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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

956. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 12., und Donnerstag, 13. Juli 2023

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

956. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 12., und Donnerstag, 13. Juli 2023

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 12. Juli 2023:   13.00 – 24.00 Uhr

Donnerstag, 13. Juli 2023: 0.00 –   0.29 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz, die Fernmeldegebühren­ordnung, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Finanzausgleichs­ge­setz 2017, das KommAustria-Gesetz, das Kommunikationsplattformen-Gesetz, das Fernseh-Exklusivrechtegesetz und das Künstler-Sozialversiche­rungs­fondsgesetz geändert werden, ein ORF-Beitrags-Gesetz 2024 erlassen wird sowie das Rundfunkgebührengesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kunstfö­rderungsbeitragsgesetz 1981 aufgehoben werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird

4. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über Schutzunterkünfte und Begleitmaßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder (Frauen-Schutzunterkunfts-Vereinbarung – FSchVE)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 2

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Barrierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministeriumservicegesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (GuKG-Novelle 2023)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. März 1952 über die Verleihung des Doktorates unter den Auspizien des Bundespräsidenten geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheits­ge­setz – B-KSG) erlassen sowie das Meldegesetz 1991 geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundeskrisenlagers für den Gesundheitsbereich sowie über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (Bundeskrisenlagergesetz – BKLG)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 3

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korrup­tionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekosten­zuschuss für Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Energiekosten­zuschuss für Non-Profit-Organisationen erlassen (EKZ-NPOG) und das Transpa­renzdatenbankgesetz 2012 geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 2021, das Arbeits­losensozialversicherungsgesetz 1977 und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Benennung eines ordentlichen sowie eines stellver­treten­den Mitglieds des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank ......     26


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 4

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 Abs. 3 GO-BR ............................     30

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ........  67, 209

Unterbrechung der Sitzung ............................................................  68, 202, 209

Wortmeldungen des Bundesrates Christoph Steiner zur Geschäftsbe­handlung ........................................................................................  145, 163, 342

Ersuchen des Bundesrates Christoph Steiner um Sitzungsunterbrechung und Abhaltung einer Stehpräsidiale .............................................................................  202

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     18

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ..............................................................................................  22, 23, 24, 25

Vertretungsschreiben ............................................................................................     30

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     19

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  18, 343

Dringliche Anfragen

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „aktuellen Klimabericht des IPCC, Climate


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 5

Change 2022: Impacts, Adaption and Vulnerability“ (4112/J-BR/2023) – Zurückziehung .......................................................................................  211, 342

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betref­fend „aktuellen Klimabericht des IPCC, Climate Change 2022: Impacts, Adaption and Vulnerability“ (4113/J-BR/2023) – Zurückziehung .  211, 342

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz, die Fernmeldegebührenordnung, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das KommAustria-Gesetz, das Kommunikationsplattformen-Gesetz, das Fernseh-Exklusivrechtegesetz und das Künstler-Sozialversicherungsfonds­gesetz geändert werden, ein ORF-Beitrags-Gesetz 2024 erlassen wird sowie das Rundfunkgebührengesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 aufgehoben werden (2082 d.B. und 2100 d.B. sowie 11275/BR d.B.) ..................................................................     31

Berichterstatterin: Viktoria Hutter .......................................................................     32

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden (3438/A und 2107 d.B. sowie 11276/BR d.B.) .......................................................................................................     31

Berichterstatterin: Viktoria Hutter .......................................................................     32

Redner:innen:

Stefan Schennach ....................................................................................................     33

Sandra Böhmwalder ................................................................................................     37

Christoph Steiner .....................................................................................................     39


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 6

Marco Schreuder ......................................................................................................     47

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     51

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................     54

Matthias Zauner ......................................................................................................     59

Marlies Doppler ........................................................................................................     61

Klemens Kofler .........................................................................................................     65

Ablehnung des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstimmung) ....................................................................................     68

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...........................     68

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......     70

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird (2083 d.B. und 2106 d.B. sowie 11277/BR d.B.)... .........................................................................................     70

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................     70

Redner:innen:

Marlies Doppler ........................................................................................................     71

Klara Neurauter .......................................................................................................     72

Dominik Reisinger ....................................................................................................     74

Marco Schreuder ......................................................................................................     75

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................     78

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................     79

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über Schutzunterkünfte und


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 7

Begleitmaßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder (Frauen-Schutzunterkunfts-Vereinbarung – FSchVE) (2070 d.B. und 2123 d.B. sowie 11261/BR d.B.) ..........................................................................     79

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger ...........................................................     79

Redner:innen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................     80

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................     82

Markus Leinfellner ...................................................................................................     86

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................     87

Mag.a Claudia Arpa ..................................................................................................     92

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................     94

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................     96

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2087 d.B. sowie 11286/BR d.B.) .......................................................................................................     96

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................     97

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Gesundheitstelematik­gesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreu­ungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz) (3463/A sowie 11287/BR d.B.) ................     96

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................     97


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 8

Redner:innen:

Dr. Manfred Mertel ..................................................................................................     98

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  102

Mag. Sandra Gerdenitsch ........................................................................................  108

Johanna Miesenberger ............................................................................................  110

Markus Leinfellner ..................................................................................  117, 183

Dr. Karlheinz Kornhäusl ..........................................................................................  121

Klara Neurauter .......................................................................................................  132

Marco Schreuder ....................................................................................  134, 181

Heike Eder, BSc MBA ...............................................................................................  146

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  149

Ferdinand Tiefnig .....................................................................................................  153

Matthias Zauner ......................................................................................................  156

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  166

Marlies Doppler (tatsächliche Berichtigung) ........................................................  170

Christoph Steiner .....................................................................................................  170

Korinna Schumann ..................................................................................................  178

Günter Kovacs ..........................................................................................................  192

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................  194

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  197

Marlies Doppler ........................................................................................................  199

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  203

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Dr. Manfred Mertel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel“ – Ablehnung ..............................................................................................  101, 208

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zusätzliche Kassenvertragsstellen für Einzel- und Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärversorgungs­zentren“ – Ablehnung ...........................................................................  119, 208


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 9

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  208

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstimmung) ....................................................................................  210

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...........................  210

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Barrierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministeriumservicegesetz geändert wird (2046 d.B. und 2145 d.B. sowie 11262/BR d.B.) ............................................................................................  212

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  212

Redner:innen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  213

Ferdinand Tiefnig .....................................................................................................  214

Korinna Schumann ..................................................................................................  216

Marlies Doppler ........................................................................................................  217

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  221

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneinge­schränk­ten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU im Zusammenhang mit dem Barrierefrei­heitsge­setz 2023“ – Ablehnung .......................................................................  219, 222

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  222

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 10

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (GuKG-Novelle 2023) (3466/A und 2146 d.B. sowie 11256/BR d.B. und 11263/BR d.B.) ....................................................................  222

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  223

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird (2147 d.B. sowie 11264/BR d.B.) ...............................................  223

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  223

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  224

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  227

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  228

Mag. Franz Ebner .....................................................................................................  231

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  234

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  237

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  237

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird (2085 d.B. und 2150 d.B. sowie 11265/BR d.B.) ..................................................................  237

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  238

Redner:innen:

Günter Pröller ...........................................................................................................  238


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 11

Viktoria Hutter .........................................................................................................  240

Mag. Bettina Lancaster ...........................................................................................  242

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  245

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  248

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. März 1952 über die Verleihung des Doktorates unter den Auspizien des Bundespräsidenten geändert wird (3368/A und 2144 d.B. sowie 11295/BR d.B.) .........................  249

Berichterstatterin: Alexandra Platzer, MBA .........................................................  249

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  250

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheits­gesetz – B-KSG) erlassen sowie das Meldegesetz 1991 geändert wird (2084 d.B. und 2120 d.B. sowie 11257/BR d.B. und 11258/BR d.B.) ............  250

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  250

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundeskrisenlagers für den Gesundheitsbereich sowie über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (Bundeskrisenlagergesetz – BKLG) (2121 d.B. sowie 11259/BR d.B.) ............................................................................................  250

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  250


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 12

Redner:innen:

Dominik Reisinger ....................................................................................................  251

Silvester Gfrerer .......................................................................................................  254

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  256

Marco Schreuder ......................................................................................................  263

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  267

Bundesminister Mag. Gerhard Karner ....................................................................  271

Günter Pröller ...........................................................................................................  273

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  276

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  276

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptions­prävention und Korruptionsbekämpfung geändert wird (2089 d.B. und 2122 d.B. sowie 11260/BR d.B.) ..........................................................................  276

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................  277

Redner:innen:

Michael Wanner .......................................................................................................  277

Ernest Schwindsackl ................................................................................................  279

Mag. Isabella Theuermann ......................................................................................  282

Marco Schreuder ......................................................................................................  284

Bundesminister Mag. Gerhard Karner ....................................................................  287

Christoph Steiner .....................................................................................................  291

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  293


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 13

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (2047 d.B. und 2163 d.B. sowie 11269/BR d.B.) ..........................................................................  293

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  294

Redner:innen:

Markus Steinmaurer ................................................................................................  294

Elisabeth Wolff, BA ..................................................................................................  296

Michael Bernard .......................................................................................................  298

Mag.a Claudia Arpa ..................................................................................................  301

Simone Jagl ...............................................................................................................  302

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ......................................................  304

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beraten statt Strafen“ – Ablehnung ......  300, 307

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  307

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5.Juli 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzu­schuss für Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird (3465/A und 2124 d.B. sowie 11281/BR d.B.) ............  307

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ................................................................  308

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Energiekosten­zuschuss für Non-Profit-Organisationen erlassen (EKZ-NPOG) und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (2125 d.B. sowie 11282/BR d.B.) .......................................................................................................  307


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 14

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ................................................................  308

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird (3476/A und 2126 d.B. sowie 11283/BR d.B.) .................................  307

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ................................................................  308

Redner:innen:

Daniel Schmid ..........................................................................................................  309

Ing. Isabella Kaltenegger .........................................................................................  313

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  315

Markus Steinmaurer ................................................................................................  316

Simone Jagl ...............................................................................................................  318

Michael Bernard .......................................................................................................  320

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abfederung der Teuerung durch eine vorgezogene Pensionsanpassung“ – Ablehnung ......................................................  313, 322

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  322

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  322

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  323

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (3467/A und 2151 d.B. sowie 11266/BR d.B.) .........................  323

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..............................................  323


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 15

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 2021, das Arbeitslosensozialversicherungsgesetz 1977 und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (2152 d.B. sowie 11267/BR d.B.) .......................................................................................................  323

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..............................................  323

Redner:innen:

Heike Eder, BSc MBA ...............................................................................................  324

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  325

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  327

Simone Jagl ...............................................................................................................  328

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  330

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  330

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (3415/A und 2153 d.B. sowie 11268/BR d.B.) ..................................................  330

Berichterstatter: Matthias Zauner ........................................................................  330

Redner:innen:

Korinna Schumann ..................................................................................................  331

Alexandra Platzer, MBA ..........................................................................................  333

Günter Pröller ...........................................................................................................  337

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  338

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  340

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  341


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Eingebracht wurden

Anträge der Bundesrät:innen

Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinder­betreuungs-Zweckzuschussgesetz des Bundes zur Umsetzung eines Gratis-Angebots in der Elementarpädagogik (388/A(E)-BR/2023)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinder-Influencer:innen vor Ausbeutung im Netz schützen! (389/A(E)-BR/2023)

Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mietpreisstopp jetzt (390/A(E)-BR/2023)

Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr höhere Schulen in stark wachsenden urbanen Räumen (391/A(E)-BR/2023)

Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Implementierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung (392/A(E)-BR/2023)

Anfragen der Bundesrät:innen

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend ÖVP-Freunderlwirtschaft im AMS Niederösterreich? (4111/J-BR/2023)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend aktuellen Klimabericht des IPCC, Climate Change 2022: Impact, Adaption and Vulnerability (15082/J) (4112/J-BR/2023)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend aktuellen Klimabericht des IPCC, Climate Change 2022: Impact, Adaption and Vulnerability (15082/J) (4113/J-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 17

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Anstieg der Totgeburten im Zuge der Coronapandemie (4114/J-BR/2023)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesrät:innen Bernhard Hirczy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bahnstrecke „Jennersdorf – Graz“ (3806/AB-BR/2023 zu 4107/J-BR/2023)

 


 


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13.00.30Beginn der Sitzung: 13 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag.a Claudia Arpa, Vizepräsidentin Margit Göll, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA.

13.00.33*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Einen schönen Nachmittag! Ich bedanke mich im Voraus für ein wertschätzendes Miteinander, da ich heute das erste Mal die Vorsitzführung innehaben darf, und eröffne die 956. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 955. Sitzung des Bundesrates vom 29. Juni 2023 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross, Barbara Prügl und Andrea Michaela Schartel.

Ich begrüße an dieser Stelle die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien MMag.a Dr.in Susanne Raab – herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortung,

der Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und

der Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 956. und 957. Sitzung des Bundesrates gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des


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Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 956. und 957. Sitzung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortung

(Anlage 1) (siehe auch S. 17)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner von 12. bis 22. Juli 2023 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (Anlage 2)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA, von 9. (abends) bis 12. Juli 2023 in Spanien (Anlage 3)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundes­minister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. am 13. und 14. Juli 2023 in Belgien (Anlage 4)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch am 13. und 14. Juli 2023 in Spanien (Anlage 5)


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3. Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG

Nominierung von MMag. Karin Rysavy zum ordentlichen Mitglied und Herrn Christian Reininger MSc zum stellvertretenden Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank für jene Periode, welche an die am Ende des 16. Juni 2023 ausgelaufene anschließt (Anlage 6)

B. Zuweisungen

Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für EU und Verfassung Mag.a Karoline Edtstadler von 12. bis 13. Juli 2023 in der Schweiz bei gleichzeitiger Beauftragung von Frau Bundesministerin MMag. Dr.in Susanne Raab mit ihrer Vertretung gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte zu den vor­liegenden Verhandlungsgegenständen Abstand zu nehmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stim­men erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Aus­schussberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.


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*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schla­ges beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 5 und 6, 8 und 9, 12 und 13, 16 bis 18 sowie 19 und 20 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

13.04.381. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz, die Fernmeldegebührenordnung, das Fernsprechent­gelt­zuschussgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das KommAustria-Gesetz, das Kommunikationsplattformen-Gesetz, das Fernseh-Exklusivrechte­gesetz und das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz geändert werden, ein ORF-Beitrags-Gesetz 2024 erlassen wird sowie das Rundfunkgebührengesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 aufgehoben werden (2082 d.B. und 2100 d.B. sowie 11275/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geän­dert werden (3438/A und 2107 d.B. sowie 11276/BR d.B.)



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 1 und 2 ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. – Ich bitte um die Berichte.


13.05.28

Berichterstatterin Viktoria Hutter: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz, die Fernmeldegebührenordnung, das Fernsprechent­geltzuschussgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das KommAustria-Gesetz, das Kommunikationsplattformen-Gesetz, das Fernseh-Exklusivrechtegesetz und das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz geändert werden, ein ORF-Beitrags-Gesetz 2024 erlassen wird sowie das Rundfunkgebührengesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 aufgehoben werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.


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Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.


13.07.08

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin – herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Funktion! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich spreche hier contra, aber nicht contra Unternehmen ORF. Der ORF ist die wichtigste Medienorganisation unseres Landes, ein öffentlich-rechtliches Unternehmen, zu dem wir uns, glaube ich, alle eindeutig bekennen sollten. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es passiert sehr, sehr selten, dass wir hier ein ORF-Gesetz zu debattieren haben, ich glaube, das letzte Mal war vor ungefähr 13 Jahren. Dass wir das heute diskutieren, hat der Verfassungsgerichtshof aufgetragen. Er hat erkannt, die alte Form der GIS-Gebühren ist nicht mehr zeitgemäß, weil sie sich auf die Endgeräte und nicht auf die Nutzung bezogen hat.

Ich habe die Debatte im Nationalrat ein bisschen beobachtet und die Transpa­rente gesehen: Weg mit den Zwangsgebühren! – Das sind keine Zwangs­gebühren (Bundesrat Steiner: Zwangssteuer, nicht Zwangsgebühren!), dafür erhält man eine unglaublich wichtige Leistung, nämlich eine Leistung im Bereich der Information und der Unterhaltung. (Bundesrat Steiner: Zwangssteuer! – Bundesrat Schreuder: Dann ist jede Mehrwertsteuer eine Zwangssteuer!) – Zwangssteuer – da hat sich gerade der Adressat gemeldet. (Bundesrat Steiner: Steiner Christoph!) Das ist es nicht, das ist es nicht. (Bundesrat Steiner: Steiner Christoph!) – Ja, ja, ich


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weiß! Mein Gott, wer kennt die Stimme aus dem Zillertal nicht? (Bundesrat Steiner: Richtig! Bravo! – Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Im Unterschied zur Stimme aus dem Zillertal hat die Regierung etwas ganz richtig gemacht. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist doch eine Prorede!) Ich habe den Europarat jahrelang bei Konferenzen der EBU, der European Broadcasting Union, vertreten; wir haben immer gesagt, es müssen Gebühren sein, die Finanzierung darf nicht aus dem Budget kommen, denn öffentlich-rechtliches Fernsehen und Radio gehören den Bürgern und Bürgerinnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Seit der Schaffung und Gründung des ORF war es immer ein gemeinsames Prinzip, zu sagen, dass es eine duale Finanzierung gibt, das heißt einerseits aus Gebühren und andererseits auch aus Werbung, wobei zum Beispiel der beste Radiosender der Welt – als solcher kann er sich bezeichnen –, Ö1, das überhaupt nicht notwendig hat.

Würden wir es aus dem Budget finanzieren, dann hätten wir vielleicht einen Programmdirektor Kickl oder Steiner. Wollen wir das? – Nein.

Ich erinnere nur kurz: Sie alle kennen „Kottan ermittelt“ aus der Feder von Helmut Zenker. (Bundesrat Schreuder: Alles Gute, Chris Lohner, zum Geburtstag!) Wissen Sie, was das für ein Wirbel im Parlament war, diese Kottan-Serie zu killen? – Entschuldigung, Abgeordnete, Politiker und Politikerinnen sind keine Programmmacher! Oder: Felix Mitterer, die „Piefke-Saga“, oder: Peter Turrini, die „Arbeitersaga“, all das wäre nicht möglich, wären Regierungen oder Politiker, Politikerinnen für das Programm zuständig. Nein, der ORF ist öffentlich-rechtlich und entscheidet in sich selbst.

Ich kann mich erinnern – liebe Andrea (in Richtung Bundesrätin Eder-Gitschthaler), jetzt kommt jemand, den du sehr gut kennst –, als ich noch gemeinsam mit Helga Rabl-Stadler im Kuratorium war, mussten wir einen unglaublichen Abwehrkampf gegen einen gewissen Andreas Khol und einen gewissen Westenthaler führen,


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die „Taxi Orange“ abdrehen wollten. (Bundesrat Steiner: Das wäre ewig schad’ gewesen, ewig schad’! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Man sieht, Steiner kennt sich nicht aus. „Taxi Orange“ war bis heute das wirtschaftlich erfolgreichste und längste Format des ORF und ist noch vor Kurzem in Istanbul und in Indonesien gelaufen – so schaut’s aus! (Bundesrat Spanring: Das ist ein Armutszeugnis für den ORF!) – Das ist kein Armutszeugnis. Eine ähnlich - - (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Beruhigt euch wieder ein bissel! Eine ähnlich große Reichweite erzielt zum Beispiel „Kreuz und quer“, eine der ganz, ganz großartigen Sendungen.

Nun muss man noch ein bisschen ausholen: Mit „Nachbar in Not“, das wir ja alle seit dem schrecklichen Bosnienkrieg kennen, hat der ORF etwas gesetzt, das vorher niemand gesetzt hat, das heißt humanitarian broadcasting. Das ist eine eigene Marke geworden, und nichts war im Hilfebereich so erfolgreich wie seinerzeit „Nachbar in Not“.

Ich habe gerade Herrn Ex-Landeshauptmann Pühringer im Ohr, der zum Beispiel zur Erfindung der Langen Nacht der Museen zu mir gesagt hat: Wenn ich alle Museumsbesuche in Oberösterreich in einem Jahr zusammenrechne, komme ich nicht auf die Anzahl von jener Nacht, in der der ORF die Lange Nacht der Museen macht; das ist großartig! – Von der Langen Nacht der Museen kam es dann auch zur Langen Nacht der Kirchen. (Bundesrat Schreuder: Warum bist dann dagegen?) – Es kommt jetzt schon noch, junger Mann, es kommt schon noch. (Bundesrat Kornhäusl: Er ist ja eigentlich Proredner! – Bundesrat Buchmann: Das ist ein Redaktionsversehen!)

Weil sich da aber die Wirtschaftskammer von Grün gemeldet hat - - (Bundesrat Schreuder: Grüne Wirtschaft heißt die!)  Die Wirtschaftskammer in grün, du sprichst immer für die Wirtschaftskammer. (Bundesrat Schreuder: Nein! Bin ich nicht!) Die ganz großen, wichtigen Filme, mit denen Österreich international reüssiert hat, sind Koproduktionen mit dem ORF und manchmal mit einem ande­ren öffentlich-rechtlichen Sender, nämlich ZDF oder ARD.


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So, aber jetzt – Kollege Schreuder ist schon ganz gespannt –: Warum sind wir dagegen? – Erstens – es wird eine andere Regierung als diese sein, die 2026 ganz viel wird entscheiden müssen –: Wie sieht es 2026 mit der sozialen Befreiung bei der jetzigen Haushaltsabgabe aus? – Das ist nicht geregelt, weil ab 2026, Frau Bundesministerin, einerseits die Wohnkosten nicht mehr einge­rechnet werden und andererseits auch die Geringverdiener und -verdienerinnen nicht mehr befreit sind (Bundesrat Schreuder: Stimmt nicht!); das gab es bisher in der GIS-Gebührenbefreiung.

Zweitens: Nur bis 2026 ist das Lieblingsorchester von Klara Neurauter und Herrn Schreuder, das sie ja oft gemeinsam besuchen, RSO, gesichert. (Bundesrat Kornhäusl: Aber das gibt’s!) Das heißt, eine andere Regierung, aber nicht diese, wird das dann entscheiden müssen. (Bundesrat Tiefnig: Man braucht nur diese Regierung wiederzuwählen!)

Nächster Punkt: Sport plus – wie das weitergeht, wird man auch 2026 entscheiden.

Das heißt, man hätte bei einer solch großen Umstellung die soziale Staffelung in einer ganz anderen Art und Weise machen müssen – gerade in Zeiten der Teuerungen – und nicht nur sagen sollen: Es wird weniger! – Nein, die soziale Staffelung ist da nicht geglückt.

Des Weiteren: Wenn man so alle eineinhalb Jahrzehnte ein ORF-Gesetz macht, dann muss man doch auch ein bisschen die Gremien reformieren. Eine Partei wie die ÖVP, die derzeit etwa 21 bis 23 Prozent hat, hat zwei Drittel der Positionen im Stiftungsrat – das ist doch alles absurd! Da hätte mehr die Zivilgesellschaft hineingehört. Die Gremien müssen reformiert werden. Wenn man schon solch eine große Änderung macht, dann muss man diese Sonderbestimmungen für den ORF, Kettenverträge aneinanderzureihen, doch endlich beenden, weil das modernes Arbeitsrecht ist. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das Bitterste waren die Nebenverhandlungen der Regierung mit dem ORF und den Zeitungsherausgebern: Dass die blauen Seiten, dass der ORF-Teletext jetzt nahezu zerstört wird, ist einfach nicht hinnehmbar! Wenn man schon so eine Regelung macht, dann wäre bei ein bisschen Fantasie und ein bisschen gutem Willen sogar noch eine Organisierung und eine Regelung für die wertvolle „Wiener Zeitung“ im Rahmen dieses Gesetzes möglich gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme zum Schlusssatz, Frau Präsidentin: Wir sind für ein starkes öffentlich-rechtliches Fernseh- und Rundfunkunternehmen. Wir sind dafür, dass der ORF in vielen Bereichen seine Tätigkeiten ausübt, weil öffentlich-rechtliches Radio zu machen und Fernsehen zu machen höchste journalistische Sorgfaltspflicht an den Tag zu legen heißt. Diese Regelung aber, die die Koalition hier vorlegt, ist misslungen, und deswegen werden wir ihr nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.18


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Kollegin Sandra Böhmwalder. Ich erteile ihr das Wort.


13.18.15

Bundesrätin Sandra Böhmwalder (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause via Livestream! Ja, es ist ein Thema, das in letzter Zeit die Medien, um die es auch heute geht, beschäftigt. Die Debatte betrifft das Hauptmedium, den ORF. Ich habe mich mit diesem Thema auseinandergesetzt, ich habe die Pros und Kontras gelesen. Es gibt dazu viele Meinungen und es ist ein kontroverses Thema.

Infolge der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes wird die Finanzierung des ORF nachhaltig neu geregelt. Das heißt, die Gebühren für den Österreichi­schen Rundfunk werden neu aufgestellt und gleichzeitig wird die Streaminglücke geschlossen. Mit der Abschaffung der GIS-Gebühren und der Neuaufstellung der Haushaltsabgabe fallen die Gebühren für die Haushalte geringer aus als jene bei


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der GIS-Gebühr. 3,2 Millionen Menschen in unserem Land profitieren von der günstigeren Haushaltsabgabe (Beifall bei ÖVP und Grünen), das sind jene Menschen, die die GIS-Gebühr brav bezahlt haben.

In Niederösterreich, wo ich zu Hause bin, entfällt die Landesabgabe komplett, und da wird es dann noch billiger – im Gegensatz zum Burgenland, das die höchste Landesabgabe hat. Haushalte mit mehreren Personen sowie jene Menschen mit Zweitwohnsitz profitieren von der neu aufgestellten Haushalts­abgabe, da sich die Haushaltsabgabe ausschließlich auf den Hauptwohnsitz bezieht. Durch diese Reform wird dafür gesorgt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die bisherigen Gebührenzahler billiger ist.

Der ORF wird künftig mit weniger Geld mehr Programm zur Verfügung stellen. (Bundesrat Steiner: Weniger Geld? So viel weniger Geld ist das nicht!) Das Gesetz sorgt für mehr Transparenz, einen besseren Onlineauftritt und ein neues Onlineangebot. Als Mutter begrüße ich natürlich, dass der ORF in Zukunft das Familienprogramm um ein neues Kinderprogramm erweitern wird, das auch die Jüngsten in unserem Land informieren und unterhalten soll. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Immer mehr jüngere Menschen benutzen immer öfter nur mehr Onlineformate. Für unsere Kinder – aber auch für die Älteren – wird ein Medienkonsum ohne Fakenews immer wichtiger. Für mich ist das beruhigend: Wenn ich an meine Kinder oder auch an meine Schwiegermutter denke, dann finde ich es sogar sehr notwendig, dass Nachrichten und Geschichten gut recherchiert werden und somit ein Qualitätsjournalismus garantiert ist, damit Fakenews erkannt und gefiltert werden können. (Bundesrätin Schumann: So wie bei der „Wiener Zeitung“, gell?!) Dazu ist ein gutes Team Voraussetzung, das die journalistischen Grundsätze wahrt.

Betonen möchte ich an dieser Stelle, dass mit den Onlinevorgaben auch dafür gesorgt wird, dass der Wettbewerb mit privaten Medienhäusern nicht unfair wird. Sport- und Kulturangebote sowie das Radio-Symphonieorchester bleiben


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ebenso wie die Landesstudios erhalten, denn die Objektivität des Journalismus muss auf jeden Fall gewahrt bleiben. Dies ist mit einem unabhängigen Journalismus gewährleistet. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

An dieser Stelle ein Dankeschön an unsere Medienministerin Susanne Raab und an alle, die an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben! Da wurde eine große Chance genutzt und es wurden für den ORF Möglichkeiten eröffnet, um auch zukunftsfit zu sein. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.22


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses.


13.22.20

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Mal schauen, ob das geht, das habe ich im neuen Saal noch nie probiert. (Der Redner stellt eine Tafel, auf der „ORF Zwangssteuer“, in roter Schrift durchgestrichen, steht, auf das Redner:innenpult.) – Es scheint zu funktionieren, wunderbar.

ORF-Gesetz, zuerst einmal zur Replik: Der Kollege von der SPÖ, Kollege Schennach, hat gesagt, „Taxi Orange“ war das erfolgreichste Programm, das erfolgreichste Gschichtl in der ORF-Geschichte. – Lieber Herr Kollege Schennach, wenn „Taxi Orange“ bei Ihnen unter Bildungsauftrag fällt, dann wissen wir, warum die SPÖ heute da steht, wo sie steht. Es ist unglaublich, „Taxi Orange“ als Beispiel zu nennen, denn das war so weit weg von Bildung, von einem ordentlichen Fernsehprogramm. Das war der erste Schritt in Richtung der komischen Geschichte der Selbstverherrlichungstrips von manchen Einzelnen, die sich da reingesetzt und geglaubt haben, sie machen schnell einen netten Reibach und werden bekannt, indem sie sich in das „Taxi Orange“ reinsetzen, durch die Wiener City fahren und nur Schwachsinn reden. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Wenn das der Bildungsauftrag des


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ORF war, dann – seid mir nicht böse – ist mir klar, warum die SPÖ dort ist, wo sie ist, und warum ihr mit Excel nicht umgehen könnt. Dann ist mir alles klar.

Dann sagt Frau Kollegin Böhmwalder von der ÖVP, ihrer Mutter (Bundesrätin Böhmwalder: Kindern!) und ihrer Schwiegermutter ist der objektive ORF das Wichtigste und die müssen über den ORF informiert werden, weil das schon eine ältere Generation ist. Wenn ich meine Oma, meinen Opa, meine andere Oma, meine Mama, meine Schwiegermutter und meinen Schwiegerpapa zum ORF frage, dann müssen sie immer schauen, dass sie ganz schnell irgendwo ein WC haben, weil sie dann Brechdurchfall kriegen (Heiterkeit bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP) – so viel zum riesengroßen Unterschied beim Objektivismus des ORF in Ihrer Familie und in meiner Familie. (Bundesrätin Böhmwalder: Kinder, Kinder!)

Wenn das die einzigen Argumente, um eine ORF-Zwangssteuer dieser Ministerin zu rechtfertigen, sind, dass Ihre Familie das dringend braucht und jetzt ganz Österreich dafür büßen muss, dann ist das traurig. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischen­ruf der Bundesrätin Böhmwalder.) Wir kennen das aber von der ÖVP: Alles für den Machterhalt, koste es, was es wolle!

Dann führt man immer den VfGH ins Treffen, nämlich dass der ja entschieden habe, dass die GIS-Gebühren nicht mehr zeitgemäß sind. (Bundesministerin Raab: Verfassungswidrig! – Bundesrätin Böhmwalder: Streaminglücke schließen!) – Ja, ich komme schon zum Streaming. – Wer hat denn den VfGH überhaupt ange­ru­fen? – Es war der ORF himself, weil er natürlich hinten und vorne mit dem Einkommen nicht auskommt. Von Protz über Blackboxen bis dorthin, wo nicht überall die Millionen für hohe Gagen und Pensionen verschwinden: Dieser ORF kommt mit dem Geld hinten und vorne nicht aus, und dann sind die ganzen Streamingplattformen gekommen und der ORF hat zu schwitzen angefangen und schnell einmal selber den VfGH angerufen.


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Wenn man sich dann auf die Streamingdienste rausredet, frage ich mich wirklich: Warum ist es bei jedem privaten Streamingdienst möglich, eine Gebühr einzu­heben, wenn man schauen will, aber beim ORF, bei Österreichs zwangsfinanzier­tem Fernsehen, ist es nicht möglich, für Streaming eine Gebühr einzuholen? Da frage ich mich: Ist dieser ORF wirklich zeitgemäß oder gehört der nicht endlich einmal – Frau Ministerin, die Chance haben Sie jetzt verpasst – nach knapp zwei Jahrzehnten reformiert?

Ich meine nicht reformiert im Sinne von: Wie kriege ich noch mehr Schwarze, wie kriege ich noch mehr Grüne rein?, sondern: Wie reformieren wir den ORF einmal von Grund auf, damit es einmal einen Objektivismus gibt, damit es einmal wirklich einen Bildungsauftrag und ein Bildungsfernsehen gibt? – Nichts davon haben Sie gemacht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrät:innen der FPÖ halten Tafeln, auf denen jeweils „ORF Zwangssteuer“, in roter Schrift durchgestrichen, steht, in die Höhe.)

Dann kommt in einer Zeit wie dieser, in Zeiten der Teuerung, in Zeiten der Infla­tion, in denen die Leute nicht mehr wissen, wo sie das Geld zum Leben herkriegen sollen, wo sie das Geld für Essen herkriegen sollen, wo sie das Geld herkriegen sollen, damit ihre Kinder an Schulausflügen teilnehmen können – wir haben gerade wieder genug Schicksale erlebt, dass Kinder an Schul­ausflügen am Ende des Schuljahres nicht teilnehmen konnten –, Ministerin Raab, von der man das ganze Jahr nichts hört, und sagt: So, liebe Österreicher, jetzt holen wir uns noch die Zwangssteuer für den ORF. Es gibt noch einmal bis zu 250 Euro mehr an Belastung für jeden Haushalt, damit es noch schwerer wird – damit es noch schwerer wird!

Ministerin Raab, schämen Sie sich in Grund und Boden! (Bundesrätin Miesenberger: Geh, Christoph, bitte!) Dass Sie sich überhaupt noch raustrauen, wundert mich. (Beifall bei der FPÖ.) So mit der österreichischen Bevölkerung umzugehen ist eine Katastrophe und eine Schande – eine Schande! (Bundesrat Buchmann: Wenn sich einer schämen muss, bist du das, für deine Wortwahl! – Ruf bei der ÖVP: Für


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solche Reden!) – Ganz ruhig bleiben, Herr Kollege, zu Ihnen komme ich schon auch noch. (Bundesrat Buchmann: Ja, da kann man nicht ruhig bleiben!)

Wer kann so etwas noch mit Objektivismus gleichsetzen: einen ORF, der von linkslinken Marxisten durchsetzt ist, am Küniglberg planwirtschaftlich organisiert ist – deswegen funktioniert er auch so gut (Bundesrat Schreuder: Ja, der Steger zum Beispiel!) –, der dauernd nichts anderes macht, als Propaganda zu verbreiten, wir haben es gesehen, linkslinke Propaganda. (Bundesrat Schreuder: Reden wir jetzt von FPÖ-TV, oder? – Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.) – In Coronazeiten, Herr Schreuder, haben wir gesehen, wie objektiv der ORF wirklich ist. Es ist eine Schande für den ORF, was man erkennt, wenn man sich anschaut, wie der Österreicher, der sich nicht impfen ließ, in ORF-Beiträgen geheißen wurde. Da kann sich der ORF ebenso schämen wie diese Regierung. Das ist ein ganz klarer Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn dann von der linken Seite, von den Grünen, FPÖ-TV reingeschrien wird (Bundesrätin Miesenberger: Völlig unabhängig!) – ich habe es schon einmal gesagt –: So viel, wie FPÖ-TV recht gehabt hat, hatte kein einziger Sender in ganz Österreich in den letzten zweieinhalb Jahren recht. Das sind die Tatsachen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.) – Herr Kollege Kornhäusl, da brauchst du gar nicht so zu lachen. (Bundesrat Schreuder: Das ist schon ein bissl Kabarett!) Wer wurde jetzt in all seinen Annahmen zu Corona bestätigt? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wer wurde bestätigt und wer wurde andauernd der Lüge überführt? (Bundesrat Kornhäusl: Oder das FPÖ-TV! FPÖ-TV, ja!) – Diese Regierung, dieser ORF, aber mit Sicherheit nicht die Freiheitliche Partei in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt haben Sie von der linken Seite – inklusive der ÖVP – es geschafft, dass 100 Prozent der Österreicher ein linkslinkes Programm mitfinanzieren, das maximal 10 Prozent der Österreicher haben wollen. Ihr macht jetzt also eine Zwangssteuer, mit der 90 Prozent der Österreicher für einen linkslinken Funk mit null Objektivität, null struktureller Reform zahlen müssen, für so ein Pro­gramm – ich sage jetzt nicht, das zum Speiben ist, denn sonst kriege ich einen


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Ordnungsruf, ich nehme das wieder zurück. Ich lese das Programm von heute, tagesaktuell, vor: „Die Simpsons“, „Die Simpsons“, „Die Simpsons“, „Was gibt es Neues?“, „Soko Kitzbühel“, „Soko Kitzbühel“, „Malcom mittendrin“, „Malcom mittendrin“, „Modern Family“, „Modern Family“, „Gilmore Girls“, „Gilmore Girls“, „Gilmore Girls“, „Gilmore Girls“, „The Big Bang Theory“, „The Big Bang Theory“, „9-1-1 Notruf L.A.“, „9-1-1 Notruf L.A.“ und dann die Wiederholung von der Wiederholung „Soko Kitzbühel“ und dann die Wiederholung von der Wieder­holung „Soko Donau“. – Das ist das Programm des ORF! (Bundesrat Schreuder: Les einmal das Ö1-Programm vor! Les einmal das ORF-III-Programm vor! – Zwischen­ruf der Bundesrätin Miesenberger.) Das ist das Programm von ORF 1! Ja wo sind wir denn? Für so etwas muss der Österreicher zahlen? – Natürlich nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Dieser ORF ist ein Millionengrab mit Blackboxen, mit Pensionen, bei denen Normalsterblichen das Hirn stehen bleibt. Jetzt kommen Hunderte Millionen Euro an Zwangssteuer, die die Regierung so schönfärberisch als Haus­haltsabgabe bezeichnet. (Bundesrat Kornhäusl: ... besser, du schaltest den ORF ab!)

Bildungsauftrag: Heute diskutieren wir das ORF-Gesetz. Wo ist denn der ORF? Es ist jedem wurscht. Ich habe interveniert, bei Ihnen, Herr Kornhäusl, ich habe gesagt: Machen Sie die Frau Ministerin darauf aufmerksam, wenn Sie schon ein ORF-Gesetz verhandelt! – Frau Ministerin, schauen Sie her, vielleicht hat es Ihnen Herr Kollege Kornhäusl nicht ausgerichtet! (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Ich würde Ihnen (in Richtung Bundesministerin Raab, die in ihre Unterlagen blickt) gerne etwas sagen, Frau Ministerin! (Bundesrat Kornhäusl: Sie horcht dir ja zu, das ist doch absurd! Was willst ins Gesetz schreiben?) Ich habe zu Herrn Kornhäusl gesagt, er soll bitte in meinem Namen bei Ihnen intervenie­ren, damit es, wenn man jetzt das ORF-Gesetz verhandelt, möglich ist, dass der ORF verpflichtet wird, im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags auch die Bundesratssitzungen live zu übertragen.


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Wissen Sie, was der ORF gemacht hat? – Ein Vögelchen von höchster Ebene im ORF hat mir gezwitschert, es wurde für heute interveniert: Der Bundesrat solle doch seine Tagesordnung ändern, weil der ORF nicht an beiden Tagen die Bundesratssitzung überträgt. Wenn wir das ORF-Gesetz drinhaben wollen, dann sollen wir gefälligst die Tagesordnung ändern. – So geht man seitens des ORF mit dem Bundesrat um! Das hätten Sie mit Ihrer Reform abstellen können, Frau Ministerin, aber es ist nichts passiert, und es ist wirklich ein Skandal, was sich der ORF da leistet! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verstehe das aber. So wenig der ORF ein Gefühl für die Gesellschaft, für Land und Leute in Österreich hat, genauso wenig Gefühl haben Sie von der Regierung – egal wen man da hernimmt, egal welchen Minister, Sie nicht ausgenommen –: Ihr regiert komplett an der Bevölkerung vorbei! Ich kann mir nicht vorstellen, dass euch jemand, wenn ihr rausgeht und mit euren Wäh­ler:innen, mit den ÖVP-Sympathisanten, mit den SPÖ-Sympathisanten – bei den Grünen ist es wahrscheinlich etwas anderes – redet, sagt: Der ORF ist super, der ORF ist toll. – Es gibt Zunicken in den ÖVP-Reihen. Natürlich gibt es diese Resonanz nicht, weil der ORF mittlerweile wirklich furchtbar geworden ist. Das muss man ganz ehrlich sagen, er kommt seinem Auftrag nicht nach.

Jeder andere Sender berichtet ausgeglichener als der ORF. Schaut euch einmal die Diskussionsrunden an, die Zusammenstellungen in den Diskussionsrunden! Der ORF schafft es nicht, alle Meinungen abzubilden. Servus-TV bringt interessanterweise bei jeder Diskussionsrunde alle Meinungen in einer Sendung zusammen, dann wird diskutiert, und dann hat man einen Querschnitt der Meinungen. Beim ORF kriegst du nur linkslinkes ideologieversifftes Fernsehen – leider. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß schon, warum das mit dem ORF-Gesetz jetzt so schnell gehen musste, mir ist das bewusst: Zack, zack, schnell, schnell drüberfahren (Heiterkeit der Bundesrätin Miesenberger), denn lange gibt es diese Regierung nicht mehr. – Eh zu Recht, das Ablaufdatum ist spätestens Herbst. Jeden Tag, an dem wir schlafen gehen, wird die Regierungszeit dieser chaotischen Regierung kürzer. Jetzt boxen


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wir das noch schnell, schnell durch, weil wir wissen, dass die Zeit dieser Regierung abläuft. (Beifall bei der FPÖ.)

Niemand wurde gefragt, kein Mensch wurde gefragt, ob er als Steuerzahler in Österreich bereit ist, eine neue Steuer auf sich zu nehmen, um dieses Mil­lio­nengrab am Küniglberg weiterhin mit Steuergeldern zu befüllen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich die ÖVP nach den ganzen Aussagen, die ihr Kanzler tätigt, überhaupt noch spürt; darauf will ich gar nicht eingehen. Ich weiß auch nicht, ob sich die Grünen noch spüren. Euch (in Richtung ÖVP) hat ja der Vizekanzler ausgerichtet, ihr seid postfaschistisch. (Bundesrat Himmer: Prä-!) – Prä-, ist doch völlig wurscht, aber das muss man sich einmal vorstellen! (Heiter­keit und Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) – Ja, prä-, prä-, es ist egal! Verteidigt ihr (in Richtung ÖVP) jetzt den Vizekanzler, der euch so etwas ausrichtet? Ja das braucht ihr doch nicht zu verteidigen, bitte gar schön! Plärrt nicht heraus! Wenn mir als Kanzlerpartei ein Vizekanzler so etwas ausrichtet, dann kann sich dieser Vizekanzler aber schleichen, ganz ehrlich, das lasse ich mir nicht gefallen! (Bundes­rätin Miesenberger: Bitte! Bitte, das ist ein Ordnungsruf!)

Die Schwäche der ÖVP ist aber die Macht der Grünen, so schaut es nämlich aus. Da ihr am Dahinsiechen seid, was die Wähler betrifft, was die Ideen für unser Land betrifft, kann natürlich diese grüne Minipartei mit euch machen, was sie will – leider Gottes aber zulasten der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß ja nicht, ob Sie als ÖVP sich überhaupt noch spüren oder ob das nicht wieder mit Ihrer EU-Hörigkeit zu tun hat. Das kann natürlich auch sein. Logischerweise ist natürlich die EU auch darauf erpicht, dass das Öffentlich-Rechtliche so in ihrem Interesse, wie das die EU gerne hat, weitergeht, denn es gibt ja das EU-Nettokostenprinzip. Das heißt, Frau Ministerin, dass Sie nicht mehr vom Bürger einheben, als es tatsächlich an Kosten gibt, um den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen. Das kann man jetzt natürlich logischerweise


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flexibel ausdehnen. Man kann sagen: Wir brauchen jetzt mehr für den Öffent­lich-Rechtlichen, weil sich die Kosten vermehrt haben und, und, und. Natürlich will die EU weiterhin in jedem einzelnen Mitgliedsland einen Öffentlich-Rechtlichen haben, denn sonst verbreitet ja niemand mehr die Propaganda der EU und der von der Leyens dieser Welt. Auch das ist mit ein Grund für dieses ORF-Gesetz dieser EU-hörigen ÖVP.

Jeder Euro mehr für den Öffentlich-Rechtlichen ist natürlich eine weitere Schippe Richtung Grab der privaten Fernsehsender, der privaten Medienhäuser in Österreich und auch – das muss man sagen – der alternativen Medien, egal ob rechts, links oder Mitte. Auch die tun sich dann schwerer, wobei die alter­nativen Medien in Österreich mit diesem ORF-Gesetz mehr denn je gebraucht werden, das muss man auch einmal in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Mir ist alles klar, für die Freiheitliche Partei ist klar, was passiert: Ihr wollt eure schlechte Regierungsperformance so gut wie möglich verkaufen. Dazu braucht ihr den ORF, der den Bürgern 24/7, sieben Tage in der Woche euer Handeln gut verkauft. Natürlich brauchen das auch Organisationen wie die WHO, logi­scher­weise, und der woke Zeitgeist – je woker man ist, desto toller ist man. (Zwischen­ruf des Bundesrates Schreuder.) Ihr braucht natürlich den ORF auch, Herr Kollege Schreuder, um eines zu schaffen: das Abnormale zur Norm zu erheben. Da ist die Freiheitliche Partei nicht mit dabei! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Wir als Freiheitliche Partei können den Bürgern eines versprechen: Die nächste Nationalratswahl kommt wahrscheinlich früher, als der Regierung lieb ist, spätestens jedoch im Herbst (Rufe bei der ÖVP: Nächstes Jahr!) – nächstes Jahr im Herbst, spätestens. Wenn die österreichische Bevölkerung der Freiheitlichen Partei mit Herbert Kickl an der Spitze das Vertrauen schenkt (Zwischenrufe bei der ÖVP) – das liegt nicht an euch, das liegt am Wähler, denn der Souverän ist immer noch der Wähler und nicht die ÖVP hier herinnen (Beifall bei der FPÖ – Bundesrätin Miesenberger: Das ist unsere Meinung!) –, dann kann ich euch eines


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versprechen: Dieses Gesetz wird unter Herbert Kickl als Bundeskanzler sofort wieder zu Grabe getragen. Überlegen Sie sich etwas anderes, ein anderes Gesetz, mit dem Sie dann in die Annalen eingehen, denn dieses Gesetz wird es nicht sein, Frau Raab. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

13.39


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


13.39.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin, ich wünsche Ihnen für diese Amtszeit alles, alles Gute! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Besucher und Besucherinnen im Bundesrat, herzlich willkommen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen – leider nicht im ORF! Ich gebe zu, ich hätte auch nichts dagegen, wenn der ORF zum Beispiel Europaparla­mentsdiskussionen überträgt, heute fand ja eine sehr spannende Debatte statt, oder auch Debatten aus dem Bundesrat. Das mag also schon sein, aber es geht ja hier um etwas Spezielles.

Eines möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Kollege Steiner von der FPÖ: Objektivität bedeutet nicht, dass etwas unbedingt nur Ihre Meinung ist! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Na eben! Alle Meinungen! Alle Meinungen!)

Ich verstehe es schon, ihr seid schon so rechts außen (Rufe bei der FPÖ: Hallo!), dass bei euch der Raiffeisen-Konzern ein linkslinker Marxistenkonzern wäre, aber - - (Bundesrat Steiner: Ich bin gern rechts! Ich bin gern rechts!) – Ja, das weiß ich eh, dass du gern rechts bist, das hört man ja eh immer. Welche medien­politischen Ideen ihr habt, das haben wir ja im Ibizavideo hervorragend sehen können. Herr Strache ist aus eurer Ecke (Bundesrat Steiner: Das ist Ihr Thema! Das ist Ihr Thema!), er wollte Zeitungen kaufen, er wollte Orbanismus, er wollte eine Medienlandschaft, die nur seiner Meinung ist. (Bundesrat Steiner: Das zieht nicht mehr!) Das ist eure Medienpolitik, und dem werden wir mit aller Kraft, die wir


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haben, etwas entgegensetzen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das ist Ihr Thema!)

Herr Kollege Schennach hat ja in vielen Punkten recht gehabt. Ich kann ja Kritikpunkte gut verstehen, Herr Kollege Schennach, das ist ja in vielen Punkten auch richtig. Ich denke mir auch, ja, da hätten wir vielleicht auch noch verhan­deln können, aber gerade bei einem so wichtigen Punkt wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre es schön gewesen, hätten wir ein gemeinsames Zeichen gesetzt. (Bundesrat Schennach: Das hätten wir uns bei der „Wiener Zei­tung“ auch gewünscht!)

Mir scheint es nämlich in dieser Debatte schon wichtig, darauf hinzuweisen, warum es in einem Europa nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gekommen ist. Der ORF ist keine öster­reichische Erfindung, wir haben solche öffentlich-rechtlichen Sender in ganz Europa, die BBC in Großbritannien, NPO in den Niederlanden, ZDF, ARD in Deutschland, RAI in Italien und so weiter, und gemeinsam gestalten sie, wie Kollege Schennach schon gesagt hat, über die EBU, die European Broadcasting Union, auch gemeinsame Transfers von Bildern, von Rechten, von Nachrichten, von Sportereignissen, von Unterhaltungsereignissen, von Kulturereignissen.

Fundamentale Kritik am Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat ja zurzeit durchaus Konjunktur, vor allem vonseiten der FPÖ oder der AfD in Deutschland. (Bundesrat Steiner: Über 30 Prozent mittlerweile!) Sie diskreditieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, er wird gerne als Lügenpresse tituliert, weil er nicht die eigene Meinung vertritt, um eigene Sender aufzubauen, um jegliche Recherchefilter des Journalismus auszuschalten und ungebremst Fakenews verteilen zu können. Das wäre Ihnen natürlich lieber im Sinne eines rechtspopu­lis­tischen Gedankenguts. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Angriffe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das muss man dazusagen, haben auch im liberalen Eck durchaus Tradition, weil da marktwirtschaftliche Grundsätze in den Vordergrund gerückt werden. Gerade in diesen Zeiten ist es


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aber umso wichtiger, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, warum es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den öffentlich-rechtlichen Journalismus braucht.

Sie haben natürlich nur ein paar ausgesuchte Beispiele gebracht. Es stimmt schon, über die amerikanischen Serien, die auch nicht viel kosten, kann man diskutieren, das geben wir zu, aber Sie haben natürlich nicht das Ö1-Programm vorgelesen, was die jeden Tag auf ihrem Sender bringen, oder die Regional­programme von ORF 2, oder ORF III. Sie haben das sehr selektiv vorgetragen.

Die Grundversorgung mit unabhängigen Informationen, Unterhaltung, Nach­richten, Sport, Kultur so unabhängig wie möglich von der Politik, aber gleichzeitig so demokratisch legitimiert wie möglich und unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen, was bei Privatsendern der Fall wäre, und auch von Quoten oder von den Besitzern und Besitzerinnen dieses Mediums – das ist der Sinn und Zweck von öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist nicht nach kommerziellem Angebot gestaltet, richtet sich nicht am Markt aus, sondern ermöglicht eine demokratische gesellschaftliche Debatte und somit auch den Menschen eine Grunddiskussion, die ihn nicht konsumieren.

Eines möchte ich auch sagen, Herr Kollege Steiner: 95 Prozent der Österreiche­rinnen und Österreicher nützen ORF-Programme und schauen ORF-Programme, im Radio, im Fernsehen oder auch im Internet – 95 Prozent! (Bundesrat Spanring: Eine Märchengeschichte für Kinder!)

Und seien Sie mir nicht böse: Kein einziger privater Sender würde sich zum Beispiel so ein Korrespondentinnen- oder Korrespondentennetz leisten, das zum Beispiel aus Moskau, aus Kiew, aus Tokio, aus London, aus Washington oder von sonst wo berichtet. Kein einziger würde das machen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Gerd Bacher – das ist schon eine Zeit lang her, das gebe ich zu –, der General­intendant vor vielen, vielen Jahren war, hat einmal gesagt: Privatsender


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brauchen Programm, um Geld zu machen, öffentlich-rechtliche Sender brauchen Geld, um Programm zu machen. – Dieser Satz ist nach wie vor richtig. (Bundesrat Spanring: Das war einmal!)

Der ORF ist unser aller Sender, der ORF gehört uns allen, und er wird jetzt für alle günstiger. Mit der Haushaltsabgabe wird es jetzt tatsächlich günstiger für alle; meine Vorrednerin hat es schon ausgeführt. Der ORF wird – und das finde ich auch wichtig – barrierefreier. Und eine Sache ist mir noch wichtig zu sagen, weil es in den letzten Wochen und Monaten auch vonseiten vieler privater Medien Attacken auf den ORF gab: Die Konkurrenz der österreichischen Medien­landschaft ist nicht so sehr eine Konkurrenz untereinander. Es kann nicht um Puls 4 gegen ORF oder um VÖZ gegen die blaue Seite und so weiter gehen. Die österreichische Medienlandschaft muss sich gegen Streamingdienste, inter­nationale Plattformen und digitale Giganten behaupten, und heute helfen wir dem ORF, mit der Digitalisierung auch dazu einen Beitrag zu leisten.

Eines möchte ich auch noch sagen: Ich habe hier wieder einmal meine Freund-des-RSO-Karte mit, ich bin ja ein leidenschaftlicher Besucher der Konzerte des Radio-Symphonieorchesters und Hörer ihres Programms. Gestern bekam ich eine neue Ö1-Klubkarte (diese in die Höhe haltend), ich bin Mitglied des Ö1 Clubs. Der ORF ist ein so wichtiger Motor für die österreichische Kulturlandschaft, denn: Ohne den ORF und ohne Kofinanzierung der Filmproduktionen wären nahezu alle Filme nicht möglich. Wir würden Unmengen an Arbeitsplätzen, Unmengen an Möglichkeiten, Kameraleuten, Schauspielerinnen, Schauspielern und so weiter verlieren. Der ORF kofinanziert solche Produktionen, und das ist etwas, über das ich sage, der ORF macht da etwas sehr richtig.

Weil wir ja jetzt nicht nur über den ORF diskutieren, möchte ich auch noch zu Tagesordnungspunkt 2, zum Privatradio, etwas sagen. Diese Gesetzesnovelle, die wir hier behandeln, kam ja auf Wunsch der KommAustria zustande, und zwar zu Recht. Es sollen ja bald neue Sendeplätze, also auch eine Chance für private Anbieter und Anbieterinnen, im Bereich Digitalradio ausgeschrieben werden. Dazu braucht es in diesem Bereich auch diese Liberalisierung, die wir jetzt hier


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beschließen, um den einzelnen Betreibern mehr Sendeplätze zur Verfügung zu stellen. DAB+ – das ist der neue Standard, das ist das neue Privatradio – ist in Österreich vielleicht noch nicht so präsent, wie es in anderen europäischen Ländern schon üblich ist, aber mit dieser Novelle werden wir sicher einen neuen Anstoß geben, der ganz wichtig ist.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, man kann alles, was die Politik demokra­tisch beschließt, mit dem Wort Zwang framen. (Bundesrat Steiner: Zwangssteuer!) Man kann jeden Meldezettel, den man ausfüllen muss, als Zwang framen, man kann jede Steuer als Zwang framen, man kann alles als Zwang framen (Bundesrat Steiner: Die Zwangsspritze haben Sie vergessen!), aber es ist doch immer eine demokratische Mehrheit im Parlament, die entscheidet, wie wir in einem öffent­lichen Diskurs umgehen wollen. Und ich sage Ja zum öffentlich-rechtlichen Diskurs und Ja zur Ermöglichung eines unabhängigen Mediums in diesem Land. Ich finde, das ist für die Demokratiepolitik in diesem Land eine ganz, ganz wichtige Säule. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.48


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.


13.49.05

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Erstes auf den finanziellen Aspekt dieser Gesetzesnovelle eingehen.

Die Rednerin der ÖVP vorhin hat sich dafür gerühmt, dass die GIS-Gebühren abgeschafft werden. Das ist natürlich in zweifacher Form nicht ganz richtig. Erstens einmal gab es nie GIS-Gebühren. GIS ist der Name der Gesellschaft, die die Rundfunkgebühren, das ORF-Programmentgelt, die Landesabgaben und die Steuern eingehoben hat.


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Die GIS gibt es nach wie vor, sie wird nur umbenannt. Das ist in diesem Fall konsistent, weil ja die Rundfunkgebühren abgeschafft werden, weil bei den Geldern, die die Gesellschaft in Zukunft einhebt, keine Gebühren mehr dabei sind, weswegen es sinnlos wäre, die Gesellschaft Gebühren Inkasso Service oder Gebühren Info Service zu nennen. In Zukunft wird ein ORF-Beitrag, der das Programmentgelt ersetzt, eingehoben, und deswegen heißt die GIS in Zukunft ORF-Beitrags Service GmbH; es ist aber ein und dieselbe juristische Person, nur mit einem anderen Namen.

Das große Problem dieser Reform ist, dass weiterhin die bundesgesetzliche Möglichkeit besteht, Landesabgaben einzuheben. Bei dieser ORF-Reform hätte gleich gesetzlich festgelegt werden können, dass das nicht mehr möglich ist.

Eine weitere beziehungsweise die noch größere vergebene Chance bei diesem Gesetzentwurf ist, dass die Gremienstruktur des ORF überhaupt nicht angetastet wird, in Wirklichkeit einzementiert wird. Das verdeutlicht, dass die Regierung die politische Einmischung durch den Stiftungsrat unter keinen Umständen ändern will. Gerade im Hinblick auf die wirklich bedenkliche Plat­zierung in der Rangliste der Pressefreiheit mit Platz 29 und die bekannt gewordenen Interventionsversuche diverser Politiker direkt bei Redakteuren des ORF sollte es eigentlich völlig selbstverständlich sein, dass die Regierung die Entpolitisierung des ORF fördert.

Aber ganz im Gegenteil, seit Jänner 2021 ist bekannt, dass es zusätzlich zur Regierungsvereinbarung auch einen Sideletter zwischen den Regierungsparteien ÖVP und Grüne gibt. Dieser enthält neben anderen Absprachen zu Posten und politisch heiklen Themen auch Absprachen zum ORF. Darin werden die ORF-Direktoriumsposten im Verhältnis drei zu zwei – drei ÖVP, inklusive General­direktor, zwei Grüne – aufgeteilt. Selbst der damalige Generaldirektor Alexander Wrabetz, der laut eigenen Angaben von den Absprachen wusste, war über deren Detailgrad erstaunt. Auch der ORF-Redakteursrat hat sich per Aussendung zur


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Thematik sehr kritisch geäußert. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die aufgetauch­ten Absprachen überhaupt mit dem ORF-Gesetz, insbesondere § 1 Abs. 3, vereinbar sind.

Weiters gibt es auch gar keine Bemühungen, das völlig verfehlte Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektorinnen und ‑direktoren aufzuheben. Die Bestimmungen des ORF-Gesetzes erwecken den Anschein, als wären bei der Ernennung der Landesdirektorinnen und -direktoren vor allem politische Überlegungen ausschlaggebend. Deren Bestellung geht nämlich eine vermutlich positive Stellungnahme des jeweiligen Landes voraus – Anhörungs­recht der Länder in § 23 Abs. 2 Z 3 ORF-Gesetz. Dass sich die Landeshauptleute in die Personalangelegenheiten des ORF einmischen dürfen und sollen, steht dem Grundsatz eines unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks seit jeher diametral gegenüber. Die Beurteilung der Eignung eines Kandidaten bezie­hungsweise einer Kandidatin als Landesdirektorin, Landesdirektor soll nämlich ausschließlich auf objektiven und fachlichen Kriterien beruhen und nicht auf politischer Einflussnahme.

Dabei ist der Grundsatz der Unabhängigkeit des ORF im ORF-Gesetz eigentlich selbst an vielen Stellen ausdrücklich festgehalten, so etwa in § 4 Abs. 6 ORF-Gesetz. Für politische Einflussnahmen darf kein Platz sein. Diese Unabhängigkeit ist aber in Gefahr, wenn den Landeshauptleuten eine Art Vetorecht zukommt und die Möglichkeit besteht, dass potenzielle Direktorinnen und Direktoren sich zu politisch motivierter Berichterstattung verleiten lassen, um ihre Chancen für eine Ernennung oder Verlängerung zu erhöhen. Nicht zuletzt die Causa um den mittlerweile versetzten Direktor des niederösterreichischen Landesstudios, der massiv zugunsten der ÖVP in die Berichterstattung eingegriffen hat, zeigt den dringenden Reformbedarf.

Einmal mehr wird klar, dass die Regierung der langjährigen Forderung nach einer Entpolitisierung des ORF und seiner Gremien nicht nachkommt und es daher auch nicht zustande bringt, dass der öffentlich-rechtliche ORF unabhängig und im Sinne des ORF-Gesetzes arbeiten kann. Dazu wäre der wichtigste erste


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Schritt eine Neuorganisation der Gremien des ORF. Publikums- und Stiftungsrat sollen nicht mehr von parteipolitischer Logik dominiert werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

13.53


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­minister MMag.a Dr.in Susanne Raab. – Bitte. (Die Bundesrät:innen der FPÖ halten während der folgenden Rede wieder die Tafeln, auf denen jeweils „ORF Zwangs­steuer“, in roter Schrift durchgestrichen, steht, in die Höhe.)


13.53.48

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin – auch ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zur neuen Funktion! Sehr geehrte Mitglieder des Bundes­rates! Grüß Gott, werte Zuseherinnen und Zuseher! Wie heute schon mehrmals erwähnt wurde: Es war der Verfassungsgerichtshof, der uns den Auftrag gegeben hat, die ORF-Finanzierung neu zu regeln. Er hat – zusammengefasst – festgestellt, dass die frühere Form des GIS-Beitrags, nach der man nur zahlen muss, wenn man ein Radiogerät oder ein Fernsehgerät zu Hause hat, verfassungs­widrig ist; nicht nur nicht zeitgemäß, sondern verfassungs­widrig, weil immer mehr Menschen den ORF auch online streamen und sohin auch diese Menschen in die Finanzierung miteinzupflegen sind.

Das ist jetzt natürlich keine leichte Aufgabe, denn ja, dieses Urteil bedeutet, dass die Finanzierung auch mehr Menschen umfasst. Wir sind dieses Vorhaben mit zwei Prämissen, die wir vorangestellt haben, angegangen. Erstens: Wenn wir das schon machen müssen, dann wollen wir, dass es für alle Menschen, die in den letzten Jahren brav die GIS gezahlt haben, günstiger wird. Und zum Zweiten: Ja, wir wollen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auch die Mehrheit der Menschen in unserem Land will das, und auch jedes Land in der Europäischen Union hat einen solchen, aber wir wollen, dass er schlanker, transparenter und


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sparsamer wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Aber nicht mit diesem Gesetz! Nicht mit dem Gesetz!)

Diese Ziele, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir erreicht. Wir haben den Beitrag für die Menschen, die bisher die GIS gezahlt haben, von 22,45 Euro auf nunmehr 15,30 Euro gesenkt (Bundesrat Spanring: Nur mehr, aha! Für etwas, was ich nicht will!), und der ORF wird auch massiv bei sich einsparen müssen. Nur so schaffen wir es, die Kosten für die Menschen zu reduzieren. Deshalb wird der ORF auch selbst 325 Millionen Euro einsparen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Was erreichen wir dadurch – weil ich jetzt irgendwie höre, es wird für alle Menschen in unserem Land teuer –: Nein (Bundesrat Steiner: Natürlich!), für 3,2 Millionen Menschen in unserem Land, und das sind die, die bisher die GIS gezahlt haben, wird es bedeutend günstiger, sie zahlen statt 22,45 Euro nunmehr 15,30 Euro. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Wir schaffen beispielsweise auch die Beitragspflicht für Zweitwohnsitze ab. Ebenso bleiben natürlich, und das ist wichtig, die sozialen Befreiungen zu 100 Prozent so, wie sie jetzt sind. Sie bleiben und sie bleiben natürlich auch über das Jahr 2026 hinaus, denn natürlich braucht es auch einen gewissen sozialen Anstrich des neuen ORF-Beitrags.

Natürlich freut es mich auch besonders, dass wir das jetzige GIS-Kontrollsystem abschaffen. (Ruf bei der FPÖ: Stimmt ja nicht!) Was ist denn das bitte für ein System, dass wir Dutzende GIS-Kontrolleure beim ORF beschäftigen, die an die Türe klopfen, um dann Nachschau zu halten, ob dort ein Fernseher oder ein Radiogerät steht?! Das wird abgeschafft und durch ein zeitgemäßes, modernes System ersetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundes­rat Steiner: Seit Corona ...!)


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Wir haben uns natürlich auch viele Modelle angesehen. Der Verfassungs­ge­richtshof hat - - (Bundesrat Steiner: Seit Corona ... ist Ihnen alles wurscht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr Kollege, ich bitte Sie jetzt einfach darum, dass die Frau Bundesministerin ihr Statement abhalten darf. Sie haben vorhin Ihre Möglichkeit gehabt, jetzt lassen wir bitte die Frau Bundesministerin sprechen – vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab (fortsetzend): Danke, sehr geehrte Frau Präsidentin!

Der Grund, weshalb es notwendig war, das jetzt zu tun, ist, dass der Verfassungs­gerichtshof erkannt und entschieden hat, dass das jetzige Gesetz mit Ende dieses Jahres ausläuft. Deshalb haben wir durchaus auch Zeitdruck gehabt, eine neues Modell zu finden, und ich bin froh, dass es gelungen ist, sich auch mit dem Koalitionspartner auf ein neues Modell, das für die Menschen günstiger ist, zu einigen.

Jetzt möchte ich natürlich auch noch gerne auf die Stellungnahmen der Men­schen eingehen, denn ich habe mir das sehr genau angesehen. Natürlich gibt es viele Menschen, die kritisch sind, und ich verstehe das auch. Zum einen bin auch ich nicht mit allem einverstanden, was der ORF sendet. Ich denke darüber hinaus aber, dass es wichtig ist, dass es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt – ebenso wie es auch andere Infrastrukturen und öffentliche Infrastrukturen in Österreich gibt, die durch die Menschen finanziert werden.

Ich glaube, dass es einfach für Österreich nicht klug wäre, das einzige Land inner­halb der Europäischen Union zu sein, das keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk besitzt. Ich denke auch, dass er einen Wert für die Demokratie hat; gerade in Zeiten, in denen wir gegen Fakenews kämpfen, ist er natürlich von besonderer Bedeutung.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Was für uns in dieser Novelle auch wichtig war, ist, dass der ORF wie gesagt schlanker, sparsamer und transparenter wird, denn die Menschen haben ein Recht darauf, zu wissen, was mit ihrem Beitrags­geld passiert. Deshalb sind in die jetzige Novelle auch folgende Maßnahmen inkludiert:

Ausbezahlte Gehälter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden veröffent­licht, ab 170 000 Euro auch namentlich ausgewiesen. Das ist ein Modell, das ich mir von der britischen BBC, bei der ich vor Kurzem zu Gast war, abgeschaut habe.

Sonderzulagen werden gekürzt und in Sonderpensionen wird eingeschnitten, denn natürlich hat sich da über die Jahrzehnte ein gewisses System etabliert. Es ist wichtig für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der eben aus Beitragsgeld finanziert wird, auch besonders sorgsam mit diesem Geld umzugehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Und zu guter Letzt wissen wir alle, wo auch in der Medienwelt die Reise hingeht. Wenn wir uns die Jugend ansehen, dann sehen wir, dass natürlich viel mehr digital konsumiert wird. Der Medienkonsum verlagert sich sehr stark in den digi­ta­len Raum, deshalb war es wichtig, dass sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk digitaler aufstellen kann, damit er in der Zukunft überhaupt noch Relevanz hat. Wir schaffen dabei meines Erachtens Irrsinnigkeiten ab, wie dass Inhalte, die digital zur Verfügung gestellt werden, nur sieben Tage online sein dürfen. Warum? – Die Menschen zahlen dafür, und dann sollen sie doch bitte auch länger auf diese Inhalte zugreifen dürfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Der ORF wird künftig auch Inhalte online only produzieren können, also nur für das digitale Angebot, oder sie eben auch zuerst digital zur Verfügung stellen, um besonders die Jugend zu erreichen, und sie dann erst vielleicht im Fernsehen ausstrahlen.


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Der ORF wird künftig auch viel mehr Medienkooperationen mit dem privaten Sektor eingehen müssen, denn wir wollen ja in Österreich einen guten Medien­standort, einen starken Medienstandort. Wir wollen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber wir wollen auch eine Fülle an privaten Medien, und das kann man nur erreichen, indem man auch die Zusammenarbeit stärkt. Daher wird es Kooperationen geben, beispielsweise dass der ORF auch online Programme von privaten Veranstaltern zur Verfügung stellt und vice versa, dass private Veranstalter oder private Medieninhaber auch ORF-Sendungen und Ausschnitte von diesen nutzen und den Menschen in Österreich zur Verfügung stellen können.

Sehr geehrte Damen und Herren, am Ende ist es so, dass die Aufgabe, dieses neue Paket zu schnüren, natürlich nicht unbedingt ein Wunschprojekt von mir war. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist aber von uns als Bundes­regierung ernst zu nehmen und umzusetzen. Jetzt mag es manche geben, die sagen: Es ist mir egal, was der Verfassungsgerichthof sagt! – Wenn man aber in einer Regierungsfunktion ist, dann hat man das anzuerkennen, denn es ist eine staatliche Institution, und dann hat man das auch umzusetzen. (Zwischenrufe der Bundesräte Leinfellner und Steiner.)

Mit dem neuen Gesetz schaffen wir es, dass es für alle, die bisher gezahlt haben, deutlich günstiger wird (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), Sonderprivilegien beim ORF werden abgeschafft, transparentere Regelungen werden eingeführt, und es wird nicht nur günstiger für die Menschen, sondern es gibt auch ein Mehr an Programm, digital und vor allem für die Kinder. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.02


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich bitte, die Schilder kurzfristig wieder einmal runterzugeben, weil wir wissen, dass es um das ORF-Gesetz geht – vielen Dank. (Bundesrätin Doppler: Darf man ja!)

Zu Wort gemeldet ist Matthias Zauner. – Bitte.



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14.03.03

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin – auch von unserer Fraktion alles Gute für dieses halbe Jahr der Präsidentschaft! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Vielleicht zu Beginn ein Wort zur Kritik am ORF: Ja, das muss man ganz ehrlich sagen, auch wir sind nicht mit allem immer happy, was uns da speziell auf ORF 2, teilweise auch auf ORF 1 geboten wird, aber – die Frau Bundesministerin hat es ausgeführt – es gibt nun einmal dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, das die Bundes­regierung zum Handeln aufgefordert hat.

