Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

908. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 24. Juni 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

908. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 24. Juni 2020

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 24. Juni 2020: 13.05 – 16.18 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kom­munalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantie­ge­setz 1977 geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-JuBG), das 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwaltsordnung, das Diszi­plinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und das Gesellschafts­recht­liche COVID-19-Gesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 Abs. 3 GO-BR .............................................................. 6

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 25

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 26

Wortmeldung des Bundesrates Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................... 26

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsident Michael Wanner ................................................................................... 38


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 2

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls .................................. 39

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 5

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................. 5

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 5

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen, an den Bun­desminister für Finanzen betreffend „Gemeindefinanzen krisensicher machen!“ (3779/J-BR/2020) .................... 40

Begründung: Dominik Reisinger .................................................................................. 40

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .............................................................. 41

Debatte:

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 43

Karl Bader ................................................................................................................ ..... 45

Josef Ofner .............................................................................................................. ..... 47

Marco Schreuder .......................................................................................................... 51

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 52

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundes­gesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kommunalinves­titionsgesetz 2020 – KIG 2020) (542/A und 226 d.B. sowie 10352/BR d.B.) ..................................................................... 6

Berichterstatter: Otto Auer .............................................................................................. 7

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiegesetz 1977 geän­dert werden (227 d.B. sowie 10353/BR d.B.) ........................................................................................................................................... 6

Berichterstatter: Otto Auer .............................................................................................. 7

RednerInnen:

Dr. Karlheinz Kornhäusl ......................................................................................... ....... 7

Dominik Reisinger .................................................................................................. ..... 10

Markus Leinfellner .................................................................................................. ..... 12

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 14

Ing. Isabella Kaltenegger ....................................................................................... ..... 15

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 17

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ..... 20

Korinna Schumann ................................................................................................. ..... 21

Karl Bader ................................................................................................................ ..... 24


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 3

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 24

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Haftungsobergrenze für Gemeinden“ – Annahme (304/E-BR/2020) ....................  13, 25

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Finanzierungs-Zweckzuschuss für Städte und Gemein­den in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn“ – Annahme (305/E-BR/2020) (namentliche Abstimmung) ........................................  19, 26

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 26

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 25

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 27

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-JuBG), das 2. Bun­desgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwalts­ord­nung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsan­waltsanwärter und das Gesell­schaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert wer­den (619/A und 206 d.B. sowie 10354/BR d.B.) ..................... 27

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ........................................................................ 28

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz geändert wird (207 d.B. sowie 10355/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 27

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ........................................................................ 28

RednerInnen:

Andreas Arthur Spanring ....................................................................................... ..... 28

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ..... 31

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. ..... 31

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ............................................................................. ..... 32

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 34

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................ ..... 36

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ..... 37

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Mag. Eli­sabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anrechnung der COVID-19-Kurzarbeit der Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwalts­an­wär­ter für die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechts­anwältin“ – Annahme (306/E-BR/2020) ..............  29, 38

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 38


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 38

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Elisabeth Grimling, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gesetzesübertretungen bei FPÖ-Demo (3775/J-BR/2020)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Breitbandausbau als Förderung der Regionen (3776/J-BR/2020)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Benachteiligung bei der Auszahlung des Familienbonus (3777/J-BR/2020)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Benachteiligung bei der Auszahlung des Familienbonus (3778/J-BR/2020)

Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Gemeindefinanzen krisensicher machen! (3779/J-BR/2020)

Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend COVID-Maßnahmen in Schulen (3780/J-BR/2020)

Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Gender-Gap in der Forschung (3781/J-BR/2020)

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 5

13.05.10Beginn der Sitzung: 13.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Robert Seeber, Vizepräsident Michael Wanner, Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler.

13.05.12*****


Präsident Robert Seeber: Ich eröffne die 908. Sitzung des Bundesrates, die aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundesrates gemäß § 40 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates für heute einberufen wurde.

Das Amtliche Protokoll der 907. Sitzung des Bundesrates vom 4. Juni 2020 ist auf­gelegen, wurde nicht beanstandet und gilt daher als genehmigt.

Für den heutigen Tag als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag. Dr. Doris Berger-Grabner, Ingo Appé und Wolfgang Beer.

Ich darf Herrn Finanzminister Mag. Gernot Blümel hier im Hohen Haus herzlich be­grüßen. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei BundesrätInnen von FPÖ und Grünen.)

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Robert Seeber: Eingelangt sind und den Ausschüssen zugewiesen wurden folgende Verhandlungsgegenstände: 

Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2020, vorgelegt vom Bundes­minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-718-BR/2020), zugewiesen dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung,

Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2019 (III-719-BR/2020), zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr.

Weiters eingelangt sind

ein Schreiben des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitglieds,

ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union,

die Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominie­rung der Bundesregierung mit Beschluss vom 16. Juni 2020 über Vorschlag der öster­reichischen Sozialverbände für die zwölf Österreich zustehenden Mitglieder des Euro­päischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) für die Periode 21. September 2020 bis 20. September 2025.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 6

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Robert Seeber: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte zu den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates Abstand zu nehmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Ab­standnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschuss­be­richte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erfor­derlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Robert Seeber: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages be­absichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 sowie 3 und 4 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Robert Seeber: Bevor wir jetzt in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gemeindefinanzen krisen­sicher machen!“ an den Herrn Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung nicht über 16 Uhr hinaus.

13.09.231. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kommunalinves­titionsge­setz 2020 – KIG 2020) (542/A und 226 d.B. sowie 10352/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiegesetz 1977 geändert werden (227 d.B. sowie 10353/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 7

Präsident Robert Seeber: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchge­führt werden.

Berichterstatter zu den beiden Punkten ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um die Berichte.


13.10.01

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Gäste hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020.

Das Projekt sieht Bundesmittel in der Höhe von 1 Milliarde Euro vor, gegenüber dem KIG 2017 wird der Zuschuss des Bundes von 25 Prozent auf 50 Prozent der Investition der Gemeinde erhöht.

Der Zuschuss wird für Projekte gewährt, die entweder noch nicht begonnen wurden, wofür als Stichtag Ende Mai 2020 festgelegt wird, oder auch für Projekte, die zwar Ende Mai im Jahr 2019 bereits begonnen wurden, aber von der Gemeinde aufgrund der krisenbedingten Mindereinnahmen verschoben werden müssten.

Die Aufteilung auf die einzelne Gemeinde erfolgt wie beim KIG 2017, somit nach einem Mischschlüssel aus Einwohnerzahl und abgestuftem Bevölkerungsschlüssel.

Die Informationen wurden Ihnen zugesandt, ich komme damit zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2020 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantie­gesetz 1977 geändert werden.

Die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf österreichi­sche Unternehmen liegen unverändert vor. Damit es in diesem Zusammenhang nicht zu einer existenzbedrohlichen Gefährdung für österreichische Unternehmen kommt, ist es erforderlich, dass den betroffenen Unternehmen sowohl von der Austria Wirtschafts­service Gesellschaft mit beschränkter Haftung (AWS) als auch von der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank Gesellschaft m.b.H. (ÖHT) weiterhin Garantien im Zusam­menhang mit der Coronaviruskrise gemäß KMU-Förderungsgesetz zur Verfügung ge­stellt werden.

Auch diese Informationen haben Sie schriftlich erhalten, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2020 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Präsident Robert Seeber: Danke für die Berichte.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm dieses.


13.12.49

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie via Livestream zugeschaltet sind! Wir haben in den letzten Wochen und Monaten so etwas erlebt – ich möchte es so bezeichnen – wie eine Phase 1


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oder Stufe 1, in der wir alle gemeinsam durch unsere Maßnahmen, durch unser persönliches Verhalten zum einen gegen die Ausbreitung des Virus gekämpft haben und zum anderen versucht haben, über die diversesten Hilfsfonds unsere Wirtschaft vor dem Schlimmsten zu bewahren und sie zu unterstützen. (Bundesrat Steiner: Das ist aber nicht geglückt! – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist beim Versuch geblieben!) Ein Paket, das das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiegesetz betrifft, wodurch die Garantien durch das AWS und die ÖHT sichergestellt werden sollen, wollen wir heute verab­schieden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, gerade in dieser Zeit, in dieser schwierigen Zeit, sind uns starke Partner zur Seite gestanden, die gerade in dieser Zeit bewiesen haben, dass sie ein wesentlicher Rückhalt unseres Staates sind. Ich rede da von unse­ren Städten und Gemeinden.

An dieser Stelle möchte ich wirklich all unseren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Gemeindefunktionären, Gemeinderäten, allen Gemeindemitarbeitern von Herzen Danke sagen. Ihnen gebührt an dieser Stelle ein kräftiger Applaus (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ, FPÖ und Grünen – Zwischenruf bei der SPÖ), weil sie wesentlich dazu beigetragen haben, diese Krise zu meistern, sodass wir heute so dastehen, wie wir eben dastehen; sei es durch die Kommunikation der verordneten Maßnahmen, sei es durch Serviceleistungen oder soziale Dienste.

Ich glaube, das Wesen einer Partnerschaft ist, dass man sich hilft, wenn man sich braucht, und dass man den anderen unterstützt, wenn er einmal Unterstützung braucht. Und ja, unsere Gemeinden brauchen jetzt unsere Hilfe – und ja, wir wollen und wir werden ihnen diese Hilfe zugutekommen lassen –, bedingt durch den Wegfall wesent­licher Ertragsanteile; das Wifo hat ja im April von einem Minus von rund 7 Prozent geschrieben, genau kann man das noch nicht sagen. Dieser Wegfall bedingt, dass wir heute hier und jetzt ein einmaliges Paket in einer, wie ich hoffe, einmaligen Krise auf den Weg schicken werden. (Bundesrat Steiner: Hoffentlich kommt es an!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit komme ich zur Stufe 2 dieser Coronakrise: zur Arbeit, zum Wiederaufschwung in Österreich und zum Comeback von Österreich. Es geht heute um das Kommunalinvestitionsgesetz 2020, und ich sage hier voll Stolz: Das ist ein wesentlicher Meilenstein, wenn es um das Comeback unseres Österreich geht! (Bundesrätin Mühlwerth: Jetzt wollen wir es aber nicht übertreiben!) Warum sage ich das? – Weil dieses Paket zum Ersten die Gemeinden wesentlich stärkt, weil dieses Paket zum Zweiten die lokale Wirtschaft wesentlich stärkt und damit Arbeitsplätze vor Ort sichert und weil dieses Paket zum Dritten, und das ist mir persönlich auch besonders wichtig, eine starke ökologische, nachhaltige Handschrift trägt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Grünen.)

Verehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen nur ein paar Zahlen vor Augen führen: Das KIG 2020, Kommunalinvestitionsgesetz 2020, das sich ja am KIG 2017 orientiert, schaut folgendermaßen aus: KIG 2017: 125 Millionen Euro – jetzt 1 000 Millionen Euro, das ist 1 Milliarde Euro. Ich darf mich an dieser Stelle bei unserem Finanzminister für diese Unterstützung auf das Herzlichste bedanken. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Bei den Steuerzahlern, das wäre gescheiter! Es ist das Geld der Steuerzahler und nicht des Herrn Finanzministers! Da müsstest du dich bedanken, bei den Steuerzahlern, nicht beim Finanzminister, der das Geld verwaltet!)

Weiters: damals 25 Prozent Förderung der eingereichten Projekte – jetzt 50 Prozent Förderung der eingereichten Projekte; damals Projekte, die – unter Anführungs­zeichen – „nur“ für die Zukunft geplant waren – jetzt mit dem KIG 2020 einerseits Pro­jekte, die von jetzt weg bis Ende 2021 geplant und umgesetzt werden, und Projekte, die


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seit Juni 2019 in unseren Gemeinden gestartet wurden und durch die Coronakrise jetzt etwas ins Wanken gekommen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir können hier anhand dieser Zahlen wirklich eines zeigen: Das KIG 2020 ist ein starkes Mittel – ich möchte fast sagen The­rapeutikum – gegen den Stillstand in diesem Land und für den Aufschwung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Grünen. – Bundesrätin Schumann: Na geh!)

Als stolzer Steirer habe ich mir natürlich die Zahlen für mein Heimatbundesland angeschaut. Die Steiermark bekommt aus dem Paket 137 Millionen Euro – 137 Millionen Euro. Auf Graz entfallen davon 36 Millionen Euro, das ist die Stadt, in der ich heute lebe und arbeite, und auf meinen Heimatbezirk, in dem ich geboren bin und aus dem ich komme, Graz-Umgebung, entfallen 16 Millionen Euro. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wofür kann man dieses Geld jetzt brauchen? – Das ist eine Liste, die schier uner­schöpflich ist: Es beginnt bei Errichtung, Erweiterung, Sanierung von Kindertages­ein­richtungen, Schulen und Senioreneinrichtungen, geht weiter über Ortskernsanierungen, Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Schaffung von Radwegen, Straßensanierung – ein wesentlicher Bestandteil vor allem im ländlichen Raum –, Ausbau von alternativen Energieerzeugungen, Wasserversorgung, Ausbau des Breitbandnetzes und so weiter bis hin – und auch das ist mir besonders wichtig – zur Sicherstellung der Kinderbetreu­ung in den Sommerferien 2020.

Ich habe mit einigen Bürgermeistern und Gemeindevertretern aller Couleurs (Zwi­schen­rufe bei der SPÖ) – da darf ich Sie, die Sie da jetzt ganz nervös aufgeschrien haben, beruhigen – geplaudert und (Ruf bei der SPÖ: Die waren alle begeistert!) die haben mir gesagt: Es passt! Die haben mir gesagt: Es passt, damit können wir etwas anfangen!

Einen möchte ich an dieser Stelle wirklich zitieren, der das auch öffentlich gesagt hat – und jetzt bitte ich die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, gut zuzuhören, es gibt einen Bürgermeister, der das gesagt hat –: Ich begrüße es außerordentlich, dass diese Regierung ein solches Investitionspaket verabschiedet hat, und das in einer beacht­lichen Größenordnung! – Das war Bürgermeister Ludwig, SPÖ-Bürgermeister von Wien, ein vernünftiger Mann, der auch erkannt hat, was wir hier auf den Weg bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Grünen sowie Beifall und Juhu-Ruf bei der SPÖ.)

Ich möchte aber jetzt von der Theorie zu Best-Practice-Beispielen kommen und Ihnen drei aus meinem Heimatbundesland bringen. In Wundschuh, einer Gemeinde in meinem Heimatbezirk Graz-Umgebung, ist eine engagierte Bürgermeisterin tätig, und dort ist der Ausbau der Volksschule wieder in vollem Gange, unter anderem auch dank dieser Mittel aus dem Paket KIG 2020. (Bundesrat Steiner: Ach so, die sind schon geflossen oder was?)

Weiter geht es: Auch in Gleisdorf ist ein engagierter Bürgermeister tätig, der vor­gerechnet hat, dass die Zahl der Kinderkrippenplätze dank dieses Pakets, das wir heute verabschieden, in seiner Heimatgemeinde verdoppelt werden kann. Oder, ein Freund von mir, Bürgermeister Andi Kühberger in Mautern in der Obersteiermark, wird einen Motorikpark errichten (Ruf bei der FPÖ: Na super!) und das Internet weiter ausbauen. (Ruf bei der FPÖ: Amen! Amen! – Bundesrat Steiner: Wie ein Pfarrer stehst du draußen! Ein Pfarrer könnte es nicht besser machen!)

Sie sehen also, es gibt viele Möglichkeiten, und wenn Sie nachdenken, wird Ihnen vielleicht auch etwas einfallen. Sollte einem hier nichts einfallen, dann muss man schon sehr fantasielos sein. (Bundesrat Steiner: Amen! Der heilige Sebastian!) Sie sehen, mit diesem Paket haben unsere Städte und Gemeinden eine weitere wesentliche Möglich­keit erhalten, daran zu arbeiten, so liebenswert und lebenswert zu bleiben, wie wir alle sie kennen.


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Ich wünsche unseren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern weiterhin viel Kraft für ihre Tätigkeit. Ich wünsche ihnen in der Steiermark alles Gute für die bevorstehende Gemein­deratswahl diesen Sonntag. Ich wünsche ihnen und uns allen: Bleiben wir gesund! Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Lackner.)

13.22


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile ihm dieses.


13.22.27

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Noch ein oder zwei Sätze zu meinem Vorredner, Herrn Kollegen Kornhäusl: Wenn wir den Gemeinden Applaus spenden, dann ist das natürlich eine nette Geste und auch eine Geste, die wir sehr gerne unterstützen. Es darf aber nicht bei der Geste bleiben, die Gemeinden haben mehr verdient. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Bader: Kriegen sie auch!)

Wenn Sie den Wiener Bürgermeister Ludwig zitieren, dann bringen Sie das Zitat bitte auch zu Ende, denn da gab es ein Aber mit vielen Nachsätzen – damit es auch richtig wiedergegeben ist!

So, nun zu meinem Redebeitrag, der natürlich, da ich 23 Jahre in der Kommunalpolitik tätig bin, als Bürgermeister, als SPÖ-Kommunalsprecher, vor allem oder eigentlich nur dem Tagesordnungspunkt 1 gewidmet ist. In diesem geht es um ein Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen. Im gesamten parlamentarischen Gesetz­werdungsprozess hat die SPÖ versucht, den vorliegenden Gesetzesvorschlag abzu­ändern und zu verbessern. Leider ist das aber an der beharrlichen Ablehnung von Türkis-Grün gescheitert. Und glauben Sie mir, es gibt genügend Gründe, mit dem, was wir jetzt vor uns liegen haben, unzufrieden zu sein, es gibt eine Menge Kritikfelder.

Wir als SPÖ werden sicher nicht dagegen stimmen, wir werden dafür stimmen. Es ist aber auch an der Zeit, unseren SPÖ-Gegenvorschlag zu diskutieren und vor allem die vielen Kritikfelder und Schwachpunkte deutlich aufzuzeigen. Wie schon bei allen an­deren Coronahilfspaketen hat es die Regierung nämlich neuerlich verabsäumt, die wahren Probleme aufzugreifen und sie vor allem auch zu lösen. Ich sage Ihnen auch gerne, warum: Das Pferd wurde nämlich von hinten aufgezäumt, und das geht in der Regel nicht gut.

Schauen wir uns doch die Probleme der Gemeinden und Städte näher an! Wie in anderen Bereichen zieht die Covid-Krise auch ein finanzielles Erdbeben in den Gemein­dehaushalten nach sich. Es gibt massive Einbußen bei den Einnahmen. Da geht es um die geringeren Anteile beim Steueraufkommen, es geht um die Kommunal­steuerein­bußen, aber auch um andere, kleinere Einnahmequellen, die sinken werden. Gleichzeitig geht es aber auch um Ausgabensteigerungen vor allem in den Bereichen Gesundheit und Pflege. Das alles treibt die finanzschwachen Kommunen in den Budgetabgang, und es gibt Hunderte kleine und mittlere Gemeinden, die schon in den letzten Jahren für den Haushaltsausgleich ganz hart arbeiten und kämpfen mussten.

Was macht jetzt die Regierung? – Sie schnürt ein Investitionspaket mit einem Fördersatz von maximal 50 Prozent, das aber nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn sich die Gemeinden den eigenen Finanzierungsanteil leisten können, und das kann im schlechtesten Fall ebenfalls ein Anteil von bis zu 50 Prozent der Projektkosten sein. Die vielen Gemeinden, die heuer in den Abgang rutschen werden, bleiben somit auf der Strecke. Sie helfen den Gemeinden mit diesem Paket nicht und verhindern neue Pro­jekte.


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Diese Methode, die Sie hier anwenden, zieht sich wie ein türkis-grüner Faden durch die Krise. Es hat nämlich den Anschein, als ob Sie ohnehin damit kalkulieren, dass die Fördernehmer nur beschränkt Zugang zu den Fördertöpfen haben sollen und so nur einen Bruchteil Ihrer angekündigten Hilfspakete auch abholen können. Sie sind damit Ankündigungsweltmeister in Ihren Pressekonferenzen bei den Hilfspaketen, spielen aber in der Realität leider nur in der Unterliga.

Die Auswirkungen Ihrer Politik sind fatal, damit gefährden Sie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Leistungen in den Gemeinden und Regionen, Leistungen, die sich unmit­telbar auf die Lebensqualität der GemeindebürgerInnen auswirken werden, weil es not­gedrungen zu Verzögerungen und auch zu Einsparungen beim Schulbau, bei Kinder­gartenprojekten, beim Feuerwehrwesen, bei der Wasserversorgung, der Abwasserent­sorgung oder auch beim Straßenbau kommen muss.

