Ihren Einwand –, sich bei Ihren Pannen ständig auf die komplexe Lage und auf andere aus­zureden! Wir alle wissen, dass es eine riesige Herausforderung ist, die wir gemeinsam meistern müssen (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober), aber, Herr Minister, nicht alles (Zwischenruf des Bundesrates Beer), was schiefgeht, ist krisen­bedingt, sondern vieles ist hausgemacht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Hören Sie bitte auch mit Ihrer beweihräuchernden Selbstinszenierung in den Medien auf! Landeshauptmann Peter Kaiser hat in Kärnten sehr eindrucksvoll und verantwortungs­bewusst bewiesen, dass ein Impfstart auch ohne Effekthascherei und Foto über die Bühne gehen kann!

Herr Minister, nicht, dass Sie mich falsch verstehen, meine Kritik betrifft nicht Ihr Arbeits­pensum – ich weiß, dass Sie über beide Ohren in Arbeit stecken und das respektiere ich auch (Zwischenruf des Bundesrates Bader–, aber es geht nicht um Quantität, es geht um die fehlende Qualität. Ich hoffe daher, dass Sie, der Bundeskanzler und auch die restliche Regierung bald in die richtige Spur finden. (Beifall bei der SPÖ.)

16.33


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Noch einmal zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm das Wort.


16.33.47

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Ich möchte folgenden An­trag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kosten­lose FFP2-Masken für alle e-card-Inhaber*innen, welche das zehnte Lebensjahr voll­endet haben“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1197/A)

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, allen Inhaber*innen“ - - (Bundesrätin Schartel: Männer nicht?! Inhaberinnen hat er gesagt!) – Könnt ihr eure Diskussion einmal kurz ein­stellen, damit ich den Entschließungsantrag vorlesen kann?!

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, allen Inhaber*innen einer e-card, welche das zehnte Lebensjahr vollendet haben, pro Monat fünf FFP2-Masken kostenlos zur Verfü­gung zu stellen. Die Verteilung soll in allen Apotheken Österreichs organisiert werden. Bei der Beschaffung dieser FFP2-Masken sollen bevorzugt österreichische Hersteller herangezogen werden.“

*****

Ich bitte um eine namentliche Abstimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35



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Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „kostenlose FFP2-Masken für alle e-card-Inhaber*innen, welche das zehnte Lebensjahr vollendet haben“, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer abschließenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Bundesminister Rudolf Anschober. Ich erteile ihm dieses.


16.35.42

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zuerst gerade ganz kurz, muss ich gestehen, auf die die Pandemie betreffenden internationalen Daten geschaut. Wir sind jetzt bei knapp 2 Millionen Toten – 2 Millionen Menschen, die auf­grund dieser schwersten Pandemie seit 100 Jahren gestorben sind. Wir haben die schwerste Gesundheitskrise seit Jahrzehnten. Es sind mittlerweile weit über 80 Millionen Menschen irgendwo auf diesem Planeten positiv getestet.

Wissen Sie, ich persönlich habe in meinem Privatleben immer den Zugang: Wenn es eine Notsituation gibt, dann hält man zusammen, dann hilft man sich gegenseitig, dann unterstützt man sich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Fühlt ihr euch nicht angesprochen – viele im Land tun das. Viele, viele Menschen tun das in diesem Land.

Ich glaube, es nützt uns nichts, wenn wir sagen: Die blaue Partei ist die bessere; die türkise Partei ist die bessere; die NEOS-Partei ist die bessere; die grüne Partei ist die bessere; die rote Partei ist die bessere! Es nützt uns nichts, wenn wir sagen: Das Land hat das verbockt, die Gemeinde hat das nicht gemacht, der Bund hat das nicht ge­macht! – Wir sitzen da in einem Boot. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sind zuständig, und die Allerallermeisten leisten ihren Beitrag, unterstützen, helfen. Ich kann euch zwei Beispiele nennen: Im Juli haben wir tatsächlich eine sehr, sehr schlechte Verordnung, für die ich zu Recht geschimpft und kritisiert worden bin, erlassen. Was ist passiert? – Einen Tag später haben mich zwei Spitzenjuristen angerufen und haben mir gesagt: Wir haben den Eindruck, ihr braucht jetzt unsere Unterstützung. Die haben zehn Spitzenjuristen zusammengesammelt und stellen uns seither ihre Fach­expertise gratis, unentgeltlich, ehrenamtlich zur Verfügung – großartig! (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

Ich habe noch keinen Feuerwehrmenschen erlebt, der gesagt hätte: Ich habe keine Zeit, weil es da irgendetwas gibt, was schlecht gelaufen ist!, sondern alle sagen: Ich leiste meinen Beitrag in dieser Krisensituation, denn wenn ich gebraucht werde, bin ich da! (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Genau das ist die Stimmung, die wir brauchen, auch wenn es uns allen schon zu lange dauert, lieber Kollege, auch wenn es uns zu lange dauert.

Mir geht es genauso, ich würde jetzt endlich auch gern die Gesundheitspolitik, die wir im Regierungsübereinkommen verankert haben, vorantreiben können, die Pflegereform mit voller Konzentration angehen können und, und, und. Uns alle trifft diese Krise drama­tisch, uns alle belastet sie, und wir alle hätten gern, dass es vorbei ist, aber es hat über­haupt keinen Sinn, wenn wir jetzt die Nerven wegschmeißen und bei Kilometer 36 des Marathons sagen, jetzt dauert es uns zu lang. – Wir wollen und wir müssen ins Ziel, und das Ziel ist, wieder Freiheit und Gesundheit zu haben. Das ist das Ziel. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dieses Ziel werden wir nur dann erreichen, wenn wir zusammenhalten, gleichgültig ob wir Rote, Grüne, Türkise oder Blaue sind. Ich habe in diesen letzten elf Monaten viele Menschen aus allen Parteien erlebt, die ihre Beiträge geleistet haben, auch zum Beispiel


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von der FPÖ, viele, die die Ärmel hochgekrempelt und gesagt haben: Okay, da ist mir jetzt Parteipolitik wurscht, da helfe ich mit, da leiste ich meinen Beitrag!