Es gibt das klare Bekenntnis – das hat ja Bundesrat Schennach zu Beginn auch ausgeführt – zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der eben auch durch die Bevölkerung finanziert wird. Und neben all den Facetten, die die Frau Bundesministerin und die Vorrednerinnen und Vorredner bereits angesprochen haben, gibt es natürlich auch einen Wirtschaftsfaktor ORF: Denken wir an die 100 Millionen Euro für die Filmwirtschaft, die 120 Millionen Euro für Kunst und Kultur, die 100 Millionen Euro für Breiten- und Spitzensport, die 170 Millionen für regionale Vielfalt, und – ganz wesentlich – es hängen immerhin um die 10 000 Arbeitsplätze am ORF!

Ich darf jetzt auf die Debatte eingehen, die hier geführt worden ist. Ein Argu­ment ist ja vom linken Rand und vom rechten Rand gekommen, das ist das Thema der Teuerung: wie es nur sein kann, dass man in Zeiten der Teuerung die Menschen belastet. Im Zentrum steht dabei aber keine Belastung, sondern eine Entlastung, nämlich eine Entlastung für 3,2 Millionen Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler durch eine Senkung von 22,45 Euro auf 15,30 Euro, und wenn man an mein Heimatland Niederösterreich denkt, dann sind es per anno noch einmal um 69,60 Euro weniger. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Jagl.)


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Etwas, das auch bereits ausgeführt wurde, ist: Wenn wir wieder über die Teuerung sprechen und die davon besonders betroffenen, vulnerablen Gruppen, dann auch darüber, dass alle diejenigen, die bislang GIS-Gebühr-befreit waren, das auch bleiben, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rät:innen der Grünen.)

Und wenn wir über das Thema Teuerung und Medien reden, dann sollten wir das heute auch wirklich einmal debattieren, denn das eine ist die veröffentlichte Meinung, und das andere ist das, was diese Bundesregierung in den vergan­genen Monaten gemacht hat. Wenn wir uns vor Augen führen, wie die Medien titeln, nämlich: „Leben für viele Österreicher bald nicht mehr leistbar“ (Bundesrätin Doppler: Ist es auch nicht!), „Familien zahlen fast 4000 Euro mehr“ (eine entsprechende Tafel in die Höhe haltend) – dann wird das stimmen, die Familien in diesem Land sind durch die Teuerung derart belastet. (Bundesrätin Schumann: Ja, genau! Endlich! Welch eine Erkenntnis! – Bundesrat Schennach: Welch eine Erkenntnis! – Bundesrat Spanring: Das ist eure Politik, Schwarz-Grün! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Die Berechnung da drinnen kommt auf 3 600 Euro, und jetzt kommt es (die oben beschriebene Tafel drehend, auf der die Aufschrift „So unterstützen wir: Familie mit zwei Kindern Entlastung € 4.642,40“ und eine Frau, ein Mann und zwei Kinder abgebildet sind): Dass jetzt die Rückseite vom Taferl den Medien nicht passt, weil sie nichts mehr zu berichten haben, dass sie dem linken Rand nicht passt, weil es nichts mehr zum Aufregen gibt, und dass sie dem rechten Rand nicht passt, weil es nichts mehr zum Aufregen gibt, ist klar, aber das ist die Entlastung, die diese Bundesregierung konkret für diese Familie, die in dieser Zeitung hier heran­gezogen wurde (Bundesrätin Schumann: Aber nur wenn’s viel verdient, ja!), erbracht hat (Beifall bei der ÖVP) – 4 642 Euro, um die die Familien in diesem Land entlastet werden, ob es dem linken Rand, dem rechten Rand und den Medien passt oder nicht. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dann darf ich noch Folgendes sagen – er ist jetzt leider nicht mehr da; da ich neu im Bundesrat bin, kenne ich noch nicht alle Namen, ich weiß auch noch nicht,


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wie der Fraktionsvorsitzende der FPÖ heißt (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP), ah Steiner (Bundesrat Spanring: Hast du deinen Humor von ...?) –: FPÖ-TV mit irgendeinem anderen Medium zu vergleichen – bei aller Wertschätzung für das, was die Parteimitarbeiterinnen und Parteimitarbeiter da leisten, meine Damen und Herren, dieser Vergleich hinkt dann wohl doch ein wenig, und wenn der Freiheitlichen Partei die Aussagen des Herrn Bundeskanzlers nicht passen, der natürlich davor warnt, dass ein gewisser Herr Kickl, der ein sicherheitspoliti­scher Geisterfahrer ist – denken wir an Sky Shield, denken wir an das BVT oder denken wir an die Russlandhörigkeit –, hier mehr zu sagen hat, dann verstehe ich das schon (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen), aber das alles hat mit dem ORF-Gesetz, meine Damen und Herren, nichts zu tun. (Bundesrat Spanring: Hat dir das der Schneeberger aufgeschrieben, oder ist dir das selber einge­fallen?)

Eines zu guter Letzt: Wenn wir vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk reden, reden wir ja über die Demokratie, und da ist es schon bemerkenswert, dass Links und Rechts (Bundesrat Babler: Oben, unten! – Bundesrätin Schumann: Oben und unten, die Mitte ist das Landhaus in Sankt Pölten!) nicht zustimmen, weil ja eine andere Regierung das Ganze dann wieder ändern könnte. – Ja, meine Damen und Herren, so ist die Demokratie, eine andere Regierung könnte das wieder ändern. Wir werden bis zum Herbst 2024 alles dafür tun, dass auch der nächste Bundeskanzler Karl Nehammer heißt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.08


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Marlies Doppler. – Bitte.


14.08.35

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Zauner, glauben Sie mir, wir Freiheit­lichen werden alles daran setzen, dass der nächste Bundeskanzler Kickl heißt. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ. Die Rednerin versucht, eine Tafel mit der


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durchgestrichenen Aufschrift „ORF Zwangssteuer“ und dem FPÖ-Logo auf das Redner:innenpult zu stellen.) – Ja, die steht nicht, dann halte ich sie halt so. (Bun­desrat Schreuder – die Hände, imitierend eine Tafel zu halten, in die Höhe streckend –: Die ganze Rede so!)

Nach den ganzen grauslichen letzten Jahren, den ganzen grauslichen Corona­schikanen, wie dem Einsperren von Menschen, wie dem Maskentragen, wie der Impfpflicht (Ruf bei der ÖVP: Das zieht auch nicht mehr!), nach einer Teuerungs­welle, wie sie das Land noch nie erlebt hat, müssen wir heute das nächste traurige Kapitel dieser schwarz-grünen Bundesregierung miterleben. Es soll eine ORF-Zwangssteuer eingeführt werden – eine ORF-Zwangssteuer, die ein absoluter Skandal ist, die sozial nicht gerecht ist. Jeder Haushalt, jedes Unter­nehmen soll damit belastet werden, egal ob man einen Fernseher hat oder nicht; egal ob man einen Fernsehapparat zu Hause hat oder nicht, man muss diese Zwangssteuer berappen. Das wäre dasselbe, als wenn man einen grünen Klimakleber, der kein Auto besitzt, mit einer Kfz-Steuer zwangsbeglücken würde. (Beifall bei der FPÖ.)

Das wäre ja genauso absurd: Jeder grüne Klimakleber, der mit blindem Hass gegen die Autofahrer vorgeht, der kein Auto zu Hause hat, wird mit einer Kfz-Zwangssteuer beglückt. – Das wäre ein netter Ausgleich, aber es ist genauso absurd wie diese ORF-Zwangssteuer. Eigentlich ist es ja abnormal, nicht einmal mehr absurd, sondern abnormal.

Es ist so beschämend, was diese Regierung dem österreichischen Volk schon wieder zumuten möchte. Diese Zwangssteuer bringt dem ORF Mehreinnahmen in Zigmillionenhöhe. Konkret handelt es sich um 70 Millionen Euro Mehrein­nahmen für den ORF. Dabei laufen aber dem ORF schon seit Jahren die Kunden davon und haben sich von der GIS abgemeldet. Es ist auch kein Wunder, denn seit Jahren wird das Programmangebot beim ORF immer schlechter, und seit Jahren kommt der ORF seinem Bildungsauftrag nicht mehr nach. Dafür sind aber die Gehälter der sogenannten ORF-Manager angehoben worden und mittler­weile in schwindelerregenden Höhen. Gehälter in Millionenhöhe finden wir da!


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Das halte ich wirklich für eine Frechheit. Jene ORF-Mitarbeiter nämlich, die sich außerhalb dieses Elitekreises bewegen, arbeiten teilweise unter prekären Verhältnissen und verdienen einen Hungerlohn im Vergleich zu dem, was die sogenannten ORF-Manager verdienen. (Beifall bei der FPÖ.)

Innerhalb des ORF gibt es ganz klar eine Mehrklassengesellschaft. Genau für diese Bonzengehälter, genau für diese Privilegienritter greift man den Österreichern wieder einmal ganz tief in die Geldtasche. Während sich nämlich die Menschen das Leben schon gar nicht mehr leisten können und jeden Tag den Gürtel noch enger schnallen müssen, krallt man da in die Geldtaschen der Menschen. Der ORF jammert zwar, dass er weniger Werbeeinnahmen hat – in Höhe von 17 Millionen Euro. Da wird er heuer ein Minus verbuchen müssen, weil er weniger Werbeeinnahmen hat. Auch das ist aber keine wirkliche Überraschung, denn kein Unternehmer investiert Geld in eine Werbung, wenn diese Werbung von immer weniger Menschen gesehen wird und somit für das Unternehmen nicht mehr rentabel ist. Unternehmer haften schließlich und endlich, wenn sie ihren Betrieb herunterwirtschaften, aber diese ganzen ORF-Bonzen haften nicht dafür, wenn sie alles in den Sand setzen. Statt dass der ORF einmal bei sich selbst zu sparen beginnt, nämlich bei den Bonzengehältern und bei den ganzen Privilegien, holt man sich das fehlende Geld einfach vom österreichischen Volk. Ermöglicht wird so eine dreiste Vorgangsweise von dieser schwarz-grünen Bundesregierung. Meine Damen und Herren, ich sage es Ihnen ganz klipp und klar: So eine Vorgangsweise ist schäbig, und so eine Vorgangsweise ist unanständig! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Menschen wünschen sich zum Beispiel eine effektive Politik gegen die Teue­rung, aber mit eurem Handeln, mit eurer inflationssteigernden Politik schüttet ihr jeden Tag noch mehr Öl ins Feuer. Diese ORF-Zwangssteuer ist ja der nächste Beitrag dazu. 250 Euro pro Haushalt sind zu bezahlen, und das in Zeiten einer Teuerung, in denen sich die Menschen das Leben nicht mehr leisten können. Und dann sitzt die Frau Minister da und hat uns vor 5 Minuten erklärt: Weniger zu zahlen ist ja besser, als gar nichts zu zahlen!, oder wie haben Sie das gesagt? Was


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haben Sie da zynisch gemeint? Weniger zu zahlen ist besser, als gar nichts zu zahlen? – Nein, umgekehrt sollte es sein! Sie haben sich vielleicht verredet. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, dass Sie sich bei der ganzen Geschichte hierhersetzen und sich hinter der VfGH-Entscheidung verstecken, ist ja dreist. Das ist ja, bitte gar schön, dreist! (Bundesrat Kornhäusl: Das ist aber schlimm, wenn er nichts zählt, der VfGH!) Man hätte das anders auch lösen können. Uns Freiheitlichen geht es nicht um jene oberen Zehntausend, die sich das alles ohnehin leisten können, uns geht es um die Millionen von Österreichern, die sich das eben nicht mehr leisten können! Sie aber setzen sich hierher, ganz zynisch, und verstecken sich hinter der VfGH-Entscheidung. Ob sich die Menschen, die wenig Einkommen bis gar kein Einkom­men mehr haben, das leisten können oder nicht, ist Ihnen ja wurscht! (Bundesrat Kornhäusl: Aber was der VfGH ist, ist schon klar?) – Nein, man hätte die VfGH-Ent­scheidung anders auch auslegen können, anders auch abwickeln können. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, die Österreicher müssen zahlen. Die Österreicher müssen für etwas zahlen, und was bekommen sie geliefert? – Seichte amerikanische Sitcoms und eine mehr als dürftige objektive Berichterstattung. Viele haben sich eh schon von der GIS abgemeldet, weil sie es sich schlicht und ergreifend nicht mehr leisten können oder weil ihnen das Programm nicht gefällt, aber diese schwarz-grüne Regierung macht ja munter weiter. Euch ist eigentlich alles wurscht. Ihr streut den Menschen noch Sand in die Augen und wollt ihnen verklickern, diese Zwangssteuer sei ein Vorteil. Das ist ja wirklich an Zynismus nicht mehr zu überbieten.

Die Menschen müssen zahlen: Egal ob sie es sich leisten können, egal ob ihnen das Programm gefällt oder nicht, egal ob sie einen Fernseher haben oder nicht, sie müssen zahlen. Tausende negative Stellungnahmen wurden schubladisiert. Sie haben zwar zuerst ein paar Stellungnahmen angesprochen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie wirklich auf die Tausenden negativen Stellungnahmen eingegangen sind. Auch das ist dieser Regierung anscheinend wurscht.


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Insgesamt – ich habe es schon erwähnt – hat der ORF Mehreinnahmen in Höhe von rund 70 Millionen Euro. Der ORF wird in Zukunft also rund 1 Milliarde Euro zur Verfügung haben. Trotz dieser immens hohen Summe bekommen manche Menschen dort anscheinend den Kragen nicht voll. Diese ORF-Zwangssteuer ist eine Schande erster Güte, und dem werden wir Freiheitliche mit Sicherheit nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

14.16


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Klemens Kofler. – Bitte.


14.16.40

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kollegen aus dem - - Jetzt hätte ich beinahe Gemeinderat gesagt, von dort komme ich nämlich. Sehr geehrte Kolle­gen und liebe Freunde! – Ein kleiner Versprecher am Anfang. (Bundesrat Schreuder: Die kann man auch grüßen!) – Gell, die kann man eh auch grüßen, richtig!

Der ORF und seine Zwangssteuer: Es ist natürlich richtig, dass der ORF sich durch diese Zwangssteuer unabhängig macht, aber unabhängig von wem? – Unabhängig vom Zuseher. Der ORF braucht uns eigentlich überhaupt nicht mehr, der kriegt sein Geld ohnehin. (Beifall bei der FPÖ.)

Man braucht ja nicht einmal einen Fernsehapparat zu besitzen und trotzdem muss man zahlen. Da sind Sie beinhart.

Dann zu den Grünen: Ihr seid doch immer für die mündigen Konsumenten einge­treten. Das wäre jetzt die Chance, denn man kann dann konsumieren oder nicht konsumieren. – Wo sind Sie? – Da (in Richtung der Grünen) sind Sie. – Man kann dann konsumieren oder nicht konsumieren. Diese Chance ist jetzt natürlich vorbei, denn zahlen muss man in jedem Fall.

Wenn man dann so eine Monopolstellung zulässt, dann muss ich natürlich schon auf das Beispiel ORF Niederösterreich hinweisen, wo der ORF ja Regie geführt


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hat, um die ÖVP zu unterstützen, sonst wären die Wahlen dort vielleicht anders ausgegangen. Ziegler ist zwar jetzt in Pension, aber sein Werk ist ja auch schon vollbracht. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Bildungsauftrag: Wir haben uns eh schon das Programm vorlesen lassen, das ist ohnehin eine eher seichte Geschichte. Was da so viele Millionen wert ist, weiß ich nicht. Auf alle Fälle muss jeder zahlen, ganz egal wie und was. Von Klein bis Groß, jeder zahlt diese Fernsehsteuer.

Schauen kann aber man deswegen noch nicht, nein, nein! Da gibt es natürlich dann noch die Karte, und für die muss man noch einmal zahlen. Man muss eine ORF-Karte bezahlen, die an und für sich nicht uninteressant wäre, denn anhand dieser Karte könnte man ja unterscheiden, ob jemand schaut oder nicht schaut und in der Folge ob jemand zahlen soll oder eben nicht zahlt. Das will man aber nicht ausnützen. Die Karte hätte auch einen weiteren Vorteil: Man würde wissen, wie wenige Zuschauer der ORF überhaupt noch hat. Das interes­siert aber anscheinend niemanden. (Beifall bei der FPÖ.)

So aber ist es eine ganz glückliche Lösung für den ORF und die momentanen Machthaber, denn man hat es tatsächlich geschafft: Man hat einen Fernseh­sender, der von den Zuschauern unabhängig ist, den zuseherunabhängigen Fernsehsender. – Toll! Gute Nacht! (Beifall bei der FPÖ.)

14.19 14.19.28


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesord­nungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Das ist erfolgt.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 67

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz, die Fernmeldegebührenordnung, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das KommAustria-Gesetz, das Kommunikations­plattformen-Gesetz, das Fernseh-Exklusivrechtegesetz und das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz geändert werden, ein ORF-Beitrags-Gesetz 2024 erlassen wird sowie das Rundfunkgebührengesetz, das Fernmeldegebühren­gesetz und das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 aufgehoben werden.

Es liegt der Ausschussantrag vor, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Es ist hierzu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ – kein Einspruch – oder „Nein“ – das bedeutet Einspruch. Ich bitte um eine deutliche Äußerung und ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge. – Danke schön.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Gfrerer geben die Bundesrät:innen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Die Stimmabgabe ist beendet, und ich unter­breche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 68

14.26.01*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.25 Uhr unterbrochen und um 14.27 Uhr wieder aufgenommen.)

14.27.53*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, bei 58 abgegebenen Stimmen 29 „Ja“-Stimmen und 29 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben ist somit abgelehnt, das bedeutet, ein Beschluss des Bundesrates ist somit nicht zustande gekommen.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesrät:innen:

Böhmwalder, Buchmann;

Ebner, Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Göll;

Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Huber, Hutter;

Jagl;

Kaltenegger, Kittl, Kornhäusl;

Lassnig;

Miesenberger;

Neurauter;

Platzer;


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 69

Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Stillebacher, Stotter;

Tiefnig;

Wolff;

Zauner, Zeidler-Beck;

Mit „Nein“ stimmten die Bundesrät:innen:

Arlamovsky, Arpa;

Babler, Bernard;

Doppler;

Fischer;

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kofler, Kovacs;

Lancaster, Leinfellner;

Mertel;

Obrecht;

Pröller;

Reisinger;

Schachner, Schartel, Schennach, Schmid, Schumann, Spanring, Steiner, Steinmaurer;

Theuermann;

Wanner.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 70

*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Da sehe ich Stimmeneinhelligkeit. Somit ist der Antrag angenommen.

14.28.593. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird (2083 d.B. und 2106 d.B. sowie 11277/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


14.29.26

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird.

Im vorliegenden Beschluss geht es darum, dass durch diese Verordnung das reibungslose Funktionieren des digitalen Binnenmarktes in einer offenen und demokratischen Gesellschaft gewährleistet werden soll, indem der Missbrauch von Hostingdiensten für terroristische Zwecke bekämpft und ein Beitrag zur


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öffentlichen Sicherheit in der gesamten Union gewährleistet wird. (Vizeprä­sidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, darum komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. – Bitte.


14.30.39

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Uns allen ist noch immer der schreckliche Terroranschlag vom 2. November 2020 in Wien in trauriger Erinnerung. Solche Terroranschläge häufen sich in Europa, auf der ganzen Welt. Genau solchen feigen Terrorattentaten gilt es mit allen Mitteln entgegenzutreten und sie zu bekämpfen.

Ein wichtiger und essenzieller Ansatz ist sicherlich auch, terroristische Inhalte im Internet, auf Onlineplattformen zu unterbinden und dort einer Radikalisierung entgegenzuwirken. Doch dieser heute vorgelegte Gesetzentwurf ist nicht gerade das geeignete Mittel dafür. In diesem Gesetzentwurf geht es zwar um die Verhinderung und die Verbreitung von terroristischen Inhalten im Online- und Internetbereich, jedoch sind in einem Verdachtsfall nicht etwa das Innenminis­terium, die DSN oder eine andere Staatsschutzbehörde zu verständigen und zuständig. Nein – zuständig soll laut diesem Gesetzentwurf die KommAustria sein, also jene Behörde, die für Medien und Kommunikation zuständig ist. Das ist an dieser Geschichte grotesk.


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Wir haben im April dieses Jahres hier im Hohen Haus einen Bericht der Volks­anwaltschaft vorgelegt bekommen, und wenn man sich diesen gewissenhaft und genau durchgelesen hat, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass der Terroranschlag von Wien zu verhindern und zu vermeiden gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ.) Genau darum geht es uns allen: Terrorattentate zu verhindern.

Der KommAustria allein die Geschicke beim Thema Onlineterrorbekämpfung zu überlassen ist dürftig. Selbst im Ausschuss hat der Experte bestätigen müssen, dass die KommAustria nicht einmal 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche erreichbar ist. – Na ja, wenn ein Verdachtsmoment auftritt, an wen wendet man sich dann? Also das ist ein bisschen eigenartig.

Es ist daher sinnvoll, dass die KommAustria zwar assistiert, aber zuständig für die Terrorbekämpfung sind unsere Sicherheits- und Staatsschutzbehörden. Wir wollen ja den Terror bekämpfen und nicht irgendwelche Experimente starten. Daher werden wir Freiheitliche diesem Gesetzentwurf heute nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.33


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich erteile dir das Wort.


14.33.42

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuhörer! Bereits im April 2022 hat die EU zur Bekämpfung von Terrorpropaganda und anderen Terrorinhalten im Internet eine Verordnung beschlossen, die seit rund einem Jahr in allen Mitgliedstaaten gilt. Hostingdienste sind dadurch verpflichtet, terroristische Inhalte auf Basis von Behörden­anordnungen innerhalb von 1 Stunde zu löschen und weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung derartiger Inhalte zu unterbinden.


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Dazu können etwa geeignete technische und operative Maßnahmen zur Ermittlung terroristischer Inhalte oder Meldemechanismen für Nutzerinnen und Nutzer zählen. Gleichzeitig ist ein Beschwerdemanagement einzurichten. Zudem müssen sowohl Hostinganbieter als auch Inhalteanbieter die Möglichkeit haben, Behördenentscheidungen anzufechten.

Die sich aus dieser Verordnung für Österreich ergebenden Verpflichtungen werden nun nach dem Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz geregelt, das am 1. September 2023 in Kraft treten wird.

Die Kommunikationsbehörde Austria, KommAustria, wird die zuständige Stelle zur Erlassung von Entfernungsanordnungen sein, wobei die Polizei, also die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, ermittelt, ob es sich um einen terroristischen Inhalt handelt, und die KommAustria dann zur Löschung auffordert.

Transparenzberichte der Hostingdienstanbieter sind vorgesehen, und hohe Geldstrafen bis zu einer 1 Million Euro können verhängt werden, wenn Entfernungs­anordnungen nicht zeitgerecht erledigt werden. Entscheidungen der Komm­Austria können beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die KommAustria ist eine weisungsfreie und unabhängige Behörde, die nicht nach Gutdünken entscheiden kann, was im Internet veröffentlicht wird und was nicht. Es geht um den Ausbau der geistigen Landesverteidigung, in der die Grundwerte Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verdeutlicht und gegenteilige terroristische Inhalte kriminalisiert werden.

Da das gesellschaftliche Leben immer mehr im Internet stattfindet, muss man auf die technischen Entwicklungen reagieren. Sie wissen alle: Alles, was man gebrauchen kann, kann man auch missbrauchen. Die digitale Transformation hat zwar das Leben der Menschen in vielen Fällen verbessert und erleichtert, leider ist es aber auch zu einer Zunahme von rechtswidrigen Inhalten im Internet gekommen. Damit Anbieter ihrer Verantwortung, terroristische Inhalte zu


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löschen, nachkommen, ist es wichtig, im Weigerungsfall hohe Geldstrafen anzudrohen und auch die KommAustria personell und finanziell gut auszustatten.

Bitte stimmen Sie zu, damit gezielt gegen rechtswidrige Inhalte oder Aufrufe zu terroristischen Straftaten vorgegangen werden kann und damit die Anbieter diese Aufgabe rasch wahrnehmen können! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.37


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte.


14.37.43

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer:innen! Wir haben hier Materien, die wir zwar nicht ein­stimmig, aber doch mit deutlicher Mehrheit beschließen werden. Damit setzen wir die EU-Verordnung „zur Bekämpfung der Verbreitung terroris­tischer Online-Inhalte“ um – zwar etwas spät, aber doch.

Vieles wurde schon ausgeführt, ich darf mich deshalb kurz halten, aber doch ein paar Dinge ansprechen. Das Wichtigste, das Hauptziel dieser Materie, ist die Harmonisierung von Erkennung und Löschung terroristischer Inhalte im digitalen Bereich innerhalb der EU. Das heißt nichts anderes als: Die Verbreitung solchen Gedankenguts im Netz soll eingeschränkt werden, und – besser noch – terroris­tische Straftaten sollen verhindert werden. Das versteht man unter Harmoni­sie­rung, unter gleichen Standards in allen EU-Mitgliedstaaten. Dass wir eine gesetzliche Grundlage schaffen, die das regelt, ist, glaube ich, sehr wichtig und auch gut, deshalb wird die SPÖ-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Wie spielen nun die zuständigen Institutionen, die das organisieren, zusam­men? – Auch das wurde ausgeführt, zwar nicht alles ganz korrekt, ich wiederhole noch einmal: Wenn die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, die


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sogenannte DSN, Kenntnis von möglichen terroristischen Inhalten hat und diese dann auch überprüft, ist sie verpflichtet, der KommAustria Informationen darüber zu geben. Die KommAustria fordert dann die jeweilige Internetplattform zur Löschung oder zur Sperrung des Zugangs auf. Dafür haben die Plattformen 1 Stunde Zeit.

Dass es auch Strafen gibt, haben wir gehört. Betroffen – das ist ganz wichtig – sind alle Hostingdienstanbieter, die ihre Dienste in der EU erbringen.

Abschließend ist mir eines wichtig zu betonen: Da die KommAustria zusätzliche Aufgaben bekommt, ist es, glaube ich, wichtig, dass sie auch die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen bekommt. Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben das im Nationalrat ja schon in Aussicht gestellt. Das ist uns als Fraktion sehr, sehr wichtig, und wir werden auch das Augenmerk darauf legen. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso wichtig ist, dass die KommAustria sozusagen rund um die Uhr besetzt ist und ganz zeitnah solche Löschungsaufforderungen versenden kann. Ich glaube, da darf es keinen Aufschub geben. Es stimmt, im Ausschuss wurde das noch nicht zugesagt. Wenn es noch nicht auf der Agenda steht, dann bitte das sofort auf die Agenda setzen und auch gewährleisten!

Ich habe es gesagt: Wir werden diesen Gesetzesanträgen zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ebner.)

14.41


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


14.41.15

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wenn man sich so vergegenwärtigt, in welchen Bereichen wir sehr oft novellieren müssen, dann sieht man, dass es die Klimaschutzthemen und die Digitalisierungsthemen sind,


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die ganz stark im Vordergrund und ganz oben auf der Liste stehen, weil sie nun einmal zu den größten Herausforderungen unserer Zeit zählen.

Ein Thema – und in diesem Fall geht es ja um den Themenbereich der Digita­lisie­rung – behandeln wir hier: Es geht um die österreichische Umsetzung einer Verordnung der Europäischen Union aus dem Jahr 2021 zur Bekämpfung von terroristischen Inhalten.

Der Hintergrund: Wir müssen terroristische Inhalte, die in der analogen Welt zu Recht verboten waren und sind, selbstverständlich auch digital verfolgen und löschen können, und wir müssen freilich auch handeln können. Das hat die EU völlig richtig gesehen und zu Recht darauf hingewiesen.

Wir schaffen nun die Pflicht, terroristische Inhalte innerhalb 1 Stunde zu entfer­nen, um die weitere Verbreitung aufzuhalten oder zu stoppen. Das ist schon sehr wichtig, und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wie man da dagegen sein kann – das ist auch an die FPÖ gerichtet –, denn jedes Sichtbarbleiben von Terrorismus ist ja Unterstützung von Terrorismus, deswegen kann ich das nicht verstehen.

Wir definieren ganz klare Zuständigkeiten, die KommAustria wird dabei die federführende Rolle einnehmen und die DSN wird dabei natürlich eine stark assistierende Rolle einnehmen.

Die KommAustria wird Entfernungsanordnungen erlassen und sie wird auch die Kommunikationsschnittstelle sein. Sollten Anbieter innerhalb eines Jahres zwei oder sogar mehr Entfernungsanordnungen bekommen, müssen sie Maß­nah­men ergreifen, etwa Moderation, Meldefunktion und dergleichen. Jedenfalls kann es nicht sein, dass manche für die Inhalte nicht haftbar gemacht werden können, und das ändern wir.

Sehr trivial ist so eine Umsetzung wirklich nicht. Natürlich muss die Meinungs­freiheit immer an erster Stelle stehen, sie steht selbstverständlich über allem. Deswegen ist die Frage – sie wurde auch im Ausschuss von, ich glaube, Kollegen Schennach gestellt – des Overblockings eine absolut legitime Frage. Ich möchte


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schon appellieren, daran zu denken, dass es da auch um die Balance geht, die man in so einem Gesetz schaffen muss: Sagt man, die Meinungsfreiheit ist wichtiger und man lässt terroristische Inhalte lieber stehen, oder sagt man, terroristische Inhalte muss man löschen, auch auf die Gefahr hin, dass vielleicht einmal ein Posting gelöscht wird, das nicht gelöscht werden sollte? – Da werde ich immer für die zweite Variante sein, weil terroristische Inhalte natürlich gelöscht werden müssen.

Was ich auch wichtig finde: Man kann eine Beschwerde einreichen und man kann die Betreiber auch verpflichten, gelöschte Postings wieder sichtbar zu machen.

Freilich würde so ein Gesetz gar nichts nützen, wenn man nicht auch sanktio­niert. Die Geldstrafen betragen bis zu 50 000 Euro für die Verletzung von diversen Berichtspflichten, bis zu 500 000 Euro für das Nichtweiterleiten von unmittelbaren Terrordrohungen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden oder für fehlende Beschwerdemechanismen und bis zu 1 Million Euro, wenn einer Entfernungsanordnung nicht nachgekommen wird. Bei systematischen Verstößen droht eine Strafe, die bis zu 4 Prozent des weltweiten Jahresum­satzes des Anbieters ausmachen kann.

Diese Strafen sind hoch, sie sind angemessen und sie sollen sicherstellen, dass Anbieter ihrer Verantwortung auch wirklich gerecht werden und das Löschen von terroristischen Inhalten ernst nehmen. Es geht wirklich – das möchte ich schon betonen – um die Bekämpfung von Terrorismus, und Terrorismus fängt leider auch in diesem Fall mit Worten an; ohne Worte: seltener Taten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

14.45


Vizepräsidentin Margit Göll: Abschließend darf ich das Wort Frau Bundes­minister MMag. Dr. Susanne Raab erteilen. – Bitte sehr.



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14.46.00

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz wird wie gesagt eine EU-Verordnung umgesetzt.

Die EU-Verordnung wird dergestalt umgesetzt, dass – was natürlich absolut notwendig ist – die sicherheitspolizeiliche Bewertung der Inhalte durch die zuständige Behörde, nämlich durch die DSN, die Direktion Staatsschutz, erfolgt, die Kommunikation mit den Plattformen, damit diese Inhalte dann gelöscht werden, aber eben bei der dafür zuständigen Behörde liegt, und das ist die KommAustria als unabhängige Kommunikationsbehörde in Österreich.

So gibt es ein gutes Zusammenspiel, sodass die Aufgabe, die uns die EU gegeben hat und die wir zu 100 Prozent unterstützen, nämlich einen weiteren Beitrag zur Terrorbekämpfung zu leisten, in die bestehende Behördenstruktur gut eingegliedert wird.

Eines ist mir noch wichtig zu sagen: Ja, es ist eine neue Aufgabe, die Österreich erfüllen wird. Dementsprechend wird es auch weitere Ressourcen für die KommAustria geben, die diese Aufgabe erledigen wird und per Gesetz dazu ermächtigt wird, das zu tun. Diese zusätzlichen Ressourcen sind auch bereits in der jetzigen Gesetzesvorlage abgebildet. So hoffe ich, dass dieses Gesetz und der Schulterschluss innerhalb der Europäischen Union auch einen weiteren Bei­trag zur Terrorbekämpfung in Österreich leisten werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.47 14.47.41


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Vielen Dank.

14.48.254. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über Schutzunterkünfte und Begleitmaßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder (Frauen-Schutzunterkunfts-Vereinbarung – FSchVE) (2070 d.B. und 2123 d.B. sowie 11261/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich bitte um den Bericht.


14.48.59

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über Schutzunterkünfte und Begleitmaßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gleichbehandlungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.



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14.49.45

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, wo immer Sie uns zuhören und zusehen!

Diese Rede zu konzipieren ist mir persönlich nicht leichtgefallen. Ich hätte hier an dieser Stelle gerne gesagt: Gewalt gegen Frauen und Kinder ist in Österreich kein Problem mehr, auch nicht auf der Welt – die Realität sieht aber leider ganz, ganz anders aus.

Da fallen mir gleich die Gräuel der Kriege oder dieses aktuellen Krieges in der Ukraine ein, wo Gewalt gegen Frauen und Kinder auch als Kriegswaffe einge­setzt wird. Wir haben dazu gerade einen Bericht im Europarat gehabt – schlimm, scheußlich, schrecklich; und das ist leider noch nicht das Ende der Realität, denn auch bei uns in Österreich sind 1,1 Millionen Frauen, also jede dritte Frau, in irgendeiner Art von Gewalt betroffen, sei es körperliche, sexua­lisierte oder psychische Gewalt. – Liebe Kolleginnen hier herinnen, ich muss also leider annehmen, dass auch jemand von euch schon einmal Opfer von Gewalt geworden ist.

Dieses Thema geht uns daher wirklich alle an, Männer und Frauen. Es ist eine Querschnittmaterie, damit Aufgabe aller Ministerien und auch der Bundesländer, der Gemeinden und der Städte. Nur gemeinsam können wir dieses Problem lösen.

Es muss unser gemeinsames Ziel sein, dass jede Frau, jedes Mädchen ein gewalt­freies Leben führen kann. Den von Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen müssen wir helfen, die Gewaltspirale zu durchbrechen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und dafür benötigen sie natürlich Schutzräume, auch die Kinder benötigen Schutzräume, sicheres Wohnen und ein zielgerichtetes Beratungs- und Wohnangebot.


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Das existiert ja Gott sei Dank schon in all unseren Bundesländern, die Praxis zeigt aber, dass insbesondere der Bedarf an Übergangswohnungen noch nicht gedeckt ist. Die Zielgruppe dieser Übergangswohnungen sind Frauen, die von Gewalt bedroht sind, in Frauenhäusern waren, dann aber diesen Schutz nicht mehr notwendig haben und in eine gewisse Schutzzone entlassen werden, um selbstständig wieder Fuß zu fassen.

Um diesen notwendigen Ausbau zu unterstützen, werden in den nächsten vier Jahren insgesamt 12 Millionen Euro aus dem Frauenbudget für Maßnahmen im Bereich von Schutzunterkünften zur Verfügung gestellt. – Vielen, vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie sich da immer wieder für Frauen und Kinder in Not einsetzen, die das wirklich brauchen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Für Salzburg sind das 6,29 Prozent, bis 2026 sind das 754 800 Euro, und unsere Landesrätin – das ist Landesrätin Daniela Gutschi – hat schon gesagt, dass sie schauen wird, dass diese Schutzunterkünfte nicht nur im Zentralraum geschaffen werden, sondern gerade im ländlichen Raum, wo es dieser Schutzräume ja auch ganz dringend bedarf. Wir können damit 180 zusätzliche Plätze auf den Weg bringen, das sind 90 für Frauen und 90 für Kinder. Begleitende Beratung und Betreuung im Ausmaß von mindestens 4 Wochenstunden ist auch inkludiert, wir haben das im Ausschuss gehört. Diese Beratung und Betreuung kann auch für bereits bestehende Einrichtungen verwendet werden.

Ein kleiner Sidestep noch zur letzte Woche publizierten Frauenmordstudie – diese ist ja leider auch sehr erschreckend –: Es gab heuer schon 16 Femizide, vielleicht einen siebzehnten, das ist gerade in Abklärung. Wir sehen in dieser Studie, die beim BKA heruntergeladen werden kann, dass von 2016 bis 2020 100 Femizide stattgefunden haben. Eine zentrale Erkenntnis dieser Studie ist, dass nur vier von diesen Opfern, die von ihren Partnern ermordet wurden, vorher bei einer Opferschutzeinrichtung Schutz gesucht oder eine Beratungs­stelle aufgesucht haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das bedeutet für mich: Wir machen sehr viel, im Bund, in den Bundesländern, in den Gemeinden, aber es ist leider noch zu wenig.


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Es gibt jetzt einen Entschließungsantrag im Nationalrat, dass eine weitere Informationskampagne auf den Weg gebracht werden soll, doch ich bitte auch alle unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger um Mithilfe: Zivilcourage ist auch gefragt. Sich aktiv einzumischen, wenn einem etwas auffällt – das kann auch Männer betreffen –, diese Zivilcourage, das muss man sich immer wieder vor Augen führen, ist notwendig! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischen­ruf der Bundesrätin Hahn.)

Und: Es gibt die Frauenhelpline unter 0800 222 555 – bitte: 0800 222 555! –, an die sich jede Frau wenden kann, dort anrufen kann. Auch das gehört viel, viel mehr kommuniziert.

Also schauen wir nicht weg, mischen wir uns ein! – Vielen Dank, Frau Ministerin, dass wir heute dieses Paket auf den Weg bringen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.56


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte.


14.56.15

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die erschütternde Serie von Morden und Gewaltverbrechen an Frauen nimmt leider kein Ende, und Österreich ist da trauriger Spitzenreiter.

Wir haben das ja schon unzählige Male hier im Hohen Haus thematisiert und auch wirksame Maßnahmen eingefordert. Geschehen ist leider wenig, zumindest zu wenig, wie die traurige Realität zeigt, wie auch Kollegin Eder-Gitschthaler vorhin gerade geschildert hat.

17 – mutmaßlich 17 – Frauenmorde sind einfach ein unglaublich erschütterndes Signal, und heute wird mit dieser 15a-Vereinbarung, dieser Bund-Länder-Vereinbarung für mehr Gewaltschutzmittel und Schutzunterkünfte für Frauen


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und Kinder zwar ein kleiner Schritt gesetzt, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

Das ist begrüßenswert, insbesondere, dass es sich, wie es sich abzeichnet, da um eine Konsensmaterie handeln wird, dass ein gemeinsames Zeichen gesetzt wird. Das ist in dieser erschütternden Ausgangslage absolut erfreulich und begrüßens­wert. 90 Plätze für Frauen und ebenso viele für Kinder sollen mit diesen Mitteln geschaffen werden, inklusive Betreuung und psychosozialer Beratung für Frauen und Kinder, die ja oft traumatisiert sind, gerade wenn sie Gewalthandlungen gegen die eigene Mutter mitansehen mussten.

Ich möchte auch in Erinnerung rufen, dass Österreich insbesondere in den Neun­zigerjahren und in den Folgejahren in Sachen Gewaltschutzgesetze als Vorbild­land gegolten hat. Mit Frauenministerinnen wie einer Johanna Dohnal, einer Barbara Prammer, um nur einige zu nennen, wurden europaweit die ersten Gewalt­schutzgesetze auf Schiene gebracht, mit dem revolutionären Ansatz des Weg­weiserechts, das heute Betretungs- und Annäherungsverbot heißt.

Das Prinzip dahinter lautet, dass die gewalttätige Person weggewiesen wird und nicht das Opfer das gewohnte Umfeld verlassen muss. In der Praxis sieht es dann aber doch oft so aus, dass die Eigentumsverhältnisse oder auch die Sicher­heitsverhältnisse genau dieses Prinzip nicht zulassen und es eben gesicherte Unterkünfte für die Opfer braucht.

Je nach Sicherheitsbedürfnissen gibt es ein abgestuftes System, beginnend mit den Frauenhäusern, die quasi fast Hochsicherheitstrakte darstellen und höchste Sicherheitsstandards bieten. Sehr oft sind die Adressen dieser Häuser bewusst gar nicht bekannt, um eben ein weiteres Nachverfolgen der Opfer zu verhindern. Solch ein Aufsuchen eines Frauenhauses ist natürlich ein ganz gravierender Schritt, weil die Frauen und eben auch die Kinder ihr gewohntes Umfeld verlassen müssen, in dem gerade die Kinder in die Schule gehen, wo sie ihren Freundeskreis haben.


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Die Steiermark ist deshalb schon sehr früh den Weg einer regionalen Versor­gung mit Schutzwohnungen, mit Übergangswohnungen möglichst in allen Regionen gegangen. Da kann sich die Salzburger Landesrätin einiges an Best-Practice-Beispielen anschauen – das würde ich auch sehr empfehlen –, weil sich genau dieser regionale Ansatz und die Anbindung an Frauenberatungs­stellen, die durch ihr qualifiziertes Personal Frauen und Kinder in dieser Ausnah­me­situation auch bestens betreuen können, sehr, sehr bewährt haben. Da ist es natürlich sehr, sehr begrüßenswert, dass dieses langjährige Engagement nun auch bundesseitig stärker unterstützt wird und so auch ausgebaut werden kann.

Wir in der Steiermark haben auch einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für Gewaltopfer, und auch da wäre es wünschenswert, dass dieser Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe auf Österreich ausgedehnt werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist nämlich gerade in Zeiten wie diesen notwendig – der Bedarf steigt leider stetig –, wie uns das besonders derzeit aus diesen Einrichtungen auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgeteilt wird: Insbesondere die gestiegenen Lebenshaltungskosten – vor allem fürs Wohnen, für Lebensmittel, für Energie – veranlassen immer mehr Frauen, an belastenden Beziehungen, an problema­ti­schen Beziehungen, ja, auch an Gewaltbeziehungen festzuhalten, und der finanzielle Druck – das wird auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgeteilt – sei sehr oft Auslöser für Konflikte und auch für Gewalthandlungen.

Deshalb sind insbesondere Maßnahmen zu Gleichstellung und Lohngerechtigkeit und auch der Kampf gegen die Teuerung Gewaltprävention im weiteren Sinne. Auch das muss in Zeiten wie diesen in Erinnerung gerufen werden: dass hier unglaublich viel zu tun ist, weil die Bevölkerung mit den Belastungen des Alltags einfach nicht mehr zurande kommt.

Was Gewaltprävention im engeren Sinn angeht: Auch dort muss noch viel, viel mehr geleistet werden. Gewaltprävention muss schon in frühester Jugend


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vermittelt werden. Gewaltfreie Konfliktlösung muss am besten schon in der Schule vermittelt werden (Ruf: Kindergarten!), idealerweise durch einen Ethikunterricht für alle. Es muss einfach wirklich in Fleisch und Blut übergehen, wie man friedlich, gewaltfrei Konflikte löst, und diesbezüglich ist noch einiges zu tun. Da sind natürlich alle gefragt, das ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, es ist aber vor allem ein Auftrag an die Politik.

Darüber hinaus muss alles daran gesetzt werden, dass die Istanbulkonvention zum Gewaltschutz auch in Österreich vollumfänglich umgesetzt wird – mit mehr Geld für Gewaltschutz. Die Frauenberatungsstellen und Gewaltschutzzentren haben es ja ausgerechnet: 228 Millionen Euro wären notwendig. Kollegin Eder-Gitschthaler hat ja auch angeführt, dass jede dritte Frau von Gewalt betroffen ist, und so erklärt sich natürlich auch dieser hohe Betrag. Es ist einfach dringend notwendig, die Frauen, potenzielle Gewaltopfer zu schützen, und dafür muss auch das notwendige Geld in die Hand genommen werden.

Wir sehen leider auch in der Praxis, dass viele – viel zu viele! – mutmaßliche Täter aus Mangel an Beweisen in einem Verfahren einfach unbestraft bleiben – oder es kommt erst gar nicht zu einem Verfahren –, und sie fühlen sich dann bestärkt. Da braucht es also dringend eine bessere Dokumentation durch Gewaltschutzambulanzen. Diese brauchen wir auch österreichweit flächendeckend, weil das ein unglaubliches Signal auch für die Opfer ist, die sich dann oft gar nicht trauen, sich zu wehren, weil sie der Ansicht sind, es werde ihnen ohnehin nicht geglaubt, weil sie Verletzungen nicht beweisen können. – Also auch da ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

Heute wird aber zumindest ein Hoffnung verheißendes Zeichen gesetzt, indem dieser gemeinsame Schritt gegen Gewalt hoffentlich dann auch wirklich einstimmig gesetzt wird, und dafür danke ich schon jetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

15.05


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte sehr.



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15.05.23

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es ist sehr schön, auch einmal zu einem Thema sprechen zu dürfen, bei dem wir alle in diesem Haus uns, glaube ich, einig sind, nämlich dass alles unternommen werden muss, um Gewalt an Frauen zu verhindern. Wir haben es heute schon zweimal gehört: Jede dritte Frau ist im Laufe ihres Lebens von Gewalt betroffen, und ja, jede Einzelne davon ist eine zu viel. Diesen Frauen muss man natürlich helfen, und ja, es ist auch zu begrüßen, dass diese Schutzunterkünfte jetzt weiter ausgebaut werden sollen.

Eines würde ich mir darüber hinaus noch wünschen, nämlich dass die Täter die volle Härte des Gesetzes trifft. Ich glaube, damit kann man auch eine abschreckende Wirkung erzielen.

Wir haben es heute schon gehört: 16 Femizide gibt es bereits im Jahr 2023. Was ich heute jedoch noch nicht gehört habe – und das sollte man aber auch nicht vergessen –: Bei diesen 16 Femiziden waren 25 Prozent keine österreichi­schen Staatsbürger; wie viele keine geborenen Österreicher gewesen sind, habe ich leider Gottes bei der Recherche noch nicht herausgefunden. Insgesamt kann man aber sagen, dass bei dem Delikt Gewalt an Frauen rund die Hälfte keine österreichischen Staatsbürger sind, und deswegen muss ich schon eines sagen: Diese Schutzhäuser zu bauen, das ist die eine Sache – ja, das ist wichtig –, man sollte in dieser Bundesregierung aber auch die Linie in vielen anderen Bereichen nachbessern.

Es gab 110 000 Zuwanderer im Jahr 2022, und da darf man schon auch sagen, dass das nicht lauter Atomphysiker und Raketenwissenschaftler, die heute am Arbeitsmarkt gut integriert sind, waren, sondern da ergibt sich wahrscheinlich auch noch das eine oder andere Problem. Man liest es ja immer wieder in den Medien – und ja, Frau Bundesminister, auch da müssen Sie nachschärfen –, und mir sind auch keine österreichischen Staatsbürger bekannt, die bei ihren Kin­dern – und ja, das ist auch Gewalt an Frauen – Genitalverstümmelungen


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vollziehen. Das sind in Masse genau diese Zuwanderer, Frau Bundesminister (Beifall bei der FPÖ), und ja, auch in diesem Bereich muss die Bundesregierung noch nachbessern.

Die heutige Gesetzesvorlage ist natürlich zu begrüßen und dieser werden wir auch zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.08


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


15.08.16

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen zu Hause! Um kurz auf meinen Vorredner von der FPÖ zu replizieren: Wir würden uns auch wünschen, dass genau bei dieser Problematik das Thema nicht auf die außerösterreichische Herkunft der Täter:innen reduziert wird, die diesbezüglich anteilsmäßig sogar relativ gering ist – vor allem auch im Vergleich zu den Menschen in Österreich.

Ich würde mir wünschen, dass die FPÖ die Förderung für Frauenhäuser nicht ablehnt, sondern dem in den Bundesländern zustimmt, dass sie im Europa­parlament für das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämp­fung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt stimmt, ich würde mir wünschen, dass sie für das Schusswaffenverbot für Gewalttäter stimmt, und so weiter (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ) – aber ich bin erstaunt und froh, dass Sie heute mitstimmen.

90 Prozent der Frauenmorde werden in einem vertrauten Umfeld von einem Ehepartner, einem Partner oder Freund verübt. 60 Prozent der Getöteten lebten mit dem Partner zusammen, und die Tat wird in den eigenen vier Wänden, die eigentlich Schutz bedeuten sollen, verübt.


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Wenn ein Mann eine Frau tötet, passiert das nie in einem Vakuum, sondern es passiert immer in einem Umfeld von Stereotypen und alten, gewaltvollen Männerbildern. Das Grundübel sind patriarchale Denk- und Handlungsweisen, die in Verbindung mit weiteren Stressfaktoren in Gewalt an Frauen, in Mordversuchen und schließlich in Mord enden.

Dabei wird die Frau vom Mann als Besitz gesehen und oft auch noch roman­ti­siert; und dagegen heißt es vorzugehen, denn wenn dieses Besitzdenken in extreme Eifersucht und Kontrollmanie mündet, wird es gefährlich. Wird dieser Besitz nämlich brüchig, weil die Partnerin selbstständig sein will oder sich gar trennen will, eskaliert es – genauso wenn die Rolle des starken Mannes, der alles selbst lösen soll, brüchig wird, weil er überfordert ist und vielleicht zusätzlich psychosoziale Hilfe bräuchte, sie aber verweigert. Auch dann eskaliert es allzu oft, dann kommt es zu Gewalt gegen Frauen, die oft in Mord enden kann.

Die Studie, die auch schon erwähnt wurde, listet die zum Tod führende Gewalt auf: schlagen, stechen, würgen, schießen, ersticken, treten, ertränken, ver­brennen, der Freiheit berauben und vergewaltigen – das sind die Tötungsmetho­den an Frauen in den letzten zehn Jahren. Daher müssen wir hier früher tätig werden.

Damit komme ich zu einem wichtigen Punkt: Nicht einmal 20 Prozent – wir haben es von Kollegin Eder-Gitschthaler gehört – der getöteten Frauen haben vor der Tat bei der Polizei Hilfe gesucht, obwohl sie schon lange von Gewalt betroffen sind. Aber über Gewalterfahrung zu sprechen ist immer noch mit Scham besetzt. Wir haben es gehört: Ein Drittel der Frauen ist von Gewalt betroffen. Wer von uns würde sich so leicht tun und darüber reden? Und warum? – Weil Frauen noch immer zu wenig geglaubt wird oder weil ihnen vorgeworfen wird, selber schuld zu sein, sich nicht gegen die Gewalt gewehrt zu haben und den gewalttätigen Mann nicht verlassen zu haben; aber schuld ist der gewaltausübende Täter, nicht die Ermordete. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)


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Wir wissen, viele Frauen können nicht einfach gehen, weil sie finanziell abhängig sind, weil sie sozial isoliert sind und bedroht werden und oft schon so einge­schüchtert wurden, dass sie schlichtweg Angst haben, zu gehen. Und genau das, nämlich der Frau die Schuld an der Gewalt gegen sie zu geben, ist Auswuchs patriarchalen Denkens. Daher ist es wichtig, opferzentriert zu arbeiten. Genau das ist jetzt der verstärkte Fokus der Regierung.

Die Justizministerin hat zum Beispiel nicht lockergelassen und hat gemeinsam mit dem Sozialminister, der Familienministerin und dem Innenminister schon einiges im Opferschutz zuwege gebracht. Zum Beispiel: Das Budget für Mädchen- und Frauenberatungsstellen wurde signifikant erhöht, genauso wie für  Informationskampagnen über Unterstützungsangebote. Bessere Aufklärung, Ausbildung und Sensibilisierung der Richter:innen und der Polizei sind nötig, da noch immer zu oft Aussage gegen Aussage steht und zu wenige Zeug:innen richtig einvernommen werden. Wir erinnern uns: Nur 10 Prozent der Anklagen wegen Gewaltdelikten an Frauen enden mit einem Urteil. Das darf einfach nicht sein.

Daher wurden 700 zusätzliche speziell dafür ausgebildete Polizist:innen eingesetzt, um als sensibilisierte Erstansprechpersonen auf den Polizeistationen für die Frauen da zu sein, nämlich um ihnen Schutz, Raum und Zeit zu vermitteln, damit sie gut und ausführlich aussagen können, und um sie über die Unter­stüt­zung von Opferschutzeinrichtungen aufzuklären. Das ist so wichtig, um Beweise rasch und umfassend zu sichern.

Das alles braucht es, damit eben nicht mehr 90 Prozent der Strafverfahren bei Gewaltdelikten an Frauen wegen mangels an Beweisen eingestellt werden müssen, denn je mehr gut ermittelte Verfahren und Urteile es gibt, desto mehr stärkt das die Prävention und desto weniger Gewalttaten und Morde wird es geben.

Genauso hat die Justizministerin gerade angekündigt, Gewaltambulanzen einzurichten. Diese sind besonders wichtig, um Verletzungen möglichst


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niederschwellig zu dokumentieren, um sie in einem späteren Verfahren wiederum als Beweis verwenden zu können. Auch Fallkonferenzen – damals von Innenminister Kickl abgeschafft – finden wieder statt. Diese sind im Zusam­menhang mit der Vermeidung weiterer Gewalt wichtig und sie werden nun verstärkt eingesetzt.

Auch der Sozialminister hat Schritte gesetzt, indem zum Beispiel das Zivilcourageprojekt Stop – Stadtteile ohne Partnergewalt gefördert wurde. Das ist ein Nachbarschaftsprojekt, das hilft, Gewalt zu erkennen und Hilfe anzubieten. Auch das fördert Zeugenschaft und kann Gewalt verhindern. Ich würde mich freuen – hier schaue ich zur SPÖ –, wenn es auch in allen Wiener Gemeindebezirken umgesetzt werden würde. (Bundesrätin Schumann: Geh!)

Und ja, es braucht permanente Kampagnen, die Männer adressieren und auf Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten hinweisen. Auch das ist schon passiert und wird weiter verfolgt.

Heute beschließen wir die 12 Millionen Euro Zweckzuschuss für die Länder für die nächsten vier Jahre. Mit diesen sollen – wir haben es gehört – betreute Plätze für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder in Schutzwohnungen zur Verfügung gestellt werden, und darüber hinaus – und das ist ein wichtiger Punkt – sollen zusätzliche 22 000 Stunden für Beratung und Betreuung pro Jahr finanziert werden. Das ist wichtig. Das ist extrem wichtig, denn Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind, haben oft nicht die Möglichkeit oder die Kraft, aus dieser Gewaltspirale in den eigenen vier Wänden auszusteigen.

Da sind die Sensibilisierung von Polizei und Gerichten, wie ich es gesagt habe, sowie die Hilfe durch die Opferschutzeinrichtungen und diese Schutzwoh­nungen in den Frauenhäusern oder auch woanders so wichtig. Ich möchte hier unserer Präsidentin Arpa danken, die nämlich – ich habe das gestern erfahren – ein Frauenhaus leitet. Bitte diesen Dank auch allen anderen, die


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diese Frauenhäuser leiten, ausrichten! Vielen Dank für diese wichtige Arbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Sie ist nämlich deswegen so wichtig, weil sie den Frauen Sicherheit gibt, weil sie sie über ihre Rechte und Möglichkeiten aufklärt, und vor allem, weil sie ihnen Zeit zum Durchatmen gibt. Das ist ein wesentlicher Punkt, denn die Frauen bekommen dort auch ein wenig mehr Zuversicht – Zuversicht, dass sie es schaffen können, aus der Gewaltspirale auszusteigen, und Kraft, ein selbst­bestimmtes Leben ohne Gewalt beginnen zu können.

Und ja, Frau Kollegin Grossmann, da braucht es mehr leistbaren Wohnraum – das sehen wir auch so –, damit sie nicht zum gewaltbereiten Mann zurückkehren müssen.

Aber der Auftrag, den wir alle hier mitnehmen können, ist, die männlichen Rollenbilder, die Gewalt fördern, aufzubrechen und andere Männlichkeitsbilder in die Köpfe der Menschen zu setzen (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel) und sie auch erstrebenswert zu machen, denn wir brauchen keine vermeintlich starken Männer. Wir brauchen Männer, die mitfühlen und sich einfühlen können, die sich kindlich freuen, aber auch verzweifelt weinen können, die über Gefühle und Probleme reden, die, wenn sie überfordert sind, Hilfe suchen und die sich sorgen können. (Bundesrat Spanring: Das ist genau das Klientel, das ihr reinholt! Genau die Leute, die ihr reinholt!) Wir brauchen hier keine vermeintliche Normalität, sondern wir brauchen raschen Fortschritt in der Gleichberechtigung und im Hinter-uns-Lassen von gefährlichen Männerbildern. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Träumer!)

15.17


Vizepräsidentin Margit Göll: Sehr herzlich darf ich Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich unsere Präsidentin Mag. Claudia Arpa. – Bitte.



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15.18.14

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Bundesminister! Da das ja ein Thema ist, mit dem ich schon längere Zeit beschäftigt bin und das eigentlich auch meine Arbeit betrifft, habe ich mir gedacht, jetzt melde ich mich einfach spontan zu Wort, weil es, glaube ich, wichtig ist, dass man einmal die Frauenhausarbeit in den Fokus rückt.

Frauenhausarbeit bedeutet ja – und wir haben schon ganz viele Vorredner:innen gehabt, die hier schon viele Themen angesprochen haben –, dass Frauen aus einer Notsituation heraus in ein Frauenhaus kommen. Das heißt auch, dass wir schauen müssen: Was brauchen die Frauen? Was brauchen die Kinder? Das heißt aber auch, dass wir, bei hoher Gefährdung, einen Notfallplan entwickeln müssen. Und manchmal bedeutet das auch für die Frauen, dass sie das Frauen­haus nicht verlassen können, weil die Gefahr zu groß ist. Dessen muss man sich einfach bewusst sein und man muss sich auch dessen bewusst sein, dass es für eine Frau, wenn sie in ein Frauenhaus einzieht, der letzte notwendige Schritt ist, den sie setzt, um der Gewalt zu entkommen, denn bis dorthin hält sie sehr viel aus und bis dorthin muss sie einfach schauen, wie sie ihr Leben meistert.

Wir arbeiten dann mit den Frauen. Wir schauen, was sie brauchen, was die Kinder brauchen. Es gibt dazu natürlich immer Angebote, wo es hingehen soll. So gesehen bin ich sehr dankbar, dass es die Möglichkeit gibt, diese Wohnungen auch zu bekommen, weil wir einfach gemerkt haben, dass das wichtig und notwendig ist. Bei uns in Kärnten kann eine Frau einen Frauenhausplatz für ein Jahr bekommen. Es gibt aber andere Bundesländer, wo das nur ein halbes Jahr möglich ist, weil die 15a-Vereinbarungen so sind. Man fragt: Wie lösen das die Länder? Nochmals: Wir haben in Kärnten die Möglichkeit, einen Frauenhausplatz für ein Jahr zur Verfügung zu stellen, andere Bundesländer eben kürzer, und es geht auch hier immer um die Finanzierung.


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Wenn eine Frau zum Beispiel zu Hause bleibt und keinem Beruf nachgeht, ist es halt oft schwierig, dass sie sich eine eigene Wohnung leisten kann, dass sie sich die Wohnung einrichten kann, dementsprechend sind diese Übergangs­woh­nungen echt eine gute Idee – vielen Dank dafür. Wir haben ja jetzt in Kärnten sechs Plätze bekommen; ich habe gerade die Unterlagen gesehen.

Was es aber auch noch braucht – das wurde ja von den Vorrednerinnen und vom Vorredner teilweise angesprochen –, ist ein guter Umgang mit den Menschen, die von Gewalt betroffen sind. Es ist ja nicht so selbstverständlich, dass man sich outet – ich sage einfach einmal: outet –, dass man sich Hilfe holt. Ich glaube, dass es oft versteckte Gewalt gibt. Menschen, die wissen, dass ich in einem Frauenhaus arbeite, vor allem auch Frauen, sagen mir dann ganz häufig: Boah, mir ist das auch passiert! – Da wird mir ganz oft gesagt: Wie schwer es war, sich da rausschälen zu können – oft durch die Familie, aber manchmal gibt es eben keine Familie, und dann braucht es diese Rahmenbedingungen, die wir jetzt schaffen.

Vielleicht noch einen kleinen Sidestep zur Finanzierung: In Kärnten haben wir eine gute Finanzierung aufgestellt, aber es gibt natürlich auch Frauenhäuser, bei denen das noch nicht so der Fall ist. Ich würde bitten, dass man da einfach einmal gut hinschaut und das auch noch löst. Weil die Frauenhausplatz­diskus­sion auch immer eine ist, die häufig geführt wird: Wir haben aus meiner Sicht in Kärnten genug Frauenhausplätze, aber andere Bundesländer sollten natürlich nachziehen.

Ich sage noch einmal herzlichen Dank für die Unterstützung; danke auch dafür, dass wir die Möglichkeit haben, Frauen zu unterstützen. Natürlich wäre es wichtig, dass wir das Bild, wie man miteinander in der Gesellschaft umgeht, ändern. Es wurde heute auch schon angesprochen: Wenn man eine Frau nicht als seinen Besitz sieht, wenn man Frauen wertschätzt, dann gibt es auch die Möglichkeit, gut miteinander auszukommen. Es darf heute sein, dass Frauen arbeiten, es darf auch sein, dass Frauen selbstständig sind, und es darf auch sein,


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dass Frauen das Leben haben können, das sie gerne haben wollen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

15.22


Vizepräsidentin Margit Göll: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Bundes­ministerin MMag. Dr. Susanne Raab. – Bitte.


15.22.22

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich möchte da anfangen, wo Sie, Frau Präsidentin, gerade aufgehört haben: Wir alle wollen, dass Frauen in Österreich selbstbe­stimmt leben können. Die Grundvoraussetzung für die Selbstbestimmung ist einerseits die finanzielle Unabhängigkeit und andererseits, ein gewaltfreies Leben zu führen, und deshalb haben der Gewaltschutz und die Maßnahmen, die wir in der Bundesregierung für den Gewaltschutz setzen, für uns oberste Priorität.

Als ich als Frauenministerin angelobt wurde, habe ich in meinem Ressort eine Situation vorgefunden, die sich wie folgt dargestellt hat: Wir hatten grundsätz­lich gute gesetzliche Maßnahmen. Österreich ist in der Legistik Vorreiter im Gewaltschutz, es hatte das erste Gewaltschutzgesetz überhaupt. Bis heute reden mich Ministerkolleginnen aus anderen europäischen Ländern auf unser Gesetz an. Es ist nach wie vor beispielgebend.

Ich habe aber eine Situation vorgefunden, in der die Gewaltschutzzentren chronisch unterfinanziert waren, die Frauen- und Mädchenberatungsstellen über viele Jahre finanziell ausgehungert wurden, die Familienberatungsstellen detto. Wir haben eine Situation vorgefunden, in der es überhaupt keine sicherheits­polizeilichen Fallkonferenzen mehr gegeben hat, die so wichtig sind, vor allem um Hochrisikofälle zu identifizieren. Es hat in den Bundesländern wenig Zusammenarbeit zwischen den Polizistinnen und Polizisten, den Gewaltschut­zein­richtungen, auch den Bildungsdirektionen und der Justiz gegeben.


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Deshalb haben wir in den letzten Jahren viel Arbeit gehabt. Wir haben das Frauen­budget mehr als verdoppelt und sohin die Gewaltschutzzentren in Österreich ausfinanziert. Das Budget von Frauen- und Mädchenberatungsstellen haben wir um 33 Prozent erhöht und somit sichergestellt, dass die Frauen und Mädchen, egal mit welchem Anliegen sie sich an ihre Stelle in ihrer Region wenden, auch Unterstützung finden. Wir haben die Zahl der sicherheitspolizei­lichen Fallkon­ferenzen vervierfacht, von 57 auf 209 im vergangenen Jahr.

Wir haben – das war mir so wichtig – einen auch parteiunabhängigen Schulter­schluss in gewissen Dingen zustande gebracht, in der Regierung sowieso, denn Gewaltschutz kann nicht allein aus dem Frauenministerium heraus gestemmt werden. Es braucht alle Ministerien, die sich diesem Thema widmen, von der Justiz über die Polizei und den Sozial- und Gesundheitsbereich. Mir war es wichtig, dass wir bei gewissen Themen einfach keine ideologischen Scheu­klappen haben, sondern die Hand auch zu allen Bundesländern und zu allen Landesrätinnen, die in diesem Bereich tätig sind, ausstrecken. Sie wissen, Frauen­häuser und der Betrieb der Frauenhäuser sind Sache der Bundesländer, aber dennoch war es mir wichtig, da zu unterstützen, gerade wenn es um den Ausbau von Schutz- und Übergangswohnungen geht.

Daher danke ich allen Landesrätinnen sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit bei dieser Bund-Länder-Vereinbarung. Es ist meines Wissens die erste, die wir jemals im Frauenbereich gemacht haben – das sagt mir zumindest meine Fachsek­tion. Deshalb denke ich auch, es ist ein Meilenstein im Sinne eines gemeinsamen Schulterschlusses für den Gewaltschutz in Österreich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte zu guter Letzt, auch inspiriert durch meine Vorrednerin, allen Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern in den Gewaltschutzzentren, in den Beratungs­einrichtungen zum Schutze von Frauen und ihren Kindern, von Familien, ein großes Dankeschön sagen. Sie alle leisten tagtäglich einen wertvollen Beitrag für unser Land und für den Schutz unserer Frauen und Kinder. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Sehr geehrte Damen und Herren, jede Frau, jedes Kind hat ein Recht auf ein gewaltfreies Leben, und: Eine Frau ist niemals schuld! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.26 15.26.39


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.27.245. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz geändert werden (2087 d.B. sowie 11286/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektro­nischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlas­sen wird sowie das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz) (3463/A sowie 11287/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


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Berichterstatterin zu den Punkten 5 und 6 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


15.28.10

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Juli 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden, eEltern-Kind-Pass-Gesetz, erlassen wird, sowie das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Juli 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Manfred Mertel. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 98

15.29.45

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Vizeprä­si­dentin Göll! Gestatten Sie mir, dass ich als Kärntner zuerst meiner Bun­desrats­präsidentin Claudia Arpa alles Gute wünsche: Du hast das bis jetzt sehr, sehr gut gemacht, und wir als Kärntner freuen uns, dass du uns weiterhin mit deiner Eloquenz begeistern wirst! (Bundesrat Buchmann: Du bist ein junger Charmeur!) Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte – von mir als Demokrat sehr geschätzte – Fraktionsvorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause beziehungsweise hier im Bundesratssaal!

Ich darf erstmals, Herr Bundesminister, zu einem Gesundheitsthema sprechen und möchte daher auch die Gelegenheit wahrnehmen, als Mitglied der älteren Generation den Tausenden Mitmenschen, die im Gesundheits- und Kranken­pflegebereich tätig sind, recht herzlich dafür zu danken, dass sie uns in den letzten Jahren und Monaten so zur Seite gestanden sind. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Ich konnte selbst erleben, dass die Gesundheit, die Bildung und auch die soziale Sicherheit für meine Persönlichkeitsentwicklung ganz besondere Faktoren waren. In diesem Zusammenhang ist es mir heute wichtig, in meiner Rede einen sehr anerkannten Mediziner und gleichzeitig auch den Fraktionschef der ÖVP hier im Hause, Herrn Dr. Kornhäusl, anzusprechen. Da wir davon ausgehen, dass Gesundheit etwas Wichtiges ist, möchte ich mit zwei Geschichten beginnen, die ich selbst erlebt habe.

Als ich mit 19 Jahren in Graz in einem Studentenheim wohnhaft war, konnte ich ein Gespräch von zwei Medizinstudenten wahrnehmen, wobei der eine, der aus Oberösterreich kam, gesagt hat: Eigentlich wäre ich lieber Bauingenieur, aber meine Eltern wollen, dass ich in der dritten Generation die Ordination übernehme! Im Gegensatz dazu gab es einen Kärntner, der mit großer Leidenschaft den


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Medizinberuf anstrebte und letztendlich auch ein erfolgreicher Mediziner gewor­den ist. Damals habe ich mich gefragt: Wer von den beiden könnte eigentlich für mich der bessere Mediziner sein? Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man für einen medizinischen Beruf immer eine große Leidenschaft haben muss.

Dieser Gedankengang verfolgte mich dann wenig später, Herr Dr. Kornhäusl, als ich in der Mannschaft des GAK in der Bundesliga spielte (Beifall der Bundes­rät:innen Kornhäusl, Miesenberger und Neurauter) und plötzlich feststellte, wie wichtig die Gesundheit für mich ist, denn damals war es so: Wenn man sich einmal eine Verletzung zugezogen hatte, musste man sehr, sehr weit fahren, um die entsprechende qualifizierte Betreuung zu bekommen. In der Zwischenzeit war natürlich der Platz in der Mannschaft weg. Sowohl der Spieler hatte Nachteile als auch unter Umständen der Verein, weil beide ihre Ziele nicht mehr erreichen konnten.

In diesem Zusammenhang ist es, glaube ich, sehr wichtig, Herr Minister, Ihnen dafür zu danken, dass Sie beim Primärversorgungsgesetz wichtige Fortschritte erzielt haben und dass wir jetzt vielleicht wirklich von einer möglichen überdimensionalen Angebotsliste für jene sprechen können, die Gesundheit anstreben und mit ihrer Gesundheit dementsprechend wohlwollend umgehen wollen. Wir wissen, dass die Gesundheit auch für unser Bruttonational­ein­kommen von großer Bedeutung ist, denn je gesünder wir leben, desto leistungs­fähiger sind wir und desto mehr können wir auch zum Bruttoinlandsprodukt beitragen.