Dann gibt es ja auch noch die Länder, wie wir wissen, die den Gemeinden zum Teil sehr strenge Vorgaben bei den Projektfinanzierungen aufbürden. Selbst wenn der Bund mit­finanziert, heißt das bitte noch lange nicht, dass die Länder mitgehen oder – wie es zum Beispiel in Oberösterreich schon gemacht wurde und worüber auch jetzt wieder nach­gedacht wird – dass sie ihre üblichen Förderquoten auszahlen, sondern nach Abzug der Bundesförderung könnten sie selbst ihre Förderungen kürzen. Auch dem Land gegenüber sind die Eigenmittel der Gemeinde nachzuweisen und es darf auch nur bedingt zu Darlehensaufnahmen kommen, sonst gibt es nämlich keinen genehmigten Finanzierungsplan und in der Folge auch keine genehmigten Projekte.

Für problematisch halte ich auch die Eingrenzung bei den förderbaren Gemeinde­projekten, dabei haben die Gemeinden genügend tolle Projekte, die auf ihren Schreib­tischen liegen. Als ob die Gemeinden selbst nicht wüssten, was die Kommunen für ihre Gemeindebürgerinnen und -bürger umzusetzen haben, schreiben Sie ihnen nämlich vor, was zu tun ist. Das kommt ja fast einer Bevormundung der Gemeinden gleich und müsste eigentlich allen sauer aufstoßen, die sich in der Kommunalpolitik einbringen.

Unser Resümee ist deshalb: Das Gemeindepaket der Regierung wäre erst der zweite oder dritte Schritt und ist vom Volumen her viel zu klein. Bevor die finanzschwachen Gemeinden an Investitionen denken können, muss ihnen der Einnahmenentgang abgegolten werden. Das ist nicht nur allein der Befund der SPÖ oder der Opposition, auch Gemeindebundpräsident Riedl merkte unlängst an – und das ist ein echtes Zitat –, dass sich manche Gemeinden das Investitionsprogramm nicht leisten werden können. – Noch weiter geht sogar der oberösterreichische Gemeindebundpräsident Hingsamer, der sinngemäß sagte, dass das vorliegende Paket zu klein oder zu wenig sei. – Und jetzt passen Sie auf, Sie wissen es sicher alle (Bundesrat Schennach: Beide ÖVP!): Beide Herren kommen aus der ÖVP.

Abschließend komme ich auf das eingangs erwähnte Modell der SPÖ zurück, für das sich die Regierung bis jetzt leider nicht erwärmen konnte. Vielleicht kommt ja noch Bewegung in die Diskussion. Wir als SPÖ werden sicher nicht müde und werden auch nicht aufgeben, uns für solch ein Hilfspaket starkzumachen, ein Hilfspaket, das auch seinen Namen verdient. Wir schlagen nämlich eine Quote von 250 Euro pro Einwohner als Direktzahlung für die Gemeinden vor, und die Auszahlung soll noch bis Ende August 2020 erfolgen. So gehen 2,2 Milliarden Euro zur 100-prozentigen Abdeckung der Einnahmenentfälle an unsere Gemeinden und in unsere Regionen. Erst dann kann ein Investitionsprogramm greifen, das Impulse in den unmittelbaren Lebensbereichen der Menschen setzt, das Arbeitsplätze sichert, die regionale Wirtschaft ankurbelt und unser Wohnumfeld in den Gemeinden attraktiv und lebenswert gestaltet. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 12

Um den Unterschied auch sichtbar zu machen, ein kleines Rechenbeispiel: Meine Gemeinde Haslach an der Mühl mit rund 2 500 Einwohnern würde mit dem SPÖ-Modell direkt 634 000 Euro erhalten, mit dem türkis-grünen Modell, wenn überhaupt, höchstens 266 000 Euro.

Mit dem heutigen Gesetzesantrag helfen wir den Gemeinden wenig. Das Modell gleicht eher einer Schuldenfalle, einem Projektverzögerungsprogramm und einer Wirtschafts­bremse. Am Ende appelliere ich an alle BundesrätInnen der Regierungsparteien: Machen Sie es doch bitte Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Gemeinderäten nach, die bei unseren Anregungen, eine Resolution zu verfassen und zu beschließen, in der nämlich genau unser Projekt beschrieben wird, mitstimmen! Sie können sich erkundigen, es sind sehr viele Gemeinden, in denen ÖVP und Grüne da mitgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Kollege Günther Novak wird später noch einen Entschließungsantrag einbringen, der es auf den Punkt bringt. Überlegen Sie es sich, vielleicht können Sie dem zustimmen, es tut nicht weh und die Gemeinden werden es Ihnen danken! (Beifall bei der SPÖ.)

13.32


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


13.32.36

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich muss jetzt sagen, ich bin wirklich froh, dass Kollege Reisinger vor mir gesprochen hat, denn bei den Ausführungen von Karlheinz Kornhäusl habe ich geglaubt, ich bin beim falschen Tagesordnungspunkt oder ich habe mir die falschen Vor­bereitungsunterlagen angeschaut. (Bundesrat Bader: Na, na, na!) Also so viel Euphorie kann ich für dieses KIG 2020 jetzt wirklich nicht mitbringen.

Wenn die Bundesregierung ein Milliardenpaket verspricht, dann sollte man, das haben wir alle, glaube ich, inzwischen gelernt, sich das Paket auch zwischen den Zeilen an­schauen, dann muss man sich die wesentlichen Punkte darin anschauen. Ein Paket, das wir Freiheitliche dem Grunde nach hier seit vielen, vielen Wochen fordern, wurde durch diese Bundesregierung so verkompliziert, dass es den Gemeinden nahezu unmög­lich ist, diese finanziellen Mittel, diese Milliarde auch tatsächlich abzuholen. Da drinnen findet sich eine Vielzahl an Punkten, die mit diesem Investitionspaket noch nicht abgedeckt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie wir heute im Ausschuss gehört haben, sind es bis zu 2,2 Milliarden Euro, die den österreichischen Gemeinden im Jahr 2020 tat­sächlich an liquiden Mitteln fehlen. Ich sage, in dieser Coronakrise oder durch diesen Coronawahnsinn, der von dieser Bundesregierung auch mit verursacht wurde – ja, sie trägt auch einen Teil der Schuld daran, dass diese 2,2 Milliarden Euro in den Gemeinde fehlen –, ist es für die Gemeinden nicht leichter geworden, die Mittel zur Deckung ihrer Haushaltsausgaben tatsächlich aufzubringen. Und jetzt stellt sich diese schwarz-grüne Bundesregierung hin und tut so, als wäre sie mit dieser Milliarde der große Retter der Gemeinden und der große Retter der Wirtschaft: 1 Milliarde Euro, die im Nachhinein und nur für eine sehr beschränkte Auswahl an Investitionsprojekten ausbezahlt wird.

2 Milliarden Euro an Liquidität fehlen in den Gemeinden. 1 Milliarde Euro wird aus­gegeben, und zwar im Nachhinein. Jetzt frage ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wie sollen die Gemeinden investieren, wenn ihnen 2 Milliarden Euro fehlen und diese Bundesregierung ein Paket schnürt, mit dem sie 1 Milliarde Euro im Nachhinein auszahlt? Das kommt mir so vor, als wenn ich einem Ertrinkenden auf hoher See zurufe, dass ich ihm zu Weihnachten 50 Prozent zu seinem Schwimmkurs dazuzahle. Das ist etwas, mit dem die Gemeinden nichts anfangen können. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das ist auch kein Hilfspaket, wie wir uns das vorstellen. Das ist kein Hilfspaket, mit dem Gemeinden rasch und unbürokratisch geholfen werden kann. Das Paket hat eher den Anschein eines Hilflosenpaketes, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wie passt das Ganze mit der Senkung der Haftungsobergrenzen in den Gemeinden zusammen? Wie sollen die Gemeinden Kredite aufnehmen? Wie sollen die Gemeinden vorfinanzieren? Ich sage, es wäre nur sinnvoll, die Haftungsobergrenzen wieder auf 120 Prozent anzuheben. Das wäre etwas, was den Gemeinden wirklich rasch, unbüro­kratisch und schnell helfen würde, damit sie die Projekte, die geplant sind, auch tat­sächlich finanzieren und abschließen können.

Aus diesem Grund darf ich an dieser Stelle folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Haftungs­obergrenze für Gemeinden“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 betreffend die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen auszusetzen und den Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden zumindest bis zum 31.12.2022 wieder mit 120% festzulegen“

*****

Ich darf Sie alle einladen, diesem Antrag auch tatsächlich zuzustimmen. Das ist etwas, was unbürokratisch und rasch helfen würde und unseren Gemeinden die finanziellen Möglichkeiten gerade in dieser schwierigen Zeit wirklich sichern würde.

Ich frage Sie auch: Warum hat man die Auswahl der Projekte in diesem Milliardenpaket bewusst eingeschränkt? Jetzt hat man wenigstens Straßensanierungsmaßnahmen auf­genommen, den Straßenbau hat man nach wie vor nicht drinnen, und das ist in vielen Kommunen eine wesentliche Ausgabe. Kollege Angerer hat es am 18. Juni im Natio­nalrat sehr richtig erwähnt, auch für die Kollegen von den Grünen: Wir haben noch keine Elektroautos fliegen gesehen. – Das muss uns allen bewusst sein und der Straßenbau ist eine wesentliche Ausgabe der Gemeinden.

Durch diese 2 Milliarden Euro, die uns dieses Jahr fehlen, sind viele, viele Projekte nicht abgedeckt, sind in Mitleidenschaft gezogen, trotz dieses 1-Milliarde-Euro-Hilfspakets.

Wie gesagt, das Kommunalinvestitionsgesetz ist ein Gesetz, das auf zwei DIN-A4-Seiten Platz gefunden hat. Trotzdem hat man es geschafft, es so zu verkomplizieren, dass man es mit diesen Regelungen den Gemeinden nahezu unmöglich macht, das Geld auch wirklich abzuholen. Weniger ist oft mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn man gewollt hätte, dass dieses Geld wirklich bei den Kommunen ankommt, wenn man gewollt hätte, dass dieses Geld tatsächlich in der Wirtschaft ankommt, dann hätte man es nicht nur auf diese ausgewählten Projekte beschränkt, sondern hätte es viel globaler gehalten, zum Beispiel zur Verwendung für die gemeindeeigene Infrastruktur. Das wäre etwas gewesen, mit dem jede Gemeinde ihre Investitionen weiter tätigen und das Geld auch tatsächlich abholen hätte können. In Verbindung mit einer Haftungsobergrenze von 120 Prozent wäre das für dieses Jahr sicher ein sinnvolles Paket geworden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele, viele Bürgermeister – wir stehen in der Steiermark vor Wahlen – werden auf uns zukommen und werden auch sagen: Unsere


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Projekte können wir mit diesem Paket nicht finanzieren und nicht ermöglichen, weil darin einfach viele Punkte fehlen!

Und was passiert dann? – Dann müssen wir wieder nachbessern. Das alles hätten wir uns ersparen können, wenn wir dieses Gesetz globaler gehalten hätten, nicht so ein­geschränkt wie jetzt. Diese Bundesregierung muss endlich einmal aufhören, ihre Ge­schenke so zu verpacken, dass sie der Empfänger nicht mehr auspacken kann.

Ich darf Sie abschließend einladen: Stimmen Sie unserem Antrag zu, die Haftungs­obergrenze auf 120 Prozent zu erhöhen! Das ist etwas, was den Gemeinden tatsächlich helfen würde. (Beifall bei der FPÖ.)

13.39


Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Haftungsobergrenze für Gemeinden“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm dieses.


13.40.08

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst ein paar Worte zu Tagesordnungspunkt 2, dem KMU-Förderungsgesetz: Die Regierung hat von Anfang an klargemacht, dass bei der Bewältigung der Krise mit Umsicht gehandelt werden muss und dass daher auf Sicht gefahren werden sollte. Eine zeitliche Befristung von Ermächtigungen war und ist daher notwendig und richtig, daraus ergibt sich aber auch, dass – falls es notwendig ist – diese Befristungen auch verlängert werden. Genau das passiert hier: AWS und ÖHT können damit weiterhin – bis 31. Dezember dieses Jahres – Garantien vergeben. Das ist gut und richtig.

Nun aber zum Kommunalinvestitionspaket: Ich bin selbst Gemeinderat und freue mich daher sehr über das Gemeindepaket im Umfang von 1 Milliarde Euro. (Bundesrat Steiner: Wie viel kriegt deine Gemeinde?) – Ungefähr 200 000 Euro. (Bundesrat Steiner: Ja, da kannst du richtig viel machen! Jawohl, da können wir Straßen bauen und Kanal sanieren! Da kannst du richtig etwas machen!) Das KIG 2020 ist genial, regional und ökologisch. Genial, regional: weil es direkt dort ankommt, wo die Menschen leben, und die Bürgerinnen und Bürger erleben selbst, dass in ihrer Lebensumgebung etwas passiert und investiert wird. (Bundesrat Schennach: Man kann sich die Welt schön­reden!) Das ist ein wichtiger Punkt. Regionale Investitionen haben auch den Vorteil, dass sie ökonomisch gesehen einen hohen Multiplikator haben. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Jeder Euro, der regional ausgegeben wird, stärkt die regionale Wirtschaft und wirkt daher effizient, die regionalen Arbeitsplätze werden dadurch abgesichert und die Wertschöp­fung bleibt in der Region.

Wichtige Investitionen in nachhaltige Infrastruktur können durch das KIG 2020 endlich verwirklicht werden. Durch die Möglichkeit der Mehrfachförderung kann die Förderquote insgesamt sogar bis zu 100 Prozent betragen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) In meiner Heimatgemeinde wird es dadurch endlich möglich werden, den Breitbandausbau anzugehen.

Ökologisch ist das Gemeindepaket, weil 20 Prozent für klimarelevante Investitionen vor­gesehen sind. (Bundesrat Steiner: Was macht deine Gemeinde da? – Bundesrat Schreuder: Das hat er gerade gesagt, hättest du zugehört!) Das bedeutet 200 Millionen Euro zusätzlich für den Klimaschutz, für Investitionen in Gebäudesanierungen, alter­native Energien, wie zum Beispiel Fotovoltaik, Ausbau der Radwege und so weiter – alles Maßnahmen, die gut für das Klima sind und regional Arbeitsplätze schaffen. (Bundesrat Steiner: Der hat ganz schön etwas vor mit 200 000 in seiner Gemeinde!)


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Nochmals für alle zur Wiederholung: Wirtschaft und Klimaschutz sind kein Widerspruch, sondern gehen zusammen. (Beifall des Bundesrates Schreuder sowie bei der ÖVP.)

Es freut mich auch sehr, dass es eine unkomplizierte Förderung ist (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ – Bundesrat Steiner: Super!), wie schon die Praxis des KIG 2017 bewiesen hat. (Ruf bei der SPÖ: Wer hat dir das gesagt? – Bundesrat Schennach: Und wie der Härtefallfonds, sehr unkompliziert!) – Zum Beispiel für die Mitarbeiter meiner Gemeinde: In 1, 2 Stunden ist der Antrag geschrieben und einige Wochen später fließt das Geld. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Das bedeutet auch, dass es eine echte Zwischenfinanzierung ist, das Projekt wird eingereicht, das Geld kommt rasch, und abgerechnet wird am Ende. (Bundesrat Schennach: Das haben wir jetzt bei Covid gemerkt, wie rasch das Geld kommt!)

Es ist auch keine Förderung, bei der der Bund defensiv vorgeht, in der Hoffnung, dass nicht alle Mittel abgeholt werden (Oh-Rufe bei der SPÖ), denn sollte von der Milliarde etwas übrig bleiben, bekommen die ersten 35 Millionen Euro finanzschwache und Abwanderungsgemeinden. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber erst, wenn etwas übrig bleibt!) Sollte dann immer noch etwas übrig bleiben, wird das über die Ertragsanteile allen Städten und Gemeinden zugeführt. Ja, so ist es. (Beifall des Bundesrates Schreuder sowie bei der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Bis die Gemeinde etwas kriegt, ist sie hin!)

Noch einmal zusammengefasst: Das Gemeindepaket ist genial, regional und ökologisch. (Bundesrat Schennach: Ganze Gemeinden wandern ab!) Investiert wird – für alle im täglichen Leben sichtbar – in der Region, dort, wo die Menschen leben. Die Abwicklung der Förderung ist unkompliziert und das Geld fließt rasch. Ich freue mich sehr über diesen wichtigen Impuls für unsere Städte und Gemeinden. – Danke. (Beifall des Bun­desrates Schreuder sowie bei der ÖVP.)

13.45


Präsident Robert Seeber: Frau Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger ist zu Wort ge­meldet. Ich erteile ihr dieses.


13.45.19

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher zu Hause! Es freut mich ganz besonders, dass ich heute über das Kommunalinvestitionsgesetz sprechen darf. Wir haben in der Steiermark am Sonntag Gemeinderatswahlen (Bundesrat Schennach: So ein Zufall!), und es ist das erste Mal, dass Wahlen unterbrochen wurden. Ich bewundere unsere Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten, mit welch Professionalität und Feingefühl sie diese Situation gemeistert haben.

Ich selbst lebe in einer Gemeinde mit circa 1 400 Einwohnern im Murtal, und als jahre­langes, eigentlich schon jahrzehntelanges Mitglied der Gemeinderatsfraktion kenne ich die Sorgen und Probleme der Bürgermeister genau. (Bundesrat Schennach: Der Be­völkerung wäre aber wichtiger!) Ich weiß aber auch, wie viele positive Beiträge unsere Gemeinden für unser tägliches Leben leisten, und ich weiß, mit welch unglaublichem Einsatz und Engagement unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung, arbeiten. Dafür sollten wir ihnen heute einmal aufrichtig Danke sagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Die Gemeinden sind, wie alle Bereiche unseres Staates, durch die Krise stark betroffen. Die Einbußen bei den Ertragsanteilen und die Ausfälle bei der Kommunalsteuer machen ihnen massiv zu schaffen. Mit dem heute von uns zu beschließenden Gemeindepaket


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können wir diese Auswirkungen zum Teil abfedern, und ich bin sehr froh darüber, dass es dazu breite Zustimmung gibt. Die Bundesregierung, angeführt von Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel, hat ein Hilfspaket für die Gemeinden geschnürt, das 1 Milliarde Euro direkt in die Gemeinden bringt, und dafür möchte ich herzlich Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Steiner: Aber es ist immer noch Steuergeld!)

Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern meiner Region gesprochen und kann Ihnen sagen, es ist unabhängig von der politischen Farbe sehr große Zustimmung da.

Was bedeutet dieses Paket allein für meinen Bezirk Murtal? – In die 20 Gemeinden meiner Region fließen rund 7,5 Millionen Euro, in die Steiermark rund 137 Millionen Euro. Das sind wohl konkrete Beträge, die wirklich helfen und wirklich etwas bewegen können. Unser steirischer Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, der die Gemein­den besser kennt als manch anderer, begrüßt dieses Paket sehr und wird auch vonseiten des Landes unterstützend wirken. Dieses Zusammenspiel der Gebietskörperschaften funktioniert in der Steiermark ausgezeichnet. Da die Bundesregierung 50 Prozent von Investitionsprojekten in den Gemeinden übernimmt, heißt das, dass aus 1 Milliarde Euro ein Investitionsvolumen von 2 Milliarden Euro wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Warum ist gerade die Unterstützung unserer Ge­meinden so wichtig? – Sie ist so wichtig, weil die Gemeindeinvestitionen traditionell der Motor unserer regionalen Wirtschaft sind. Investitionen der Gemeinden sind wichtig, weil sie direkt bei den Menschen ankommen, und Investitionen der Gemeinden verbessern das Leben der Menschen unmittelbar und direkt (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), denn das Paket enthält viele Investitionsmöglichkeiten für Infrastruktur­maß­nahmen, wie die Sanierung von Gehwegen und Gemeindestraßen, bis zur Stei­gerung von Energieeffizienz, vom Breitbandausbau bis zur Sanierung von Rüsthäusern, Rettungsstellen und Sportstätten. Und – das ist gerade für unsere jungen Familien sehr wichtig – 3 Prozent der Mittel können auch für Sommerbetreuung oder Kinderbetreu­ungs­plätze in den Sommerferien verwendet werden.

Zwei Punkte noch – und diese sind der Beweis dafür, dass das, was meine Vorredner gesagt haben, nicht stimmt –: Sollten Mittel übrig bleiben, werden diese auf struktur­schwache Gemeinden aufgeteilt. Das heißt, es wird nichts übrig bleiben und nichts nicht abgeholt werden können. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Schennach: Wenn es so wenig ist, bleibt auch nichts übrig!)

Es werden sowohl bestehende als auch künftige Projekte gefördert, was es auch noch nicht gegeben hat. Das heißt konkret, es wird sichergestellt, dass Projekte voran­ge­trieben werden können, die aufgrund der Coronakrise nicht mehr fertiggestellt werden konnten.