In diesem Sinn verstehe ich persönlich überhaupt nicht, dass es von manchen in diesem Haus als verwerflich bezeichnet wurde, dass in den letzten Tagen miteinander gesprochen und verhandelt wurde und dass wir mit zwei Oppositionsparteien einen sehr vernünftigen Dialog gehabt haben. Das ist gut, denn es ist doch der Sinn und das Zentrum des Parlamentarismus, dass man miteinander redet. Vielleicht tun wir das zu selten, das gebe ich auch zu, denn auch das ist nicht nur eine Holschuld, sondern auch eine Bring­schuld. Auch da sehe ich meine Verantwortung. Ich sage euch ganz offen und ehrlich: Oft fehlt die Zeit, das ist einfach so.

Ich habe mit Kollegin Pamela Rendi-Wagner ein sehr gutes Gesprächsverhältnis. Sie kennt sich aus, die Frau ist kompetent, und ich mag sie im Übrigen auch als Mensch und habe Respekt vor ihr. Genauso führen wir mit den NEOS gute Gespräche. Deswegen sind wir zu einem Ergebnis gekommen, das sich hier niederschlägt und das dazu geführt hat, dass wir im Nationalrat gestern eine sehr, sehr breite, schöne Mehrheit gehabt haben – und das ist gut so. So funktioniert Zusammenkommen, Zusammenhelfen und Zusammenstehen im Parlamentarismus. Ich möchte mich bei allen herzlich bedanken, die einen derartigen Politikstil haben, bei dem es möglich ist, dass man sich zusam­men­setzt und zu gemeinsamen Lösungen kommt.

In einer akuten Krisensituation – und in einer solchen sind wir in ganz Europa und weit darüber hinaus – ist es angezeigt, zusammenzustehen und zusammenzuhalten, gleich­gültig ob man sich jetzt liebt, ob man sich besonders mag, ob man sonst vielleicht ideologisch, inhaltlich, von den Wertehaltungen her ganz woanders steht. Es ist ange­zeigt, jetzt zusammenzustehen, und deswegen danke ich noch einmal dafür, dass das beim Abstimmungsverhalten möglich ist.

Was schaffen wir mit diesen heutigen Beschlüssen? – Ich greife jetzt schon ein bissel vor, weil ja deutlich geworden ist, wer heute wie abstimmen wird. Das wird sich in den Grundlinien ja nicht so sehr von dem unterscheiden, wie im Nationalrat abgestimmt wurde. Und ich möchte zwei Dinge ansprechen – wir machen damit große Fortschritte in den beiden wichtigsten Themenfeldern, die es derzeit gibt.

Das eine sind die Testungen. Wenn ihr euch erinnert: Im Frühling gab es 4 000, 5 000 Tes­tungen pro Tag. Dann hat es eine Diskussion dahin gehend gegeben, ob es nicht ein tolles Ziel wäre, 15 000 Testungen am Tag zu schaffen. Wisst ihr, wie viele Testungen wir in dieser Woche gemeinsam – die Gemeinden, die Ärzte, die Apotheker, die Länder, der Bund, alle miteinander – durchgeführt haben? – Wir haben in dieser Woche bisher, ohne den heutigen Tag, 800 000 Testungen durchgeführt, das heißt, mittlerweile sind es weit über 100 000 Testungen an einem Tag. Und mit den heutigen Beschlüssen, die ihr hier fasst, werden wir diese Zahl noch einmal massiv erhöhen können.

Einen Punkt will ich schon korrigieren, weil immer damit verwirrt wird, asymptomatische Personen seien kein Risiko, da sie nicht ansteckend seien. Der Kollege der NEOS hat das sehr gut fachlich korrigiert und dargestellt. Ich danke dafür, denn es ist immer wohltuend, wenn man dann wieder auf die Sachebene zurückkommt und diese Infor­mationen auch weitergegeben werden.

Ich kann euch nur sagen, es gab im Bereich dieser sogenannten Massentests insgesamt 4 000 Menschen, die dann per PCR-Test positiv getestet wurden. Das hat ja einen Hin­tergrund, einen Sinn, denn sie haben eine bestimmte Infektionsmenge in sich getragen, und das bedeutet, es war extrem wichtig, dass wir diese 4 000 Menschen aus diesem Infektionszyklus herausholen konnten. Bei den Tests geht es also darum, dass wir schau­en, dass wir das Ansteckungsrisiko in unserer Gesellschaft schrittweise reduzieren. Je mehr Testungen durchgeführt werden, desto besser und effektiver können wir das machen.


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Der zweite Punkt, für den ich mich auch bedanke, ist, dass wir mit diesen Beschlüssen einen großen Fortschritt im Bereich der Impfungen machen. Das ist das Zweite, bei dem es extrem wichtig ist, es voranzubringen. Wir stehen im Übrigen heute am Abend bei weit über 80 000 Impfungen, die bereits durchgeführt wurden. Wir werden Montag am Abend oder Dienstag in der Früh in Österreich bereits die Grenze von 100 000 Imp­fungen überschreiten. Wir werden Ende nächster Woche die allerallermeisten Bewohner und Bewohnerinnen der Alten- und Pflegeheime durchgeimpft haben.

Ich durfte mir gestern in der wunderschönen Stadt Klosterneuburg eine derartige Imp­fung anschauen und Gespräche mit den ÄrztInnen, mit den PflegerInnen und den Lei­terInnen des Seniorenheimes führen. Die Grundstimmung, die da derzeit in Österreich vorhanden ist beziehungsweise entsteht, war sehr beeindruckend. Darüber bin ich sehr, sehr froh.