Das ist eine wichtige Voraussetzung in Zeiten wie diesen, denn wir werden von einer Teuerungswelle überwältigt, die vielleicht die Gefahr von psychischen Schäden aufkommen lässt, die dann auch entsprechend behandelt werden müs­sen. Deshalb ist es, glaube ich, sehr wichtig und zielführend, dass diese Primärversorgungszentren erweitert werden und dass dort rasche und ziel­orientierte Behandlungen angeboten werden.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 100

Trotzdem können wir nicht außer Acht lassen, dass wir mit einem Ärztemangel konfrontiert sind, und das ist eigentlich der direkte Bezug zu Herrn Dr. Kornhäusl, weil ich denke, Sie als Mediziner werden auch in Ihrer Umgebung feststellen, dass Ärzte fehlen, dass wir gemeinsam etwas tun müssen, um diesen Ärzteman­gel zu beheben beziehungsweise in Angriff zu nehmen. Wenn wir die Gesund­heit neben unserer Bildung als wirklich wichtige Säule empfinden, so ist es ganz, ganz wichtig zu erkennen, und da wird mir vielleicht auch Frau Kollegin Eder-Gitschthaler recht geben, dass die ältere Generation – vor allem die ältere Generation in ländlichen Gegenden – große Sorgen hat, ob sie noch entsprechend versorgt werden kann. In den ländlichen Gegenden haben wir es auch damit zu tun, dass die Verkehrserschließung nicht optimal ist; vor allem aber geht es darum, dass es dort eine optimale Gesundheitsversorgung geben muss.

Ich glaube, dass diese Primärversorgungszentren, Herr Bundesminister, ein guter Ansatz sind, da 70 Prozent der Patient:innen dort vernünftig und rasch behandelt werden können. Ich glaube, dass es notwendig war, Erleichterungen bei den Neugründungen zu schaffen und dass auch die Bestellung und das Auswahlverfahren erleichtert wurde, und vor allem, dass diese koordinierte Behandlung von Menschen, von Patienten eine notwendige Stütze ist, um die Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen.

Wie gesagt sind wir noch lange nicht am Ende. Wir müssen den Ärztemangel gemeinsam bekämpfen beziehungsweise junge Menschen motivieren, dass sie diesen Beruf ergreifen. Ich habe mir damals als Student gedacht, Herr Dr. Kornhäusl, dass die Medizinstudenten sehr verantwortungsbewusste und belastbare Studenten sind, die eine große Lernbereitschaft haben und Durchhaltevermögen vorweisen, und vor allem ein großes analytisches Denkver­mögen haben. Ich glaube, wenn uns unser Staat und unsere Mitmenschen nach wie vor am Herzen liegen – und wir bekennen uns ja zum republikanischen Prinzip; da steht der Staat im Mittelpunkt –, dann müssen wir gemeinsam etwas tun und auch den Bundesminister dabei unterstützen, gegen den Ärztemangel Widerstand zu leisten.


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Aus diesem Grund bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Dr. Manfred Mertel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, endlich Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel umzusetzen. Insbesondere sollen

- die Aufnahmekriterien zum Medizinstudium verändert werden

- eine Verpflichtung, nach der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für einige Jahre tätig zu sein, muss zu einer Bevorzugung für die Erlangung eines Studienplatzes führen

- das ,Modell Landarztquote‘ aus Deutschland soll für Österreich adaptiert und eingeführt werden

- und zusätzlich sollen die Medizinstudienplätze verdoppelt und den Univer­sitäten das entsprechende Budget zur Verfügung gestellt werden.“

*****

Zusammenfassend darf ich Ihnen mitteilen, dass wir wirklich von einem Mangel an Allgemeinmedizinern sprechen müssen, während gleichzeitig die Zahl der Wahlärzte zunimmt. Das wirkt sich natürlich so aus, dass wir in Zukunft vielleicht eher die Kreditkarte als die E-Card brauchen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.39


Vizepräsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Dr. Manfred Mertel, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend


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„Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen weiter in der Debatte. Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


15.39.51

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! In meiner Nachbargemeinde Vöckla­markt – (in Richtung Bundesrätin Eder-Gitschthaler) du kennst es eh gut, Andrea – gibt es ein Primärversorgungszentrum. Das ist kein Ärztehaus, das ist keine Ambulanz, es ist ein Primärversorgungszentrum. Als davon 2022 erstmals in der Zeitung stand, war es tatsächlich so, dass viele Menschen überhaupt gar nicht gewusst haben, was ein Primärversorgungszentrum ist.

Dieses Primärversorgungszentrum – oder wie man auch sagt: Primärversor­gungseinheit – ist eines von derzeit 44 in sieben Bundesländern. Das ist in Wirklichkeit nicht sehr viel, wo doch unser vorläufiges Ziel – ich sage bewusst vorläufiges Ziel – bei 121 bis 2025 liegt. Es sollten und es könnten auch wesentlich mehr sein, wenn nämlich auf der einen Seite die Wichtigkeit und der Vorteil für die medizinische Versorgung der Bevölkerung besser bekannt wären und auf der anderen Seite das Gesetz weniger bürokratische Hürden bieten würde. Zumindest die Hürden werden wir heute beseitigen.

Zur Wichtigkeit und zu den Vorteilen eines PVZ möchte ich jetzt ein wenig aus­führen: Was bedeutet Primärversorgungszentrum? – Primary health care heißt, dass alles, was wohnortnah und ambulant erbracht werden kann, auch dort erbracht werden kann und soll. Das bedeutet nämlich in der Praxis, dass die Menschen nicht sofort zu einem Facharzt gehen, dass die Menschen nicht sofort in eine Krankenhausambulanz gehen, sondern sich zuerst an den nächsten Ansprechpartner, die nächste Ansprechpartnerin vor Ort wenden und dort versorgt werden können. Das ist die Basis für eine abgestufte Versorgung und


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das hat tatsächlich in allen Ländern – wir haben es gestern auch im Ausschuss gehört –, in denen das schon praktiziert wird, insbesondere in den skandi­navischen Ländern, einen – ich möchte jetzt einfach einmal sagen – Turnaround im Gesundheitssystem gebracht. Auch die Wahrnehmung der Bevölkerung ändert sich dadurch.

Ich möchte aber jetzt tatsächlich noch bei meiner Nachbargemeinde Vöckla­markt bleiben, weil mich der Besuch des dortigen Primärversorgungszentrums wirklich schwer beeindruckt hat. Ich glaube, es ist auch ganz gut, wenn man in die Praxis geht und mit den Betroffenen dort spricht. Im Vorfeld, bevor ich dieses Primärversorgungszentrum besucht habe, habe ich mir natürlich die Homepage angeschaut. Dort liest man:

„Das PVZ Vöcklamarkt kümmert sich als Primärversorgungseinheit um die medizinische Grundversorgung für die komplette umliegende Region. Ein stetig wachsendes Team, bestehend aus Allgemeinmediziner*innen, Fachärzt*innen und gesundheitlichen sowie sozialen Expert*innen, steht für die ganzheitliche Gesundheitsbetreuung im Bezirk Vöcklabruck zur Verfügung. Unsere multipro­fessionelle Einrichtung mit Kassenvertrag ist die ideale niederschwellige Erstanlaufstelle im Gesundheitssystem mit gebündelter Kompetenz sowie einer großen Bandbreite an Schwerpunkten.“

So liest sich das auf der Homepage, aber was bedeutet das tatsächlich in der Praxis? Die Gemeinde Vöcklamarkt – das liegt schon einige Jahre zurück – hat sich entschlossen, ein neues Gemeindezentrum zu bauen. Dann kam auch sofort die Idee: Wenn wir ein neues Gemeindezentrum bauen, dann wäre es ja ganz klug, wenn wir auch für die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung sorgen! Dann wurde erst einmal ein Gebäude gebaut. Das ist natürlich, wenn man sich das anschaut – da komme ich vielleicht später noch dazu –, nicht der beste Weg gewesen, aber es jetzt nun tatsächlich so: Angegliedert an das neu errichtete Gemeindeamt im Ortszentrum befindet sich – super gut erreichbar – das neue PVZ mit drei Ärzt:innen, Therapeut:innen, und so weiter; in Summe sind es 32 Mitarbeiter:innen. Pro Tag – ich habe mich gerade noch einmal


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versichert – werden 300 Patient:innen und in Stoßzeiten sogar 400 bis 450 versorgt. Wir reden bei Vöcklamarkt von einem Ort mit etwas über 5 000 Einwohner:innen.

Was bedeutet umfassende Betreuung? – Das bedeutet, dort sind drei Allgemeinmediziner:innen verfügbar, es gibt Wundversorgung, dort werden kleine OPs gemacht. Es gibt aber auch weitere Therapiemöglichkeiten sowie eine angeschlossene Diätologin, es gibt dort eine Sozialarbeiterin, es wird Psychotherapie angeboten, es wird Ergotherapie angeboten. Verschiedene andere Sachen werden dort aber eben geteilt. Ach, es gibt sogar einen Self-Check-in – das fällt mir jetzt gerade noch ein –: Das ist total super! Es ist also höchst modern. Man kommt sich in diesem PVZ, alleine wenn man es nur besucht, wirklich gut aufgehoben vor.

Was ich eigentlich noch sagen wollte: Es gibt für diese PVZs verschiedene Organisationsformen, in Vöcklamarkt handelt es sich um eine GmbH. Die Finan­zierung für so ein PVZ wird von verschiedenen Stellen getragen, zum Beispiel von der Österreichischen Gesundheitskasse, die Ärztekammer trägt etwas dazu bei, das Land Oberösterreich trägt etwas dazu bei, der Bund trägt etwas dazu bei. Wir haben es gestern im Ausschuss auch diskutiert: Es gibt auch Startgelder aus EU-Förderungen.

Ich rede jetzt nur über Vöcklamarkt, aber ich glaube, das kann man schon auch machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Heiterkeit der Rednerin.)

Was sind eigentlich die Vorteile? Ich fand das wirklich ganz toll! Ich bin also extrem begeistert (Bundesrat Schreuder: Ja, man spürt es!) und ich will die Begeisterung aus dem Grund auch etwas teilen, weil es in Zukunft mehr PVZs geben sollte. Ich wünsche mir auch eines für Seewalchen, aber das ist eine andere Geschichte. (Beifall bei den Grünen.)

Die Vorteile – und das ist ganz toll – sind auch verlängerte Öffnungszeiten. Das heißt, man hat von Montag bis Freitag die Möglichkeit, auch als Berufstätige


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oder wenn man eben nicht abkömmlich ist, einen Arzttermin zu bekommen, was ja bei anderen Ärzten oftmals durchaus schwierig ist. Die Termine werden auch schnell vergeben, weil es einfach so gut organisiert ist.

Die Ärzt:innen und die Therapeut:innen arbeiten sozusagen Hand in Hand. Das kann man sich so vorstellen: Wenn ein Arzt eine Diagnose stellt und feststellt, dass es wichtig wäre, Physiotherapie zu bekommen, wird gleich im Haus der nächste Termin ausgemacht; das geht Hand in Hand. Vielleicht ist auch das gar kein so ein schlechtes Beispiel: Wenn festgestellt wurde, dass aufgrund eines falschen Essverhaltens gewisse Krankheiten aufgetreten sind – ich rede da jetzt speziell über Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette –, dann gibt es direkt im Haus eben die Diätologin, die in mehreren Terminen auch Beratungen durch­füh­ren kann.

Und es gibt eine Feedbackschleife im Haus: Das heißt, jedes Mal, wenn dort etwas an eine Physiotherapeutin, an eine Diätologin weiter verordnet wird, hat der Arzt, die Ärztin die Möglichkeit, über die Feedbackschleife auch noch einmal die Wahrnehmung zu äußern, ob das jetzt die richtige Behandlungs­methode ist.

Die Ärzte können sich auch eine zweite Meinung einholen. Dadurch, dass im Team gearbeitet wird, kann man sich schnell noch einmal beraten. Das ist eben aufgrund der gemeinsamen Struktur möglich. Die gemeinsame Struktur beinhaltet auch, dass es nicht für jeden einzelnen Arzt diese Verwaltungsmüh­sale gibt, sondern dass die Verwaltung zentral abgewickelt wird. Es ist auch möglich, dort Teilzeitarztstellen zu etablieren, und – was auch noch dazu kommt, was gar nicht so schlecht ist – es gibt einen enge Kommunikation mit der Gemeinde, insbesondere zum Beispiel im Zusammenhang mit der Aktion Gesunde Gemeinde. Es werden dort gemeinsam mit der Gesunden Gemeinde Vorträge organisiert. Das heißt, es ist eine ganz runde Sache.

Es war dann natürlich auch sofort meine Frage: Wie schaut es denn mit einer Communitynurse aus? Ist das nicht sozusagen eine Punktlandung, die


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Communitynurse auch noch in das System hineinzubringen? Da wurde mir gesagt: Ja, es ist total schade! Das haben wir leider in Vöcklamarkt jetzt nicht, aber wir werden uns aufgrund der vielen Vorteile bald darum bemühen, auch eine Communitynurse zu bekommen. Was aber jetzt schon möglich ist, ist die Integration der mobilen Hauskrankenpflege. Das ist meiner Meinung nach auch ein ganz wichtiger Aspekt.

Dann habe ich mit einer jungen Ärztin dort gesprochen, die gesagt hat, erst dass sie in dieses Team im Primärversorgungszentrum integriert ist, hat sie motiviert, diesen Kassenvertrag zu nehmen, weil eben dadurch die Verantwortung geteilt ist und eine wesentlich bessere Work-Life-Balance möglich ist.

Was auch noch interessant ist: Aufgrund der großzügigen Räumlichkeiten konnte man während der Coronazeit auch gewährleisten, dass eine Arztpraxis abgeschottet gewesen ist und infektiöse Patientinnen und Patienten den Warteraum nicht mit den anderen Patienten teilen mussten. Auch das geht nur, wenn man das entsprechende Raumangebot hat. Das ist in einem PVZ eben möglich.

Ich komme wieder auf das zurück, was wir heute beschließen. Wir bauen weiter bürokratische Hürden ab, die vielleicht die eine oder andere Ärztin, den einen oder anderen Arzt daran gehindert haben, sich zu diesem Schritt zu entschließen. In Zukunft wird es auch möglich sein, Kinderärzt:innen und Fachärzt:innen mit ins Boot zu holen. Da sind insbesondere Gynäkolog:innen sozusagen in den bevorzugten Reihen.

Also geht hinaus! Verbreitet die Botschaft als Bundesrät:innen! Macht Werbung für PVZs, damit wir vielleicht über die 121 kommen! Bei meinem Besuch, der den ganzen Vormittag gedauert hat – ich wollte eigentlich nur kurz dort bleiben, 1 Stunde oder so –, hat mir das so gut gefallen, dass ich jetzt eigentlich noch ein zweites Mal hinfahren könnte. Brecht sozusagen die Lanze in euren Kommunen! Es ist im Prinzip gerade mit dem Beschluss, den wir heute fassen, jetzt auch ganz einfach umsetzbar. (Lang anhaltender Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Ich bin noch gar nicht fertig, denn wir behandeln ja gerade zwei Tagesordnungs­punkte. (Heiterkeit der Bundesräte Schwindsackl und Tiefnig. – Bundesrat Spanring – erheitert –: Dann hätten wir ja auch geklatscht! – Bundesrat Steiner: Dann hätten wir mitgeklatscht! – Bundesrat Spanring: Dann hätten wir auch geklatscht, wenn du dann fertig gewesen wärst!)

Der nächste Tagesordnungspunkt, der eben auch noch dazukommt, betrifft den Eltern-Kind-Pass. Ich wollte jetzt eigentlich gar nicht so viel dazu sagen, aber dann ist mir eingefallen, dass ich ja auch drei Kinder habe (Heiterkeit der Rednerin) und diesen gelben Pass sozusagen ganz nostalgisch in einer Schachtel aufbe­wahre. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Da sind viele Informationen drinnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Es ist ganz wichtig, diesen Eltern-Kind-Pass jetzt auf die nächste Stufe zu heben. Allein wenn ich daran denke, wie oft damals mein Mann mit den Kindern zum Kinderarzt gegangen ist und er mit einem Mutter-Kind-Pass herumgelaufen ist, während wir in der heutigen Zeit eigentlich alles über Apps regeln – sogar meine Blutspende ist mittlerweile über die Mein-Blut-App geregelt –, finde ich es nur gut, wichtig und richtig, dass wir jetzt diesen Eltern-Kind-Pass einführen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Digitalisierung ist ein ganz wichtiges Hilfsmittel. Aufgrund der Digitalisierung des Eltern-Kind-Passes wird es in Zukunft auch nicht mehr problematisch sein, wenn ich irgendeinen Zettel, den ganzen Pass oder sonst irgendetwas verliere, weil alles in ein elektronisches Register eingetragen wird. (Bundesrätin Schumann: Na geh! Wow! Sehr gut! – Bundesrätin Grimling: Dann bin ich jetzt überzeugt!) Es werden damit ganz große Hürden abgebaut, nämlich auch in Bezug auf die Bei­hil­fen. Ich sehe daran gar nichts Schlechtes.

Nur um noch einmal auf die Nostalgie zu sprechen kommen: Wenn meine Töchter vielleicht in 30 Jahren eine noch innovativere Sache als diese App, als diesen digitalen Eltern-Kind-Pass, haben werden, dann wird man schon gar nicht mehr an das gelbe Heft denken. Ich denke, wir können uns darauf verständigen, dass


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das eine gute Sache ist, aber meine Kolleginnen werden - - (Bundesrat Spanring: Mutter-Kind-Pass! Bravo! Mutter-Kind-Pass! Und Töchter! Warum reden Sie von Töchtern? Das ist ja total gegen das Gendern! Kriegen die Söhne jetzt keine Kinder, oder wie?) – Na ja, ich sage einmal so (Heiterkeit der Rednerin): Wenn es möglich werden sollte, dass Männer Kinder kriegen, dann haben wir mit Eltern-Kind-Pass ja schon den richtigen Begriff gewählt. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Und die Schwarzen applaudieren mit!)

15.54


Vizepräsidentin Margit Göll: Nächste Rednerin: Sandra Gerdenitsch. – Bitte.


15.54.36

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuseher zu Hause! Frau Kollegin, a Laungs und a Broads täte man im Burgenland sagen; fürs Protokoll: ein Langes und ein Breites – viel reden, nichts sagen, Zeit schinden. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Hahaha!)

Der Mutter-Kind-Pass ist und war ein familienpolitischer Meilenstein, als er in den Siebzigerjahren eingeführt wurde. Wir Sozialdemokrat:innen sind aber äußerst skeptisch, was die Ausgestaltung der aktuellen Vorlage betrifft. (Zwischen­ruf des Bundesrates Spanring.) Wir werden dem heute zu beschließenden Eltern-Kind-Pass so nicht zustimmen.

Wie ernst uns dieses Thema ist, zeigt, dass Kollege Günter Kovacs, der aus gesundheitlichen Gründen heute eigentlich nicht dabei hätte sein können, heute da ist. Danke, Günter, dass du die Anliegen der Familien im Land so ernst nimmst! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Spanring und Doppler.)

Warum stimmen wir nicht zu? – Das ist ganz einfach: Die Umsetzung ist schlichtweg mangelhaft. Die Gesundheitsdaten von Frauen sind sensibel und schützenswert. Es bekommen immer noch die Frauen die Kinder. Den


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Schutz dieser hochsensiblen Gesundheitsdaten sehen wir als gefährdet an. Nunmehr haben 400 Familienberatungsstellen Zugriff auf den Eltern-Kind-Pass, weil sie als Gesundheitsdienstanbieter gelten. Auch die verpflichtende Elternberatung, die da so hereinschwebt, sehen wir problematisch. Es ist zu befürchten, dass man so zu einer Schwangerschaftsabbruchstatistik durch die Hintertür gelangt. (Bundesrätin Miesenberger: Wieso? Das wird ja nicht dokumentiert!) Das ist eine höchstpersönliche Angelegenheit jeder Frau. Da werdet ihr noch mit unserem massiven Widerstand zu rechnen haben.

Die weiteren Kritikpunkte neben diesen 400 Familienberatungsstellen, die als Gesundheitsdienstleister gelten: Nicht im Untersuchungsprogramm enthalten sind zum Beispiel so wichtige Vorsorgeuntersuchungen oder -behandlungen, die Logopäd:innen, Ergotherapeut:innen, Psycholog:innen oder auch Zahnärzt:innen anbieten. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Gerade die Coronapandemie hat uns gezeigt, wie wichtig gerade die psychologische Gesundheit ist. Mit dem Eltern-Kind-Pass wird eine weitere Gesundheitsdatenblackbox erstellt. Darin werden die Untersuchungsdaten von Schwangeren und Kindern 30 Jahre lang gespeichert. Das ist unverhältnismäßig – das muss ich Ihnen nicht sagen – und widerspricht dem Grundsatz der Datenminimierung.

Besonderer Dank gilt dem ÖGB, der in seiner Stellungnahme einen Grund­rechts­eingriff aufgezeigt hat. Dadurch hätten auch Daten zur psychischen Gesundheit von Müttern in den Eltern-Kind-Pass eingetragen und vom Vater abgerufen werden können. Gott sei Dank hat der ÖGB darauf beharrt, dass die Daten – vor allem zur psychischen Gesundheit der Mutter – nicht vom Vater einsehbar sind. Das ist nämlich ein wichtiger Erfolg für viele Frauen, vor allem, wenn es zu einer strittigen Trennung kommt, um etwa Missbrauch bei der Regelung der Obsorge zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Leistungen des Eltern-Kind-Passes sollen deutlich erweitert werden. Dafür sind wir eh, nur liefert das Gesetz dazu keine genauen Angaben. Der Umfang und die Art der ärztlichen Untersuchungen und Hebammenberatungen sind per Verordnung durch den Gesundheitsminister im Einvernehmen mit der


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Familienministerin festzulegen. Die Ermächtigungen sind zu weitreichend und vom Gesetz nicht ausreichend determiniert. Es ist nicht auszuschließen, dass künftig eine verpflichtende Elternberatung als Voraussetzung für den Kinderbe­treuungsgeldbezug in voller Höhe kommt.

Ganz nebenbei: Ganz ehrlich, glauben Sie wirklich, liebe Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und den Grünen, dass sich eine Änderung der Bezeichnung von Mutter-Kind-Pass auf Eltern-Kind-Pass tatsächlich positiv auf eine beabsichtigte stärkere Beteiligung von Vätern auswirkt und dann mehr Väter in Karenz gehen? – Das glaubt ihr ja selber nicht. Die Antwort ist: Nein. (Zwi­schenruf des Bundesrates Zauner.)

Wenn man dieses Ziel ernsthaft verfolgt, müssten viel mehr greifbare Maß­nahmen gesetzt werden, die wirklich helfen, etwa den Partnerschaftsbonus von derzeit rund 500 Euro auf 1 000 Euro pro Elternteil zu erhöhen, den Familien­zeitbonus zu erhöhen oder beispielsweise die Geldleistung während des Papa­monats auf die Höhe des fiktiven Wochengeldes anzuheben.

Auch Maßnahmen wie die kürzlich angekündigte Streichung von zwei Monaten Karenz für Mütter fördern die Väterbeteiligung absolut nicht. A long story short: Es gibt noch viel zu viele offene Fragen, deshalb werden wir dem Eltern-Kind-Pass in dieser Form nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte.


15.59.33

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen und auch hier im Saal! Ich möchte heute bei meiner Rede hier im Parlament den Anlass nutzen, zu Beginn


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zwei, nein eigentlich gleich drei Frauen ganz herzlich zu gratulieren. (Vize­präsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Zuerst möchte ich unserer neuen Präsidentin, Claudia Arpa aus Kärnten, ganz herzlich zur Amtsübernahme gratulieren. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) – Ich wünsche dir bei deinen künftigen Aufgaben eine gute Hand und vor allem viel Erfolg. Da bin ich mir sicher. Wir haben gestern schon einmal kurz über deine Ziele, deine Themen geplaudert, und ich bin wirklich guter Hoffnung, dass du die damit verbundenen Aufgaben sehr gut meisterst und wünsche dir alles, alles Gute. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Auch einer neuen Vizepräsidentin können wir heute zur Aufgaben- und Amts­übernahme ganz herzlich gratulieren. – Liebe Margit Göll, auch dir – wo ist sie jetzt?; ah, sie hat schon wieder den Platz verlassen – darf ich alles, alles Gute wünschen. Viel Erfolg, auch von unserer Fraktion! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Ich habe gesagt, zwei beziehungsweise drei Frauen möchte ich ganz herzlich gratulieren, passend zu diesem Tagesordnungspunkt, bei dem es um den Eltern-Kind-Pass, auch um Primärversorgungseinrichtungen, das Thema Gesundheit geht. Was liegt einem als Mutter eigentlich näher als die Gesundheit in der Familie, die Gesundheit der eigenen Kinder? Ich weiß das auch aus eigener Erfahrung. Ich habe drei erwachsene Kinder und darf mich freuen, in absehbarer Zeit, im Herbst, Großmutter zu werden. Ich weiß, wie sehr man sich als Frau das Thema Gesundheit zu Herzen nimmt. Wenn es um diesbezügliche Maßnahmen geht, unterstützen wir das natürlich gerne. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ebenfalls neuen Aufgaben und neuen Herausforderungen – und ich finde, das sind besonders schöne Aufgaben und Herausforderungen – darf sich unsere Kollegin im Bundesrat, Frau Prügl Barbara, stellen. Sie hat nämlich vor einigen Tagen ein Kind zur Welt gebracht, und sie kann sich jetzt gemeinsam mit ihrem Partner um den kleinen Sonnenschein in ihrer jungen Familie kümmern.


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Ich möchte hier herinnen im Bundesrat eine Lanze für uns Frauen brechen. Zum Thema, wenn man als Frau ein Kind bekommt: Gerade die ersten Tage und Wochen sind besonders herausfordernd, anstrengend. Ich verstehe, das können die Männer hier vielleicht nicht so nachempfinden und sich da hineinfühlen (Ruf: Wer?) – doch, das behaupte ich. (Bundesrätin Schumann: Dann sollte man sie nicht stressen!) – Genau, Frau Kollegin Schumann! Da sollte man ihnen auch die nötige Ruhe und Unterstützung gönnen, und sie sollten sich diese auch holen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir wünschen unserer Kollegin und der kleinen Familie von hier aus, aus dem Parlament, auf jeden Fall alles Liebe, Glück und vor allem Gesundheit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mutter sein, Vater sein, Eltern sein sind die schönsten Erfahrungen, die man in seinem Leben machen kann. Als Mutter, als Vater sieht man, spürt man ein Leben heranwachsen. Bereits im Mutterleib entsteht eine Verbindung, auch zum Vater, die später ganz essenziell und wichtig für die gesunde Entwicklung des Kindes ist. Ebendiese gesunde Entwicklung wird seit 1974, seit fast 50 Jahren, mit einem Mutter-Kind-Pass unterstützt.

Wir haben heute schon gehört: Das war wirklich eine der wichtigsten Unterstüt­zungsmaßnahmen, die ins Leben gerufen worden sind, um werdenden Müttern die Vorsorgeuntersuchungen, die gesundheitliche Unterstützung auch wirklich zukommen zu lassen. Sie sichert einen gut überwachten und sicheren Schwangerschaftsverlauf für die Mutter, andererseits aber auch früh­kindliche Gesundheitsversorgung und Vorsorgeuntersuchungen, die bereits im Mutterleib stattfinden.

Ich kann mich noch erinnern: Zu meiner Zeit waren das Ultraschallunter­suchun­gen, nach denen man das erste Foto mit nach Hause genommen hat. (Bun­desrätin Schumann: Also ein bisschen Inhalt wäre schon schön! Ein bisschen Inhalt!) Es war noch nicht selbstverständlich, dass die Väter dabei sein können. Wenn ich an meine eigene Mutter denke: Da war der Vater bei der Geburt sogar


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mehr oder weniger ausgesperrt. Er hat sich vor der Tür im Krankenhaus verab­schieden müssen, und die Mutter hat das wirklich gemeinsam mit der Hebamme durchgestanden. Für mich war es jedenfalls eine große Unterstüt­zung, als mein Mann bei allen drei Geburten anwesend war. Wir waren auch von den Hebam­men und Ärzten bestens versorgt.

Diese frühkindliche Gesundheitsversorgung im Mutterleib war wie gesagt anfangs eine Ultraschalluntersuchung. Wenn ich jetzt im Gespräch mit meiner Schwiegertochter bin: Fruchtwasseruntersuchungen, verschiedenste Untersuchungen werden jetzt gemacht, und man fühlt sich natürlich als junge werdende Mama schon sehr gut aufgehoben, wenn man sich auf so ein Gesundheitssystem und solche Vorsorgeuntersuchungen verlassen kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

50 Jahre: Natürlich hat sich in dieser Zeit sehr viel verändert, und es sind zeitgemäße Anpassungen im Mutter-Kind-Pass oder jetzt im Eltern-Kind-Pass notwendig geworden.

Was sind jetzt wirklich die wesentlichen Änderungen, die wir heute beschließen werden? – Wichtig ist einmal, dass die Leistungen für Mutter und Kind, die wir kennen, ausgebaut werden sollen. Das heißt, es soll einmal einen zusätzlichen Hebammentermin für die Mutter geben. Ich glaube, der Austausch zwischen Hebamme und Mutter ist ein besonders wichtiger Punkt, vor allem, wenn es darum geht, dass man Ängste und Sorgen, die natürlich eine Mutter, einen Vater, die werdenden Eltern betreffen, in einem Gespräch zumindest mildert, möglichst ausräumt, und dass beratend unterstützt wird.

Es soll auch einen verpflichtenden Hörtest für Säuglinge geben. Wenn ich mich an meine eigenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen erinnere: Da war das noch überhaupt kein Thema, und erst, wenn der Verdacht irgendwie gegeben war, ist man zu einer Untersuchung gegangen, das war im Rahmen der Leis­tun­gen im Mutter-Kind-Pass noch nicht vorgesehen. Ich halte das auf jeden Fall für eine gute und wichtige zusätzliche Leistung.


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Eine Weiterentwicklung ist zum Beispiel auch ein Familienberatungsangebot schon während der Schwangerschaft, vorgesehen zwischen der 22. und der 35. Schwangerschaftswoche, das – nicht verpflichtend – wahlweise von beiden Elternteilen in Anspruch genommen werden kann.

Aus meiner Sicht sehr wesentlich im heutigen Beschluss, damit die Leistungen für Mutter und Kind erhalten bleiben und ausgebaut werden können (Beifall bei ÖVP und Grünen), ist aber natürlich die Finanzierung. Seit über 30 Jahren ist eine Valorisierung der Leistungen an die Ärzte ausständig. Diese ist notwendig geworden. Die Verhandlungen waren sicherlich nicht einfach, sie haben sich über einen gewissen Zeitraum zugetragen. Trotzdem ist es jetzt möglich gewor­den, diese Leistungen künftig weiter anzubieten und auch zu erweitern. Das muss man wirklich in diesem Zusammenhang einmal sagen. Auch ein großes Danke an die Ärzteschaft! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Eine weitere Änderung ist die Überführung des Eltern-Kind-Passes in die elektronische Form, in den E-EKP. Das ist aus meiner Sicht eine wirklich vernünftige und wesentliche Erleichterung und Vereinfachung für die Eltern. Ich denke da auch an meine Schwiegertochter: Ich habe meinen Mutter-Kind-Pass immer bei mir gehabt, irgendwo in der Handtasche. Wenn ich bei Unter­suchungen war, bestand damit immer die Gefahr, dass ich ihn vielleicht irgendwo liegenlasse. Man darf ja den Stempel nicht vergessen, denn es geht natürlich auch um die Unterstützungsleistung, die mit der Durchführung jeder Untersuchung gesichert werden muss. Diese Gefahr ist mit dem elektronischen Pass doch wesentlich geringer.

Wenn es bezüglich der analogen Form, also des Heftchens, an dem so viele hängen, Bedenken gibt – das haben wir im Ausschuss schon diskutiert –: Man braucht keine Angst zu haben, denn die analoge Form bleibt vorerst noch bis 2026 erhalten. Und für jene, die nicht unbedingt eine App auf ihrem Smartphone installieren wollen, gibt es künftig die Möglichkeit, die persönlichen Informa­tio­nen über ein Webportal abzurufen; das funktioniert über einen


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einfachen Einstieg und man muss sich die App nicht herunterladen. (Bundesrätin Gerdenitsch: Schlusssatz, oder? Was ist mit Schlusssatz?)

Die Leistungen des Mutter-Kind-Passes oder Eltern-Kind-Passes sind uns auch in Oberösterreich ein großes Anliegen. Wir in Oberösterreich fördern zusätzlich die derzeit fünf Untersuchungen der Mutter und die fünf Unter­suchungen des Kindes mit 375 Euro und erhöhen diese Unterstützung ab 2023, also noch heuer, auf 405 Euro. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Aus oberösterreichischer Sicht begrüßen wir natürlich die im neuen Eltern-Kind-Pass vorgesehene Elternberatung. Dabei ist uns die richtige Kompetenzver­teilung wichtig. Gesundheitsthemen sollen auch künftig vom Gesundheitsan­bie­ter durchgeführt werden, gesundheitliche Themen sollen also vom Arzt und Familienthemen von den Familienberatungsstellen behandelt werden, damit Eltern und Kind gut versorgt sind und wirklich kompetent begleitet werden.

Noch ein Wort zur Umbenennung des Mutter-Kind-Passes in Eltern-Kind-Pass, was ja besonders die freiheitlichen Kolleginnen und Kollegen stört: Keiner Frau, keiner Mutter, die ein Kind unter ihrem Herzen trägt, können die damit verbundenen Gefühle und Emotionen nachempfunden oder auch abgenommen werden. Sie sollte aber getragen, begleitet und unterstützt werden. Dafür haben wir in unserer Gesellschaft ein bewährtes Modell: Unterstützung durch die Eltern – die Eltern der werdenden Mutter oder des Vaters –, die Familie und das soziale Umfeld. Sie haben auch Verantwortung zu übernehmen. (Ruf bei der SPÖ: Die Erbtante fehlt noch!)

Ja, als Österreichische Volkspartei stehen wir zum Begriff Eltern. (Bundesrätin Schumann: Aha, jetzt wird’s spannend!) Jedes Kind hat Eltern, und Elternschaft hat auch verschiedene Formen: sei es Vater und Mutter, Mutter und Mutter oder Vater und Vater. Diese Eltern sollten auch gemeinsam für ihr Kind Verantwor­tung tragen. Eltern und Kinder sind sozusagen eine Einheit, die Familie, und diese ist der größte Schutz für unsere Nachkommen und somit die Keimzelle für


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unsere Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Renommierte Studien belegen, dass jene Gesellschaften resilienter sind, in denen Eltern und Großeltern gemeinsam im Familienverband für die Kinder sorgen, und das ist heute wichtiger denn je. (Bundesrätin Schumann: Die Omas müssen jetzt länger arbeiten! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Abschließend noch ein Satz zum Beschluss über die Primärversorgungs­einrich­tungen (Bundesrat Reisinger: Eher noch drei Sätze!): Kollegin Claudia Hauschildt-Buschberger hat in emotionaler und wirklich begeisternder Art und Weise die Situation in einer ihrer Nachbargemeinden dargelegt, wo es eine dieser Primärversorgungseinrichtungen gibt. (Rufe bei der SPÖ: Ausführlich!) Sie hat von einer Einrichtung, von einem Zentrum gesprochen, in Oberösterreich gibt es bereits zehn. Das erste Zentrum in Oberösterreich haben wir 2017 etabliert und weitere vier sind in Umsetzung. In unserer Landeshauptstadt Linz soll bereits 2024 ein Kinderprimärversorgungszentrum in Betrieb gehen. Das ist natürlich eine sehr gute Entwicklung, weil man als Mama, als Papa, als Eltern dort dann eine erste Anlaufstelle speziell für die Anliegen und Themen von Familien hat. Wir begrüßen daher die Erleichterungen und werden den erfolg­reichen Weg, den wir in Oberösterreich eingeschlagen haben, auch weiter fortsetzen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Seitens der Bundesregierung wird sehr viel für die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems getan. Es sind noch weitere Beschlüsse geplant, es gibt noch viel zu tun. Ich denke da an die Ärzteausbildung – meine Vorredner haben schon erwähnt, dass es in dieser Berufssparte einen massiven Personalmangel gibt –, an die Kassenstellen, die wirklich zur Verfügung stehen. – Herr Minister, ich denke auch an den Großgeräteplan in der Bundes-Zielsteuerungskom­mission und an die geplanten MR-Geräte in unseren Bezirken in Oberösterreich, Grieskirchen, Kirchdorf und Freistadt. Ich bin überzeugt, dass wir da eine gemein­same, schnelle Lösung finden, und hoffe auf Ihre Unterstützung, Herr Minister.


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In diesem Zusammenhang, in diesem Sinne hoffe ich jetzt auch auf breite Zustimmung zu den beiden Tagesordnungspunkten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Das war die beste Rede ...!)

16.16


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.17.05

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Bei den Inhalten dieser zwei Tagesordnungspunkte habt Ihr euch schon die eine oder andere Grauslichkeit überlegt und sie da hineingepackt, muss ich sagen, und das, obwohl wir Steirer nach der ÖVP-Gesundheitspolitik der letzten Jahre oder besser gesagt nach dem gesundheitspolitischen Kahlschlag in der Steiermark schon einiges gewöhnt sind. (Bundesrat Kornhäusl: Da komme ich dann darauf zu sprechen!) – Du siehst das sicher etwas anders, aber das ist wahrscheinlich der Unterschied der Fraktionen. (Bundesrat Kornhäusl: 130 Millionen Euro!)

Ich kann aus der Steiermark nur erzählen, dass man Geburtenstationen geschlossen hat und damit das Leben von Kindern, von Menschen aufs Spiel setzt. Es ist eine gesundheitspolitische Geisterfahrt, die Ihr in der Steiermark hingelegt habt.

Wir sind aber nicht in der Steiermark, wir sind auf Bundesebene. Herr Bundesminister, auch bei Ihnen, bei den Grünen auf Bundesebene, schaut es im Gesund­heitsbereich ja auch nicht besser aus. Gerade mit diesen Primärver­sorgungszentren probiert man jetzt wieder einmal, den Bürgern ein X für ein U vorzumachen und lobt diese Primärversorgungszentren in den siebten Himmel. Was Sie aber dazuzusagen vergessen, ist, dass Sie damit die Hausärzte abschaffen wollen. Sagen Sie das doch dazu! Sagen Sie den Leuten, dass Sie damit die Hausärzte abschaffen wollen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Wer soll denn da arbeiten?)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 118

Sie wollen gar nicht mehr, dass unsere Bürger einen Arzt ihres Vertrauens haben, sie wollen Ihre Gesundheitsautobahnen installieren; und was sie ja ausge­schrieben haben: Bevorzugt sind diejenigen, die bereits einen Kassenvertragsarzt haben, diese Leute wollen Sie als Patienten für die Primärversorgungszentren abwerben. Was bedeutet denn das im Umkehrschluss? – Das bedeutet nichts anderes, als dass Sie den Hausarzt, den Vertrauensarzt weghaben wollen. In Zukunft können wir eine Gesundheitsautobahn betreten, auf der man mit dem Arzt sprechen kann, der gerade Dienst hat, aber seinen Vertrauensarzt hat man in Wirklichkeit nicht mehr.

Ich erinnere nur an Ihren Vorgänger, den mit Bomben und Granaten geschei­ter­ten Gesundheitsminister Mückstein. Der war ja auch in so einer Gesund­heits­autobahn drinnen, vielleicht sollten wir also den einmal fragen. Oder hat er dem Primärversorgungszentrum inzwischen auch schon den Rücken gekehrt? (Bundesrat Schreuder: Wir sind nicht auf Autobahnen, wir fahren auf Schienen!) – Sie könnten ihn ja fragen, Kollege Schreuder.

Apropos: Ist das Logo, das ich da auf Ihrem Anstecker sehe, nicht diskrimi­nie­rend? (Bundesrat Schreuder: Das ist eine Regenbogenfahne!) Da gibt es ja inzwischen neue Fahnen, denn das schließt ja schon Personen aus. Seid ihr bei den Grünen jetzt auch soweit, dass ihr bereits Personen ausschließt? (Bundesrat Schreuder: Das kann ich gern beantworten!) Da gibt es ja ein neues Logo, mit einem Dreieck drinnen, das dann vollumfänglich alles umfasst. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist anscheinend so, dass dieser Gesundheitsminister die österreichische Gesundheitsversorgung in Richtung eines bereits in der DDR gescheiterten Systems führen möchte. In diesem Zusammenhang darf ich auch einen Entschließungsantrag einbringen.


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zusätzliche Kassenvertragsstellen für Einzel- und Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärversorgungszentren“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgendes Maßnahmenpaket zur nach­haltigen Verbesserung der kassenvertragsärztlichen Versorgung im Zuge der Reform des Primärversorgungzentren-Systems beinhaltet:

1) Die sofortige Evaluierung und Überarbeitung des österreichischen Struktur­plans Gesundheit und der regionalen Strukturpläne Gesundheit, insbesondere betreffend die Anzahl und Verteilung der Kassenarztstellen im niedergelassenen Bereich unter Berücksichtigung der geplanten Primärversorgungszentren (PVEs).

2) Eine prioritäre Nachbesetzung der Kassenarztstellen im ländlichen Bereich und eine gesetzliche Verpflichtung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), freie Kassenarztstellen binnen zwölf Monaten nachzubesetzen, notfalls auch mittels zusätzlicher finanzieller Anreize.

3) Die Möglichkeit für zukünftige Fachärzte für Allgemeinmedizin, eigenver­antwortlich ein Primärversorgungszentrum zu gründen und alle anderen für diesen Standort notwendigen Ärzte und medizinischen Berufe (Pfleger, Therapeuten usw.) anzustellen.

4) die Einbindung der Wahlärzte in das kassenärztliche System, durch die Ermög­lichung der ‚Doppelbeschäftigung‘ als Wahl- und Kassenarzt durch die Vergabe von Halb- und Viertelverträgen an Wahlärzte, falls Kassenstellen in der jeweiligen Region anders nicht besetzt werden können.“


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*****

Das zum ersten Tagesordnungspunkt.

Es gibt aber noch einen weiteren Punkt da drinnen, ein zweites Gesetz, das hiermit abgehandelt wird, das Eltern-Kind-Pass-Gesetz.

Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger, du hast es daheim in der Schuhschachtel (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Ich habe nicht Schuhschachtel gesagt!), bei uns zu Hause liegt es in der Dokumentenmappe. (Bundesrat Schreuder: Warst du bei ihr zu Hause?) Es liegt deswegen in der Dokumentenmappe, weil das für alle Mütter – und zukünftig auch für die Kinder – einen besonderen Wert hat. Genau diesen Mutter-Kind-Pass wollen Sie jetzt abschaffen, Sie wollen ihn durch eine App ersetzen. Wisst ihr was? – Das ist ja ungefähr so, wie wenn ich bei der Erbschaft von der Tante eine eingescannte Perlenkette bekomme, die ich dann auf meinem Handy herumtragen kann. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Schreuder: Ich hab’s nicht verstanden, erklär es mir noch einmal!)

Das ist ein Dokument, das ist etwas, auf das alle Mütter stolz sind. (Beifall bei der FPÖ.) – Kollege Schreuder, du wirst wahrscheinlich nicht in die Verlegenheit eines Mutter-Kind-Passes kommen (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Eltern-Kind-Pass!), es ist ja grundsätzlich für die Mütter – und das ist gut so. Mit der Abschaffung und der Umstellung auf die App muss ich aber sagen: Na, herzlich willkommen im schwarz-grünen Österreich 2023! (Beifall der Bundesrät:innen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir kommt es schön langsam so vor, als wenn diese Regierenden so etwas Ähnliches wie eine Art Gegengesellschaft zur österreichischen Bevölkerung wären. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch wenn Sie die Umbenennung noch so gerne hätten, ich kann Ihnen nur sagen: Väter und Väter, Mütter und Mütter werden auch zukünftig biologisch keine Kinder bekommen können. Hören Sie endlich mit Ihrer Randgruppenpolitik auf! Machen Sie endlich Politik für unsere Österreicher! (Beifall und Bravorufe bei der


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FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Väter sind aber schon Österreicher, oder?) Machen Sie endlich Politik für unsere Österreicher. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn Sie das nicht können, treten Sie zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

16.24


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Zusätzliche Kassenvertragsstellen für Einzel- und Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärversorgungszentren“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrätin Schumann: 20 Minuten mit Inhalt!)


16.24.43

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Schauen wir, ob es sich in 20 Minuten überhaupt ausgeht (Bundesrätin Grimling: 17 Minuten! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), das ist noch nicht gesagt. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) – So ist es. Da seid ihr die Weltmeister. Wir können jetzt auch gern weiterplaudern, wir haben alle Zeit dieser Welt, überhaupt keinen Stress. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die eventuell über den Livestream zugeschaltet sind! Ja, es sind zwei wirklich spannende und wichtige Gesetze, um nicht zu sagen Meilensteine, die heute auf den Weg gebracht werden sollen. Zum einen geht es um die Primärversorgung, zum anderen um den Eltern-Kind-Pass.

Ich bin den Vorrednern und Vorrednerinnen, Claudia Hauschildt-Buschberger, auch Johanna Miesenberger sehr dankbar, die aus ihrem Umfeld, aus ihrer eigenen Erfahrung erzählt haben, wenn es darum geht – und das ist das, was wir wollen –, Dinge zu erleichtern, den Eltern-Kind-Pass ins 21. Jahrhundert zu


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überführen. (Bundesrat Spanring: Mutter-Kind-Pass!) Ich glaube, das ist nur gut und richtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte aber, bevor wir uns näher mit den Primärversorgungseinheiten und diesem Gesetz beschäftigen, schon ganz kurz auf die Ausführungen von Kollegen Leinfellner eingehen. Das verlangt allein schon mein steirisches Herz. Zu diesem derartigen Stumpfsinn, der vonseiten des Kollegen Leinfellner behauptet wird (Beifall bei ÖVP und Grünen), muss ich ehrlich sagen (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner): Ich bin mir nicht sicher, ob er die Medien nicht verfolgt oder wirklich selber – das, was er bei anderen bekrittelt – ein mangeln­des Zahlenverständnis oder ein mangelndes Verständnis für Zahlengrößen­ordnungen hat. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring. Bundesrat Leinfellner: Wenn ich zweieinhalb Mal ...!)

Lieber Markus Leinfellner, hör mir kurz zu, dann erfährst du es zumindest jetzt! Wenn du in den letzten 14 Tagen die Medien verfolgt hättest, hättest du auch mitbekommen, dass in der Steiermark das größte Personalpaket verabschiedet wurde, das jemals in dieser Republik verabschiedet worden ist: 130 Millionen Euro rein für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsberufen der KAGes, für unsere diplomierten Krankenschwestern, für Pflegeassistenten, Pflegefachassistenten, für unsere Ärztinnen und Ärzte, die ja in den letzten Jahren der Pandemie, aber nicht nur da, Großartiges geleistet haben.

Ihr sprecht ihnen das ja immer ab, ihr macht sie ja fast zu Mittätern. Es sind ja Kolleginnen und Kollegen von mir, Krankenschwestern, Krankenpfleger angegriffen worden, sie sind von euch kriminalisiert worden. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Dass ihr euch da nicht schämt, das verstehe ich ehrlich nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)

Deshalb fließen ab dem nächsten Jahr, bereits rückwirkend mit dem 1. September (Bundesrat Spanring: Ah, rückwirkend wird Personal eingestellt!


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Gratuliere!)  da können wir stolz auf die Steiermark sein, ich persönlich bin es –, 130 Millionen Euro in die Gehälter. Das katapultiert uns, die Steiermark – lieber Markus Leinfellner, auch das sei dir ins Stammbuch geschrieben –, an die Spitze der österreichischen Bundesländer. Merke dir das ein für alle Mal! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wo ich dir recht gebe: dass es mit Geld allein sicherlich nicht getan ist, dass es auch Strukturmaßnahmen braucht, dass es begleitende Veränderungen im System braucht. Du sprichst von deiner Sorge, dass es Hausärzte nicht mehr geben wird. Ich gehe gleich weiter darauf ein, bevor ich dann in meiner Rede weitergehe. Dieses permanente Panikmachen, dieses permanente Angst­schüren: (Bundesrat Spanring: Das seid schon ihr! ... Corona ...! Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Ich frage mich wirklich oft, was das für ein Leben sein muss, das ihr führt, wenn man jeden Tag vor dem Aufstehen Angst hat, dass einem ein Meteorit auf den Schädel fällt. Was muss das für ein Leben sein, wenn man in permanenter Angst lebt? (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Herr Leinfellner behauptet nämlich, es gebe in Zukunft – er hat den Minister frontal angegriffen, er hat gesagt: Das ist Ihr Masterplan! – keine Hausärzte mehr.

Wie schaut die Realität aus? – Jedes Jahr werden 600 Stellen, die frei werden, neu besetzt (Bundesrat Spanring: ... ausgeschrieben! Das ist was anderes!), 600 Stellen im allgemeinmedizinischen Bereich neu besetzt. Ich habe hier (ein Schriftstück in die Höhe haltend) das Factsheet der Österreichischen Gesund­heitskasse. Ich kann es dann hinlegen, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden es gerne noch einmal für euch ausdrucken.

Schauen wir uns die Zahlen kurz an: 600 Stellen, die im fachärztlichen und im allgemeinmedizinischen Bereich neu besetzt werden. Wir haben eine ärztliche Versorgungsrate von über 97 Prozent im fachärztlichen Bereich. Über 97 Prozent!


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Jetzt kann man sagen, das Ende der Fahnenstange ist nicht erreicht, 100 Prozent wären besser. Das stimmt. (Bundesrat Spanring: Und wie viele davon sind Kassen­ärzte? – Bundesrat Ebner: Alle!) – Das sind Kassenstellen, und Stand Juli 2022 – die neuen Zahlen kommen bald –: Bei Planstellen für Kassenärzte in der Allgemein­medizin liegt der Besetzungsgrad bei fast 98 Prozent. (Ruf bei der FPÖ: Echt? – Bundesrat Spanring: Und wie gibt’s das, dass man dann monatelang auf ein MRT warten muss?) – Lieber Kollege Spanring! (Bundesrat Buchmann: Hör zu, einmal!) Hör zu, wir haben alle Zeit der Welt. Wir können heute über alles reden, und ich werde dir das auch erklären. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Es gibt bei Kassenstellen einen Deckungsgrad von fast 98 Prozent im hausärztlichen Bereich und von knapp über 97 Prozent im fachärztlichen Bereich.

Ich bin wirklich der Letzte, der sagt: Es ist alles gut, es ist alles wunderbar. Da trennt uns nichts, ja natürlich gibt es da und dort großen Nachbesserungsbedarf. Natürlich gibt es Regionen, in denen die Sorge, wie es mit der medizinischen Versorgung weitergeht, begründet ist – und natürlich wäre es wünschenswert, wenn es auch in Innervillgraten oder ich weiß nicht wo überall eine ärztliche Versorgung gäbe. (Bundesrat Spanring: Admont, Admont ist das beste Beispiel!) – Admont, ein wunderbares Beispiel, danke vielmals für diesen aufgelegten Elf­meter! (Bundesrat Spanring: Gern geschehen!) Dort wird jetzt eine PVE gegründet.

In Admont gab es Probleme (Bundesrat Spanring: Ja, bis zum Selbstmord ist das gegangen, von Patienten!), das stimmt, Kollege Spanring. Ein Ärzteehepaar hat aber diese Ordination als Gemeinschaftspraxis hervorragend geführt, und dank unseres Landeshauptmanns Christopher Drexler sowie unserer Gesundheits­landesrätin ist dort eine PVE entstanden, die ab jetzt betrieben wird – auch an den Tagesrandzeiten und Wochenenden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Admont ist tatsächlich ein wunderbares Beispiel, und ich möchte wirklich alle dorthin einladen. Es ist nicht nur ein tolles Beispiel für eine gelungene hausärztliche Versorgung, auch wenn es Anlaufschwierigkeiten gegeben hat, sondern es ist auch ein wunderschönes Fleckerl Steiermark und ein wunderschönes Fleckerl


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Erde. Du kommst ja aus Admont, du hast dort oben sicherlich eine katholische Erziehung genossen (Heiterkeit des Bundesrates Spanring) und wirst bestätigen, dass es jedenfalls eine Reise wert ist – und auch, dass die hausärztliche Versorgung jetzt wieder gesichert ist. (Bundesrat Spanring: Das schauen wir ... noch an!)

Uns trennt allerdings nichts in Bezug auf die Auffassung, dass wir natürlich da und dort Sorgen haben – das habe ich schon gesagt und das gestehe ich dir zu. Dass es wie gesagt heutzutage in Graz und Graz-Umgebung oder in der Stadt Salzburg einfacher ist, Hausärzte und Fachärzte zu finden, als in Stenzengreith in der Steiermark oder in Namlos in Tirol, das ist so. Deshalb hast du von mir immer schon gehört, als ich noch in der Ärztekammer war und auch jetzt, dass wir – und da muss ich sogar Kollegen Leinfellner recht geben (Bundesrat Leinfellner: Nein, bitte nicht!) – das Seelenheil nicht allein in den Primärversorgungseinheiten sehen. (Bundesrätin Schumann: Jetzt auf einmal, mein Gott, geht doch mit der Koalition!) Schau Markus, jetzt habe ich einmal etwas gesagt, wo ich dir recht geben muss, auch wenn du es anders meinst als ich: Natürlich dürfen wir das Seelenheil nicht allein in den Primärversorgungseinheiten sehen. (Bundesrat Schennach: Sehr schöne Rede! – Bundesrätin Schumann: Sehr schöne Rede – und so persönlich!) – Danke vielmals, ich habe deine (in Richtung Bundesrat Schennach) zum ORF heute auch gelobt (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann); ich war kurz unschlüssig, ob du eh Proredner bist, aber der Schwenk zum Schluss hat dann doch bestätigt, dass du Kontraredner warst. Ich habe dir vorhin gratuliert, dass du eine tolle Rede gehalten hast. – Vielmehr ist es für die Zukunft wichtig, die medizinische Versorgung in der Vielfalt zu suchen, und ja, dafür bin ich dem Bundesminister dankbar.

Dieses PVE-Gesetz ist ja in der Erstversion schon früher auf den Weg gebracht worden, und das war damals schon zukunftsweisend. Es war vielleicht in der Ausführung nicht optimal, sodass es dann halt viele Brösel und Baustellen gegeben hat, wenn es darum gegangen ist, PVEs zu gründen – aber die Grund­idee war damals genauso richtig wie heute.


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Wenn ich sage, dass wir zukünftig eine medizinische Versorgung der Vielfalt brauchen, was meine ich damit? – Da meine ich ganz klar – und das ist auch ein Bekenntnis –, dass wir weiterhin unsere großartig arbeitenden Hausärztinnen und Hausärzte in den Einzelordinationen brauchen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.) Genau aus diesem Grund hat das unser Bundeskanzler Nehammer auch zur Chefsache erklärt und gesagt: 100 Stellen mehr! Ich weiß, was jetzt kommt, jetzt wird es heißen: Na, die Stellen müssen besetzt werden! – Ja, stimmt, sie müssen besetzt werden. Das ist absolut richtig, und das wird nicht ganz einfach werden, aber wir werden es schaffen, weil wir, wie vorhin schon erwähnt, auch über strukturelle Maßnahmen reden, zum Beispiel beim Eltern-Kind-Pass den Honorarkatalog neu aufzusetzen und ins 21. Jahrhundert zu führen.

Wir brauchen unsere hausärztlichen Einzelordinationen, so wie wir sie kennen, wie die, zu der ich schon mit meiner Oma gegangen bin, weil Mama und Papa haben arbeiten müssen (Ruf bei der SPÖ: Dürfen! Dürfen!), einen Hausarzt, der meinen Bruder und mich versorgt hat oder der auch noch auf eine Visite gekommen ist, als wir zu Hause im Bett gelegen sind. Punkt eins: Die brauchen wir.

Punkt zwei: Unsere Primärversorgungseinheiten – und da sind wir beim Punkt, auf den ich dann noch zu sprechen komme – brauchen wir genauso wie die hausärztliche Einzelordination.

Was brauchen wir als Nächstes? – Eine abgestufte fachärztliche Versorgung. Das heißt, wir brauchen niedergelassene Spezialistinnen und Spezialisten, Fachärztinnen und Fachärzte. Und ja, Kollege Spanring, ich habe, glaube ich, richtig gehört, als du zu Recht gesagt hast: Wie kann es dann passieren, dass man vier, sechs oder acht Monate Wartezeit hat? – Das stimmt. Die Kolleginnen und Kollegen können allerdings auch nicht mehr tun als zu arbeiten (Bundesrat Spanring: ... zu wenig!) und einen Patienten nach dem anderen zu untersuchen; und aus diesem Grund wird es auch zur Schaffung von weiteren neuen Plan-


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stellen kommen. (Bundesrat Spanring: Das Problem haben wir aber schon jahre­lang!) – Du bist ein Admonter und somit ein Steirer; auch in der Steiermark werden weitere Ordinationen – das betrifft zufällig gerade meinen Bereich – im internistischen Bereich geschaffen werden. Davon werden wir mehr brauchen, das steht ja nicht infrage, natürlich brauchen wir die. Und wir brauchen – und das wird das PVE-Gesetz wiederum hergeben – mehr Stunden der Versorgung: Wir brauchen die Tagesrandzeiten und wir brauchen möglicher­weise auch im fachärztlichen Bereich und jedenfalls im hausärztlichen Bereich die Wochen­enden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.– Niedergelassene Fachärzte: der dritte Punkt, den wir brauchen.

Dann: Wir brauchen den Spitalsambulanzen vorgelagerte Strukturen. Nun werde ich euch erzählen, was mir in so ziemlich jedem Nachtdienst passiert und was in dieser Form ja eigentlich nicht sein dürfte. Ihr kennt das alle aus Erzählungen genauso gut und es entspricht leider Gottes einfach der Realität. Wir brauchen, bevor jemand in eine Fachambulanz oder in ein Spital geht, eine vorgelagerte Struktur, die bereits triagiert. Und am Ende brauchen wir unsere hochspeziali­sier­ten Spitäler mitsamt den Universitätskliniken, die wir in Österreich haben.

Wie sieht die derzeitige Situation aus? – Wir haben – und ich glaube, auch da sind wir uns einig – eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Dieses verfügt an sich über ein abgestuftes System, nur funktioniert es leider Gottes nicht immer so.

Ich habe schon in der Vergangenheit den Vergleich mit einem Hochhaus bemüht: Sie alle wissen, man betritt ein Hochhaus zumeist im Erdgeschoß (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), manche haben ein Souterrain, dann gibt es einen ersten Stock, einen zweiten Stock – und ganz oben (Bundesrat Spanring: Ist das Dach!) sind dann die Penthousewohnungen, das nennt man so auf Neuhochdeutsch. (Bundesrat Spanring: Genau!)

Es ist in unserem Gesundheitssystem in Wahrheit nicht unähnlich. Warum? – Wenn man heute sagt, man ist im Erdgeschoß, dann würde das bedeuten


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(Zwischenrufe bei der SPÖ), dass es um die hausärztlich-allgemeinmedizinisch gute Versorgung geht. Unsere Penthäuser sind unsere Universitätskliniken, in denen Grundlagenforschung und generelle Forschung sowie international viel beach­tete High-End-Medizin betrieben wird, sei es in Graz, sei es in Wien, sei es in Linz oder wo auch immer. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sprecht ihr den Kollegen jetzt ab, dass sie an den Universitätsstandorten gute Medizin machen? (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Na gut, dann darf man auch klatschen, um den Kollegen den Respekt zu zollen, auch das ist erlaubt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wie ist aber die Situation derzeit in Österreich? – Sie ist derzeit so, dass es mög­lich ist, nicht über das Erdgeschoss in den ersten, zweiten, dritten, vierten Stock zu kommen, sondern direkt mit dem Hubschrauber ins Penthouse, und das 24 Stunden, 365 Tage im Jahr. Jetzt kann man natürlich sagen: Das ist richtig und steht jedem zu, und das ist auch so. Und trotzdem sage ich: Auch die Universitätsklinik ist nicht immer der Ort der optimalen Versorgung. Wenn man von einer Biene gestochen worden ist, wenn man sich in den Finger geschnitten hat, wenn man seit zwei Tagen Husten, Schnupfen, Halsweh hat, dann ist eine Universitätsklinik nicht der Ort der optimalen Versorgung, sondern der Hausarzt, den wir immer schon kennen und der seit Jahrzehnten großartige Arbeit macht, auch am Wochenende verfügbar ist und auch am Sonntag am Kirchhof einmal, wenn es denn sein muss, eine kleine Ordination abhält, wie wir das alle kennengelernt haben.

Und deshalb ist es wichtig, dass wir die Patientenströme wieder durch das System lenken. Das muss uns gelingen, und ich bin zutiefst überzeugt, dass dieses PVE-Gesetz eine Möglichkeit dazu ist und ein wesentlicher Meilenstein, um unser Gesundheitssystem noch effizienter zu machen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich habe heute schon ein paar Zahlen verwendet, jetzt ist es auch schon egal, wenn es noch ein paar mehr werden: Es gibt eine sozialmedizinische Faustregel, die nicht unspannend ist, und Sozialmediziner werden sie Ihnen bestätigen. Für


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alle, die sie noch nicht gehört haben: Wenn ich 1 000 Menschen mit gesund­heitlichen Problemen habe, dann – ich muss ganz ehrlich sagen, als ich das einmal nachgelesen und recherchiert habe, hat mich das selber etwas über­rascht – ist es tatsächlich so, dass 900 das eigenverantwortlich und selbst lösen könnten.

Einfaches Beispiel: Irgendjemand hat zu wenig getrunken, steht vielleicht zu lange irgendwo in der prallen Sonne – oder am Rednerpult, das kann an Tagen wie diesen auch passieren, an solchen Plenartagen –, es wird ihm schwindelig und vielleicht schwarz vor Augen. Dann habe ich die Möglichkeit, sofort zu sagen: Notarzt, Hubschrauber, die komplette Versorgung, und er wird in das nächste Universitätsspital geflogen. Wäre aber gar nicht notwendig gewesen. Vielleicht wäre es notwendig gewesen, zu sagen: Hinsetzen, Beine hochlagern, einen Schluck Wasser trinken, den Krawattenknoten lösen!

900 von 1 000 Fällen könnte man also im eigenverantwortlichen Bereich lösen. Von den restlichen 100 Fällen könnten 90 im hausärztlichen Bereich versorgt werden, von den restlichen zehn Fällen neun durch einen Facharzt, und eigent­lich bräuchte nur einer eine stationäre Behandlung. Das ist die Situation, wie wir sie vorfinden. Darum ist es wichtig, den Leuten nicht nur die Möglichkeit zu bieten, eine abgestufte Versorgung zu nutzen, sondern wir sollten versuchen, unsere Patientinnen und Patienten, die Menschen dahin gehend zu sensibilisie­ren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, es stehen aktuell 40 Primärversorgungs­einheiten zur Verfügung, in denen 340 000 Patienten pro Jahr versorgt werden. Wir haben das Ziel, dass es bis Ende 2026 zumindest 43 sein werden. Herr Bundesminister, ich sage Ihnen: Wir schaffen mehr! (Bundesrat Schennach: Können Sie mir sagen, wie das geht? – Bundesrat Spanring: Ist das der Grund, warum Sie in der Steiermark Spitalsbetten abbauen?) Allein aus meinem Umfeld und Kollegenkreis weiß ich, dass einige schon jetzt mit dem Gedanken spielen und sehnlichst auf dieses Gesetz warten. Darum ist es auch so wichtig, dass wir das heute entsprechend auf die Reise bringen.


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Ich bedanke mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie, die da mitstimmen. Ich habe zum Beispiel auch gelesen, der von mir sehr geschätzte Kollege Reisinger, du hast ja bei dir in Haslach an der Mühl – hervor­ragend; ich habe nachgeschaut, das kann ich euch empfehlen, eine tolle Homepage der Gemeinde – fünf, glaube ich; Versorgung nahezu rund um die Uhr, nein, das nicht, aber - - (Bundesrat Reisinger: Ich sagte, fünf Jahre!) – Seit fünf Jahren, und ich weiß nicht, mit wie vielen Ärzten, ich habe nachgeschaut, drei oder vier sind es, glaube ich. Du bist hier also ein Best-Practice-Beispiel, ein engagierter Bürgermeister, der bereits die Möglichkeit geschaffen hat, dass sich Kollegen niederlassen.

Deshalb bin ich wie gesagt froh, dass wir das heute tun. Ich bin überzeugt, wir werden mehr als die 43 schaffen, mit dem Ziel, über 700 000 Patienten zu versorgen. Ich glaube, wir werden dann eine Million und mehr Patienten versor­gen. Deshalb ist es wichtig, die Ausschreibung schneller erfolgen zu lassen, dass es jetzt nur mehr zwei Mediziner braucht, die für die Gründung verantwortlich sind, und dass verkürzte Auswahlverfahren geschaffen werden, um im Falle einer medizinischen Unterversorgung schneller eingreifen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, ein bisschen etwas habe ich mir jetzt von der Seele sprechen können. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundes­rat Schreuder: Zugabe!) – Ich bin eh noch nicht fertig.

Zum vormaligen Mutter-Kind-Pass und in Zukunft Eltern-Kind-Pass ist doch schon einiges gesagt worden, nur so viel dazu: Ich bin selber Papa von zwei entzücken­den Töchtern (Ah-Rufe bei der SPÖ – Bundesrat Schennach: Fotos! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – ja, danke –, Papa von zwei entzückenden Töchtern (Bundesrat Schennach: Zeig Fotos! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – das machen wir dann, da komme ich dann extra zu dir rüber. Meine Kinder sind jetzt natürlich in einem Alter, in dem sie das auch schon mitbekommen – Klara ist sieben, Anna wird jetzt 13 –, und da muss ich schon eines dazusagen, und zwar aus Sicht des Papas, eines Papas, der selber zweimal in Karenz gegangen ist (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ) und der selber bei


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vielen dieser vormals Mutter-Kind-Pass- und in Zukunft Eltern-Kind-Pass-Untersuchungen dabei war: Das ist definitiv eine der größten gesundheits­politischen Errungenschaften, neben vielen anderen auch. Das hat uns natürlich in ein neues Zeitalter katapultiert, wenn es um Kinder- und Jugendsterb­lichkeitsraten geht. Insofern bin ich heute froh und dankbar, dass wir diesen Eltern-Kind-Pass in ein neues Zeitalter führen.

Ja, natürlich, das gelbe Bücherl – mein Gott, ich habe es mit meinen Mädels dann auch immer wieder durchgeblättert, aber gleich gern zeige ich es ihnen am Handy, da kennen sie sich mittlerweile auch besser aus als der Papa, da wischen sie drüber, und ich glaube, dass man diesem Gesetz guten Gewissens zustimmen kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zusammenfassend kann ich sagen: Wir haben viele Herausforderungen im Gesund­heitssystem, wir sind aber trotzdem auf einem guten Weg, und wenn Sturm aufzieht, dann können die einen sich einbunkern, es gibt aber auch die Möglich­keit, Segel zu setzen – und wir setzen Segel. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir setzen unter anderem mit diesem neuen PVE-Gesetz, mit dieser Novellie­rung des PVE-Gesetzes Segel. Damit wird nicht alles bis nächste Woche besser werden (Ah-Rufe bei der FPÖ), aber wir werden unser medizinisches System, unsere Gesundheitsversorgung definitiv und ganz sicher in eine noch bessere Zukunft führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das waren ein paar Gedanken von meiner Seite. Packen wir diese Herausforderungen gemeinsam an! Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie für die Zustimmung zu diesem PVE-Gesetz. Vielleicht überlegt es sich auch die freiheitliche Fraktion noch, oder zumindest - - (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, schau, Kollege Leinfellner, vielleicht überlegt es sich zumindest eine Kollegin aus den Reihen der freiheit­lichen Fraktion. Es ist nicht Kollegin Schartel, es ist auch nicht Kollegin Doppler, vormals Steiner-Wieser, aber Kollegin Theuermann, die nämlich am –


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jetzt muss ich schauen – 5. Juli in den „Unterkärntner Nachrichten“ richtiger­weise erkannt hat, dass es im Lavanttal ein PVE für kinderärztliche Versorgung braucht, weil ihr da angeblich Troubles habt. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen.)

Ich finde, liebe Isabella Theuermann, wenn man das über die Medien fordert, müsste eigentlich auch das Abstimmungsverhalten dementsprechend sein. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.50


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrat Schennach: Jetzt kommen die Enkelkinder, oder? – Allgemeine Heiterkeit.)


16.51.03

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer hier und zu Hause! Also mit Enkelkindern kann ich leider nicht dienen (Bundesrat Schennach: Nein - -!), aber Sie wissen alle, ich bin bei den Senioren tätig. Ich gehöre selber schon dazu und bin im Seniorenbund in Tirol. (Bundesrat Kornhäusl: Das sieht man nicht!) – Ja, Gott sei Dank, danke schön!

Das Erste, was ich sagen möchte, ist, dass kein Mensch den Hausarzt abschaffen will. Das Problem ist ja, dass wir eben Hausärzte bräuchten, dass wir sie vermis­sen und deswegen zu diesen Primärversorgungszentren kommen.

Gerade Senioren, ältere Menschen brauchen eine Sicherheit im Bereich der ärztlichen Versorgung. Sie brauchen das Gefühl, dass sie, wenn etwas passiert, rasch Hilfe bekommen, und das nicht nur von Montag bis Freitag vielleicht von 8 bis 12 Uhr, sondern von Montag bis Samstag auch in den Tagesrandzeiten, vielleicht sogar von 7 Uhr bis am Abend. Für ältere Menschen ist einfach diese


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Sicherheit, dass sie im Notfall auch wirklich Hilfe erfahren, wichtig für ihre Lebensqualität. (Unruhe im Saal.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Darf ich der Fairness halber (in Richtung SPÖ) um eine gewisse Ruhe im Saal bitten? – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)


Bundesrätin Klara Neurauter (fortsetzend): Ich spreche mich vehement für Primärversorgungseinheiten aus, weil sie eben auch zu Tagesrandzeiten offen haben, vielleicht von 7 Uhr früh bis 7 Uhr am Abend oder von 8 Uhr früh bis 8 Uhr am Abend, und das von Montag bis Samstag, sodass nicht nur ältere Menschen, sondern auch Familien mit Kindern die Sicherheit haben, dass sie, wenn sie in der Nähe eines Primärversorgungszentrums wohnen, auch zu Tagesrandzeiten gute ärztliche Versorgung haben.

Da geht es nicht nur um einen Arzt. Primärversorgungszentren haben ja meist mehrere Ärzte, aber auch Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Diätologen, bis zum Wundmanagement beziehungsweise Communitynurses – alles, was an Notwendigkeiten gegeben ist, ist da vorhanden. Wichtig sind vor allem wie schon gesagt die ausgeweiteten Ordinationszeiten.