Wie schon gesagt, dieses Gemeindepaket der Bundesregierung kommt direkt bei den Menschen und auch bei den Betrieben an. Mit diesem Gemeindepaket wird die regionale Wirtschaft gestärkt. (Bundesrat Schennach: Seit drei Monaten hören wir das!) Bau­firmen, Installateure, Elektriker, Tischler und viele mehr bekommen Aufträge und Arbeit. Mit diesem Gemeindepaket werden Betriebe und Zigtausende Arbeitsplätze gesichert, und dieses Paket ist ein starker und vor allem schnell wirkender Impuls für unsere Regionen. (Bundesrätin Schumann: Das ist übertrieben vorsichtig! – Bundesrat Schennach: Märchenstunden!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss eine sehr persönliche Be­merkung: Es freut mich, dass dieses Paket so große Zustimmung findet. Es freut mich, dass wir uns hier nun auch über die Parteigrenzen hinweg zu den Gemeinden bekennen. Ich würde es aber gleichzeitig sehr begrüßen, wenn wir mit diesen ewigen Forderungen


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ohne Maß aufhören könnten. Es sollte nicht 1 Milliarde Euro, sondern es sollten 2, 3, 4 Milliarden Euro oder noch viel mehr sein. (Bundesrätin Schumann: „Koste es, was es wolle“! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Glauben Sie wirklich, dass gerade Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Gemein­devertreter nicht genau wissen, dass das nur ein untauglicher Versuch ist, eine gute Maßnahme schlechtzumachen? (Bundesrat Reisinger: „Koste es, was es wolle“! Keiner soll zurückbleiben! – Und jetzt sind wir maßlos?) Politik mit Verantwortung und Augenmaß ist das, was die Menschen brauchen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

13.51


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


13.51.45

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! (Bundesrat Schennach: Bitte korrigiere das! Diese Märchenstunde ist einfach zu viel!) In der letzten Woche ist in den Medien eine Studie der britischen Forschungsgruppe Economist – ich weiß nicht, wer Sie gelesen hat – veröffentlicht worden, bei der man 21 OECD-Staaten dahin gehend überprüft hat, wie sie mit den Herausforderungen zurechtgekommen sind, diese Coronapandemie zu überstehen. Mit Deutschland war Österreich an der zweiten Stelle hinter Neuseeland. Begründet wurde dies damit, dass es in diesen Ländern gelungen ist, diese Pandemie vorzeitig einzudämmen, weil man einfach früh reagiert hat. Da waren wir ja alle auch mit dabei.

Wie immer auch solche Studien zustande kommen: Österreich war beim Lockdown gewiss rasch und konsequent, würde man jedoch jetzt einen Vergleich über die Rasch­heit, über die Effizienz beim Einsatz von Hilfspaketen für Familien, für Arbeitslose, für Unternehmen, für die Gastwirtschaft und so weiter anstellen, bin ich mir sicher, dass wir in diesem Ranking ganz hinten gereiht wären. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Sicher nicht! Das ist eine kühne Behauptung, Herr Kollege, eine sehr kühne!)

Die Hilfspakete aufgrund der Coronakrise sind kompliziert, wenn es um die Beantragung geht – das wissen wir alle, das ist nicht abzustreiten –, es dauert, bis Hilfe ankommt. Sie sind vor allem nicht ausreichend, und kein Mensch versteht sie nach 70 oder 80 Pres­sekonferenzen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass alle, die hier herinnen sitzen, zum heutigen Zeitpunkt nicht genau wissen, wie eine Förderung ausschaut und wie sie umgesetzt wird. Davon bin ich felsenfest überzeugt! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Die Frau Landeshauptfrau von Niederösterreich hat einmal festgestellt, und auch ich habe es hier schon einmal gesagt: Es reicht nicht, nur Hilfspakete zu schnüren, sondern man muss sie auch zustellen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Genau das trifft auch auf das nun vorliegende Hilfspaket für die Gemeinden zu. Die Milliarde, die der Herr Finanzminister in der Regierung mit den Grünen in eine Inves­titionsförderung für die Gemeinden gegossen hat und die auch im Nationalrat be­schlos­sen wurde, wäre sicher eine ausgezeichnete Idee – keine Frage; sie ist auch für die Ankurbelung der Wirtschaft notwendig –, wenn nur viele Gemeinden die Möglichkeit hätten – das werden nicht alle sein – und auch in der Lage wären, diese 50 Prozent zu investieren, wie wir heute schon mehrfach gehört haben. Das wird leider Gottes bei kleineren Gemeinden nicht der Fall sein. Da können Sie noch so oft sagen, dass das zum Schluss aufgeteilt wird. Wir haben auch Projekte, die wir umsetzen müssen, die Geld kosten. (Bundesrätin Mühlwerth: Bis das aufgeteilt wird, gibt es die Gemeinde gar


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nicht mehr!) Dann wird es halt noch ein paar Euro geben, weil halt etwas übrig geblieben ist, und das wird dann wieder jenen Gemeinden zugeschlagen, die Geld haben, um die 50 Prozent dafür aufzubringen. Das ist daher ein Riesenproblem und wird leider Gottes so nicht stattfinden. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wir alle wissen, meine Damen und Herren, was die Gemeinden alles zu tun haben. Wir haben es heute schon gehört, das beginnt bei der Bildung, geht über die Rettungs­orga­nisationen, die Pflege, die Radwege bis hin zur Müllentsorgung und zu allem, was halt so dazugehört. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten täglich zu Recht, dass die Gemeinden diese Aufgaben schlussendlich auch so erledigen, wie dies notwendig ist.

Der Einnahmenverlust unserer Gemeinden – wir haben es schon besprochen – wird circa 2,2 Milliarden Euro betragen – man wird ihn jetzt nicht genau feststellen können –, und damit ist eine Grundversorgung infrage gestellt.

Ich bin selbst Bürgermeister einer Gemeinde. Wir haben mehr Gäste bei uns im Ort, als wir Einwohner sind. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen bei uns im Tal, die einfach nicht in der Lage sind – wir haben ja auch schon darüber diskutiert –, diese Investitionen zu tätigen, weil einfach der Einbruch der Kommunalsteuer und der Ertragsanteile rie­sengroß ist.

Es geht um die tägliche Liquidität der Kommunen, und das, glaube ich, wissen wir als Bürgermeister und Bürgermeisterinnen am besten zu beurteilen. Es geht um Entschei­dungen für laufende Projekte, darum, ob wir sie weiterführen können, verschieben oder ganz abbrechen müssen, und es geht darum, Wirtschaftstreibenden überlebens­not­wendige Stundungen zu gewähren – auch das ist notwendig. Es ist dann schwierig, dass die Gemeinde selbst überlebt – oder sie tut es nicht. Es geht auch darum, das Dorfleben der Vereine und Ortsorganisationen am Leben zu erhalten. Täglich stehen wir vor Ent­scheidungen, wie wir dem Spardruck Genüge tun können, ohne dass wir unsere Ge­meinden – übertrieben formuliert – zu Tode sparen.

Meine Damen und Herren! Wir haben bei uns in Kärnten einen Landesrat, Daniel Fellner, zuständig für Gemeindepolitik. Ich weiß nicht, wie es in den anderen Bundesländern ist, aber er hat zumindest Tatsachen geschaffen, indem er festgestellt hat: 2008 haben wir gespart, diesmal werden wir nicht sparen, wir werden investieren und ein Konjunktur­paket schnüren! Er hat uns den Rahmen beim Kassenkredit erhöht. Er hat uns die Möglichkeit gegeben, Mittel aufzutreiben, die über 20 Jahre zu finanzieren sind, und die Förderzusagen um ein Jahr verlängert.

Vielleicht, Herr Bundesminister, wäre es auch möglich, über die Österreichische Bun­desfinanzierungsagentur Geld mit 0 Prozent Zinsen zu bekommen. Das wäre für uns als Gemeinden auch eine Hilfe, um Projekte umzusetzen.

Vielleicht wäre es auch möglich – ich weiß nicht, ob das bei Ihnen schon einmal ange­kommen ist –, mit der EU darüber zu verhandeln, dass wir uns, wenn wir im Feuerwehrwesen oder im Bergrettungswesen, wie es bei uns in den Bergen halt ist, etwas brauchen, die Mehrwertsteuer ersparen und die Vorsteuer als Gemeinde wieder zurückbekommen. Das sind riesengroße Summen, die wir gerade bei uns im Tal aufgrund der vielen Unwetter, die wir hatten, aufbringen müssen. (Bundesrat Bader: Niederösterreich macht das mit der Mehrwertsteuer schon! Das Land entlastet die Feuerwehren und die Kommunen!) – Ich weiß nicht, ob das österreichweit möglich ist, im Länderbereich oder über die EU. Der Herr Finanzminister wird uns sicher dazu Auskunft geben. Aufgrund der vielen Unglücke, die wir gehabt haben, sind in diesem Bereich enorm viele Investitionen notwendig.

Das Modell, das wir als SPÖ vorschlagen – das ist schon ausgeführt worden –, sieht vor, dass es pro Kopf in der Gemeinde zumindest 250 Euro geben sollte.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 19

Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die Gemeinden sind meiner Meinung nach der wichtigste Wirtschaftsmotor in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Die Gemeinden sind das Rückgrat der Republik. Unterstützen wir die Gemeinden und schauen wir, dass wir eine drohende Pleitewelle im Herbst – davor habe ich ja in unseren Tälern am meisten Angst – von den Betrieben abhalten, indem wir investieren. Deswegen fordert die SPÖ in dem Antrag, dass diese 2,2 Milliarden Euro Städten und Gemeinden für Infrastrukturvorhaben zuzuführen sind, die dieses Geld in die örtliche Wirtschaft für regionale und ökologische Projekte investieren, wie das auch schon von den Grünen heute hier angesprochen wurde. So helfen wir den Kommunen, um in weiterer Folge Arbeitsplätze zu sichern.

Ich habe vom Land Kärnten – das wird wahrscheinlich in den anderen Ländern ähnlich sein – vor Kurzem einen Brief bekommen (ein Schriftstück in die Höhe haltend), wahrscheinlich hat auch Kollege Ofner ihn erhalten. Im Mai waren es um 14,7 Prozent verminderte Ertragsanteile, im Juni sind es 33 Prozent. Es sind für die Zukunft 10 Prozent für die Kommunalsteuer angesetzt. Da können wir uns also anhalten.

Ich bin mir jetzt nicht sicher – wenn ich zu euch schaue, liebe ÖVP, sind ja Bürger­meisterinnen und Bürgermeister dabei –, warum ihr so ruhig seid. Irgendwie kommt mir vor, ihr seid von der Regierung – oder von wem auch immer – ruhiggestellt worden, oder es ist euch etwas versprochen worden. Wenn ich mir diesen Entschließungsantrag aus dem Tiroler Landtag anschaue (ein weiteres Schriftstück in die Höhe haltend), der vor Kurzem, am 13. Mai, eingebracht worden ist, geht dieser in die gleiche Richtung, in die wir von der SPÖ wollen: kurzfristige Maßnahmen, um zumindest den Entfall der Kom­munalsteuer auszugleichen, ein kommunales Klimainvestitionspaket; weiters bedarf es der dringenden Entlastungen für die Kommunen im Finanzausgleich. – Also, sehr weit entfernt ist das nicht von dem, was wir hier fordern, damit die Gemeinden in weiterer Folge überleben können.

Meine Damen und Herren, abschließend kann ich zu diesem Gesetz nur sagen: Auf der einen Seite: Danke für die 1 Milliarde Euro! – Da werden wir zustimmen, aber wir brauchen mehr Geld und bitten um ein zweites Offensivpaket, damit es dann zum Schluss nicht heißt, der Berg hat gekreißt und herausgekommen ist ein Mäuslein.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Finan­zie­rungs-Zweckzuschuss für Städte und Gemeinden in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020) (542/A und 226 d.B.)

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem ein Finanzierungs-Zweckzuschuss für alle Gemeinden und Städte in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn unabhängig von Landesumlage, oder anderer Förderungen gewährt wird, der vom Bund bis spätestens 31. August 2020 an die jeweilige Gemeinde direkt ausbezahlt wird.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.02



BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 20

Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Finanzierungs-Zweckzu­schuss für die Städte und Gemeinden in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel. Ich erteile ihm dieses.


14.03.20

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zu dem hier diskutierten Kom­munalinvestitionsgesetz ein paar Worte sagen. Es ist in der Debatte nicht ausschließlich darum gegangen, aber ich darf vielleicht auf ein paar Aspekte, die auch genannt worden sind, eingehen.

Zunächst einmal finde ich es schön, dass auch internationale Studien wie zum Beispiel des „Economist“ zitiert werden, in denen belegt wird, dass Österreich durch die Maß­nahmen dieser Bundesregierung besser als viele andere Länder durch die Krise gekom­men ist.

Wenn Sie den „Economist“ regelmäßig lesen, wissen Sie, dass es auf der vorletzten Seite auch eine Auflistung mit konjunkturellen Indikatoren gibt. Wenn Sie die verschie­denen Wochen vergleichen, so werden Sie feststellen, dass sich in den letzten 14 Tagen die Prognose für die Reduktion des BIPs weiterhin reduziert hat. Vor zwei Wochen waren es nach Annahmen des „Economist“ noch 6,4 Prozent, diese Woche sind es nur noch 6 Prozent. Ich führe das unter anderem auch auf die Maßnahmen zurück, die die Bun­desregierung letzte Woche verkündet hat, um eben auch für mehr Optimismus im Aufschwung zu sorgen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ein Aspekt, bei dem ich Ihnen entschieden widersprechen möchte, betrifft den poten­ziellen Vergleich – Sie haben ja auch gesagt, wenn Sie einen hätten – der Maßnahmen für die Rettungsphase beziehungsweise die konjunkturelle Phase: Allein in der Phase der Rettung haben wir mit dem Kurzarbeitssystem, das wir in Österreich haben, das wir gemeinsam mit der Gewerkschaft ausverhandelt und umgesetzt haben, ein Instrument, das seinesgleichen in Europa und auf der ganzen Welt sucht. (Bundesrätin Schumann: Die Sozialpartner!) Das wird auch in allen internationalen Analysen so gesehen und überall als wesentlicher Faktor zur Stabilisierung des Standortes während dieser Krise erwähnt.

Ich gehe davon aus, dass, wenn die Wirtschaftshilfen irgendwann einmal international verglichen und analysiert werden, auch herauskommen wird, dass gerade dieser Punkt ein wesentlicher Vorteil in Österreich war, was die Maßnahmen betrifft, damit Österreich besser durch die Krise kommt. (Bundesrätin Schumann: Die einzige, die funktioniert!) Dafür auch ein großes Danke an alle, die an der Ausverhandlung beteiligt waren! (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zum aktuellen Paket, das auch in der Dringlichen Anfrage diskutiert werden wird, wie ich gehört habe: Wir haben uns überlegt, in welchen Bereichen wir an Schrauben drehen können, damit wir sicherstellen, dass möglichst viele Arbeitsplätze erhalten werden beziehungsweise vielleicht trotz dieser schwierigen Situation auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze angeregt wird.

Natürlich sind die Gemeinden und die Städte in Österreich ganz, ganz wesentlich für die Konjunktur. Sie sind Auftraggeber, sie vergeben Aufträge, sie bauen, sie sind in der Region für die kleine und mittlere Wirtschaft oft Hauptauftraggeber. Wir wissen natürlich, dass alle Gebietskörperschaften unter dieser Coronakrise leiden. Der Bund verschuldet sich massiv, die Länder werden sich mehr verschulden, auch die Gemeinden werden sich mehr verschulden.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 21

Im Übrigen haben wir auch im nationalen Koordinierungskomitee die Defizitkriterien des inneren österreichischen Stabilitätspaktes adaptiert und flexibilisiert, nachdem das auch auf europäischer Ebene der Fall war. Das heißt, da gibt es aufgrund der guten Budget­politik, die die letzte Bundesregierung gemacht hat, auch die Möglichkeit, sich zu aktuell sehr, sehr günstigen Konditionen mehr zu verschulden. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit eben trotz dieses Einnahmenentfalls, der natürlich für alle vorhanden ist, trotz Mindereinnahmen Bauprojekte oder andere Projekte in den Gemeinden, die auch bereits begonnen worden sind, nicht zurückgestellt werden müssen, haben wir gesagt, wir wollen von Bundesseite her 1 Milliarde Euro in die Hand nehmen und analog zum früheren kommunalen Investitionspaket vorgehen, dieses aber verbessern. Wir wollen bei einigen Kriterien Anleihe nehmen, wie zum Beispiel auch am Aufteilungsschlüssel, der damals auch mit der SPÖ mit ausverhandelt worden ist. Warum? – Es spielt da auch der abgestufte Bevölkerungsschlüssel eine Rolle, damit eben auch die Städte im Vergleich zum Finanzausgleich nicht benachteiligt werden. Das ist im Übrigen ein Punkt, den ich beim SPÖ-Vorschlag sehr spannend finde, der eigentlich im Vergleich zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel eine Benachteiligung der Stadt Wien ist. Das muss man einfach ehrlich sagen, denn das ist ausschließlich auf die Personenzahl herun­tergebrochen. Aber, sei es drum, wir haben uns daran orientiert, was damals auch mit der SPÖ ausverhandelt worden ist, um eben auch dafür zu sorgen, dass viele Inves­titionen nicht zurückgestellt werden müssen.

Dazu gibt es die Möglichkeit, Investitionen, die vielleicht in Planung waren, die ver­schoben werden hätten müssen, dennoch umzusetzen. Wir gehen davon aus, dass dadurch ein Investitionsvolumen von circa 2,2 Milliarden Euro ausgelöst wird und gerade in der Region, vor Ort viele Arbeitsplätze erhalten und vielleicht auch neu geschaffen werden können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grü­nen.)

14.08


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


14.08.35

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf mit einem Zitat des ÖGB-Präsidenten beginnen, der in einem Interview in den letzten Tagen gesagt hat – das ist wirklich eines der treffendsten Zitate der letzten Zeit –: „Angst frisst Kaufkraft“. Die Angst vor Arbeitslosigkeit, die Angst davor, keine Arbeit mehr zu finden, die Angst vor einer zweiten Ansteckungswelle, Angst um die eigene Existenz – „Angst frisst Kaufkraft“.

Die Maßnahmen der Bundesregierung greifen eindeutig zu wenig, es sind zu viele vollmundige Ankündigungen, zögerliche Maßnahmen, die immer wieder nachgebessert werden, Stundungen, die man dann doch zahlen muss, Steuervergünstigungen für Unternehmen. (Bundesrat Bader: Das hat eine Stundung so an sich!) Was hilft es, wenn man keine Einnahmen hat? Was soll man dann an Steuervergünstigung haben? Es sind Unterstützungsleistungen, die nicht oder nur zögerlich ankommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Familienhärteausgleichsfonds ist ein Beispiel dafür, er ist bei der Abwicklung völlig überlastet. Hilfe, die für Familien und AlleinerzieherInnen schnell ankommen sollte, ist noch nicht bei den Betroffenen – einfach überlastet. Warum erfolgt die Auszahlung nicht über das Finanzministerium oder bei BezieherInnen von Mindestsicherung nicht gleich direkt mit der Auszahlung der Mindestsicherung? Es beschleicht einen der Gedanke, dass es da mehr um Almosenverteilung durch die Ministerinnen und Minister geht.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 22

(Bundesrat Bader: 50 Milliarden sind Almosen?!) Das ist wichtiger als eine rasche Hilfe für Familien und AlleinerzieherInnen.

Jetzt ist die Almosenzahlung für die Arbeitslosen angekündigt: 450 Euro. Das ist nicht der richtige Weg. Almosenzahlung kann es nicht sein, sondern wir brauchen eine ganz rasche Erhöhung des Arbeitslosengeldes. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Die Menschen finden keine Arbeit. Die Anhebung der Nettoersatzrate von 55 Prozent auf 70 Prozent ist jetzt ein Gebot der Stunde. „Angst frisst Kaufkraft“!

Das vorliegende Kommunalinvestitionsgesetz ist wieder ein Beispiel einer unzureichen­den Hilfeleistung, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben auf die zu erwar­tenden finanziellen Probleme für die Gemeinden bereits am 4.4.2020 aufmerksam ge­macht, wir haben einen Entschließungsantrag dazu eingebracht und namentlich abstim­men lassen. Die ÖVP und die Grünen haben diesen Antrag nicht unterstützt. Mit 1 Milliarde Euro ist das Investitionsvolumen dieses jetzt vorliegenden Investitionspakets viel zu gering, man denke nur an den Einnahmenausfall für die Gemeinden.