Vereinfacht dargestellt an einem Bild: Die beiden Ärzte, die die Impfungen durchführen wollten und dann durchgeführt haben, sind in das Haus gekommen und haben relativ skeptische Bewohnerinnen und Bewohner vorgefunden – das ist überall so. Was haben die beiden gemacht? – Sie haben das irrsinnig gescheit gemacht, sie haben sich gegen­seitig geimpft. Sie haben sich gegenseitig geimpft, um damit zu zeigen - - (Bundesrat Steiner: Das machen sie dann in jedem Altenheim, oder was? Wie oft impfen sie sich dann?) – Nein, die zwei Ärzte, nicht ich (Bundesrat Steiner: Ja, ...!), ich mache keine Impfungen. Lieber Kollege Steiner, ich mache viel in meinem Leben, aber keine Imp­fungen – das ist wahrscheinlich auch besser so. (Bundesrat Steiner: Wie oft impfen sich die zwei Ärzte dann? In jedem Pflegeheim?) – Nein, Herr Kollege Steiner, in jedem Pflegeheim gibt es wieder neue Ärzte, die für die Impfung zuständig sind. Es gibt nämlich mehrere Ärzte in Österreich, mehr als diese beiden, um das einmal geklärt zu haben. (Bundesrat Steiner: Ach so, da bin ich gespannt!) – Okay, einverstanden? – Passt! (Bundesrat Steiner: Das ist eine Märchenstunde!)

Nachdem sich die zwei Ärzte gegenseitig geimpft haben, haben sich die ersten Be­wohner und Bewohnerinnen impfen lassen. Bei denen gab es auch eine gute Verträg­lichkeit, und Schritt für Schritt ist das im Seniorenheim super gut vorangegangen, im Übrigen auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. So wird das funktionieren.

Und wenn Sie sich die heutigen Umfragen ansehen, dann sehen Sie, dass es in Österreich schon eine sehr, sehr starke Stimmungsänderung hin zum Impfen gibt, denn wir haben eine einzige Perspektive, wenn wir das wollen, wovon wir reden, nämlich Freiheit und Gesundheit: Das ist die Impfung. Und deswegen ist es so notwendig, da wir im Frühling davon geträumt haben und ich im September ankündigen durfte, dass sie im Jänner kommen wird, dass wir jetzt diese Chance auch gemeinsam nutzen. Sie erleichtern das unter anderem mit den heutigen Beschlüssen, auch mit dem Beschluss des Ausrollens des elektronischen Impfpasses sehr, sehr stark.

Jetzt möchte ich noch auf ein paar konkrete Punkte eingehen, die in der Debatte vorgebracht wurden. Zur FPÖ sei gesagt: Was ich gar nicht aushalte, liebe Kollegen und Kolleginnen, das muss ich ganz offen sagen, ist, wenn man sich hier an das Rednerpult stellt und glaubt, dass man über die Situation in den intensivmedizinischen Abteilungen besser als die MedizinerInnen und die PflegerInnen Bescheid weiß. Jeder, der dort mit einem Arzt spricht, müsste das nachvollziehen können. Ich lege euch das wirklich nahe: Tut das, redet mit MedizinerInnen und mit PflegerInnen, die dort arbeiten, darüber, wie extrem die Überlastungssituation auch heute noch in diesen Stationen ist, wie drama­tisch es ist, wenn man zum Beispiel als PflegerIn mit der vollen Schutzkleidung arbeiten und diese alle zwei Stunden wechseln muss, weil man schweißgebadet ist! Das ist eine extreme Leistung, die die Leute vollbringen, und ich finde es nicht okay, zu sagen: Es sind ja eh nur mehr 350 Covid-Schwersterkrankte. Das sind 350 zu viel, und die Menschen leisten dort in dieser Situation, in einer extremen Überlastungssituation,


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tatsächlich Fantastisches. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Dann hat es in Anträgen und in einigen Redebeiträgen noch ein paar Punkte gegeben, zum Beispiel die Frage der Information der Öffentlichkeit über die durchgeführten Imp­fungen. Es gibt mittlerweile auf der Website des Sozialministeriums ein Dashboard, auf dem die konkrete Impfzahl sichtbar ist. – Einfach darauf schauen und sich freuen, wenn die Zahlen steigen – und sie steigen jeden Tag um gut 10 000; das ist wichtig.

Zweiter Punkt: Es ist gesagt worden, in Dänemark sei das bei den Alten- und Pflege­heimen so viel schneller gegangen. Das hat mich gewundert, und deswegen habe ich mir das angeschaut. Wie ist die Situation in Dänemark? – Dänemark hat tatsächlich sogar mehr Alten- und Pflegeheime als Österreich. Dann habe ich mir gedacht: Wie gibt es das dann? – Das ist ganz einfach zu erklären: Die dänische Struktur bei Alten- und Pflegeheimen ist so, dass sie möglichst kleine Heime haben wollen. Deswegen fahren ja Sozialpolitiker und Sozialpolitikerinnen aus Österreich auch seit zehn Jahren nach Dänemark, um sich diese Modelle anzusehen und sie möglichst auch zu uns zu bringen. Das heißt, Dänemark hat viel, viel weniger Bewohner und Bewohnerinnen in Alten- und Pflegeheimen, nämlich konkret 46 000. Und es ist halt einfach so, dass man 46 000 Men­schen schneller impfen kann als 100 000. Das ist eine relativ einfache Rechnung.