Wenn ich an mein Heimatbundesland Tirol denke, so muss ich leider konsta­tie­ren, dass wir dort noch kein einziges Primärversorgungszentrum haben. Ich kann aus meiner Sicht nicht beurteilen, woran es liegt. Liegt es an der Ärztekammer, liegt es an der Österreichischen Gesundheitskasse? Liegt es an anderen Stake- und Shareholdern? Es ist jedenfalls bis jetzt nicht möglich gewesen, eine Primär­versor­gungseinheit zu schaffen. Gerade wir von den Senioren, vom Tiroler Seniorenbund, sind in jeder Weise darum bemüht, dafür zu sorgen, dass so eine Primärversorgungseinheit eröffnet wird.

Es geht um ärztliche Hilfe, es geht aber auch um diese Sicherheit: Selbst wenn der Arzt nicht persönlich anwesend ist, es sind Therapeutinnen oder Therapeuten anwesend, sodass man immer weiß: Irgendeinen Rat und Hilfe bekommt man, und man kann dort sicher sein.


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Kein Mensch will wie gesagt den Hausarzt vertreiben, sie werden aber einfach weniger, und deswegen müssen wir zu anderen Mitteln greifen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch – wie schon ein, zwei Kollegen vor mir – den Ärzten, die bisher versucht haben, allen Anforderungen gerecht zu werden, obwohl sie Einzelkämpfer waren, von Herzen danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Gesundheitliche Probleme kommen gerade im fortgeschrittenen Alter leider öfter vor. Ich denke da auch an Großeltern – weil Sie sie vorhin angesprochen haben –, die nicht nur für sich, sondern auch für ihre Enkelkinder oder andere Familien­mitglieder die Sorge haben, dass man keinen Arzt mehr findet. Primär­ver­sorgungs­zentren sind da eine ausgezeichnete Möglichkeit, diese Versorgung sicherzu­stellen. Ich kann Sie nur bitten, diesem Gesetz zuzustimmen, weil es für uns alle, für die gesamte Bevölkerung, von großem Vorteil ist.

Ich bitte also noch einmal: Denken Sie daran, dass es nicht darum geht, irgend­einen einzelnen Arzt zu verunglimpfen oder ihn womöglich zu vertreiben, sondern es geht darum, dass gerade auch die nachfolgenden jungen Ärzt:innen die Work-Life-Balance haben können, die sie wollen, aber auch brauchen, weil sie ja meistens eine Familie haben und nicht in dieser Weise zur Verfügung stehen können, wie es Hausärzte früher konnten. Mit diesen Primärversorgungs­zentren sind wir sicher, dass wir in eine gute Zukunft gehen. Bitte stimmen Sie zu! (Beifall bei der ÖVP.)

16.57


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.57.28

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal auf die Freiheitliche Partei replizieren. (Bundesrat Spanring: Na Gott sei Dank!) –


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Na ja, wir können ja hier offen diskutieren, im Parlament sollte man ja debattie­ren. Das ist ja der Sinn und Zweck, weshalb es uns hier gibt. (Bundesrat Spanring: ..., dass das so ist! Hat lang gedauert! – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Wenn man so großen Wert darauf legt, dass es nicht mehr Mutter-Kind-Pass heißen darf (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Schartel und Spanring) – also umge­kehrt: dass es nicht Eltern-Kind-Pass heißen darf, sondern Mutter-Kind-Pass zu heißen hat –, dann finde ich schon, dass das sehr tief blicken lässt, in welchen Mustern Sie noch sehen (Bundesrätin Schartel: ..., Herr Schreuder, Sie kennen die ...!), wie die Verantwortung in der Elternschaft für Kinder heutzutage aufgeteilt wird oder eben auch nicht aufgeteilt wird. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Spanring: Zwa Stierln in an Stoi mochn ka Kaibl!)

Es ist doch ganz wichtig - - (Bundesrat Spanring: Nicht einmal ...) – Ja, aber Sie wissen doch selber - - (Bundesrat Spanring: Das geht nicht!) – Ich rede jetzt von heterosexuellen Eltern, Herr Kollege. (Bundesrat Spanring: Ja!) Ich rede jetzt von heterosexuellen Eltern, wo es eine Mutter und einen Vater gibt. (Bundesrat Spanring: Auch da kriegt die Frau das Kind!)

Auch in diesem Fall wird der Vater die Verantwortung für dieses Kind haben, und deswegen ist es auch richtig, dass man das auch sprachlich festhält (Bundesrat Spanring: Nein, ...! – Bundesrätin Schartel: Nein, ...!) und Eltern-Kind-Pass sagt, weil eben beide Elternteile eine Verantwortung übernehmen. (Bundesrat Spanring: Normale Menschen wissen das! Also wenn wir so anfangen, dann müssen wir alles, alles, überall anpassen! Dann gibt’s ...! – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Pröller und Schartel.)

Ja, Herr Kollege, aber jetzt habe ich eine schlechte Nachricht für Sie: Es gab einen Urteilsspruch des Verfassungsgerichtshofes (Zwischenruf des Bundesrates Bernard), in dem ganz eindeutig festgehalten wurde, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder haben können, dass gleichgeschlechtliche Paare auch Kinder adoptieren können (Bundesrat Spanring: Und trotzdem kann ...!), dass zwei Väter


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Kinder haben können, dass zwei Mütter Kinder haben können. (Bundesrätin Schartel: ..., das schau ich mir an ...!) Und wenn man noch an die vielen Regenbogenfamilien und Patchworkfamilien denkt, dann muss man auch festhalten, dass es viele verschiedene Formen von Familie gibt.

Sie können gerne für sich selbst ein Idealbild Ihrer Elternschaft und Ihrer Mutter­schaft leben, das will Ihnen keiner wegnehmen. Sie können aber nicht verleug­nen, dass es eine vielfältige Gesellschaft gibt, in der unterschiedliche Eltern unterschiedliche Lebensformen leben, und dass wir als Politik die Rah­menbedin­gungen schaffen müssen, damit die Rechtssicherheit für alle gleichermaßen gegeben ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt habe ich noch eine schlechte Nachricht für Sie von der Freiheitlichen Partei: Es gibt tatsächlich intersexuelle und Transgendermenschen. Es gibt Men­schen, die im Laufe ihres Lebens fühlen, spüren, dass ihr soziales Geschlecht ein anderes ist als das biologische, mit dem sie geboren wurden. (Bundesrat Spanring: Darum geht es ja nicht!)

Es haben uns auch der Verfassungsgerichtshof, die Ethikkommission und das Bundeskanzleramt ganz klar gesagt, dass wir das im Recht entsprechend anzupassen haben, dass wir als Politikerinnen und Politiker da Wertschätzung zeigen müssen, die Menschenrechte akzeptieren und anerkennen müssen, dass wir anerkennen müssen, dass es unterschiedliche Formen der Mutterschaft, der Vaterschaft gibt. Auch da müssen wir sagen, auch wenn man es für sich selbst vielleicht ablehnt: Als Politiker haben Sie gefälligst zu respektieren, dass Menschen in unterschiedlichen Lebensformen leben. Das gilt insbesondere auch für Transgenderpersonen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Darum geht es wie gesagt nicht!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht ja heute auch um ein Gesetz aus dem Jahre 2017, das wir jetzt novellieren, und dieses Gesetz war von der Intention her ein sehr gutes. Ich möchte mich ausdrücklich bei der damaligen Gesund­heits­ministerin bedanken, die dieses Gesetz auf den Weg gebracht hat: Das war


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Pamela Rendi-Wagner (Bundesrat Tiefnig: Und Oberhauser!) – ja, und Sabine Oberhauser. Ich finde, das anzumerken ist sehr wichtig, weil man sagen kann, dass wir hier auf etwas durchaus Gutem, das damals entstanden ist, aufbauen können.

Worum geht es in diesem Primärversorgungsgesetz? Ich weiß, Primärversorgung hört sich ein bisschen sperrig an. Primärversorgung, was ist das? – Es geht darum, dass wir mit diesem Gesetz den Rahmen für allgemeinmedizinische Gemein­schaftspraxen schaffen und diese auch – und das finde ich wichtig – genau definieren. Das ist wirklich sehr vereinfacht gesagt, das muss ich schon zugeben. Die Möglichkeit dafür wurde eben von der damaligen Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner geschaffen, aber – deswegen gab es auch den Wunsch, eine Novelle zu machen – es hat nicht ganz den Erfolg gebracht, den wir uns alle erhofft haben, den wir uns alle erwartet haben, obwohl dieses Gesetz vom Grundgedanken her richtig war; und deswegen novellieren wir es jetzt.

Ein Erfolg wäre es gewesen, wenn es 75 Primärversorgungseinheiten geben würde. Wir haben bis heute 40. 75 wären gut gewesen, zum Beispiel auch eine im Lavanttal. Dabei würden ja diese Primärversorgungseinheiten für wirklich viele Menschen, für die Patientinnen und Patienten, aber auch für das medizi­ni­sche Personal, eine absolute Win-win-Situation bringen. Die Menschen pro­fi­tieren auf der einen Seite von längeren Öffnungszeiten, sie profitieren auch von besseren Öffnungszeiten und, das ist auch wichtig, vom Offenhalten an Tagesrandzeiten oder zum Beispiel an Wochenenden.

Wer kennt das nicht: Man hat nur einen Arzt oder eine Ärztin und wenn man hingeht, hängt ein gelber Zettel an der Tür: Bin auf Urlaub, gehen sie dort und dort hin! – Das ist tatsächlich für viele Menschen ein riesiges Problem. In Primärversorgungseinheiten sind Urlaubsvertretungen ganz klar geregelt und diese können – das finde ich ganz wichtig – vor Ort festgelegt werden, man muss keine Patientin und keinen Patienten nach Hause schicken. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Wichtig ist auch, dass es dort zusätzliche Gesundheitsangebote gibt. Das ist auch eine Verbesserung für viele Gesundheitsberufe jenseits der Medizin. Es gibt eine stärkere Teamorientierung der Medizinerinnen und Mediziner, es ermög­licht aber eben auch das Ineinandergreifen von Gesundheitsberufen. Denken Sie zum Beispiel an Physiotherapeutinnen und -therapeuten, denken Sie an Massagen, denken Sie an orthopädische Einlagen und, und, und – da würde mir noch ganz viel mehr einfallen. Das alles kann tatsächlich vor Ort geregelt werden, unter einem Dach. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wie gesagt profitieren wirklich nicht nur die Patientinnen und die Patienten, sondern auch die Medizinerinnen und die Mediziner und die Gesundheitsberufe von solchen Primärversorgungseinheiten. Interdisziplinär und interprofessionell: So kann dort gearbeitet werden.

Wenn man mit Angestellten in den Primärversorgungseinheiten spricht, berich­ten eigentlich alle – Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger hat das ja schon sehr eindringlich und sehr gut am Beispiel Vöcklamarkt dargestellt – von einer besseren Work-Life-Balance, von einer besseren Planbarkeit des Alltags, von einem Job, der Spaß macht. Und, Entschuldigung, das sollte doch unser Ziel sein, dass Medizinerinnen und Mediziner Spaß an ihrem Job haben und nicht überlastet sind! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zusätzlich kommt noch ein riesiger Vorteil dazu: Das wirtschaftliche Risiko wird in einer solchen Primärversorgungseinheit auf mehrere Schultern verteilt. Es ist nämlich durchaus eine wirtschaftliche Grundfrage, ob ich als Arzt oder Ärztin sage, ich mache eine Praxis auf. Das ist keine Kleinigkeit, man muss sich vieles überlegen: Stimmt die Work-Life-Balance? Wie kann ich meinen Beruf mit meiner Familie verbinden? Wie schaffe ich das alles? Wie bezahle ich das alles? Wie schaut es mit dem Bedarf vor Ort aus? Kommen dann genug in die Praxis? Wie viele Ärzte gibt es rundherum? Da gibt es ja unendlich viele Fragen, die man sich auf wirtschaftlicher Ebene stellen muss, das sind aber ja keine ausgebildeten Betriebswirtschafter und Betriebswirtschafterinnen, sondern ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Dass das gute bisherige Gesetz trotzdem noch nicht ganz perfekt war, also der Erfolg sich noch nicht in der Form eingestellt hat, wie wir uns alle das erhofft haben, liegt schon auch daran, dass es bisher wirklich ein sehr hürdenreicher, ein sehr steiniger, ein sehr schwieriger und ein sehr bürokratischer Weg war, bis man eine solche Primärversorgungseinheit gründen konnte. Da gab es eben auch – das muss man hier offen ansprechen – diese Vetooption der Interessen­vertretung der Ärztinnen und Ärzte, nämlich der Landesärztekammern. Das muss man auch hier im Bundesrat ganz offen ansprechen können, da ja die Balance zwischen Bundes- und Länderinteressen der ureigenste Job von uns als Bundes­rätinnen und Bundesräten ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Diese Option eines Vetos wurde – das kann man schon bedauern – in der Vergangenheit – ich sage es einmal vorsichtig – schon das eine oder andere Mal wahrgenommen, oder – sagen wir es offen – es wurde zu oft ein Veto eingelegt. Das heißt, die Bürokratie wurde erhöht, es wurde viel bürokratischer und schwieriger, so eine PVE zu gründen. Es lagen noch mehr Stolpersteine im Weg. Und dann irgendwann – und das kennt man; ich kenne es, ich habe auch selbst ein Unternehmen gegründet – zieht man sich leider auch zurück.

Wenn die Hürden nicht zu bewältigen zu sein scheinen, dann ist es wirklich schwierig, so einen wirtschaftlichen Weg zu gehen. Ich habe ja gesagt, das sind keine ausgebildeten Wirtschafterinnen und Wirtschafter. Umso wichtiger ist es, dass wir zu dieser Vetooption Nein gesagt haben, dass wir gesagt haben, wir wollen eine Entbürokratisierung, wir wollen es erleichtern und wir wollen es unterstützen, dass PVEs gegründet werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es stellt sich natürlich zu Recht die Frage, wenn man so ein Gesetz novelliert, also wenn man diese Vetomöglichkeit der Landesärztekammern entfernt: Wer sorgt dann dafür, dass die Qualität gesichert ist? – Es zählen in Zukunft der Bedarf und die Patientenorientierung in der jeweiligen Region. Und die Qualität unserer medizinischen Ausbildung in Österreich ist eins a. Wir können wirklich stolz darauf sein, dass wir so gute Medizinerinnen und Mediziner haben! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Wir erleichtern die Gründung auch dahin gehend, dass nur noch zwei Medi­zinerinnen und Mediziner für so eine Gründung notwendig sind. Man kann ja dann hoffen, dass sich mehr dazugesellen, aber es ist doch schon einmal super, wenn zwei Ärztinnen oder Ärzte sagen: Hey, machen wir das, gründen wir doch so eine Primärversorgungseinheit! Wir starten das jetzt – zum Beispiel im Lavanttal, Frau Kollegin, das wäre doch ein idealer Ort –, wir gründen das dort! Dann können immer noch jede Menge Menschen in Gesundheitsberufen, jede Menge Ärzt:innen, vielleicht auch Ärztinnen und Ärzte aus der Region, die gar nicht wegziehen wollen, nach dem Medizinstudium sagen: Ja, ich habe eine Perspektive, in dieser Primärversorgungseinheit meinen Beruf zu Hause auszu­üben!

Wir setzen auch die anderen Gesundheitsberufe auf Augenhöhe mit diesen Medizinerinnen und Medizinern, denn diese können in Zukunft auch mitgrün­den. Das heißt, das wirtschaftliche Risiko ist auch auf die Schultern der anderen Gesundheitsberufe verteilt, nicht nur auf jene der Medizinerinnen und Mediziner.

Auch das ist eine wirklich begrüßenswerte Weiterentwicklung, mit der wir bitte – das möchte ich jetzt schon auch einmal sagen – im 21. Jahrhundert ankommen. Das wollen die Leute vor Ort! Das ist doch gerade für uns im Bundesrat, die wir uns bezüglich der Aufwertung der Regionen Sorgen machen, die wir doch immer sagen müssen, wir müssen vor Ort eine Nahversorgung haben – und das gilt doch auch für die medizinische Nahversorgung –, wirklich begrüßenswert! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir ermöglichen in Zukunft auch die Gründung – das finde ich ganz wichtig und eigentlich toll und schön – von sogenannten Kinder- und Jungendheilkunde­primärversorgungseinheiten, eine Form, die in einer enorm wichtigen, ja fast schon drängenden Weise wirklich benötigt wird. Wie man weiß, ist ja der Mangel an Kinderärzten und ‑ärztinnen etwas, wovon man sehr oft hört und womit auch unser Gesundheitsminister immer wieder konfrontiert ist. Da ist


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diese Lösung, die wir heute präsentieren, eine absolut begrüßenswerte und richtige. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich gebe zu, das Ganze wird nur funktionieren, wenn die Medizinerinnen und Mediziner es annehmen, wenn sie sagen: Ja, ich will das! – Dass sie es annehmen, das sieht man daran, dass bereits mehr als 30 solcher PVEs – also solcher Primärversorgungseinheiten, man verzeihe mir, dass ich manchmal diese Abkürzung verwende – in den Startlöchern stehen. Es gibt derzeit tatsächlich 30 Primärversorgungseinheiten, die starten wollen und nur noch darauf warten, dass wir das hier im Bundesrat beschließen. Das ist doch ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Gesundheitsberufe und unsere Medizinerin­nen und Mediziner das haben wollen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sollte tatsächlich dieser Vorwurf kommen, dass diese PVEs für die Medizine­rinnen und Mediziner nicht attraktiv wären, dann sind diese 30 wartenden Start-ups, sage ich einmal, diese medizinischen Start-ups, ja wohl eine eindeutige Antwort darauf.

Wenn wir das heute hier beschließen, dann werden auch die notwendigen Mittel – und deswegen müssen wir das auch wirklich beschließen – von der EU mit der Recovery and Resilience Facility zur Verfügung gestellt. Sie hat sie uns eigentlich schon zur Verfügung gestellt, und wir holen uns diese 100 Millionen Euro an Fördermitteln für die PVEs von der Europäischen Union ab. Die Europäische Union wird das mitfinanzieren. Das ist doch einmal eine Ansage! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich und, ich glaube, wir alle, hoffentlich wir alle, sind von diesem Prozess, von dieser Novelle derart überzeugt, dass wir das bisherige Ziel – ich habe es am Anfang meiner Rede genannt, das bisherige Ziel lautete: 75 Primärversorgungs­einheiten in ganz Österreich – noch überschreiten können. Wir wollen keine 75, wir wollen 120! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Und auch diese 120 Primärversorgungseinheiten in ganz Österreich sind keine Obergrenze, sie sind ganz und gar keine Obergrenze. Im Gegenteil: Die Patientinnen und Patienten in diesem Land werden sich freuen, wenn es noch mehr gibt. Und wenn alle das annehmen, wird auch die Bereitschaft der Medizinerinnen und Mediziner und der Gesundheitsberufe, das anzunehmen, noch viel größer sein, dessen bin ich mir ganz, ganz sicher. Das ist eine Freude für mich. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich freue mich tatsächlich über diese Primärversorgungseinheiten, die wir hier heute beschließen.

Ich möchte trotzdem noch einmal zum Eltern-Kind-Pass zurückkommen, weil mir das wirklich ein sehr großes Anliegen ist, weil da sehr viele Fragen auf uns zugekommen sind und auch hier in den Reden dazu sehr viel gesagt worden ist, das schlicht und ergreifend nicht stimmt. Ich möchte die meistgestellten Fragen und die Antworten darauf aufzeigen und hier klarstellen, auch für die Eltern. Wir haben ja selbst welche unter uns, wir haben – jetzt gerade nicht im Raum – auch eine Kollegin, die gerade ein Kind bekommen hat. Von dieser Stelle aus herz­lichen Glückwunsch an Frau Kollegin Prügl! (Allgemeiner Beifall.)

Weil uns diese Fragen gestellt worden sind, möchte ich sie beantworten, damit hier nichts unbeantwortet bleibt.

Gibt es eine Möglichkeit, eine Schwangerschaftsabbruchstatistik zu erstellen?, ist eine dieser Fragen, die uns immer wieder gestellt wurden. – Die Antwort ist: Nein. Zur Erklärung:  „Erfolgt zwischen dem letzten Eintrag in den eEKP“ – den Eltern-Kind-Pass – „und drei Wochen nach dem errechneten Geburtstermin keine weitere Eintragung, ist der eEKP“ – Eltern-Kind-Pass – „zu schließen“, und die Daten werden in weiterer Folge binnen einer Jahresfrist gelöscht.

Die vormals schwangere Person hat aber die Möglichkeit, die Daten regulär 30 Jahre speichern zu lassen – wenn diese Person das will. Es wird aber niemals – niemals! – ein Grund für das Ausbleiben weiterer Eintragungen vermerkt. Das heißt, neben dem Umstand, dass die Daten zeitnah gelöscht und damit nicht weiter ausgewertet werden können, ist aus dem Eltern-Kind-Pass schlicht und


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ergreifend nicht ersichtlich und auch nicht ermittelbar, welcher der möglichen Gründe es ist – sei es ein Schwangerschaftsverlust, ein Kind, das nicht lebend geboren wird, eine stille Geburt, eine Abtreibung, ein Umzug ins Ausland. Diese und viele andere Gründe können ja dazu führen, dass der jeweilige Eltern-Kind-Pass geschlossen wird. Es kann somit keine Abtreibungsstatistik aus den im Eltern-Kind-Pass hinterlegten Daten erstellt werden.

Mit dem Eltern-Kind-Pass wird der aktuelle Mutter-Kind-Pass aus Papier nach­gebildet. Schwangerschaftsabbrüche wurden im Mutter-Kind-Pass aus Papier nicht erfasst, sie werden auch weiterhin, auch im digitalen Pass, nicht erfasst, nicht im Eltern-Kind-Pass und auch nicht in der digitalen Welt.

Eine weitere Frage, die sehr oft gekommen ist: Kommt eine verpflichtende Elternberatung als Voraussetzung für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in voller Höhe? – Die Antwort ist: Nein. Welche Voraussetzungen es braucht, um das Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe zu beziehen, ist im Kinderbetreuungs­geldgesetz geregelt und es ändert sich mit diesem Eltern-Kind-Pass diesbe­züg­lich nichts für die Eltern.

Eine weitere Frage, die gekommen ist: Kann per Verordnung eine verpflichtende Elternberatung eingeführt werden? – Die Antwort ist: Nein. Ihr habt es euch wahrscheinlich schon gedacht, dass die Antwort Nein ist.

Welche Leistungen des Eltern-Kind-Passes verpflichtend sind und welche nicht, ist nicht im Eltern-Kind-Pass geregelt. Das bleibt auch weiterhin so. Jede diesbezügliche Änderung braucht eine gesetzliche Änderung, und das würden wir dann eh hier besprechen und ändern müssen. Das ist bisher so und das bleibt auch weiterhin so. Per Verordnung, die in letzter Zeit viel zitiert wurde, kann geregelt werden, welche Untersuchungen oder Beratungsleistungen in den Eltern-Kind-Pass aufgenommen und damit – das ist im Übrigen auch wichtig – gratis werden können. Per Verordnung kann also das prinzipielle Leistungs­ange­bot geregelt werden.


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Es kann aber nicht per Verordnung geregelt werden, welche dieser Unter­suchun­gen verpflichtend sind und welche nicht. Nach dem Gesetzestext ist eine freiwillige Elternberatung im Rahmen des Eltern-Kind-Passes natürlich möglich, eine verpflichtende Beratung ist nicht vorgesehen. Ich darf auch sagen: Solange ich mitsprechen darf, wird das auch weiterhin nicht der Fall sein.

Eine weitere Frage, die sich hier stellt: Können Familienberatungsstellen, zu denen vielfältige Einrichtungen gehören, die Gesundheitsdaten der Mutter im elektronischen Eltern-Kind-Pass einsehen? Es sind in den Reden ja schon Datenschutzbedenken geäußert worden. – Die Antwort ist: Nein. Familienbe­ratungsstellen haben keinen prinzipiellen Zugriff auf den elektronischen Eltern-Kind-Pass – never ever! Sie können nur die Daten einsehen, die sie auch selber eingetragen haben, zum Beispiel ein freiwilliges Beratungsgespräch. Die Gesundheitsdaten der Mutter können Familienberatungsstellen nicht einsehen.

Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, viele der Bedenken, die Sie hier heute geäußert haben, kann man tatsächlich aus dem Feld räumen. Sie können diesem Gesetz getrost zustimmen. Und wenn tatsächlich das Wort Mutter, das durch das Wort Eltern ersetzt wird, das große Problem ist, dann nimmt es Ihnen nie­mand übel – es wird Ihnen wirklich niemand übel nehmen –, wenn Sie zu Hause den Eltern-Kind-Pass einfach weiterhin Mutter-Kind-Pass nennen. Sie dürfen das. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner hebt die Hand.)

17.24


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte schön, Frau Bundesrätin.

Frau Bundesrätin, einen Moment, Herr Fraktionsvorsitzender Steiner hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

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17.25.07

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Vizepräsidentin, ich wollte nur kurz nachfragen, ob Herr Bundesrat Adi Gross mittlerweile in unseren Reihen ist. Man versucht ja, die Sitzung künstlich in die Länge zu ziehen.

Die Reden, die die Regierungsparteien ÖVP und Grüne jetzt halten, sind ja wahnsinnig spannend, sie sind auch für die Zuseher sehr interessant (Rufe bei der ÖVP: Da kennst du dich aus! – weiterer Ruf bei der ÖVP: Warst du da ...?), das habe ich jetzt auch mitgekriegt. Ich habe viele Informationen und Rückmeldun­gen der Zuseher bekommen, dass die Reden von ÖVP und Grünen sehr span­nend sind und sie diesen Reden ganz gespannt via Livestream lauschen, doch wollen sie jetzt dann einmal ein Abstimmungsergebnis haben, deshalb meine Frage.

Man redet ja so lange, bis sich Herr Bundesratskollege Adi Gross bemüht, zu dieser Sitzung zu kommen. Wann wird das sein? Wie lange müssen wir noch warten? Wie viele Reden wird es von der ÖVP-Fraktion und der Fraktion der Grünen noch geben, bis Herr Kollege Gross hier erscheint (Zwischenrufe bei der ÖVP), um dann seiner Pflicht, hier herinnen an der Sitzung teilzunehmen – die ihm bis 13 Uhr nicht so wichtig war, aber jetzt plötzlich wichtig wird –, hier her­innen abzustimmen, nachzukommen? Wann wird Bundesratskollege Adi Gross hier erscheinen, um seiner Pflicht nachzukommen, oder müssen wir noch 1, 2 Stunden länger diesen tollen und imposanten Reden der Grünen und der ÖVP lauschen?

Es ist ja der Minister auch noch in petto auf der Rednerliste, er wird natürlich auch versuchen, es in die Länge zu ziehen, bis sich sein Parteigenosse Adi Gross dann bemüßigt fühlt (Bundesrätin Schumann: Das ist kein Genosse!), zur Sitzung zu kommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.26

*****



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesrat, die An- oder Abwesenheiten werden zu Beginn der Sitzung kundgetan. Das ist passiert, und etwas anderes wurde mir nicht berichtet, daher gehe ich mit diesen Infor­mationen auch weiterhin so vor. Die Redner:innenliste kann, wie Sie ja wissen, der Geschäftsordnung entsprechend verlängert werden. Das ist der Fall. Das ist der parlamentarische Betrieb.

In diesem Fall gelangt jetzt Kollegin Heike Eder zu Wort. – Bitte.


17.27.35

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim via Livestream! (Bundesrat Steiner: Ja, viele sind es nicht mehr!) – Ja, lieber Kollege Steiner, im Gegensatz zu dir habe ich meinen Vorrednern zugehört. Du warst eine ganz lange Zeit abwesend, dein Sitz war leer (Bundesrat Steiner: 1 Stunde war ich abwesend, 1 ganze Stunde war ich abwesend!), also offensichtlich hat es dich dann doch nicht so interessiert (Bundesrat Steiner: Ja, überhaupt nicht!), im Gegensatz zu unseren Zusehern. (Bundesrat Steiner – drei Finger in die Höhe haltend –: Drei, drei schauen zu, lei! Das ist der ÖVP-Parlaments­klub, der FPÖ-Parlamentsklub und der ... SPÖ! Drei schauen heute zu ...!) Sie können unseren Ausführungen gerne noch weiter lauschen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe wie gesagt den Reden meiner Vorredner ganz aufmerksam zugehört und sie verfolgt, und mir ist eines aufgefallen: dass sich überwiegend Rednerinnen und Redner zu Wort gemeldet haben – und da möchte ich jetzt wirklich niemandem zu nahetreten –, die nicht im gebärfähigen Alter sind (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP), nicht mehr im gebärfähigen Alter sind oder vielleicht schon vor längerer Zeit Eltern geworden sind und schon ältere Kinder haben. Deshalb möchte ich schon ganz gerne, als unmittelbar Betroffene, als Mutter zweier kleiner Söhne, noch ein paar Worte zum Eltern-Kind-Pass sagen.


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Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, als ich ein kleines Kind war und mit meiner Mama zum Arzt gegangen bin: Mit dabei war immer der gelbe Mutter-Kind-Pass. Als ich dann vor ein paar Jahren meinen ersten Sohn bekommen habe, musste ich, als mir die Frauenärztin diesen Pass überreichte, feststellen, dass dieser noch haargenau gleich ausschaut wie damals, vor fast 35 Jahren. Das zeigt, es hat sich in dieser langen Zeit zumindest optisch an diesem Pass über­haupt nichts geändert.

Lieber Kollege Leinfellner von der FPÖ – der scheinbare Frauenversteher und Mütterexperte (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen) –, ich weiß nicht, wie Sie sich da nennen, Sie haben gesagt, dass der Pass auch so einen psychologischen, einen nostalgischen Faktor für die Mutter hat, und dass das besonders wichtig ist. (Bundesrat Leinfellner: Na, für die normalen habe ich gesagt! Für die – unter Anführungszeichen – „normalen“ Mütter habe ich gesagt, das möchte ich schon ...!) Als Mutter, Kollege Leinfellner, kann ich das so nicht bestätigen. (Präsidentin Arpa übernimmt den Vorsitz.)

Mit zwei kleinen Kindern muss man ständig zwei Pässe in der Handtasche mit­führen. Der eine oder andere fragt sich immer, warum Frauen so große Handtaschen haben (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen) – das ist vielleicht ein Grund und eine Erklärung dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Nicht nur einmal ist es vorgekommen, dass ich zum Arzt gegangen bin und einen dieser beiden (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel) oder beide Eltern-Kind-Pässe daheim vergessen habe, weil ich meine Handtasche gewechselt habe. Mit der neuen, digitalen Lösung kann das nicht mehr passieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir heben nun also den Eltern-Kind-Pass in das 21. Jahrhundert, wofür es, glaube ich, höchst an der Zeit ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein wichtiger Vorteil des neuen Eltern-Kind-Passes ist auch, dass die notwen­digen Untersuchungen für das Kinderbetreuungsgeld automatisch erfasst sind. Wir hatten in der Arbeiterkammer nicht wenige Fälle, in denen das Kinder­betreuungsgeld nicht ausbezahlt wurde, weil die Unterschrift des Arztes, die


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dieser im Anschluss an die Untersuchung leisten muss – er muss ja auf dem Pass mit seiner Unterschrift bestätigen, dass die Untersuchung auch wirklich durchgeführt wurde –, gefehlt hat. (Bundesrätin Schumann: Weil die Regelungen aus dem Familienministerium so schlecht sind! Siehe Volksanwaltschaft!) Es waren meistens auch immer die gleichen Ärzte. Wenn diese Unterschrift gefehlt hat, dann haben die Eltern das Kinderbetreuungsgeld nicht ausbezahlt bekommen. Wir hatten diesbezüglich einige Fälle und haben da auch intensiv beraten. Ich kann mich sehr gut daran erinnern und ich habe dann auch bei meinem Pass immer darauf Wert gelegt und darauf geachtet. Mit dieser digitalen Lösung kann uns das nicht mehr passieren (Bundesrätin Schartel: Ach so? Also der Arzt muss jetzt nicht mehr unterschreiben?), weil diese Daten automatisch weitergeleitet werden.

Es gibt zukünftig auch eine Erinnerungsfunktion für Untersuchungen und sons­tige wichtige Termine, zum Beispiel zur Dauer des Mutterschutzes, aber auch im Zusammenhang mit Karenzmeldungen. Es gibt ja am Beginn des neuen Lebens ganz viele verschiedene Fristen, die von den Eltern eingehalten werden müssen. Das halte ich schon für einen ausgezeichneten Service, wenn Eltern zukünftig auch an solche Fristen erinnert werden.

Es werden zukünftig auch Leistungen verhandelt wie zum Beispiel eine Ernäh­rungsberatung, aber auch Elterngespräche – das haben wir schon gehört – mit einem Fokus auf Information, auf Gewaltschutz, aber auch auf Vereinbarkeit, Papamonat und solche Themen. Wir machen den Pass damit natürlich umfang­reicher, wir machen ihn moderner und wir heben ihn vom Jahr 1974 ins Jahr 2023. Wir tun das Ganze auch sprachlich, denn Kindergesundheit geht beide Elternteile an, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nochmals, liebe Kolleginnen und Kollegen, speziell Kollege Leinfellner von der Freiheitlichen Partei – du hast das erwähnt –: Da wird mir schon etwas übel, wenn du sagst, der Pass geht nur Mütter etwas an; das ist ihre Aufgabe, und das hat einen nostalgischen Wert für die Mütter. – Ich weiß jetzt nicht, wie das in


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deiner Familie ist, Kollege Leinfellner von der Freiheitlichen Partei; in meiner Familie ist es aber so, dass es auch einen Vater gibt (Beifall bei ÖVP und Grünen – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner), und es interessiert ihn auch, wie es unseren Kindern gesundheitlich geht, wie sie sich entwickeln. Es interessiert ihn auch, wie es mir nach der Geburt gesundheitlich geht, und es interessiert ihn sogar, dass wir auch das Kinderbetreuungsgeld bekommen und diese Untersuchun­gen absolvieren.

Mit eurer Ansicht entlarvt ihr halt einmal mehr eure stockkonservative Haltung, was Rollenbilder und Familienbilder (Bundesrat Leinfellner: Schwangerschafts­untersuchungen sind für die Männer relativ schwer!), Aufgabenverteilung innerhalb der Familie betrifft. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Und das sagt die ÖVP! Und das sagt die ÖVP: von stockkonservativen Wertebildern! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Als Vertreterin der Generation mit einer jungen Familie kann ich dem Eltern-Kind-Pass daher nur zustimmen und sage Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Huber.)

17.34


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Frau MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


17.34.39

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier und vor den Bildschirmen! Auch ich möchte zum Mutter-Kind-Pass, der nun zum Eltern-Kind-Pass wird, sprechen. Es ist schon mehrfach gesagt worden: Den Mutter-Kind-Pass gibt es seit 1974. Es war immer das Ziel dieses Passes, einen sicheren Schwangerschaftsverlauf bis zur Geburt zu gewährleisten und auch die frühkind­liche Gesundheitsversorgung sicherzustellen – gratis für die Eltern. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP.)


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Dieser Pass hat seit seiner Einführung – ich glaube, das kann man gar nicht oft genug betonen – tatsächlich erheblich zur Reduzierung der Säuglingssterb­lichkeit beigetragen. Er ist ein absolutes Erfolgsprojekt, und dieses Erfolgsprojekt bringen wir heute in die Gegenwart.

Angestoßen wurde das übrigens vom Rechnungshof in seinen Empfehlungen aus dem Jahr 2014: dass eben die Versorgung im Rahmen des Mutter-Kind-Passes weiterentwickelt werden soll. Es hat bestimmte Vorschläge gegeben, die von einer Facharbeitsgruppe ausgearbeitet wurden und danach im Nationalrat als Fünfparteienbeschluss auf den Weg gebracht worden sind. Schade, sehr schade, dass das heute nicht so ist.

Ich möchte aber auch noch einmal, weil es wichtig ist, darauf zurückkommen, um welche Maßnahmen es sich handelt, und auch noch ein paar ergänzen: Der Pass wird – und ich möchte fast sagen: endlich – digitalisiert. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Darüber hinaus wird er in mehreren Sprachen zur Verfügung gestellt. (Bundes­rätin Schartel: Ganz wichtig! Ganz wichtig!) Das ist extrem wichtig in einem Einwanderungsland, wie Österreich es ist. (Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrätin Schartel: Ja ...!) – Ja, für alle, vor allem auch für Österreicher:in­nen.

Das Wichtigste aber ist: Wir bauen die Leistungen aus dem Eltern-Kind-Pass aus. Es gibt zum Beispiel künftig einen zweiten Hebammentermin, was in der Schwangerschaft natürlich extrem beruhigend ist. Auch wird es einen verpflich­tenden Hörtest für Neugeborene geben – auch dies, um rasch entsprechende Maßnahmen setzen zu können. Der Pass wird künftig auch bis zum 18. Lebens­jahr gelten, auch das hilft in der Gesundheitsvorsorge immens.

Wir haben sowohl im Nationalrat als auch heute hier eh schon des Öfteren gehört, wie soeben auch von Kollegen Leinfellner, wovor sich die FPÖ beim Eltern-Kind-Pass am meisten fürchtet, nämlich vor der Umbenennung von


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Mutter-Kind-Pass in Eltern-Kind-Pass. Das ist vielleicht nicht das Wichtigste, aber es ist gut so. Und ja – ich schaue zur Kollegin von der SPÖ, die aber nicht hier ist –, es wird nicht mehr Männer in die Sorge bringen, aber Worte und Bezeichnungen prägen das Weltbild, und Sprache schafft Realität. (Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen sowie der Bundesrätin Miesenberger. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe es heute schon gesagt: Genau das ist wichtig, denn es ist wichtig, das antiquierte Männerbild umzudrehen, auch dort, wo es um die Sorge um die Gesundheit der Kinder geht. Kollegin Eder hat das vorhin sehr gut erklärt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Was heute noch nicht erwähnt wurde: Endlich, nach knapp 30 Jahren, also drei Jahrzehnten, werden die Eltern-Kind-Pass-Leistungen der Ärztinnen und Ärzte valorisiert, also der Inflation angepasst. Das ist gerade heute, aber auch aufgrund des Ärzt:innenmangels, sehr wichtig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was nicht mehr passieren kann: Mit dem elektronischen Eltern-Kind-Pass kann es nicht mehr zum Verlust des Kinderbetreuungsgeldes kommen.

Im zweiten Schritt werden noch weitere zusätzliche Leistungen aufgenommen, wie zum Beispiel Ernährungsberatung, aber auch Elterngespräche mit dem Fokus auf Information, Vereinbarkeit und auch Gewaltschutz. Und: Nein, es kommt – das möchte ich auch noch einmal betonen – mit uns zu keiner verpflich­tenden Elternberatung als Voraussetzung für den Bezug des Kinderbetreu­ungsgeldes.

Diese Maßnahmen sind sinnvolle und längst überfällige Maßnahmen, die die Gesundheitsversorgung von Schwangeren und Kindern verbessern.

Da wir in den letzten Monaten öfters darauf angesprochen wurden: Kollegin Gerdenitsch – ich habe sie gesehen, sie ist hoffentlich noch da (Bundesrätin Schumann: Wir sind alle da! Andere sind nicht da! – Bundesrätin Hahn: Wir sind da!) –, ich möchte es hier noch einmal unmissverständlich und klar festhalten:


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Schwangerschaftsabbrüche werden im Eltern-Kind-Pass nicht erfasst, und das wird auch zukünftig so sein. Daran ändert auch die Digitalisierung nichts. Daten über Abtreibungen, Schwangerschaftsverluste oder Fehlgeburten werden nicht gesammelt, sie werden sogar ausdrücklich gelöscht. Darüber hinaus ist es für uns klar: Das Recht, darüber zu entscheiden, ob eine Frau eine Schwanger­schaft fortführen möchte oder nicht, liegt bei der Frau und bei sonst niemandem, und das ist nicht verhandelbar. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn die FPÖ hier und im Nationalrat beweint, Mütter werden durch die Umbenennung unsichtbar gemacht, dann frage ich mich beziehungsweise wir fragen uns, ob Sie uns veräppeln wollen, denn eigentlich macht ihr Frauen ständig und systematisch unsichtbar – auch hier im Parlament. Schaut euch einmal in eurem Klub um, zum Beispiel hier im Bundesrat: Drei von zehn Mitgliedern des Bundesrates sind Frauen. Wie viele sind es im Nationalrat? – Vier von 30 Abgeordneten der FPÖ sind Frauen. Ich freue mich, hier einmal sagen zu können: Schämt euch! Schämt euch dafür! (Na-Rufe bei der FPÖ.) Sichtbarkeit und Repräsentanz schauen nämlich anders aus. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Werfen wir einen Blick nach Niederösterreich, wo die FPÖ gemeinsam – leider –mit der ÖVP ein Genderverbot erlassen hat (Bravoruf der Bundesrätin Schartel – Beifall bei der FPÖ) und wo der FPÖ-Chef in Niederösterreich, Udo Landbauer, es nicht über die Lippen bringt, sich Landeshauptfraustellvertreter zu nennen, obwohl er genau das ist: Landeshauptfraustellvertreter, der Stellvertreter von Landeshauptfrau Johannes – Johanna Mikl-Leitner. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Kofler: Johannes! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Jetzt ist zu viel gegen­dert!) – Wie aber nennt er sich? – Landeshauptmannstellvertreter. Er vertritt eine Frau, macht diese aber sprachlich unsichtbar. Wie fragil kann Männlichkeit sein? Ich frage mich, ob das schon gefährlich ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich frage mich auch: Wie besessen kann eine Partei vom Thema Gendern überhaupt sein? (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Im März hat die FPÖ eine


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Petition im Nationalrat gegen den von ihr so bezeichneten Genderwahn einge­bracht. Jetzt kommt das Genderverbot in Niederösterreich (Bundesrätin Schartel: Sehr gut!), und heute wettern Sie gegen den Eltern-Kind-Pass. Eigentlich sind Sie diejenigen, die ständig das Thema Gendern hochhängen, um sich dann tage- und wochenlang darüber zu echauffieren. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundes­rätin Schartel.) Geben Sie sich lieber heute und hier einen Ruck und stimmen Sie mit uns für den neuen Eltern-Kind-Pass und die damit verbundenen guten Reformen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schartel: Ja wenn das die eigenen Leute ...!)

17.42


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Bitte.


17.43.05

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Damen und Herren im Bundesrat! Frau Präsidentin! Herr Minister! Zum Eltern-Kind-Pass wurde meiner Ansicht nach genug gesagt. Ich will mich noch einmal auf die Primär­versorgungszentren konzentrieren. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen: Es war der Bundesrat, der vor circa 15 Jahren eine Enquete zum Thema Landarzt organisiert hat, um diese Primärversorgungszentren überhaupt ins Leben zu rufen.

Es waren Ärzte wie Dr. Hockl und Dr. Rebhandl aus dem Mühlviertel und auch Frau Röper-Kelmayr, die damals im Oberösterreichischen Landtag für die FPÖ saß und sich auch für die Primärversorgung starkgemacht hat. Sie hat gesagt: Wir müssen reagieren beziehungsweise agieren, denn der ärztliche Beruf wird immer weiblicher, und wir müssen schauen, dass wir dem entgegen­kom­men, damit auch Frauen im Bereich der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum Fuß fassen können.

Der zweite Punkt, den unser Arzt im Bezirk Braunau Dr. Roitner ins Spiel gebracht hat, ist, dass früher ein Arzt eine Krankenschwester geheiratet hat,


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während er heute eine Frau heiraten wird, die er auch ein Leben lang begleiten wird, die aber vielleicht einen anderen Beruf ausübt. Das Bild des Landarztes hat sich somit in den letzten Jahrzehnten sehr stark verändert.

Durch diese Enquete hier im Bundesrat wurden die ersten Schritte gemacht. Da möchte ich der ehemaligen Bundesministerin Rendi-Wagner, aber auch der ehemaligen Bundesministerin Sabine Oberhauser Danke sagen: Sie war die Lanzen­brecherin, die damals diese Primärversorgungszentren spruchreif gemacht hat. Leider ist sie zu früh verstorben, und dann hat Ministerin Rendi-Wagner diese ersten Schritte gesetzt, auch die Möglichkeit, dass da Ärzte beschäftigt werden können, geschaffen. Somit sind wir Schritt für Schritt immer mehr in die Primärversorgung hineingekommen. (Beifall bei der SPÖ.) – Ja so ist es, da dürft ihr schon applaudieren, es war eure Ministerin. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Im Endeffekt war es Dr. Hockl aus Enns, der das erste Primärversorgungs­zentrum in Österreich ins Leben gerufen hat. Wir versuchen seit Jahren, dieses auszubauen. Es besteht die Möglichkeit, dass in Primärversorgungszentren auch eine Hausapotheke verankert ist, damit die Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt ist.

Mit dem heutigen Schritt wird endlich eine Geschichte, die 2008 begonnen hat, nicht zu Ende, aber fortgeführt. Wir können jetzt wirklich sagen: Wir sind in einem Stadium, in dem wir die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum verbessern und ausbauen und auch den Beruf für Landärztinnen attraktiver machen können.

Bundeskanzler Nehammer will mit dem neuen Ärztegesetz auch in diesem Sinne zusätzlich schauen, dass noch mehr Ärzte in das Studium eintreten und wir somit auch mehr Ärzte (Bundesrat Reisinger: Was macht dann der Gesundheitsminister, wenn der Bundeskanzler alles macht?) für den ländlichen Raum zur Verfügung stellen können – ein herzliches Dankeschön dieser Bundesregierung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ich glaube, es wird wichtig sein, das Studium des Landarztes so zu organi­sie­ren, dass wir auch in Zukunft Ärzte im ländlichen Raum halten, dass auch Vertrags­ärzte beziehungsweise Kassenärzte zur Verfügung stehen. Wir haben das Prob­lem, dass viele im Privatbereich tätig sind, und da ist die Vernetzung in Zukunft ein ganz wichtiger Punkt, damit ein Kassenarzt mit einem Arzt, der kein Kassenarzt ist, in Kooperation treten kann, um so die Versorgung sicher­zustellen.

Wir als ÖVP-Fraktion werden beiden Gesetzen zustimmen. Ich glaube, es wäre für die Zukunft und für die Gesundheit wichtig, da im ländlichen Raum immer mehr Kinderärzte fehlen.

Wir haben das Problem besonders auch im Bezirk Braunau, wo man für einen Augenarzttermin eine Wartezeit von einem halben Jahr hat. Für einen Termin beim Hautarzt wartet man noch länger, bei einem Kinderarzt hat man ent­sprechende Wartezeiten. Wenn ein Arzt in einem Primärversorgungszentrum auch einen Augenarzt und einen Hautarzt beschäftigen kann beziehungs­weise dieser in einem solchen Primärversorgungszentrum mitwirken kann, haben wir die Möglichkeit, dass die ärztliche Versorgung im ländlichen Bereich sichergestellt ist.

Ein weiterer Punkt ist ebenso wichtig: Wir haben Pflege zu Hause, und da muss auch entsprechend gesichert sein, dass bei den Menschen, die gepflegt werden, die Pflege sowie die Kontrolle ordnungsgemäß abgehalten werden, dass die Krankenschwestern mehr Möglichkeiten haben. Sie wissen es, Herr Minister: Vor einigen Jahren hatten die Schwestern kaum Möglichkeiten, sie durften nicht einmal eine Infusion legen. Wir haben in den letzten Jahren sehr viele Möglich­keiten eröffnet, um auch diesbezüglich die Versorgung in der Pflege sicherzustel­len. Diese Schritte gehören weiterentwickelt. In diesem Sinne sage ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Ärztinnen und Ärzten, allen, die zum Beruf des Landarztes beitragen, ein herzliches Dankeschön und wünsche uns besonders im Bereich der Primärversorgung eine breite Zustimmung.


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Beim Eltern-Kind-Pass haben wir eine Pattstellung. Ich hoffe, dass so manche, wenn das Gesetz jetzt beschlossen wird, auch die positiven Seiten sehen. Es ist für die Zukunft, es ist für unsere Jugendlichen in Österreich, und wir brauchen Maßnahmen, die sich der Zeit anpassen und nicht noch die Geschichte in sich tragen. In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön! Wir werden gerne zustim­men. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.49


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Matthias Zauner. – Bitte.


17.49.38

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich glaube, dies ist wohl der am meisten diskutierte Gesetzentwurf, zumindest hier im Bundesrat. Wenn wir heute Abend oder morgen in der Früh hier hinausgehen, sind wir wohl alle Expertinnen und Experten in Bezug auf diese Gesetzesvorlage. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Heiterkeit der Bundesrätin Miesenberger. – Zwischen­ruf der Bundesrätin Grimling.)

Lassen Sie auch mich mit der Primärversorgung beginnen: Ziel ist ja, dass wir die Primärversorgung stärken, dass wir die Primärversorgung, die als erste Anlauf­stelle für alle Menschen gedacht ist und eine wichtige Säule des Gesundheits­systems darstellt, einfach leistungsfähiger und effizienter machen. Das Gute ist – das haben wir heute schon das eine oder andere Mal gehört –, dass diese PVEs, diese Primärversorgungszentren, österreichweit etabliert sind. Was ist das Besondere daran? – Es ist ein Team von Allgemeinmedizinerinnen und Allgemein­medizinern mit diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal bis hin zu Fachärztinnen und Fachärzten. Der wesentliche Vorteil ist eben diese multidis­ziplinäre Zusammenarbeit.


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In Wahrheit geht es uns um eine umfassende Versorgung der Patientinnen und Patienten über den gesamten Behandlungsweg hinweg. Die Vorteile, die ja auch schon zur Sprache gebracht wurden, liegen auf der Hand: längere Öffnungs­zeiten, geregelte Vertretungen, vor allem auch im Urlaubsfall, und dass es da eben ein erweitertes Angebot gibt.

Die Reform, die wir heute hier gemeinsam beschließen werden, zumindest die Mehrheit in diesem Haus, sieht ganz wesentliche Eckpunkte vor. Es wurde ja bereits darauf eingegangen: Ganz wesentlich ist dabei der Abbau bürokratischer Hürden. Es geht einfach darum, diese PVEs, diese Primärversorgungszentren, schneller zu genehmigen und damit ein dichteres Netzwerk garantieren zu können. In Wahrheit geht es um eine bessere gesundheitliche Versorgung in der Stadt und auf dem Land. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein ganz wesentlicher Eckpunkt, vor allem für den ländlichen Raum, sind kürzere Auswahlverfahren, wenn Planstellen unbesetzt sind und wenn eine medi­zinische Unterversorgung droht. All das will man ja konkret mit diesem Paket abwenden.

Neu ist – das war bislang ja so noch nicht möglich – eben auch der spezielle Fokus auf Kinder und Jugendliche, für die es spezielle Zentren geben soll, mit Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde, aber auch vermehrt mit Fachärztinnen und Fachärzten für Frauenheilkunde. Wir haben ja heute schon einige Male davon gesprochen, und beim Eltern-Kind-Pass komme ich darauf auch noch zu sprechen. Es geht einfach darum, Frauen und Schwangeren in der Betreuung und in der Beratung zur Verfügung zu stehen.

Auch wenn Angehörige nicht ärztlicher Gesundheitsberufe in diese PVEs, in diese Primärversorgungszentren, einsteigen wollen, ist dies mit dieser Gesetzesänderung möglich, und die multidisziplinäre Versorgung wird gestärkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ziel dieser Novelle ist ganz einfach, die Gesundheit zu fördern, die Prävention zu stärken und eben eine qualitativ hochwertige und effiziente Kranken­be­handlung sicherzustellen. Die Bundesregierung bewirkt mit diesem Schritt eine wesentliche Verbesserung des österreichischen Gesundheitssystems und bietet damit den Österreicherinnen und Österreicher ein umfangreiches Ange­bot bei all ihren gesundheitsbezogenen Anliegen.

Eines kommt dann noch hinzu: Es wird auch möglich sein, dass multiprofes­sionale Zentren als GmbHs geführt werden. Das heißt, es können sich auch andere Gesundheitsberufe beteiligen. Zwar müssen die Ärzte den bestimmenden Einfluss haben und sie müssen bis zu 50 Prozent des Kapitals stellen, aber diese multiprofessionalen Zentren sind da auch ein weiterer Schritt.

Das Ziel dieser Maßnahmen, dieses Maßnahmenbündels der Bundesregierung ist klar: bis 2025 die Zahl der Primärversorgungszentren von 40 auf 120 zu verdreifachen und damit eben die wohnortnahe Versorgung sicherzustellen.

Ein positiver Effekt dieses Beschlusses ist auch, dass dank eines EU-Fördercalls 100 Millionen Euro an Förderung abgerufen werden können und dass damit die Einrichtung dieser PVEs, dieser Primärversorgungszentren, dement­sprechend auch erleichtert wird.

Diese Primärversorgungszentren haben auch den positiven Effekt, dass sie ganz einfach die Lebensrealität von Ärztinnen und Ärzten, Patientinnen und Patien­ten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abbilden. Dank der flexibleren Öffnungs­zeiten ist die Work-Life-Balance – ein in letzter Zeit ja auch durchaus strapa­zierter Begriff – vieler junger, aber nicht nur junger Menschen gewährleistet, und dies ist damit auch eine ganz wesentliche Maßnahme, dem drohenden Ärzte­mangel entgegenzuwirken und weiterhin eines der besten Gesundheits­systeme der Welt zu etablieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der in erster Linie, denke ich, für den ländlichen Raum schlagend wird, aber er ist auch ein Thema für den urbanen


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Raum, ganz speziell wenn wir über den Spitalsbereich sprechen: Wir haben ja in den österreichischen Spitälern die Situation, dass die Ambulanzen überlastet sind, und deswegen gibt es auch den Ansatz, bei Klinikneubauten oder bei schon bestehenden Kliniken ganz bewusst PVEs vorzuschalten, damit nur mehr jene in die Ambulanzen kommen, die auch wirklich in die Ambulanzen gehören, und dass all jene Patientinnen und Patienten, die in Wahrheit im niedergelassenen Bereich besser – beziehungsweise: besser ist da das falsche Wort – oder richti­ger aufgehoben sind, gleich in die PVE kommen, bevor sie überhaupt in die Ambulanzen kommen. Auch das ist ein ganz wesentlicher Aspekt.

Weil hier heute in den Raum gestellt worden ist, dass diese Bundesregierung mit dieser Maßnahme in Wahrheit das Ziel verfolgt, die Hausärzte abzuschaffen: Genau das Gegenteil ist der Fall, man hat genau die gegenteilige Absicht. Es geht darum, mit diesen Primärversorgungszentren die hausärztliche Versorgung in den ländlichen Gebieten sicherzustellen. Aus Niederösterreich kommend habe ich mir da auch die Zahlen geben lassen: In unseren PVEs, in unseren Primärver­sorgungszentren, wurden mittlerweile über 100 000 Patientinnen und Patienten behandelt. Daher ist dieser Schritt der Bundesregierung, diese PVEs, diese Primärversorgungseinheiten, auszubauen, der wichtige, der richtige Schritt, und deswegen werden wir diesen Weg sicherlich mitgehen und unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Schennach: Das ist überraschend!) – Das habe ich mir gedacht: Es freut mich, dass ich Sie noch überraschen kann, Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Miesenberger.)

Meine Damen und Herren, damit kommen wir zum Eltern-Kind-Pass. Da habe ich dort sitzend schon irgendwie eine sehr spannende Diskussion hier heraußen verfolgt, nämlich dass diese Umbenennung auf Eltern-Kind-Pass ein Problem darstellt. Der linke Rand sagt: Na ja, mit diesem Elternbegriff werdet ihr nichts erreichen! (Bundesrätin Schumann: Das sind nicht der linke Rand, so weit kommt es denn noch, hallo! Der linke Rand – die auslaufende Mitte!), und der rechte


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Rand sagt: Die Kinder kriegen immer noch die Mütter! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen etwas als Vater: Als meine Tochter geboren wurde, war ich mit meiner Frau im Spital, wissend, dass ich – und dafür bekomme ich jetzt natürlich keinen Applaus, das weiß ich – das Papamonat nicht in Anspruch nehmen werde. (Bundesrat Spanring: Nicht sehr woke!) Ich war mit meiner Frau im Spital und habe gesagt: Ich will in Wahrheit die gesamte Zeit anwesend sein, was halt die Besuchszeiten ermöglichen. – Ich habe gesagt: Weißt du was? Ich fahre mit ihr zur nächsten Untersuchung. – Dann schaut mich eine Krankenschwester an und sagt: Hat das Kind keine Mutter? – Ich habe gesagt: Das Kind hat sehr wohl eine Mutter, aber es hat auch einen Vater, und deswegen bin ich heute da. – Deswegen halte ich es auch für die Sichtbarmachung der Väter für ganz in Ordnung, wenn das in Zukunft Eltern-Kind-Pass heißt und nicht mehr Mutter-Kind-Pass. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Geh bitte! So ein Schwachsinn! Das glaubst nicht einmal selber! Gschichtldrucker! – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.– Fertig? – Gut. (Bundesrat Spanring: Das hat eine Dreiviertelminute gebraucht! ... weitermachen!) – Richtig! (Bundesrat Spanring: Gut gelernt beim Schneeberger, gut aufgepasst!)

Dann die digitale Lösung: Natürlich – wie es bereits angesprochen wurde – ist es schön, wenn man diesen damals noch Mutter-Kind-Pass, jetzt dann Eltern-Kind-Pass haptisch daliegen hat und man ihn nach Jahren noch durchblättern kann, aber – liebe Heike, da gebe ich dir recht – es gab nicht nur einen Besuch beim Kinderarzt, bei dem wir dagestanden sind und in der Tasche gekramt und geschaut haben, wo jetzt dieses voluminöse Ding ist. Dementsprechend denke ich, im Jahr 2023 werden wir eine digitale Variante jedenfalls gut verkraften, gut aus­hal­ten. In Wahrheit ist das ja auch im Zeitgeist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rät:innen der Grünen. – Bundesrat Spanring: Privatsorgen der ÖVP!)

Weil hier vonseiten der Sozialdemokratie Bundesrat Kovacs erwähnt wurde: Da habe ich, Frau Kollegin Schumann, schon ein bisschen eine eigenartige Wahrnehmung von der letzten Sitzung und von dieser Sitzung. Wenn sich der


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Fraktionsvorsitzende der Freiheitlichen bei Kollegen Kovacs für dessen Vorsitzführung bedankt, ist es für Sie nicht in Ordnung. (Bundesrätin Schumann: Also ich würde Ihnen raten, das Protokoll der letzten Sitzung zu lesen!) Wenn sich Kollegin Miesenberger heute bei Präsidentin Arpa bedankt, dann ist das auch wieder eine Aufregung wert, das war ja heute eine Aufregung wert. Das ist schon eine ganz eigenartige Stimmung bei Ihnen in der Fraktion. (Bundesrätin Hahn: Die eigentliche Aufregung ist, dass ihr eure eigenen Beschlüsse nicht zusammenbringt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Gegenrufe bei der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Das werden wir erst sehen!) – Na ja, eine parlamentarische Debatte war, glaube ich, noch nie ein Skandal.

Es war ja auch kein Skandal, dass seitens der SPÖ-Fraktion einmal eine lange Vorlesestunde mit Beiträgen aus der „Wiener Zeitung“ stattgefunden hat. (Bundesrätin Hahn: Vielleicht reden wir wieder zur Sache!) – Frau Vizepräsidentin, ich bin total bei der Sache. (Bundesrätin Hahn: Den Eindruck habe ich nicht!) – Ich schon. (Ruf bei der ÖVP: Zuhören! – Bundesrätin Grimling: Auch eine Wahrneh­mung!) – Ja, auch eine Wahrnehmung. Die Wahrnehmung der Sozialdemokratie mit all den Strömungen, die es da aktuell gibt, ist auch eine ganz spezielle. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – All das nur, weil es innerhalb der Sozialdemokratie eben unterschiedliche Wahr­nehmungen gibt: zur Cannabislegalisierung, zu Tempo 100, zu den Statuten, zum Lobautunnel. Das zieht sich ja. (Bundesrätin Grimling: Könnten wir zum Thema reden!) – Wir können gern zum Thema reden, aber Sie haben mich gerade so schön aufgefordert, dass ich das alles hier einmal ein bisschen thematisiere. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wie es Kollege Kornhäusl gesagt hat: Wir haben ja Zeit, wir können das ja durchaus auch ein klein wenig besprechen.

Wenn sich dann der neue Parteivorsitzende – schön, dass er heute ein bisschen länger als sonst hier ist (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen) – die Zeit nimmt, dann sage ich ihm: Er kann sich auf Wien und das Burgenland nicht mehr verlassen (Bundesrat Babler: Linker Rand, hast du vergessen!) und ich hoffe, dass er sich nicht auf Niederösterreich verlassen muss, denn wie wir das


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kennen, ist man da ja auf verlorenem Posten. (Bundesrätin Schumann: Und das Zentrum ist das niederösterreichische Landhaus?!)

Meine Damen und Herren, damit kommen wir wieder zurück zum eigentlichen Thema, und das ist die Gesundheitsversorgung in Österreich (Bundesrätin Schumann: Warum ist so ein Talent nicht längst in höheren politischen Weihen?!): Während man bei der Sozialdemokratie die einheitliche Linie vermisst, haben wir in der Volkspartei eine einheitliche Linie, und das ist gut so. Da gibt es eine klare Haltung und einen klaren Plan.

Das eine ist, die Versorgungssicherheit am Land und in der Stadt sicherzustellen. Ein Teil davon ist ja heute dieser Masterplan Gesundheit, in dem es darum geht, auch in Zukunft genügend Kassenärztestellen zur Verfügung zu stellen. Das andere ist – und auch das werden wir in den nächsten Wochen und Mona­ten intensiv angehen –, dass wir eben mehr Medizinstudienplätze brauchen, und zwar mit einer Berufspflicht, denn: Wer in Österreich studiert, muss auch in Österreich arbeiten. Auch das ist Haltung bei uns in der Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Damit habe ich ja zum Glück die Kurve zur Gesundheitsversorgung noch einmal geschafft und möchte zum Abschluss noch eines berichten: Wir haben in Nieder­österreich eine Karenzregelung für Bürgermeister:innen beschlossen. Vielleicht wäre es einmal anzudenken, dass man das auch für Mandatar:innen macht, denn dann würden wir uns derart lange Debatten sparen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.  Bundesrat Steiner hebt die Hand.)

18.04


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Bundesrat Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****



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18.04.26

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsident! (Rufe bei der SPÖ: -in!) Als Nächster gelangt dann Herr Gesundheits- und Sozialminister Rauch zu Wort. – Herr Rauch, ich weiß ja nicht, wie lange Sie vorbereitet haben, zu reden. (Bundesrat Gross betritt den Saal. – Ah-Rufe bei der SPÖ. – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Halleluja!)  – Aber Adi Gross betritt den Saal, na wunderbar! Adi Gross hat seine Kur abgebrochen (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Geh bitte!) und ist jetzt plötzlich fähig, im Bundesrat zu - - (Bundes­rätin Hauschildt-Buschberger: Was soll das?! – Weitere Zwischenrufe bei Bun­desrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Wir alle haben heiß auf die Wiederauferstehung gewartet. (Bundesrat Himmer: Was ist die Geschäftsordnungsmeldung?) Herzlich willkommen, Herr Kollege Gross, im Bundesrat! Bis jetzt - - (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Buchmann, Miesenberger und Platzer. – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Was soll das? Hallo!) Bis 18 Uhr - - (Unruhe im Saal.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr Bundesrat Steiner, wenn Sie so nett sind, bitte noch einmal zur - -


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Darf ich? Ja? – Danke, Frau Präsident. Sie haben mir jetzt das Wort zur Geschäftsordnung erteilt.

Bis 18 Uhr war es jetzt nicht sehr wichtig, dass Bundesräte zur Sitzung erscheinen und dann auch am Abstimmungsprozess teilnehmen; jetzt ist es wichtig. Die ÖVP und die Grünen haben es geschafft, mit ewig langen Redebeiträgen – inhalt­lich brauchen wir jetzt nicht zu streiten oder darüber zu reden, ob es sinnvoll war oder nicht (Bundesrat Himmer: Was ist da die Geschäftsordnungsmeldung?), das muss der Zuseher - - (Bundesrat Buchmann: Was ist denn da zur Geschäftsord­nung? – Bundesrätin Platzer: Was ist zur Geschäftsordnung? Kann man ihm das Wort entziehen? – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Kannst gleich abdrehen!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr - -



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Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Frau Präsidentin, bitte mich nicht andauernd zu unterbrechen! Ich komme zu meiner Geschäftsordnungsmeldung zurück. Niemand muss nervös werden, auch die Frau Präsidentin nicht. (Bun­desrat Buchmann: Das ist keine Geschäftsordnungsmeldung!) – Lassen Sie mich ausreden!

Es war eine Farce, wie man jetzt mit der Geschäftsordnung umgegangen ist (Ah-Rufe bei der ÖVP), das wird auch die SPÖ bestätigen, und ich hoffe, dann auch noch einen dahin gehenden Geschäftsordnungsbeitrag seitens der SPÖ zu hören. Die Demokratie gibt es her, natürlich gibt es die Demokratie her, so lange und so viel zu reden (Ruf bei der SPÖ: Wo sind wir denn?), es gibt auch die Geschäftsordnung her, so oft – also zweimal – und so lange zu reden, wie man will. Nur, es ist halt immer das Messen mit zweierlei Maß: Wenn unsere Bundesräte - - (Widerspruch und Ah-Rufe bei ÖVP und Grünen.) – Ja, hört einmal zu! (Ruf bei der ÖVP: Was ist die Geschäftsordnungsmeldung?) – Frau Präsi­dentin!

Wenn unsere Bundesräte einmal knapp über 10 Minuten reden, dann gibt es einen Bahöl in diesem Haus, speziell von ÖVP und Grünen, reden aber Grüne und ÖVP 20 Minuten lang (Ruf bei der SPÖ: 27!) über für sie wohl wichtige Geschichten, gibt es natürlich keinen Bahöl, auch von unserer Seite nicht – kein Problem, ihr könnt auch 4 Stunden pro Redner reden! Ich will nur den Mitar­beitern der ÖVP und den Mitarbeitern der Grünen gratulieren, dass sie so toll und so schnell reagiert haben und so viele Reden geschrieben haben. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Ihr könnt auch reden, so lange ihr wollt – kein Problem!

Ich bin froh, dass Kollege Adi Gross jetzt gesund und munter wieder im Bun­des­rat erschienen ist (Ruf bei der ÖVP: Geh hör auf, bitte!), also ich bin wirklich glücklich, dass in dieser Rehaanstalt die Gesundung so schnell vorangeht. (Bun­des­rat Himmer: Wahnsinn!) Wenn das bei allen Österreichern so wäre, wäre das eine tolle Geschichte. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen. – Buhrufe der Bundes­rätin Platzer. – Ruf bei der ÖVP: Das ist letztklassig!)



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr Bundesrat Steiner!


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Die Wahrheit ist zumutbar (Bundesrat Himmer: Wahnsinn!), und ich lasse mich, Frau Präsidentin, hier herinnen von nieman­dem, der jetzt öffentlich hinausgeht (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger), der Lüge bezichtigen.

Eine Bundesrätin von uns hatte heute einen wichtigen Termin beim Arzt – das ist kein Muttermaltermin gewesen, sondern ein wichtiger Termin –, der am späten Vormittag plötzlich verschoben wurde, und dann war diese Bundesrätin so pflichtbewusst, ist in den Zug gestiegen und hierhergefahren und hat ihre Aufgabe als Bundesrätin wahrgenommen. Wo sind wir denn überhaupt, wenn ich mir dann von den grünen linkslinken Narrischen (He-Rufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen) vorwerfen lassen muss, dass die Freiheitliche Partei lügt?! (Ruf bei der ÖVP: Jetzt ist einmal Schluss!) Wo sind wir?! (Beifall bei der FPÖ.)

Mit Gesundheit macht man keine Scherze. Wie die Grünen mit der Gesundheit ihrer eigenen Mandatare umgehen, müssen die Grünen mit sich selber aus­machen. (Ruf bei den Grünen: Frau Präsidentin!) Wir sind unserer Pflicht nachgekom­men (Ruf bei der ÖVP: Ja, ja, genau!), wir haben unsere Kollegin entschuldigt, weil sie heute einen wahrlich wichtigen Arzttermin hatte. Unserer Kollegin ging es wie Tausenden Österreichern in diesem Land, dass plötzlich der Termin verschoben wurde (Rufe bei ÖVP und Grünen: ... Geschäftsordnung!) – ja, beruhigt euch wieder, ihr von der Regierung, beruhigt euch wieder!, es nützt nichts; macht eine Geschäftsordnungsmeldung, macht einen Redebeitrag (Bundesrat Kornhäusl: Ja bitte! Das ist ja keine Geschäftsordnungsmeldung!), das seid ihr gewohnt! –, und wenn sie dann so pflichtbewusst ist und trotzdem in die Sitzung kommt, dann ist das von jedem hier herinnen zu respektieren. Auch das ist Demokratie und hat mit Lügen nichts zu tun.

Das wollte ich nur klarstellen, denn es gibt jetzt Medienanfragen, wonach uns die Grünen, speziell die Grünen, der Lüge bezichtigen. (Bundesrat Schreuder: ... Geschäftsordnung!) Das ist ein Skandal, das weise ich zurück. Das kann Kollege


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Schreuder gerne machen, nur: Er quält seine Abgeordneten zu einer Sitzung her, in der sie schnell abstimmen müssen, wobei sie gesundheitlich anscheinend nicht in der Lage dazu sind, denn sonst wären sie nicht auf Kur. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.10

*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als nächster Redner ist Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.10.43

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Auf diesen Augenblick habe ich ja lange gewartet, weil er Gelegenheit bietet, doch etwas ausführlicher über das österreichische Gesundheitssystem zu sprechen. (Bundes­rat Steiner: ...! Die Mehrheit ist das nicht ...! – Ruf bei der ÖVP: Bitte, Christoph!) – Zu Ihnen komme ich in 1 Minute, Herr Bundesrat Steiner (Bundesrat Steiner: Ja, es reicht auch in ...!), denn das ist auch eine gute Gelegenheit.