Gestern war der Tag des öffentlichen Dienstes, und die Younion, jene Gewerkschaft, die die Gemeindebediensteten vertritt, unterstreicht mit ihrer Kampagne Mehr sparen können wir uns nicht leisten die Bedeutung der Arbeit des öffentlichen Dienstes für die Menschen. Wir wollen sicher nicht, dass jene Bediensteten des öffentlichen Dienstes, denen wir von ganzem Herzen für ihre Arbeit danken und denen heute auch schon von Rednern gedankt wurde, Angst haben müssen, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren, weil die Finanzierung in den Gemeinden fehlt.

Die Vorrednerinnen und Vorredner haben es schon angesprochen: 50 Prozent Eigen­finanzierung – dieses Paket hilft nur finanzstarken Gemeinden. Natürlich hilft es auch Wien, aber finanziell stark belastete Gemeinden haben nichts davon. Sie können nur wenig finanzieren oder stürzen sich am Ende noch in Schulden. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 300 Gemeinden bereits jetzt kurz vor der Insolvenz stehen.

Der Bund muss den Gemeinden die Einnahmenausfälle und Mehrausgaben durch die Covid-19-Krise vollständig ersetzen. Dass es bei diesem Paket der Hilflosigkeit zu keinem Aufschrei der ÖVP-Bürgermeisterinnen und -Bürgermeister in den betroffenen Gemeinden kommt, erstaunt schon sehr. Es scheint, die Devise ist: alles mittragen, koste es, was es wolle.

Die Österreicherinnen und Österreicher brauchen die umfassende Grundversorgung in ihren Gemeinden und ihren Städten, und zwar gerade jetzt.

Ich würde gerne das Thema der Ferienbetreuung ansprechen: Es gibt endlich 30 Mil­lionen Euro für die Ferienbetreuung. Schon seit vielen Wochen weisen wir darauf hin, dass es bei der Ferienbetreuung in diesem Sommer große Probleme für die Eltern geben wird. Die ÖGB-Frauen schreiben das schon seit Langem. Die Eltern sind an den Gren­zen ihrer Möglichkeiten. Sie haben nicht das Geld, sie sind in Arbeitslosigkeit, sie sind in Kurzarbeit. Sie haben nicht das Geld, sich teure Ferienbetreuung zuzukaufen, oder sie haben ihren Urlaub verbrauchen müssen. Es braucht flächendeckend für Österreich ein tolles Angebot für die Kinder für schöne Ferien und eine Lernunterstützung, damit sie gut durch den Sommer kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf in diesem Zusammenhang beispielhaft die Summer City Camps der Stadt Wien nennen. Schon im Vorjahr gab es dieses Angebot, dieses Jahr wurde es noch weiter ausgebaut, es ist ein positives Sommerangebot mit Spiel und Spaß und gleichzeitig ein Lernangebot für die Kinder. (Bundesrätin Mühlwerth: Am coolen Gürtel!) Das wäre in vielen Gemeinden wichtig. Ich weiß, dass es das in einigen Gemeinden gibt, aber wir


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 23

brauchen es flächendeckend in ganz Österreich, um die Eltern und vor allen Dingen auch die Frauen zu entlasten, die einen Großteil der Sorgearbeit in diesem Land tragen.

Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen muss, aber so wenig wie von dieser Bundesregierung ist noch nie an die Frauen, ihre Sorgen und ihre Probleme gedacht worden. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser zu unterstützen und vor allen Dingen, um den Frauen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben, braucht es den flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen als Konjunkturpaket zur Stärkung des ländlichen Raumes. Wir wollen nicht, dass Frauen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden.

Das Hilfspaket, das in der Krise am besten funktioniert hat, ist das Programm der Kurz­arbeit. Dieses von den Sozialpartnern entwickelte Modell hat verhindert, dass es noch mehr arbeitslose Menschen durch Covid gegeben hat. Jetzt wird ein weiteres Kurz­arbeitsmodell verhandelt. Wir wissen, die Krise ist nicht vorbei, vor allen Dingen nicht die Wirtschaftskrise. Wir brauchen jetzt ein Modell, das längere Zeiträume überbrückt. Damit schafft man Planbarkeit, Stabilität und erhält Arbeitsplätze.

Die Kosten für die beiden Kurzarbeitspakete – Modell 1 und 2 – waren bei Weitem nicht so hoch wie angenommen. Es braucht jetzt starke Arbeitsmarktpakete, den Ausbau von Arbeitsstiftungen, eine Qualifizierungsoffensive, Angebote für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ein großes Lehrlings- und Bildungspaket, um zu verhindern, dass wir eine verlorene Generation schaffen. Da ist gerade wieder der öffentliche Dienst als Arbeitgeber gefordert. Eine Initiative für ein verstärktes Lehrstellenangebot im öffentlichen Dienst müsste jetzt eigentlich selbstverständlich sein. Ich habe noch nichts davon gehört, aber es ist höchst an der Zeit, denn es fehlen uns 10 000 Lehrstellen.

Herr Finanzminister, es darf kein Hilfsgeld für Firmen geben, die vermeiden, Steuern in Österreich zu zahlen, keine Coronarettungsaktionen für Unternehmen, die ihren Sitz in Steueroasen haben. Das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher darf nicht an Unternehmen verschwendet werden, die ihre Gewinne über Tochterfirmen einfach ins Ausland verschieben. Es braucht da mehr Transparenz und parlamentarische Kon­trolle.

Wir werden dem Kommunalinvestitionsgesetz zustimmen, damit die Gemeinden we­nigstens etwas bekommen. Wie wir in dem von uns eingebrachten Entschließungs­antrag, den wir namentlich abstimmen lassen, aber betonen, braucht es viel mehr, nämlich ein 2,2 Milliarden Euro schweres Coronahilfspaket für die Gemeinden, das den coronabedingten Einnahmenausfall zu 100 Prozent abdeckt, und zusätzlich jährlich ein 500-Millionen-Euro-Investitionspaket, 250 Euro vom Bund pro gemeldeter Einwohnerin und gemeldetem Einwohner.

Gemeinden und Städte sind ein wichtiger lokaler Beschäftigungs- und Wirtschaftsmotor. Ich darf an das Motto der letzten Bundesratspräsidentschaften erinnern: die Regionen stärken. Mit dem vorliegenden Paket wird das nicht gelingen, das ist zu wenig. Es darf auf keinen Fall durch die prekäre finanzielle Lage zu einem Privatisierungsdruck auf die Gemeinden kommen. Jetzt Teile der Daseinsvorsorge zu verkaufen ist der absolut falsche Weg, den wir als SPÖ nicht mitgehen werden.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen, dass die 2 095 österreichi­schen Gemeinden in der Lage sein müssen, ihre unverzichtbaren Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung zu stellen. Sie brauchen jetzt schnelle und vor allen Dingen unbürokratische Hilfe. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

14.17


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 24

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Karl Bader hat sich zu Wort ge­meldet. Ich erteile ihm dieses.


14.18.17

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Damen Ministerinnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Schennach: Jetzt stimmt er zu!) Wir diskutieren heute ein kommunales Investitionspaket, und Mitglieder des Bundesrates stellen sich hierher und sprechen von Almosen. Wir diskutieren ein kommunales Investitionspaket mit einer Summe von 1 Mil­liarde Euro, mit Investitionen von mindestens 2 Milliarden Euro, die damit ausgelöst werden. (Bundesrat Schennach: Alles nur am Papier!) Kolleginnen und Kollegen stellen sich hier ans Rednerpult und argumentieren, sie stimmen zu, damit die Gemeinden we­nigstens etwas haben. (Bundesrat Schennach: Das sind Almosen!)

Von meiner Vorrednerin ist ein Zitat gebracht worden: „Angst frisst Kaufkraft“. – Ich sage dir, liebe Frau Kollegin Schumann: Angstmache frisst Kaufkraft erst recht. Und die betreiben Sie! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das müssen Sie dem Bundeskanzler vorwerfen! Angstmache macht der türkise Heiland!) Es ist 1 Milliarde Euro in einem Paket, das von der Bundesregierung gemein­sam mit dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund erarbeitet wurde. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Ich frage mich, warum Sie von der Sozialdemokratie – auch wenn Sie zustimmen – bei diesem Paket so großes Misstrauen gegen Ihre Vertreter im Städtebund (Bundesrat Schennach: Ungenügend! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), gegen Bürgermeister Ludwig, so großes Misstrauen gegen den Vizepräsidenten des Gemeindebundes Dworak hegen, dass Sie sagen, das seien nur Almosen. Das ist das größte kommunale Inves­titionspaket, das es in dieser Republik jemals gegeben hat! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Wanner.  Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Wir haben dabei ein klares Ziel, das der Herr Finanzminister schon angesprochen hat: Es geht um wirtschaftliche Impulse und es geht um die Absicherung von Arbeitskräften, um die Sicherung von Arbeitsplätzen in dieser Republik. Das ist das Thema, das wollen wir. Mithilfe der Maßnahmen, die bis jetzt gesetzt wurden und als Gesamtpaket schon rund 50 Milliarden Euro ausmachen (Ruf bei der SPÖ: ... Niederösterreich ...! – weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), werden wir diese Krise in Österreich besser bewältigen als andere Länder in Europa und auf dieser Welt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Abgerechnet wird zum Schluss!)

14.20


Präsident Robert Seeber: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bun­desrätin Korinna Schumann zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.21.10

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich darf tatsächlich berichtigen: Bun­desrat Bader hat in seiner Rede behauptet, dass ich dieses Gemeindeinvestitionspaket als Almosenpaket bezeichnet hätte. – Das ist nicht der Fall.

Ich habe das im Zusammenhang mit dem Familienhärtefonds genannt, zu dem wir in Form eines Bildes auch einen Beleg darüber haben, dass die Frau Bundesministerin einem Baby einen Betrag von 100 Euro in die Hand gedrückt hat, und ich habe es bei der Ankündigung der Einmalzahlungen von 450 Euro für Menschen in Arbeitslosigkeit genannt. Da wurde der Begriff genannt und nicht in Zusammenhang mit dem Ge­meindeinvestitionspaket. Es wäre Ihnen recht gewesen, um Ihre Rede besser aus­schmücken zu können, es ist dies aber nicht der Fall. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.22

14.22.03



BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 25

Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Kommunalinvestitionsgesetz 2020.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Haftungsobergrenze für Gemeinden“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (304/E-BR/2020)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Finanzierungs-Zweckzuschuss für Städte und Gemeinden in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn“ vor.

Über diesen Entschließungsantrag ist eine namentliche Abstimmung verlangt wor­den.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Wir gelangen daher zur namentlichen Abstimmung.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um deutliche Bekanntgabe.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner geben die BundesrätInnen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt. – Bundesrat Schennach – nach Abstimmung von Bundesrätin Eder-Gitschthaler mit „Nein“ –: Schwerer Fehler! – Bundesrat Steiner – auf Bundesrat Gross weisend, der nach seinem Namensaufruf nicht antwortet –: Der hört nichts, der hat seinen Kopfhörer auf! – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Ent­schuldigung, der ist hörbehindert! – Ruf bei der FPÖ: ... 60 Prozent!)

*****


Präsident Robert Seeber: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein“.

Die Stimmabgabe ist beendet.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 26

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.28 Uhr unterbrochen und um 14.30 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsident Robert Seeber: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Herr Bundesrat Adi Gross hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


14.30.40

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte die Aussage von Herrn Kollegen Steiner, der sich in meiner Wahrnehmung über das Tragen eines Kopfhörers irgendwie lächerlich gemacht hat beziehungsweise gesagt hat, ich würde damit nichts hören, auf das Schärfste zurückweisen.

Ich habe eine Hörbehinderung – das ist eigentlich nicht so lustig – und ich trage den Kopfhörer, damit ich alle möglichst gut verstehen kann. Das hat nichts damit zu tun, dass ich im ersten Moment zu leise geantwortet habe. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.31

*****

14.31.04


Präsident Robert Seeber: Ich gebe nun das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Entschließungsantrag bei 55 abgegebenen Stimmen 29 „Ja“-Stimmen und 26 „Nein“-Stimmen.

Der gegenständliche Antrag ist somit angenommen. (305/E-BR/2020) (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Bernard;

Dim;

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kahofer, Kaske, Kovacs;

Lancaster, Leinfellner;

Mühlwerth;

Novak;

Ofner;

Prischl;

Reisinger, Riepl;


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 27

Saurer, Schachner, Schartel, Schennach, Schererbauer, Schumann, Spanring, Steiner, Steiner-Wieser;

Wanner;

Zaggl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Auer;

Bader, Buchmann;

Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Gross;

Hauschildt-Buschberger, Hirczy, Holzner;

Kaltenegger, Köck, Kornhäusl;

Lackner;

Mattersberger, Miesenberger;

Neurauter;

Preineder;

Raggl, Ringer;

Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Seeber;

Zeidler-Beck, Zwazl.

*****


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiegesetz 1977 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.32.093. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-JuBG), das 2. Bundesgesetz be­treffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleit­gesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden (619/A und 206 d.B. sowie 10354/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz geändert wird (207 d.B. sowie 10355/BR d.B.)


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 28

Berichterstatter zu den beiden Punkten ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um die Berichte.


14.32.53

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Werte MinisterInnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-JuBG), das 2. Bundesgesetz betreffend Begleit­maß­nahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden.

Da die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Krise noch andauern, sollen verschiedene der durch das 2. COVID-19-Justizbegleitgesetz geänderten Fristen nochmals um einige Monate verlängert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2020 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungs­rechtliche COVID-19-Begleitgesetz geändert wird.

§ 3 Abs. 1 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetznormiert gesetzliche Ver­haltenspflichten bei bestimmten Amtshandlungen. Da eine Parallelregelung zu den maßgeblichen Regelungen der COVID-19 Lockerungsverordnung nicht zweckmäßig erscheint, soll künftig an den Inhalt der Verordnungsregelungen angeknüpft werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2020 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Robert Seeber: Danke schön.

Ich begrüße die beiden Ministerinnen Karoline Edtstadler und Alma Zadić recht herzlich bei uns. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanlang. Ich erteile es ihm. (Ruf bei der FPÖ: Spanring!) – Spanring, Entschuldigung! (Bundesrat Spanring – auf dem Weg zum Rednerpult –: Kein Problem!)


14.35.47

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frauen Ministerinnen! Werte Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuschauer via Livestream! Bei Tagesordnungspunkt 3 handelt es sich um teils kleinere Ände­rungen, Fristerstreckungen oder auch um Änderungen in der Rechtsanwaltsordnung bezüglich schriftliche Abstimmungen, schriftliche Wahlen und so weiter. Das werden wir hier gerne mittragen, weil eben auch alles befristet ist.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 29

Allerdings gibt es schon auch Punkte, die ich hier extra erwähnen möchte, weil manche Maßnahmen unserer Meinung nach ganz einfach falsch sind.

Einer dieser Punkte ist die Kurzarbeit von Rechtsanwaltsanwärtern. Da ist jetzt nicht klar geregelt, ob diese Kurzarbeit auf die Berufspraxis angerechnet wird oder nicht und wie das geschieht. Die Regelung, dass das jede Länderkammer für sich selbst regeln kann, ist unzufriedenstellend. Die Regierung lässt die Berufsanwärter im Unklaren, und da es da auch um Planungen von beruflichen Existenzen geht, sprechen wir uns ganz klar für eine bundeseinheitliche Regelung aus.

Darum bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anrechnung der COVID-19-Kurzarbeit der Rechts­anwalts­an­wärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter für die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungs­vor­lage zuzuleiten, die eine Änderung des § 2 RAO beinhaltet, die die COVID-19-Kurzarbeit der Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter für die praktische Ver­wendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin voll - also auch auf die Kernzeit – anrechnet.“

*****

So viel dazu.

Ein weiterer Kritikpunkt unsererseits ist das, was die Regierung in den letzten Monaten immer wieder gemacht hat: unsere Landsleute zu verwirren und durch Halb- und Unwahrheiten alle einzuschüchtern und zu verängstigen.

Am Anfang war der Schulterschluss, und auch wenn wir damals schon unsere Zweifel hatten, so haben alle Parteien und auch – in vorbildlicher Art und Weise, muss man sagen – unsere Landsleute die ersten Covid-19-Gesetze mitgetragen.

Wir haben dann aber sehr schnell erkannt, dass sich die ÖVP verrennt und auch ent­sprechende Fehler passiert sind. Die Grünen erwähne ich da absichtlich nicht, weil sie seit Regierungsbeginn politisch immer weniger existent sind. Wenn man den Grünen heute zuhört, muss ich sagen, glaubt man ja in Wahrheit, dass da schon ein innerlicher Fäulnisprozess eingesetzt hat, weil es von innen her schon ganz schwarz heraus­sprudelt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger schüttelt den Kopf. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein!)

Weil die Regierenden ganz offensichtlich selbst nicht verstanden haben, welch teilweise krude Gesetzestexte sie da abgeliefert haben, hat man sich von einer zur nächsten Pressekonferenz geschwindelt, ohne jemals wirklich zu wissen, was Sache ist. Dabei wurden sehr viele Unwahrheiten kolportiert. Nichts, rein gar nichts von dem, was die Bundesregierung da wochenlang erzählt hat, hat gestimmt. Das alles war schlichtweg Mumpitz.

Jetzt aber will man die Verantwortung auf die Normunterworfenen, sprich auf alle Landsleute abwälzen, indem man einfach auf die jeweils gültige Verordnung ver­weist, sprich, zukünftig kann sich dann jeder Österreicher selbst in Gesetzestexte und


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 30

Verordnungen einlesen, damit er weiß, was er darf und was er muss oder was er nicht darf und was er nicht muss. Also, Frau Bundesminister, ganz ehrlich: Diese Form von Gesetzestechnik ist schlichtweg abzulehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nur deshalb, weil die zuständigen Minister in der Vergangenheit nicht gewusst haben, was in den eigenen Verordnungen steht, wälzt man jetzt den schwarzen Basti, ah, den schwarzen Peter (Heiterkeit der Bundesräte Ofner und Steiner) auf die Bürger ab, ganz nach dem Motto: Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der sich auch nicht auskennt, so wie die Minister! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Was die Regierungsmitglieder da in Wahrheit alles verbockt haben, das sehen wir erst jetzt, Monate später. Es stellt sich heraus, dass im Bereich der Gesetzgebung, insbe­sondere im Bereich der Verordnungen geschlampt wurde – massiv geschlampt wurde.

Man hat die Menschen bewusst in Angst versetzt – ich erinnere an den Ostererlass, als es geheißen hat: Da kommt dann die Polizei nach Hause und kontrolliert bei Ihnen zu Hause, wie viele Personen zu Ostern feiern!, und Freunde zu besuchen war ja überhaupt komplett verboten. Heute weiß man: Das alles war falsch, alles an den Haaren her­beigezogen. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Den Beweis dafür, dass es nur heiße Luft war, die die Minister da produziert haben, erbringen nun die Verwaltungsgerichte, denen man so ganz nebenbei damit auch eine Riesenarbeit aufgebrummt hat. Ich bin schon gespannt auf den Jahresbericht von 2020 im nächsten Jahr, auf den freue ich mich schon. In weniger als drei Monaten wurden mehr als 34 000 Anzeigen erstattet. (Bundesrat Steiner: Unglaublich!) Das sind pro Tag mehr als 400 Anzeigen wegen Verstoßes gegen Covid-19-Verordnungen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Meine Damen und Herren – in diesem Fall: meine Damen – auf der Regierungsbank, damit haben Sie auch unsere Polizisten, die einen Beruf haben, der ohnedies schon schwer genug ist, ins Lächerliche gezogen und in unserer Bevölkerung auch als Feind­bild etabliert. Unsere Polizisten mussten, weil auch ihnen diese ganzen Falschaussagen in den Pressekonferenzen als Recht und Gesetz vorgegaukelt wurden, dann diese fal­schen Kurz-, Anschober-, Kogler- und Nehammer-Aussagen in ihren Amtshandlungen, wenn es nämlich um die Einhaltung der Gesetze in der Demokratie geht, umsetzen. Sie haben unsere Polizisten verraten und verkauft, Sie haben unsere Polizisten ins Lächer­liche gezogen! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch wenn es viele Bürger vielleicht nicht wussten, so haben doch die meisten gespürt, dass das, was da an Gesetzen und Verordnungen gekommen ist, im Großen und Ganzen ein Konvolut von Schwachsinnigkeiten war. Das Verwaltungsgericht Wien und das Lan­desverwaltungsgericht Niederösterreich haben es bereits vorgezeigt: Vielen Beschwer­den gegen Strafen wird ganz einfach stattgegeben werden müssen – dumm gelaufen für jene, die in ihrer eigenen Rechtschaffenheit die teils horrend hohen Strafen bereits eingezahlt haben. Ich bin sehr froh darüber – sehr froh! –, dass es sich immer mehr herumspricht, dass es Sinn macht, gegen diese Strafen ein Rechtsmittel zu ergrei­fen, denn warum sollen unsere Landsleute für die offensichtliche Unfähigkeit der Minister, für die offensichtliche Unfähigkeit der Regierung Strafen zahlen? (Beifall bei der FPÖ.)