Dann war diese Geschichte: Wenn das jetzige Tempo aufrechterhalten bliebe, brauchten wir vier Jahre, um die Impfungen abzuschließen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wis­sen wir doch, dass es in den Alten- und Pflegeheimen eine Bevölkerungsgruppe gibt, für die man sich in dieser Situation enorm viel Zeit nehmen muss. Es braucht mehr Aufklärung, mehr Zeit. Das sind vielfach Menschen, die schwere Mobilitätsein­schrän­kungen haben. Manche davon haben Demenzerkrankungen, manche brauchen die Zustimmungserklärung des Menschen, der für sie verantwortlich ist und ihre Geschäfte führt. Das dauert.

Auf meine Frage an die beiden Ärzte, was die wichtigste Erkenntnis für sie war, war deren Antwort: Wir brauchen dreimal, viermal so viel Zeit wie bei einer Impfstraße für die herkömmliche Bevölkerung, um zu antworten, um sich Zeit zu nehmen, um Rede und Antwort zu stehen. Ich finde, es ist extrem wichtig und gut investierte Zeit, sich für die Menschen, die die überhaupt vulnerabelste Gruppe in Österreich sind, auch tatsächlich Zeit zu nehmen. Da kann man nicht die Zeit stoppen und sagen: Wir brauchen vier Jahre. Das ist – Entschuldigung! – nicht korrekt.

Ja, und das wäre es eigentlich von meiner Seite schon wieder. Ein schönes Wochen­ende! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

16.50


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als weiterer Redner zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


16.50.43

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussion, die hier teilweise entsteht, und auch die Redebeiträge sind wirklich spannend. Vor allem dann, wenn man der ÖVP zuhört, kristallisiert sich eines sehr gut heraus, nämlich dass alles alternativlos ist. Es gibt nur eine einzige Meinung, es gibt eine einzige Wahrheit, und das ist die alter­nativ­lose Wahrheit.

Wenn Sie wissen wollen – weil das heute auch wieder mehrmals gefallen ist –, wer wirklich irgendwo einen Keil hineintreibt, meine Damen und Herren: Das ist jene Politik, die andere Meinungen, andere Wahrheiten, andere Studien einfach nicht gelten lässt (Bundesrat Schennach: Nein, nein!) und die dann alle als Verschwörungstheoretiker,


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als Aluhutträger, als Rechtsextreme, als Staatsverweigerer, als Covidioten und, und, und bezeichnet. Eines darf ich Ihnen von der ÖVP aber auch mitgeben, meine Damen und Herren: Diese Leute werden immer mehr. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Seeber: Das ist die Wahrheit!)

Bei dieser Diskussion war es auch spannend, zu sehen: Das ist eine Diskussion, in der es außer von einer Partei, nämlich unserer, nur Proredner gibt, also SPÖ, NEOS, Grüne und ÖVP dafür, FPÖ dagegen. Und genau bei einem der zwei Redner, die von uns eingemeldet waren, genau bei dieser Kontrarede geht der Herr Minister hinaus – warum auch immer, es kann ein Zufall gewesen sein, aber ich glaube nicht an Zufälle, denn hinausgegangen ist er genau bei der Rede von Dr. Michael Schilchegger, in der es um die Impfschäden gegangen ist. Vielleicht war das einfach zu viel für den Herrn Minister.

Wenn etwas zynisch ist, meine Damen und Herren – und da schaue ich eine Bundesrätin an, die immer sehr gerne das Wort zynisch in den Mund nimmt, Frau Bundesrätin Zeidler-Beck –, dann ist das die ÖVP-Doppelmoral – und das betrifft jetzt nicht Sie, sondern nur das Wort zynisch. Hier herinnen, obwohl heute Testungen möglich waren – ich gehe einmal davon aus, die meisten von Ihnen sind getestet –, demonstrativ die Masken aufzuhaben, obwohl Sie ja hoffentlich gesund sind, denn wenn Sie einen positiven Test gehabt hätten, wären Sie ja hoffentlich nicht hier (Bundesrat Schreuder: Weil wir solidarisch sind!) – ah, Sie sind solidarisch, aha! –, und dann draußen zu stehen, Kopf an Kopf, und zusammen ohne Maske etwas zu flüstern, wo bleibt denn da die Solidarität?! Das ist ein dreckiges Schauspiel, das Sie hier abziehen, nicht mehr und nicht weniger! (Beifall bei der FPÖ.)

Das betrifft nicht Sie, Frau Zeidler-Beck, das habe ich gesagt, aber zwei andere, auch Moralisten, die sich dann hierher stellen und mit Krokodilstränen sagen: Wahnsinn, die bösen Freiheitlichen ohne Maske!, und dann zu viert draußen ohne Maske an einem Tisch sitzen und eine Gaudi haben. Genau das sind Sie, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verurteile es auch nicht, wenn einzelne Bundesräte von Ihnen herinnen sitzen und die Maske nicht aufhaben oder sich die Maske herunterziehen. Ich sehe einige von Ihnen, die es lange Zeit so machen, aber ich verstehe das, denn ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich habe mit der Maske auch meine Probleme, sich dann aber hierher zu stellen und die Doppelmoral vom Stapel zu lassen, das ist unter aller – pieps. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe mir gestern ein Interview mit einem Mediziner angeschaut, aus diesem möchte ich ein bisschen etwas stehlen. Er hat gesagt, dass es in der Medizin ein Grundprinzip gibt – das ist von ihm wirklich sehr gut erklärt worden –: Der Nutzen muss in der Medizin immer größer sein als der Schaden. Das gilt beispiels­weise auch bei einer Chemotherapie. Das heißt, man nimmt bei einer Chemotherapie wirklich heftige Nebenwirkungen in Kauf, weil man davon ausgeht, dass der Nutzen größer ist als der dadurch entstehende Schaden. Und dasselbe, meine Damen und Herren, muss natürlich auch bei einem Lockdown der Fall sein, das heißt, der Nutzen muss größer sein als der Schaden.