Wenn Sie nämlich hier eine Geschäftsordnungswortmeldung machen als Vorsitzender einer Fraktion, die den Parlamentarismus permanent mit Füßen tritt - - (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Steiner: Was? – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) – Ja, ja. Sie müssen sich noch ein bisschen gedulden, Sie müssen sich jetzt noch etwas mehr anhören (Bundesrat Steiner: Passt schon! – Bundesrat Spanring: Das werden wir ja sehen! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.– Ja, ja.  So, wie Sie dieses Parlament behandeln, die Wortspenden, die Sie abliefern, das ist eine Menschenverachtung, die ihresgleichen sucht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Corona!)

Das hat Ihnen offenbar noch nie jemand gesagt. Es fehlt Ihnen auch die Kinderstube dazu, es fehlt Ihnen die parlamentarische Reife dazu. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Jetzt reicht’s aber


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einmal! – Weitere Zwischenrufe der Bundesräte Spanring und Steiner.) – Nein, ich bin noch nicht fertig.

Ich bin noch nicht fertig, und ich sage das in aller Ruhe: Menschen wie Sie desavouieren Parlamente. (Bundesrat Spanring: Ja, ja!) Sie sind schuld daran und tragen Mitverantwortung (Bundesrat Spanring: Genau!), dass sich Menschen von der Politik abwenden. (Bundesrat Spanring: Eingesperrt habts ihr sie, Herr Rauch! Ihr wart das, Herr Rauch! Ihr wart das!) Sie sind derjenige und es ist Ihre Partei, die nicht in der Lage sind, sich an ein Mindestmaß an Anstand und parlamentarische Gepflogenheiten zu halten, und ich würde Sie dringend ersuchen, in diesem Sinne vor Ihrer eigenen Türe zu kehren und zur Sacharbeit zurückzukehren. Das hat dieser Bundesrat jedenfalls verdient. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zur Sache und zur Gesundheitsreform: Ich bin ja sehr dankbar und möchte das auch würdigen, dass das Primärversorgungsgesetz eine breite Zustimmung findet, und würde auch gerne ausführen, warum das wichtig ist und warum das ein zentraler Baustein dessen ist, was wir Gesundheitsreform nennen und auch vorbereiten: weil – und darum haben wir gerungen – dieses Primärversor­gungs­gesetz die Voraussetzung dafür schafft, dass ein Ausbau in jenem Bereich stattfindet, der besonders wichtig ist, nämlich dem niedergelassenen Bereich. Ich kann Ihnen sagen, alleine die Tatsache, dass dieses Gesetz angekündigt worden ist, hat dazu geführt, dass zusätzlich zu den 44 Primärversorgungseinheiten, die wir jetzt in Österreich haben, 30 weitere in der Pipeline, in Vorbereitung sind – fünf davon sind Kinder-PVEs, die wir dringend brauchen –, und das in allen Bundesländern.

Ich sage Ihnen auch, warum das so wichtig ist: Nein, es ist nicht der Ersatz des Hausarztes, nein, es ist nicht das Allheilmittel, aber es ist die beste Voraus­setzung dafür, die Arbeitsbedingungen für Medizinerinnen und Mediziner so zu gestalten, dass sie – und das wollen viele – anders arbeiten können, als es noch vor zehn, 15 Jahren üblich war. Das heißt: Arbeiten im Team, bessere Abstimmung, Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Öffnungszeiten, die für


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Patientinnen und Patienten deutlich ausgeweitet sind, Urlaubsvertretungen, die klar geregelt sind, und insgesamt eine bessere Versorgung.

Das führt auch dazu – und das finde ich für die Bundesländer wichtig –, dass wir jetzt im Finanzausgleich darüber reden, wie wir an den Schrauben drehen können, um auch die Spitäler zu entlasten. Die Spitäler sind ja Landesangele­genheit und müssen von den Ländern finanziert werden. Und weil das österreichi­sche Gesundheitssystem so ist, wie es ist, nämlich dass wir keine Finanzierung aus einer Hand haben, dass wir Zuständigkeiten haben, die von den Bundes­ländern über die Sozialversicherung, die eine Selbstverwaltungseinheit darstellt, bis zum Bund reichen, muss es uns eben gelingen, zu den negativen Effekten, die wir haben – dass Menschen im Spital, in Spitalsambulanzen landen, die dort nicht hingehören –, Ausgleich zu schaffen, Angebot in der Fläche zu schaffen.

Das machen wir unter anderem mit den Primärversorgungseinrichtungen; das machen wir mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin, den wir einführen werden; das machen wir auch mit einem Ausbau der Kassenärztinnen und Kassenärzte; und das machen wir auch mit einem Ausbau der Digitalisierung, insbesondere der Telemedizin.

Das machen wir weiters mit einem massiven Ausbau der Gesundheitsförderung, weil es ein ganz wesentlicher Bestandteil ist, in die Prävention zu investieren, und letztlich auch, wenn es um die Medikamentenversorgung geht, um die gemeinsame Beschaffung von insbesondere teuren Medikamenten bei Spitälern zustande zu bekommen, weil klar ist: Gemeinsam zu verhandeln zahlt sich in dieser Frage jedenfalls aus. Wir haben eine Kostenentwicklung, insbesondere bei den hochpreisigen Medikamenten, bei den Landesspitälern, die Sorgen macht, was die Finanzierung angeht. Da wird auch, das sei dazugesagt, auf europäischer Ebene eine Regelung kommen, die durchaus gemeinsame Beschaffungen von Staaten nach vorne bringt, um ein besseres Verhandlungsmandat für die Patien­tin­nen und Patienten sowie für die Landesspitäler zu haben.


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Es gibt eine interessante Befragung der Gesundheit Österreich und der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, die abgefragt haben, was denn die Motivation ist und was Ärztinnen und Ärzte heute brauchen, und zwar sowohl im stationären Bereich wie auch im ambulanten Bereich. Da ist beispielsweise die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte heutzutage wesentlich dominanter, als es noch vor zehn, 15 Jahren war. Da geht es auch – und der erste Fokus ist nicht die Bezahlung – um das Arbeiten im Team und den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, weil das einfach Sicherheit gibt, auch in der Praxis, und jedenfalls dazu führt, dort die Arbeit besser abwickeln zu können.

Noch einen Satz zum Finanzausgleich: Wir sind mit den Bundesländern dazu in einem guten Austausch, weil es darum geht, mehr Geld ins System hinein­zubekommen, auch unter der Maßgabe, dass Reformen zustande gebracht werden können. Da laufen die Verhandlungen gerade. Es wird Zweckzuschuss­zuweisungen an die Bundesländer geben, es wird eine Aufstockung geben, auch bei einer ganzen Reihe von Gesundheitsmaßnahmen, die eine Wirkung entfalten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird, da die Dinge gut zu regeln.

Letzter Satz oder letzter Teil zum Eltern-Kind-Pass: Das ist im Bereich der Digitalisierung ein wesentlicher Fortschritt. Wir halten das für notwendig. Es werden die Leistungen ausgebaut.

Wir haben mit dem Mutter-Kind-Pass – jetzt Eltern-Kind-Pass – ein Erfolgs­projekt, das sei dazugesagt, eine Errungenschaft der Sozialdemokratie, die das im Jahr 1974 unter Ingrid Leodolter eingeführt hat. Das hat wesentlich dazu beigetragen, dass in Österreich die Kindersterblichkeit zurückgegangen ist, die Kindergesundheit gestiegen ist und sich insgesamt die gesundheitliche Versorgung von Mutter und Kind, Eltern und Kindern deutlich verbessert hat.

Was ist neu? – Es gibt eine zweite, freiwillige Hebammenberatung vor der Geburt. Das stärkt den Beruf der Hebammen. Es gibt ein zusätzliches


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Hörscreening für Neugeborene. Auch das halten wir für wichtig, weil – und das ist erwiesen – sich eine Hörschwäche gerade im frühkindlichen Bereich als verzögerte Sprachentwicklung ausprägt. Weiters gibt es die Möglichkeit eines zusätzlichen kostenlosen Ultraschalls gegen Ende der Schwangerschaft, um Komplikationen bei der Geburt zu verhindern.

Insofern freue ich mich, wenn dieses Gesetz heute Zustimmung findet. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.18


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Marlies Doppler zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.19.08

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Präsident! Herr Minister Rauch hat behauptet, dass wir Freiheitliche eine menschenverachtende Politik machen. – Das stimmt nicht.

Ich berichtige tatsächlich: Menschenverachtend war die Politik unter drei grünen Gesundheitsministern während Corona. Menschenverachtend war die Impfpflicht, menschenverachtend war das Maskentragen, menschenverachtend war das Einsperren von Menschen und menschenverachtend war das Bespitzeln von Menschen in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

18.19


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Noch einmal zu Wort gemeldet hat sich Christoph Steiner. – Bitte.


18.20.01

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsident! (Rufe bei der SPÖ: -in!) Ganz kurz zur Rede des Herrn Gesundheitsministers: Sie haben in Ihrer Rede jetzt gesagt, die Freiheitliche Partei würde das Parlament und die Demokratie mit Füßen treten. – Herr Minister Rauch, ich darf das im Namen ganz, ganz vieler Österreicher – in den Umfragen über 30 Prozent –, im Namen der freiheitlichen


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Fraktion im Bundesrat, im Namen der freiheitlichen Fraktion im Nationalrat auf das Schärfste zurückweisen.

Ich darf nur an Folgendes erinnern: Sie waren diejenigen, die den Parlamen­tarismus, die die Gepflogenheiten im Parlament, in Coronazeiten die Menschenrechte, die Würde der Menschen und den Rechtsstaat mit Füßen getreten haben (Beifall bei der FPÖ), Sie und Ihre grünen Vorgänger samt der ganzen Regierungspartie.

Herr Minister Rauch, dann haben Sie sich noch herabgelassen und haben zu meiner Person gesagt - - (Bundesminister Rauch blickt in seinen Laptop.) –Jetzt können Sie mich auch anschauen. Es wäre interessant, wenn wir dann Auge in Auge reden könnten (Bundesminister Rauch nickt leicht, streckt Bundesrat Steiner seine Hand entgegen, schließt den Laptop und blickt geradeaus in Richtung Plenarsaal – Ruf bei der SPÖ: Das ist kein Wirtshaus!) oder von Angesicht zu Angesicht, Herr Minister. Schauen Sie mich an, oder trauen Sie sich jetzt nicht mehr? Was ist jetzt das Problem, Herr Minister? (Bundesrat Himmer: Was ist das? – Bundesrat Schreuder: Was ist das? Das geht nicht! Das geht nicht!)

Der Herr Minister hat in meine Richtung gesagt - - (Bundesrat Himmer: Das ist unglaublich!) – Ja, das war unglaublich, Herr Kollege (Bundesrat Himmer: So geht das nicht! So kannst du mit deinem Haustier reden, aber nicht mit einem Kollegen im Parlament! Sitz, Platz, Fuß, schau!), was er gesagt hat! Das war unglaublich, das war ausgesprochen unglaublich. – Einen Moment, ich erkläre gleich, warum es unglaublich war!

Das war oder ist vielleicht in der ÖVP so, deswegen haben sie dich immer noch drinnen, Herr Kollege, trotz deiner Diversion – aber das ist ja wurscht. (Bundesrätin Miesenberger: ... Rundumschlag! ... Rundumschlag!) Ganz ruhig! Na, verhältst du dich ruhig, dann kriegst du keine drauf, ganz einfach.

Herr Minister Rauch, Sie haben jetzt in meine Richtung gesagt, dass der Steiner keine Kinderstube genossen hat. (Ruf bei der SPÖ: Ojojojoj!) – Da können Sie


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schon lachen, Frau Miesenberger. Ich weise darauf hin – und sage Ihnen das jetzt zum letzten Mal; ich habe es schon einmal gesagt –: Ich habe in ganz jungen Jahren einen Schicksalsschlag erleiden müssen, und ich habe eine gute Kinder­stube genossen, bis mein Vater durch einen ganz, ganz schrecklichen Unfall verstorben ist, und daher verbitte ich mir, dass Sie sich von der Regierungsbank aus über meinen verstorbenen Vater auslassen. (Bundesrätin Kittl: Aber das hat er nicht gemacht! – Weitere Rufe bei den Grünen: Das hat er nicht gemacht!) Das verbitte ich mir aufs Allerschärfste! (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir aber zurück zu Ihrem grünen ideologischen Projekt (Bundesrätin Miesenberger: Ja, genau!), kommen wir zurück zum ideologischen Projekt der Grünen, also dass der Mutter-Kind-Pass jetzt Eltern-Kind-Pass genannt wird: Bei aller Aufregung hier herinnen und bei aller gegensätzlichen Meinung glaube ich schon, dass wir hier herinnen einen Konsens haben – der ist wissenschaftlich belegt, das sind jetzt auch keine Fakenews –: Es gibt auf der Welt zwei Geschlech­ter (Bundesrätin Kittl: Das ist ein - -!), Frau und Mann (Bundesrätin Kittl: Wach einmal auf!) – jeder Biologe wird Ihnen das bestätigen, jeder Biologieunterricht auf der ganzen Welt wird das so unterrichten –, und es sind auch keine Fake­news, dass die Frau das Kind bekommt und nicht der Mann das Kind bekommt. (Bundesrätin Miesenberger: Das stellt niemand infrage!) Herr Kornhäusl von der ÖVP, Sie werden mir recht geben. Ich hoffe – Sie sind Arzt und in der ÖVP –, Sie wissen: Frau und Mann, zwei Geschlechter, und die Frau wird diejenige sein, die das Kind zur Welt bringt. (Bundesrat Kornhäusl: Der Mann hat schon dazugehört! Es braucht schon einen Mann auch, nicht?)

Was aber macht jetzt die ÖVP? – Die ÖVP – die ehemalige Familienpartei, das muss man ja dazusagen: ehemalige Familienpartei - - (Ruf bei der ÖVP: Immer noch!) – Nein, „immer noch“ stimmt nicht. Ich belege dir, warum „immer noch“ nicht stimmt, sie ist eine ehemalige Familienpartei.

Was ist die Familie? – Die Familie ist doch wohl unbestritten die Keimzelle unserer Gesellschaft, worauf sich alles aufbaut, das ist die Familie aus Mann und


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Frau, die auch unseren Fortbestand sichert. (Ruf bei der SPÖ: Mein Gott!) Das ist und bleibt die Familie.

Und was macht die ÖVP jetzt? – Das ist jetzt gefährlich, weil die ÖVP jetzt total woke und in wird, und plötzlich sind all ihre Wähler dahin. Aber passt auf! Wenn ihr das mit den Grünen jetzt noch länger mitmacht, jetzt, vom Eltern-Kind-Pass - - Übrigens – das muss man auch dazusagen, und ich stehe nicht an, das zu tun –: Der Mutter-Kind-Pass ist eine Errungenschaft der Sozialdemokratie, er ist unbestritten eine gesundheitspolitische Errungenschaft der Sozialdemokratie. Danke dafür, das muss man ganz ehrlich so sagen! (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich war die Sozialdemokratie damals noch ordentlich unterwegs (Bundesrätin Gruber-Pruner: ... unglaublich!), aber was macht sie jetzt? – Jetzt gibt es anstatt des Mutter-Kind-Passes den Eltern-Kind-Pass. (Ruf bei den Grünen: Genau!) Der Mutter-Kind-Pass wurde erfunden und eingesetzt, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu sichern, zu begleiten und zu dokumentieren. Väter spielen in diesen Untersuchungen – und da werdet ihr mir, so links und so woke wie ihr seid, recht geben müssen – keine Rolle. Väter spielen dabei keine Rolle. Es kann durchaus passieren, dass während der Schwangerschaft der Mann einer Mutter erkrankt oder – Gott behüte! – an Corona erkrankt, aber das hat mit dem Mutter-Kind-Pass nichts zu tun. Der Mutter-Kind-Pass wurde erschaffen, erfunden, um die Gesundheit der Mutter während der Schwanger­schaft und jene des Kindes dann nach Geburt zu schützen. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit dieser Geschichte, den Mutter-Kind-Pass zum Eltern-Kind-Pass umzuideo­logisieren, macht ihr nur eines: Ihr seid vollkommen auf der ideologisch linkslinken woken Welle unterwegs. Was ich daran schlimm finde – ich meine, es ist nett, wenn die ÖVP auf der linkswoken Welle ist, das sei ihr unbenommen; dann sind die Funktionäre der ÖVP auf der linkswoken Welle, aber nicht die Wähler der ÖVP –, ist, was die ÖVP jetzt macht, und das ist ja viel gravierender, weil das weitreichendere Folgen hat. Da geht es ja nicht nur um den Mutter-Kind-Pass, da geht es um viel mehr!


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Das Schlimme ist – das muss Herrn Schwindsackl ja schocken, weil er sehr wertkonservativ ist –, dass ihr jetzt in Österreich den Begriff Mutter aus dem Weltbild streicht. Der Begriff Mutter wird mit dem Eltern-Kind-Pass abge­schafft – abgeschafft! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Miesenberger: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Miesenberger, Sie sind eine Frau, dann erklären Sie mir jetzt einmal Folgendes: Sie haben jetzt, glaube ich, 30 Reden zu diesem Thema gehalten, und kein ÖVPler hat erklären können, warum man vom Begriff Mutter-Kind-Pass zu Eltern-Kind-Pass wechselt – keiner kann das erklären. (Bundesrätin Miesenberger: Das wurde lange ...! – Bundesrätin Kittl: Da warst du ...!) Ja, wird der Vater jetzt auch untersucht? Frau Kollegin Miesenberger, wird der Vater dann untersucht? (Bundesrätin Miesenberger: Du warst nicht da! ... nicht alle Redebei­träge ...!) Wird der Vater untersucht? Eine ganz klare Frage: Wird der Vater bei den Untersuchungen beim Mutter-Kind-Pass dann auch untersucht? – Nein. Ihr schafft somit den Begriff Mutter ab, und das ist das Traurige – das ist das Traurige! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage euch eines: Es sind immer nur kleine Schritte, kleine Schritte, die ihr mit den grünen Linksideologischen – damit ich nicht Wahnsinnigen sage; das tue ich nicht – mithüpft. Es sind immer nur kleine Schritte – immer nur kleine Schritte! –, aber die Auswüchse dieser kleinen Schritten zeigt uns ein Artikel – und ich habe mir echt gedacht: Das gibt es jetzt nicht, dass so etwas auf dieser Welt möglich ist, das so etwas passiert.

Transgender-Vater lebt als sechsjähriges Mädchen. Ich zitiere: „[...], die als ,Stefanie‘ ausgesprochen wird, durchlief eine bedeutende persönliche Veränderung und lebt jetzt bei einer Adoptivfamilie, die ihre neue Identität unterstützt.“ Stefanie „möchte sich vorübergehend der Verantwortung des Erwachsenseins entziehen und betont, dass sie ,im Moment nicht erwachsen sein möchte‘.


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Ein Transgender-Vater [...] hat sich entschlossen, seine Frau und seine sieben Kinder zurückzulassen, um ein neues Leben als sechsjähriges Mädchen zu beginnen.“ Stefanie „, 59, kam zu der Erkenntnis, dass er transgender ist, nach­dem er 23 Jahre lang verheiratet war.

Sie“ – also nicht mehr er – „unterzog sich einer Hormonersatztherapie, begann als sechsjähriges Mädchen zu leben und lernte ein polygames Paar, Adrian und Serena, kennen, die zu ,Mami und Papi‘ wurden.“ Stefanie „erklärte: ‚Er hat mich auf einer Fetisch-Website gefunden. Wir gingen zum Mittagessen aus und verstanden uns sehr gut.‘“

Das passiert (drei Fotos in die Höhe haltend, wo auf einem eine erwachsene Person mit halblangen blonden Haaren in einem Kleid mit Schnuller im Mund und einer großen Stoffpuppe im Arm neben einem Weihnachtsbaum sitzend zu sehen ist): dass ein 56-jähriger Mensch mit einem Schnuller vor dem Weihnachtsbaum sitzt als Frau, und das ist normal, meine Damen und Herren! (Heiterkeit bei Bundes­rät:in­nen der FPÖ.) Das passiert, wenn ihr so weitermacht mit dem linksgrünen Irrsinn. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist nicht normal. Das ist weit abnormal.

Wie geht denn so etwas weiter? Setzt der sich dann mit 56 Jahren als Mann mit seinem Schnuller in den Kindergarten hinein, in die Puppenecke zu den kleinen Mädchen? (Bundesrat Schennach: Na, dem geht es ...!) Spürt ihr das, was in dieser Zeit, in der wir leben, passiert? Spürt ihr das, was da los ist? Das kann man doch nicht gutheißen, wenn sich ein 56-jähriger Mann plötzlich als sechsjähriges Madl fühlt und dann noch einen Schnuller im Mund hat. Mit sechs Jahren haben im Übrigen die meisten Kinder keinen Schnuller mehr im Mund.

Ihr von der ÖVP seid da aber mit dabei, ihr von der christlich-sozialen Familien­partei, verdammt noch einmal! Das kann ja nicht der Auftrag sein (abermals das eben gezeigte Foto in die Höhe haltend), solche Menschen herbeizuzüchten. Seid mir doch nicht böse! Das ist abnormal, und das muss abnormal bleiben, ver­dammt noch einmal! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)


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Und es gibt ja nichts – und ich sage das, ob euch das jetzt passt oder nicht –, es gibt ja nichts Grausigeres, und ich sage es so, es gibt nichts Grausigeres, als wenn furchtbar verkleidete Männer geschminkt bis oben hin als Frau dann in Kindergärten und Schulen gehen und unseren Kindern egal was vorlesen – um das geht es nicht! Es geht nicht ums Thema. Die haben in den Schulen nichts verloren. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.) Das ist nicht normal, verdammt noch einmal! Das ist nicht normal!

Das Ziel der Grünen ist uns bewusst. Das Ziel der Grünen ist klar. Das Ziel der Grünen ist, die Abnorm zur Norm zu machen. Aber ich sage es euch von der ÖVP: Da könnt ihr ja nicht ständig unwidersprochen dabei sein. Ich weiß, die Schwäche der ÖVP, die ihr halt jetzt einmal habt – ich kann es auch nicht ändern, wird schon an eurer tollen Politik liegen –, ist die Stärke der Grünen. Und jetzt fahren die Grünen Wagerl mit euch. Ein Transmann wird aber nie ein Kind zur Welt bringen. Das ist nicht möglich! Das ist nicht möglich. Deshalb braucht es keinen Eltern-Kind-Pass, sondern einen Mutter-Kind-Pass, verdammt noch einmal! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

Das Schlimme daran ist ja, ihr zerstört ja nicht nur das Weltbild Mutter als ÖVP - - Die Grünen werden wir hier nicht mehr überzeugen, da werdet ihr mir von der ÖVP auch recht geben, also das werden wir nicht mehr erretten mit den Grünen, aber das ist eine Minderheit in ganz Österreich. Wenn die das nächste Mal 8, 9 Prozent haben, ist alles beieinander.

Ihr von der ÖVP müsst aber umdenken! Ihr könnt euch doch nicht im Ernst von einer Miniaturpartei so in Geiselhaft nehmen lassen. Das kann doch nicht bis zur nächsten Nationalratswahl euer Ziel sein. Ihr müsst dann einmal als christlich-soziale Familienpartei auf die Bremse treten und sagen: Na, na, bis hier hin und nicht weiter! Bis hier hin ist es ganz nett mit eurer woken Ideologie, aber jetzt tritt die ÖVP auf die Bremse! Aber das macht ihr nicht. Das macht ihr nicht! (Beifall bei der FPÖ.)


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Und das Schlimme daran ist ja, dass keine Wahlfreiheit mehr besteht. Das heißt jetzt, die Mutter darf nicht entscheiden: Will sie den Mutter-Kind-Pass, so wie er jetzt ist, behalten oder steigt sie auf eine digitale App um? Ihr schafft die Wahlfreiheit ab – schon wieder! Und ihr wisst ja aus der Vergangenheit, aus eurer Regierungsperiode, dass das mit dem Abschaffen der Wahlfreiheit noch nie gut gegangen ist – noch nie! Das ist nicht lang in der Geschichte zurück, als das komplett in die Hose gegangen ist – Impfpflicht, ich sage es nur.

Jetzt schafft ihr da die Wahlfreiheit ab. Jeder muss dann diese App nützen, ob er will oder nicht – jede Mutter. (Bundesrätin Miesenberger: Nein, stimmt nicht!) Jede Mutter muss sie nützen. Und dann werden die Daten 30 Jahre lang gesichert. Wir wissen das in Österreich – wir sind gebrannte Kinder, gebrannte Kinder –: Die Daten in Österreich, von egal wem, waren noch nie sicher, denn plötzlich hat man gewusst: Wer ist in Österreich geimpft, wer ist nicht geimpft? Wer braucht einen Impfbrief, wer braucht den Impfbrief nicht? In euch haben wir kein Vertrauen. Ihr habt die Daten der Österreicher schon oft und viel zu oft missbraucht. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ihr aber wollt, was ihr aber im Hintergrund wollt: Das ist viel, viel, viel abscheulicher, was ihr im Hintergrund wollt. Ihr wollt bespitzeln: Ist die Mutter, ist die Familie bereit, alle Untersuchungen, alle Impfungen – und das ist weit schlimmer, Untersuchungen passt –, alle Impfungen in Anspruch zu nehmen und sich für die Kinder zwangszuimpfen? Und das ist der nächste Ausbau.

Jetzt bestreitet ihr es, aber wir haben bei der Impfpflicht gesehen, was los war, was ihr für eine Ideologie verfolgt. Und dann heißt es: Wenn dein Kind nicht gegen das und das geimpft ist, streichen wir die Familienbeihilfe! Dazu sind wir Freiheitliche mit Sicherheit nicht bereit, das sage ich euch in aller Deutlichkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Tausende Stellungnahmen sind von der Datenschutzbehörde eingegangen – jener Datenschutzbehörde, die die Grünen immer so gerne in den Mund nehmen, wenn es ihnen gerade passt. Wenn es ihnen nicht passt, sind ihnen die


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Einwendungen der Datenschutzbehörde wurscht. Die Einwendungen der Rechts­anwälte betreffend Grundrechte – nichts habt ihr eingearbeitet, Herr Minister. Nichts! Ihr bleibt dabei: Ihr betreibt weiterhin - - Und das ist das Trau­rige, ihr könnt es jetzt leider Gottes noch ein Jahr lang machen, weil erst im nächsten Herbst der reguläre Nationalratswahltermin ist. Bis dahin könnt ihr noch mit eurer Mehrheit drüberfahren, bis dahin könnt ihr noch die Österreicher schädigen. (Bundesrätin Miesenberger: ... noch viele Gesetze ...!) – Frau Miesenberger droht gerade, es wird noch viele solche Gesetze geben. Gratuliere! Irgendwann seid ihr dann auch eine Miniaturpartei wie die Grünen, aber macht lei so weiter von der ÖVP. Schrei noch mehr rein – ist ganz gut und auch ganz gesund, teuflisch gesund.

Ihr habt jetzt noch die Chance bis nächsten Herbst zum regulären Wahltermin, denn bis dahin werdet ihr auf euren Sitzen picken, nicht? Logisch: Klimakleber sind ideologisch eh nicht weit weg von Ihnen, Herr Minister. Da pickt ihr jetzt noch, aber im Herbst 2024 wird diese schizophrene ÖVP endlich ihren Denkzettel bekommen, und auf das warten wir. Wenn es dann so weit ist und die österreichische Bevölkerung der Freiheitlichen Partei unter Parteiobmann Herbert Kickl das Vertrauen gibt, als stärkste Partei aus dieser Nationalratswahl hervorzugehen, dann werden wir all diese – ich sage nicht Schweinereien, ich nehme es zurück –, dann werden wir all diese Wahnsinnigkeiten unter einem Kanzler Kickl wieder rückgängig machen. (Beifall bei der FPÖ.) Das verspreche ich der österreichischen Bevölkerung und das verspreche ich auch euch hier herinnen. (Lang anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

18.39


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Korinna Schumann. – Bitte.


18.39.33

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin, zuerst herzliche Gratulation zur Präsidentschaft und alles Gute für Ihr halbes Jahr mit vielen


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interessanten Themen und spannenden Inputs, die den Bundesrat in seiner Qualität und seiner Besonderheit nach vorne bringen – und nicht in diesem Schauspiel, in dem wir uns heute befinden!

Ich finde es verständlich, dass man versucht, die Sitzung in die Länge zu ziehen, damit man ein Abstimmungsergebnis bekommt, das man gerne hätte. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es muss dann aber schon klar sein: Wir sitzen jetzt hier in diesem klimatisierten Raum, während es draußen unglaublich heiß ist und Menschen auf der Baustelle hackeln, die keine Chance haben, in einem klimatisierten Raum zu sein.

Es gibt Menschen, die nicht wissen, wie sie jetzt noch über die Runden kommen, die Angst davor haben, in den Supermarkt zu gehen, die Dinge herausnehmen und dann wieder ins Regal stellen müssen, weil sie sich diese nicht leisten können. Es gibt eine Inflation, die überbordend hoch ist. Wir haben eine Regie­rung, die es nicht geschafft hat, die Inflation zu dämpfen. Wir haben Themen wie den Mutter-Kind-Pass, der jetzt in den Eltern-Kind-Pass umgewandelt wird, diskutieren aber nicht darüber, wie wir wirklich die Väterbeteiligung anheben können.

Sie haben es in dieser Regierung nicht geschafft, den Ausbau der Kinderbil­dungs­­einrichtungen wirklich voranzutreiben. Es gibt in Österreich 100 000 Frauen, die gerne mehr Stunden arbeiten würden, die es aber nicht können, weil vielen nicht die Kinderbildungseinrichtungen zur Verfügung stehen, um ihre Kinder gut betreut zu wissen. Das ist ein Problem! (Beifall bei der SPÖ.)

Die FPÖ schickt die Herdprämie ins Rennen. Ganz ehrlich: Ist Ihnen klar, dass diese Nichtwahlmöglichkeit für die Frauen einen Lebensverdienstsum­menent­gang ergibt, der unglaublich hoch ist? (Bundesrat Steiner: Na, stimmt ja nicht!) Das ist für sie das größte Problem: Sie möchten mehr Stunden arbeiten und können es nicht. Das heißt, die Frau verliert Einkommen, die Frau verliert in der Folge im Arbeitslosengeld, wenn sie arbeitslos wird, und sie verliert dann in der Pension, und Sie haben nichts dagegen gemacht.


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Diese Bundesregierung hat ganz bewusst hingesehen. Die EU hat jetzt bei den Barcelonazielen gesagt: Wir steigern die Betreuungsschlüssel für die über Dreijährigen!, und die Regierung hat gesagt: Nein, das alte Ziel von 33 Prozent brauchen wir gar nicht mehr zu erreichen, wir senken das Ziel, wir gehen auf 31,2 Prozent! – So schaut es aus.

Wie schaut es denn aus mit der Beteiligung von Vätern, mit den Chancen von Vätern? Wenn Väter wirklich die Chance haben wollen, in einem Betrieb zu sagen: Ich möchte gerne in Karenz gehen, ich möchte länger zu Hause bleiben!, sind sie oft Repressalien ausgesetzt, dass sie es gar nicht durchstehen. Da sagen Chefs zu ihnen: Bitte, du kommst doch nicht auf die Idee, dass du jetzt in Karenz gehst?! – So schaut die Realität aus. Diese Väter gilt es zu unterstützen. Es gibt viele junge Männer, die sagen: Ich möchte sehen, wie mein Kind aufwächst!

Die Grundlage für die Zukunft einer guten partnerschaftlichen, gemeinsamen Erziehung der Kinder geht nur über gute Kinderbildungsplätze, über die Möglichkeit von Ganztagsschulen und über ein Leben, das man sich leisten kann. Das sind die Probleme, die die Menschen haben, und nicht, wie ich mich fühle. Das ist nicht die für die Menschen wichtige Frage, nicht, dass ich mir etwas von der Seele rede, denn das ist nicht die Aufgabe der Rede, auch nicht die eines ideologischen Grundkampfs, sondern es geht darum: Wie kann ich das Leben und die Situation der Menschen verbessern? – Das ist unsere Aufgabe. Für nichts anderes sitzen wir hier. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Toll!)

Wir alle haben die verschiedensten Zugänge, aber es gibt Realitäten, und die Realitäten sind, dass es vielen Menschen in Österreich jetzt wirklich, wirklich schlecht geht. Die haben keinen schönen Sommer. Jeder Dritte kann sich keinen Urlaub leisten. Eltern haben große Sorgen, weil sie sich die Nachhilfe für die Kinder nicht leisten können. Wie viele Millionen Euro werden für Nachhilfe ausgegeben? Viele fürchten sich vor dem Schulstart der Kinder, weil sie ihn sich nicht leisten können. Das sind die Probleme, die wir haben, sonst haben wir


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keine. Wir müssen - - (Bundesrat Kornhäusl: Schulstartpaket! Aber Schulstartpaket! Aber ist auch nichts, gell!? Ist auch zu wenig, alles zu wenig!) – Schulstartpaket, ja, ein Paket hin, ein Paket her.

Wir haben 8 Prozent Inflation und einen Finanzminister, der sich in der „Presse­stunde“ hinstellt und sagt (Bundesrat Schreuder: Wir haben die Sozialleistungen valorisiert!): Gewinne sind schon etwas Gutes! Die Übergewinne schöpfen wir ab! – Sie haben nur ganz wenige Übergewinne abgeschöpft, Sie haben die Reichen reicher werden lassen, und die Armen werden ärmer. Das ist ungerecht (Bundesrätin Platzer: 60 Euro pro Kind!), und dagegen werden wir kämpfen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Platzer: 60 Euro pro Kind!)

Wir wollen ein gutes Leben für alle. Wir lassen niemanden auf diesem Weg zurück – niemanden lassen wir zurück! (Bundesrätin Platzer: 60 Euro!) –, weil wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für alle einen schönen Sommer wollen. Ob es mir gut geht, ist eine Frage, aber nicht die wichtige, sondern wichtig ist, dass es meiner Nachbarin gut geht, die ein kleines Kind hat und alleinerziehend ist, dass es dem Bauarbeiter gut geht, der bei der Hitze von 37 Grad hackeln muss, dass es der Fabrikarbeiterin, die Schichten fährt, gut geht. Das ist die Aufgabe, für die ich mich und wir alle uns berufen sehen. So schaut es aus! Wir brauchen uns nicht mit uns selber zu beschäftigen, sondern mit den Menschen. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

18.44


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


18.44.59

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt bin ich zornig. Frau Kollegin Schumann (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), mein Vater war Bauarbeiter, der hat bei solch einem Wetter immer hackeln müssen, meine Mutter ist Mindestrentnerin mit Ausgleichszulage. (Zwischenruf der Bundesrätin


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Schumann.) Ich weiß ganz genau, wie sich Armut anfühlt. Ihr habt da keinen Alleinvertretungsanspruch. (Bundesrätin Schumann: Tut was für die Leute! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich weiß ganz genau, was soziale Verantwortung bedeutet, und wir haben die Verantwortung übernommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Tut was für die Leute! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Rauch.)

Es ist sogar vom Budgetdienst festgelegt, noch niemals ist eine Steuerreform - - (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ) – Wir haben die Valorisierung der Sozial­leistungen geschafft, das habt ihr in all den Jahrzehnten eurer Regierungszeit nicht geschafft. Sagt nicht, dass wir nichts gemacht haben, denn das ist nicht wahr! Es ist einfach nicht wahr! (Beifall und Bravorufe bei den Grünen sowie Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr Kollege Schreuder, bitte!


Bundesrat Marco Schreuder (fortsetzend): Herr Kollege Steiner, im österreichi­schen Gesetz (Heiterkeit und Zwischenruf des Bundesrates Steiner) gibt es sechs Geschlechter – das kann Ihnen passen oder nicht (Zwischenrufe bei der FPÖ), das hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Bravo! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wissen Sie, andere Menschen niederzumachen, die es eh schon schwer im Leben haben, das ist niederträchtig, das ist die FPÖ! Ihr seid menschenver­achtend, so ist es! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.46


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu jetzt nicht vor. (Rufe: O ja! Doch!) – Doch, Herr Kollege Leinfellner. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Da haben wir keine Freude! Reden wir weiter, es ist dreiviertel sieben! Rede langsam! – Bundesrat Schreuder: Jetzt kommt irgendeine transfeindliche Kiste!)



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18.47.03

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Kollege Schreuder, irgendwie hat mich das ein bisschen verwirrt, diese sechs Geschlechter, also ich kenne zwei Geschlechter (Bundesrat Schreuder: Das ist Gesetz!), nämlich männlich (Bundesrat Schreuder: Das ist Gesetz ...!) und weiblich. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei den Grünen und anscheinend bei der ÖVP gibt es da auch Dinge dazwi­schen – sechs, wie du erwähnt hast –, für uns gibt es zwei. Wir kommen mit Mandl und Weibl recht gut aus, da passt eigentlich jeder hinein. Das Schöne ist, unsere Leute wissen auch noch, bei welcher WC-Tür sie hineingehen. Das kann man ja nicht bei allen behaupten, wenn man sich Unis anschaut, wo man sich nicht einmal mehr Mandl und Weibl auf eine WC-Tür hinaufzuschreiben traut. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ja ein wesentlicher Tagesord­nungs­punkt, und deswegen bin ich auch sehr froh, dass wir diesen Tages­ord­nungspunkt bis jetzt schon sehr ausführlich behandelt haben. Inhaltlich haben wir den Mutter-Kind-Pass noch nicht sehr ausführlich behandelt, auf diesen möchte ich jetzt schon etwas näher eingehen, damit einmal alle in diesem Saal hier wissen, was in diesem Mutter-Kind-Pass auch drinnen steht.

Das beginnt auf der ersten Seite mit: „Liebe Mutter! Sie haben mit dem Mutter-Kind-Pass ein Dokument in den Händen, das zur Eintragung der Untersuchungs­befunde während Ihrer Schwangerschaft, der Geburt und der ersten Lebensjahre Ihres Kindes bestimmt ist. Es ist wichtig für Sie und für die Gesundheit Ihres Kindes, dass Sie die vorgesehenen Untersuchungen zeitgerecht durchführen lassen. Sie sollten den Mutter-Kind-Pass immer mitbringen, wenn sich in der Schwangerschaft oder wenn Sie später Ihr Kind von der Ärztin/vom Arzt oder im Spital untersuchen lassen, damit alle notwendigen Eintragungen vorgenommen werden können.“


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Grundsätzlich müsste ich da jetzt bei der Masse ja gar nicht mehr weiterlesen, aber nach dem, was ich da heute in der Diskussion alles gehört habe, möchte ich Ihnen schon einen Einblick geben und Ihnen auch weiter vorlesen, was in diesem Mutter-Kind-Pass tatsächlich alles drinnen steht:

„Ein vollständig ausgefüllter Mutter-Kind-Pass gibt Auskunft über den Gesund­heitszustand von Mutter und Kind, ermöglicht aber auch, allfällige Gefahren zu erkennen und entsprechend zu bekämpfen. Bedenken Sie außerdem, dass Sie das volle Kinderbetreuungsgeld ab dem 25., 17., 13. bzw. 10. Lebensmonat des Kindes nur dann erhalten können, wenn alle vorgesehenen Untersuchungen im festgelegten Zeitraum durchgeführt worden sind.“

Jetzt frage ich mich schon: Wenn meine Frau zu Hause schwanger ist und an diesem Tag die vierte Wiederholung von „Malcom mittendrin“ im ORF ausgestrahlt wird, kann sie dann zu Hause liegen bleiben und ich gehe statt ihr in der achten Schwangerschaftswoche zum Arzt und mache die Ultraschallunters­uchung für meine Frau, ist das möglich? Ist das tatsächlich möglich? (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ.) Nach Ihrer Interpretation, nach dem, was ich heute gehört habe, muss das ja möglich sein! Ich kann Ihnen aber sagen: Das wird auch in Zukunft nicht möglich sein! (Beifall bei der FPÖ.)

„Das Gesundheits- und das Familienministerium informieren: Der Mutter-Kind-Pass hat sich seit mehr als 30 Jahren bewährt.“ – Und ja, ich glaube, das haben wir heute auch schon oft gehört: Das ist ein Erfolgsprojekt, das sich in diesen 30 Jahren bewährt hat.

Und weiter: „Mehr Mütter als je zuvor konnten Schwangerschaft und Geburt mit der Sicherheit bester medizinischer Betreuung erleben. Werden alle Unter­suchungen, die im Mutter-Kind-Pass angeführt sind, auch zeitgerecht durchge­führt, so gewährleistet dies die bestmögliche Vorsorge für Mutter und Kind. Nur so können Erkrankungen rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Nur so sind die Chancen auf eine Entwicklung möglichst umfassend gewahrt – auch für Sie und Ihr Baby.“


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Da frage ich mich schon: Können diese Untersuchungen während der Schwangerschaft jetzt auch vom Vater anstelle der Mutter gemacht werden? Der eine oder andere wird es sich vielleicht wünschen, aber ich kann Ihnen sagen: Biologisch wird es nicht möglich sein, dass der Vater diese Untersuchun­gen macht. Es wird weiterhin die Mutter sein, die die Untersuchung beim Arzt machen wird.

„Darüber hinaus ist die zeitgerechte Durchführung der Mutter-Kind-Pass-Unter­suchungen, die bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes vorgesehen sind, Voraussetzung für die Weitergewährung des vollen Kinderbe­treuungsgel­des ab dem 25., 17., 13. beziehungsweise 10. Lebensmonat des Kindes.“

„Untersuchungen während der Schwangerschaft

- eine Untersuchung bis Ende der 16. Schwangerschaftswoche einschließlich Blutuntersuchungen“ – Kollege Kornhäusl, Sie haben sich vorher so positiv für dieses Projekt ausgesprochen, für diesen Eltern-Kind-Pass (Bundesrat Kornhäusl: Es geht um den Namen!): Ist es möglich, dass der Vater diese Unter­suchung in der 16. Schwangerschaftswoche macht? (Bundesrat Kornhäusl: Was ist dein Problem? Wir sind uns einig: eine große Errungenschaft in der Gesund­heitspolitik, und du stößt dich, ob es Mutter- oder Eltern-Kind-Pass heißt! – Zwischen­ruf der Bundesrätin Miesenberger.) Ist es bei der Untersuchung in der 17. Schwangerschaftswoche möglich, dass sie der Vater macht? (Bundesrat Kornhäusl: Wie klein muss man sein?) Ist es in der 20. Schwangerschaftswoche möglich? – Kollege Schreuder, da wirst auch du mir recht geben, dass es nicht möglich ist, dass der Vater diese Untersuchung anstelle der Mutter durchführen lässt! (Beifall bei der FPÖ.)

Weiters: „- eine Ultraschalluntersuchung der Schwangeren in der 8., 9., 10., 11. oder 12. Schwangerschaftswoche“ – na ja, ich habe ja kein Problem mit dieser Ultraschalluntersuchung. Helfen wird es wahrscheinlich dem Kind nicht viel, und ihr werdet wahrscheinlich nicht wissen, ob mein Kind zu Hause gesund ist! Das


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ist einmal in dieser Zeit, in der achten, neunten und zehnten Schwangerschafts­woche bei der Mutter und nicht beim Vater, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Dazu komme ich später vielleicht noch. Ich habe ja noch einige andere Dinge, über die wir uns auch noch unterhalten sollten. Das eine war diese positive und – ja – zukunftsträchtige Gesundheitsreform in der Steiermark. Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das als positiv zu beurteilen ist, dann hoffe ich, dass die ÖVP in der Steiermark nach den nächsten Landtagswahlen in der Landesregierung nicht mehr vertreten ist. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Wartet eure Ermittlungen ab! Wird ja gegen alle ermittelt schon wieder!)

Nicht nur, dass man uns Weststeirern ein gut funktionierendes Spital zerschlagen hat, eine Geburtenstation weggenommen hat, ist man jetzt so weit, dass man auch noch die tageschirurgische Ambulanz abwandern lässt. Die ÖVP verkauft das als positiv, die sieht das positiv, denn jetzt hat man mehr Zeit für die Patienten, nämlich in Form einer Bestellambulanz. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wisst ihr, was das ist? Wisst ihr, was eine Bestellambulanz ist? Bis jetzt war es möglich, wenn man sich in den Finger geschnitten hat, in das Voitsberger Spital zu fahren und das nähen zu lassen. Jetzt kann man am nächsten Tag einen Termin mit einem Arzt ausmachen, der einem dann erklärt, wie man das Pflasterl vielleicht besser picken hätte können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das hilft unseren Voitsbergern nicht, das hilft unseren Steirern nicht (Beifall bei der FPÖ) und das ist schon gar keine zukunftsträchtige Weiterentwicklung, das ist ein Rückschritt um Jahrzehnte!

Es ist noch gar nicht lange her, es ist, glaube ich, sechs Monate her, da hat es einen Artikel in der „Kleinen Zeitung“ gegeben, dass man einen Mann, der ein CT machen hätte sollen, wohnhaft in Voitsberg, mit der Rettung ins LKH Deutschlandsberg gebracht hat. Dagegen ist noch nichts einzuwenden, aber wie es dann weitergegangen ist: Dann hat man ihn am nächsten Tag vom LKH


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Deutschlandsberg nach Voitsberg gebracht, um dieses CT auch tatsächlich zu machen. Dann hat man ihn von Voitsberg wieder nach Deutschlandsberg gebracht, um ihn am dritten Tag wieder nach Hause nach Voitsberg zu bringen. Das ist eure Reform im Bereich Krankenhäuser, die du, Kollege Kornhäusl, als positiv erwähnt hast! (Bundesrat Kornhäusl: Du musst die ganze Geschichte erzählen!)

Es kann nicht sein, dass Weststeirer aufgrund eurer falschen Gesundheitsreform quer durch die Steiermark gebracht werden! (Bundesrat Kornhäusl: Was?! Quer durch die Steiermark von Voitsberg nach Deutschlandsberg?!) Es kann nicht sein, dass eine Mutter, die unmittelbar vor der Entbindung steht, mit einem Rettungs­sanitäter im Auto sitzt, bei der vielleicht die Geburt früher eintritt, als sie es sich oder als ihr es euch wünscht oder erwarten würdet. Bei mir war es zum Beispiel so – und ich muss auf Holz klopfen (auf das Redner:innenpult klopfend) –, dass mein Sohn gesund auf die Welt gekommen ist, nämlich auf der Strecke von Voitsberg nach Deutschlandsberg. Das ist auch eure Reform! Das war euer heu­tiger Landeshauptmann, Christopher Drexler, als Gesundheitslandesrat, und ja, ich gehe davon aus, dass die Leute das nicht vergessen werden. (Bundesrat Kornhäusl: Unter 300 Geburten, Deutschlandsberg 1 000!) – Also ich würde mir wünschen, dass du dann redest, wenn du etwas weißt! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber damals war zwischen den zwei Stationen Voitsberg jene Geburtenstation, die Wassergeburten zugelassen hat, die weit mehr Geburten gehabt hat als Deutschlandsberg. Ich sage, ich rede dann, wenn ich etwas weiß. Die genauen Zahlen weiß ich nicht mehr, aber ich weiß, dass Voitsberg vor Deutschlandsberg gelegen ist. (Bundesrat Kornhäusl: Aber so ein Unsinn!) Was habt ihr gemacht? – Es ist abgewandert nach Deutschlandsberg. (Bundesrat Kornhäusl: Jetzt behauptest du halt wieder was!) – Darüber diskutiere ich mit dir nicht. Ich habe es mir bei Corona abgewöhnt, mit dir zu diskutieren, und ich werde es mir abgewöhnen, über eine ÖVP-Gesundheitsreform mit dir zu diskutieren! (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Gott sei Dank!)


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Über euer Prestigeobjekt, das Leitspital Liezen, will ich gar nicht weiter reden. Also keine Ahnung, was die Hintergründe sind, auf einer Sumpfwiese ein Spital hinzubauen und auf der anderen Seite gut funktionierende Spitäler zuzusperren. Aber ja, ihr werdet wissen, warum ihr das macht. Ich kenne die Grundeigentümer dort nicht, ihr kennt sie wahrscheinlich. Eigentlich will ich da nicht gar so viel dazu sagen.

Ich möchte aber auf die beiden Tagesordnungspunkte noch etwas genauer eingehen, und ich muss sagen, es ist schon meine tiefgreifende Besorgnis über die derzeitige Bundesregierung, darüber, was Sie hier im Bereich Gesund­heitswesen aufführen. Es ist an der Zeit, dass wir uns den Problemen stellen und die Augen nicht länger vor den gravierenden Fehlern dieser Bundesregierung und vor diesen Missständen verschließen.

Die Bundesregierung, unsere sogenannte Volksvertretung, hat den Kontakt zur Bevölkerung und zur Realität gänzlich verloren! Statt das Wohl des Volks in den Vordergrund zu stellen, scheinen Sie Ihre eigenen Interessen zu verfolgen und Ihre Ideologie über die Bedürfnisse der Menschen zu stellen. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Das ist inakzeptabel und erfordert auch eine klare Stimme des Protestes. Schauen wir uns nur einige Entscheidungen im Rahmen dieser Gesundheits­reform an, nicht nur der steirischen, sondern auch von jener, über die der Herr Gesundheits­minister neben mir etwas zum Besten gegeben hat. Sie ist nichts weiter als eine Farce, Herr Gesundheitsminister. Statt die Qualität und Verfügbarkeit der Gesundheitsversorgung zu verbessern, wird mit Ihrem System alles weiter zen­tralisiert und bürokratisiert. Unsere Hausärzte, die das Rückgrat unseres Gesundheitssystems sind, werden in irgendwelche anonymen Großpraxen abgeschoben, wo eine persönliche Beratung auf der Strecke bleibt.

Ich frage mich schon: Ist das der Dank für den unermüdlichen Einsatz unserer Hausärzte in den letzten zweieinhalb oder drei Jahren während der Coronakrise?


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Ist das die Anerkennung, die Sie unseren Hausärzten für die letzten drei Jahre geben? (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Die Bundesregierung will uns weismachen, dass ihre Reform Fortschritt bedeutet. In Wahrheit ist sie nichts anderes als ein Angriff auf unsere bewährten Strukturen, unsere Werte und unsere Identität, wenn ich den Mutter-Kind-Pass wieder einmal zur Hand nehme. Wir werden nicht tatenlos zuschauen, wie unsere Hausärzte ausgedünnt werden und die wohnortnahe Versorgung in Gefahr ist. Wir werden uns nicht mit einer Gesundheitspolitik abfinden, die teure Prestigeprojekte vorzieht und die Bedürfnisse der Patienten ignoriert. (Bundesrat Schennach: Wer ist wir?) Wir fordern eine Rückbesinnung auf das aktuelle Modell der freien Arztwahl, der Hausärzte, der persönlichen Betreuung statt Ihres Modells der Großgesundheitsautobahnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ja noch nicht alles: Die Bundesregierung will auch die Familienpolitik umgestalten und unsere grundlegenden Werte auf den Kopf stellen. Der elek­tronische Eltern-Kind-Pass ist ein trauriges Beispiel dafür. Anstatt den Erfolg – 30 Jahre haben wir vorhin gehört – des bewährten Mutter-Kind-Passes anzuerkennen, wollen Sie ihn abschaffen und durch eine ideologisch motivierte Gleichmacherei ersetzen. Die biologischen Unterschiede zwischen Mutter und Vater, zwischen Schwangerschaft und Geburt werden einfach geleugnet oder relativiert. Das führt zu einer Entwertung und Entmündigung unserer Mütter, zu einer Verunsicherung und Verwirrung unserer Kinder, zu einer Zerstörung und Zersetzung der Familien. (Bundesrat Schennach: Oje! Die Zersetzung der Familie!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist an der Zeit, dass wir uns gegen diese unverantwortliche Regierung endlich auf die Hinterfüße stellen. An die ÖVP: Das kann ja nicht in eurem Interesse sein, das Familienbild abzu­schaffen! (Beifall bei der FPÖ.) Es kann nicht in eurem Interesse sein, permanent Grundwerte zu missachten. Das kann weder in eurem Interesse noch im Interesse eurer Wähler sein. Ich glaube, wir brauchen diese wohnortnahe Gesundheitsversorgung.


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Ich glaube, es wäre auch an der Zeit, hier einen Schulterschluss zu üben und für unsere Familien einzustehen, für unsere Mütter einzustehen, für unsere Kinder einzustehen und auch eine liebevolle Familienpolitik zu leben. Das, was ihr heute vorgegaukelt habt, ist alles andere als eine liebevolle Familienpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Es braucht keine Zentralisierungspolitik, gerade im Bereich des Gesundheits­wesens braucht es keine Zentralisierungspolitik. Es braucht eine Rückbesinnung auf die Betreuung, es braucht eine faire Bezahlung unserer Hausärzte und vor allem auch den Schutz unserer Privatsphäre und unserer Daten.

Vor Kurzem geschah etwas, das mich sehr bewegt hat, ich habe das dann niederschreiben müssen. Ich muss euch ein Erlebnis von vor ein paar Wochen bei einem Hausarzt erzählen. Der ist jetzt seit über 30 Jahren in der gleichen Praxis tätig und kennt viele Familien, Kinder von klein auf, die von ihm betreut werden, und die Familien kennen ihn. Es ist ein Vertrauensverhältnis, man könnte fast sagen, dass er für viele Familien in der kleinen Ortschaft zu einem Freund geworden ist. Nachdem ich ihn das letzte Mal gesehen habe und gesehen habe, wie gestresst und besorgt er über diese Großgesundheitsauto­bahnen ist, die Sie installieren wollen, muss ich sagen: Ich glaube, es wäre viel wesentlicher, sich auf unsere Hausärzte zurückzubesinnen. Dafür treten wir ein. Wir wollen, dass unsere Patienten ein Vertrauensverhältnis zu den Ärzten haben, und das wird in diesen Großpraxen nicht passieren.

Man muss schon sagen: Wenn sich Ärzte an uns wenden und damit nicht mehr einverstanden sind, dann heißt das schon sehr viel. Herr Bundesminister, Sie sind mit diesen Primärversorgungszentren auf einem völlig falschen Weg. Es ist nichts anderes als eine Zentralisierung und Bürokratisierung der Gesundheitsver­sorgung zulasten der Hausärzte, zulasten der Kassenstellen.

Die Hausärzte sind das Rückgrat unseres Gesundheitssystems. Sie kennen ihre Patienten persönlich, sie sind über Generationen hinweg vertrauensvolle


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Ansprechpartner und leisten eine wertvolle Arbeit. Diese schwarz-grüne Bun­desregierung will die Zahl der Hausärzte jedoch ausdünnen, durch anonyme Großpraxen ersetzen, in denen man nicht einmal mehr unsere Namen kennt, wo man nur noch eine Nummer ist. Ich sage, das ist ein Schlag ins Gesicht für unsere Hausärzte, aber auch ein Schlag ins Gesicht für unsere Familien, für die Patienten und für das gesamte Gesundheitssystem.

Was man sich schon auch fragen darf, ist: Wie teuer kommen diese Primärversorgungszentren? Laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien kosten sie im Schnitt 1 Million Euro mehr im Jahr als eine herkömmliche Praxis. 1 Million Euro mehr, die an einer anderen Stelle fehlt, zum Beispiel für die Verbesserung der Spitalsausstattung, die Erhöhung des Pflegegeldes oder die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge.

Wie effektiv sind die Primärversorgungszentren? Laut einer Studie der Med-Uni Wien gibt es keinen einzigen signifikanten Unterschied in der Qualität der Versorgung zwischen Primärversorgungszentren und Hausarztpraxen. Das heißt, es gibt keinen Mehrwert für die Patienten, außer dass das Ganze viel, viel mehr kostet und viel, viel mehr Bürokratie bringt. (Beifall bei der FPÖ.)

Da fragt man sich schon, wie sinnvoll das ist. Wie sinnvoll sind diese Primär­ver­sorgungszentren? Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Imas sind 80 Prozent der Österreicher mit ihrem Hausarzt zufrieden oder sehr zufrie­den. Das heißt, es gibt keinen Bedarf für eine Veränderung, wenn die Zufrie­denheit in der österreichischen Bevölkerung mit ihren Hausärzten gegeben ist.

Wie gesagt braucht es eine qualitätsvolle wohnortnahe Gesundheitsversorgung, und das ist der Grund, warum wir dieses Gesetz auch ablehnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was ich vorgelesen habe, war nicht von mir, das war von einer künstlichen Intelligenz. Ich denke, wenn sogar eine künstliche Intelligenz diese beiden Tagesordnungspunkte kritisiert, dann


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sollte man sich die Frage stellen, ob es nicht vernünftiger wäre, eine KI auf die Regierungsbank zu setzen anstatt dieser unfähigen Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: KI statt FPÖ! Das geht auch! – Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich glaube, da sind Hopfen und Malz verloren, mit diesem Gesundheitsminister oder dieser Bundesregierung noch weiter über das Thema Gesundheit oder Familienpolitik zu reden. Wir hoffen ja – so wird es auch sein –, die nächsten Wahlen werden schneller kommen als erwartet. Ich glaube, wir behalten uns diese Punkte für den nächsten Gesundheitsminister und die nächste Bundes­regierung auf. Hier, bei dieser Bundesregierung, sind Hopfen und Malz verloren. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

19.10


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte.


19.10.32

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Es ist mir ein Anliegen, noch einige Worte zu diesem Gesetz, aber vor allem auch zu den Ausführungen von dir, lieber Marco, zu verlieren.

Du hast vorhin, Herr Bundesrat Schreuder, uns, die Sozialdemokratie, und die Errungenschaften erwähnt: Die Errungenschaften wären nicht das alleinige Recht der Sozialdemokratie, sondern ihr hättet auch euren Anteil. Jetzt möchte ich aber schon einmal wissen, was euer Anteil in den letzten Jahren ist. War es die Abschaffung der Hacklerregelung? (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Da gehen Menschen 45 Jahre lang arbeiten. In einem besonderen Zynismus hat der Herr Vizekanzler dann jedem, der zwischen dem 15. und dem 20. Lebensjahr zur Arbeit gegangen ist, 1 Euro pro Monat als Kompensation zugestanden, also insgesamt 60 Euro. Das ist schon unfassbar. Die Menschen verlieren damit


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400 Euro pro Monat. Das ist eure soziale Errungenschaft. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Miesenberger: Klimabonus! Kalte Progression!)

Eines möchte ich auch noch festhalten: Die CO2-Steuer, vor wenigen Monaten von euch eingeführt, ist wieder eine Belastung für jene, die du gerade vorhin bedauert hast. Bauarbeiter, Menschen, die vielleicht weniger haben, Mindest­pensionisten, die vielleicht auf das Auto angewiesen sind, dürfen jetzt also noch CO2-Steuer zahlen. Das ist eure Errungenschaft.

Dann möchte ich noch eines erwähnen, weil Herr Bundesrat Zauner schon in den letzten Bundesratssitzungen sehr verhaltensauffällig war und immer wieder versucht, bei uns vielleicht einen Spalt hineinzubringen (Beifall bei der SPÖ – Bundesrätin Miesenberger: Das macht ihr selber! – Bundesrat Kornhäusl: Ist gar nicht notwendig!), oder glaubt, er kann da thematisch mitreden: Jetzt wollen wir dann einmal ganz kurz über die ÖVP und die letzten Taten der ÖVP reden. (Zwischenrufe der Bundesräte Steiner und Spanring.)

Ich habe mir jetzt einmal angeschaut, gegen wie viele ÖVP-Politiker ermittelt wurde oder momentan ermittelt wird, damit wir das einmal wieder festhalten – wir haben das schon lange nicht mehr gehört, glaube ich, nicht? –: Sebastian Kurz, Stefan Steiner, ehemaliger Kurz-Berater, Gerald Fleischmann, Johannes Frischmann, Sophie Karmasin, Johannes Pasquali, Bernhard Bonelli, Gernot Blümel, Thomas Schmid, Eduard Müller, Christian Pilnacek, damals Johann Fuchs – wir wissen es noch –, Wolfgang Brandstetter, Josef Pröll, Walter Rothensteiner, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller, ÖVP-Klubchef August Wöginger, MAN-Investor Sigi Wolf und die Finanzbeamtin, Hans Jörg Schelling, Hartwig Löger, Bettina Glatz-Kremsner, Karl Mahrer und damals – er ist freigesprochen worden, das wissen wir – Landeshauptmann Markus Wallner. (Bundesrat Kornhäusl: Lauter ehrenwerte Leute! – Ruf bei der ÖVP: Bundeskanzler Kern! – Bundesrat Steiner: Grasser! Grasser!)


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Bevor wir uns also hier thematisch über Kleinigkeiten herumstreiten: Einmal vor der eigenen Tür kehren und da einmal mit den eigenen Sachen fertig werden! – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo! Bravo, Günter!)

19.13


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich darf Bundesrat Harald Himmer das Wort erteilen. – Bitte. (Bundesrat Steiner: Ist der Himmer auch genannt worden, namentlich? Du hast ja nichts gesagt, Günter!)


19.14.13

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Herr Minister! Gut, man muss jetzt nicht mehr so präsidial sein. (Bundesrat Steiner: Aber du auch nicht!)

Was die Thematik betrifft, dass es gegen Personen Ermittlungen gibt, muss man, wenn man sich zum Rechtsstaat bekennt, das mit der Unschuldsvermutung halt schon auch ernst nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Christian Kern!)

Theoretisch ist es ja so: Wenn Ermittlungen geführt werden, ist das so wie bei der Pickerlüberprüfung. Es wird also nachgeschaut, ob da alles in Ordnung ist. Viele davon, die meisten, bekommen dann das Pickerl. Meinem Gefühl nach sind eigentlich die, die überprüft worden sind, durchleuchteter als die, die nicht überprüft werden. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

Ich wollte das an der Stelle sagen – es ist dann nie dazu gekommen, jetzt sage ich es aber trotzdem: Ich war ja selber in der Situation, dass ich so zwölf Jahre lang Ermittlungen gegen meine Person über mich habe ergehen lassen müssen. Ich war ziemlich stolz darauf, wie die Kollegenschaft im Parlament damit umgegan­gen ist. Besser gesagt war ich da eigentlich sehr positiv berührt, weil ich sagen muss, dass ich in den vielen Jahren sowohl von der Sozialdemokratie als auch


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von der Freiheitlichen und von der eigenen Partei sehr anständig behandelt worden bin.

Da ist mir eigentlich kein einziges Mal passiert, dass ich blöd angeredet worden bin. Ich habe auch immer, wenn ich gefragt worden bin, auch im Privaten und im Bekanntenkreis gesagt, dass ich wirklich beeindruckt bin, dass hier so damit umgegangen wird. Ich habe das auch als eine gewisse Reife angesehen, dass man halt auch gerade im politischen Umfeld weiß, wie schnell man in so eine Situation kommen kann.

Jetzt könnte ich auf Christian Kern einschlagen, über den es jetzt auch schon Schlagzeilen über Ermittlungen gibt: Es drohen bis zu zehn Jahre Haft und so weiter. Ich weiß natürlich, dass das Ganze auch ein absoluter Schwachsinn sein kann. Ich weiß das, ihr wisst das, andere wissen das. So ist es halt auch bei den Personen von uns, die betroffen sind. (Bundesrat Steiner: Zum Thema! Zum Inhalt! – Bundesrat Kornhäusl – in Richtung Bundesrat Steiner –: Das hättest dem Kovacs auch sagen können!) Ich glaube wirklich: Wenn man schon immer sagt, dass man sich aus dem Ganzen heraushalten will, täte die Politik gut daran, es dann auch nicht zu kommentieren.

Was ich in der Debatte interessant gefunden habe – ich muss ja sagen, es geht ja vielen von uns so –: Wenn die Regierungsarbeit kritisiert wird – gerade auch von den Freiheitlichen –, gibt es ja einzelne Punkte, bei denen ich in mir immer wieder auch kleine Nicker habe. Es ist ja nicht so, dass ich sage, dass es an dem, was wir machen, keine Kritik geben kann. Es zieht sich bei mir nur dann alles zusammen, wenn man nach zum Teil gerechtfertigten Kritikpunkten immer lauter, immer ungerechter und immer beleidigender wird. Dann hört es sich für mich einfach auf. (Bundesrat Steiner: Dann musst du das Mandat zurücklegen!)

Wenn zum Beispiel dann Herr Steiner beim Mutter-Kind-Pass immer lauter wird und der Volkspartei einen Vorwurf macht, weil ein 58-jähriger Mann ein sechsjähriges Mädchen sein möchte und einen Schnuller hat, und am Schluss


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hier brüllend erklärt, dass daran die ÖVP schuld ist! (Bundesrat Steiner: Ihr unterstützt das! – Bundesrat Spanring: Ihr unterstützt das!)

Dieser 58-jährige Mann, der jetzt ein sechsjähriges Mädchen sein möchte, hat das ja auch nicht gemacht, weil hier der Eltern-Kind-Pass eingeführt worden ist. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Also diesen Konnex muss man wirklich erst einmal bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Aber tust du das unterstützen? Unterstützt du so was? Unterstützt du diese Menschen? – Bun­desrat Kornhäusl – in Richtung Bundesrat Steiner –: Das ist völlig wurscht! Lass! Der soll zwei Schnuller nehmen! Das ist ja jedem wurscht!)

Dann möchte ich auch mit Respekt gegenüber allen Parteien sagen: Wir haben in diesem Land drei Parteien, die alle – auf Landesebene, aber auch auf Bundes­ebene – das Potenzial haben, stärkste Partei zu werden. Das sind wir, das sind die Sozialdemokraten, und auch die Freiheitlichen sind eine Partei, die das Potenzial hat, stärkste Partei zu werden. Darauf kann man auch mit Recht stolz sein. Wunderbar, alles gut.

Wenn es aber dann zum Beispiel jetzt wieder so weit kommt, dass ich „schizo­phrene ÖVP“ höre – es ist ja so, dass das sogar schon untergeht, weil es schon so normal ist, dass da beleidigende Bemerkungen kommen (Bundesrat Kornhäusl: Nein, das Protokoll wird eh gemacht!) –, dann möchte ich zu diesem Punkt einfach schon auch klarstellen: Man kann Wahlen gewinnen. Ihr seid ja auch erfolgreich unterwegs. Ich weiß nur nicht, wer der Koalitionspartner von Herrn Kickl als Kanzler sein sollte. (Bundesrat Steiner: Die Absolute streben wir an!)

Es steht mir nicht zu, Obmann Babler von der Sozialdemokratie zu interpre­tieren. Soweit ich ihn verstanden habe, hat er aber nicht angedeutet, Kickl zum Kanzler machen zu wollen.

Für meine Partei kann ich sagen – und das ist der Punkt, der mir wichtig ist, hier festzuhalten - - (Bundesrat Steiner: Ihr seid situationselastisch!) – Nein, nein. (Bundesrat Steiner: Ihr seid situationselastisch! Natürlich!) – Nein, nein. Dann wären


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wir wirklich schizophren, wenn wir das machen würden. (Bundesrat Steiner: Ihr seid situationselastisch!) Das werden wir nicht machen. (Bundesrat Steiner: Ihr seid situationselastisch!) Weil wir nicht schizophren sind, werden wir ganz sicher nicht Herrn Kickl zum Bundeskanzler machen. Versprochen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Steiner: ...! Unter der Tür werdet ihr hereinkriechen!)

19.20


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Schartel. (Bundesrat Kornhäusl: Jetzt kommt wieder eine Tränendrückergeschichte! – Bundesrat Steiner: Unter der Tür werdet ihr hereinkriechen!)


19.21.05

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Nein, lieber Herr Kollege Kornhäusl, es kommt keine Tränendrückergeschichte, sondern es kommt einfach auch ein Beitrag zu diesem Gesetz, zu Tagesordnungspunkt 6, weil sehr emotionale Dinge darüber gesagt worden sind und es auch noch ein paar sach­liche Dinge gibt, die man diesbezüglich ansprechen soll.

Was ich zum Beispiel überhaupt nicht verstehen kann: Ich kann mich an Anträge sowohl von der SPÖ als auch von den Grünen und vor allem von den Schwarzen erinnern: Die Digitalisierung überholt uns und ist gefährlich, und wir müssen die Kinder schon im Kindergarten schulen, wie man mit den Medien umgeht!, und dann kommt man auf die Idee, dass man einen sehr sensiblen Bereich nur noch auf digitaler Ebene macht?! Warum bitte muss man das machen? – Ich habe mir das genau angeschaut und jetzt weiß ich es: weil natürlich der Druck eines Mutter-Kind-Passes in 15 unterschiedlichen Sprachen sehr viel Geld kostet. Das ist natürlich digital billiger. Das ist der erste Grund, warum ihr das machen wollt, und nur das ist der Grund. (Beifall bei der FPÖ.)


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Kollegin Kittl sage ich abgesehen davon: Wenn ich beim Nationalrat gut aufgepasst habe, habe ich den Eindruck, Sie haben die Rede Ihrer Kollegin vorgelesen. Es hat viele, viele Sätze gegeben, die wortgleich waren. Ich habe echt ein Déjà-vu gehabt. Ich bin aber davon überzeugt, wenn es um die Gleichstellung von Frauen geht oder wenn Sie der Meinung sind, Sie brauchen den Eltern-Kind-Pass, weil es sonst nicht funktioniert, dann ist das deshalb so – Sie wissen eh: Hunde, die bellen, beißen nicht –, weil Sie es zu Hause nicht schaffen, in der partnerschaftlichen Gemeinschaft das Familienleben so zu regeln, wie es Familien nun einmal regeln möchten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Kittl.) Deswegen wollen Sie immer all diese Gesetze machen.

Ich brauche kein Gesetz, ich brauche nichts zum Gendern, sondern ich kann mir das mit meinem Mann ausmachen. Ich finde es auch unerhört, herzugehen und all jene Väter, die bis voriges Jahr ihre Kinder mitbekommen haben – die meisten Väter sind mitschwanger, einfach aus Freude, aus Leidenschaft –, hinzustellen und zu sagen: Wenn man nicht irgendein Dokument hat, auf dem Eltern draufsteht, weigern sich die jetzigen Väter, sich um ihre Kinder zu kümmern. Schaut einmal, dass in euren Familien wieder eine Normalität einkehrt, bitte, bitte, bitte!

Wir sind auch deshalb so sehr dagegen, weil wir auch bei Corona rechtzeitig erkannt haben, wo die Reise für die Österreicher hingeht. Genau das, was mein Kollege Steiner jetzt vorgezeigt hat, habt ihr nämlich vor: Ihr wollt die Normalität zur Abnormalität machen, und das, was ihr für euch in eurem kleinen Weltbild als normal betrachtet, wollt ihr allen Österreichern überstülpen. Es wird höchste Zeit, dass ihr keine Verantwortung mehr in diesem Land tragt. (Beifall bei der FPÖ.)