Darum sage ich Ihnen auch, dass der einzig richtige Weg wäre, all diese gesetzwidrigen Bescheide – das sind wahrscheinlich die meisten davon – aufzuheben und jenen, die die Strafen bereits bezahlt haben, das Geld rückzuerstatten. (Beifall bei der FPÖ.)

14.44


Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Andreas Arthur Spanring, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­an­trag betreffend „Anrechnung der COVID-19-Kurzarbeit der Rechtsanwalts­anwärte­rin­nen


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und Rechtsanwaltsanwärter für die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. Ich erteile es ihr.


14.45.09

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bundesministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ein Satz noch zu meinem Vorredner: Das, was die Bundesregierung in den letzten Monaten gemacht hat, um unser Land durch die Krise zu führen (Bundesrat Spanring: In die Krise, nicht durch die Krise!), ist meiner Ansicht nach genau das Gegenteil von Mumpitz, also Unsinn, den man nicht beachten muss, sondern wir haben gut daran getan, genau das, was wir teilweise vorgeschrieben bekommen haben, auch umzusetzen. (Bundesrätin Mühlwerth: Es waren aber trotzdem falsche Angaben!)

Jetzt sind wir irgendwie in einer gewissen Form einer Normalität angekommen, und das merkt man im täglichen Leben. Die jüngsten Ereignisse aber – das möchte ich hier in meiner Rede betonen –, wie sie sich in den vergangenen Tagen in Deutschland zuge­tragen haben, und der damit verbundene neuerliche Anstieg der Infektionszahlen zeigen deutlich, dass nach wie vor Vorsicht geboten ist. Es gibt derzeit nur noch in wenigen Bereichen des täglichen Lebens die Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie im Bereich von Gesundheits­einrich­tungen und Apotheken, und im Wesentlichen ist es oft nur noch die Abstandsregel, die wir unabänderlich einhalten sollten. Mir scheint es, dass es nicht ganz so einfach ist, und ich denke, aus Verantwortungsbewusstsein sollte man auch in Einkaufssituationen und überall dort, wo man den notwendigen Abstand nicht einhalten kann, einen Mund-Nasen-Schutz verwenden.

Sehr sinnvoll ist es meiner Meinung nach jedoch, dass wir mit dem heutigen Beschluss den Verwaltungsbehörden die Möglichkeit geben, auf die jeweilige Ansteckungssituation zu reagieren und die Maßnahmen, die während einer Amtshandlung zu treffen sind, so anzupassen, wie sie eben genau der jeweiligen Ansteckungslage entsprechen. Ich denke, im Gegensatz zu Kollegen Spanring, dass die Normunterworfenen in der Lage sein werden, diese Bestimmungen sehr präzise umzusetzen und die jeweiligen Verord­nungen entsprechend zu lesen und zu deuten. Auf diese Weise können Justiz und Verwaltung flexibel reagieren und weiter gut und zuverlässig arbeiten.

Noch zu ein paar anderen Sachen, die heute beschlossen werden: Wir verlängern heute die Vereinfachung der Gewährung des Unterhaltsvorschusses bis 31.10.2020, und das ist eine sehr wichtige Unterstützung für viele betroffene Familien. Gleiches gilt für die Stun­dung von Kreditraten, um nicht dem Druck einer vorzeitigen Fälligkeit zu unter­liegen.

Da tatsächlich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sichergestellt ist, dass wir uns in der Endphase dieser Pandemie befinden, tun wir gut daran, uns den notwendigen Spielraum zu schaffen, um in Ruhe und mit Bedacht die Krise zu bewältigen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.48


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Dr. Zadić. Ich erteile es ihr.


14.48.39

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich freue mich sehr, dass wir heute über diesen Initiativ­antrag sprechen, denn er schafft Rahmenbedingungen, um die wirtschaftlichen und


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sozialen Folgen der Coronakrise zumindest ein bisschen abzufedern. Er enthält einen Mix an unterschiedlichen Maßnahmen und bietet somit eine finanzielle Verschnaufpause für viele Menschen und auch viele kleine Unternehmen.

Im Bereich des Unterhaltsrechts soll es die Möglichkeit geben, einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss auch ohne Beantragung der Exekution zu stellen, und zwar über den 30. Juni hinaus bis zum 31. Oktober 2020. Damit soll Kindern weiterhin die Mög­lichkeit gegeben werden, dass sie rasch zum Unterhaltsvorschuss kommen, ohne dass gerade jetzt in der Krise ein Exekutionsverfahren eingeleitet werden muss. 

Betreffend Kredite haben wir uns darauf verständigt, dass die Kreditrückzahlungen bis zum 31. Oktober 2020 gestundet werden können. Somit gibt es Erleichterungen sowohl für Verbraucher als auch für kleine Unternehmer.

Betreffend Gesellschaftsrecht wissen wir auch, dass beispielsweise die Societas Euro­paea große Hauptversammlungen hat. Deswegen haben wir die Möglichkeit geschaffen, eine Hauptversammlung innerhalb der ersten zwölf Monate des Geschäftsjahres durch­zuführen. Das schafft auch Erleichterungen, denn wir wissen, bei diesen Haupt­versammlungen begegnen sich viele Menschen und die müssen gerade in Zeiten der Krise gut geplant werden.

Auch betreffend Insolvenz wissen wir, dass viele Unternehmen vor der Entscheidung stehen: Muss ich jetzt einen Insolvenzantrag stellen oder nicht?, denn es besteht natürlich eine Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung. Damit sich die Unternehme­rinnen und Unternehmer etwas leichter tun, haben wir jetzt diese Aussetzung weiter verlängert, sodass genügend Zeit bleibt, dass Unternehmerinnen und Unternehmer prüfen können, ob eine valide Fortbestehensprognose besteht.

Zudem haben wir auch Erleichterungen im Zusammenhang mit der Kreditvergabe der Gesellschafter geschaffen. Wir wissen, das ist immer ein heikler Punkt, aber in Zeiten der Krise soll es Erleichterungen für die Kreditgewährung durch Gesellschafter geben.

Ich kann nur sagen, ich hoffe, dass wir mit diesem Bündel an Maßnahmen manchen Menschen und Unternehmerinnen und Unternehmern eine Stütze sein können, damit sie leichter durch diese Krise kommen.

Zum Abschluss möchte ich mich auch bei Ihnen, meine Damen und Herren, dafür be­danken, dass Sie sich für diese Sondersitzung des Bundesrates so kurzfristig zusam­mengefunden haben und wir heute die Möglichkeit haben, über diesen Initiativantrag beziehungsweise Beschluss des Nationalrates abzustimmen. Gleichzeitig freue ich mich sehr, dass dieser Antrag im Justizausschuss, aber auch im Nationalratsplenum die Zustimmung aller Fraktionen gefunden hat, und ich hoffe, dass auch hier im Bundesrat alle Fraktionen diesem Antrag zustimmen. Herzlichen Dank. Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.52


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön, Frau Minister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schwarz-Fuchs. Ich erteile es ihr.


14.52.58

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen vor den Bildschirmen! Die Coronakrise hat uns weiterhin im Griff und bereitet weiten Teilen der Bevölkerung und der Wirtschaft nach wie vor große Sorgen, speziell dort, wo es um die finanzielle Existenz geht.

Auch wenn viele Unternehmen ihre Produktion langsam wieder hochfahren, geht dieser Prozess der Erholung leider noch immer äußerst schleppend voran. Die gegenständliche


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Vorlage soll diesem Umstand, dass die Coronakrisensituation eben weiter andauert, Rechnung tragen. Dies betrifft durchaus unterschiedliche Sachverhalte, weshalb mit der gegenständlichen Vorlage mehrere unterschiedliche Gesetze angepasst werden sollen.

All diesen Gesetzesanpassungen ist gemein, dass sie wesentliche Erleichterungen für die durch die Coronakrise betroffenen Personen und Unternehmen enthalten. Diese sollen durch die vorgeschlagenen Maßnahmen bei der Bewältigung der Krise unterstützt werden. Die Maßnahmen sehen daher eine Verlängerung der durch das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz geänderten Fristen um einige Monate vor.

Es wurden schon einige Dinge von meinen Vorrednern gesagt, ich möchte gerne auf einzelne Punkte noch näher eingehen. Neben den Unternehmen sowie den vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Kurzarbeit gibt es eine weitere Gruppe, die wohl mit am schwersten von der momentanen Situation betroffen ist: die vielen durch die Coronakrise arbeitslos gewordenen Personen.

Das wohl größte Problem beim Verlust des Arbeitsplatzes ist die daraus folgende Ver­ringerung des Einkommens. Da kann es bei der Zahlung einer Kreditrate für Haus oder Wohnung am Monatsende äußerst knapp werden. Um die Menschen in dieser Situation zu unterstützen, werden die mit dem 1. und 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz getrof­fenen Maßnahmen verlängert. Dies betrifft unter anderem eine Verlängerung der Fristen zur Zurückzahlung von Privatkrediten. Dass die Möglichkeit eines Aufschubs der Kredit­raten für private Kreditnehmer, wie zum Beispiel für Wohnkredite, um jeweils drei Monate verlängert werden soll, ist in meinen Augen richtig und wichtig. Dies gibt den betroffenen Personen etwas Luft zum Atmen und die Möglichkeit, sich finanziell zu konsolidieren, ohne dass sie durch den situationsbedingten Zahlungsverzug sogleich mit negativen Auswirkungen, im schlimmsten Fall beispielsweise dem Verlust der Wohnung, kon­frontiert sind.

Besonders erfreulich ist, dass die Fristerstreckung zur Zurückzahlung von Krediten auch für Kleinstunternehmen gilt, denn gerade Kleinstunternehmen zählen zur Gruppe jener, die teils überproportional von den verhängten Maßnahmen getroffen wurden und auch von der derzeitigen wirtschaftlichen Lage besonders hart betroffen sind. Sie haben oftmals nur geringe Rücklagen; ein paar Monate ohne Einnahmen mit gleichbleibenden Fixkosten können solche Unternehmen schnell an den Rand ihrer wirtschaftlichen Exis­tenz bringen. Die Möglichkeit, Kreditzahlungen für eine bestimmte Zeit aufzuschieben, kann das Zünglein an der Waage sein, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Das bringt mich zum nächsten Punkt, nämlich zum Insolvenzrecht. Im Gesetz gibt es ja grundsätzlich eine Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung. Viele Unternehmen haben aktuell die Sorge, dass sie noch nicht einschätzen können, ob sie diese Krise überleben können oder nicht. Die Insolvenzantragspflicht wurde aufgrund von Corona ausgesetzt, und auch diese Spanne wird nun noch einmal verlängert, was für viele Unternehmen in Österreich sehr wichtig ist, da sie so länger die Möglichkeit haben, die Situation zu evaluieren und eine valide Fortbestehensprognose zu erstellen.

Bei der Frage der Insolvenz eines Unternehmens kommt nämlich neben der rech­neri­schen Überschuldung der Frage der Fortbestehensfähigkeit des Unternehmens zentrale Bedeutung zu. Gerade in wirtschaftlich so unsicheren Zeiten, wie wir sie aktuell erleben, ist ein Zeitgewinn in dieser Hinsicht für viele Unternehmen wichtig. Unser Ziel soll und muss es sein, so viele Unternehmen wie möglich über diese Krise zu retten, denn einerseits sollen möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben, andererseits bedeuten Unternehmen und Arbeitsplätze wichtige Steuereinnahmequellen für den Staat für die Zukunft.

Schließlich wird mit der Abänderung der Rechtsanwaltsordnung dem Umstand Rech­nung getragen, dass die Rechtsanwaltskammern unaufschiebbare Angelegenheiten der


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Selbstverwaltung erledigen müssen. Um diese in der gegenwärtigen besonderen Situation zu erleichtern, werden die Möglichkeiten zur Abstimmung via Briefwahl bezie­hungsweise Briefabstimmung erweitert. Dies scheint mir eine taugliche und praxis­orientierte Regelung zu sein, um auch in Zeiten mit durch Covid bedingten Einschrän­kungen handlungsfähig zu sein.

Aber auch die Verlängerung des erleichterten Zugangs zu Unterhaltsvorschüssen ohne entsprechenden Exekutionsantrag ist aus meiner Sicht zentral. Gerade Kinder werden durch diese Regelung vor den sozialen Folgen der Coronakrise geschützt, da durch die nun verlängerten Maßnahmen die Beantragung von Unterhaltsvorschüssen verfahrens­technisch deutlich vereinfacht wird. Die Verlängerung dieser Regelung ist sehr wichtig, denn es sind viele Menschen davon betroffen. In Österreich gibt es fast 300 000 Al­leinerziehende, und viele von ihnen sind auf Unterhaltsvorschüsse angewiesen.

Nun möchte ich noch kurz auf die Änderung des Verwaltungsrechtlichen Covid-19-Begleitgesetzes eingehen. Mit der Änderung dieses Gesetzes wird geregelt, dass künftig durch Verordnung festgelegt werden kann, welche Schutzbestimmungen in verwaltungs­rechtlichen Prozessen gelten sollen. Das betrifft mündliche Verhandlungen, Vernehmun­gen, Lokalaugenscheine und ähnliche Amtshandlungen im Zuge von Verwaltungs­ver­fahren beziehungsweise Verwaltungsstrafverfahren. Die Möglichkeit, durch Verordnung festzulegen, ob eine Maskenpflicht beziehungsweise andere Schutzbestimmungen an­zuwenden sind, schafft die nötige Flexibilität, um rasch auf sich verändernde Risiken bezüglich einer Verbreitung des Coronavirus reagieren zu können. Durch die Verord­nungskompetenz können Maßnahmen wesentlich schneller verhängt beziehungsweise auch wieder zurückgenommen werden.

Aus all diesen Gründen unterstütze ich diese Punkte. Ich möchte Sie alle dazu einladen, diesen beiden Anträgen zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.00


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Grossmann. Ich erteile es ihr.


15.00.34

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Ministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einladung der Vorrednerin komme ich sehr gerne nach. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind ja im Wesentlichen eine Verlängerung der bisherigen und durchaus sinnvolle Regelungen im Sinne der Betroffenen. Daher werden diese – wie schon bisher – von uns auch unterstützt.

Sie haben es angesprochen, das betrifft die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer, da der Fälligkeitstermin für Schulden und Zinszahlungen weiter nach hinten verschoben werden kann, aber auch die Pflicht, bei Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen, wird nach hinten geschoben, also befristet ausgesetzt. Es wird aufgeschoben, aber natürlich nicht aufgehoben. Wir alle hoffen natürlich, dass nach dieser Frist keine große Insolvenz- und Arbeitslosigkeitswelle auf uns zurollt. Genau das ist aber zu befürchten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Ministerinnen, vor allem Sie sind ange­sprochen! Genau darauf müsste eine vorausschauende Politik vorbereitet sein und vorbereiten, denn wenn man auf Sicht fährt – die Bundesregierung betont ja immer, dass sie auf Sicht fährt –, dann ist es unübersehbar, dass wir dann in absehbarer Zeit auf einen Crash zusteuern, wenn man nicht mit einem wirklich engagierten Investitions- und Kaufkraftbelebungsprogramm gezielt gegensteuert. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre ein Gebot der Stunde. Die Fristerstreckungen, die wir machen, sind wirklich wichtig, deshalb unterstützen wir das auch sehr gerne, aber sie sind im Wesent­lichen nur ein Pflasterl auf den tiefen Wunden der Wirtschaft und der Bevölkerung.


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(Beifall bei der SPÖ.) Ja, es ist wichtig, es ist besser als nichts und wird daher natürlich von uns auch mitgetragen, aber wir bräuchten mehr. Die österreichische Bevölkerung, die österreichische Wirtschaft bräuchte wesentlich mehr.

Aber lassen Sie mich zu etwas anderem kommen: Ein wichtiger Punkt, der auch in diesem Paket enthalten ist, etwas wirklich Wegweisendes, ist die Erleichterung bei der Beantragung von Unterhaltsvorschüssen. Kinder müssen nun nicht mehr vorher quasi einen Exekutionsantrag gegen den unterhaltsschuldenden Elternteil stellen, um an das Geld zu kommen, das ihnen zusteht und das sie auch dringend zum Überleben brauchen. Es ist ja auch menschlich eine untragbare Situation, wenn man, wie es halt in den meisten Fällen so ist, als Kind den eigenen Vater klagen muss – das ist natürlich auch eine psychisch sehr belastende Situation. Ich bin froh, dass diese Regelung getroffen wurde, das könnte ein Schritt in Richtung einer Systemänderung sein, nämlich vom derzeitigen Unterhaltsvorschusssystem hin zu einem System der Unterhalts­siche­rung. Das wäre auch schon längst fällig und angebracht.

Es liegen auch schon lange Forderungen und Konzepte auf dem Tisch. Es gibt verschie­denste Modelle, ausgearbeitet von Frauenorganisationen, von AlleinerzieherIn­nenver­bänden, von der Volkshilfe, auch der Armutskonferenz. Ich habe auch fast schon mit Generationen von Justizministern und -ministerinnen an Konzepten gearbeitet; es wur­den Arbeitsgruppen im Justizministerium eingerichtet. Sie wissen das, Frau Ministerin, Sie haben sich ja schon gut in Ihr Amt eingearbeitet. Sektionschef Kathrein ist jetzt nicht hier, aber wir haben auch mit ihm schon intensive Gespräche geführt; das zieht sich schon wirklich über Jahre, in letzter Zeit sind diese Arbeitsgruppen aber leider einge­schlafen.

Ich möchte hier an Sie (in Richtung Bundesministerin Zadić) – Sie nicken freundlicher­weise – den Appell richten (Bundesministerin Zadić nickt): Bitte greifen Sie dieses Thema der Unterhaltssicherung wieder auf, es hat in Ihrer eigenen politischen Vergan­genheit auch eine lange Historie. In Ihrer ehemaligen politischen Fraktion hat sich Maria Stern dafür auch mit AlleinerzieherInnenverbänden sehr engagiert, auch die Grünen haben Seite an Seite mit den SozialdemokratInnen für dieses wichtige Thema gekämpft, auch von katholischen Kreisen, von christlichen Kreisen, von den verschiedensten Kon­fes­sionen hat es immer wieder Vorstöße gegeben.

Ich glaube, es findet in der Bevölkerung schon eine sehr breite Mehrheit, und deshalb möchte ich den Appell an Sie, Frau Ministerin (in Richtung Bundesministerin Zadić), selbstverständlich auch an Sie, Frau Ministerin (in Richtung Bundesministerin Edtstadler), richten, sich wirklich dieses Themas anzunehmen, sich das zu Herzen zu nehmen, denn es geht darum, Kinderarmut in Österreich zu bekämpfen. Kinderarmut gehört leider nicht der Vergangenheit an. Fehlende oder unzureichende Unterhalts­zah­lungen sind immer noch der Hauptgrund für Kinderarmut in Österreich, das kann uns nicht kaltlassen.

Schauen wir uns also auch internationale Modelle an; es gibt in skandinavischen Ländern Modelle einer Unterhaltssicherung. Das sollten wir uns gerade jetzt auch besonders anschauen, denn im Zuge der Covid-19-Krise werden sehr viele Kinder um ihren Unterhalt bangen müssen, da es sich einfach hinten und vorne nicht ausgeht. Diese Maßnahme ist ein wichtiger Schritt, ja, aber es geht auch weiter und die Fristen laufen aus, aber die Situation bleibt mitunter dieselbe.

Daher wäre es ganz, ganz wichtig, sich einen Ruck zu geben und endlich in Richtung Kindergrundsicherung, Unterhaltssicherung oder wie auch immer man es nennen will, zu arbeiten, damit Kinder in Österreich die Entwicklungschancen vorfinden, die sie brauchen, die sie sich verdient haben und die auch die Voraussetzung dafür sind, dass


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sich Österreich gut weiterentwickeln kann, denn unsere Kinder sind unsere Zukunft. Sie brauchen uns, sie brauchen unser Engagement jetzt und heute. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft. (Beifall bei der SPÖ.)

15.08


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desministerin Karoline Edtstadler. Ich erteile es ihr.


15.08.27

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der Zusammenhalt in einer Gesell­schaft zeigt sich vor allem in Zeiten der Krise. In der Phase der akuten Gesundheitskrise hat sich dieser Zusammenhalt in Österreich in der Gesellschaft, in der Bundesregierung und auch hier im Hohen Haus gezeigt.