Ich sage Ihnen jetzt etwas, das Sie wahrscheinlich wissen, aber das Sie wieder abstrei­ten werden, und zwar dass ein Lockdown, und sei er noch so hart, eben nicht die Wirkungen hat, von denen Sie alle immer sprechen. Er bringt wenig bis nichts. Der Scha­den hingegen, meine Damen und Herren, ist enorm, wirtschaftlich und menschlich. Und das ist auch der Grund, warum die FPÖ fordert, diese Lockdowns sofort zu beenden. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Reihen der Aluhutträger werden immer zahlreicher, das habe ich vorhin schon ge­sagt. Ich empfinde sie nicht als Aluhutträger. Ich kann Ihnen jetzt wieder einen zitieren,


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und zwar einen der weltweit führenden Medizinwissenschafter, Stanford-Professor John Ioannidis. Ich bin gespannt, wer sich den hier zu beschimpfen traut. Er war übrigens der Erste, der schon Mitte März vorausgesagt hat, wie die Infektionssterblichkeit ungefähr sein wird, nämlich bei damals 0,125 Prozent. Diese Zahl wurde anschließend auch von der WHO bestätigt. Dieser Ioannidis hat sich gemeinsam mit einem zweiten Stanford-Professor, Professor Eran Bendavid, zehn Länder angeschaut, sie haben zehn Länder miteinander verglichen.

Ich habe hier die Zusammenfassung und den Text, den will ich aber nicht vorlesen. Zusammenfassend kann ich Ihnen sagen: Lockdowns zur Eindämmung der Pandemie sind wirkungslos, und die aus den Regierungsmaßnahmen heraus entstehenden Kolla­teralschäden sind um ein Vielfaches schlimmer. Lockdowns bringen wenig bis nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu, meine Damen und Herren, gibt es wahrscheinlich gleich die nächsten Covidioten. Das ist eine Zusammenstellung des AIER, des American Institute for Economic Research, eine Studie vom 19. Dezember 2020, also noch fast druckfrisch. Darin enthalten sind 27 universitäre Studien, die auch zu einem ganz klaren Ergebnis kommen, nämlich: Lockdowns bringen nichts! Es gibt keine Evidenz für die Wirksamkeit dieser Maß­nahmen. Und Sie, meine Damen und Herren, können mir nicht erzählen, dass das niemand weiß. Sie können mir nicht erzählen, dass das in der Regierung niemand weiß. Sie können mir auch nicht erzählen, dass das in den Medien unbekannt ist.

Dann gibt es eine Oppositionschefin in Gestalt von Pamela Rendi-Wagner, die allen Ernstes hergeht und sagt: Der Lockdown muss verlängert werden, wir können jetzt noch nicht aufsperren! (Ruf bei der ÖVP: Was wollt ihr?) Zuerst sind Sie gegen das Freitesten, aber jetzt, meine Damen und Herren von der SPÖ, sind Sie auf einmal für das Rein­testen, was genau dasselbe ist, nur anders betitelt. (Beifall bei der FPÖ.)

Da, meine Damen und Herren von der SPÖ, beschleicht mich das Gefühl, ob das nicht ein Reintesten der SPÖ in die Kurz-Regierung ist. Das ist vielleicht das Reintesten. Meine Damen und Herren! Früher hat man immer gesagt: Nur zwei Dinge im Leben sind sicher, der Tod und die Steuer. Das kann man jetzt erweitern, inzwischen kann man sagen: Drei Dinge im Leben sind sicher, das sind der Tod, die Steuer und das Umfallen der SPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

Wieder zurück zum Lockdown: Wer von Studien nichts hält, meine Damen und Herren, der kann sich die Zahlen auch in der Realität anschauen. Das ist auch wieder aus den USA, der Vergleich von drei Bundesstaaten, nämlich Florida, Texas und Kalifornien. Diese drei Bundesstaaten haben unterschiedliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen. Die einen haben die Schulen offen gehalten, die anderen nicht, einige haben die Geschäfte offen gehalten, andere wieder haben diese geschlossen, in einigen hat man Masken gebraucht, in anderen wieder nicht. Und was war das Ergebnis, meine Damen und Herren? – Die ziemlich gleiche Zahl an Todesfällen von mit oder an Corona verstorbenen Personen. Der einzige Unterschied, der zwischen diesen drei Staaten besteht, ist die Frage, ob man sich entscheidet, dass man auch noch wirt­schaftliche und soziale Verwüstung hinzufügt. Genau dafür steht nämlich ein Lockdown.

Meine Damen und Herren von den Grünen und von der ÖVP, beenden Sie diesen Lockdown! Sie werden sehen, unser Land wird sich hoffentlich trotz dieser Maßnahmen wieder erholen. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Zu den Aussagen zu den Intensivbetten, die vom Herrn Bundesminister gekommen sind – Kollege Schilchegger hat ja schon einiges dazu gesagt –: Ja, es stimmt, es waren einige Intensivstationen vorübergehend voll, es waren einige Krankenhäuser überlastet, so wie sie es 2000 schon waren, 2002, 2007, 2009, 2012/13 und 2017/18, aber da war


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es Ihnen wurscht. Da hat es Ihnen nicht ins Konzept gepasst, aber jetzt passt es Ihnen gut zu Ihrer Politik, und jetzt nehmen Sie das her. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber was haben Sie die letzten Jahre getan? Sie haben auch gewusst, dass das Krankenhauspersonal bereits oftmals an der Grenze menschlicher Belastbarkeit war. Sie gehen aber her und bauen weiterhin Spitalsbetten und Intensivbetten ab und minimieren das Budget für die Gesundheit. Schämen Sie sich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader lässt seine Unterarme parallel zueinander kreisen.)