19.24


Vizepräsidentin Margit Göll: Frau Bundesrätin Doppler. – Bitte.



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19.24.29

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Vizepräsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit 1974 gibt es den Mutter-Kind-Pass. Dieser Mutter-Kind-Pass wurde ja eingeführt, wurde Schwangeren in den ersten Wochen der Schwangerschaft gegeben, um eine Früherkennung von Krank­heiten und sonstigen Auffälligkeiten während der Schwangerschaft durchführen zu können. Schwangere haben ihn bekommen. Darum heißt er Mutter-Kind-Pass, weil ja nur Frauen schwanger werden können.

Die meisten von uns verbinden ein positives Gefühl mit diesem gelben Büchlein, mit dem Mutter-Kind-Pass, ich habe es schon im Ausschuss gesagt. Auch ich habe meinen beiden Kindern mit 18 Jahren diesen Mutter-Kind-Pass in die Dokumentenmappe hineingegeben, weil er eben ein Dokument ist. Mein 33-jähriger Sohn wurde am 16. Mai Vater, ich Großmutter, und er hat sich während der Schwangerschaft und jetzt gefreut, die beiden Mutter-Kind-Pässe - - (Unruhe im Saal. – Ruf bei der FPÖ: Hallo! Wir sind nicht im Gasthaus! – Bundesrat Spanring: Geht hinaus, wenn es euch nicht interessiert!)


Vizepräsidentin Margit Göll: Darf ich bitte das Wort ergreifen? (Bundesrat Spanring: Ja, das wäre super!) – Ich hätte es gerade gemacht. (Bundesrat Steiner: Es wäre überfällig!) – Moment einmal! Vielleicht reden wir wieder wertschätzender. Einen wertschätzenden Umgang pflegen wir hier herinnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde bitten, ein bisschen leiser zu sein. (Bundesrat Steiner: Wir sind nicht im Gasthaus! Wir sind nicht im Gasthaus! Wertschätzend zu deinen eigenen ...!) – Sehr geehrter Herr Bundesrat, du bist der Lauteste hier im Saal. Das möchte ich dir schon einmal sagen.

Jetzt kommen wir bitte zum sachlichen Inhalt. (Bundesrat Steiner: Ich habe ja gesagt, jetzt ... meine Kollegin!)



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Bundesrätin Marlies Doppler (fortsetzend): Frau Präsident, Ihre Vorsitzführung ist ja unter jeder wissen Sie eh, was. (Ruf bei der ÖVP: Hallo!) Ich meine, ich stehe hier am Rednerpult, und Sie müssen erst von der Opposition darauf aufmerksam gemacht werden, dass Sie vielleicht für Ordnung und Ruhe in diesem Saal sorgen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Thema: Emotional: Ich habe den Mutter-Kind-Pass beiden Kindern mit 18 Jahren mit auf den Weg gegeben. Mein 33-jähriger Sohn wurde heuer am 16. Mai zum ersten Mal Vater, ich Großmutter, und er freut sich darüber. Er hat eine große Freude, dass er die beiden Pässe, seinen mit dem seines eigenen Kindes, vergleichen konnte.

Ich werde jetzt vielleicht noch ein paar Geschichten erzählen, so wie Kollegin Miesenberger uns heute, glaube ich, auch schon fast eine halbe Stunde lang sehr schwangerschaftsbezogene Geschichten erzählt hat.

Diesen Mutter-Kind-Pass jetzt aber gegen eine elektronische App auszutau­schen, das ist ein heller Wahnsinn. Das hat nicht nur gravierende daten­schutz­rechtliche Auswirkungen, sondern viele Menschen haben nicht einmal die IT-Möglichkeiten, dass sie sich die App herunterladen können. (Unruhe im Saal. – Bundesrat Leinfellner: Frau Vorsitzende, ich sage wirklich nichts gegen Zwischenrufe, aber eine Gasthausstimmung ist nicht notwendig da herinnen!)

Einen Mutter-Kind-Pass in einen Eltern-Pass umzubenennen - - (Unruhe im Saal. – Bundesrat Kornhäusl: Red weiter!) – Danke, Herr Vorsitzender. Erteilen Sie mir jetzt das Wort, oder macht das die Präsidentin? Dann müsst ihr aber bitte Platz tauschen. (Beifall bei der FPÖ.) Herr Dr. Kornhäusl, wer ist jetzt da - -


Vizepräsidentin Margit Göll: Ganz ehrlich gesagt: Da wird immer von Zwi­schenrufen gesprochen, aber da wird ständig dazwischengeredet. Ich habe jetzt einmal gewartet. Als Pädagogin weiß ich, es kommt nur zur Ruhe, wenn man selber ruhig ist und die Situation abwartet. (Zwischenruf des Bundesrates


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Steiner.) Also habe ich jetzt einmal zugewartet. Wenn du dauernd hereinschreist, wird die Situation nicht besser.

Also ich würde jetzt wirklich um Ruhe im Saal bitten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Ja, ich auch!)


Bundesrätin Marlies Doppler (fortsetzend): Frau Vizepräsidentin, Sie haben mich in meiner kritischen Meinung und Haltung Pädagogen gegenüber soeben bestärkt. (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Also den Mutter-Kind-Pass in einen Eltern-Pass umzubenennen wird nicht mehr Väter in die Väterkarenz oder in den Papamonat bringen. Diese Ein­rich­tung ist sehr gut, aber man muss es sich halt auch leisten können. Man muss es sich leisten können, in den Papamonat zu gehen, in Väterkarenz zu gehen. Wir haben es ja auch gesehen, und genügend junge Menschen erzählen mir, dass sie gerne die Väterkarenz oder den Papamonat in Anspruch nehmen möchten, aber es sich schlicht und ergreifend nicht leisten können.

Mütter bleiben Mütter, das ist uns wohl klar. Biologisch bringen ja nur Frauen Kinder auf die Welt, Frau Kollegin.

Heute hat Herr Kollege Dr. Kornhäusl in seinem Redebeitrag gemeint, dass wir Freiheitliche Panikmachepolitik machen. (Bundesrat Kornhäusl: Na ja, ich weiß nicht, wie man so leben kann!) – Na ja, Panikmachepolitik machen schon Sie selber.

Ich erinnere mich noch, dass es hieß, wir müssen alle wegen Corona sterben. Ich erinnere mich noch, dass es im Zusammenhang mit den Impfungen hieß, wir alle müssen sterben. (Bundesrätin Schumann: Ja, wir müssen alle sterben!) Ich erinnere an die derzeitigen Klimadebatten, auch da heißt es: Wir müssen alle sterben.

Aber ein bisschen erstaunt war ich schon: Herr Dr. Kornhäusl, als Sie hier am Rednerpult gestanden sind – Sie haben alle die Zeit ein bisschen hinausgezögert, damit Herr Kollege Gross wieder hier sein konnte oder überhaupt zur Sitzung


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kommen konnte –, haben Sie allen Ernstes gesagt: Jetzt habe ich mir ein bisschen etwas von der Seele reden können. – Ich bin mir nicht sicher, ob hier das richtige Gremium dafür ist. (Bundesrat Kornhäusl: Da habe ich bei euch immer das Gefühl, dass ihr euch ...!)

Vielleicht haben Sie keine Freunde. Und wenn Sie keine Freunde haben und Sie sich etwas von der Seele reden möchten, empfehle ich Ihnen ganz dringend, einen Psychologen aufzusuchen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.30


Vizepräsidentin Margit Göll: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Bundesrat Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

*****


19.30.47

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Vize­präsidentin, ich stelle den Antrag auf eine Stehpräsidiale. Die Vorsitzführung war jetzt wirklich nicht das, was wir uns erwarten. Jeder hat sich immer – auch als die Sitzung mit den Reden in die Länge gezogen wurde – daran gehalten, dass hier herinnen zumindest halbwegs Ruhe herrscht und dass dem Redner zugehört wird oder auch nicht. Aber die Gasthaussituation, die wir jetzt hier herinnen gehabt haben – die Stammtischsituation, jeder redet mit jedem –, bedarf einer Stehpräsidiale. – Danke. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)

19.31

*****


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich unterbreche jetzt die Sitzung für eine Steh­präsidiale.

19.31.22*****

(Die Sitzung wird um 19.31 Uhr unterbrochen und um 19.37 Uhr wieder aufgenommen.)


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19.37.58*****


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich werde jetzt nicht warten, bis es im Saal ruhiger wird, sondern nehme die Sitzung wieder auf und spreche gleich: Wir haben uns in der Präsidiale darauf geeinigt, sensibler auf die Lautstärke im Saal zu reagieren und mit der Tagesordnung fortzufahren.

Es gibt jetzt noch eine Wortmeldung: Herr Bundesrat Spanring. – Bitte.


19.38.20

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Gesundheitsminister Rauch hat heute im Zuge seines Redebeitrags Bundesrat Steiner gemaßregelt, und ich muss ganz ehrlich sagen: Das steht einem Minister ganz einfach nicht zu.

Wenn Herrn Bundesminister Rauch das ein Anliegen ist, dann gibt es folgende Möglichkeit: In Vorarlberg sind bald Wahlen, dort können Sie sich aufstellen lassen, vielleicht schaffen Sie es in den Bundesrat und vielleicht werden Sie dann einmal Bundesratspräsident und dann können Sie als Präsident von dort oben einen Ordnungsruf erteilen. Aber wir lassen uns sicher nicht von der Regierung das Wort verbieten. Mit Sicherheit nicht! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht wären Sie ein guter Präsident, ich kann es nicht beurteilen. Was ich schon beurteilen kann, ist Ihre Arbeit als Gesundheitsminister. Da betrifft es jetzt wieder ganz krass Niederösterreich, und zwar den Bezirk Mistelbach. Bei uns ist ganz aktuell wieder etwas rausgekommen, wir haben es heute gehört und ich habe mit Kollegen Kornhäusl darüber diskutiert.

Es kann passieren, dass man, wenn man heute einen Termin für ein MRT braucht, drei, vier Monate oder noch länger, wenn man Pech hat wartet, außer man hat das Glück, dass man wohlhabend ist. Dann kriegt man den Termin vielleicht in zwei Wochen, oder man ist sehr wohlhabend, dann kriegt man ihn morgen. Das ist eine Dreiklassenmedizin. Ja, wir wissen es, das wird sich wahrscheinlich


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nie ändern, aber unser Wunsch, unser Ansinnen wäre, dass alle Bürger die bestmögliche Möglichkeit haben und nicht Ewigkeiten warten müssen.

Sie, Herr Gesundheitsminister, haben einen Antrag, der aus Niederösterreich gekommen ist – und zwar einen Großgeräteplan für MRTs –, abgelehnt, mehr sage ich nicht dazu: abgelehnt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Das ist ein Trauerspiel.

Der Grund, warum wir uns vorhin für eine Stehpräsidiale entschieden haben – ich möchte es noch einmal für alle Kollegen sagen –, ist nicht der, dass jetzt irgendjemand zwischengerufen hat. Wir rufen dauernd zwischen, ich weiß, das ist so, aber das ist halt eine Form des Parlamentarismus. Wir machen es oft, wir können auch damit leben, wenn ihr oder wenn Sie Zwischenrufe machen.

Womit wir nicht gut umgehen können, ist – das macht, glaube ich, das schlechte Bild nach außen –, wenn hier herinnen Kaffeehausstimmung herrscht, weil alle nur mehr untereinander reden und jeder nur mehr macht, was er will. Es ist ja kein Problem, wenn Sie die Redebeiträge von uns nicht interessieren, dann gehen Sie hinaus, trinken Sie einen Kaffee, rauchen Sie eine Zigarette. (Beifall bei der FPÖ.) Wir verpflichten ja niemanden, dass er uns zuhört. Wir wissen ja eh, was bei Ihnen ankommt und was bei Ihnen nicht ankommt.

Zum jetzigen Tagesordnungspunkt, zum Mutter-Kind-Pass – zukünftig soll er ja Eltern-Kind-Pass heißen –, wurde genügend gesagt, aber ich möchte es trotzdem ansprechen. Das ist halt so eine Sache, wissen Sie, das ist eine Form der Sym­bolpolitik. Das ist wie eine Salamitaktik, da wird scheibchenweise alles abgeschnit­ten. Jetzt vergessen wir das, jetzt gibt es halt keine Mutter mehr, jetzt gibt es nur mehr Elternteil eins und Elternteil zwei (Bundesrat Himmer: Deswegen wollen ...!), darum gibt es auch keinen Mutter-Kind-Pass mehr, sondern es gibt nur mehr den Elternteilpass oder Elternpass – wie immer der heißt.

Das gipfelt dann in so Narrischkeiten, wie dass man halt Männer in Schminke und Perücken in Kindergärten oder Volksschulen oder sonst wohin bringt, die


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Kindern Geschichten vorlesen. Auch das müssen Sie akzeptieren: Das wollen wir nicht, aber es gibt auch viele in der Bevölkerung, die das nicht wollen und das auch nicht gutheißen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, nein, bin davon überzeugt, das ist noch immer die Mehrheit. Wir hier herinnen werden im besten Falle von der Mehrheit gewählt und sollten das vertreten, was die Mehrheit will, und nicht das, was eine 5-Prozent- oder 7-Prozent-Partei oder eine 2-Prozent-Minderheit will. Genau darum geht es: Das ist eine wirkliche Minderheit. Man kann euch ja eh schützen, es ist schützenswert, alles gut.

Herr Schreuder, weil Sie das immer wie eine Monstranz vor sich hertragen, sage ich Ihnen etwas (Bundesrat Schreuder: Ich trag’ es nicht vor mir her! Ich trag’ es vor euch her!): Jeder soll leben, wie er will. Wir haben kein Problem damit. Jeder kann und soll leben, wie er will, aber bitte lassen Sie uns doch damit in Ruhe. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Lass uns in Ruhe!) – Ja, richtig, ich lasse Sie eh in Ruhe. Sie bürden uns das alles auf. Ich habe noch nie eine Männer- oder Frauenfahne bei Ihnen aufgehängt, Sie hängen die Pridefahne einen Monat lang auf. Ich will das nicht. Ich weiß eh, was ich bin und was ich will. (Bundesrat Schreuder: Du musst eh nicht müssen, aber ich darf!) Genau, so ist es. Na, schon, wir müssen schon, Herr Kollege Schreuder, uns wird das aufgezwungen, auch denen, die das nicht wollen. (Bundesrat Schreuder: Ihr zwingt es uns auf!) So wie das ORF-Gesetz, das wollten wir auch nicht. Wir wollen auch keine Haushaltsabgabe und müssen sie jetzt auch zahlen. Genau so ist das. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Schreuder, ich hätte mir ja nie gedacht, dass ein Hollywoodfilm mit Arnold Schwarzenegger solche Auswirkungen hat: „Junior“ – da kriegt ein Mann ein Kind. – Das gibt es ganz einfach nicht, das wird es in 100 Jahren nicht geben. Gerade vorhin haben wir wieder gelesen, dass sich irgendjemand eine Gebär­mutter transplantieren lassen will, damit er schwanger werden kann und dann das Kind abtreiben kann. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das sind die Früchte und die Auswüchse dieser Politik.


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Hören wir bitte damit auf, kommen wir wieder zu einer normalen Politik zurück und schauen wir, dass wir für unsere Leute arbeiten! Es gibt doch bitte wirklich Wichtigeres und Besseres, das sind nicht die Probleme, die wir haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss sagen, 85 Prozent der Rede, die Kollegin Schumann von der SPÖ gehalten hat, kann ich sofort unterschreiben. Genau so ist es, das sind derzeit die Probleme, die die Menschen draußen betreffen, aber doch nicht solche Dinge. Das ist Symbolpolitik.

Nun noch zu den Primärversorgungseinheiten: Also ich muss sagen, ich bin nicht grundsätzlich gegen Primärversorgungseinheiten, auch Primärversorgungseinheiten haben mit Sicherheit ihren Vorteil. Jetzt kommt das große Aber: Warum kritisieren wir die Primärversorgungseinheiten? – Weil wir von heute auf morgen nicht mehr Ärzte haben, die dann dort irgendwoher erfunden werden und dort drinnen arbeiten, sondern Sie dünnen das ländliche System aus und ziehen die Leute dort zusammen.

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Wir hatten es in Admont so, wie wir es heute gehört haben, wir hatten ewig lang keinen Arzt. Wir haben jetzt Gott sei Dank eine Primärversorgungseinheit, aber die Ärzte, die dort arbeiten, fehlen jetzt irgendwo anders. (Bundesrat Kornhäusl: Sie wollen zusammenarbeiten!) Dasselbe haben wir überall auf dem Land.

In Niederösterreich, ich kann es Ihnen sagen, bei uns im Bezirk Tulln: Gehen Sie einmal bei uns zu einem Hausarzt! Ich habe einen ausgezeichneten Hausarzt – den ich jetzt namentlich nicht nennen will, man kann ihn aber loben, er ist in Judenau zu Hause, ein ausgezeichneter Hausarzt –, aber der ist überlastet. (Bundesrätin Miesenberger: Drum wollen sie zusammenarbeiten!) Dort sind Hunderte, Tausende Leute. – Die Ärzte werden abgezogen und das ist das Problem!


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Wenn ihr das schafft, dass man einmal wirklich hergeht und sagt: Okay, Leute, die bei uns studieren, müssen eine gewisse Zeit bei uns bleiben und müssen, wenn Sie aus dem Ausland kommen, bei uns abdienen!, dann ist das eine Idee, darüber können wir sofort reden. Da machen wir mit, denn das würde uns etwas bringen. Wir haben das Problem, dass uns die Ärzte fehlen. Das, was Sie machen: Sie ziehen sie zusammen, das heißt, draußen wird es auch ausgedünnt, aber es kommt nicht ein Arzt mehr dazu. Das ist das große Problem. Sie wollen es einfach nicht verstehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Kornhäusl, Sie haben noch einen interessanten Punkt ange­sprochen, und zwar haben Sie das Gesundheitssystem in der Steiermark gelobt. Ja, es ist gut, wenn in ein Gesundheitssystem Geld investiert wird, denn das ist notwendig, gleichzeitig aber geht Ihre Gesundheitslandesrätin in den letzten paar Jahren her, und das wird auch noch andauern, und baut einige Hundert Spitalsbetten ab. Seien wir ehrlich: Ist das eine gute Gesundheitspolitik? – Ich sage: nein.

Wie es in der Steiermark ist, ist es leider im Bund auch. Herr Rauch heißt zwar Gesundheitsminister, aber oftmals kommt mir vor, er ist ein Krankheitsminister. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

19.47 19.47.21


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesord­nungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 208

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Manfred Mertel, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel“ vor. Ich lasse über den Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Zusätzliche Kassenvertragsstellen für Einzel- und Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärver­sor­gungszentren“ vor. Ich lasse über den Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden, erlassen wird sowie das Gesundheitselematikgesetz 2012 (Bundesrat Steiner: Telematik! – Ruf bei der ÖVP: Telematik!), Gesundheitstelematikgesetz 2012 – Entschuldigung! –, das allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbe­treu­ungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden.

Es liegt der Ausschussantrag vor, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 209

Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ – kein Einspruch – oder „Nein“ – Einspruch.

Ich bitte um deutliche Wortmeldung und ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Schmid geben die Bundesrät:innen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

19.56.00*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 19.56 Uhr unterbrochen und um 19.57 Uhr wieder aufgenommen.)

19.57.16*****


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich nehme somit die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 210

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Ausschussantrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, bei 59 abge­gebenen Stimmen 30 „Ja“-Stimmen und 29 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesrät:innen:

Böhmwalder, Buchmann;

Ebner, Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Göll, Gross;

Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Huber, Hutter;

Jagl;

Kaltenegger, Kittl, Kornhäusl;

Lassnig;

Miesenberger;

Neurauter;

Platzer;

Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Stillebacher, Stotter;

Tiefnig;

Wolff;

Zauner, Zeidler-Beck.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesrät:innen:

Arlamovsky, Arpa;

Babler, Bernard;


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 211

Doppler;

Fischer;

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kofler, Kovacs;

Lancaster, Leinfellner;

Mertel;

Obrecht;

Pröller;

Reisinger;

Schachner, Schartel, Schennach, Schmid, Schumann, Spanring, Steiner, Steinmaurer;

Theuermann;

Wanner.

*****

19.57.46 Ankündigung von Dringlichen Anfragen


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich gebe bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „aktuellen Klimabericht des IPCC, Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability“ an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Weiters liegt mir ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der


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Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „aktuellen Klimabericht des IPCC, Climate Change 2022: Impact, Adaption and Vulnerability“ an den Herrn Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte liegt dazu vor. Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behand­lung der beiden Anfragen an den Schluss der heutigen Sitzung.

19.59.067. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Barrierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministerium­service­gesetz geändert wird (2046 d.B. und 2145 d.B. sowie 11262/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


19.59.36

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Sozi­ales und Konsumentenschutz des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bar­rierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministeriumservicegesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Juli 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte sehr.


20.00.18

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Österreich hat bereits 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Ihr Ziel ist es, die gleich­­berechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. In der Konvention werden verschiedene Themen und Lebensbereiche angesprochen, wie zum Beispiel die persönliche Mobilität, das ist Artikel 20, die Achtung der Wohnung und der Familie, Artikel 23, oder Arbeit und Beschäftigung, Artikel 27.

Zum Thema Barrierefreiheit wird in Artikel 9 festgehalten: „Um Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberech­tigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten.

Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshin­dernissen und -barrieren einschließen, gelten unter anderem für [...] Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden und im Freien einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungen und Arbeitsstätten; [...] und Informations-, Kommunikations- und andere Dienste, einschließlich elektronischer Dienste und Notdienste.“

Diese Ziele zum Thema Barrierefreiheit und somit Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung hat Österreich, wie


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ich schon gesagt habe, im Jahr 2008 ratifiziert. 15 Jahre später, heute eben, dis­kutieren wir im Hohen Haus ein Barrierefreiheitsgesetz, mit dem auch vor dem Hintergrund eines Designs für alle die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen in Zukunft einheitlich geregelt werden soll. Konkret geht es um elektronische Güter und Dienstleistungen sowie Bankdienstleistungen und Bezahlsysteme, zum Beispiel Geld- und Fahrkartenautomaten, audiovisuelle Mediendienste, E-Book-Lesegeräte, Apps für Mobiltelefone oder die Bereitstel­lung von Reiseinformationen in Echtzeit.

In Anhang 1 zum Gesetz sind die Barrierefreiheitsanforderungen, die Produkte und Dienstleistungen zu erfüllen haben, definiert. Das Sozialministeriumservice wird mit der Kontrolle der Einhaltung des Barrierefreiheitsgesetzes beauftragt und kann bei Verstößen Verwaltungsstrafen in der Höhe von bis zu 80 000 Euro verhängen. Begrüßenswert ist, dass mit diesem Gesetz eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, deren Ziel einheitliche Barrierefreiheitsstandards im gesamten EU-Binnenmarkt sind. Mit dem Barrierefreiheitsgesetz werden die Bemühungen für eine barrierefreie Gesellschaft weiter fortgesetzt und konkretisiert. Ich ersuche daher um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.03


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Bitte, Herr Kollege.


20.03.40

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Wir stimmen natürlich dem Barrierefreiheitsgesetz und dem Sozialministeriumservicegesetz zu.

Zuerst will ich mich bei all jenen bedanken, die den Menschen mit Beeinträch­tigung oder Behinderung das Leben erleichtern. Es sind viele in unserer Gesellschaft, die dazu beitragen, dass diese Menschen ein würdevolles Leben


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und auch ein Leben in der Öffentlichkeit führen können. Ein herzliches Danke­schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Doppler.)

Persönlich durfte ich schon manchmal erleben, dass das, was für uns unprob­lematisch ist, für manchen, der im Rollstuhl sitzt oder andere Behinderungen hat, eine Riesenherausforderung ist. Als Leaderobmann hatte ich einen Mann, der bei mir arbeitete, der wegen eines Verkehrsunfalls im Rollstuhl sitzen muss. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, dass man auf einmal eingeschränkt durchs Leben gehen muss: Das kann ein Schlaganfall sein, ein Hirntumor, es können Fehlfunktionen von Geburt an sein.

Daher ist es wichtig, dass wir dieses Gesetz novellieren, in dem sich ja im Jahr 2008 die Barrierefreiheit im Gebäudebereich so richtig widergespiegelt hat. Jetzt geht es um den sozialen Medienbereich genauso wie teilweise auch um die Legislative,  weil Gesetze eben entsprechend leichter zu lesen sein sollten. Men­schen mit Beeinträchtigungen sollten auch leichter zu Bankomaten oder Schaltern Zugang finden, um ein uneingeschränkteres Leben führen zu können.

Ich möchte auch zwei Aufforderungen an die Menschen mit Beeinträchtigung richten: Bitte bringen Sie sich ins öffentliche Leben ein! Es ist wichtig, denn mancher, der ohne Handicap leben darf, übersieht die Dinge im Leben, wo Sie Probleme haben, dass beispielsweise der Bankomat zu hoch angebracht ist oder man in der Straßenbahn die Karten nicht lesen kann und viele, viele andere Dinge mehr. Für Sehbehinderte besteht vielleicht keine Möglichkeit, dass sie die Darstellung in den digitalen Medien größer einstellen können. Informieren Sie die entsprechenden öffentlichen Einrichtungen, die zurzeit noch Probleme mit der Barrierefreiheit haben! Bei uns in der Bezirksbauernkammer Braunau haben wir eine Barrierefreiheitsstelle eingerichtet. Oft sind es nur Kleinigkeiten, aber die Menschen erkennen diese Barrieren, und oft kann man so ohne großen finanziellen Aufwand gemeinsam Barrierefreiheit herstellen


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Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums. Wir werden dafür wahrscheinlich eine breite Zustimmung im Bundesrat erlangen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

20.06


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte sehr.


20.06.50

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, sofern es sie noch gibt! Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass das Thema Barrierefreiheit und somit Menschen mit Behinderungen jetzt nicht mehr die Aufmerksamkeit finden, die sie eigentlich finden sollten. In Österreich leben 1,4 Millionen Menschen mit einer Behinderung, und dieses Barrierefreiheitsgesetz ist ein gutes und wichtiges Gesetz. Das kann man gar nicht oft genug betonen. Es ist eine ganz, ganz wichtige und gescheite Initiative der EU, diese Regelungen jetzt auch über die Staatengrenzen hinweg zu vereinheitlichen und damit einen wichtigen Schritt für die Menschen mit Behinderung zu tun und eine wirkliche Inklusion zu ermöglichen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Das Gesetz ist klug gemacht; es gibt einige Kritikpunkte an den genauen Regelungen, die meine Vorredner:innen schon erwähnt haben. Das brauche ich nicht zu wiederholen. Das Gesetz ist gut, aber es hat Schwächen. Eine Schwäche ist, dass baulichen Maßnahmen für die Barrierefreiheit ausgenommen sind. – Was hilft mir ein Bankomat, wenn drei Stufen davor sind und ich die Stufen nicht raufkomme? Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt, den wir kritisieren, ist, dass die Übergangsfristen extrem lange sind: Es tritt erst 2025 in Kraft und dann gibt es noch 20 Jahre lang Übergangsfristen. Das ist in einer hochtechnisierten Welt, die sich permanent ändert, aus unserer Sicht ein zu langer Zeitraum.


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Wir finden auch die Strafhöhen zu gering. Wenn Strafen zu gering sind, dann interessieren sie niemanden, dann werden die Strafen einfach in Kauf genommen, und es entwickelt sich kein Interesse daran, wirklich Veränderungen herbeizuführen.

Ich darf noch etwas sagen, das mir ganz besonders am Herzen liegt: Die Kontrolle der Einhaltung wird das Sozialministeriumservice übernehmen, und über diese Einrichtung wird einfach zu wenig gesprochen. Es ist eine nachgeordnete Dienststelle des Sozialministeriums, hat neun Landesstellen in allen Bundesländern und die Beschäftigten leisten wirklich großartige Arbeit, haben unglaubliche Expertise in Fragen der beruflichen Inklusion von Menschen mit Behinderungen, bei der Feststellung des Grades der Behinderung und der Festlegung von Heimopfer- und Kriegsopferrenten, also ein unglaublich großes Wissen. Sie bearbeiten auch das Thema Pflege genauso wie Fit2work. In diesen Bereichen gibt es also unglaublich tolles Wissen.

Heute gibt es einmal die Gelegenheit, die Kolleginnen und Kollegen dort vor den Vorhang zu holen, zu zeigen, was für eine wichtige Einheit sie sind. Umso mehr freue ich mich, dass ihnen jetzt auch eine wichtige Funktion bei der Kontrolle der Einhaltung des Barrierefreiheitsgesetzes zukommt. Ich wünsche ihnen alles, alles Gute, und ich kann für ihre Arbeit nur Danke sagen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bravoruf des Bundesrates Schreuder.)

20.09


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlies Doppler. – Bitte, Frau Bundesrätin.


20.09.44

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute zu beschließenden Barriere­freiheitsgesetz wird ein kleiner weiterer Schritt zur Erleichterung im täglichen Leben für Behinderte geschaffen. Jeder Schritt, der Behinderten das Leben


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erleichtert, ist zu begrüßen,. Darum werden auch wir Freiheitliche diesem Gesetz zustimmen, haben aber Kritikpunkte.

Das Gesetz ist leider unausgegoren – ich hoffe, es wird noch nachgebessert – und es ist ein Produkt kurzfristigen Denkens. Es ist sehr zu begrüßen, dass Hin­dernisse für den freien Verkehr im Zusammenhang mit Produkten und Dienstleistungen beseitigt werden, zum Beispiel dadurch, dass der Onlineverkauf für Menschen mit Behinderungen zugänglich ist.

Bedauerlich ist, dass dieses Gesetz nur auf bestimmte Produkte und Dienst­leis­tungen beschränkt ist, nämlich mit Schwerpunkt auf Informations- und Kommunikationstechnologie. Laut dem neuen Gesetz soll ja zum Beispiel Menschen mit Behinderungen das Reisen ermöglicht oder zumindest sehr erleichtert werden.

Vergessen in diesem Gesetz wurde aber, die Beförderungsmittel selbst in den Geltungsbereich des Gesetzes hineinzuschreiben. Es werden lediglich die Selbstbedienungsterminals und der Onlineticketverkauf auf barrierefrei umge­rüstet, aber wie behinderte Menschen dann tatsächlich reisen können, steht in den Sternen.

Es ist zwar gut und nett, wenn Behinderte online Tickets kaufen können, aber es gehören auch die Beförderungsmittel durchgehend behindertengerecht gestal­tet. Ein Ticket allein wird da wenig helfen.

Da können Sie, Herr Minister Rauch, einmal mit Ihrer grünen Kollegin Gewessler reden. Die soll sich ordentlich an der Nase nehmen, denn sie ist jetzt schon lang genug im Amt. Anstatt all die radikalen Klimakleber zu unterstützen und zu fördern, soll sie ihre Energie endlich wieder dahin gehend einsetzen, dass behin­dertengerechte Einstiegsmöglichkeiten in Züge und Busse zum Beispiel von den ÖBB umgesetzt werden.

Das Ein- und Aussteigen in ÖBB-Busse und -Züge ist sehr mühsam. Das Thema betrifft übrigens nicht nur Behinderte, es ist generationenübergreifend. Auch


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Mütter mit Kinderwägen haben Probleme, in ÖBB-Busse und -Züge einzusteigen. Ich denke da auch an die vielen Senioren, die mit einem Koffer oder einer Reisetasche reisen und für die die hoch angelegten Ein- und Ausstiege eine gewaltige Hürde sind.

Das Ein- und Aussteigen bei den ÖBB-Zügen und -Bussen ist aber nicht die einzige Hürde. Wie schaut es mit der Erreichbarkeit dieser Terminals aus? Oder was tun, wenn es einen Stromausfall gibt? Oder was ist zu tun, wenn es einen Blackout gibt? Dann nützt uns die ganze moderne Technologie nämlich genau gar nichts. In einer solchen Situation können wir dann nur noch hoffen, dass wir noch Bargeld haben und mit diesem Bargeld bezahlen können.

Aus diesem Grund, aber auch aus vielen anderen Gründen, möchten wir Frei­heitliche, dass das Bargeld erhalten bleibt. Sicher ist es jedem von euch oder Ihnen schon einmal passiert, dass man in einem Supermarkt an der Kassa oder an der Tankstelle an einer Tankzapfsäule steht und plötzlich die Bankomatkassen nicht funktionieren. Wenn man dann kein Bargeld eingesteckt hat, um seine Rechnung zu bezahlen, ist das eine Katastrophe.

Wir Freiheitliche möchten sogar noch weiter gehen und sagen: Wir möchten das Bargeld auch in unserer Bundesverfassung verankert haben.

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU im Zusam­men­hang mit dem Barrierefreiheitsgesetz 2023“

Der Bundesrat möge beschließen:


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„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert sich auf österreichischer und europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass

- die Cent- und Euro-Bargeldmünzen in ihrem aktuellen Bestand erhalten bleiben,

- keine Aufrundung von Preisen für Waren und Dienstleistungen im Zuge der Abschaffung von Cent- und Euro-Bargeldmünzen erfolgt,

- die Beibehaltung des uneingeschränkten Bargeldzahlungsverkehrs in Österreich und Europa verfassungsrechtlich verankert wird

- Bargeld als Zahlungsmittel und Vermögensform in Österreich und Europa ohne Obergrenzen verfassungsrechtlich geschützt wird

- eine Verpflichtung zur Bargeldannahme für den Waren- und Dienst­leistungs­verkehr im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Annahme von Bargeld als Zahlungsmittel verfassungsrechtlich festgelegt wird

- und damit Barrierefreiheit sowie Teilhabe an Gesellschaft und Wirtschaft durch sogenannte ‚vulnerable Gruppen‘, ob das Menschen mit Behinderung, ältere Personen usw. sind, im täglichen Leben durch die ungehinderte und verfassungs­rechtlich geschützt Nutzung des Bargeldes garantiert werden.“

*****

Ich hoffe auf breite Zustimmung zu diesem Antrag. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

20.15


Vizepräsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Marlies Doppler, Kolle­gin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum


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Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU im Zusam­menhang mit dem Barrierefreiheitsgesetz 2023“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich darf nun verkünden: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte.


20.15.34

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Im Sinne der Wertschätzung für den Antrag – das ist richtig, dem gehört auch die gebührende Aufmerksamkeit – bedanke ich mich für die breite Zustimmung, weil das ein wichtiger Schritt ist.

Ja, es gibt einzelne Kritikpunkte am Gesetz, die sind auch artikuliert worden. Wir werden in dieser Frage auch dranbleiben. Dennoch ist es notwendig, das Gesetz so zu verabschieden.

Ich darf daran erinnern, dass das nicht der einzige Schritt ist, den wir im Einsatz für Menschen mit Behinderung gemacht haben. Das fängt an beim Budget, das auf über 300 Millionen Euro aufgestockt worden ist, um 30 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Wir haben unlängst die Arbeitsunfähigkeit für Menschen mit Behinderung unter dem 25. Lebensjahr abgeschafft. Das hat nämlich ein massives Problem dargestellt, weil sie dann nicht in den Genuss der Dienstleistungen des Arbeits­marktservice gekommen sind. Auch das ist eine wesentliche Verbesserung.

Auch haben wir mit der persönlichen Assistenz einen Pilotversuch auf den Weg gebracht, der jetzt in vier Bundesländern bereits ausgerollt wird, wo per­sönliche Assistenz so gestaltet wird, dass es ein reguläres Beschäftigungsver­hältnis wird, unterstützt mit erheblichen Mitteln des Bundes.


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Also wir sind da sehr dran, die Voraussetzungen für Menschen mit Behinderung auf allen Ebenen zu verbessern, und das ist auch gut so. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.16 20.16.55


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bar­geldab­schaffung in Österreich und der EU im Zusammenhang mit dem Barriere­freiheitsgesetz 2023“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

20.18.208. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und das


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 223

Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (GuKG-Novelle 2023) (3466/A und 2146 d.B. sowie 11256/BR d.B. und 11263/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird (2147 d.B. sowie 11264/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 8 und 9 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


20.19.00

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ebenso bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 224

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte.


20.20.13

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Heute haben wir in der Öffentlichkeit ein gutes Bild abgegeben, da bin ich sicher. (Heiterkeit des Redners.) In Anbetracht der Debatte bin ich ganz froh, dass für den einen oder anderen eine Sommerpause kommt, und ich hoffe, wir werden dann im Herbst vielleicht gemeinsam ein anderes Bild abgeben können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Dessen ungeachtet lassen Sie mich bitte eine Sache schon dazusagen: Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass wir hier in diesem Haus lange Debatten führen, intensive Debatten führen. Wenn man allerdings zweieinhalb Stunden nicht inhaltlich debattiert, dann sehe ich das sogar ein bisschen strenger als Kollege Steiner, denn das macht für mich nicht allzu viel Sinn.

Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn eine Kollegin vor Kurzem ein Kind bekommen hat und sie deswegen heute nicht hier ist, wirklich vollstes Verständ­nis. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann, ist, dass ein anderer Kollege heute hier nicht anwesend gewesen ist, weil er auf Kur war. Den Kuraufenthalt kann man nämlich timen, den muss man nicht parallel zu einer Sitzung legen. Dieser Kuraufenthalt hat uns heute zweieinhalb Stunden des Lebens genommen, die wir nie wieder zurückbekommen werden; nicht nur uns, nicht nur mir – ich werde ihm wurscht sein –, sondern auch den Kolleg:innen von den Regierungs­parteien und von den anderen Oppositionsparteien, Zeit des Ministers und auch Zeit von Personen, die heute hier arbeiten müssen. Das ist unkollegial und das


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sollte man in der Zukunft anders handhaben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Herr Minister, ich will noch zum Tagesordnungspunkt konkret etwas sagen, werde es aber aufgrund der fortgeschrittenen Zeit abkürzen. Da sind viele Punkte drinnen, die wir als Sozialdemokratie gut finden, die in die richtige Richtung gehen, die wir mitunter auch gefordert haben. Ich werde mich des­wegen vor allem auch darauf fokussieren, warum wir jetzt dennoch nicht zustimmen können. Das ist insbesondere der Bereich der Scheinselbst­stän­digkeit, der mit diesem Gesetz nicht nur nicht verbessert, sondern in unseren Augen sogar ein wenig verschlechtert wird.

Wovon rede ich? – Schätzungsweise arbeiten 70 000 Menschen als Beschäftigte in der Pflege, davon formal gesehen ein Großteil als Selbstständige. Diese Personen werden oft aus dem Ausland mit dem Versprechen von guten Arbeits­bedingungen, von guter Bezahlung angeworben. Dann kommen sie her und werden als Selbstständige dargestellt, obwohl sie völlig unbestritten, wenn man es sich genauer anschaut, in extremer persönlicher Abhängigkeit arbeiten und damit nach österreichischem Arbeitsrecht ganz klar Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wären. Trotzdem wird versucht, sie formal in die Selbstständigkeit zu führen. Das bedeutet für diese Personen, dass für sie das Arbeitsrecht nicht zur Anwendung kommt: Es gibt keine Höchstarbeitszeitgrenzen, keine kollektivvertraglichen Mindestlöhne, kein Schutzniveau. Das gibt es für diese Personen nicht.

Bislang waren die Bestimmungen so, dass die Pfleger:innen für 14 Tage 24 Stunden eine Person betreuen müssen. Stellen Sie sich das einmal vor: 14 Tage lang 24-Stunden-Betreuung! Das soll jetzt noch ausgeweitet werden: 24 Stunden für 14 Tage nicht nur für eine Person, sondern in Zukunft auch für drei Personen gleichzeitig. Dabei müssen diese Personen nicht einmal mehr miteinander verwandt sein, das können irgendwelche drei Personen sein, die zusammenleben.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 226

Wir glauben, das überfordert die Leute weiter, das führt zu einer Verschlech­te­rung der Arbeitsbedingungen dieses Personals. Herr Minister, wenn Sie da jetzt kontern und sagen würden: Ja, aber die Sozialdemokratie hat es in der Vergan­genheit auch nicht geschafft, dieses Systems Herr zu werden! – das könnten Sie ja sagen (Bundesrat Kornhäusl: Muss er sagen!) –, dann kann ich Ihnen sagen: Ja, das haben wir tatsächlich auch nicht geschafft, die Scheinselbstständigkeit in diesem Bereich in den Griff zu bekommen, da sind wir innerhalb der Koalitionen mit der ÖVP gescheitert, das auf den Pfad zu bringen, wir wurden aber dafür von den Grünen immer kritisiert. Jedes Mal wurden wir von den Grünen dafür kritisiert, und das bekommen Sie halt jetzt zurück. Sie haben es auch nicht geschafft, ganz im Gegenteil, Sie verschlechtern sogar noch die Situation dieser Personen, die zu den vulnerabelsten gehören, die keine Lobby haben, die Migrationshintergrund haben, auf die niemand schaut – und jetzt hauen Sie ihnen noch einmal eins drauf.

Das ist die falsche Richtung, in die es geht, und deswegen können wir diesem Gesetz auch nicht zustimmen. Und die dringende Bitte an Sie, aber auch an den Arbeitsminister, vor allem an den Arbeitsminister, ist: Es gibt Probleme am österreichischen Arbeitsmarkt, es gibt Scheinselbstständigkeit, sie grassiert massiv in diesem Bereich, und wir haben es noch immer nicht geschafft, das in den Griff zu bekommen. Das muss die Regierung machen, zumal es in Ihrem Regierungsprogramm drinsteht: Qualitätssicherung der 24 -Stunden-Betreuung. Ja ist das denn eine Qualitätssicherung, wenn wir ihnen mehr Arbeit aufbürden, wenn wir aus einer 24-Stunden-Betreuung für 14 Tage für eine Person eine für drei Personen machen? – Ich glaube nicht, dass die Qualität dadurch besser wird, ganz im Gegenteil. (Beifall bei der SPÖ.)

20.24


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 227

20.25.00

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mit der Gesundheits- und Kran­kenpflegegesetz-Novelle 2023 erfolgen weitere Änderungen, um die Arbeitsbe­dingungen im Pflegeberuf zu verbessern beziehungsweise an die aktuellen Erfordernisse anzupassen.

Herausgreifen möchte ich von den heute zu beschließenden Änderungen jene zur Verordnung von Medizinprodukten durch das diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonal. War es bisher die bloße Weiterverordnung eines zuvor von einer Ärztin oder einem Arzt verordneten Medizinproduktes, so soll nunmehr bereits die Erstversorgung durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege erfolgen können. Diese Änderung wurde auch im Vorfeld von vielen Stakeholdern wie Berufsverbänden, Ländern, mobilen Diensten oder Trägern von Langzeitpflegeeinrichtungen gefordert. Ihr Argu­ment war stets – und so ist es auch – das der Praktikabilität.

Diplomierte Pflegekräfte haben eine entsprechende Ausbildung, die sie befä­higen, zum Beispiel die Wahl des Verbandsmaterials bei der Wundversorgung zu treffen oder über die geeignete Form der Inkontinenzversorgung zu entschei­den. Es wurde als schwierig und mühsam erlebt, für die Umsetzung von solcher­art Maßnahmen die ärztliche Anordnung durch die Unterschrift des Arztes oder der Ärztin einzuholen. Insbesondere in der mobilen Pflege wurde diese notwendige Vorgehensweise als Hürde erlebt.

Vielleicht ein ganz kleines Beispiel aus eigener Erfahrung zur Veranschaulichung: Ich kümmere mich – ich glaube, ich habe es eh schon einmal erwähnt – ein wenig um einen älteren Herrn im betreubaren Wohnen. Dieser wird von der mobilen Hauskrankenpflege wundversorgt. Die Wundmanagerin, die regelmäßig kommt, ist hoch qualifiziert, und sie musste tatsächlich bis jetzt, sofern sie erstmalig ein anderes Verbandsmaterial brauchte, weil sich gewisse Parameter


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verändert haben, immer über den Hausarzt die notwendige Verordnung per Rezept anfordern. Das ist wirklich ein enormer zusätzlicher Aufwand, der Zeit und Ressourcen bindet.

Mit der heute zu beschließenden Novellierung soll all das, Gott sei Dank, der Vergangenheit angehören, und das diplomierte Pflegepersonal darf fortan, was der Ausbildung auch angemessen ist – das hat der Herr Minister auch in der Nationalratsdebatte so treffend formuliert –, nach vorheriger ärztlicher oder pflegerischer Diagnose die Erstversorgung von Medizinprodukten in den Bereichen Nahrungsaufnahme, Inkontinenzversorgung, Mobilisations- und Gehhilfen, Verbandsmaterialien, prophylaktische Hilfsmittel und auch Messge­räte vornehmen. Die gesetzliche Grundlage wird somit an die gelebte Praxis angepasst.

Dieses Mehr an Kompetenz geht unmittelbar auch mit einem Mehr an Verant­wortung für das Pflegepersonal einher, nämlich mit mehr Verantwortung für die Gesundheit und Sicherheit der anvertrauten Patientinnen und Patienten. Ich ersuche Sie um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desrät:innen der ÖVP.)

20.28


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Michaela Schartel. – Bitte.


20.28.30

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Meine werten Kollegen! Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger hat fachlich schon sehr viel über diese beiden Gesetzesnovellen gesagt. Ich kann speziell den Bereich betreffend, von dem Sie sagen, es gibt jetzt mehr Kompetenzen für das betreuende Personal bei der Verordnung sogenannter Heilbehelfe, aus eigener Erfahrung sagen, dass der Weg ein sehr langer war, bis der Patient zu seinen notwendigen Hilfsmitteln gekommen ist. Diese Änderung ist eine Erleichterung für beide: für den Pfleger und den zu Betreuenden. Es ist in diesem Gesetz auch


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vorgesehen, dass Zivildiener im Rahmen ihrer Tätigkeit das eine oder andere zusätzlich machen dürfen.

Einzig, als ich im Ausschuss gefragt habe, ob dann bereits in der künftigen Ausbildung auf die neuen Kompetenzen Rücksicht genommen wird, wurde mir geantwortet: Nein, das ist eigentlich nicht vorgesehen. Das heißt, wenn zum Beispiel der Fall eintritt, dass jemand im Berufsleben stehend mehr Kompeten­zen übertragen bekommt, dann müsste er, sollte er nicht die Ausbildung in irgendeiner Art und Weise mitbringen, wieder Zusätzliches im Weiterbildungs- und Zusatzbildungssektor machen. Es ist als zukunftsweisend zu empfinden, wenn man – was richtig ist – Kompetenzbereiche erhöht, man sollte das aber vielleicht auch schon im Zuge der Ausbildung mitberücksichtigen. (Vizeprä­sidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Das Zweite ist eher eine formale Geschichte: Man ist draufgekommen, dass die Anwartschaftszeit dieser sogenannten Entlastungswoche für Pflegepersonal nicht immer unbedingt optimal ist, wenn sie mit Stichtag Kalendertag beginnt. Man stellt sie daher jetzt auch auf das Arbeitsjahr um. Aber – das bringt mich jetzt wieder dazu, vielleicht noch einmal über diese so viel gelobte sogenannte Pflegereform zu sprechen – es ist es in dem Bereich dann auch wieder bezeich­nend, dass man schnell irgendwie ein Gesetz macht, damit man halt sozusagen nach außen hin super dasteht und sagen kann, was man nicht alles macht – Ich nehme das jetzt ernst und das habe ich jetzt super gelöst! –, in der Praxis dann aber bald draufkommt, was man alles wieder ändern muss.

Ich gehe davon aus und bin davon überzeugt, dass Sie damals, als Sie gesagt haben: 2 000 Euro Prämie für das Pflegepersonal!, das so, wie Sie es gesagt haben, den betroffenen Personen auch zur Verfügung stellen wollten. Wieso aber ist das Ganze dann in die Hose gegangen? – Na weil die Länder natürlich gesagt haben: Wir sind ja nicht blöd, wenn wir vom Bund 2 000 Euro pro Pflegeperson kriegen, dann schauen wir, was uns das inklusive der Lohnneben­kosten kostet! Dadurch sind dann auch sehr viele Dinge nicht so angekommen, wie es von Ihnen gedacht war.


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Zu dieser Entlastungswoche: Jetzt reden wir hier im Bundesrat seit über einein­halb Jahren immer wieder davon: Es ist eine Katastrophe, das Personal ist überlastet, es gibt zu wenig Personal. Die Betroffenen schaffen es nicht einmal, dass sie ihre fünf Wochen Urlaub konsumieren, weil nicht genügend Personal vorhanden ist – na bitte, wie soll das dann mit einer zusätzlichen Entlastungswoche funktionieren?!

Da kann mir Herr Dr. Kornhäusl hundert Mal sagen, es wird in Wirklichkeit in der Praxis so gehandhabt, dass einer einen Urlaub beantragt – und dann wird einfach eine Entlastungswoche draus (Bundesrat Kornhäusl: Auch zweihundert Mal!), weil diese Entlastungswoche, wenn sie nicht konsumiert wird, verfällt. (Bundesrat Kornhäusl: Wird konsumiert!) Urlaub innerhalb eines bestimmten Zeitraums verfällt nämlich nicht. (Bundesrat Kornhäusl: Aber es arbeite schon ich im Spital, oder? Wer von uns arbeitet denn im Spital? Arbeitest du im Spital?)

Das kann doch bitte nicht die Lösung sein: ein Gesetz zu machen, mit dem man Personal, Dienstnehmern einen Anspruch gewährt, und dann herzugehen und zu sagen: Aber mach dir keine Sorgen, in Wirklichkeit machen wir es dann eh wieder so, dass es anders nicht hergeht! Das ist nicht richtig und nicht in Ord­nung! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Null Fälle hat der Ministerial­beamte gesagt! Null!)

Wie gesagt, der Gedanke ist richtig und wichtig, aber wenn Sie für diese Men­schen wirklich etwas tun möchten, dann reden Sie bitte einmal mit Arbeits­minister Kocher, erinnern Sie ihn daran, dass er nicht nur Wirtschaftsminister ist, und schaffen Sie es endlich, dass das Nachtschwerarbeitsgesetz für pflegendes Personal gilt! (Beifall bei der FPÖ.)

20.32


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Bitte schön.



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20.32.57

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, eine würdige Pflege und somit ein Altern in Würde auch weiterhin zu gewährleisten, das ist, glaube ich, eine ganz zentrale Herausforderung, die wir haben, die einfach auch der demografische Wandel mit sich bringt. Österreich wird älter, die Älteren werden mehr und leben Gott sei Dank auch immer länger, das heißt aber auch, dass die Zahl der zu Pflegenden, die Zahl der Pflegebedürftigen stark ansteigt.

Wir haben heute Gott sei Dank schon ein sehr gutes Pflegesystem. In diesem Zusammenhang brauchen wir auch den Blick über die Staatsgrenze nicht zu scheuen, den Vergleich nicht zu scheuen, aber wir müssen das System weiterentwickeln und zukunftsfit machen. Wir beschließen daher heute wichtige Punkte – einige sind schon angesprochen worden – für die Verbesserung der Pflege, für die zu Pflegenden, für die Angehörigen und vor allem auch für das Pflegepersonal.

Ich sage ausdrücklich dazu: Jemanden zu pflegen ist keine Selbstverständlichkeit, nicht für pflegende Angehörige und auch nicht für das Pflegepersonal. Das ist ein Dienst am Menschen, ein Dienst, der Leidenschaft und Einsatzbereitschaft erfordert. Und all jenen, die sich in der Pflege und der Betreuung anderer Menschen engagieren und sich derer annehmen, möchte ich an dieser Stelle sehr, sehr herzlich danken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Natürlich wissen wir, dass Worte des Dankes in herausfordernden Zeiten, in Zeiten des Personalmangels nicht ausreichen. Es müssen auch Taten folgen, die das Personal entlasten, die den Pflegeberuf attraktiver machen und pflegende Angehörige besser unterstützen. Dafür sind mit dem Pflegepaket eins im vergan­genen Jahr und mit dem Pflegepaket zwei jetzt insgesamt 38 Maßnahmen umgesetzt worden oder sind in Umsetzung, die wirklich wichtige Meilensteine


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sind. Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass die Bundesregierung im Bereich der Pflege binnen zwei Jahren wichtige Schritte weitergebracht hat. Der Vergleich macht uns da sicher. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das darf nicht nur ich feststellen, sondern das stellen auch Beobachter, politische Player fest. Ich darf einen Leitartikel aus den „Salzburger Nachrichten“ zu diesem Thema zitieren: „Diese Regierung ist die erste seit Langem, die das Pflegeproblem durch Ignorieren nicht noch größer macht, sondern es durch das Drehen an zahlreichen Schrauben zu verkleinern versucht.“

Ich zitiere weiter: „Die im zweiten Pflegepaket [...] angekündigten Maßnahmen klingen nicht gerade spektakulär. Aber es sind einige darunter, die den Pflegebedürftigen, den Pflegekräften und den Angehörigen den Alltag erleich­tern könnten.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Politik ist für meinen Geschmack manchmal zu viel Spektakel – das haben wir auch heute erlebt –, entscheidend ist aber, dass wir trotz allem wichtige Weichenstellungen vornehmen und die Probleme lösen. Und das tun wir. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich darf in diesem Zusammenhang ebenfalls den Soziallandesrat aus Oberöster­reich, Wolfgang Hattmannsdorfer, zitieren, der sagt:

„Wir arbeiten in Oberösterreich intensiv daran, die demografischen Heraus­forderungen zu bewältigen. Dazu gehört neben vielen Maßnahmen auf Landesebene“ – er hat dazu auch eine eigene Fachkräftestrategie Pflege erar­beitet – „auch unser intensiver Einsatz im Bund. Umso erfreulicher ist, dass zentrale Punkte, für die sich Oberösterreich in den letzten Monaten federfüh­rend eingesetzt hat, vom Ministerium übernommen wurden.“

Ich darf weiters den Gesundheitsstadtrat von Wien, Peter Hacker, zitieren, der im Zusammenhang mit dem zweiten Pflegepaket sagt: Die Sozial- und Gesund­heitslandesräte setzen sich seit vielen Jahren für die Erweiterung der Kompetenzen in den Pflegeberufen ein. Die intensive Ausbildung muss sich


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auch in dem widerspiegeln, dass die Fachkräfte selbst entscheiden und verantworten dürfen. Ich freue mich daher über diesen Schritt des Gesundheitsministers ebenso wie über die weiteren Vereinfachungen bei der Nostrifikation. – Zitatende.

Es sind also durchaus anerkannte Persönlichkeiten, die auch das zweite Pflegepaket der Regierung entsprechend unterstützen und positiv bewerten.

Ich möchte jetzt nicht auf die einzelnen Punkte im Detail eingehen. Es gibt Verbesserungen in der 24-Stunden-Betreuung; erleichterte Anerkennung von Ausbildungen im Ausland; von der Ausweitung der Kompetenzen für das Gesundheits- und Pflegepersonal haben wir bereits gehört; auch Zivildiener können in der Basisversorgung eingesetzt werden und so weiter.

Ein Punkt ist mir abschließend noch wichtig, nämlich dass der Angehörigen­bonus, der ja bereits beschlossen wurde, seit 1. Juli bereits beantragt werden kann – für all jene, die ihn nicht automatisch bekommen.

Und wirklich zuallerletzt möchte ich an dieser Stelle insbesondere an Sie, Herr Bundesminister, auch eine Bitte richten, nämlich: dass wir uns in Zukunft noch viel stärker mit der echten Prävention von Krankheiten beschäftigen. Wenn wir es schaffen, durch konkrete Vorsorgemaßnahmen mehr gesunde Lebensjahre zu ermöglichen und damit die Pflegebedürftigkeit nach hinten zu verschieben, dann ist das wahrscheinlich langfristig eine große Kosteneinsparung auch für die öffentliche Hand im Pflege- und Gesundheitsbereich. Daher abschließend mein Appell: Investieren wir noch mehr in echte Krankheitsprävention! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.39


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte schön.



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20.39.59

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich fange gleich beim Letzten an: Sie laufen da bei mir offene Türen ein. Es ist vollkommen richtig, zu sagen, dass wir in die Prävention und in die gesunden Lebensjahre mehr investieren müssen. Sturzprävention gehört dazu, nachgehende, aufsuchende Arbeit, wie sie die Communitynurses auch leisten (Bundesrat Ebner: Es wird viel gemacht!), gehört dazu, nämlich dann hinzugehen beziehungsweise vorher hinzugehen, bevor es eskaliert, um eben mehr gesunde Lebensjahre zu ermög­lichen. Das ist auch Thema der Gesundheitsreform.

Zum Gesetz selber: Das ist eine Forderung aller Bundesländer – ich sage das in aller Deutlichkeit im Bundesrat dazu –, egal welcher Couleur. Die haben das massiv eingefordert, wir haben das gemacht und geliefert. Die Pflege ist Länder­zuständigkeit. Was wir machen können, ist, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Pflege verbessert wird und auch Geldmittel zur Verfügung stehen.

Das haben wir jetzt zweimal gemacht: einmal beim ersten Paket, bei dem es darum gegangen ist, die schon erwähnten Gehaltserhöhungen durchzusetzen. Ja, das war ein Kraftakt, und jetzt geht es darum, das im Wege des Finanzausgleichs dauerhaft abzusichern. Das ist eine der großen Übungen, dafür wird es zusätz­liches Geld geben, der Pflegefonds wird aufgestockt werden, damit das dauerhaft verankert wird. Dasselbe gilt für das Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz, selbiges gilt auch für die Stipendien und die berufsbegleitenden Unterstützun­gen.

Die Nostrifizierungserleichterungen sind ein ganz wesentlicher Teil: das zu beschleunigen, Bürokratie abzubauen. Gerade heute – weil angesprochen wurde, ich solle doch mit Bundesminister Kocher reden – haben wir alle großen Pflegeverbände Österreichs eingeladen gehabt, um genau darüber mit ihnen zu reden: Wo liegen die Probleme, wo sind die Handlungsmöglichkeiten,


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wie kann es gelingen, zusätzliches Personal in akkordierter Weise auch im Ausland anzuwerben, und zwar aktiv und nicht nur wartend?

Da kommt dann auch der Punkt ins Spiel, die Arbeitsbedingungen attraktiv zu gestalten, den Menschen eine Perspektive zu geben und das auch auf Augenhöhe zu machen, nicht in einer Art neokolonialem System. Ich freue mich, dass ich mit Herrn Bundesrat Obrecht einen Mitstreiter habe, er wird mir sicher dabei helfen, dass Wien auch zustimmt, die persönliche Assistenz als Anstellungsverhältnis zu verankern. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Schreuder: Jawohl!)

Wien wehrt sich vehement dagegen; warum, ist mir vollkommen unerklärlich. Ich habe die Haltung: Ja, es braucht diese Angestelltenverhältnisse (Bundesrätin Schumann:  ... einmal die Behinderten selber, was sie dazu sagen, ...!), weil alles andere nicht durchhaltbar ist, auch höchstgerichtlich nicht. Und Sie haben schon recht mit Ihrer Kritik, auch was die 24-Stunden-Betreuung betrifft: Auch da würden wir es brauchen, das dauert noch ein bisschen. Sehr gerne aber bei der persönlichen Assistenz, da ist nämlich dieser Pilotversuch, der jetzt gestartet wird, ein wirklicher Meilenstein, und alle Behindertenverbände sehen das so.

Ich bedanke mich da jedenfalls für Ihre Unterstützung. (Bundesrätin Schumann: Ja, aber leider nicht finanzierbar! Das war immer das Problem ..., das haben schon viele versucht!) – Die Finanzierung ist gesichert, sorry, keine Frage. (Bundesrätin Schumann: Ja, ja!) Die ist gesichert und da gibt es das Geld dafür. (Bundesrätin Schumann: Das müssen die Länder sichern!) – Nein. (Bundesrätin Schumann: Na, was denn?!) – Wissen Sie, ich bin ja in den Finanzausgleichsverhandlungen relativ tief drinnen, und das, was die Bundesländer jetzt angeboten bekommen, ist mehr als sie je zuvor in irgendeinem - - (Bundesrätin Schumann: Ich glaube, das sehen die Bundesländer anders!) – Sorry, da bin ich ein bisschen tiefer in der Materie drinnen und weiß, was am Tisch liegt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was die Bun­des­länder für Gesundheit und Pflege angeboten bekommen, ist mehr – nur für Gesundheit und Pflege – als in Summe im letzten Finanzausgleich. Und


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das ist, finde ich, auch notwendig. Ich kämpfe auch dafür, weil ich die Notwendigkeit sehe, weil dort – wie soll ich sagen? – die Dinge nur verbessert werden können, wenn neues Geld ins System hineinkommt.

Das ist in der Pflege dringend notwendig. Da wird das Geld allein aber nicht ausreichen, deshalb die Personalfrage. Und deshalb auch mein Argument: Wir müssen es im Bereich der Akquise, der Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland schaffen! Da ist ein Wettbewerb aller europäischen Mitgliedstaaten im Gange und wir sind hintennach, weil wir in Österreich den Ruf haben – und das nicht ganz zu Unrecht –: Da will ich gar nicht hin, denn dort will man mich nicht haben!

Wir brauchen in diesem Bereich eine Willkommens- und keine Abwehrkultur! Wenn wir diese Abwehrkultur aufrechterhalten, werden wir einen Pflege­notstand generieren, und das muss man den Leuten auch in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Schennach: ... spricht Landeshauptmann Kaiser von dieser Stelle!)

Die Pflegeassistenz ist schon erwähnt worden, auch die Verlängerung der Aufschulung, die Nachgraduierung, also es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die da ihre Wirkung entfalten. Die Erst-und Weiterverordnungen von Medi­zinprodukten halte ich für ganz wichtig, und auch, dass das Pflegepersonal, die Pflegekräfte die Kompetenz, die sie haben, wahrnehmen können. Wir brauchen nicht an jeder Stelle einen Arzt oder eine Ärztin! Das Pflegepersonal ist gut ausgebildet, die Qualität leidet nicht darunter – das sind dann oft die Bedenken. Es ist auch nicht gerechtfertigt, zu sagen, dass dann die Pflege zu Hause einen Mangel erleidet, denn wir haben die Kontrolldichte vervierfacht. Es finden im Gegensatz zu früher bis zu vier Hausbesuche pro Jahr statt, um die Pflege­qualität auch zu Hause sicherzustellen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

20.45 20.45.26



BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 237

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Die Plätze sind eingenommen, wie ich sehe.

Wir gelangen somit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Kran­kenpflegegesetz sowie weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Art. V des BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

20.46.4310. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird (2085 d.B. und 2150 d.B. sowie 11265/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 238

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


20.46.58

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Juli 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist zunächst Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte schön.


20.47.33

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher hier im Saal und geschätzte Zuseher vor den Bildschirmen! Ja, es geht um die Änderung des Freiwilligengesetzes und ich bedanke mich gleich am Beginn bei allen Ehren­amtlichen und Freiwilligen im ganzen Land. Die Mitglieder der Vereine leisten wirklich sehr viel für die Gemeinschaft, für den Zusammenhalt in den Gemein­den, ob es Sport-, Kunst- oder sonstige Vereine sind, und vor allem für die Jugendarbeit, die vor Ort geleistet wird. Unsere Einsatzorganisationen sind rund um die Uhr für unsere Sicherheit da, gerade letzte Nacht hat sich das fast in ganz Österreich wieder einmal gezeigt, denn sie waren zu Tausenden freiwillig im Einsatz – ein recht herzliches Danke an die vielen, vielen Freiwilligen! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 239

Ich möchte mich generell bei allen, bei den über 3,7 Millionen Ehrenamtlichen und Freiwilligen, bedanken – aber für diese Menschen ist dieses Gesetz nicht gemacht.

Letztes Wochenende fand der Landesbewerb der Feuerwehr Oberösterreich in Aspach im Bezirk Braunau statt, ein fulminanter Bewerb mit ausgezeichneten Leistungen. Ich darf über diesen Weg auch allen Teilnehmern zu dieser Leistung, zu diesem Erfolg gratulieren, und ich darf besonders der Freiwilligen Feuerwehr Bad Mühllacken aus meiner Heimatgemeinde Feldkirchen zum Landessieg gratulieren.

Das Ehrenamt ist in vielen Bereichen überhaupt der Antrieb, besonders bei der jungen Generation, wenn sie das erste Mal in Kontakt mit dem Ehrenamt kommen. Es ist eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, sie lernen Verantwortung zu übernehmen, erleben Kameradschaft und ein Miteinander, etwas, das wir alle dringend brauchen.

Geschätzte Damen und Herren, wie gesagt ist das Gesetz aber nicht für diese Menschen. Wir diskutieren hier mehrere Änderungen im Freiwilligengesetz, und diese Novelle betrifft nur ganz wenige, einen kleinen Teil – circa 1 500 Men­schen, die das Freiwillige Sozialjahr leisten, circa 80-90 Menschen, die das Freiwillige Umweltschutzjahr leisten, und jene ganz wenigen Menschen, die den freiwilligen Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst im Ausland leisten.

Das sind durchaus Bereiche, in denen viele das erste Mal mit den Sozialberufen in Kontakt kommen, und vielleicht bleiben auch welche in diesen Berufen. Wie bereits erwähnt sehen wir Freiheitlichen den Freiwilligendienst aber größer. Wir verstehen darunter die Arbeit der 3,7 Millionen Menschen, die bei der Feuerwehr, beim Roten Kreuz, beim Samariterbund, bei allen Sozialvereinen arbeiten und viele Tausende freiwillige Stunden beschäftigt sind. Sie leisten tagein, tagaus unzählige Stunden und sind für die Gesellschaft, für die Gemein­schaft eine ganz wichtige Stütze. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 240

Diesen Menschen, die tagtäglich etwas für die Gemeinschaft leisten, kann man nicht oft genug Danke sagen und ihre Arbeit nicht genug wertschätzen, aber für diese Menschen ist das ja wie gesagt nicht gemacht. Dabei wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die bereit sind, sich die Zeit zu nehmen, neben dem Beruf, neben der Familie, oftmals auch neben Tätigkeiten in anderen Vereinen in die erste Reihe zu gehen und Verantwortung zu übernehmen. Für diese Menschen sollten Verbesserungen geschaffen werden. Diese Gesetzes­vorlage bietet ihnen keine Hilfe bei der täglichen Arbeit, besonders eben auch nicht in Form eines angemessenen Versicherungsschutzes.

Sehr geehrte Damen und Herren, das neue Freiwilligengesetz ist nicht umfas­send. Es greift die wichtigsten Bereiche im Ehrenamt nicht auf. Liebe Kollegen, solange dieses Gesetz nur für eine kleine Gruppe gemacht ist und für diese 1 600 Leute sehr viel Verwaltungsaufwand produziert wird, werden wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.51


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. – Bitte.


20.51.38

Bundesrätin Viktoria Hutter (ÖVP, Niederösterreich): Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Österreich ist das Land der Freiwilligen und der ehrenamtlich Engagierten. Auch bei uns in Niederösterreich wird das Ehrenamt großgeschrieben. In fast 25 000 Vereinen leben 600 000 Menschen Gemeinschaft, Kameradschaft, Zusammenhalt und Teamgeist. Österreichweit, wir haben es gerade gehört, sind es rund 3,7 Millionen Menschen. Also fast jeder Zweite, jede Zweite engagiert sich in Österreich in den verschiedensten Ver­einen, Organisationen und in den unterschiedlichsten Bereichen und Einrichtun­gen freiwillig und ehrenamtlich. Dafür auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön! Die Freiwilligen leisten wirklich tagtäglich Unglaubliches und Unbezahlbares. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 241

Wir selbst dürfen auch nicht müde werden, das immer wieder zu erwähnen, denn Freiwilligkeit darf nicht zur Selbstverständlichkeit werden. Ehrenamt ist etwas Besonderes, etwas Bemerkenswertes und eine wirklich positive Entwicklung gegen den Trend der Zeit.

Doch von Gratulationen und Dankesbekundungen allein können sich die Frei­willigenarbeit und das Ehrenamt in unserem Land nicht weiterentwickeln. Genau darum ist mit diesem Gesetzentwurf ein wichtiger Meilenstein gelungen, um voranzukommen. – Kollege Pröller, das gelingt einfach mit einer bundes­weiten Service- und Kompetenzstelle für freiwilliges Engagement, denn jeder und jede, der oder die freiwillig tätig ist, kann sich bei dieser Stelle melden, wenn es um Fragen der Rechtssicherheit, Vereinsgründungen, Förderungen oder was auch immer geht.

Ich denke, gerade wenn die Personen, die an der Spitze des Vereins stehen, mit solchen Fragen konfrontiert werden, ist es ganz wichtig, dass sie wissen, wo sie hingehen können, und auch wissen, wer ihnen Hilfe bietet. Genauso wichtig ist die Unterstützung der bereits bestehenden Freiwilligenzentren, die ja schon in den einzelnen Bundesländern eingerichtet sind. Bei uns in Niederösterreich ist es die Anlaufstelle Service Freiwillige.

Ja, natürlich kommt es auch mit der finanziellen Aufwertung des Freiwilligen Sozialjahres und des Freiwilligen Umweltschutzjahres in diesem Gesetz zu einer Aufwertung der Arbeit in diesen Bereichen. Diese beiden Programme sind einfach Erfolgsgeschichten, die unbedingt weitergeschrieben werden müssen, einerseits weil sie sehr gut angenommen werden – seit der Einführung 2012 hat sich die Anzahl der Teilnehmenden vervierfacht –, andererseits weil die Teil­nehmenden so in soziale Berufe und in den Gesundheitsbereich hinein­schnup­pern können. Sie können sich Kompetenzen aneignen und sich einfach ein gutes Bild von der Arbeit machen. Das wiederum führt in weiterer Folge dazu, dass 75 Prozent der Teilnehmenden an diesen Programmen auch später einen


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 242

Beruf im Sozial- oder Gesundheitsbereich ausüben. Das ist gerade in der heuti­gen Zeit, wenn wir den Fachkräftemangel vor allem auch im Gesundheits- und Sozialbereich sehen, unglaublich wichtig.

Weil ich ja zu Beginn gesagt habe, wir dürfen nicht müde werden, unsere Freiwilligen vor den Vorhang zu holen, möchte ich auch abschließend noch den Staatspreis für freiwilliges und ehrenamtliches Engagement in Österreich erwähnen. Ich finde diesen wirklich spitze, unzählige tolle Projekte und Men­schen können so vor den Vorhang geholt werden.