Am Beginn dieser Krise vor gut drei Monaten war es notwendig, rasch zu reagieren, auch strenge Maßnahmen zu setzen, um die Infektion mit dem Covid-19-Virus einzu­dämmen, um seine Ausbreitung hintanzuhalten.

Auch hier im Hohen Haus wurden über alle Parteigrenzen hinweg einstimmig Maßnah­men beschlossen, Gesetze beschlossen. Dafür möchte ich Ihnen von dieser Stelle aus heute auch einmal Danke sagen. Mir und auch der Justizministerin ging es in dieser ersten Phase vor allem darum, die Funktionsfähigkeit des Staates Österreich, die Funk­tionsfähigkeit der Justiz und – in meinem Fall als Verfassungsministerin – die Funk­tionsfähigkeit der Verwaltung aufrechtzuerhalten. Deshalb haben Sie hier im Hohen Haus – im Nationalrat und auch Sie im Bundesrat – beispielsweise eine Fristunter­brechung im Verwaltungsverfahren beschlossen, damit niemand einen Nachteil hat, wenn er selbst betroffen ist, weil es einen eingeschränkten Personenverkehr gab, wenn er betroffen ist, weil etwa mündliche Verhandlungen nicht durchgeführt werden konnten. Auch die behördlichen Entscheidungsfristen haben eine Fristhemmung bekommen.

Dann ging es langsam in Richtung neue Normalität und – damit verbunden – in Richtung Lockerungen. Wir haben Gesetze geändert, Sie haben Gesetze geändert und als legis­lative Gewalt in Österreich hier beschlossen, dass im Ermessen der Behörde wieder Verhandlungen durchgeführt werden können, aber mit Sicherheitsmaßnahmen, mit dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, mit dem Abstandhalten. Jetzt sind wir wohl in der Phase der neuen Normalität angekommen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Es geht darum, das Leben wieder in Gang zu bringen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, die Verwaltungen wieder normal arbeiten lassen zu können.

Dennoch, ich sage das ganz deutlich: Wir sind nicht über den Berg (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), wir müssen immer wieder schauen, wie die Situation ist, ob es irgendwo einen Anstieg gibt, ob wieder notwendigerweise weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Damit nicht ständig eine Gesetzesänderung vorgenommen werden muss, auch was das Verwaltungsverfahren betrifft, ist es, wenn Sie keinen Einspruch gegenüber dem Antrag des Nationalrates erheben, heute dann beschlossene Sache, dass man sich an der Lockerungsverordnung des Gesundheitsministers orientiert und dass das, was entsprechend diesem Fahren auf Sicht, das wurde ja angesprochen, gerade notwendig ist, angewendet werden kann.

Ich möchte noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen, dass es der Disziplin und dem Zusammenhalt in der Gesellschaft geschuldet ist, dass wir diese Änderungen heute hier überhaupt besprechen und Sie durch Nichterhebung eines Einspruches diesen Ände­rungen hoffentlich auch breit zustimmen. Deshalb ein großes Danke und gleichzeitig


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auch die Bitte, mit uns gemeinsam vorzugehen. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.11


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eduard Köck. Ich erteile es ihm.


15.12.05

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seher! Die vorliegenden Gesetzesänderungen sind sicher sehr, sehr gut, um diese Pandemie weiterhin so im Griff zu behalten, wie wir sie bis jetzt sehr gut im Griff behalten haben.

Kollege Spanring hat heute über Angstmache und Unwahrheiten geredet. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, aber das habt ihr ja zugeben müssen!) Ich möchte heute über Leichtsinn reden, über den Leichtsinn, der in diesen Aussagen ist, über den Leichtsinn von Hand­lungen wie Veranstaltungen gegen den Coronawahnsinn, über den Leichtsinn, der in solchen Aussagen steckt: Der Virus ist weg, der schwarz-grüne Coronawahnsinn bleibt!

Ich glaube, es gibt sehr gute Beispiele dafür, wie Leichtsinn sehr schnell zurückge­schlagen hat. Nehmen wir einmal Boris Johnson her, der am Anfang dieser Pandemie gesagt hat: Das ist ja alles gar nicht so arg, ich bin durch das Krankenhaus gegangen und habe jedem die Hand gegeben. Eine Woche später ist er im Krankenhaus gelegen. 14 Tage später war er froh, dass er wieder herausgekommen ist. Die Pubs in England werden Anfang Juli öffnen, sechs Wochen später als in Österreich.

Nehmen wir ein ganz aktuelles Beispiel aus dem Bereich des Sports. (Bundesrat Schreuder: Tennis!) Novak Đoković, Nummer eins der Tenniswelt, hat damals, als alle Länder gesagt haben, dass sie jetzt Großveranstaltungen nicht werden durchführen können, gesagt: Ich mache eine Adriachallenge mit verschiedenen Veranstaltungen am Balkan, eben mit Tennis. Am 13. und 14. waren dazu zwei Turniere in Serbien; beim ersten gab es noch einige Sicherheitsmaßnahmen, beim zweiten: 4 000 Besucher auf den Rängen (Zwischenruf bei der FPÖ), alle dicht gedrängt, danach großes Abfeiern der Sieger mit Partys. Dann gab es Kritik, und Đoković sagte: Das ist alles halb so schlimm in Serbien, das ist ganz gut gegangen. Letztes Wochenende war die nächste Ver­anstaltung in Zadar, Kroatien. Der Premierminister hat gesagt: Das wird eine Wahn­sinnswerbeveranstaltung für Kroatien und für Zadar werden, die Touristen werden wieder nach Kroatien kommen. Er hat sich mitten unter die Menschenmenge gesetzt – und danach kam der große Hammer: Einige Spieler sind infiziert, Đoković selbst und seine Frau sind infiziert.

Jetzt haben die Behörden alles Mögliche zu tun, um das Ganze wieder einzugrenzen. Der Premierminister steht unter großer Kritik, total unter Druck. Die Nachbarländer über­legen, die Grenzen zu Kroatien zu schließen, es ist also nichts aus dieser großartigen Werbung, die da angekündigt worden ist, geworden. Đoković wurde vom Hero zum Zero, er ist der große Buhmann, und die Serie wurde abgebrochen.

Wir haben in Österreich auch eine derartige Serie im Tennis – sie wird unter Einhaltung aller Regeln, die jetzt aufgestellt worden sind, abgehalten und sie kann auch zu Ende gespielt werden. Da sehen wir den großen Unterschied im Handeln: verantwor­tungs­volles Handeln oder leichtsinniges Handeln. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich bin froh, dass wir in Österreich eine so tolle Regierung haben, die so verant­wortungs­voll handelt, dass wir international ein derart gutes Image haben, dass wir einen Som­mertourismus haben werden, dass sich unsere Wirtschaft erholen kann und dass es im


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Land wieder bergauf geht. (Bundesrätin Mühlwerth: ... könnt nicht ewig alles runter­fahren! Die wird sich noch länger nicht erholen!) Wir brauchen keinen Leichtsinn. Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.16

15.16.09


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, die Rechtsanwaltsordnung und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Anrechnung der Covid-19-Kurzarbeit der Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter für die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (306/E-BR/2020)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleit­gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.18.29Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Vizepräsident Michael Wanner: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mit­gliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungs­punkte 1 bis 4 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„TO-Punkt 1 und TO-Punkt 2:

Die Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 1 den Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA ein.

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 1 den Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA ein. Es liegt hiezu ein ausreichend unterstütztes Verlangen auf namentliche Abstimmung gemäß § 54 Abs. 3 GO-BR vor (Beilage 1/I).

Abstimmungen:


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 39

TO-Punkt 1:

Berichterstattung: Antrag,

keinen Einspruch zu erheben,

wird angenommen (mit Stimmeneinhelligkeit).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA wird angenommen (mit Stimmenmehrheit).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA wird wird in namentlicher Abstimmung bei

abgegebenen Stimmen: 55

mit Ja-Stimmen: 29

und Nein-Stimmen: 26

angenommen.

Sitzungsunterbrechung zur Stimmenauszählung von 14:28 Uhr bis 14:30 Uhr.

TO-Punkt 2:

Berichterstattung: Antrag,

keinen Einspruch zu erheben,

wird angenommen (mit Stimmeneinhelligkeit).

TO-Punkt 3 und TO-Punkt 4:

Die Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 3 den Entschließungsantrag Beilage 3/1 EA ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 3:

Berichterstattung: Antrag,

keinen Einspruch zu erheben,

wird angenommen (mit Stimmeneinhelligkeit).

Der Entschließungsantrag Beilage 3/1 EA wird angenommen (mit Stimmenmehrheit).

TO-Punkt 4:

Berichterstattung: Antrag,

keinen Einspruch zu erheben,

wird angenommen (mit Stimmenmehrheit).“

*****

Erhebt sich gegen diese Fassung des Protokolls oder gegen den Inhalt dieses Teils des Amtlichen Protokolls ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 4 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss der Sitzung als ge­nehmigt.


BundesratStenographisches Protokoll908. Sitzung, 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020 / Seite 40

15.21.44Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Finanzen betreffend „Gemeindefinanzen krisensicher machen!“ (3779/J-BR/2020)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen, den ich recht herzlich bei uns begrüße. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ofner.)

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dominik Reisinger als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


15.22.26

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Inhaltlich sind wir jetzt eigentlich wieder am Anfang, bei Tages­ordnungspunkt 1 angelangt, wenn wir in einer Dringlichen Anfrage an den Finanz­minis­ter konkrete Antworten für 2 095 Gemeinden in Österreich verlangen und diese auch hören wollen, denn die haben wir vorhin nicht gehört.

Ich frische noch einmal auf: Es geht darum, die Gemeindefinanzen krisensicher zu machen. Das ist auch der Titel unserer Dringlichen Anfrage. In der schwersten, durch das Coronavirus ausgelösten Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise sind neben Firmen, Betrieben und auch Menschen, die unverschuldet in die Arbeitslosigkeit geschlittert sind, die Gemeinden in schwere Finanznöte geraten.

Seit Anfang April weisen wir als SPÖ-Fraktion hier im Bundesrat wie auch im Nationalrat auf die drohenden negativen Auswirkungen bei den öffentlichen Leistungen auf Ge­mein­deebene hin, und seit April nutzen wir alle uns zur Verfügung stehenden parlamen­tarischen Mittel, um Sie, sehr geehrter Herr Finanzminister, und Ihre Regierungskollegen und -kolleginnen zum Handeln aufzufordern. Was aber ist bis dato passiert? – Leider nicht sehr viel.

Unsere Vorschläge für ein echtes Gemeindehilfspaket wurden nicht gehört, die in diesem Haus mit Mehrheit beschlossenen Anträge blieben leider schubladiert, Sie, Herr Minister, blieben untätig. Was mich und uns am meisten schockiert ist, dass die zahlreichen ÖVP-Bundesrätinnen und -Bundesräte, die gleichzeitig auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind oder waren, gegen unsere Anträge gestimmt haben und bis jetzt mit der Regierung gegen eine echte finanzielle Hilfe für unsere Gemeinden mauern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner. – Bundesrat Bader: Selbst schuld!)

Keiner, Herr Kollege Bader, von Ihnen traut sich aus der Deckung hervor, und das ist doch eigentlich beschämend. Wenn die ÖVP-Gemeindebundpräsidenten Riedl und Hingsamer – ich habe das heute schon erwähnt – befinden, dass das Investitions­programm der Re­gierung zu wenig ist – und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen –, dann könnten, nein, müssten Sie sich als GemeindevertreterInnen doch auch trauen.

Während das türkis-grüne Programm 1 Milliarde Euro für die Gemeinden vorsieht, sieht – auch schon erwähnt – der SPÖ-Vorschlag rund 2,2 Milliarden Euro vor. Das ist nämlich genau jener Betrag, der von namhaften Instituten hochgerechnet wurde und der den Gemeinden am Ende des Jahres durch Steuereinnahmenentfälle abgehen wird. Die Regierung möchte leider nur als Kofinancier zuschießen. Das Problem dabei ist, dass sich viele finanzschwache Gemeinden ihre eigenen Anteile nicht leisten werden können.


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Sie müssen sich verschulden, sofern die Länder das überhaupt zulassen, oder geplante Projekte verschieben beziehungsweise absagen.

Wir fordern einen sofortigen Direktzuschuss für Projekte, die sich die Gemeinden für ihre Bürgerinnen und Bürger wünschen, und wir wollen auch nicht, dass die Regierung den Gemeinden vorschreibt, was gefördert wird. Das wissen die Gemeinden nämlich viel besser.

Wenn wir die Gemeinden wirklich vor dem finanziellen Kollaps schützen und retten wollen und möchten, gibt es nur einen Weg, und das ist jener: erstens einen hundert­prozentigen Ausgleich für den Entfall der Einnahmen und als zweiten Schritt ein Inves­titionspaket und -programm. So stellen sich für uns in diesem Zusammenhang 20 Fragen an den Bundesminister für Finanzen. Die zentrale Frage ist: Was werden Sie tun, Herr Minister Blümel, um den Finanzkollaps der Gemeinden abzuwenden? Welche Hilfs­pakete planen Sie dafür und wie viel Geld stellen Sie schlussendlich den Gemeinden für ihre dringlichen Aufgaben zur Verfügung? Wir erwarten uns konkrete Antworten und natürlich in Folge echte Hilfen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner. – Bundesrat Bader: Das war nicht überzeugend!)

15.26


Vizepräsident Michael Wanner: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


15.27.03

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zu Beginn ein paar Zahlen kundtun, weil doch immer wieder suggeriert wird, dass Hilfen nicht ankämen. Das ist eindeutig nicht der Fall, das sieht man, wenn man sich nur ein paar Zahlen vor Augen führt: Es wurden zum Beispiel für die Kurzarbeitshilfen bisher rund 2 Milliarden Euro bereits ausbezahlt und insgesamt 10 Milliarden Euro sind rechtsverbindlich zugesagt worden. Bis Mitte Juni sind 6,1 Milliarden Euro an Herabsetzungen und Steuerstun­dun­gen beim Finanzamt eingegangen und auch gewährt worden. Bis Mitte Juni sind 5,3 Milliarden Euro vom Staat an Garantien übernommen worden. Bis zum heutigen Tag sind vom Härtefallfonds über 340 Millionen Euro ausbezahlt worden. Diese Liste ließe sich fortsetzen.

Ich darf nun zur Beantwortung Ihrer Fragen kommen.

Zu den Fragen 1 bis 3:

Dass die Finanzsituation der Gemeinden durch die Coronakrise massiv betroffen ist, ist evident. Eine ziffernmäßige Aussage zu den Auswirkungen der Coronakrise auf die Abgabeneinnahmen der Gemeinden ist aufgrund der derzeitigen massiven Unsicherheit realistischerweise nicht möglich. Eine Steuerschätzung wird im Rahmen der Vorbe­reitung des Budgets 2021 erfolgen. Die Einschätzung auf Basis von Wifo-Prognosen aus dem April 2020, die von einem Sinken der Ertragsanteile der Gemeinden im Jahr 2020 um rund 0,77 Milliarden Euro beziehungsweise 6,8 Prozent gegenüber der ursprüng­lichen Planung ausging, ist wohl aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung nicht mehr aktuell.

Zur Frage 4:

Das kommunale Investitionsprogramm 2020 ist selbstverständlich ein Konjunkturpaket. Mit dem Hilfspaket wird die Rolle der Gemeinden und Städte als größter Investor des öffentlichen Sektors, der insbesondere für das Wiedererstarken der Wirtschaft nach der Krise von größter Bedeutung ist, massiv unterstützt.


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Zur Frage 5:

Das kommunale Investitionsprogramm 2020 ist auf alle 2 095 Gemeinden ausgerichtet, und ich sehe keinen Grund, warum eine Gemeinde dieses Angebot nicht in Anspruch nehmen sollte. Der Zuschuss wird auch für Projekte vorgesehen, die bereits früher, nämlich mit 1. Juni 2019, begonnen wurden, und es gibt – anders als im KIG 2017 – nicht die Voraussetzung, dass nur Projekte bezuschusst werden, die noch nicht im Voranschlag der Gemeinden vorgesehen waren. Bezuschusst werden nicht nur Bau­investitionen, sondern Errichtungen, Erweiterungen, Instandhaltungen und Sanierun­gen.

Die Aufteilung auf die Länder lässt sich wie folgt herunterbrechen: Burgenland 31 Mil­lionen Euro, Kärnten 62,7 Millionen Euro, Niederösterreich 179,7 Millionen Euro, Ober­österreich 162,4 Millionen Euro, Salzburg 61,9 Millionen Euro, Steiermark 137,3 Millio­nen Euro, Tirol 82,1 Millionen Euro, Vorarlberg 43,5 Millionen Euro und Wien 239,5 Mil­lionen Euro.

Zur Frage 6:

Da die Höhe der Zuschüsse letztlich von den Anträgen abhängt, kann ich naturgemäß keinen Betrag nennen, in welchem Umfang die Mittel abgeholt werden. Ich gehe aber davon aus, dass ein sehr hoher Anteil der Mittel über Anträge der Gemeinden abgeholt wird.

Insoweit Mittel übrig bleiben, fließt trotzdem 1 Milliarde Euro vom Bund an die Ge­mein­den. Nicht in Anspruch genommene Mittel fließen mit einem Betrag von bis zu 35 Mil­lionen Euro dem Strukturfonds gemäß § 24 Z 1 FAG 2017 zu und kommen damit struk­turschwachen Gemeinden zugute. Darüber hinaus werden nicht abgeholte Mittel den Gemeinde-Bedarfszuweisungsmitteln gemäß § 12 Abs. 5 FAG 2017 zugeschlagen.

Zu den Fragen 7 bis 10:

Mit dem kommunalen Investitionsprogramm 2020 wurde ein zielgerichtetes Hilfspaket beschlossen. Die Investitionen, die mit diesem Programm bezuschusst werden, umfas­sen insbesondere auch die Errichtung, Erweiterung, Instandhaltung und Sanierung von Kindertageseinrichtungen und Schulen, die Wasserversorgungs- und Abwasserentsor­gungseinrichtungen oder auch die Errichtung und Sanierung von Gebäuden von aner­kannten Rettungsorganisationen.

Wichtig ist, dass sich die Wirtschaft wieder erholt und sich damit mittelfristig die Ein­nahmen der Gebietskörperschaften und somit auch der Gemeinden aus Abgaben wieder erholen. Das von der Bundesregierung am 16. Juni 2020 vorgestellte Investitionspaket mit Investitionsprämie und degressiver Abschreibemöglichkeit wird ebenso dazu beitra­gen.

Zur Frage 11:

Gemeinden haben gemäß Art. 116 Abs. 2 B-VG als selbstständige Wirtschaftskörper unter anderem das Recht, „innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Lan­desgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen“.

Zu den Fragen 12 und 13:

Da die laufende Finanzausgleichsperiode mit Ablauf des Jahres 2021 endet und die Finanzausgleichsverhandlungen noch nicht begonnen haben, kann den Verhandlungen und noch weniger deren Ergebnis vorgegriffen werden. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass vonseiten der Länder vorgeschlagen wurde, aufgrund der Covid-19-Pandemie den Finanzausgleich um zwei Jahre bis Ende 2023 zu verlän­gern. Dieser Vorschlag wird mit den Finanzausgleichspartnern zu diskutieren sein.


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Zur Frage 14:

Im Bundesfinanzierungsgesetz sind Kreditoperationen der Öbfa nur für den Bund, die Länder sowie Rechtsträger des Sektors 1314 – zwischen Klammern: Sozialversiche­run­gen – vorgesehen. Einer direkten Öbfa-Finanzierung der Gemeinden fehlt daher die Rechtsgrundlage. Grundsätzlich sollte die Neuverschuldung der Gemeinden möglichst gering gehalten werden. Für den Fall, dass noch Gemeinden eine Öbfa-Finanzierung anstreben, hätte diese über die Kreditoperationen für die Länder im Sinne von § 2 Abs. 4 Bundesfinanzierungsgesetz mit anschließender Weiterleitung an die Gemeinden zu erfolgen.

Zu den Fragen 15 bis 20:

Weder Zuwendungen der Länder an die Gemeinden noch landesrechtlich geregelte Um­lagen und Kostenbeiträge der Gemeinden an die Länder – ich nehme an, die Anfrage bezieht sich mit „Rückzahlungen“ auf derartige Leistungen – fallen in den Verantwor­tungsbereich des Bundes. Ich ersuche Sie daher um Verständnis dafür, dass ich auf diese Fragen nicht antworten kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.33


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile es ihr.


15.34.16

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Jetzt haben wir in zwei Punkten über das Kommunalinvestitionsgesetz, über das Inves­titionspaket und -programm gesprochen. Wir haben dem ja auch zugestimmt, weil es einen Teil der Gemeinden gibt, die da sicherlich etwas abholen werden können.