Übrigens, damals war es nicht Corona, sondern damals war es die Grippe. Die Grippe ist ja heuer ausgestorben, das ist auch sehr spannend. Die Grippezahlen sind jetzt anscheinend so niedrig wegen der Coronamaßnahmen, an die sich die Leute nicht halten, weshalb dann die Coronazahlen so hoch sind. Das muss auch einmal einer ver­stehen. Aber das ist so typisch für diese Regierung: Es wird einfach irgendetwas gesagt und kein Mensch kennt sich aus.

Da kann ich nur hoffen, meine Damen und Herren, dass unser schönes Land und die ganze Welt niemals von einer wirklichen Pandemie mit einem echten Killervirus heim­gesucht wird, denn eines kann ich sagen: Österreich mit dieser Regierung ist verloren – und da können Sie mir schon den Scheibenwischer zeigen, Herr Kollege! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich, da ich es schon ein paarmal ange­sprochen habe, das Thema Masken für Kinder ansprechen. Jetzt benötigen sie sie ohne­hin nicht, denn Sie halten unsere Kinder ja fern von den Schulen, aber dann, wenn die Schulen wieder aufmachen. Deshalb möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Eine weitere aktuelle Studie, diesmal aus Deutschland, von der Universität Witten/Herdecke, das ist in der Nähe von Dortmund, kommt zum Schluss: Masken schaden Kindern. Die unter­suchten 25 930 Kinder hatten unter anderem folgende Symptome: Reizbarkeit: 60 Pro­zent der Kinder; Kopfschmerzen: 53 Prozent der Kinder; Konzentrationsschwierigkeiten: 50 Prozent der Kinder; geringere Fröhlichkeit: 49 Prozent der Kinder; Unwohlsein: 42 Pro­zent der Kinder; Beeinträchtigung des Lernens: 38 Prozent der Kinder; Schläfrigkeit und Müdigkeit – da sollten Sie besonders aufpassen, denke ich, wenn ich da in einige Reihen schaue (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ) –: 37 Prozent der Kinder.

Das ist wirklich eine Schande, meine Damen und Herren, nämlich eine Schande für Schwarz-Grün! Und ich sage Ihnen eines: Hören Sie auf damit! Hören Sie auf, unseren Kindern die Luft abzuschnüren, und lassen Sie unsere Kinder endlich wieder frei atmen! (Beifall bei der FPÖ.)

17.02


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster ist Herr Bundesrat Otto Auer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Kollege.


17.02.33

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Drei Dinge sind in der Pandemie wichtig: die Maske, die Impfung und der Hausverstand. Die ersten zwei können wir uns kaufen, das dritte muss man haben. Dort (in Richtung FPÖ) ist das ein Thema. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wenn ich manche Behauptungen höre, dann tue ich mir schwer. (Bundesrat Spanring: Dass ihr euch schwertut, wissen wir eh!) Wir haben, wie gesagt, die Maske und diese Schutzimpfung, die uns jetzt sehr schnell weiterbringen wird, und wir haben die Tes­tungsmöglichkeit. Die Testungsmöglichkeit schlechtzureden finde ich ganz mies, denn ich garantiere mit meiner Testung, dass ich zum Zeitpunkt der Testung mit höchster


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Wahrscheinlichkeit keine Viren in mir hatte. Wenn ich jetzt sage, wir brauchen nicht zu testen, dann wissen wir nicht, was Sache ist. Wir haben ja klar gesehen, dass wir durch die erste Testrunde viele Ansteckungen verhindern konnten. (Bundesrat Steiner: Täg­lich testen, täglich testen, täglich testen!)

Die Möglichkeit, die uns der Lockdown bringt, sehen wir auch ganz genau: In Nieder­österreich und Wien war die Lage vor Weihnachten ganz mies, in Salzburg war sie gut. Jetzt ist es umgekehrt. Das heißt, man muss den Lockdown länger machen, man muss die Infektionszahlen möglichst unten halten, damit das alles wieder funktioniert.

Alles schlechtzureden ist das leichteste, was wir tun können. Wenn Kollege Spanring sagt, alles ist mies, dann muss ich sagen: Ja, ich glaube eh, dass alles mies ist. (Bun­desrat Spanring: Habe ich das gesagt?) Wenn man sich an nichts hält und alles tut, dann kann es nicht funktionieren, das ist eh die Logik im System. (Bundesrat Steiner: ... wie viele Studien man noch vorlesen muss!)

Die Studien sind das eine, aber man sieht an allen Nachbarländern, was die Wahrheit ist und was die Studien sagen. Auch die Slowaken und die Tschechen haben massive Probleme. Die Slowaken haben einen kompletten Lockdown gehabt, haben eine Durch­testung gehabt, und es hat nicht viel genutzt. (Bundesrat Steiner: Ja, und was machen wir?!)

Jetzt muss man das eindämmen, und zwar mit allen Maßnahmen, die zur Verfügung stehen, damit die Menschen das höchstmögliche Maß an Sicherheit haben (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner) – und nicht eine Gaudi machen –, jetzt müssen wir schauen, dass die Impfung kommt.

Man hat nichts versäumt, denn man hat ja in der Slowakei gesehen, dass das ein dau­ernder Prozess ist und keine Einmalaufnahme. Darum müssen wir schauen, dass wir in diese Richtung arbeiten und zusammenhalten. Wie der Herr Minister gesagt hat: Nur in der Einigkeit und in der Gemeinsamkeit schaffen wir das!

Ich denke, speziell beim Testen ist der Schutz für körpernahe Dienstleister etwas ganz Wichtiges, denn so kann er mit höchster Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass er den Kunden ansteckt oder dergleichen. Das kann man nicht schlechtreden, sondern das muss man ganz einfach machen. Die Impfung wird uns schützen, wird uns helfen und uns aus dieser Krise herausbringen.