Ich kann es aus eigener Erfahrung sagen: In unserem Bezirk ist letztes Jahr der Staatspreis Wald an das Projekt Waldsetzen jetzt gegangen. Das gibt einem Projekt wirklich Aufwind und Antrieb für die Arbeit. Es ist eine unglaubliche Bestätigung für die vielen Stunden, die man mit Schweiß und Herzblut in das Projekt gesteckt hat. Darum freut es mich, dass es auch in Zukunft für die Freiwilligenarbeit so eine hohe Auszeichnung geben wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

20.55


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Bettina Lancaster. – Bitte, Frau Bundesrätin.


20.55.38

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer via Livestream! Wir haben es jetzt von den Vorredner:innen gehört: Das Ehrenamt ist unverzichtbar. Viele Leistungen in unserer Gesellschaft werden von Freiwilligen in ihrer Freizeit erbracht. Sie tragen mit ihrer Arbeit viel zur Sicher­heit und zum Wohlbefinden in Österreich bei.

Dieses Ehrenamt kennt viele Formen. Als Bürgermeisterin möchte ich zunächst einmal auf jene Bereiche eingehen, mit denen ich in meiner Arbeit in der Gemeinde täglich konfrontiert bin.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 243

Allein in der Nacht auf heute gab es in Oberösterreich 350 Feuerwehreinsätze. Sturmschäden mussten fachgerecht und schnell aufgearbeitet werden, damit das Alltagsleben in der Früh wieder funktioniert. Letzten Freitag war ich auf dem Weg von Pettenbach – das ist meine Nachbargemeinde – in meine Heimatge­meinde Steinbach. Plötzlich: großer Alarm und viele Feuerwehren. Nachlesen konnte ich dann, dass sechs Feuerwehren unterwegs waren. Eine Heuballen­presse hatte sich entzündet. Der Brand hatte sich auf das Feld ausgebreitet und es musste auch der angrenzende Wald geschützt werden.

Ja, der Klimawandel trägt natürlich auch dazu bei, dass gerade im Feuerwehr­bereich die Anzahl der Einsätze – wie bei Waldbränden, Überschwemmungen oder, wie hier bereits erwähnt, Feldbränden – steigt. Das bedeutet für unsere Feuerwehren andere Ausbildungen, andere Qualifikationen, aber – und darauf möchte ich besonders hinweisen – auch häufigere Einsätze. Diese Tausenden Feuerwehrmänner und -frauen sind auf Abruf beim Einsatz. Sie lassen alles liegen und stehen, um dem Nächsten zu helfen und – als Bürgermeisterin für mich von ganz großer Wichtigkeit – um Pflichtaufgaben der Gemeinde zu erfüllen. Das machen sie ohne Zögern und ohne Bezahlung.

Da braucht es dringend eine intensivere Auseinandersetzung. Man muss beson­ders aufpassen und darauf achten, dass der Bogen des Zumutbaren nicht überspannt wird. (Beifall bei der SPÖ.) Wir hängen von diesen Menschen ab, aber Ehrenamt ist eben vielfältig. Jedes Mal, wenn ich bei den Hauptversammlungen des Musikvereins oder des Kulturvereins oder des Reitvereins, des Sportvereins, des Imkervereins und so weiter bin, zeigt sich die enorme Leistung dieser Vereine für unser Leben in den Gemeinden.

Es sind die ehrenamtlichen Funktionäre und Funktionärinnen, die Obfrauen, die Obmänner, die Kassiererinnen, die Kassierer, die Schriftführer und Schrift­führerinnen und so weiter, die für die anderen ein kostengünstiges Angebot vor Ort schaffen. Kostengünstige Freizeitangebote für Kinder und Erwachsene sind gerade in dieser Zeit der extremen Teuerung für unsere Bürgerinnen und Bürger von großer Wichtigkeit und Bedeutung. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 244

Es schmerzt mich als Bürgermeisterin, dass ich gerade in diesem Bereich viele Vereinsförderungen zurückfahren muss, weil zu wenig Geld für freiwillige Aufgaben in den Gemeindekassen vorhanden ist. Für die Errichtung und Erhal­tung von Musikheimen und Sportstätten wird von den Ehrenamtlichen zusätzlich ein hoher Anteil an Eigenleistung gefordert, große Anschaffungen können nicht auf Mitgliedsbeiträge umgelegt werden.

Der Staat ist abhängig vom ehrenamtlichen Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger, und das in vielen Belangen. Wertschätzung, persönliche Absiche­rung der Funktionäre und Funktionärinnen im Schadensfall und finanzielle Unterstützung bei der Bereitstellung von notwendiger Infrastruktur beziehungs­weise von Betriebsmitteln zur Ausübung des Ehrenamtes sollten gewährleistet sein.

Werte Regierungsfraktionen, werter Herr Minister, bedenken Sie das auch bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen! Wenn Sie das Ehrenamt stärken wollen, braucht es in Österreich starke und finanziell gut aufgestellte Gemein­den.

Nun noch etwas zur vorliegenden Novellierung des Freiwilligengesetzes: Der Fokus liegt auf Wertschätzung und Attraktivierung. Die Inhalte sind bereits von der Vorrednerin, Kollegin Hutter, klargelegt worden. Die sozialdemokratische Fraktion stimmt mit dem Großteil der vorgebrachten Inhalte überein, und wir werden diesem Gesetz auch zustimmen.

Ein Thema, das bereits in der Nationalratsdebatte aufgebracht worden ist und hinsichtlich dessen auch bei uns noch große Fragen entstanden sind, ist aber: Wie kann es sein, dass das Freiwillige Integrationsjahr gestrichen wird, ohne dass das Integrationsjahr budgetiert wird? Da besteht ein Delta, und wir können uns nicht erklären, wie es zu so etwas kommen kann – für manche vielleicht frei nach der Devise: Hauptsache gestrichen!


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 245

Integrationsfördernde Maßnahmen passen halt nicht in die Erzählung von Zäunen, Mauern und Abschiebungen, wenn es um Asylwerberinnen und -werber geht. Da könnte ja das gezeichnete unabwendbare Bedrohungsszenario durch Positivbeispiele Risse bekommen. Bei Türkis-Schwarz ist das soweit erwartbar, aber bei den Grünen nicht nachvollziehbar.

Zum Schluss möchte ich noch sagen: vielen Dank an alle ehrenamtlich Tätigen in unseren Gemeinden und in allen anderen Bereichen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

21.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


21.03.11

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Falls es noch Zuseherinnen und Zuseher gibt: auch einen herz­lichen Gruß! Wir haben es heute schon mehrfach gehört: 3,7 Millionen Menschen, also tatsächlich jeder Zweite, knapp die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher und aller Menschen, die hier leben, arbeiten freiwillig. Sie leisten tagein, tagaus unzählige Stunden ehrenamtlich, um in dieser Gesellschaft eine wichtige Lücke zu füllen.

Es fängt schon beim Jugendrotkreuz, der Jugendfeuerwehr, der Jugend­wasserrettung an – um nur eine kleine Auswahl zu nennen –, dass sich schon junge Menschen entscheiden, in ihrer Freizeit etwas zum Wohl unserer Gesellschaft beizutragen; und das geht weiter.

Während so manche von uns nach einer arbeitsreichen Woche am Samstag­abend im Garten sitzen, arbeiten andere gerade freiwillig. So ist es auch bei uns kürzlich passiert: Die Sirene tönt, mein Schwiegersohn springt auf, weil er bei der Feuerwehr ist, tut seinen Dienst und wir sitzen weiter dort. Oder auch diese


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Nacht in Oberösterreich mit den schweren Gewittern: Da haben die Feuerwehr und die Freiwilligen die Sturmschäden aufgearbeitet, damit am nächsten Morgen der Weg in die Arbeit wieder möglich ist. Oder jetzt gerade am Attersee: Es ist ein schweres Unwetter, da ist ein Baugerüst auf die Schienen des Kammerer Hansl gestürzt, und es wird eifrig daran gearbeitet, das zu reparieren.

Diese Freiwilligkeit geht bis ins hohe Alter. Erst kürzlich, als ich von Wien zurück nach Hause gefahren bin, habe ich eine mir bekannte Dame im Zug getroffen, die Besuchsdienste im Krankenhaus macht, dort Patient:innen besucht, organi­siert von der evangelischen Kirche. Sie sagte mir – sie wird jetzt 75 –, sie denke jetzt langsam ans Aufhören.

Diesen Menschen, die ich gerade alle genannt habe, die das tagein, tagaus für uns, für uns alle und für unsere Gesellschaft, leisten, kann man tatsächlich nicht oft genug Danke sagen. Wir haben heute aber auch gehört: Das Dankesagen alleine reicht natürlich nicht. Wir müssen unseren vielen Millionen Ehrenamt­lichen in Österreich weitere Förderungen zukommen lassen und die freiwillige Arbeit als solche aufwerten und attraktivieren, und genau das ist es. Wir rücken mit diesem Freiwilligengesetz Anerkennung, Attraktivierung und Aufwertung in den Fokus. Wir sind mit diesem Gesetz auch ganz bewusst einen neuen Weg gegangen. Es wurden im Vorfeld die betroffenen Organisationen eingebunden. Es hat eine große Studie gegebenen, da wurden Vereine gefragt, da wurden Rückmeldungen gesammelt.

Dieser Prozess ist jahrelang vorbereitet worden und darum hat es auch ein bisschen länger gedauert, aber ich glaube, das war ganz wichtig. Es war wichtig, dass diese Organisationen eingebunden werden, dass wir Rückmeldungen bekommen, und es ist wichtig, dass auf Basis dessen dann auch der Freiwilligen­rat eingebunden wird, wobei übrigens auch alle Fraktionen eingeladen waren. Dann ist das Gesetz gemeinsam mit den Stakeholdern gestaltet worden.

Was kommt? Was ist neu? Wir haben es schon gehört, ich möchte es trotzdem noch einmal kurz sagen, weil das, glaube ich, noch nicht erwähnt wurde: Es wird


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im Rahmen des Freiwilligen Sozialjahres und des Freiwilligen Umweltjahres mehr Taschengeld geben. Das ist eine wichtige Sache. Das wird fast verdoppelt, von 270 auf fast 500 Euro. Das Freiwillige Sozialjahr, das haben wir gehört, ist tatsächlich eine Visitenkarte für Sozialberufe. Junge Menschen, es sind oftmals Frauen, kommen zum ersten Mal in Kontakt mit Sozialberufen, sehen dann dort auch die positiven Aspekte des Berufes und bleiben oft dort.

Das konnte ich selber an einigen Beispielen in der Praxis erleben. Ich war damals zuständig für die Begleitung der Absolventinnen des Freiwilligen Sozialjahres und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass jede dieser jungen Frauen sehr davon profitiert hat, und das ist auch als Rückmeldung gekommen. Es ist also ein großer und wichtiger Schritt für die Sozialberufe und eine Möglichkeit, sie auch zu attraktivieren.

Das wurde auch noch nicht gesagt: Wir geben den jungen Menschen ein gratis Klimaticket, und das ist eine ganz wichtige Sache, weil es eben ein Anreiz sein soll, ökologisch unterwegs zu sein. Es soll auch das Klimaticket bewerben und gleichzeitig eine Mehrleistung für die Menschen sein, die sich freiwillig engagieren und sozial betätigen.

Es wird 300 000 Euro für eine Service- und Kompetenzstelle für freiwilliges Engagement geben, und gerade die kleinen Vereine, wir haben es heute gehört, brauchen genau diese Service- und Kompetenzstellen, an die sie andocken können, wo sie reden können, wo sie Leistung, wo sie Informationen bekommen: Wie kann ich einen Verein gründen? Wie kann ich es finanziell abwickeln? Wo kann ich um Förderungen ansuchen? – Das sind wichtige Infos, insbesondere nämlich für die kleinen Vereine.

Wir werden 1 Million Euro für den Ausbau von Freiwilligenzentren in ganz Österreich bereitstellen. Das ist auch ein wichtiger Aspekt, um diese Freiwilli­genzentren in die Bundesländer zu bekommen und dort den Ausbau zu fördern. In Zukunft wird es einen Fonds für einen Staatspreis für Freiwilligenarbeit zur Anerkennung besonders herausragender Persönlichkeiten geben – dies ebenso,


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weil das als Rückmeldung gekommen ist, dass es das nicht gibt und dass das Ehrenamt eben eine höhere Anerkennung in unserer Gesellschaft braucht. Das wurde umgesetzt, und dementsprechend wurde dieser Preis auch neu geschaffen.

Ein ganz wichtiger und großartiger Erfolg, den ich nicht verheimlichen möchte, ist der Friedens- und Gedenkdienst. Dort werden 3 Millionen Euro investiert werden. Warum? – Das ist nicht nur eine unglaublich wertvolle Zeit für diese jungen Menschen, die die Zeit im Ausland verbringen, sondern es hat auch für Österreich einen wesentlichen Output. Dieser Gedenkdienst ist nämlich auch die Visitenkarte Österreichs im Ausland. Das ist großartig, und wir werden das endlich längerfristig absichern und auch für die Zukunft ausbauen können.

Es ist mit diesem Freiwilligengesetz nicht nur gelungen, die existierenden Struk­turen wie das Freiwillige Sozialjahr und den Auslandsdienst aufzuwerten, sondern auch, Akzente für die kommenden Generationen und für Ehrenamtliche zu setzen.

Das Freiwilligenwesen – wir haben es heute schon gehört und ich glaube, da sind wir uns alle einig – ist eine wichtige Säule für die österreichische Gesell­schaft, die wir längerfristig absichern. Das wird mit diesem Gesetz passieren und daher danke ich für die breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.10 21.10.01


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.10.3011. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. März 1952 über die Verleihung des Doktorates unter den Auspizien des Bundespräsidenten geändert wird (3368/A und 2144 d.B. sowie 11295/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Alexandra Platzer. – Ich bitte um den Bericht.


21.10.50

Berichterstatterin Alexandra Platzer, MBA: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. März 1952 über die Verleihung des Doktorates unter den Auspizien des Bundespräsidenten geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Juli 2023 einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. 21.11.18


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es ist niemand zu Wort gemeldet.

Wünscht doch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Wir gelangen also zur Abstimmung. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Vielen Dank.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.11.51 12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheitsgesetz – B-KSG) erlassen sowie das Meldegesetz 1991 geändert wird (2084 d.B. und 2120 d.B. sowie 11257/BR d.B. und 11258/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundeskrisenlagers für den Gesundheitsbereich sowie über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (Bun­deskrisenlagergesetz – BKLG) (2121 d.B. sowie 11259/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungs­punkten 12 und 13, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 12 und 13 ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Ich bitte um die Berichte.


21.12.19

Berichterstatter Christoph Stillebacher: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen


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Resilienz und Koordination in Krisen erlassen sowie  das Meldegesetz 1991 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundeskrisen­lagers für den Gesundheitsbereich sowie über die Verfügung über Bundesver­mögen bei Abgabe aus diesem Lager.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher ebenfalls zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Berichte.

Ich darf an dieser Stelle recht herzlich Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner im Bundesrat begrüßen – schönen guten Abend im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schmid.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte schön.


21.13.48

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Gleich eines vorweg: Die SPÖ-Fraktion


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wird diesen beiden Gesetzesvorlagen nicht zustimmen. Das tun wir aus gutem Grund: weil es da aus unserer Sicht inhaltliche Probleme gibt, die Sie aus unserer Sicht bis dato nicht ausräumen konnten, und es auch im Begutachtungsprozess Tausende negative Stellungnahmen gab. Ich kann oder könnte es auch so formulieren: Diese Gesetzesvorlage ist ein demokratiepolitischer und sicher­heitspolitischer Pfusch. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage auch, warum: Zum einen wollten Sie damit die gesetzliche Grundlage für den sogenannten Krisenfall schaffen. Diese Chance – das muss ich Ihnen leider an dieser Stelle sagen – haben Sie wieder einmal verpasst. Die zentrale Frage bleibt nämlich offen: Was ist denn eine Krise, was ist denn ein bedeuten­der Krisenfall?

Sie berufen sich in Ihrer Vorlage auf eine – würde ich sagen – wissenschaftliche Definition, und diese Definition ist absolut nichtssagend, vor allem auch schwammig formuliert. Man könnte alles oder auch nichts hineininterpretieren, und das ist für mich, für uns einfach handwerklich schwach gemacht.

Zum Zweiten, schauen wir uns das einmal Ihr Demokratieverständnis betreffend an: Wer sagt in dieser Republik, was eine Krise ist, vor allem wann eine Krise vorliegt? – Es ist nicht das Parlament, sondern es ist der Hauptausschuss, der mit einfacher Mehrheit eine Krise ausrufen kann. Auch das sehen und beurteilen wir als sehr bedenklich.

Eine Krise ist ein Ausnahmezustand mit besonderer Brisanz und Relevanz, und da wollen Sie, sehr geehrte Damen und Herren, dass der Hauptausschuss sozusagen alleine die Fäden zieht, quasi am Parlament vorbei. Das ist in Wahr­heit nicht tragbar, unglaublich, und das lehnen wir auch vehement ab. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Aber der Hauptausschuss ist schon im Parlament, oder?)

Liebe Grüne, dieses Verhaltensmuster kennen wir ja von der ÖVP, aber dass Sie als Grüne da mit der ÖVP mitziehen, ist aus meiner Sicht wirklich ein Trauerspiel.


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Das dritte Foul bei dieser Gesetzesvorlage ist der Umstand, dass Sie die Länder, die Gemeinden, die Blaulichtorganisationen nicht eingebunden haben. Sie werden dann sagen: Ja die kommen im Gesetz vor, die werden wir dann fragen und einbeziehen, wenn die Krise vorhanden ist! – Ja, aber genau das ist Ihr und unser Problem: Bei einem Gesetz muss man diese Player, die wichtigen Player, die Erfahrungen haben, die Kompetenz haben, vorher, in der Gesetzgebung, einplanen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass das Bundesheer zum technischen Hilfswerk degradiert wird, sei nebenbei erwähnt.

Wir haben ja in der letzten Krise gesehen, wie wichtig es ist, dass Gemeinden ihre Kompetenzen ausspielen. Die Gemeinden haben zum Teil Ihren Job gemacht, Ihren Job, den Sie nicht machen konnten und noch immer nicht machen können, und jetzt lassen Sie die Gemeinden wieder außen vor. Das ist einfach unglaublich. Diese Zugänge kommen für uns nicht infrage. Ich habe es erwähnt: Wir werden dem nicht zustimmen.

Es hagelt aus allen Richtungen Kritik, ganz oben vom Verfassungsdienst. Das muss man sich einmal vorstellen: Der eigene Verfassungsdienst im Bundes­kanzleramt zerlegt diesen Gesetzentwurf, und Sie von den Regierungsparteien gehen einfach her, reden mit niemandem und ziehen das beinhart durch.

Sie ziehen auch den sinnlosen Bunkerbau, den Bau des sogenannten Lagezen­trums, das im Keller des Innenministeriums entstehen soll, um unglaubliche 50 Millionen Euro durch – ein Unding, das den Fantasien des ehemaligen Innenministers und jetzigen Bundeskanzlers Nehammer entsprungen ist. Anstatt vorhandene Infrastruktur zu nutzen, zum Beispiel den Stiftsbunker, verschleu­dern Sie mit diesem Projekt 50 Millionen Euro für einen Bunker, nur um Ihr Ego zu befriedigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Sie verprassen mit diesen 50 Millionen Euro wirklich wertvolles Geld, während viele Menschen in unserem Land nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben


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finanzieren, wie sie ihr Leben bestreiten sollen. Die Leute sind Ihnen offenbar wurscht, aber ein Prestigebunker ist Ihnen 50 Millionen Euro wert.

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Mit Ihrer empathielosen Politik werden Sie Schiffbruch erleiden, und die Menschen werden Ihnen bei der nächsten Wahl die Rechnung präsentieren.

Diesen beiden schlecht gemachten Gesetzentwürfen wird die SPÖ nicht zustimmen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Bundesrat Silvester Gfrerer vor. – Bitte schön.


21.19.36

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute ein Krisensicherheitsgesetz. Genau darum geht es bei diesem Thema: Wir bereiten uns auf etwaige Krisen oder Szenarien vor, die nicht planbar sind, die nicht vorhersehbar sind, aber es ist ganz wichtig, denn es geht um die Sicherheit der Menschen in unserem Land.

Eines kann man ganz sicher sagen: Krisen kommen unangemeldet, egal ob im Kleinen oder im Großen, egal ob im privaten Bereich oder im öffentlichen Bereich. Wirkliche Krisen bedeuten für viele Menschen auch Veränderung im täglichen Leben.

Was in der heutigen Zeit auch festzustellen ist: Viele Menschen neigen dazu, aus Kleinigkeiten oft auch große Krisen herbeizureden. Die Kernfrage ist: Kann man sich auf gewisse eventuelle Situationen vorbereiten, im privaten wie auch im öffentlichen Bereich?

Ein Beispiel aus Salzburg: Ausgelöst durch häufiger auftretende Unwetter gibt es im Bereich der Stromversorgung immer wieder Schäden an Freileitungen, die zu


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Stromausfällen führen, die auch länger dauern können. Daher zahlt das Land Salzburg für den Ankauf von Notstromaggregaten und den Anschluss an das elektrische Betriebssystem eine Förderung für landwirtschaftliche Betriebe. Da sieht man: Ohne Strom geht gar nichts, weder Melken noch Füttern noch Kühlen noch vieles andere mehr – da hat man dann wirklich eine Krise.

Jetzt aber zum Tagesordnungspunkt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem heutigen Gesetzesbeschluss wird das staatliche Krisenmanagement erstmals gesetzlich definiert und in der Struktur weiterentwickelt. Damit wird auf aktuelle Bedrohungsszenarien reagiert.

Jeder Rettungsverein – ob Bergrettung, ob Wasserrettung, ob Feuerwehr – macht Übungen und plant Einsätze. Meist oder fast immer ist es so: Man braucht ein Grundgerüst für den Einsatz. Es kommt zwar immer wieder irgendwie ein bisschen anders, aber man braucht doch einen klaren Weg. Das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig. Es braucht ressortübergreifende Fachgremien und diese werden geschaffen. Es werden ein Bundes-Krisensicherheitskabinett im Bundes­kanzleramt sowie ein Bundeslagezentrum im Bundesministerium für Inneres eingerichtet, die Benennung von Kontaktstellen zur raschen Koordination im Krisenfall ist vorgesehen.

Was mir auch sehr wichtig erscheint, ist die gesetzliche Definition eines Bundes­krisenfalls sowie die Festlegung eines Verfahrens zur Ausrufung und auch zur Beendigung einer Krise und die Einrichtung eines Regierungsberaters im Bun­des­kanzleramt samt Stellvertreter:in und Beratungsgremien.

Ja, Krisenzeiten sollten die Ausnahme sein, es wird sie aber immer wieder geben. Ich bin überzeugt: Je besser wir durch gutes Krisenmanagement vorbereitet sind, desto schneller und besser können wir handeln und helfen. Wir schaffen mit dem heutigen Beschluss eine staatliche Krisenkoordination. Das erscheint mir besonders wichtig für die Sicherheit und für den Zusammenhalt in der Bevölke­rung.


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Auf eines können wir alle stolz sein, liebe Kolleginnen und Kollegen: auf unser Bundesheer, das immer, wenn es notwendig ist, einsatzbereit ist. Das gilt im Speziellen natürlich auch für das Ehrenamt. Ganz gleich ob es in der Pandemie, bei Unwetterkatastrophen oder bei anderen Ereignissen in der Vergangenheit war, es haben immer viele ehrenamtliche Helfer zusammengeholfen, sind zusammengestanden – in der Nachbarschaftshilfe, im Zivildienst, als Sanitäter, bei Feuerwehr, Bergrettung, Wasserrettung und vielem, vielem mehr. Ihnen allen gebührt große Wertschätzung und ein aufrichtiger Dank. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

21.24


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Spanring. – Bitte.


21.24.28

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer! Eigentlich sollte es für die Regierenden ein Alarmsignal sein, wenn die Opposition so geeint wie selten dieses sogenannte Krisensicherheitsgesetz ablehnt – aber dieser Regie­rung ist das ziemlich egal.

Eigentlich sollte es für die Regierenden ein Alarmsignal sein, wenn im Begut­achtungsverfahren 40 000 großteils negative Stellungnahmen einlangen und diesem Gesetz von vielen offiziellen Stellen, wie zum Beispiel vom Verfas­sungsdienst des Bundeskanzleramts, ein niederschmetterndes Zeugnis ausge­stellt wird – aber dieser Regierung ist das ziemlich egal.

Seit zwei Jahren hängt dieses Krisensicherheitsgesetz wie ein Damoklesschwert über uns Österreichern, die Regierung hat es geschafft, die Opposition zwei Jahre lang auszugrenzen und zu ignorieren, und trotzdem verlangt man heute von uns, dass wir hier mitstimmen.


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Es gibt für uns viele Gründe, warum wir so vehement gegen dieses Gesetz auftreten. Im Besonderen gibt es für mich zwei Hauptgründe. Grund Nummer eins: Niemandem – wirklich niemandem und schon gar keinem Minister dieser Regierung – sollte man so viel Macht geben, dass er am Parlament vorbei mittels Verordnungen dieses Land wie ein Diktator führen kann – denn ganz genau darauf läuft das hinaus (anhaltender Beifall bei der FPÖ sowie stehend dargebrach­ter Beifall des Bundesrates Steiner): auf eine Second-Hand-Diktatur.

Wenn Sie das nicht glauben wollen, dann schauen Sie einfach zurück in die Coronazeit: Da haben wir gesehen, was mittels Verordnungen (Bundesrätin Platzer: Demokratisch entschieden wurde!) der unsäglichen drei – damit meine ich die drei Gesundheitsminister Anschober, Mückstein und Rauch – alles möglich war. Wem das noch nicht reicht, dem möchte ich Kreisky in Erinnerung rufen, mit seiner Aussage: Lernen S’ ein bissl Geschichte!, denn eines können Sie aus der Geschichte ganz klar ableiten, nämlich dass Diktaturen in unseren Gefilden meistens per Verordnungen am Parlament vorbeiregieren und pseudodemo­kratische Strukturen als Vorwand nehmen, so nach dem Motto: Es ist ja eh alles in Ordnung! – Das ist aber nur eine Scheindemokratie. Als Auslöser dafür brauchte es – wie passend! – auch in der Vergangenheit einen Notstand oder eine Krise, die aufgrund dieses Gesetzes künftig von den Regierenden selbst definiert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen Sie zurück in das Jahr 1933 nach Berlin: Dort wurden mittels der Reichstagsbrandverordnung die Demokratie und die Grundrechte der Menschen außer Kraft gesetzt, und der Weg Richtung Diktatur war geebnet. Ebenso in Österreich: Hier nutzte Engelbert Dollfuß eine Geschäftsordnungskrise bei der Nationalratssitzung am 4. März 1933 für einen Staatsstreich. Das Parlament wurde ausgeschaltet und der Austrofaschist Dollfuß regierte von da an diktato­risch per Notverordnung. Dollfuß lehnte übrigens – so ganz nebenbei – den demokratischen Rechtsstaat ab.

Meine Damen und Herren, es ist geradezu ein bisschen ein Treppenwitz der Geschichte, dass heute jener Politiker als Innenminister vor uns sitzt und uns


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dieses Krisensicherheitsgesetz aufs Auge drücken will, der bis vor Kurzem das Dollfuß-Museum betrieben hat. Eine Forscherin hat laut „Standard“ einmal darüber gesagt, es wäre „eher eine Gedenkstätte“ als ein Museum. (Zwischenruf des Bundesrates Zauner.) Auch das ist sehr bezeichnend. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Aber ihr wollt doch eine Koalition mit ihnen!)

Herr Minister Karner gehört auch jener ÖVP an, die noch bis 2017 ein Porträt von Engelbert Dollfuß in den Klubräumlichkeiten hängen hatte. (Bundesrat Leinfellner: Das täte heut’ noch hängen, wenn es nicht ...!) Wann, wenn nicht jetzt, würde der Ausspruch besser passen: Wehret den Anfängen, liebe Kollegen! (Beifall bei der FPÖ.)

Grund Nummer zwei, warum ich dieses Gesetz vehement ablehne: Weil dieses Gesetz ganz einfach unnötig ist. (Bundesrat Steiner: Ganz genau!) Um Krisen sicher überstehen zu können, gibt es den Artikel 9a im Bundes-Verfassungsgesetz, das ist die umfassende Landesverteidigung. (Bundesrat Steiner: Die kennt der Minister nicht!)

Nur: Wir wissen natürlich auch, dass die umfassende Landesverteidigung viele Jahre sträflichst vernachlässigt wurde. Die Wehrhaftigkeit und die Einsatzfähig­keit unseres Bundesheeres wurden jahrzehntelang von ÖVP-Finanzministern geradezu zerstört. (Zwischenruf des Bundesrates Zauner.) Die ÖVP hat das Bun­desheer finanziell ausbluten lassen, und gleichzeitig, während man das gemacht hat, wurden und werden unsere Soldaten immer wieder für Aufgaben heran­gezogen, für die das österreichische Bundesheer ganz einfach unzuständig ist. Aber dazu später, beim zweiten Gesetz, noch etwas mehr.

Also: Die umfassende Landesverteidigung gehört wiederbelebt, und dann kön­nen wir auf dieses Krisensicherheitsgesetz ganz verzichten. Aber das ist offensichtlich nicht im Sinne dieser Regierung, und jetzt bin ich mir nicht ganz sicher: Entweder die Regierung hat aus der Pandemie nichts gelernt und sie drückt dieses Gesetz trotzdem, ohne Rücksicht auf Verluste, um jeden Preis durch, oder die Regierung hat aus der Pandemie gelernt, ist auf den Geschmack


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gekommen und sagt sich: Hat ja eh alles super für uns funktioniert, wir haben uns in der Pandemiezeit dumm und dämlich verdient!, und Schwarz-Grün will ganz einfach wie in einer Diktatur herrschen, die Menschen drangsalieren und wieder die Staatsmilliarden nach Gutdünken unter den guten Freunden verteilen.

Die Rechnung dafür – das hat auch mein Vorredner von der SPÖ gesagt –, egal aus welchem Grund Sie es machen, liebe ÖVP und auch Grüne, kommt bei der nächsten Wahl. Das ist ein Versprechen! (Beifall bei der FPÖ.)

Und noch ein Versprechen von mir: Spätestens dann, wenn die FPÖ in Regie­rungs­verantwortung ist, werden alle diese Fehlentwicklungen, die gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung sind (Bundesrat Steiner: Richtig!), wieder neu aufgerollt und neu gedacht. – Auch das ist ein Versprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Neben diesen zwei Hauptgründen gibt es aber auch viele weitere Gründe, warum wir gegen dieses Gesetz Einspruch erheben werden. Da hätten wir einmal den Begriff der Krise. Dieser ist so dermaßen schwammig definiert, dass man von einer Definition des Begriffs in Wahrheit gar nicht mehr sprechen kann.

Sie, Herr Minister, öffnen mit diesem Vorgehen der Willkür Einzelner Tür und Tor, und das kann ja auch nicht in Ihrem Sinne sein. Und ja, ich kenne auch den ÖVP-Schönsprech, demzufolge Sie uns dann erklären, dass es ja eh im Parlament behandelt wird. – Das ist nur ganz einfach unwahr! So, wie es da geregelt wird, kommt es maximal in den Hauptausschuss des Nationalrates und wird dort mit einfacher Mehrheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgewunken – das war es dann! Und das ist eine Farce! (Beifall bei der FPÖ.)

Weiters wollen Sie einen Krisenberater einsetzen, einen Beamten, der dann im Fall des Falles den Schwarzen Peter zugeschoben bekommt, einen Beamten, der die Verantwortung für schlechte Entscheidungen übernehmen muss und bei


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dem Sie als Regierung sich dann abputzen können. Wir haben ja bei Corona gesehen, wie das funktioniert: Die Regierung hat Berater eingesetzt, die das empfohlen haben, was diese Regierung wollte. Unliebsame und kritische Berater sind ganz einfach rausgeworfen worden und sind durch regierungstreue Staatshasardeure ersetzt worden, um am Ende zu behaupten, man hätte zu sehr auf diese Experten gehört.

Diese Aussage von Nehammer (Bundesrat Kornhäusl: Bundeskanzler Nehammer!) – man sei zu „expertenhörig“ gewesen – war in Wahrheit der Gipfel der Verhöhnung der Bürger nach der Coronazeit. Und jetzt wollen Sie es wieder genauso machen: Sie wollen einen, auf den Sie alles abschieben können. Aber auch da kann ich Ihnen sagen: Da spielen wir nicht mit, und auch die Landsleute lassen sich nicht länger hinters Licht führen. Auch da passt ein Spruch: Wir vergessen nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Richtig! – Der Redner hustet und räuspert sich.)

Seit diese Regierung im Amt ist, gibt es durchgehend Krisen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Da können wir nix dafür!) Wir haben Corona, wir haben die Ukraine, wir haben eine Knieschusssanktionspolitik. Aus all diesem resultierend haben wir eine Teuerung. Wir haben einen Flüchtlingsansturm gehabt, und jetzt werden wir alle sterben, weil uns das Klima umbringt. Wenn man in das Jahr 2020 zurück­blickt, würde man sagen können: Mit diesem Gesetz würden wir mit all diesen Problemen seit 2020 in einer Diktatur des Koordinierungsgremiums dieser Regie­rung sein – und das gilt es zu verhindern.

Und dabei muss man immer wieder eines ganz klar betonen: Diese Regierung hat nicht das Land durch die Krise geführt, sondern vielmehr hat diese schwarz-grüne Regierung die Krisen durch das Land geführt. – Das ist die Wahrheit. (Anhal­tender Beifall bei der FPÖ. – Der Redner hustet neuerlich. – Bundesrat Steiner stellt ein Glas Wasser auf das Redner:innenpult.) – Danke, Herr Kollege.


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Herr Kogler, der Herr Vizekanzler, hat es ja angekündigt. Er hat gesagt: „Man wird Österreich in ein paar Jahren nicht wiedererkennen“. – Zumindest da hatte er einmal recht.

Unter diesen Tagesordnungspunkten wird auch das Bundeskrisenlagergesetz mitverhandelt. Das Gesetz hat im Innenausschuss erstens einmal gar nichts zu suchen, es hätte eher in den Gesundheits- oder in den Landesverteidigungs­ausschuss gehört. Es war im Ausschuss auch ganz lustig, denn da waren zwei Experten, einer vom Landesverteidigungsausschuss, einer vom Gesundheits­ausschuss. Ich habe dann gefragt: Entschuldigung, warum wird das jetzt im Innenausschuss verhandelt?, und alle haben sich angeschaut und gemeint: Wissen wir nicht! – Okay, man vermanscht da halt wieder einiges, und auch dieses Gesetz ist ja in Wahrheit nichts Neues, sondern es ist nur eine Verlänge­rung des COVID-19-Lagergesetzes, weil das jetzt nämlich ausläuft.

Da komme ich noch einmal auf das Bundesheer zurück, das auch durch Ihre verfehlte, überzogene, evidenzlose Coronapolitik in dieser Zeit ganz einfach missbraucht wurde. (Bundesrat Kornhäusl: Aber nicht vom Innenminister!) – Natür­lich auch vom Innenminister, nämlich für Assistenzleistungen im Zivilbereich und für Tätigkeiten, für die unsere Soldaten überhaupt nicht vorgesehen sind. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)

Es geht – (sich räuspernd:) die Luft ist sehr trocken hier herinnen (Bundesrat Kornhäusl: Du verbreitest ja auch nur heiße Luft!) – beim Krisenlagergesetz ja nicht um langfristige Planungen, sondern Ende 2024 wird dieses Gesetz schon wieder auslaufen. Was also will diese Regierung mit diesem Bundeskrisenlagergesetz? Kurz nachgedacht – na ganz einfach: Man will die in die Hose gegangene Impfstoffüberbeschaffung kaschieren. Das ist der einzige Grund, denn auch das kann man herauslesen: Es steht drinnen, dass eben dieses Gentherapie-Spike-Präparat, das in Österreich ja eh kein normal denkender Mensch mehr gespritzt haben will, dann international und an NGOs verschenkt werden darf. Und da geht es um Güter im Wert von mehreren 100 Millionen Euro, die jetzt bereits verschenkt wurden (Bundesrätin Doppler: Ja, wui!) und aufgrund dieser Regelung


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auch die nächsten Jahre weiter verschenkt werden. Andernfalls muss man dieses abgelaufene Gentherapie-Spike-Präparat – Impfung möchte ich es gar nicht nennen – entsorgen. Schuld an dieser Steuergeldvernichtung sind nach wie vor – heute war das schon einmal kurz Thema – die geheimen Beschaffungsverträge durch Ursula von der Leyen, durch die Europäische Union mit Pfizer.

Wir dürfen kräftig zahlen, aber wir dürfen nicht wissen, was in diesen Ver­trägen steht. Das ist dermaßen grotesk, dass mir in Wahrheit gar kein Ausdruck einfällt, ohne dass ich einen Ordnungsruf kassiere. Jedenfalls, meine Damen und Herren, diese Vorgehensweise der Beschaffung macht mich dermaßen wütend, und ich kann Ihnen sagen: Auch draußen in der Bevölkerung hat niemand Verständ­nis dafür! Da wird immer, immer von Transparenz gesprochen, schwadroniert, und dann so etwas. Das ist für mich in Wahrheit ein Verbrechen, und Verbrechen gehören aufgeklärt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Europäische Union und damit natürlich Österreich sind mit Knebelverträgen gezwungen, weiterhin dieses Corona-Gentherapie-Spike-Präparat zu kaufen. Das wird dann in Bundesheerbunkern gelagert oder in Bundesheerlagern gebun­kert – wie man es sehen will –, bis es weiterverschenkt oder eben vernichtet wird.

Ich kann mich erinnern, dass ich es hier einmal vorgebracht habe: In anderen Ländern sind Minister dafür schon angeklagt und in U-Haft genommen worden. Würde man solche Maßstäbe auch in Österreich anlegen, meine Damen und Herren, dann würde die gesamte Regierung ein paar Häuser weiter drüben sitzen, nämlich in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Sie von Schwarz und Grün haben das Vertrauen der Bevölkerung schon lange verspielt.

Die österreichische Bevölkerung misstraut Ihnen – und das zu Recht, darum: Treten Sie bitte (Bundesrat Steiner: Bitte!) zurück (Bundesrätin Doppler: Jawohl!) und lassen Sie endlich Leute ans Ruder (Beifall bei der FPÖ), die im Sinne der


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Bevölkerung und im Sinne unserer Landsleute regieren. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

21.40


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesrat Spanring, zu deiner Information: Ich habe die Formulierung mit der „Diktatur“ leider akustisch nicht hundertprozentig verstanden. Ich behalte mir einen Ordnungsruf vor, lasse mir aber noch das Stenographische Protokoll dazu bringen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte schön.


21.40.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn auch ich jetzt eine Verschwörungserzählung erzählen dürfte, dann würde ich mir überlegen, wie viel Pferdewurmmittel wir einlagern müssten (Heiterkeit des Bundesrates Kornhäusl), hätte die FPÖ in der Coronazeit regiert. (Bundesrat Steiner: Ha, ha, ha, ha!) Ich bin aber kein Verschwörungserzähler, deswegen möchte ich mich lieber auf die Fakten beziehen.

Eines finde ich schon auch interessant: Ich meine, man kann natürlich den Austromarxismus – ach, den Austromarxismus sage ich, den Austrofaschismus meine ich (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ), Entschuldigung! –, den Austro­faschismus strapazieren, wenn man über (Ruf bei der FPÖ: Das ist eh dasselbe!) - - Das ist nicht dasselbe, nein, das ist nicht dasselbe. (Bundesrätin Schumann: Nein, das ist nicht dasselbe! – Bundesrat Steiner: Natürlich! Na logisch! Das ist dasselbe!) Man kann das natürlich strapazieren, aber es ist schon - -


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf wieder um die entsprechende Ruhe bitten, die ihr vor wenigen Stunden noch selbst eingefordert habt. – Bitte. (Bundesrat Steiner: Zwischenruf! ... nicht verstanden, ...!)


Bundesrat Marco Schreuder (fortsetzend): Ich halte das eh aus, es passt schon.


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Ich will ja den Austrofaschismus, den ihr jetzt erwähnt habt, nicht über­strapa­zie­ren, aber ich finde die Reaktion schon interessant, wenn wir eine Regelung schaffen, mit der wir das erste Mal das Parlament mit einbinden, was jetzt gemacht wird. Ich finde das dann schon interessant!

Eines der wichtigsten Ziele einer Bundesregierung und eigentlich aller politi­schen Kräfte in einem Land sollte ja sein, dass Strukturen, Abläufe und Zuständigkeiten ganz klar vorbereitet sind und die Pläne in dem Augenblick, in dem eine Krise eintritt, in den Schubladen liegen. Genau das bereiten wir jetzt vor.

Ich finde ja auch das bei der Definition von Krisen interessant – weil jetzt die Kritik kam, dass man Krise nicht gut definiert hätte –: Also ich hätte gerne die prophetische Kraft, dass man jetzt schon ganz genau weiß, welche Krisen wir in Zukunft haben werden. Ich habe sie nicht (Bundesrat Steiner: In der Coronazeit haben wir das ...!), ich habe sie nicht. Ich wusste auch im Jänner 2020 noch nicht, dass Corona kommt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Was tun wir jetzt? – Zum einen geht es deutlich um die Krisenvorsorge – etwas, das eigentlich immer am Anfang und im Zentrum stehen sollte –, und diese regeln wir mit diesem Gesetz. (Bundesrat Steiner: Die WHO ...!) Wir müssen einfach für alle Eventualitäten gerüstet sein, für die Sicherheit der Österreiche­rinnen und Österreicher und aller hier lebenden und sich aufhaltenden Men­schen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Jeder, der schon einmal bei Hilfsorganisationen gearbeitet hat, weiß: Man braucht im Krisenfall Einsatzpläne. Man braucht einen Krisenkoordinator, der wie ein Feuerwehrhauptmann einen Krisenplan hat und eine Krisenvorsorge sicherstellt. Es gibt also einen Plan und es gibt eine Vorbereitung.

Der zweite Teil dieses Gesetzes enthält Regelungen für den Fall, dass eine Krise ausbricht. Da war uns wichtig, dass die Führung nicht nur über den Herrn Bundesminister für Inneres läuft, sondern - - (Bundesrat Steiner: ... Das sind dann


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200 Vorzugsstimmen zu wenig!) Mit wem redest du? Mit mir oder redest du zwischendurch mit jemand anderem? (Bundesrat Steiner: Mit dir!) – Nein, das glaube ich nicht. (Bundesrat Kornhäusl: Das hätten wir gehabt in der Steh­präsidiale! – Ruf: Von wem wurde die einberufen? – Bundesrat Kornhäusl: Du hast keinen guten Vertreter geschickt! – Bundesrat Schennach: Ich glaube, er redet zum Kornhäusl!) – Ja, ich glaube, er redet mit Kornhäusl.

Uns war es auch wichtig, dass der Bundeskanzler da eine ganz klare, zentrale Rolle spielt und in einer Krise leiten muss. Außerdem bekommt das Parlament eine wichtige Rolle – es ist nicht wahr, dass am Parlament vorbei gehandelt wird –, das ist etwas, was es in dieser Form bisher nämlich überhaupt nicht gegeben hat. Das ist schon eine ganz wichtige demokratiepolitische Sache.

Vielleicht darf ich noch einmal daran erinnern, wie das bisher gemanagt wurde: Jetzt wird das im Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement, im SKKM im BMI, gemacht. In einem Ministerratsvortrag aus den 2000er-Jahren wurde geregelt, wie eine Krise und Katastrophe abgewickelt wird – das ist also nichts Rechtliches: Es gibt keine Transparenz, keine Kontrolle, keine Einbeziehung des Parlaments.

Das gab es bis jetzt nicht. – Jetzt wird das anders, daher kann ich über Ihre Ablehnung ehrlich gesagt nur den Kopf schütteln, wenn das gemacht wird, weil das Parlament nicht eingebunden sei (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), wenn doch das Parlament tatsächlich eingebunden wird, wie es hier drinnen steht. Wir verrechtlichen etwas, das bisher nicht verrechtlicht war.

Die Krisenvorsorge und die Krisenkoordination werden in einem Koordinations­zentrum zentralisiert, die Zuständigkeiten aller Ministerien werden sehr genau geklärt und in einer Koordinierungsstelle zusammengeführt. Das bindet auch die Einsatzorganisationen zusammen.


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Warum machen wir das? – Weil das bis jetzt einfach nicht ordentlich gemacht wurde. Ich erinnere daran: Es war ein Ministerratsvortrag und es war nie rechtlich geregelt.

Auch die Krisenkommunikation ist etwas, das gerade in einer Krise eine ganz, ganz wichtige Rolle spielt, bisher aber auch nicht geregelt war. In der Krisenkommunikation werden betroffene Gruppen – vulnerable Gruppen, Gruppen mit besonderen Bedürfnissen – mit einbezogen: Menschen mit Behin­de­rungen, mit geringen Deutschkenntnissen, Kinder werden von wichtigen Informationen in Zukunft nicht mehr ausgeschlossen. Gerade in einer Krise ist wichtig, dass die Kommunikation verständlich und in Einfacher Sprache erfolgt.

Noch ganz kurz zu TOP 13: Das Covid-19-Lager – das sich im Übrigen in der Pandemie bewährt hat – soll über den 30.6.2023 hinausgehend jetzt zu einem allgemeinen Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich werden. Sollte es einmal einen Fall von Engpässen oder Bedarfsspitzen geben, kann man somit für einen bestimmten Zeitraum ausgleichen und damit einem etwaigen temporären Ausfall von etablierten Beschaffungswegen entgegenwirken. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ich könnte mir eines vorstellen: Würden wir das nicht tun und es würde in Öster­reich einen Engpass an Medikamenten geben, dann würde ich mir die Reden der Opposition gerne anhören. (Bundesrat Steiner: Wir haben einen ...! Wir haben jetzt einen Engpass!) Wir bereiten das jetzt vor, damit genau das nicht passiert. Das sind die Pläne, die wir brauchen, deswegen könnt ihr in aller Ruhe zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Aber ..., wir haben derzeit einen Medikamentenengpass! Das wird wohl ... sein!)

21.47


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte schön.



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21.47.12

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Corona hat uns gezeigt, was wir in einer Krise brauchen: im Vorhinein ausgearbeitete Notfallpläne, eine klare Kompetenzverteilung mit temporären Durchgriffs­rech­ten über Verwaltungsgrenzen hinweg und ein mit Kompetenzen ausgestattetes Koordinationsorgan. Das Bundes-Krisensicherheitsgesetz dagegen bringt uns Arbeitskreise ohne Einbindung des Parlaments – das Schlechteste beider Welten.

Eine Pandemie stand viele Jahre lang hoch oben auf der Liste der wahrschein­lichsten Bedrohungen in der Sicherheitspolitischen Jahresvorschau des Verteidigungsministeriums, und trotzdem war die Regierung völlig überrumpelt, als Corona ausbrach, und musste im Blindflug arbeiten. Es wurde improvisiert, wo die Informationen zusammenlaufen, wer das Kommando hat oder wer was wann kommuniziert. Der ÖVP-Bundeskanzler und der grüne Gesundheits­minister widersprachen einander öffentlich, sehr zum Schaden der Glaubwürdig­keit der letztendlich in Kompromissen beschlossenen Maßnahmen.

Zur Planlosigkeit kam noch dazu, dass sich mächtige Landesfürsten gegen Maßnahmen des Bundes querlegten, um lokale Interessen zu verteidigen. Die Coronaampel wurde in dem Moment überstimmt, als die Lokalpolitik mit den Konsequenzen einer Einstufung nicht einverstanden war.

Logisch, dass jetzt versucht wird, Österreich für Krisen in Zukunft besser zu wappnen. So kam es schon im Oktober 2021 zu einem Treffen aller Parlaments­parteien, in dem die ÖVP und die Grünen der Opposition vorschlugen, gemeinsam ein Krisensicherheitsgesetz zu erarbeiten, doch Corona ebbte ab und mit der Pandemie schwand der Eifer der Regierung.

Ein Jahr lang passierte gar nichts, dann kam plötzlich eine Gesetzesvorlage – erarbeitet ohne Einbindung der Opposition –, die nichts von dem enthielt, was ursprünglich wichtig schien. Im Gesetzentwurf befindet sich ein Krisenstab


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ohne echte Kompetenzen, ein Wirrwarr an Arbeitskreisen in den verschiedenen Ministerien und eine Benachrichtigungspflicht gegenüber den Landesfürsten, Städten und Gemeinden. In Artikel 7, der sich über mehr als eine Seite zieht, werden nur Zuständigkeiten, Gremien und Wege definiert – alles ohne klar definierte Durchgriffsrechte. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

Auch kam das Herzensprojekt des Bundeskanzlers noch aus seiner Zeit als Innenminister: ein Lagezentrum in Form eines Bunkers im Innenministerium, als ob die Pandemie uns nur deshalb so schwer erwischt hätte, weil in Wien keine geeigneten Räumlichkeiten für einen Krisenstab zur Verfügung gestanden wären.

Jetzt droht Österreich, sich für die nächste Krise in ähnlicher Art vorzu­berei­ten. Das neue Krisensicherheitsgesetz ändert nichts am unklaren Informations­fluss, an komplizierten Zuständigkeiten und an mangelndem Risikomanagement. Es wäre nicht weniger als die Wiederholung aller Systemfehler, die in der Coronapandemie gemacht wurden.

In einem Krisensicherheitsgesetz, das den Namen verdient, müssten dagegen mehrere Kriterien vorkommen, die im aktuellen Entwurf fehlen. Punkt eins: Risiken erkennen und vorsorgen. Ein Krisensicherheitsgesetz muss Bedrohungen prognostizieren, ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen einschätzen und Pläne zur Verhinderung, Vorsorge und/oder Bewältigung erarbeiten.

Einen Teil dieser Arbeit macht das Verteidigungsministerium bereits. Bedro­hungen werden identifiziert und nach Wahrscheinlichkeit gereiht. Außerdem gibt es regelmäßig Debatten über ihre möglichen Auswirkungen.

Krisenpläne, die die Regierung im Notfall aus der Schublade holen und sofort implementieren kann, gibt es aber nicht – und das, obwohl andere Staaten wie etwa Taiwan und Südkorea schon aus Sars und Mers gelernt haben und Pandemienotfallpläne bereithalten.


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Punkt zwei: die Ermöglichung sinnvoller Informationsflüsse. Alle notwendigen Informationen müssen beim Krisenstab zusammenlaufen. Die Ministerien müssen zur Weitergabe aller relevanten Informationen verpflichtet werden und auch auf Verlangen Expertise an den Krisenstab zur Verhinderung oder Bewältigung der Bedrohung bereitstellen.

Die Bundesregierung schafft hingegen ein Gewirr an Gremien innerhalb von und zwischen Ministerien und beruft sich auf die gesetzlich festgelegten Kompe­tenzen der Ministerien, aufgrund derer niemand von außerhalb Informations- oder Kooperationspflichten einverlangen dürfte. Ein Krisenstab, der aber nicht einmal die Befugnisse hat, Informationen verpflichtend einholen zu dürfen, ist in einer Ausnahmesituation nutzlos und braucht auch keinen 50 Millionen teuren Bunker. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Da der Bundeskanzler als Koordinator der Regierung fungiert, ist ein im Bundeskanzleramt angesiedelter Krisenstab dazu geeignet, Informationsflüsse zu koordinieren und auch darüber zu wachen, dass alle Ministerien im Falle einer Krise an einem Strang ziehen.

Punkt drei: die Ermöglichung einer gesamtstaatlichen Zusammenarbeit. Sobald eine Krise erklärt wird, müssen alle Ebenen des Staates koordiniert zusammenarbeiten und eine Gesamtkoordination über Verwaltungsgrenzen hinweg muss möglich sein.

In einer existenziellen Krise müssen sich auch Länder, Städte und Gemeinden den Maßnahmen unterwerfen, die es zur Krisenbewältigung braucht, wenn auch temporär beschränkt. Diese Neuerung wäre übrigens minimal, denn bereits heute obliegt dem Bundeskanzler die – Zitat – „anlassbezogene Koordination innerstaatlicher Maßnahmen zur Bewältigung überregionaler oder internatio­na­ler Krisen oder Katastrophen“. Die Länder sind im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung ja weisungsgebunden.


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Punkt vier: die Sicherung der Freiheit auch im Ausnahmezustand. Klar ist aber auch, dass sich Krisen ausgezeichnet eignen, um Bürgerrechte oder die Verfassung auszuhebeln. Daher muss es eine Grundbedingung sein, dass eine Krise ausschließlich mit einer qualifizierten Mehrheit und für einen eng befristeten Zeitraum ausgerufen werden kann, und nur Maßnahmen zur unmittelbaren Bewältigung der Krise auch für Länder, Städte und Gemeinden verpflichtend sein können.

Schon 2015 erdachte die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ein weit überschießendes Gesetz für einen Ausnahmezustand, in dem die Regierung die Bürgerrechte einschränken könnte. Auch der Einsatz des Bundesheeres über die verfassungsrechtlich gedeckten Hilfs- und Assistenzeinsätze hinaus ginge zu weit. Im Gegenteil! Zur Stärkung des Bundesheeres sollte man seine Assis­tenzeinsätze deutlich beschränken. (Bundesrat Steiner: Richtig!) Ständige Einsätze als Hilfspolizei vor Botschaften oder als Assistenzgrenzschutz lenken von den wirklichen Aufgaben des Heeres ab und sind für Juristinnen und Juristen und auch den Rechnungshof rechtswidrig. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Das Fazit: Wichtig wäre ein Krisensicherheitsgesetz zur Vorsorge oder Bewälti­gung von Bedrohungen, weil wir immer wieder sehen, dass wir trotz Warnungen durch die Sicherheitspolitische Jahresvorschau im Ernstfall dennoch völlig unvorbereitet sind. Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Maßnahmen, aber ein derartiges Gesetz muss die Schwachstellen im System mit minimalen Eingriffen in den normalen Ablauf der Regierung, des Staates korrigieren und darf keinesfalls ein Freibrief einer Regierungsmehrheit sein, sich der lästigen Opposition zu entledigen. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

21.54


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Minister Karner. – Bitte.



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21.54.43

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Wie man auch an der Debatte gemerkt hat, war es ein notwendiger, war es ein langer, durchaus intensiver Prozess bis zur Entstehung dieses Krisensicherheitsgesetzes, und ich glaube, es war auch notwendig, sich bei solch einem Gesetz die Zeit zu nehmen, es auch intensiv zu diskutieren. Der Ausgangspunkt war ja ein einstimmig beschlossener Antrag aller Parteien, so ein Krisensicherheitsgesetz zu entwickeln. Natürlich gibt es unterschiedliche Zugänge dazu. Natürlich gibt es unter­schiedliche Argumente dazu – viele bekannte Argumente. Ein Punkt, der mich überrascht hat: Sogar „Der Standard“ wird von Ihnen zitiert (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP), das ist besonders bemerkenswert, neben vielen anderen Argumenten.

Aber Faktum ist: Mit diesem Gesetz wird erstmals ein gesamtstaatliches Krisenmanagement neu aufgestellt. Und ja, es hat sehr, sehr viele Stellung­nahmen im Begutachtungsprozess dazu gegeben. Es waren nicht 40 000, aber es waren immerhin 11 800. Es ist auch legitim und gut so, dass es diese Stellun­gnahmen gibt. Es war nur auffallend, dass sehr viele davon sehr ähnlich oder fast ident waren, nämlich 11 750. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Heute ist eben die überarbeitete Vorlage da. Es sind ja durchaus Punkte in diesen Prozess der Begutachtung eingeflossen, die auch zu Recht angesprochen wurden, und dazu ist ein Begutachtungsverfahren auch da.

Ich möchte noch einmal einige Eckpunkte, die aus meiner Sicht wichtig sind, kurz skizzieren: nämlich, dass mit dem Gesetz ein Krisensicherheitskabinett unter Leitung der Regierungsspitze, sprich des Bundeskanzlers, eingerichtet wird; dass die zentrale Anlaufstelle – auch das ist wichtig, das möchte ich als Innenminister bewusst sagen – im Bundeskanzleramt mit einem Regierungsberater, einer Regierungsberaterin und dessen, deren Stellvertreter:in sein wird.


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Es werden Fachgremien zu unterschiedlichen Themenbereichen wie Gesundheit, Energie, Sicherheit eingerichtet, was eben auch notwendig ist. Für entscheidend halte ich auch, dass ein Fachgremium eingerichtet wird, wo die Nachrichten­dienste, die staatlichen Nachrichtendienste, in einer Plattform zusammengefasst werden.

Und – auch das halte ich für notwendig; ich habe das auch im Nationalrat erzählt, tue das heute auch sehr gerne wieder – es ist wichtig, dass auch ein modernes Lagezentrum errichtet wird, so wie das einzelne Bundesländer zum Teil auch schon haben. Vor wenigen Wochen haben wir in Oberösterreich die Landesleitzentrale eröffnet, die richtigerweise, notwendigerweise alle Stückerln spielt. Daher ist es auch notwendig, dass ein derartiges modernes – das halte ich für richtig – Lagezentrum auch auf Bundesebene eingerichtet wird: am Mino­ritenplatz.

Im Übrigen – auch das sei hier an dieser Stelle klar gesagt –: Mit diesen so oft genannten Summen wird nicht nur ein Lagezentrum eingerichtet, sondern insgesamt der Minoritenplatz – kurz gesagt: ein Teil des Innenministeriums – entsprechend modernisiert. Damit werden auch moderne und zeitgemäße Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschaffen. Auch das halte ich für notwendig und richtig und gut. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es wurde schon gesagt: Der Gesetzesbegriff, der auf wissenschaftlicher Basis erarbeitet wurde, das ist wahrscheinlich ein Punkt, um den man lange ringen und überlegen kann, welche Formulierung da letztendlich die beste ist. Es ist ein durchaus – komplizierter? – interessanter Begriff, wie Krise definiert ist, aber das ist auch nach wissenschaftlicher Praxis gemacht worden.

Es wurde angesprochen – auch das möchte ich noch einmal erwähnen –: Bei Ausrufen einer möglichen Bundeskrise ist Einvernehmen mit dem Haupt­ausschuss des Nationalrates herzustellen. Länder, Gemeinden, Einsatzorgani­sationen, sogenannte NGOs sind auch in dieses Gesetz miteingebunden, denn Sie wissen, Herr Bundesrat, das Thema Katastrophenschutz ist eigentlich


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Ländersache. Wir haben die Gemeindeautonomie. Das heißt, es kann nicht Aufgabe des Bundes sein, über Länder und Gemeinden drüberzufahren, sondern sie entsprechend in so einem Fall einzubinden, und das wurde mit diesem Gesetz auch getan. Das war auch ein Teil des Begutachtungsprozesses, warum das letztendlich auch so umgesetzt wurde. (Präsidentin Arpa übernimmt den Vor­sitz.)

Also klares Ziel des Gesetzes – und ich möchte das noch einmal auch aus den Erfahrungen zuletzt sagen – ist, möglichst klare Rahmenbedingungen, schnelle Informationsflüsse – die halte ich für ganz entscheidend – und möglichst effiziente Strukturen zu schaffen, damit wirklich ein effizientes Krisengesetz geschaffen wird. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie Bravoruf des Bundesrates Kornhäusl.)

21.59


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Eine weitere Wortmeldung? – Bitte.


22.00.15

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist mir noch ein Anliegen: Wir beschließen heute das Krisensicherheitsgesetz, also eine Grundlage für einen Krisenfall, aber mit so einem Gesetzentwurf sicher nicht mit uns. Sie haben noch nicht aus der Krise gelernt, aber wir haben schon gehört, Sie wollen es vielleicht wirklich so machen, damit Sie mit der Bevölkerung strenger umgehen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben gesagt, der Prozess ist wichtig, dass er eine notwendige Zeit braucht, dass wir das richtige Ergebnis haben. Seit dem Entwurf von 2020, als er das erste Mal präsentiert wurde, ist aber nichts verändert worden. Dieses Gesetz erhöht nicht die Sicherheit im Krisenfall, sondern die Regierung, glaube ich, ist die Krise. (Ruf bei der ÖVP: Hallo!) Es ist schon von den Vorrednern angesprochen worden (Beifall bei der FPÖ), dieses Gesetz ist demokratiepolitisch und


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sicherheitspolitisch eine große Gefahr, auch der Regierungsbunker oder, wie Sie das nennen, das moderne Lagezentrum. Faktum ist aber, es gibt Alternativen. Die 50 Millionen Euro sind gerade in Zeiten der Teuerungswelle ein falsches Zeichen von der Regierung – außer die Regierung will sich aufgrund ihrer Maßnahmen der letzten Jahre vor der Bevölkerung verstecken. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt – und dabei geht es wie gesagt um die demokratiepolitischen Aspekte –, der auch schon von jedem angesprochen worden ist, ist: Wie kann man zukünftig eine Krise ausrufen? – Nicht mit Einbindung des Parlaments, nein, ganz im Gegenteil! Der Krisenbegriff ist im Gesetz so ausgeführt, dass man sehr viel hineininterpretieren kann – das ist Fakt. Das Vertrauen in die Regierung ist ja nicht mehr vorhanden. Auch wenn der Hauptausschuss das absegnen muss, hat die Regierung eine einfache Mehrheit und kann alles am Parlament vorbei beschließen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Jede Krise kann im Hauptausschuss beliebig verlängert werden. Das ist demokratiepolitisch sehr bedenklich, genauso wie dieses Krisenkabinett – zuerst habe ich Gruselkabinett verstanden, aber Sie haben Krisenkabinett gesagt. Die Pandemie hat uns gelehrt und gezeigt, was alles mit so einem Krisenkabinett möglich ist: die Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte, wie Lockdown, Schulschließungen oder Maskenzwang; die Erlässe, Weihnachts-, Ostererlass; die Zügel anzuziehen bis hin zur Impfpflicht, was dann endgültig zur Spaltung in der Gesellschaft geführt hat. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

In der Krise zeigt sich der Charakter. Da nehme ich trotzdem Ministerin Edtstadler her, die gesagt hat, mit der Einführung der Impfpflicht ist es eigentlich rechtswidrig, in Österreich zu wohnen, wenn man nicht geimpft ist, und daran kann man auch andere Konsequenzen knüpfen. Da sieht man, was das für ein Krisenkabinett ist, also wirklich! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 275

Wir haben es bereits erlebt, viele Österreicher haben es auch gespürt, aber die verantwortlichen Politiker, die Regierung stehen nicht dazu: Ja, wir haben etwas falsch gemacht!, entschuldigen sich nicht – zumindest –, und die Regierung tritt auch nicht zurück. Wir sehen darüber hinaus, dass grundsätzlich in der Regierung dieses Verantwortungsbewusstsein verloren gegangen ist, die Empathie zu den Menschen draußen. Das sieht man auch beim Gesetz­entwurf. Sie haben es angesprochen, über 11 800 Stellungnahmen gab es, und trotzdem wird der Gesetzentwurf jetzt hier eingebracht. Das zeigt wieder einmal die Kälte der Bundesregierung.

Dann komme ich noch zum Bundeskrisenlagergesetz. Das Ganze drückt man ganz schnell im Ausschuss durch, wo keiner weiß, welche finanziellen Folgen dieses Gesetz überhaupt hat. Das, was wir hier machen, oder was Sie da wollen, ist nicht nur planlos, sondern auch verantwortungslos.

Herr Minister, machen Sie echte verantwortungsbewusste, vernünftige Sicher­heitspolitik, lassen Sie die Finger von Ihren Allmachtsfantasien und degra­dieren Sie einerseits nicht das Bundesheer zu einem technischen Hilfswerk – weg von den militärischen Kernaufgaben – und nehmen Sie andererseits nicht – was für mich noch bedenklicher ist –, aus welchem Grund auch immer, das Bundesheer dazu her, um Ausgangsbeschränkungen zu kontrollieren und zu exekutieren! Da kann ich nur sagen: Wir wollen das österreichische Bundesheer nicht im Inneren gegen die eigene Bevölkerung einsetzen! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ, Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Abschließend kann man nur einen Schluss ziehen: Im Krisensicherheitsgesetz zeigt sich die Unfähigkeit der Bundesregierung. Wir und der Großteil der österreichischen Bevölkerung misstrauen Ihnen zu Recht. Die Bevölkerung hat ein Recht auf Neuwahlen. Daher: Treten Sie zurück! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

22.05 22.05.20



BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 276

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu jetzt nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen. (Bundesrat Steiner: ... Minister kündigt seinen Rücktritt an!)

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Krisensicherheitsgesetz erlassen sowie das Meldegesetz 1991 geändert wird. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Ruf bei der FPÖ: Bitte durchzählen!) – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundeskrisenlagergesetz. – Auch jetzt sind die Plätze eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch da sehe ich die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen.

22.07.0014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korrup­tionsbekämpfung geändert wird (2089 d.B. und 2122 d.B. sowie 11260/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 277

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Markus Stotter. – Ich bitte um den Bericht.


22.07.22

Berichterstatter Markus Stotter, BA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Wanner. – Bitte.


22.08.04

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätztes Bundesratsgremium und vor allem die, die uns jetzt zu dieser fortgeschrittenen Stunde noch zuhören! Vereinfacht gesagt geht es um einen Gesetzentwurf, mit dem eine Meldestelle für Polizeigewalt errichtet werden soll – und wahrscheinlich auch wird.

Vorab möchte ich allerdings der Polizei, den Polizisten und den Polizistinnen, die die Hüter unseres Rechtsstaates sind, die Tag und Nacht voll im Einsatz sind, und das auch an Wochenenden, die in wirklich anstrengenden Einsätzen das Recht durchsetzen, in Diensten, die mühsam sind, die gefährlich sind und manchmal auch lebensgefährlich sind, im Namen der SPÖ, aber auch, denke ich, im Namen des Bundesrates ein herzliches Dankeschön aussprechen. Ihr macht einen tollen Job! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Steiner: Trotz des Ministers!)


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Gerade deswegen, weil die Aufgaben so mühsam sind, weil die Aufgaben anstrengend und gefährlich sind, gelten auch für alle Polizistinnen und Polizisten uneingeschränkt die Menschenrechte und gilt vorab auch die Unschuldsvermutung.

Leider gibt es Amtshandlungen, die von Gewalt getragen sind. Es gibt Amtshand­lungen, bei denen Zwangsgewalt angewendet werden muss. Bei Eigentums­delikten, bei Körperverletzungen, bei Tötungen, aber auch bei Sicherheitsbeglei­tungen im Rahmen von Demonstrationen kann es durchaus oft aus dem Ruder laufen. Ob Zwangsgewalt angewandt wird oder nicht, ob sie gerechtfertigt ist, ob sie überschießend ist, ist oft eine Perspektivenfrage. Auf welcher Seite steht man, wie beurteilt man das? Es darf aber bei dieser Betrachtung auf keinen Fall zu subjektiven Beurteilungen kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei circa 23 000 Anwendungen von Zwangsgewalt gab es im Jahr 2022 tat­sächlich 322 Beschwerden, und von diesen 322 Beschwerden ist es, soviel ich weiß, nur bei 1,5 Prozent – das sind in Summe nur 0,1 Prozent – tatsächlich zu einer, ich sage jetzt einmal, Verurteilung gekommen. Das ist ein ganz, ganz geringer Anteil. Es ist daher sehr wichtig, dass Beschwerden, egal ob vom Beschwerdeführer oder von der Polizei, ernst genommen werden. Beide, Beschwerdeführer und Polizei, verdienen es sich, dass diese Vorwürfe ernsthaft, vor allem objektiv und gerecht beurteilt werden.

Wir erkennen also den Sinn und Zweck dieser Beschwerdestelle durchaus an, wir haben aber ein Problem mit der Verortung dieser Beschwerdestelle, denn sie ist im Innenministerium, im BAK, angesiedelt und daher Ihnen, Herr Minister, auch weisungsgebunden. Bei den Untersuchungen in solchen Fällen darf aus unserer Sicht nie der geringste Zweifel auftreten, dass hier etwas falsch gemacht wird, und ein schales Gschmackerl darf da überhaupt nicht überbleiben, denn es ist eine ganz wichtige Institution, die da geschaffen wird. Deswegen sagen wir: Nicht im Innenministerium ansiedeln, sondern, Herr Minister, diese Beschwerde­stelle gehört entweder zum Rechnungshof oder zur Volksanwaltschaft. Das wäre


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wahre Unabhängigkeit ohne politischen Einfluss. Deswegen sagen wir Nein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich nütze jetzt noch die Gelegenheit, Herr Minister: Sie werden diese Unge­rechtigkeit im Zusammenhang mit Polizisten, denen nachgesagt wird, dass sie Gewalt angewandt haben, sicherlich kennen. Es kommt dann meistens zu disziplinären Folgen, das heißt, sie werden entweder suspendiert oder ihnen werden Zulagen aberkannt, Überstunden dürfen nicht gemacht werden. Selbst wenn diese Polizisten reingewaschen sind, wenn diese Polizistinnen und Polizisten nichts angestellt haben, bekommen sie die Zahlungen für die Zeit, in der ihnen diese Repressalien im Zuge der Untersuchung auferlegt wurden, nicht ersetzt.

Das sollten Sie ändern, das sollten Sie - - (Zwischenbemerkung von Bundesminister Karner.) – Ja, ja, Sie können das schon. Das sollten Sie ändern, und Sie sollten schauen, dass Rechtssicherheit da ist. Das wäre fair den Polizist:innen gegenüber, denn wenn jemand nichts gemacht hat, kann er dafür auch nicht bestraft werden, auch nicht disziplinär. Aus dem Akt gehört es außerdem auch heraus, denn – falls Sie es nicht wissen – diese Anschuldigungen bleiben im Akt, und das ist unfair, unseriös und nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

22.14


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte.


22.14.36

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Polizei, dein Freund und Helfer: 38 000, davon 32 000 Uniformierte, sorgen täglich in Österreich dafür, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auf den Straßen, auf den Plätzen und in ihren Wohnungen jederzeit sicher fühlen können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.) Die Grundaufgabe der Polizei liegt im Helfen, Schützen, Ermitteln und dem Vertreten des Rechts. Um dies möglichst


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erfolgreich umzusetzen, ist die Polizei flächendeckend in allen Bundesländern im gesamten österreichischen Bundesgebiet vertreten.