Der andere Teil der Gemeinden wird sich aber schon auch die Frage stellen, ob diesen Überlegungen ein bisschen die alte Frage zugrunde gelegen ist, die bis heute keiner beantworten kann: Wie kann man einem Nackerten noch etwas aus dem Säckel neh­men? – Und das trifft halt wirklich auf zahlreiche Gemeinden zu.

Die niederösterreichischen Gemeinden haben in den letzten Tagen die ersten Abrech­nungen der Ertragsanteile mit den Gegenverrechnungen bekommen, die ja dann einiges enthalten: bei einigen Gemeinden Nösag, bei allen natürlich die Verwaltungsabgabe, die Jugend- und Sozialhilfe, die Kinderhilfe. Wenn ich jetzt einmal den Zettel in die Höhe halte (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe, auf dem Zahlenkolonnen mit schwarzen und roten Zahlen zu sehen sind), kann es natürlich keiner lesen, aber ich denke, dass jeder Farbunterschiede sieht.

Mir gefällt die Farbe Rot – da gefällt sie mir weniger. Alles, was hier am Ende rot ist, bedeutet, dass diese Gemeinden nicht nur kein Geld aus den Ertragsanteilen be­kommen, sondern dass sie Rückzahlungen leisten müssen. In diesen Bescheiden steht dann tatsächlich auch, dass diese Minusbeträge bei der nächsten Abrechnung einbe­halten werden. Es wird bei der nächsten Abrechnung wirklich nicht besser ausschauen; das wäre ein Wunder. Bei 500 000 Arbeitslosen und 1,3 Millionen Menschen in Kurz­arbeit können wir nicht erwarten, dass im nächsten Monat die Ertragsanteile steigen werden.


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Das heißt, für die Gemeinden wird sich das Minus kumulieren, es wird immer mehr werden. Gemeinden, denen es schon vor der Coronakrise nicht gut gegangen ist, die jetzt auch noch ein Minus aufbauen und zusätzlich Verluste bei der Kommunalsteuer hinnehmen müssen, sollen zu 100 Prozent etwas vorfinanzieren, wo sie dann irgend­wann vielleicht 50 Prozent an Förderung zurückbekommen, und dabei sind sie dann auch noch so eingeschränkt, dass das nur für gewisse Projekte möglich ist.

Für laufende Sanierungen, für das laufende Aufrechterhalten ist es schon einmal gar nicht möglich. Wie das funktionieren soll, das soll mir einmal einer erklären! Diese Gemeinden haben keine Liquidität. Diese Gemeinden schlittern in die Pleite. Wir werden das im Herbst sehen, und dann bin ich gespannt, ob die Bürgermeister, die heute hier Nein gesagt haben, sich wieder hierher stellen und sagen: Das war super, wir haben nicht mehr Geld gebraucht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte hier auch noch ergänzen, dass Herr Bürgermeister Michael Ludwig zwar genauso wie der Präsident des Gemeindevertreterverbandes Rupert Dworak gesagt hat: Das Investitionspaket ist in Ordnung!, aber beide sofort ergänzt haben: Es kann nur der Beginn sein, wir brauchen Akuthilfe für die Gemeinden!, nämlich Akuthilfe in der Höhe von mindestens noch einer zusätzlichen Milliarde, damit sich die Gemeinden das Hilfspaket überhaupt leisten können. – So schaut es nämlich aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird im Herbst so weit sein. Die Fraktion der SPÖ hat schon vor sieben Wochen gesagt: Vergesst nicht auf die Gemeinden! Tut endlich etwas, es ist höchst an der Zeit! – Es ist nichts passiert! (Bundesrat Bader: Es ist doch beschlossen!) – Jetzt ist etwas passiert, aber es ist noch gar nicht passiert, es ist einmal angekündigt. Es hat noch keiner Geld.

Es wird im Herbst so sein, dass Gemeinden pleite sind, das können wir jetzt schon mit Bestimmtheit sagen – auch wenn keine Antworten auf die Anfragen gekommen sind, was ich auch schlimm finde. Es muss möglich sein, aus der derzeitigen Situation Hoch­rechnungen zu machen, diese laufend anzupassen und einen ungefähren Blick darauf zu haben, was dieses Land, was die Gemeinden – unsere Gemeinden, in denen wir alle leben, die für uns die Infrastruktur bereitstellen, von der Wiege an, die von der Kinder­betreuung bis hin zur Altenpflege alles organisieren – brauchen. Das kann uns nicht kalt lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Da hilft keine Pressekonferenz mit all den schönen Worten, in denen alles vorgestellt wird. Das ist ein bisschen so wie in der Geschichte „Des Kaisers neue Kleider“: Irgend­wann werden alle bemerken, dass der Kaiser nackt ist, dass die Gemeinden pleite sind und dass es so nicht weitergehen kann. Der Tag wird kommen. Ich hoffe, dass alle, die gesagt haben: Es ist genug, wir brauchen nicht mehr, die Gemeinden bekommen genug und wir sagen schön Danke!, dann dazu stehen, dass das ihre Meinung war.

Ich bin überzeugt davon, dass es dringend Akuthilfe braucht, und zwar in der Form, dass es eine fixe Zusage geben muss, wie viel Geld jede Gemeinde bekommt, dass es einen fixen Termin geben muss, wann die Gemeinden dieses Geld bekommen, dass diese Förderungen direkt ausbezahlt werden und nicht über eine Buchhaltungsagentur, nicht über den Umweg der Landesfinanzierung. Dann erst ist es ein wirkliches Konjunk­tur­paket, dann kann dieses Geld verplant und investiert werden.

Es ist zwar nett, wenn jetzt immer betont wird: Natürlich ist es für Projekte, die vorher geplant waren, die abgebrochen werden mussten, möglich!, nur: Damals haben die Gemeinden auch mit anderen finanziellen Mitteln geplant, und diese sind jetzt einfach nicht vorhanden. Das können wir nicht schönreden! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)


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Lieber Herr Kollege Bader, Sie sind Bürgermeister in Rohrbach an der Gölsen, stimmt das? Das ist eine Gemeinde mit 1 550 Einwohnern. (Bundesrat Bader: 1 650!) Sie werden nach dem Modell der Regierung die Möglichkeit haben, ungefähr 150 000 Euro (Bundesrat Bader: 162 000!) abzuholen, wenn Sie vorher die 320 000 Euro voll aus­finanzieren. Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Gemeinde das Geld hat, sich nicht verschul­den muss, liquid bleibt (Bundesrat Bader: Machen Sie sich keine Sorgen!), die Ge­meinde die Mitarbeiter, die Arbeitsplätze erhalten kann! (Bundesrat Bader: Selbst­verständlich!) Ich möchte jetzt gerne noch einmal hören, es reicht, mehr würden Sie für Ihre Gemeinde nicht benötigen. (Bundesrat Bader: Was heißt das jetzt?!) Nach dem Modell, das die SPÖ vorgelegt hat, würden Sie 387 000 Euro bekommen. (Bundesrat Schennach: Jetzt lächelt er! – Bundesrat Bader: So hoch ist mein Minus nicht!) Das wollen Sie nicht, das brauchen Sie nicht, es reicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines kann ich zum Abschluss ganz sicher sagen, die Frage kann ich beantworten: Einem Nackerten kann man nichts aus dem Säckel nehmen, und einer Gemeinde, die nicht liquid ist, die kein Geld hat, nützt es nichts, dass sie 50 Prozent von etwas zurückbekommt, irgendwann vielleicht, nach langen Prüfungen, ob der Antrag dann eh passt. Das hilft nichts! Bis dahin ist die Gemeinde hin, und unser Müll wird nicht abge­holt, unsere Kinder werden nicht mehr betreut, unsere Straßenbeleuchtung leuchtet nicht mehr, wir haben keinen Spielplatz mehr und der alte kann nicht saniert werden. Wenn wir dann dort sind, dann werden wir erst draufkommen, dass die Gemeinden mit einem Klatschen und einem Danke nicht ausreichend bedient sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.43


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Klubvorsitzender Karl Bader. Ich erteile es ihm.


15.43.52

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Zunächst einmal ein herzliches Danke an Herrn Finanzminister Blümel für die umfassende und kompetente Beantwortung der Dringlichen Anfrage. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja selbstverständlich!) Natürlich, ja, ich verstehe die Aufregung bei manchen schon. Wenn Sie Fragen stellen, die nicht in den Verantwortungsbereich des Herrn Bundesministers fallen, sondern in die Kompetenz der Länder, dann ist wohl die Frage an den Falschen gerichtet. Es ist halt auch eine Kunst, die Fragen an die wirklich zuständigen Stellen zu richten. – Das vorneweg.

Das Zweite: Ein Appell des Bürgermeister- und Bundesratskollegen Novak in seiner Rede zu TOP 1 war: Unterstützen wir die Gemeinden! – Diesen Appell von dir, lieber Herr Kollege Novak, kann ich natürlich unterstreichen, es ist genau das, was diese Bundesregierung vor allem mit diesem kommunalen Investitionspaket tut.

Ich habe schon auch ein wenig den Eindruck, dass gerade in der Sozialdemokratie die linke und die rechte Hand nicht genau wissen, was sie tun sollen. Wenn ich mir jetzt anschaue, was Sie hier in dieser Dringlichen Anfrage zum Thema Parteifinanzen krisen­sicher machen! (die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Gemeindefinanzen!) – „Gemeindefinanzen krisensicher machen!“, Entschuldigung – formulieren, dann weiß ich nicht, wo Sie in den letzten Wochen waren. Wir wissen, dass wir eine große Gesund­heitskrise zu stemmen haben, wir wissen, dass die Pandemie alternativlose Maßnahmen erfordert hat.

Sie waren dabei, und Kollege Novak hat schon gesagt, dass die Maßnahmen – Shutdown und so weiter – notwendig waren. Jetzt schreiben Sie, dass diese Maß­nahmen all das, was an Problemen gegeben ist, verschärft haben. – Natürlich hat das


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eine Rolle gespielt, aber das hat ja die Bundesregierung nicht aus Jux und Tollerei gemacht, sondern das war der Krise aufgrund des Coronavirus geschuldet.

Das Nächste ist, dass Schritte zur Absicherung der Finanzen der Gemeinden auf sich warten lassen würden. – Dazu frage ich Sie: Wo waren Sie heute bei Tagesordnungs­punkt 1? Wir haben das heute entsprechend beschlossen, und es gibt auch durchaus Beispiele dafür, dass Hilfen auch schon von den Bundesländern beschlossen wurden.

Wir reden heute darüber, und ich höre immer von lauten Rufen von sozial­demo­kratischen Gemeinden, auch von Frau Kollegin Kahofer. Ich sage euch eines: Das ist eine riesige Herausforderung, die wir zu stemmen haben, aber es gibt auch in dieser Situation eine Verantwortung.

Bei mir im Bezirk Lilienfeld gibt es einen Musikschulverband – nur als kleines Beispiel –, er besteht rein aus sozialdemokratischen Gemeinden. Was war die erste Tat, nachdem diese Krise ausgebrochen ist? – Man hat zwar Unterricht weiter angeboten, Online­unterricht, aber der Beschluss in der ersten Sitzung, nachdem wieder einige Schüler in die Schule gekommen sind, war, dass alle Gelder – zum Beispiel die Elternbeiträge – sofort erlassen wurden. Da hat man eine große Hand, um ja als sozial dazustehen. Dann stellt man sich hin und macht die Bundesregierung dafür verantwortlich, dass nicht noch mehr Geld kommt. – Das ist das Erste.

Das Zweite – das möchte ich Frau Kollegin Kahofer sagen – betrifft kommunale Finan­zen. Ich würde dazu manchmal ein bisschen leiser treten. Es gibt natürlich Kommunen, die in schwierigen Regionen liegen, wo die Einnahmen nicht sehr üppig sind. Es gibt aber auch sehr prosperierende Gemeinden, die auch kein Geld gehabt haben. Wenn man sich ein bisschen zurückerinnert: In der Region, in der Sie zu Hause sind, in Wiener Neustadt zum Beispiel, ist ja doch etwas los gewesen, da war keine Krise und trotzdem ein Minus, das sich gewaschen hat. Da brauchen Sie jetzt nicht hierher zu kommen und den großen Saubermann/die große Sauberfrau zu spielen. Das möchte ich Ihnen mit­geben. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Zum nächsten Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch, weil ich ganz persönlich als Bürgermeister der Gemeinde Rohrbach an der Gölsen gefragt wurde: Ja, auch wir haben mit verminderten Einnahmen zu kämpfen, und es ist nach Mitteilung des Herrn Bundesministers im Kommunalinvestitionspaket für unsere Gemeinde formuliert, dass wir 162 000 Euro abholen können. Wir haben 2017 auch schon ein ähnliches Paket ge­habt und es einfach schnell abgerechnet. Ich habe, das sage ich offen und ehrlich, jetzt schon jeden Monat beobachtet, wohin sich meine Kommunalsteuer bewegt. Ich habe jeden Monat beobachtet, wohin sich die Abgabenertragsanteile bewegen. Ich habe dieses Minus von 162 000 Euro nicht – bisher nicht – und werde es auch bis zum Jahresende nicht haben. Das möchte ich hier angemerkt wissen. (Bundesrätin Hahn: Das ist Überheblichkeit!) – Das ist keine Überheblichkeit, sondern das ist eine Tatsache. (Bundesrätin Hahn: Fragen Sie die niederösterreichischen Bürgermeister und Bürger­meisterinnen ...!) – Ja, wir haben ja genug Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir im Gespräch sind. Frau Kollegin Kahofer, liebe Frau Kollegin Hahn, hat mich mit der Situation meiner Gemeinde konfrontiert, und diese Antwort hat sie bekommen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Das hat mit Überheblichkeit nichts zu tun, das ist einfach eine Antwort auf eine Frage, weil ich höflich bin. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe noch eine Anmerkung zu diesem Thema, das wir heute teilweise sehr emotional diskutieren: Es sind die Gemeindefinanzen auch über den Finanzausgleich geregelt und ausverhandelt. Auch ist es Tatsache, dass ein Finanzausgleich nicht nur dann gelten kann und muss, wenn es sprudelnde Einnahmen gibt; das darf keine Einbahnstraße sein, daher nehmen auch Bundesländer in dieser Situation ihre Verantwortung wahr. Sie werden – Niederösterreich hat das ja schon angekündigt – auch jene Gemeinden, die in


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besonders schwierigen Situationen sind, entsprechend unterstützen was diese Projekte betrifft.

Gestern wurde das große Ergebnis des Kommunalgipfels in Niederösterreich öffentlich präsentiert. Kommunalgipfel bedeutet auch wieder eine gemeinsam erarbeitete Maß­nahme, ein Paket für die Gemeinden, nämlich mit der Sozialdemokratie und mit der Volkspartei: 836,5 Millionen Euro macht das Kommunalpaket, das Gemeindepaket Niederösterreichs aus.

Mir ist schon klar, wir können jetzt diese Summen nicht so aufrechnen, dass das direkte Zahlungen sind – das sind schon Unterstützungshilfen, das sind auch Stundungsmög­lichkeiten für Kredite –, aber es ist ein Paket mit drei wesentlichen Zielen: die Liquidität der Gemeinden sichern, Investitionen in Zukunftsprojekte ermöglichen und Städte und Gemeinden künftig noch krisenresistenter machen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Dieses Paket besteht aus acht Teilen mit unterschiedlichen Unterstützungen und Leis­tungen für die Gemeinden, damit diese Krise in den Kommunen bewältigt werden kann. Ich glaube, dass wir in Niederösterreich sehr stolz darauf sein können, dass das jetzt präsentiert wurde und umgesetzt wird. Es wurden im Übrigen auch schon im April einige Millionen ausbezahlt, um die Gemeinden zu unterstützen.

Durch dieses Paket kommt frisches Geld in die Gemeinden (Bundesrätin Hahn – erhei­tert –: Frisches Geld!), und es sind natürlich auch andere Bundesländer herzlich eingeladen, mitzuziehen und das auch zu tun. Tirol hat das auch schon gemacht, auch dort kommen 35 Millionen Euro an frischem Geld in die Gemeinden. Auch andere Bundesländer haben entsprechende Maßnahmen getroffen, nämlich Kärnten mit 250 Millionen Euro – da ist aber kein frisches Geld drinnen –, das Burgenland verhandelt noch. Es sind natürlich auch die anderen Bundesländer aufgerufen, gemeinschaftlich Unterstützung zu leisten.

Wir in Niederösterreich haben das im Miteinander geschafft, und wir werden auch als Österreich in einem Miteinander Österreichs Comeback schaffen. Dazu lade ich herzlich ein. Da lasse ich mir das, was hier heute beschlossen und vorgelegt wurde, nicht als „Hilflosenpaket“ heruntermachen. Merken Sie sich das! (Bundesrätin Grimling: Was heißt „Merken Sie sich das!“? Wir sind nicht in der Schule! – Bundesrätin Mühlwerth: „Merken Sie sich das!“? – Bundesrätin Grimling: Pädagogisch enorm wertvoll!) Die Maßnahmen der Regierung insgesamt sind sehr umfassend. Es ist auch nicht, wie die Kollegin sagt, besser als nichts, sondern es ist sehr, sehr viel. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich verstehe die Aufregung überhaupt nicht. Es ist ein Maßnahmenpaket aus Hilfen, aus Unterstützung und aus Investitionsanreizen für die Zukunft, damit wir diese Krise bewältigen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.53


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster gelangt Bundesrat Josef Ofner zu Wort. Ich erteile es ihm.


15.53.34

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Wir beschäftigen uns heute mit kommunalen Investitionen beziehungsweise mit dem bezughabenden Gesetz.

Herr Kollege Bader, wir haben diesem Gesetz zugestimmt, aber nicht etwa, weil es so toll gemacht ist und weil so viele Möglichkeiten darin präsentiert sind, sondern damit jene


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Gemeinden, die sich diese Unterstützung leisten können – es ist nämlich ein Investitions­paket, das sich die Gemeinden zuerst einmal leisten können müssen –, auf dieses Paket zugreifen können.

Du hast vorhin in deinem ersten Redebeitrag gesagt, das sei das größte Gemeinde­investitionspaket, das Österreich je gesehen hat. – Da muss ich dir schon sagen: Das klingt ja so, als müssten die Gemeinden sich jetzt auch noch dankbar dafür zeigen, dass sie dadurch zusätzliches Geld vom Bund bekommen. (Bundesrat Bader: Das ist eine Interpretation deinerseits!) Bitte, ich habe meinen Ohren nicht getraut, das ist ja nicht der Fall!

Lieber Kollege Bader, das, was hier passiert, ist lediglich eine Wiedergutmachung für den finanziellen und wirtschaftlichen Schaden, den ihr mit euren Maßnahmen, mit dieser Bundesregierung in den österreichischen Gemeinden angerichtet habt! (Beifall bei der FPÖ.)

Außerdem hast du jetzt eine sehr befremdliche Wahrnehmung hinsichtlich der Aussagen und Angaben vom Herrn Bundesminister gehabt. Wir haben hier nicht viele Perspektiven herausgehört, da habe ich heute von Kollegen Novak mehr Perspektiven herausgehört. Wir haben nämlich dieselben Zuschriften bekommen, in denen von einem Einbruch an Ertragsanteilen von bis zu 20 Prozent ausgegangen wird – darauf werde ich noch zu sprechen kommen –, die wir auf uns beziehen werden müssen, und mit dieser Situation werden wir umgehen müssen.

Sie setzen sich hierher und sagen: Nein, eigentlich haben wir keine Perspektiven, eigentlich ist mir das ziemlich egal, es ist mir auch recht müßig, mit Ihnen hier herinnen über die Problematik der Gemeinden zu reden. – Es ist nicht nur so, dass Sie die Situ­ation der Gemeinden nicht ernst nehmen und keine Perspektiven darlegen können, sondern das ist eigentlich verantwortungslos und für diese Republik nicht tragbar.

Vor allem sage ich Ihnen dazu auch noch eines: Als die Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona erlassen worden sind, waren – das werden, glaube ich, alle Bürgermeister hier bestätigen können – die übergeordneten Verwaltungskörper noch nicht in der Lage, zu sagen, wie diese Maßnahmen zur Ausführung gelangen können, aber die Gemeinden haben in ihrem eigenen Verwaltungsbereich dafür gesorgt, dass unmittelbar, unbüro­kratisch und vor allem zielgenau bei auftretenden Themen- und Problemstellungen die Maßnahmen zur Ausführung gelangen konnten, dass diese abgearbeitet und bewältigt werden konnten.