In diesem Sinn: Bleiben wir gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)  

17.05


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ein weiteres Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober. – Bitte, Herr Bundesminister.


17.05.23

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt auf den Geschmack gekommen, denn ich habe erfahren, dass man hier als Regierungs­mitglied oft reden kann. (Heiterkeit bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) – Nein, keine Sorge, es wird jetzt nicht lange dauern. Aber ich bin ersucht worden, noch ein paar Informationen dazu zu geben, was der Stand der Dinge im Zusammenhang mit der Mutation ist. Ich mache das gerne, wenn das gewünscht wird und für alle von Interesse ist, und versuche, mich dabei kurz zu halten.

Mutationen haben wir beim Coronavirus schon viele gehabt. Auch der jetzige Stamm­virus, der Hauptvirus, ist einer, der schon eine Mutation darstellt. Nun ist diese örtliche Zuteilung, die es immer gibt, Britenvirus und so weiter, eigentlich ein Unsinn und eine Vereinfachung. Es ist halt der Ort, wo die entsprechende Variante zum ersten Mal


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festgestellt wurde. Großbritannien macht sehr, sehr viele Sequenzierungen, so wie Dänemark zum Beispiel, und deswegen war der Fund in Großbritannien. Das heißt nicht, dass er dort entstanden ist. Auch für den Südafrikavirus gilt dieselbe Erklärung.

Was wir sehen, ist, dass sich dieser Virus sehr, sehr schnell ausgebreitet hat. Er wurde erstmals im September in Großbritannien gefunden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Reden wir nachher, Stefan, es ist gleichgültig. Sagen wir, er wurde in die­ser Region gefunden. Kompromiss? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)  Okay, gut.

In der Folge gab es bis Dezember eine sehr dramatische, schnelle Ausbreitung dieses Virus in – in diesem Fall – Großbritannien. Wir hatten die Situation, dass knapp vor Weih­nachten, am 21. Dezember, britische Wissenschaftler gemeinsam mit der britischen Re­gierung die Forschungsergebnisse auf den Tisch gelegt haben. Da ist klar geworden, dass das ein Riesenthema, ein Riesenproblem ist. Warum? – Weil die Ausbreitung in Großbritannien innerhalb von drei Monaten so schnell gegangen ist, dass am 20. De­zember der Anteil dieser Variation an den gesamten Neuinfektionen eines Tages in London bereits bei 60 Prozent lag.

Was ist der Unterschied? – Die gute Nachricht ist, dass der Krankheitsverlauf nicht an­ders ist. Es gibt keine höhere Todeshäufigkeit, aber es gibt eine höhere Viruslast, Infek­tionslast, das heißt, die Ansteckungswahrscheinlichkeit ist deutlich höher. Die Wissen­schaftler gehen mittlerweile von einer Bandbreite von plus 40 bis plus 70 Prozent aus. Das heißt übersetzt, dass der Reproduktionsfaktor um circa 0,5 höher wäre, wenn es eine absolute, völlige Durchdringung eines Landes mit dieser Variante geben würde.

Das würde bedeuten – wir sind jetzt bei einem effektiven Reproduktionsfaktor von knapp 1 –, dass wir auf 1,5 klettern, und das bedeutet übersetzt: Wenn ich jetzt bei einem Reproduktionsfaktor von 1,0 zehn Infizierte habe, dann stecken sie in der Real­situation zehn andere an. In der neuen Situation würde es bedeuten: Zehn Infizierte stecken 15 andere an. Das klingt banal und wenig, aber da kann dann natürlich in der Masse eine enorme Dynamik entstehen.

In Irland – und jetzt bin ich bei dir, Stefan – war die Situation so, dass Irland knapp vor Weihnachten das beste Land Europas war. Wir haben dazu ein bisschen einen Diskurs gehabt, aber ich glaube, wir schätzen das grundsätzlich ähnlich ein. Jetzt ist Irland allerdings eines der Länder, die europaweit betreffend Infektionszahlen an der Spitze stehen. Es hat in Irland eine Verzehnfachung der Infektionszahlen innerhalb von drei Wochen gegeben. So groß sind die Dramatik und die Dynamik, die dadurch entstehen können.

Wo in Europa gibt es mittlerweile weitere Funde? – Mittlerweile haben wir in fast allen europäischen Staaten erste Funde. In der Schweiz beträgt der Anteil – das wurde ges­tern publiziert – bereits 6 Prozent, in den Niederlanden beträgt der Anteil bereits 5 Prozent.

Wie schnell das geht, zeigt Dänemark. In Dänemark betrug der Anteil der neuen Varia­tion an den gesamten Neuinfektionen Ende November 0,2 Prozent, Ende Dezember betrug er bereits 2 Prozent. Das ist eine Verzehnfachung des Anteils innerhalb kürzester Zeit.

Um nach Österreich zu kommen – ein Punkt, der für uns noch wichtig ist –: Für die Slowakei wird der Anteil der neuen Variation an den gesamten Neuinfektionen im Augenblick auf bis zu 15 Prozent geschätzt. Da haben wir viele Pendlerinnen und


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Pendler. Ich weise jetzt keine Schuld zu oder sonst irgendetwas, sie haben keine Verant­wortung, sie sind alle Opfer. Deswegen sind wir immer davon ausgegangen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis diese Variante auch in Österreich auftritt.

Wir haben mittlerweile an die hundert Verdachtsfälle. Verdachtsfälle entstehen so, dass es eine Art Vorsequenzierung gibt, das heißt ein spezielles PCR-Verfahren, das fest­stellt, ob eine Mutation grundsätzlich vorhanden ist, und dann muss sequenziert werden. Das machen bei uns die Kollegen von der Akademie der Wissenschaften, super Profis im Übrigen – toll, dass wir solche Forscher und Wissenschaftler bei uns haben, die derzeit die Sequenzierungen dieser hundert Verdachtsfälle durchführen.