Die kleinste Zelle in unserem staatlichen Organismus ist nun einmal die Gemeinde, und es hat sich auch in dieser Krisensituation wieder einmal bewiesen: Die Gemeinde ist wieder einmal nicht nur die zuverlässigste, sondern auch die effizienteste Einheit ge­wesen, denn, wie ich gesagt habe, als es von staatlicher Seite noch keine konkreten Verordnungen gegeben hat, haben die Gemeinden gewusst, wie sie die Dinge zu regeln haben, wie sie entsprechende Informationen auszugeben haben, wie sie die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen haben, aber auch, wie sie die notwendigen Abläufe gewährleisten können.

Gerade wir Freiheitliche haben in den ersten Tagen der Krise erkannt, welche finan­ziellen Auswirkungen diese Krise auf die österreichischen Gemeinden in Bezug auf die Liquidität und die Finanzkraft haben wird. Daher hat mein Kärntner Kollege im Natio­nalrat und Wirtschaftssprecher, Nationalratsabgeordneter Erwin Angerer, bereits am 3. April die Schnürung eines solchen Investitionspaketes für die Gemeinden in der Höhe von mindestens 1 Milliarde Euro gefordert, denn ja, zu diesem Zeitpunkt haben wir bereits mit den verminderten Einnahmen, aber auch mit den stark sinkenden Ertrags­anteilen gerechnet.


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Jetzt, Ende Juni, drei Monate später, sind wir in dieser Situation, jetzt wird diese berechtigte Forderung auch von der Bundesregierung teilweise umgesetzt. Frei Kärnt­nerisch kann man dazu sagen: Mit der Zeit kommen mia a gschwind drauf. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Bader.)

Jetzt kann man sich sozusagen noch darüber freuen, dass die Förderquote gegenüber dem KIG 2017 von 25 auf 50 Prozent erhöht worden ist, wobei man sich aber in Vergegenwärtigung der finanziellen Situation der Gemeinden die Frage stellen muss, ob diese Maßnahmen seitens der Bundesregierung überhaupt zu Ende gedacht worden sind. – Genauso wie bei vielen anderen getroffenen Maßnahmen muss man auch da feststellen: leider nein.

Die Frage, wie die Eigenmittel aufgebracht werden sollen, die verbleibenden 50 Prozent für die Gemeinden, die sowieso schon jetzt in einer schwierigen finanziellen Situation sind, bleibt für viele offen. Daher müssen wir uns auch hier im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage damit beschäftigen.

Laut Berechnungen, die ich vorher ausgeführt habe, müssen wir davon ausgehen, dass wir bis zu 20 Prozent weniger Ertragsanteile haben werden. Die aktuellen Zahlen liegen zwar, wie Sie gesagt haben, nicht vor, entsprechende Fragen konnten uns auch im Aus­schuss nicht beantwortet werden, aber wir müssen davon ausgehen, dass diese 20 Prozent durchaus traurige Realität werden.

Wenn ich hier das Beispiel meiner Heimatgemeinde Hüttenberg hernehme, in der ich Bürgermeister bin, mit der eher geringen Einwohnerzahl von 1 400, so bedeutet das allein bei den Ertragsanteilen ein Minus von 250 000 Euro in diesem Jahr. Das bedeutet weiters den Entfall von entsprechenden Einnahmen wie der Kommunalsteuer aufgrund der Kurzarbeit, aber auch aufgrund der Arbeitslosenzahlen, und selbstverständlich auch hinsichtlich der Tourismusabgaben.

Wenn man dann den Ansatz vertritt, dass die Restfinanzierung am besten über Darlehen erfolgen soll, dann frage ich mich schon, ob das ein verantwortungsvoller Zugang ist. In dieser schwierigen finanziellen Situation werden die Gemeinden noch genötigt, Darlehen aufzunehmen, und sind dann nicht in der Lage, diese in den kommenden Jahren zurückzuzahlen, denn die Entwicklung können Sie ja nicht voraussehen, haben Sie gesagt! (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Was bedeutet das für die Zukunft? – Für die ÖVP bedeutet das wieder einmal eines: Man schafft Abhängigkeiten, und das ist ja das Ziel, denn: Wo soll man diese Darlehen am besten aufnehmen? – Am besten bei ÖVP-nahen Kreditinstituten. (Heiterkeit der BundesrätInnen Grimling und Steiner.) Und dann verhält es sich ähnlich wie bei den Auszahlungen für die Betriebe: Das Geld kommt zwar nicht an, aber es ist bei der Wirtschaftskammer angesiedelt, damit man alle Daten hat, und das wird nicht vom Finanzamt durchgeführt, was zielführender wäre. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Dasselbe habt ihr jetzt bei den Gemeinden vor: Die müssen jetzt zu den ÖVP-nahen Kreditinstituten vielleicht betteln gehen, das wäre euer Vorschlag. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Da sehen wir wieder einmal, diese Förderungsgestaltung, die ihr gemacht habt, fällt in die Kategorie: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. – Wenn man das aus dem ÖVP-Kalkül heraus betrachtet, dann ist es eben, wie gesagt, nichts anderes als die Schaffung von Abhängigkeiten und gepaart – und das darf ich jetzt vielleicht medizinisch ausdrücken – mit einem frustranen Reanimationsversuch. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Ich darf auch gerne erläutern, was das bedeutet: Das heißt, dass wir Gemeinden helfen, sie aber trotzdem sterben. Wir wissen zwar, dass sie sterben, aber wir helfen ihnen trotzdem (Bundesrätin Mühlwerth: Also man hilft ihnen beim Sterben!), um dann sagen


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zu können: Wir wollten eh nur das Beste!, und das am besten in einer Sondersitzung, die zufällig vor den Gemeinderatswahlen in der Steiermark stattfindet. Das ist natürlich reinster Zufall. Da muss ich Ihnen schon sagen: Durchschaubarer geht es ja gar nicht mehr! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Gerade diese Gemeinden – und das ist heute auch schon von mehreren Rednern angesprochen worden – sind die Multiplikatoren, wenn es darum geht, unsere Wirtschaft hochzufahren, weil eben gerade die Gemeinden diese regionale und kommunale Wert­schöpfung haben und einen wesentlichen Beitrag leisten. Es wird daher notwendig sein, eine gesamtheitliche Lösung für Österreich und für die Gemeinden zustande zu bringen und keine parteipolitische, kurzfristig gedachte Lösung, denn das ist eine Lösung, die mehr Probleme schafft, als sie bringt.

Es ist traurig, dass es – wie wir heute zweimal gehört haben, im Ausschuss und jetzt auch hier – keine Einschätzungen in Bezug auf die Zahlen und Entwicklungen gibt, weder hinsichtlich der Kommunalsteuer noch hinsichtlich der Ertragsanteile. Da fragt man sich schon: Wie kann man denn ernsthaft ein Paket anbieten, wenn man nicht einmal weiß, ob sich der Großteil der Gemeinden dieses Paket überhaupt leisten kann und wie die Entwicklung ist? Das ist ja wirklich ein sehr verantwortungsloser Zugang. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, noch ein paar Worte zu diesem Investitionsprogramm, diesem 18-Punkte-Programm: Es ist hier positiv zu vermerken, dass auf unsere Forderung hin die Sanierung der Gemeindestraßen eingebaut worden ist – wohlgemerkt die Sanierung. Was ich aber nicht verstehe, ist, warum der Neubau, die Verlegung und die Instandhaltung nicht eingebaut worden sind. Es konnten uns auch heute die Minis­teriumsbeamten nicht erklären, warum das nicht eingebaut worden ist. Es sprechen weder Förderrichtlinien noch irgendwelche gesetzlichen Bestimmungen dagegen. Das dürfte wohl den Grünen geschuldet sein, die ja einen anderen Zugang zu diesem Thema haben. Das ist dann natürlich in der Koalition schwer: Der Neubau einer Straße, der für uns eine lebensnotwendige Lebensader in unseren ländlichen Bereichen ist, ist für euch ein klimatechnisches Kapitalverbrechen, wie wir wissen.

Dabei sind Straßen notwendig, um etwa Kindertagesstätten, Senioreneinrichtungen, Sportstätten und Freizeitanlagen, deren Errichtung in diesem Programm sehr wohl enthalten ist, zu erreichen. Es ist komisch, dass man nicht versteht, dass die Leute auch dorthin kommen müssen, wenn man das errichtet. Andererseits leben bei uns auch viele Pendler, die mit ihrem Fahrzeug eben zum Arbeitsplatz fahren müssen. Daher ist es für uns selbstverständliche Realität, aber in Ihrem Paralleluniversum scheinbar gelebte Utopie.

Ein weiterer fehlender Punkt ist die Förderung der gemeindlichen touristischen Infra­struktur. Dabei ist diese vielerorts ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, auch in unse­rer Gemeinde beispielsweise.

Ebenfalls nicht enthalten ist – und das ist jetzt ganz toll – die Förderung der Nahversor­gung. Gerade in den letzten Monaten hat sich gezeigt, was die Nahversorgung eigentlich für einen Stellenwert in Österreich hat. Wie viel die Menschen im Bereich der Nah­versorgung gearbeitet und für uns geleistet haben, wird hier gerne sehr populistisch propagiert – heute waren die Bürgermeister die Helden des Alltags, damals waren es die Menschen, die in den Lebensmittelgeschäften gearbeitet haben –, aber man erkennt auch da wieder: Diese Bundesregierung darf man ja nicht an den Worten messen, sondern an den Taten, denn genau diese Nahversorgung ist jetzt in diesem Programm wieder nicht inkludiert. Das heißt, diese Nahversorgung ist dieser Regierung auch nichts wert, da gibt es nur leere Worthülsen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)


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Zusammenfassend kann ich Ihnen sagen: Wir hätten uns mehr erwartet, und wir erwar­ten uns nach wie vor mehr. Wir sind aber durchaus zuversichtlich, dass es vielleicht ähnlich wie bei den Coronamaßnahmen zu weiteren Adaptierungen kommen wird, denn seitens der Regierung hat man ja immer folgenden Zugang: Wenn die Opposition etwas fordert, sagt man einmal von Haus aus Nein, um dann draufzukommen, dass es eigentlich gescheit gewesen wäre. Dann nimmt man es an und setzt es halt so wie heute mit dem kommunalen Investitionspaket Monate später um.

Die Gemeinden und die Bevölkerung in unseren Gemeinden dürfen auf keinen Fall als finanziell Sterbende zurückgelassen werden! Es ist eine Pflicht, dass man auch in dieser Ausnahmesituation den Gemeinden beziehungsweise der Bevölkerung in den Gemeinden die anerkennende Wertschätzung entgegenbringt (Bundesrat Schennach: Tut er nicht!) und Unterstützung bei der Bewältigung dieser Ausnahmesituation, die diese Menschen in den letzten Monaten durchgemacht haben, leistet.

Daher: Herr Minister, übernehmen Sie endlich die Verantwortung auch für die Finanz­kraft der österreichischen Gemeinden! Derzeit nehmen Sie ja eine andere Rolle ein – ich werde das jetzt auf die Rhetorik Ihres Innenministers beschränken –: Derzeit sind Sie der größte „Lebensgefährder“ für Österreichs Gemeinden. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

16.07


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


16.07.52

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt so ein paar Worte gehört: Das Wort „Lebensgefährder“ war jetzt, glaube ich, am Schluss zu hören, „Kollaps“ habe ich gehört. Ich weiß nicht, ob es wirklich im Sinne der Bevölkerung ist, wenn wir hier so tun, als ob die Welt jetzt untergehen würde (Ruf bei der FPÖ: Das haben Sie gesagt!), und ob das wirklich Vertrauen in unser Haus schaffen wird.

Es ist ja in letzter Zeit sehr oft darüber gesprochen worden, inwieweit man mit Angst Politik machen darf. Da hat es ja Kritik an der türkis-grünen Regierung gegeben. Das ist eine legitime Debatte, die darf man führen (Bundesrat Steiner: Gott sei Dank darf man sie führen!), das geschieht alles zu Recht, es wird ja auch Angst vor Zuwanderung geschürt; aber Worte wie Lebensgefährdung zu verwenden und den „Kollaps“ zu prophezeien (Bundesrat Steiner: Es war eure Regierung! Sind alles Zitate!) und zu sagen, dass im Herbst alles kaputtgeht, halte ich gerade in einer Krisenzeit einfach für anmaßend. Ich würde das auch nicht machen, ganz ehrlich nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Im Begründungstext der Dringlichen Anfrage steht auch, dass die Regierung auf die Gemeinden „vergessen“ würde – und das in der Sitzung, in der man ein Milliardenpaket beschließt! Wir können gerne darüber diskutieren (Bundesrätin Schumann: Das ist zu wenig!), es ist auch völlig legitim, die Arbeit der Regierung zu kritisieren. Ich war selbst lang in der Opposition, ich weiß, wie das läuft: Die Regierung beschließt eine Summe und die Opposition sagt, es ist zu wenig. Das ist immer so. Das ist in jedem Landtag so, das ist in jeder Gemeinde so, das ist im Nationalrat so, das ist im Bundesrat so. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich war selbst im Kulturausschuss im Gemeinderat. Immer wenn etwas beschlossen wurde, haben wir gesagt, das ist zu wenig. So ist das Spiel, wir kennen das ja. (Bundesrätin Schumann: Das ist kein Spiel!)

Da jetzt so viel über diese Gemeindepakete diskutiert worden ist, möchte ich auch ganz sachlich noch einmal betonen – es gibt ja vielleicht noch den einen Zuschauer oder die


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andere Zuschauerin via Livestream –, wofür diese Zuschüsse gewährt werden. Ich glaube, es ist auch wichtig, diese Dinge noch einmal beim Namen zu nennen, ein paar sind ja schon genannt worden:

Es geht um die Errichtung und Sanierung – einschließlich thermischer Sanierung – von Gebäuden in Gemeindeeigentum. Es geht um die Errichtung, Sanierung und Instand­haltung von Kindertageseinrichtungen und Schulen. Es geht um die Errichtung, Sanierung und Instandhaltung von Einrichtungen für Betreuung von Menschen mit Behinderungen und Seniorinnen und Senioren. Es geht um den Abbau von Barrieren in Gebäuden, also darum, Barrierefreiheit herzustellen. Es geht um die Errichtung, Sanierung und Instandhaltung von Sportstätten und Freizeiteinrichtungen im Gemein­deeigentum. Es geht um die Ortskernattraktivierung – eben zum Beispiel Museen, Kirchen, Kultureinrichtungen, Begegnungszonen –, es geht um die Siedlungsentwick­lun­gen nach innen, um das Schaffen von öffentlichem Wohnraum und um die Bereitstellung von Gemeinschaftsbüros, darum – und das ist gerade jetzt im Homeofficezeitalter ganz wichtig –, diese Gemeinschaftsbüros auch auf regionaler, kleinteiliger Ebene zu ermög­lichen, wo Leute dann gemeinsam in Gemeinschaftsbüros arbeiten können. Ich arbeite übrigens selbst im Coworkingspace, ich kann das auch nur empfehlen.

Es geht um die Errichtung von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen, etwa von Fotovoltaikanlagen auf gemeindeeigenen Flächen, es geht um Anlagen zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft, es geht um die Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungs­einrichtungen. Es geht um Maßnahmen im Zusammenhang mit dem flächendeckenden Ausbau von Breitbanddatennetzen. Wie oft haben wir hier im Bundesrat über die Notwendigkeit von Breitbandausbau im ländlichen Raum gesprochen? Mit diesem Paket wird das unterstützt.

Es geht um die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität, es geht um die Sanierung von Ge­meindestraßen und es geht um die Errichtung, Sanierung und Instandhaltung von Radverkehrs- und Fußwegen und um die Errichtung und Sanierung von Gebäuden von anerkannten Rettungsorganisationen.

Das Schönste zum Schluss: Es geht um die Einrichtung von kommunalen Kinder­betreuungsplätzen in den Sommerferien 2020 für unsere Kinder. Das sind 3 Prozent der Fördersumme, die einer Gemeinde zusteht. Das sind circa 6 000 Euro für 2 000 Ein­woh­nerinnen und Einwohner. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.12


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Anna Lancaster zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


16.12.20

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher via Livestream! Ich bin selbst Praktikerin, Bürgermeisterin seit zehn Jahren in einer strukturschwachen Gemeinde. Mich drückt der Schuh zurzeit enorm. Ich diskutiere fast täglich mit meinen Amtsleitern: Wie überstehen wir diese Krise? Wie bleiben wir liquid? Welche Mittel können wir anzapfen? Auf welche Mittel können wir zurückgreifen?

Es ist eine herausfordernde Zeit, und wir stellen uns diesen Fragen und diesen Heraus­forderungen als Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, weil wir für unsere Bürger und Bürgerinnen Verantwortung zeigen, auch im strukturschwachen Raum. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)


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Leistungsfähige Gemeinden brauchen praxistaugliche, breit wirkende Unterstützung, um den regionalen Konjunkturmotor anzuwerfen. Die medial gut aufbereitete Gemeinde­milliarde wird, wie von etlichen Kollegen bereits debattiert, nur in ausgewählten Fällen direkt ankommen. Die anderen Gemeinden, die strukturschwachen Gemeinden, die ich hier repräsentiere, werden über einen zweiten oder dritten Verteilungsvorgang irgend­wann, ja, zu etwas Geld kommen, aber nicht zu dem Geld, das uns jetzt in einem Brief versprochen worden ist. Es wird sicher – dafür traue ich mich jetzt schon die Hand ins Feuer zu legen – weniger werden, als Sie uns vorgestellt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die schönen Beispiele, wie sie Herr Kornhäusl vorgebracht hat oder wie sie Herr Schreuder erwähnt hat, wird es nur für wenige Gemeinden geben. Da frage ich mich jetzt: Gibt es in Gemeinden, die von sozialdemokratischen Bürgermeistern geleitet werden, andere Realitäten als in Gemeinden mit ÖVP-Bürgermeistern? Ich stelle die Frage in den Raum. (Bundesrat Steiner: Nein, aber das stimmt sicher!) Das ist nicht fair gegenüber den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern in unseren Gemeinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Gestern hatten wir im Bezirk Kirchdorf Bürgermeister- und Bürgermeisterin­nenkon­fe­renz. Meine sozialdemokratischen Kollegen und Kolleginnen haben mich ersucht, Ihnen, Herr Blümel, mitzuteilen: Wir brauchen ein tatsächliches Krisenbewältigungsprogramm, das über unsere Gemeinden läuft, eines, das durchgängig ist. Zudem muss das laufende Geschäft in den Gemeinden abgesichert und Zahlungsunfähigkeit verhindert werden. Eines ist sicher: Die Qualität unserer Gemeindeleistungen darf nicht rückgebaut werden, nicht heute und auch nicht morgen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Bürgermeister sind engagiert und unterwegs für die Bürgerinnen und Bürger. Wir gestalten gemeinsam Lebensraum für Lebensqualität. Die Empfehlung meiner Kollegin aus dem Bezirk: Schauen Sie sich die Vorschläge der SPÖ für die Gemeinde­unter­stützung an! 250 Euro pro Einwohner als Direktzahlung, das ist praxistauglich und würde auch ankommen und den Konjunkturmotor in Gang bringen. Ihre Milliarde ist unaus­gegoren, so die Bürgermeisterin aus Kirchdorf an der Krems, Vera Pramberger.

Die gezielte Mitfinanzierung von Gemeindeprojekten durch den Bund ist ohne Alter­nativen. Öffentliche Investitionen in allen Gemeinden voranzutreiben ist das Gebot der Stunde. Geben Sie, geben wir den Gemeinden bei der Bewältigung der Krise den Stel­lenwert, der ihnen zusteht! Das Potenzial ist hoch, dazu müssen wir aber von der Bevor­mundung der Gemeinden über selektive Finanzierungsinstrumente wegkommen.

Die Einnahmenrückgänge der Gemeinden und die Ausgabensteigerungen müssen zu einem hohen Anteil auch über den Bund tatsächlich kompensiert werden. Bei uns in den Gemeinden fehlt es aufgrund der Coronakrise jetzt schon an finanziellen Mitteln für die wichtigsten Aufgaben wie Kinderbetreuung und Infrastruktur – es gibt eine ganz lange Liste, die meine Vorredner zum Teil ja schon angeführt haben.

Ich ersuche Sie innigst: Unterstützen Sie auch strukturschwache Gemeinden! Auch dort gibt es Unternehmer und Unternehmerinnen, die eben von diesen Förderungen abhän­gig sind! Der strukturschwache ländliche Raum darf in dieser Krise nicht auf der Strecke bleiben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Ofner und Schererbauer.)

16.17


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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16.17.51Einlauf


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen, 3775/J-BR/2020 bis 3781/J-BR/2020, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 2. Juli 2020, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 30. Juni 2020, vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen allen, euch allen ein gutes Nachhausekommen.

Die Sitzung ist geschlossen.

16.18.43Schluss der Sitzung: 16.18 Uhr

 

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