Das heißt, wir werden Mitte nächster Woche wissen, wie weit die Verbreitung tatsächlich schon ist. Uns sagen die Wissenschaftler, es wäre eine große Überraschung, wenn da sehr viele negative Proben dabei wären. Man geht also in der Wissenschaft davon aus, dass das Virus auch bei uns bereits angekommen ist, und derzeit läuft auf wissen­schaftlicher Ebene der Diskurs eigentlich in ganz Europa: Was bedeutet das für die Schutzmaßnahmen? Was müssen wir in dem Bereich intensivieren? Ihr alle habt viel­leicht gehört oder gelesen, dass es in Deutschland Planungen gibt, als eine Antwort darauf den FFP2-Masken-Schutz massiv auszubauen. Das ist derzeit der Diskurs, und darauf werden wir dann auch die Maßnahmen für die Zeit nach dem 24.1. aufbauen müssen. – Das ist die Information von meiner Seite. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.11


17.11.30

Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesord­nungs­punkte getrennt erfolgen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Der Schriftführer und der Vorsitzende machen von ihrem Stimmrecht Gebrauch.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine Sozial­versiche­rungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.

Es liegt ein Ausschussantrag vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Hiezu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich ersuche um deutliche Äußerung.


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 77

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Beer geben die BundesrätInnen ihr Stimmver­halten mündlich bekannt.)

*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich stimme mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 17.18 Uhr unterbrochen und um 17.19 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe nun das Abstimmungs­ergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Ausschussantrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 47 „Ja“-Stimmen und 13 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé, Arlamovsky;

Bader, Beer, Berger-Grabner, Buchmann;

Eder, Eder-Gitschthaler, Egger;

Gfrerer, Grimling, Gross, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn, Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Holzner;

Kahofer, Kaltenegger, Kittl, Köck, Kolland, Kornhäusl;

Lackner, Lancaster;

Mattersberger, Miesenberger;

Novak;

Preineder, Prischl;

Raggl, Reisinger, Riepl, Ringer;

Schachner, Schennach, Schreuder, Schumann, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Seeber;

Wolff;

Zaggl, Zeidler-Beck, Zwazl.


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 78

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Auer;

Bernard;

Dim;

Gerdenitsch;

Hübner;

Kovacs;

Leinfellner;

Schartel, Schererbauer, Schilchegger, Spanring, Steiner, Steiner-Wieser.

*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Frei­heitliches Maßnahmenpaket zu Covid-19“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungs­antrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Verbot von Covid-19-Zwangs­testungen und Zwangsimpfungen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „keine Verzögerung bei den Corona-Impfungen und Vor­be­reitung des Einsatzes von Selbsttests“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungs­antrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „kostenlose FFP2-Masken für alle e-Card-Inhaber*innen, welche das zehnte Lebensjahr vollendet haben“ vor.

Hiezu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 79

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um deutliche Äußerung.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Beer geben die BundesrätInnen ihr Stimmver­halten mündlich bekannt.)

*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich nehme an der Abstimmung teil und stimme mit „Nein“.

Die Stimmabgabe ist damit beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 17.27 Uhr unterbrochen und um 17.28 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe nun das Abstimmungs­ergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Entschließungsantrag bei 60 abgegebe­nen Stimmen 19 „Ja“-Stimmen und 41 „Nein“-Stimmen.

Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé;

Beer;

Egger;

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kahofer, Kovacs;

Lancaster;

Novak;


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 80

Prischl;

Reisinger, Riepl;

Schachner, Schennach, Schumann;

Zaggl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Arlamovsky, Auer;

Bader, Berger-Grabner, Bernard, Buchmann;

Dim;

Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Gross;

Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Holzner, Hübner;

Kaltenegger, Kittl, Köck, Kolland, Kornhäusl;

Lackner, Leinfellner;

Mattersberger, Miesenberger;

Preineder;

Raggl, Ringer;

Schartel, Schererbauer, Schilchegger, Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Seeber, Spanring, Steiner, Steiner-Wieser;

Wolff;

Zeidler-Beck, Zwazl.

*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist damit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.29.43Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Christian Buchmann: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungs­punkte 2 bis 4 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 81

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnungspunkte 2 bis 4:

Abstimmungen:

TO-Punkt 2:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stim­men­einhelligkeit).

TO-Punkt 3:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird in namentlicher Abstim­mung bei abgegebenen Stimmen: 60 mit Ja-Stimmen: 47 und Nein-Stimmen: 13 ange­nommen.

Sitzungsunterbrechung zur Stimmenauszählung von 17.18 Uhr bis 17.19 Uhr.

Der Entschließungsantrag Beilage 3/1 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 3/2 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 3/3 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 3/4 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 3/5 EA wird in namentlicher Abstimmung bei abgegebenen Stimmen: 60 mit Ja-Stimmen: 19 und Nein-Stimmen: 41 abgelehnt.

Sitzungsunterbrechung zur Stimmenauszählung von 17.27 Uhr bis 17.28 Uhr.

TO-Punkt 4:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stim­meneinhelligkeit).“

*****

Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll zu verlesen, was ich soeben getan habe.

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amtlichen Protokolls? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 2 bis 4 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als ge­nehmigt.

Einlauf


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 28. Jänner 2021, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.


BundesratStenographisches Protokoll919. Sitzung, 919. Sitzung des Bundesrates am 15. Jänner 2021 / Seite 82

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 26. Jänner 2021, 14 Uhr, vorge­sehen.

Kommen Sie gut nach Hause und bleiben Sie gesund!

Die Sitzung ist geschlossen.

17.33.04Schluss der Sitzung: 17.33 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

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