Polizisten und Polizistinnen begeben sich jeden Tag für uns alle in Gefahr. Sie wissen bei Dienstantritt nicht, wie dieser Dienst enden wird. Sie begegnen nämlich Menschen in schwierigen Situationen, und sie leisten damit einen unglaublich wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft. Die Polizeiarbeit ist eine anstrengende und oft auch sehr unbedankte Arbeit. Es gilt daher – und ich schließe mich Kollegen Wanner hier natürlich an –, allen Polizistinnen und Polizisten von unserer Seite ein herzliches und vor allem großes Danke auszu­sprechen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Der Einsatz von Befehls- und Zwangsgewalt stellt natürlich einen Eingriff in die Freiheit jedes Einzelnen dar, daher ist der Einsatz von Befehls- und Zwangsgewalt auch besonders geregelt. Er darf niemals willkürlich erfolgen. Die gerade auch im Bereich Menschenrechte gut geschulten Polizistinnen und Polizisten schützen die Freiheit des Einzelnen, und sie sichern daher auch die Abwehr von Gewalt.

Die Polizei hat unglaublich schwierige, sensible und herausfordernde Aufgaben in den unterschiedlichsten Bereichen. In letzter Zeit etwa hatte die Polizei in einem sensiblen Spannungsfeld, nämlich zwischen Versammlungsfreiheit auf der einen Seite und Sicherheit auf der anderen Seite, zu agieren. Viele Polizist:innen wurden in Ausübung ihres Dienstes nicht nur verbal beschimpft, sondern leider auch verletzt. Es war eine Notwendigkeit, Polizisten und Polizistinnen bei ihren Einsätzen mit einer Bodycam auszustatten, damit sie danach nachweisen können, dass sie ihren Einsatz gesetzeskonform durchgeführt haben.

Gegenüber den Bodycams war ja vonseiten der SPÖ-Personalvertretung anfangs Skepsis gegeben, mittlerweile weiß man, dass sich die Polizei damit entsprechend selber schützen und auch rechtfertigen kann, da auch das Gegenüber mit Kameras ausgestattet ist.


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Im letzten Jahr, 2022 – es wurde bereits gesagt, ich wiederhole es –, hat es in Summe 322 Misshandlungsvorwürfe gegenüber der Polizei gegeben. Bis auf wenige Fälle sind alle Ermittlungen ergebnislos eingestellt worden.

Jetzt zum vorliegenden Gesetz, dem sogenannten BAK-Gesetz, also dem Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, das unterstreicht, dass diese Bundesregierung das, was sie sich vorgenommen hat, auch konsequent abarbeitet. (Bundesrat Steiner: Leider! Leider!) Das BAK-Gesetz und die Ermittlungs- und Beschwerdestelle, kurz EBS genannt, sind eben Teil dieses Regierungsprogramms. Die EBS wird innerhalb des BAK und damit außerhalb der Generaldirektion, außerhalb der Polizei angesiedelt. In der EBS werden Bedienstete mit spezieller Ausbildung im Bereich Grund- und Menschen­rechte tätig sein. In der EBS sind neben Exekutivorganen auch Soziologen und Psychologen angesiedelt, ein unabhängiger Beirat. Die Mitglieder des Beirates werden vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, der Universi­tätenkon­ferenz, dem Innenministerium und dem Justizministerium vorgeschlagen, und diese unabhängigen Experten werden für die Dauer von sieben Jahren bestellt.

Sämtliche Experten aus den unterschiedlichsten Lagern haben eindeutig erklärt, dass es wenig sinnvoll beziehungsweise sogar kontraproduktiv wäre, eine zusätzliche Polizeistelle für diesen Bereich zu schaffen.

Diese Stelle wird ihre Arbeit aufnehmen, und zwar mit dem klaren Ziel, die Arbeit der Polizei entsprechend zu unterstützen und Vorwürfe, die kommen, im Sinne beider Seiten – im Sinne der betroffenen Polizisten und Polizistinnen, aber auch im Sinne der Bevölkerung – rasch zu klären und aufzuarbeiten. Ich wünsche dieser ganz wichtigen Stelle schon jetzt viel Erfolg und schließe mit einem steirischen Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.20


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Mag. Isabella Theuermann. – Bitte.



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22.20.35

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Heute sehen wir wieder einmal, was dabei herauskommt, wenn das Schlechteste aus beiden Welten, nämlich aus Grün und Schwarz, kombiniert wird, nur diesmal geht es leider zulasten unserer Polizei. (Beifall bei der FPÖ.)

Auf der einen Seite haben wir ja die ÖVP und ihre Machtbesessenheit. Die Volkspartei will natürlich den Dreh- und Angelpunkt ihres tiefen Staates und somit das Zentrum ihrer Macht, nämlich das niederösterreichische tiefschwarze Netzwerk im Innenministerium, mit jedem rechten und unrechten Mittel schützen.

Als für die ÖVP zuletzt eine Gefahr für ihre damals noch türkise Schaltzentrale lauerte, haben ja die Jünger Bastis sogar eine erfolgreiche Koalition gesprengt, nur um einen Innenminister Herbert Kickl loszuwerden, der sich anders als Sie bedingungslos für die Exekutive eingesetzt hat. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Nein, mehr für die Pferde! Für die Pferde!)

Dass es der ÖVP in diesem Kontext schon lange nicht mehr um die Sache geht und schon viel länger nicht mehr um das Wohl der Polizei, verdeutlicht sich ja nicht zuletzt in der vorliegenden Materie, denn damit wird nichts anderes als eine Polizeidiffamierungs- und ‑vernaderungsstelle geschaffen, ein manifestier­ter Generalverdacht gegenüber jedem Polizisten und jeder Polizistin. Auch das nimmt die ÖVP in Kauf, nur um irgendwie noch an der Macht zu bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun kommen wir zur anderen Seite, nämlich zu den Grün:innen: Eines muss man ihnen ja lassen: Wirklich wundern wird es niemanden, dass eine solche Idee von einer Truppe kommt, bei der Widerstand gegen die Staatsgewalt zum guten Ton gehört, einer Vereinigung, zu deren europaweit bekanntesten Repräsentanten auch stolze Polizeiprügler zählen, wo Steine auf Polizisten zu werfen, Wiener Geschäftslokale zu entglasen und ACAB zu skandieren scheinbar ganz angese­hene Freizeitbeschäftigungen sind (Beifall bei der FPÖ) und deren Mitglieder sich


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im Schwarzen Block unter ihren Gleichgesinnten ja offenbar in Sicherheit wiegen.

Es ist logisch, dass diese Leute einen besseren Schutz für die Konsequenzen ihrer eigenen antistaatlichen Handlungen fordern. Wer könnte besser über vermeintliche Polizeiverfehlungen urteilen als diese Herrschaften selbst? Daher gibt es nun eine Meldestelle und einen Beirat, besetzt mit NGO-Vertretern. Einen anderen Weg gibt es für die Grünen ja nicht, einen Fuß ins schwarze Innenministerium zu bekommen. Das verstehe ich, denn besonders viele grüne Polizisten wird es nicht unbedingt geben (Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ), denn der ehrenwerte Beruf eines Polizisten ist ja nicht unbedingt mit der hausverstandsbefreiten Ideologie der Grünen vereinbar. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Wes Geistes Kind diese Herrschaften sind, erlebt man ja laufend. Sie kleben sich auf Straßen, sie blockieren die berufstätige Bevölkerung auf ihrem Weg zur Arbeit und sie nehmen sogar noch in Kauf, dass dabei Rettungswägen blockiert werden. Das muss man sich einmal vorstellen!

Wenn die Polizei diese Klimakleber dann aber mit Samthandschuhen und extra kaltgepresstem Olivenöl von der Straße kitzelt, werden die in Workshops einstudierten Polizeigewaltslogans von sich gegeben. Reden wir also bitte lieber davon, wie wir unserer Polizei im Umgang mit diesen Klimaextremisten den Rücken stärken können (Beifall bei der FPÖ), anstatt diesen Hysterikern dann noch mehr Wege zu geben, um die Exekutive und die Allgemeinheit zu schika­nie­ren. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Unsere inhaltliche Ablehnung dieser Meldestelle darf ich auch damit begründen, dass es bereits ausreichende Möglichkeiten gibt, wenn es einmal tatsächlich zu einem Fehlverhalten kommt. Beispielsweise gibt es die unabhängigen Diszi­plinarbehörden, die Volksanwaltschaft oder die Gerichte. Rund 10 000 Poli­zisten, welche die Petition gegen diese Meldestelle unterschrieben haben, geben uns in dieser Angelegenheit ja auch recht.


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Dabei muss man festhalten, dass es im Verhältnis zur Anzahl der durchgeführten Amtshandlungen ohnehin einen sehr geringen Anteil an Beschwerden gibt. Diese werden ja jetzt auch schon genauestens geprüft, und in der überwiegenden Zahl kommt man drauf, dass es zu keinem Fehlverhalten gekommen ist.

Zusammenfassend: Getarnt als interdisziplinär und multiprofessionell besetzte Ermittlungsstelle und unabhängiger Beirat ist die schwarz-grüne Meldestelle in Wirklichkeit eine Diffamierungs- und Vernaderungsstelle und letztendlich auch ein Verrat an unserer Polizei. Als Innenminister kann man sich dafür schämen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.26


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


22.27.00

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir stärken heute mit diesem Beschluss die bundesweite Ermittlung und Aufklärung, wenn Misshandlungsvorwürfe bei der Polizei Thema werden. Darum geht es bei diesem Punkt, Frau Mag.a Theuermann, und nicht um diese Verschwörungs­erzählungen vom tiefen Staat, die Sie erwähnt haben.

Nebenbei bemerkt leben wir in einem Land, in dem die Versammlungsfreiheit und die Demonstrationsfreiheit Grundpfeiler der Demokratie sind. Das gilt für alle.

Wir stellen hier die konsequente Ermittlung und Aufklärung im Zusammenhang mit Misshandlungsvorwürfen im BMI durch eine eigene Organisationseinheit sicher, die übrigens nicht bei der Polizei angesiedelt sein wird, sondern im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung – ich finde wichtig, dass man das auch hier deutlich sagt. Diese wird Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe, kurz EBS, heißen.


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Wir schaffen hier zweierlei: erstens ein Gesetz für die Opfer von Polizeigewalt und zweitens ein Gesetz für all jene Polizistinnen und Polizisten in diesem Land – das ist ein überwältigender, riesengroßer Teil dieser Beamtinnen und Beamten –, die ihren Dienst hervorragend, gewissenhaft und großartig verrichten. Auch diese – und vor allem diese – haben kein Interesse daran, wenn es Fälle von Missbrauch in den eigenen Reihen gibt.

Zudem – das sei hier auch noch einmal deutlich angemerkt – wird bei Verdachts­fällen von Missbrauch sehr schnell ermittelt, denn zu Unrecht beschuldigte Exekutivbeamtinnen und -beamte haben ebenso das Recht, dass Verdachtsfälle sofort und schnell aufgeklärt werden, wie wenn ein tatsächlicher Missbrauch stattgefunden hat, der ebenso schnell aufgeklärt wird. Das ist im Interesse der Bevölkerung und das ist vor allem auch im Interesse unserer Exekutivbeam­tin­nen und Exekutivbeamten.

Was wir an dieser Stelle aber schon brauchen – deswegen kann es zum Beispiel, so wie es vorgeschlagen wurde, keine Schlichtungsstelle und auch nicht beim Rechnungshof oder so angesiedelt sein –, sind Ermittlungsbeamtinnen und -beamte. Wir brauchen Beamtinnen und Beamte, die tatsächlich und wirklich ermitteln können, polizeilich ermitteln können, aber unabhängig von der Polizei. (Bundesrätin Schumann: Ja, weisungsgebunden vom Minister!)

Eine völlig neue Perspektive ergibt sich auch durch die wirklich durchdachte Zusammenstellung, die sehr interdisziplinär gemacht wird, denn neben dieser polizeilichen Arbeit, von der ich gerade gesprochen habe, wird es in dieser Stelle auch Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Psychologie, der Sozial­arbeit, der Medizin und so weiter geben. Alle werden in juristischen Bereichen, in Menschenrechtsbereichen und in Bürger:innenrechtsbereichen gut geschult. Also das halte ich für gelungen.

Noch ein Wort zum Thema Unabhängigkeit: Da wird jetzt eine Art von Mene­tekel an die Wand gemalt. Wenn man sich aber doch ein bisschen tiefer ins Gesetz hineinarbeitet, wird man feststellen: Diese Stelle – das ist wichtig zu


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sagen – wird strikt von der Polizei getrennt. Das BMI hat ja auch nicht nur die Polizei. Das ist ein großes Haus mit sehr vielen Abteilungen, und diese wird – noch einmal – im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptions­bekämp­fung angesiedelt.

Die Bestellung der Leitung – das ist auch wichtig – wird auf zehn Jahre erfolgen. Damit ist auch eine sehr große Unabhängigkeit gewährleistet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Diese Leitung hat auch die Personalhoheit und die Budget­­­sicherheit. Die fügt dann das ihre dazu. Die fixen Arbeitsplätze für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können nicht gegen ihren Willen dorthin oder von dort weg versetzt werden – auch das garantiert Unabhängigkeit.

Jede Weisung an diese Stelle, Frau Kollegin Schumann, weil Sie es gerade herein­­gerufen haben, muss schriftlich ergehen und sofort dem Beirat dieser Stelle bekannt gegeben werden. (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Ja, und das hilft dann!) Eine Einflussnahme oder das Vertuschen wird so absolut unmöglich gemacht. Es wird unmöglich gemacht. (Bundesrätin Schumann: Genau! Da kennen wir uns aber aus, in einem Ministerium, Herr Schreuder! Da kennen wir uns aus!)

Apropos Beirat: Für die Kontrolle der neuen Stelle wird ein unabhängiger Beirat eingerichtet. Dieser Beirat hat Einblick in alle erforderlichen Unterlagen. Die EBS ist verpflichtet, diesem Beirat jegliche Auskunft zu erteilen. Der Beirat hat eine enorm starke zivilgesellschaftliche Komponente und sehr viel Expertise. Die Mitglieder – beispielsweise aus den Kammern und aus den Ministerien – müssen auch aus einschlägigen Bereichen kommen, wie zum Beispiel Menschenrechte, Psychologie oder Strafrecht.

Der Beirat darf übrigens auch – das ist, finde ich, ein ganz interessanter kleiner Nebenaspekt – selbstständig und allein an die Medien herantreten und muss nicht den Herrn Innenminister um Erlaubnis bitten. Dieser Beirat kann dem Innenminister aber auch sichtbar, öffentlich und auch deutlich Empfehlungen geben.


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Ein Aspekt ist mir noch sehr wichtig: Niemand – niemand!, das ist auch eine wichtige Botschaft nach draußen – der Opfer von Polizeigewalt wird, muss mehr zur Polizei gehen, um sich zu beschweren. Das halte ich wirklich für einen riesigen Fortschritt. Viele Polizistinnen und Polizisten arbeiten tagtäglich gut und gerne und sind zu Recht sauer, wenn Kolleginnen und Kollegen sich nicht an wichtige Grundsätze halten. Sie schaffen hiermit etwas, das für unsere Polizei vielleicht sogar am wichtigsten ist, nämlich dass die Bürger:innen der Polizei vertrauen können. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.33


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesminister Mag. Gerhard Karner. – Bitte.


22.33.19

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Frau Vorsitzende! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte mit einem Dank an Sie alle beginnen, denn als sich der Erstredner – ich glaube, es war Herr Bundesrat Wanner – zu Wort gemeldet hat und sich bei der Polizei bedankt hat, haben Sie alle applaudiert. Dafür, dass Sie das getan haben, möchte ich mich bei Ihnen sehr herzlich bedanken, weil es unterstreicht, welches Vertrauen und welches Ansehen unsere Polizei genießt. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Steiner.)

Gerade nach den letzten Jahren muss man sagen, dass die Polizei sehr, sehr oft ihre eindrucksvolle Professionalität unter Beweis gestellt hat. Es waren unter­schiedliche Demonstrationen zu betreuen, zu begleiten und aufzulösen. (Bundes­rätin Doppler: Corona!) Das hat in einer Zeit der Coronademonstrationen begonnen, als es viele Menschen gab, die auf die Straße gegangen sind, weil sie Sorgen und Ängste hatten. Es waren aber auch Menschen aus der sogenannten Staatsverweigererszene dabei, die diese Situation missbraucht haben.

Genau in diesem Spannungsfeld war die Polizei letztendlich auch tätig: auf der einen Seite jene besorgten Bürger, die das Recht auf Versammlung genutzt


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haben, um gegen Maßnahmen zu demonstrieren, auf der anderen Seite hat es aber auch Menschen gegeben, die ihr schmutziges Spiel gemacht haben. Da musste die Polizei auch entsprechend sensibel agieren. (Bundesrat Steiner: Wie viele waren das? Wie viele waren das? Wie viele? Wie viele waren das?)

Zuletzt hatten wir intensiv – auch das wurde natürlich angesprochen – die schwierige Situation, wie wir letztendlich auch mit Klimaaktivisten umgehen. Ich denke, auch da beweist die Polizei sehr oft und immer wieder, wie professionell sie agiert, zum Beispiel bei radikalen Klimaaktivsten, wie wir sie bei der Gas­konferenz beobachtet haben. Da waren auch durchaus gewaltbereite Demons­tran­ten mit dabei, bei denen die Polizei auch robust einschreiten musste, um zu verhindern, dass beispielsweise ein Hotel gestürmt wurde.

Wir haben die Situation, dass sich Menschen ankleben und damit Rettungs­transporte oder Ähnliches behindern, und die Polizei versucht immer wieder sehr rasch und höchst professionell, diese Klebeaktionen aufzulösen und kitzelt nicht jemanden von der Straße, sondern die Polizei agiert auch in diesem Fall höchst professionell. (Bundesrätin Doppler: Aber die werden nicht kriminalisiert!)

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist, dass es dann, wenn es nicht notwendig ist, einzuschreiten, auch eine Devise der Polizei ist: kleben und kleben lassen. Dann werden jene auch picken gelassen. Das ist auch bereits mehrmals passiert. (Bundesrat Leinfellner: Dann könnt ihr sie ja picken lassen bis Dezember! – Bravoruf der Bundesrätin Doppler.)

Daher erlauben Sie mir an dieser Stelle nochmals dafür, wie professionell sie das von den Coronademonstrationen bis zu den Klimaaktivsten jetzt gemacht hat, einen großen Dank an die Polizei zu richten – exzellente Arbeit durch die Polizei! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte noch zur EBS kommen. Die Argumente wurden ja intensiv ausgetauscht und es wurde auch skizziert, wie die Unabhängigkeit dieser neuen


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Stelle sichergestellt ist, nämlich durch die Ansiedlung beim BAK, unabhängig von der Generaldirektion und – ganz wichtig – auch außerhalb der Polizei gelagert.

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob das überhaupt im Ministerium sein soll oder woanders. Ein wichtiges Argument war aber auch schon in der Diskussion – das wissen Sie –, dass man nicht wieder eine zusätzliche Polizei­behörde für diese ganz wenigen Fälle schaffen wollte. Wir haben es gehört: fast 24 000 Zwangsmittelanwendungen im letzten Jahr, lediglich 322 Vorwürfe und nur ganz wenige, die letztendlich auch berechtigt waren. Auch das unter­streicht diese gute Arbeit und unterstreicht auch – es ist mir wichtig, das noch einmal zu sagen – die Unabhängigkeit, dass das dort auch entsprechend angesiedelt ist.

Die Mitglieder des Beirates – auch das wurde angesprochen – werden auf eine entsprechende Dauer bestellt, nämlich auf sieben Jahre. Die Weisungen müssen schriftlich an diese Stelle ergehen und müssen auch dem Beirat übermittelt werden, sodass ich denke, dass damit die Unabhängigkeit wirklich klar gewährleistet ist.

Ich bitte nur jene, die davon reden, dass das eine Vernaderungs- und Verleum­dungsstelle wäre – wir haben das im Innenausschuss auch schon sehr heftig debattiert –, eines zu bedenken: Wenn man so etwas behauptet, dann ruft man ja quasi dazu auf, das zu tun. (Bundesrätin Schumann: Na geh!) Da bitte ich wirklich, das nicht zu tun. Das hat sich unsere Polizei nicht verdient, dass man dazu auffordert, zu vernadern und zu verleumden. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch ein Satz, warum ich auch glaube, dass es ein guter Schritt ist – weil es auch Teil des Regierungsprogrammes ist und zeigt, dass das Regierungsprogramm konsequent abgearbeitet wird. Das Thema der Body-worn Cameras wurde, glaube ich, von (in Richtung Bundesrat Schwindsackl) dir, Herr Kollege, ange­sprochen.


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Ich muss nur einen kleinen Punkt korrigieren: Die Personalvertretung insgesamt war skeptisch, nicht nur die FSG. Die Personalvertretung war da zu Beginn insgesamt skeptisch, weil man dachte: Okay, man wird im Dienst ganz besonders intensiv beobachtet. Heutzutage ist das ganz, ganz wichtig und die Kolleginnen und Kollegen wollen das auch haben. Warum? – Weil es auch für sie ein wichtiges Beweismittel ist. (Bundesrätin Schumann: Bitte! Es klingt halt schöner, wenn es die FSG war!)

Sie wissen, dass praktisch alle Kundgebungsteilnehmer und auch jene, die bei Kundgebungen keine guten Absichten haben, mittlerweile mit Handys ausgestattet sind oder Handys mit haben, sodass sehr oft auch sehr verkürzte Videos im Internet zur Ausstrahlung gebracht werden. Mit ihren Body-worn Cameras haben die Polizisten dann die Chance, auch das zu widerlegen. Das ist eine Hilfestellung.

So verstehe ich und sehe ich letztendlich auch die EBS als neue Hilfsstelle, dass Verfahren auch rascher und schneller geführt werden können, damit diese exzellente Arbeit, die von der Polizei geleistet wird, auch im richtigen Licht dargestellt wird – wobei das auch immer schwieriger wird, weil viele, wie ich gesagt habe, damit Schindluder treiben, indem sie sehr verkürzte Videos über die Polizeiarbeit ins Internet stellen.

Daher bitte ich Sie: Unterstützen Sie diese neue EBS im Sinne unserer Polizei, die exzellente Arbeit leistet, die in einem schwierigen Spannungsfeld ihre so schwierige Arbeit tut! Die Polizei hat es sich verdient. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

22.40


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte.



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22.40.22

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Der Herr Innenminister hat mich jetzt herausgefordert, doch noch etwas zu sagen, und zwar: Herr Innenminister, ich hoffe, es ist Ihnen bewusst – und ich hoffe, dass es nicht nur mir so geht, sondern auch ganz, ganz vielen anderen Österreichern –, dass sich die Polizei eigentlich einen ordentlichen Rückhalt durch den Innenminister verdient hätte (Beifall bei der FPÖ), einen Minister, der sich vor seine Polizeibeamten stellt, wenn es darum geht, diese zu verteidigen, wenn Polizeibeamte in Österreich Aktionen tätigen müssen.

Was machen Sie, Herr Minister? – Das wissen die Österreicher gar nicht. Welche Verordnungen der Herr Minister an die Beamten rauslässt, ist haarsträubend. Uns ist eine Verordnung zu den Klimaklebern, die Sie jetzt selbst verurteilt haben, zugespielt worden. So macht es die ÖVP immer: Sie verurteilen irgend­etwas, kündigen irgendetwas an, streuen der Bevölkerung Sand in die Augen, und hintenherum macht es die ÖVP einfach ganz anders, als sie es ankündigt.

Ihre Verordnung, Herr Innenminister, entlarvt Sie wieder. Erschwerend kommt bei Ihnen noch hinzu: Sie kommen von der niederösterreichischen ÖVP. Das weiß mittlerweile auch das ganze Land. Sie lassen eine Verordnung (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Karner) – ja, es steht für Sie, dass Sie von der niederösterreichischen ÖVP kommen; das stimmt – gegen die Polizeibeamten raus, in der klar drinnen steht: Diese Klimaterroristen müssen 30 bis 40 Minuten lang picken bleiben! Dann sind sie vorsichtigst von der Polizei zu entfernen!, und der Oberknüller ist – jetzt, liebe Steuerzahler, müsst ihr zuhören –: Jene Klimakleber, die verhindern, dass Sie pünktlich in die Arbeit kommen, dass Ihre Mama, Ihr Vater, Ihre Oma, Ihr Neffe, Ihre Schwester pünktlich zur Dialyse kommen, dass eventuell ein lebenswichtiger Eingriff pünktlich stattfinden kann, werden 20 bis 30 Minuten nach Beginn ihrer Aktion entfernt, und danach ist von der Polizei eine Handcreme zu reichen. Das verordnet der österreichische Innenminister der österreichischen Polizei!


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Hier verurteilen Sie die Klimaklebeaktionen? – Geh, Herr Minister, erzählen Sie die Märchen woanders! (Bundesminister Karner weicht dem gestikulierenden Redner aus.) – Haben Sie keine Angst vor mir! Ich habe begriffen, dass das zu nah beieinander ist. Auf mich hat keiner gehört, und jetzt haben Sie den Schas. (Beifall bei der FPÖ.) Jetzt sitzen Sie zu nahe bei mir. Ich habe es in der Bauphase gesagt, Herr Minister. In der Bauphase des Parlaments habe ich gesagt: Der Minister ist zu nahe. Jetzt haben Sie Angst vor mir. Keine Sorge! Sie sind immer noch nicht in meinem Radius, Herr Minister. Ansonsten werden Sie wohl einen Polizeischutz haben, der mich dann entfernt und mir danach hoffentlich eine Handcreme reicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das muss man sich einmal vorstellen! Da stellt sich der österreichische Innen­minister her und behauptet, die Klimakleber sind ein Wahnsinn und eine Frechheit und die Polizei schaut eh und tut etwas. – Die Polizei erwartet sich von Ihnen, Herr Minister, speziell in diesem Bereich Rückhalt, und nicht, dass sie mit der Handcreme hinter den Terroristen nachspringen und ihnen noch die Hände einschmieren muss, weil sie vom Kleber und vom Asphalt die Brösel noch oben haben.

Ja wo sind wir denn? Was sind denn Sie für ein Innenminister? Was soll denn die Polizei von Ihnen erwarten, wenn sie nach dieser Aktion eine Handcreme reichen muss? Diese Personen sind von der Straße zu entfernen, somit ist der Verkehrsfluss wieder gegeben, und aus, Ende, und das passiert innerhalb von 2, 3 Minuten. (Beifall bei der FPÖ.) Da gibt es keine Weichspülerei und erst recht keine Handcreme. Die Polizei hat es verdient, einen Innenminister zu haben, der hinter ihr steht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Exekutivbeamten wissen aber eines ganz klar – und Sie haben es ange­sprochen –: Exekutivbeamte haben eine tolle Vertretung, und das ist die AUF. Das ist eine der größeren Vertretungen, das ist die Polizeigewerkschaft, die AUF, und die steht wirklich hinter den Polizisten.


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Eines müssen Sie sich merken, Herr Innenminister: Exekutivbeamte sind keine Verbrecher, sondern für unsere Sicherheit da. Schreiben Sie sich das in Ihr Stammbuch, solange Sie noch Minister sind! Bald ist es eh zu Ende. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.45 22.45.28


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bevor wir jetzt in der Tagesordnung weiter fortfahren, möchte ich gerne jemanden begrüßen, und zwar unseren Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Nobert Totschnig. – Herzlich willkommen zur späten Stunde im Bundesratssaal! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Weitere Wortmeldungen zu TOP 14 liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. – Das ist bereits geschehen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

22.46.2815. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (2047 d.B. und 2163 d.B. sowie 11269/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 294

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um Ihren Bericht.


22.46.46

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte.


22.47.21

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Zuseher vor den Bildschirmen! Es sollen beim bestehenden Weingesetz Anpassungen und Ergänzungen vorgenommen werden. Bislang drohte gemäß § 61 Abs. 1 Ziffer 4 Weingesetz 2009 die Verhängung einer Verwaltungsstrafe, wenn ein Winzer die Ernte- beziehungs­weise Erzeugungsmeldung vergessen hatte. Der Grundsatz: Beraten statt strafen!, war dabei zugunsten der betroffenen Winzer anzuwenden. Großteils sind nun Änderungen und Verschärfungen geplant, die nicht nachvollziehbar sind.

Erstens: Durch die geplante Einführung der ortsübergreifenden Weinbau­gemeinde wird es für den Konsumenten schwierig werden, die Herkunft, den Erzeugungsort zu erfahren.


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Zweitens: In hektischen und arbeitsreichen Tagen kann die fristgerechte Abgabe der Ernte- oder Bestandsmeldung zum 15. August ein Problem werden. Diese Änderung kann jeden Betrieb treffen.

Drittens: Die für diesen Tatbestand vorgesehene Konsequenz, nämlich die komplette Abwertung der Qualität eines gesamten Jahrgangs, scheint in keinem Verhältnis zu diesem Verwaltungsdelikt zu stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielmehr wäre eine Sperre der Qualitätsbezeichnung bis zum Vorliegen der Meldung sinnvoller und auch angemessen. Eine Lösungsmöglichkeit wäre zum Beispiel, die Gebühr für die Erteilung der staatlichen Prüfnummern einzufordern. Im Falle einer nicht fristgerechten Bezahlung gäbe es eine Sperre bei der Erteilung einer neuen Prüfnummer, bis das Geld eingelangt ist. Das wäre eine sinnvolle und gute Lösung.

Wir werden diese Gesetzesänderung ablehnen, denn die überbordenden Sanktionen werden vor allem kleine Winzer treffen. Unser alter und bekannter Grundsatz ist, die Weinbauern zu beraten und zu unterstützen und nicht gleich zu strafen. (Beifall bei der FPÖ.)

Laut Erläuterungen wird der Bundeskellereiinspektion die Handhabung von Konsequenzen überlassen, egal ob Abmahnungen oder Strafe. Damit werden der Willkür Tür und Tor geöffnet, was abzulehnen ist. Insbesondere ist die komplette Abwertung der Qualität eines gesamten Jahrgangs ohne Verbesserungs­möglich­keiten beziehungsweise ohne Nachfrist abzulehnen.

Wir werden diesem Tagesordnungspunkt daher nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.50


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 296

22.50.28

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen sowie Zusehe­rinnen und Zuseher, die Sie zu dieser späten Stunde auch noch via Livestream mit dabei sind! Wein hat in Österreich einen ganz besonderen Stellenwert. Es wundert Sie vielleicht nicht, dass ich das sage, ich sage es aber nicht nur, weil ich selber Winzerin bin, nein: Wein ist eines der schönsten Kulturgüter in Öster­reich. Er prägt unsere Landschaft, er prägt unsere Kulinarik – ich denke da an die Wiener Heurigen –, und österreichischer Wein ist weit über Österreichs Grenzen hinaus ein Aushängeschild und ein Qualitätsprodukt.

Heute novellieren wir unser Weingesetz. Es ist das weltweit strengste Wein­gesetz und hat dazu geführt, dass wir nach dem Weinskandal die Weinbranche wieder aufbauen konnten. Mit der Einführung des DAC-Systems ist es uns dann gelungen, die Herkunft in den Mittelpunkt zu rücken, und mit der heutigen Novelle gehen wir einen Schritt weiter. Dieser Schritt ist notwendig, um auf die Trends und die Wünsche der Gesellschaft einzugehen, denn dadurch bekommen die Weinbauverbände die Möglichkeit, je nach Typizität der Weine die Orts­namen weinbaugebietsübergreifend zu nutzen. So können auch an einen Ort angrenzende Rieden die Ortsbezeichnung nutzen, wenn sich die Regionen dafür entscheiden und wenn die Weine die herkunftstypische Typizität aufweisen. Es ist also ein großer Schritt zur weiteren Stärkung des Herkunftscharakters unserer Weine.

Wir sind tatsächlich auch weltweit die Ersten, die ein online abrufbares Riedenkataster haben, sodass man mit ein paar Klicks die Infos zu allen Rieden Österreichs bekommt. Unter riedenkarte.at kann man sich alle 5 000 Lagen, die in Österreich sind, genauer anschauen und sich auch anschauen, welche Gegebenheiten dort herrschen. Das ist ein massiver Schritt in Richtung Digita­lisierung.


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Wir beschließen heute noch einen weiteren Schritt zur Digitalisierung im Weingesetz, denn es kommt zur Anpassung der Ernte- und Bestandsmeldungen hin zu einer digitalen Version. Das führt zu einer massiven Vereinfachung für die Winzerinnen und Winzer, und es kommt dadurch zu einer massiven Entbüro­kratisierung. Wenn man sich vorstellt: Früher musste man wirklich alle Lagen erst einmal zusammensuchen, dann dazu eintragen, wie viel dort geerntet wurde, dann hat man das zusammengezählt, hat geschaut, dass man alles beisam­men hat. Mittlerweile ist das alles über das Riedenkataster einfach zusammengefügt, und man hat Ernte- und Bestandsmeldungen mit ein paar Klicks abgegeben.

Es ist nicht so, wie es dargestellt wurde, dass man sagt: Wenn man das nicht abgibt, kommt es zu massiven Strafen, ohne dass man davon irgendwie in Kenntnis gesetzt wurde. – Nein, das System ist darauf ausgelegt, dass im Vorhinein darauf hingewiesen wird, dass man die Ernte- und Bestandsmel­dungen abgeben muss.

Als Winzerin kann ich sagen: Die Interessenvertretungen leisten da sehr gute Arbeit und sorgen dafür, dass man wirklich fristgerecht darüber informiert wird, dass man die Ernte- und die Bestandsmeldungen abgeben muss. Dass man es nicht schafft, diese abzugeben, oder dass man es vergisst, passiert wirklich in den seltensten Fällen. Und sollte es wirklich so weit kommen, dass man es viel­leicht vergessen hat, kommt es auch nicht direkt zur Strafe, sondern der Bun­deskellereiinspektor meldet sich, ganz nach dem Grundsatz: beraten, kontrol­lie­ren, informieren.

Ja, leider kommt es in manchen Fällen dann trotzdem immer noch dazu, dass die Ernte- und Bestandsmeldungen nicht abgegeben werden. Neben erhöhten Strafen kommt es dann in nächster Konsequenz auch dazu, dass die Winzerin­nen und Winzer ihren Qualitätswein nicht mehr mit der Bezeichnung Qualitätswein ausschenken dürfen. Ich denke, das ist jedoch ein sehr wichtiger Schritt, um in Österreich den Qualitätswein zu sichern. Wir haben uns seit dem Weinskandal stets darum bemüht, einen Schritt nach oben zu gehen und unsere herkunftstypischen Weine auch hervorzuheben. Deswegen ist das ein sehr


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wichtiger Schritt für unser aller Zukunft und für die Glaubwürdigkeit der Winzerinnen und Winzer und der österreichischen Weine. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Eine Zustimmung zu der heutigen Gesetzesnovelle ist also ein klares Zeichen für den Ausbau unseres bisherigen Erfolgsweges in der österreichischen Wein­branche. Ich bedanke mich im Vorhinein bei allen Kolleginnen und Kollegen, die uns heute zustimmen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

22.55


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gelangt Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


22.55.40

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Bevor ich zu den vorliegenden Gesetzesände­rungen komme, möchte ich mich an dieser Stelle bedanken: Ich bedanke mich sehr herzlich bei allen Winzern in ganz Österreich, auch bei den vielen kleinbäuer­lichen Winzerbetrieben, für ihre Arbeit in den Weingärten, ihre Arbeit in den Weinkellern und für ihre Arbeit, was die Vermarktung und das Marketing betrifft. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Die vorliegende Änderung des Weingesetzes besteht, wie meine Vorredner in ihren Redebeiträgen schon erwähnt haben, aus drei spezifischen Themen­bereichen, Anpassungen beziehungsweise Ergänzungen.

Im Vorfeld der heutigen Sitzung habe ich mit mehreren Winzern gesprochen, und viele haben mir mitgeteilt, dass sie mit der Verankerung des Begriffs der ortsübergreifenden Weinbaugemeinde im Weingesetz Probleme haben. Durch dessen Einführung wird der Name einer Gemeinde oder eines Gemeindeteils für alle in einer Weinbaufläche gelegenen Gemeinden führbar.


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Für den Konsumenten wird die Herkunft des Weines dadurch schwerer nach­vollziehbar. Für die vielen kleinen Winzer wird eine Positionierung der eigenen Marke dadurch massiv erschwert, da es zu einer Markenkonzentration kommt.

Den Schritt hin zur Digitalisierung halte ich für zeitgemäß. Die geplanten Sanktionen für die verspäteten Ernte- und Bestandsmeldungen in der vorgeleg­ten Form lehnen wir von freiheitlicher Seite aber ab. Ohne eine Möglichkeit, die versäumte Meldung nachzuholen, erfolgt die einer Enteignung gleichkommende komplette Abwertung der Qualität eines gesamten Jahrgangs, zugleich steht das unserer Meinung nach im Widerspruch zum Doppel­bestrafungsverbot.

Herr Landwirtschaftsminister – auch Beton- und Balkonminister genannt –, ich darf Ihnen im Namen vieler Landwirte, mit denen ich gesprochen habe, gratulieren. Sie sind jetzt ziemlich genau ein Jahr im Amt – ich glaube, es war der 17. Juli vorigen Jahres (Bundesminister Totschnig: 18. Mai!) –, und in diesem Zeitraum haben Sie ganze zwei Regierungsvorlagen zustande gebracht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Die erste war jene, mit der Sie durch die Erhöhung der AMA-Beiträge den Bauern mehr Geld aus der Tasche gezogen haben, und die zweite ist nun jene zum DAC-Gesetz in dieser Art und Form.

Jetzt könnte man glauben, in der österreichischen Landwirtschaft sei eh alles großartig, aber, meine Damen und Herren, dem ist nicht so.

Nun wieder zurück zu den angedachten Sanktionen bei Fristversäumnis: Sinn­voller und angemessener wäre unserer Meinung nach eine Sperre der Qualitätsbezeichnung bis zum Vorliegen der Meldungen, wie sie bereits von meinem Fraktionskollegen Steinmaurer eingefordert wurde. Auch wenn auf Anfrage unsererseits in der gestrigen Ausschusssitzung von Experten erläutert wurde und in den Erläuterungen der Novelle steht, dass die Bundeskel­lerei­inspektion vor Verhängung der Sanktionen die betreffenden Betriebe kontaktieren und zur umgehenden Abgabe der Meldung auffordern wird, fehlt


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im Gesetz selbst doch eine korrespondierende Form und Norm. Ob, wie und wann Betriebe tatsächlich kontaktiert werden, bleibt der Bundeskellerei­inspektion überlassen. Mit schwerwiegenden Eigentumseingriffen als Konsequenz werden unserer Meinung nach der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Da wir Freiheitliche für Beratung statt für Strafen sind, stellen wir folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beraten statt Strafen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, durch welche bei einer verspäteten Ernte- bzw. Erzeugungsmeldung nicht automatisch eine Abwertung eines ganzen Jahrganges erfolgt. Stattdessen soll gemäß dem Grundsatz ‚Beraten statt Strafen‘ eine Sperre der Qualitätsbezeichnung bis zum Vorliegen der Meldungen genügen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)  

23.00


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Beraten statt Strafen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt unsere Frau Bundesratspräsidentin Claudia Arpa. – Bitte schön.



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23.00.36

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Frau Vizepräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Österreich hat ja eines der strengsten Weingesetze der Welt. Mit dem Weingesetz, das nach dem Weinskandal notwendig wurde, wurde die Grundlage für eine ökonomische Absicherung Tausender Familienbetriebe in Österreich geschaffen, aber auch die Qualität unseres Weines wiederhergestellt und abgesichert.

Für unsere Weinbaubetriebe – wir haben ungefähr 11 000 Winzerinnen und Winzer, selbst in Kärnten haben wir ein Weingebiet, man mag es nicht glauben, aber wir sind eine alte Weinbaugegend – ist das Weingesetz die Grundlage für ein gutes wirtschaftliches Auskommen auf der einen Seite, auf der anderen Seite bedeutet es aber auch eine Sicherstellung der Qualität der österreichischen Weine.

Die vorliegende Novelle enthält unter anderem auch Regelungen, wir haben dazu vorhin schon einiges gehört, auf deren Grundlage in Zukunft Ernte- und Bestandsmeldungen digital erfolgen sollen. Eine automatisierte Datenbank wird mit den Invekos-Daten, das heißt mit dem integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems der EU, verknüpft. Das heißt aber auch, dass die Abgabe der Ernte- und Bestandsmeldungen digital erfolgen muss. Die Stammdaten von Invekos werden mit der AMA direkt aktualisiert, das hat dann auch zur Folge, dass eine präzisere, mittlerweile mit dem Rebflächenverzeichnis verknüpfte Erhebung der Daten möglich ist.

Auf dieser Basis wird dann auch die Kontrolltätigkeit der Bundeskellerei­inspektion erfolgen – wir haben das auch schon vorhin von der Kollegin gehört –, deren Aufgabe es ist, einen erfolgreichen und fairen Wettbewerb, aber auch eine Kontrolltätigkeit sicherzustellen.

Falls die Meldungen verspätet oder inkorrekt kommen – wir haben vorhin schon von Sanktionen gehört –, dann wird die Bundeskellereiinspektion einfach darauf achten, dass sie sich meldet und nachfragt, was da passiert ist. Wir haben


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ja auch gehört, dass die Betriebe bereits nach erstmaliger inkorrekter Meldung kontaktiert werden. Das wurde gestern im Ausschuss noch einmal besprochen, das wurde auch diskutiert, deswegen werden wir dieser Novelle zum Weingesetz natürlich zustimmen.

Ich möchte aber noch einen kurzen Blick in die Zukunft werfen: Wir wissen auch, dass es überaus wichtig ist, vor allem für unsere Winzerinnen und Winzer, einen florierenden Weinexport zu haben. Dafür brauchen wir auch eine gewisse Preisstabilität. Das nationale Weinkomitee diskutiert ja zurzeit ein System, wie sich der Export des österreichischen Weines in Zukunft entwickeln soll. Ich hoffe, dass durch die Diskussion über den Wein der Weinstandort Österreich und die Weinbaubetriebe in Österreich im Sinne der Qualitätsproduktion gesichert bleiben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

23.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte schön. (Präsidentin Arpa übernimmt den Vorsitz.)


23.03.48

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Präsidentin – ja, genau –, ich hatte heute noch nicht die Gelegenheit: Auch von mir alles Gute für den halbjährlichen Vorsitz! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde zu der vorliegenden Novelle des Weingesetzes gar nicht auf Details eingehen, das hat Kollegin Wolff schon mit überragender Expertise ausgeführt, vielen Dank dafür.

Auf eine Sache möchte ich aber schon eingehen, vor allem weil es gerade von der FPÖ immer wieder angesprochen wird, nämlich auf die Konsequenzen, die jetzt endlich durchgesetzt werden können. Es geht einerseits um die Umstellung der Ernte- und Bestandsmeldung auf Onlinemeldung und um die Einführung wirksamer Konsequenzen für die Betriebe, die sich kontinuierlich weigern, diese Ernte- und Bestandsmeldungen abzugeben.


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Herr Kollege Steinmaurer, kommen Sie mir dann nicht schon wieder mit dem Argument, dass die Winzerinnen und Winzer nicht einmelden, weil das in die betriebsame Zeit fallen würde. Das ist vielleicht ein Blödsinn, bitte um Entschuldigung! Die Fristen sind wirklich großzügig, für die Ernte ist das der 15. Dezember, da ist bitte kein Winzer mehr im Weingarten. Für die Ersatzpflanzungs- und Bestandsmeldungen ist die Frist der 15. August, auch da ist nach der Produktion wirklich genügend Zeit.

Die Konsequenzen sind logisch und nachvollziehbar. Ohne diese Meldungen ist eine Übersicht über den Weinsektor einfach sehr schwierig und eine Kontrolle nicht möglich. Ich habe mit einigen Freundinnen und Freunden gesprochen – das sind Winzerinnen und Winzer, ich komme aus der Thermenregion, kenne also einige –, die finden auch, dass es nur fair ist, wenn die wenigen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – querstellen und nicht einmelden, mit Konse­quen­zen rechnen müssten. Die Betonung liegt nämlich auf müssten.

Sie verlangen, dass nicht sofort gestraft wird. – Das stimmt so ja auch nicht, dass sofort gestraft wird, das hat ja der Experte gestern im Ausschuss auch noch einmal deutlich angeführt. Den Ablauf kann man sich so vorstellen: Vor Ablauf der Frist wird man daran erinnert: Bitte bald einmelden! Zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist wird man mit einem Hinweis bedacht: Bitte jetzt einmelden! Nach Ablauf der Frist bekommt man den Hinweis: Bitte nachmelden! – Es gibt also sehr wohl die Möglichkeit. Gleichzeitig gibt es die Info an den Kellerei­inspektor, der den Betrieb ebenfalls kontaktiert und noch einmal zur Meldung auffordert.

Also so viele Aufforderungen hätte ich bei meiner jährlichen Steuererklärung gerne, das könnte ich gut brauchen. (Ruf bei der SPÖ: Ich auch!) Besser kann man das Prinzip der Beratung, das Sie verlangen, ja wohl kaum umsetzen. Wie gesagt wird man mehrmals darauf hingewiesen, die Meldung abzugeben. Sie verlangen auch die Sperrung der Qualitätsbezeichnung bis zur Nachmeldung: Ja eh, genau das ist ja vorgesehen – Sie haben das gehört, wenn Sie dem Experten gestern im Ausschuss gut zugehört haben.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 304

Auf einen wesentlichen Punkt möchte ich auch noch eingehen, nämlich auf die Verbindung von Weinbau mit dem Klimawandel. Ich höre immer wieder Kommentare, dass ja gerade der Weinbau, der Weinsektor ein gutes Beispiel dafür ist, dass der Klimawandel ja auch positive Aspekte hat, auch ganz gut sein kann. Diesen Eindruck könnte man schon gewinnen, wenn man sich anschaut, dass in Österreich in manchen Gebieten Sorten angebaut werden können, die man sich vor einiger Zeit noch nicht vorstellen hat können, oder wenn Weinbau in Oberösterreich wieder auf dem Vormarsch ist und es mittlerweile wieder an die 50 Weinbauern gibt.

Das ist aber nur ein Merkmal dafür, wie sehr sich das Klima schon verändert hat und den Weinbau betrifft. Die Trockenheit macht vielen Winzerinnen und Winzern schwer zu schaffen. Das betrifft jetzt natürlich nicht die alten Rebstöcke, die 60, 70 oder 80 Jahre alten mit den tiefen Wurzeln, aber bei den Neu­pflan­zungen ist das schon ein massives Problem, da muss teilweise wirklich aufwendig bewässert werden. Also alleine schon wegen des Weines ist es wert, unser Klima zu schützen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

23.08


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Mag. Norbert Totschnig. – Bitte.


23.08.30

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesrät:innen! Meine Damen und Herren! Auch von meiner Seite viel Erfolg für das nächste halbe Jahr! Wir reden heute über die Novelle des Weingesetzes. Wir haben in Österreich viele Winzerinnen und Winzer, die äußerst innovativ sind und einen weltweiten Ruf für ihre ausgezeichneten Weine haben.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 305

Die geografische Lage von Österreich ist ein sehr wichtiger Faktor für die Einzigartigkeit unserer gebietstypischen Qualitätsweine. Weine mit einer unverwechselbaren Gebietscharakteristik werden in Österreich mit dem Namen des Gebiets und dem Zusatz DAC, Districtus Austriae Controllatus, bezeichnet. Dieses DAC-System macht unsere österreichischen Weine unverwechselbar und stellt die Herkunft des Weines in den Vordergrund.

Wir haben mittlerweile 17 DAC-Gebiete, mit der Ernte 2023 kommt das 18. Gebiet, die Thermenregion, dazu. Wir können damit einen 20-jährigen erfolgreichen Prozess abschließen, der mit dem Weinviertel-DAC und dem Grünen Veltliner begonnen hat und jetzt vorläufig mit der Thermenregion endet. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Um Österreichs Vorsprung in der Weinwirtschaft weiter auszubauen, haben wir mit dem Koalitionspartner, aber vor allem gemeinsam mit der Branche eine Weingesetznovelle entwickelt, die für den Weinsektor und die Weinwirtschaft die Zukunft verbessern soll.

Was sind die drei Aspekte im Weingesetz, die ich hervorheben möchte? Der erste ist die Stärkung der DAC-Ursprungsbezeichnung. Wir haben es gehört: Das gelingt durch eine rechtliche Klarstellung, die sicherstellt, dass DAC-Weine im vollen Umfang den im EU-Recht vorgesehenen Schutz für Ursprungsbezeich­nun­gen genießen können. Das ermöglicht in Zukunft, dass alle Möglichkeiten, Ursprungsbezeichnungen zu definieren und zu spezifizieren, vollumfänglich genutzt werden können.

Der zweite Aspekt ist das Thema ortsübergreifende Weinbaugemeinde, wir haben es gehört. Da muss man wissen: Im österreichischen Weinverständnis ist der Herkunftsbegriff vielschichtig; er endet nicht beim Weinbaugebiet, sondern definiert Ursprung und Qualität anhand von bestimmten Ortschaften, von Großlagen bis hin zu einzelnen Weingärten, den sogenannten Rieden. Es gibt in Österreich ungefähr 5 000 Rieden, die mittlerweile auch elektronisch erfasst und im Internet einsehbar sind.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 306

Die Herkunftsebene ist sowohl für die Winzerschaft als auch für die Konsumentinnen und Konsumenten ein wichtiges Kommunikationsmittel, um herkunftstypische Weine zu beschreiben. Mit der Aufnahme der ortsüber­greifenden Weinbaugemeinde ins Weingesetz schaffen wir ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal, das insbesondere für die kleinstrukturierte Weinwirt­schaft von Bedeutung ist.

Was heißt das in der Praxis? – Ich nehme die Thermenregion als Beispiel: Ein Winzer aus der Katastralgemeinde Pfaffstätten kann seinen Wein unter dem Titel Thermenregion DAC Gumpoldskirchen vermarkten. Das mag am Anfang ungewohnt klingen, ist aber in weiterer Folge sowohl am inländischen als auch am internationalen Markt ein Wettbewerbsvorteil.

Der letzte Aspekt ist das Thema Digitalisierung des Meldewesens – da geht es um die Bestandsmeldung und um die Erntemeldung –, sie soll bürokratische Erleichterungen für die Winzerinnen und Winzer bringen. Eines ist schon betont worden, das ist wichtig: Es wird damit eine wesentlich präzisere und mit dem Rebflächenverzeichnis verknüpfte Erhebung der Daten ermöglicht.

Ich komme zum Schluss: Der österreichische Wein zählt mittlerweile zu den besten der Welt. Der Weinbau ist identitätsstiftend und steht für vieles, für das auch Österreich steht, zum Beispiel für Nachhaltigkeit und Qualität. Diesen Ruf haben wir den Winzerinnen und Winzern in Österreich zu verdanken. Mit der vorliegenden Novelle leisten wir einen Beitrag, um die Marktchancen der österreichischen Weinwirtschaft für den inländischen und internationalen Markt weiter zu verbessern. Ich bitte um breite Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

23.12 23.12.52


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 307

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Beraten statt Strafen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Somit ist der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung abgelehnt.

23.13.5616. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird (3465/A und 2124 d.B. sowie 11281/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Non-Profit-Organisationen erlassen (EKZ-NPOG) und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (2125 d.B. sowie 11282/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (3476/A und 2126 d.B. sowie 11283/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 308

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungs­punkten 16 bis 18, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 16 bis 18 ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Ich bitte um die Berichte.

23.14.51


Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Ich bringe den Bericht des Wirtschafts­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unternehmen geändert wird.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Non-Profit-Organisationen erlassen und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt ebenso schriftlich vor, ich komme daher zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 309

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Ich begrüße Frau Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. Herzlich willkommen zu später Stunde! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grimling.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Daniel Schmid. – Bitte schön.


23.16.42

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Werte Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zum Tagesordnungspunkt 16: Die Energiekosten sind in den vergangenen 18 Monaten enorm angestiegen, die Kostenlawine trifft in unterschiedlichem Ausmaß alle, egal ob Vereine, private Haushalte, kleine und große Unternehmen bis hin zu Unternehmen, die an der Börse notiert sind. Manche Unternehmen brauchen diesen Zuschuss ja wirklich dringend, andere Unternehmen wiederum fetten damit ihre Gewinne auf. Es ist wieder einmal ganz offensichtlich, für wen die Regierung Politik macht.

Die Regierung hat sich mit der Auszahlung von Unterstützungen – beispiels­weise für armutsbetroffene Familien – eineinhalb Jahre Zeit gelassen. (Bundesrat Hirczy: Aber dann was Gescheites gemacht!) Wenn es allerdings darum geht, Geld an große Unternehmen zu verteilen, dann ist sie gleich – so schnell kann man gar nicht schauen – ordentlich spendabel.

Wer profitiert denn am meisten vom sogenannten Energiekostenzuschuss? – Es sind vor allem die großen Firmen, die gewaltig profitieren; denn selbst wenn es Überschüsse gab, haben so manche die Gelder vom Energiekostenzuschuss 1.0 erhalten. Daran ändert sich auch beim Energiekostenzuschuss 2.0 überhaupt


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 310

nichts, denn die Bedürftigkeit eines Unternehmens ist nicht Voraussetzung, um den Zuschuss zu erhalten. Faktisch kann ihn jeder beantragen.

Letztendlich bekommen die großen Unternehmen die fetten Beträge, manche davon werden wieder überfördert, und kleine Unternehmen bekommen die minimalen Pauschalbeträge. Da sehen wir eine uns und den kleinen Betrieben bekannte Handschrift. Dabei – und das muss man auch sagen – waren ja so manche große Unternehmen fuchsteufelsschnell damit, die angefallenen höheren Energiekosten an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Somit haben die Kundinnen und Kunden diese Mehrbelastung, die für die Unternehmen angefallen ist, mehr oder minder ausgeglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt Unternehmen, welche beispielsweise ihren Umsatz im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr davor um 10 Prozent steigern konnten. Wir reden da von Summen über 700 Millionen Euro. Und solche Unternehmen erhalten von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern sage und schreibe 643 000 Euro Energiekostenzuschuss. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, dieses Geld bräuchten so manche kleine landwirtschaft­lichen Betriebe viel, viel dringender. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler können sich aufgrund der explodierenden Preise nicht nur viel weniger leisten, sie subventionieren auch noch die Überförderung von Großkonzernen. Das erinnert an die Coronahilfen, mit denen so manche Betriebe massiv überfördert wurden. Die Regierung hat aus den letzten Jahren ganz offensichtlich nicht das Geringste dazugelernt. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist dieser Zuschuss eine milliardenschwere Gießkanne, die nicht nach der Bedürftigkeit differenziert, die aber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern einiges abverlangt. (Beifall bei der SPÖ.)


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Zu Tagesordnungspunkt 17 möchte ich nur so viel sagen: Die Bundesregierung hat bereits während der Pandemie das Versprechen abgegeben, dass politi­sche Parteien und Akademien von den NPO-Förderungen, von den Förderungen für Non-Profit-Organisationen, ausgenommen werden. Und wir erinnern uns, die türkise Parteiakademie hatte als einzige politische Akademie in diesem Land ordentlich aus dem Corona-NPO-Fonds geschöpft. (Rufe bei der SPÖ: Wow! Hört, hört!)

Jetzt werden für die NPOs Unterstützungen in Form von Energiekostenzu­schüssen eingerichtet. Anstatt aus der Vergangenheit zu lernen, besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich die Parteiakademie über eine hundert­prozentige Tochter aus dem 140-Millionen-Euro-Topf bedienen kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist inakzeptabel! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt noch zu Tagesordnungspunkt 18: Im Rahmen des Energiekosten­zuschus­ses zwei soll das Pauschalfördermodell auf neue Selbstständige ausgeweitet werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, dem kann ich alles abgewinnen, aber: Die einfache Abwicklung mit einer lapidaren Gutschrift von 410 Euro ist zwar besser, als einen Antrag stellen zu müssen, das ändert aber grundsätzlich nichts an unserer generellen Kritik, dass, wie bereits zuvor erwähnt, viele große Konzerne hohe Überförderungen erhalten werden, während die kleinen Unternehmen mit Minipauschalbeträgen auskommen müssen.

Darüber hinaus werden weiterhin keine strukturellen Maßnahmen gegen die hohe Inflation in Österreich gesetzt. Da können Sie noch so oft sagen, dass sie gesunken ist, wir haben immer noch europaweit eine der höchsten Infla­tionsraten. Daran lässt sich auch durch Schönreden nichts ändern. Und daher lehnen wir auch das Gesetz ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir in den letzten Monaten erfahren mussten – und wir von der Sozialdemo­kratie werden nicht müde, es zu betonen –, ist diese Regierung eben nicht für


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alle da. Sie verteilt wieder und wieder Beruhigungspillen und ist im Kampf gegen die Teuerung völlig planlos.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin das letzte Mal schon hier gestanden und habe über Almosenpolitik gesprochen, und genau dasselbe tue ich jetzt wieder – es ist nichts anderes! (Bundesrat Himmer: Und es ist wieder falsch!) Durch die Untätigkeit der Regierung gegen die Teuerung in unserem Land können sich viele Menschen das Leben nicht mehr leisten. Die Preise explodieren nach wie vor. Besonders hart betroffen von dieser enormen Teuerung sind die vielen Pensionistinnen und Pensionisten. Sehr geehrte Damen und Herren, die Alters­armut steigt.

Daher muss jetzt dringend etwas geschehen. Unsere Pensionistinnen und Pensionisten dürfen in diesen Zeiten nicht alleingelassen werden! (Beifall bei der SPÖ.) Großkonzerne werden locker und lässig durch Energiehilfen mit Milliarden Euro teilweise massiv überfördert – und unsere Pensionistinnen und Pensio­nisten? Es ist dringend erforderlich, die Pensionsanpassung für 2024 vorzuzie­hen. (Beifall bei der SPÖ.) Die Anpassung für das kommende Jahr wird rund 10 Prozent betragen. (Bundesrat Hirczy: Das wird gemacht! Nur mit der SPÖ war es nicht möglich!) Deshalb muss rückwirkend mit 1. Juli 2023 eine vorgezogene Pensionsanpassung von 5 Prozent erfolgen und die restliche Anpassung ab 1. Jänner 2024. Diese vorgezogene Pensionsanpassung ist notwendig.

Werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, bringen Sie den Pensionistinnen und Pensionisten den gebührenden Respekt und Achtung entgegen (Bundesrat Schwindsackl: Das tun wir schon längst! Das machen wir schon längst!), und tragen Sie dafür Sorge, dass sie sich das Leben wieder leisten können! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus diesen Gründen bringe ich folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abfederung der Teuerung durch eine vorgezogene Pensionsanpassung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat unverzüglich eine Regierungsvorlage für eine vorgezogene Pensionsanpassung 2024 in Höhe von zumindest 5 Prozent rückwirkend ab 1. Juli 2023 zur Beschlussfassung zu übermitteln.“

*****

Werte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen, machen Sie es nicht wie Ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen im Nationalrat, tun Sie es ihnen nicht gleich – tragen Sie mit uns unseren Antrag im Sinne der Pensionistinnen und Pensionisten mit! – Herzlichen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

23.28


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Der von den Bundesräten Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Abfederung der Teuerung durch eine vorgezogene Pensionsanpassung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Isabella Kaltenegger. – Bitte.


23.29.34

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher – wenn es vielleicht auch nur meine zwei Kinder zu Hause sind! Mutig gestalten und Ideen umsetzen, selbst anpacken, ja, auch Risiko auf sich nehmen, Verantwortung übernehmen für sich selbst und auch für


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andere – all das, meine sehr geehrten Damen und Herren und auch Herr Kollege Schmid, zeichnet die Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land aus. Es sind auch die Eigenschaften, die man jenen zuschreiben kann, die sich in unserem Land ehrenamtlich in unterschiedlichsten Vereinen und Organisationen engagieren, von der freiwilligen Feuerwehr bis zum Sportverein, von der Blasmusik bis zum Rettungswesen und vielen anderen. (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

In Zeiten multipler Krisen braucht es Maßnahmen, um den Standort Österreich weiterhin wettbewerbsfähig zu halten und auch das Wirtschaften zu ermöglichen, aber auch um das gesellschaftliche und soziale Leben in unseren Vereinen zu stärken. Diese Maßnahmen haben wir mit dem Energiekosten­zuschuss für Unternehmen explizit auch für Klein- und Kleinstbetriebe in unserem Land bereits gesetzt, und diese Maßnahmen wollen wir heute noch ausweiten, nämlich indem wir den Energiekostenzuschuss auch auf die Gruppe der neuen Selbstständigen ausweiten, und zwar mit einem pauschalen Förderungsbetrag von 410 Euro für beispielsweise den Psychotherapeuten, der in einer Praxisgemeinschaft eingemietet ist und aufgrund eines Energiekosten­anstiegs dort auch von den steigenden Mietkosten und Energiekosten betroffen ist, oder für die freiberuflich tätige Musikerin, die gerade jetzt im Sommer von Veranstaltung zu Veranstaltung unterwegs ist und auch von den erhöhten Energiekosten betroffen ist. Oder denken Sie an jene, die viel von zu Hause aus arbeiten, wie zum Beispiel Sachverständige oder Schriftsteller, und natürlich auch von den gestiegenen Energiepreisen betroffen sind.

Die Auszahlung soll ganz unbürokratisch als Beitragsgutschrift in Höhe von 410 Euro vonseiten der Sozialversicherung erfolgen (Bundesrat Buchmann: Bravo!) – und genau das tun wir für rund 60 000 neue Selbstständige in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Von einer zweiten Maßnahme, die wir heute beschließen werden, profitiert sogar eine noch größere Gruppe, nämlich fast die Hälfte der österreichischen Bevölkerung oder genauer gesagt 3,73 Millionen Österreicherinnen und


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Österreicher, die sich freiwillig oder ehrenamtlich engagieren. Konkret stellen wir 140 Millionen Euro zur Verfügung, um Energiemehrkosten von Non-Profit-Organisationen abfedern zu können.

Wenn Sie etwas tun wollen, um die Folgen der Teuerung für die Menschen in diesem Land abzufedern, dann lade ich Sie ein, bei beiden Maßnahmen zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

23.32


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.


23.32.53

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schmid hat von den Kritikpunkten an diesen drei Gesetzen schon sehr viel vorweggenommen, deswegen kann ich mich auf die negativen Highlights beschränken.

Zuerst zum ersten Entwurf, zur Kombinierbarkeit von Energiekostenzuschuss und Strompreiskostenausgleich: Da gibt es die Absurdität, dass in einem Paragrafen mit der Überschrift „Verbot von Mehrfachförderung [...]“ zuerst die Förderung über den Unternehmens-Energiekostenzuschuss und das Strompreiskosten-Ausgleichsgesetz verboten und im nächsten Schritt dann doch wieder erlaubt wird. – Das ist insbesondere interessant, weil der Bundes­regierung ja damals schon bewusst war, was der Inhalt des Strompreiskosten-Ausgleichsgesetzes sein wird, woran sich seither nichts geändert hat.

Zum Bundesgesetz über den Energiekostenzuschuss für NPOs: Da ist sehr fragwürdig, dass der Zeitrahmen bis 2024 reichen soll. Wir sind auch sehr gespannt, ob der Seniorenbund, der Bauernbund oder die JVP wieder zulangen


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werden. (Beifall des Bundesrates Obrecht.) Die Richtlinien sollen die Lehren aus dem NPO-Fonds-Fiasko unbedingt berücksichtigen.

Zuletzt zur GSVG-Änderung: Da ist die Inkonsistenz, die da geschaffen wird, sehr interessant. Es wird ein Strompreiskostenzuschuss über das GSVG konstruiert, wobei es einen Unterschied macht, ob jemand, der von zu Hause oder in seinem Haushalt arbeitet, einen Zuschuss bekommt, ob die Person angestellt ist oder ein freier Selbstständiger ist. Die Person, die nämlich Homeoffice macht – nicht selbstständig, angestellt –, zu Hause höhere Stromkosten hat, bekommt den Zuschuss nicht, eine Person, die nicht angestellt, sondern freier Selbstständiger ist, von zu Hause arbeitet, bekommt diesen Zuschuss. Wir halten das für einen grünen Klientelismus. In diesem Fall hat sich die ÖVP über den Tisch ziehen lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

23.35


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte.


23.35.17

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kollegen! Bei Tagesordnungspunkt 17 geht es um den Energiekostenzuschuss für öffentlich-rechtliche Organisationen beziehungsweise Vereine, sogenannte Ehrenamtliche.

Endlich ist Sommer. Die Schülerinnen und Schüler genießen ihre wohlverdienten Ferien und unterstützen die Feste der zahlreichen Vereine, Organisationen, Körperschaften in Österreich – dort ein Sportfest, da eine Veranstaltung der freiwilligen Feuerwehr, ein Zeltfest des Bergrettungsdienstes oder ein Volksmusikabend des Roten Kreuzes. Am letzten Wochenende fanden die Bewerbsläufe der freiwilligen Feuerwehr in Oberösterreich statt. Jeder, der an so einer Veranstaltung teilnehmen darf, kann sich ein Bild vor Ort machen, wie eine sinnvolle Jugendarbeit aufgebaut ist. Der Begriff Kamerad wird klar. An


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dieser Großveranstaltung nahm auch die Feuerwehr meiner langjährigen Heimatgemeinde Grünau im Almtal teil.

All diese Veranstaltungen werden durchgeführt, weil die Vereine und Kör­perschaften so die Eigenmittel erwirtschaften, die vonseiten der Länder und des Bundes gefordert werden, damit wiederum die verschiedensten Projekte förderfähig sind. Mit dem heutigen Beschluss erhalten zukünftig auch die sogenannten ehrenamtlich geführten, keiner politischen Partei zugeordneten Organisationen einen Energiekostenzuschuss für ihre Energiemehrkosten.

Der regelmäßige Trainings-, Fortbildungs- und Wettkampfbetrieb bei Sport­vereinen ist mit hohen Energiekosten verbunden. Die verschiedensten Weiterbildungen beim Roten Kreuz oder der Bergrettung erfordern ein sehr großes Zeitfenster, und die geplante Gesetzesänderung kann auch als kleine Unterstützung beziehungsweise Anerkennung gesehen werden. Es wäre schade, wenn Vereine aus Kostengründen Veranstaltungen absagen müssten.

Es freut mich, dass mit diesem Gesetz ein Betrag von insgesamt rund 140 Mil­lionen Euro zur Verfügung gestellt wird. Es ist für mich auch ein Ausdruck des Dankes für die vielen ehrenamtlichen Helfer, die ihre Freizeit opfern, um mit Kindern und Jugendlichen unter anderem sportliche Aktivitäten durchzuführen, zu trainieren oder auch ein Ferienprogramm zu organisieren.

Heute wurde schon des Öfteren den Ehrenamtlichen gedankt. Ich als Feuerwehrmann weiß genau Bescheid, und deshalb gilt mein Dank auch jenen Frauen, die aufgrund von Einsätzen immer wieder auf ihre Männer verzichten müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nach der langen Coronapause sind sinnvolle Freizeitaktivitäten für unsere junge Generation enorm wichtig.

Zum Schluss darf ich mich noch einmal recht herzlich bei allen Vereinen und Organisationen für die ehrenamtlichen Helfer bedanken. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur sozialen Identifikation unseres Landes.


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Die freiheitliche Bundesratsfraktion wird der Regierungsvorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bravoruf des Bundesrates Buchmann.)

23.38


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte.


23.38.53

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute, wie ich finde, ganz wichtige Teile, weitere Teile des Antiteuerungspakets – Teile, die auch die Selbstständigen, die neuen Selbst­ständigen und die Freiberufler in Österreich mitnehmen, die Freiberufler, die nicht durch die Kammer vertreten sind. Diese Gruppe leistet einen wesentlichen Beitrag zur österreichischen Wirtschaft, und auf die dürfen wir nicht vergessen.

Ich gehe im Besonderen auf zwei Teile ein, weil ja vieles schon gesagt wurde, und zwar einerseits – und das freut mich selber als neue Selbstständige sehr, dass das gelungen ist –, dass die neuen Selbstständigen jetzt auch in das Pauschalfördermodell für Kein- und Kleinstbetriebe, das im September 2022 beschlossen wurde, aufgenommen werden und auch die pauschale Förderung von 410 Euro für das Jahr 2022 bekommen.

Könnte es mehr sein? – Natürlich, aber 410 Euro ist nicht nichts, und es ist kein mühsamer Antrag notwendig, kein Nachweis darüber, welcher Teil der Energiekosten jetzt wirklich für den Betrieb anfällt; und bitte, das sind Leute, die zu Hause arbeiten, die sich teilweise Räumlichkeiten teilen, wo diese genaue Aufteilung der Energiekosten einfach schwierig ist. Gleichzeitig steigen aber trotzdem die Kosten.

Da das Wort Gießkannenprinzip mittlerweile in das Rennen um das Wort oder Unwort des Jahres eingestiegen ist: Mir ist es ehrlich gesagt lieber, die


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Förderung ist einfach und niederschwellig und es bekommen sie alle, als die Hürde der Antragstellung verhindert, dass die es bekommen, die es wirklich brauchen.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, wenn ihr da nicht zustimmt, dann seid ihr einfach dagegen, dass diese Personengruppe, diese Gruppe der Selbstständigen überhaupt einen Ausgleich der Energiemehrkosten bekommt.

Zu der Förderung der Non-Profit-Organizations: Es ist, finde ich, auch wichtig, dass die NPOs diesen Zuschuss bekommen. Wie wäre es denn sonst? – Zum Beispiel ist in Räumlichkeiten ein Unternehmen eingemietet, das bekommt den Energiekostenzuschuss, und im Nachbarbüro ist zum Beispiel ein sozialer Verein eingemietet, aber der bekommt ihn nicht. Dass die NPOs diesen Zuschuss jetzt also auch bekommen, ist einfach nur gerecht, und es gibt ja dazu bitte auch Regeln, an die es sich zu halten gilt, und die Post-Kontrolle funktioniert ja auch.

Abschließend noch ein Wort zum Entschließungsantrag der SPÖ: Ich finde es wichtig – das habe ich ohnehin schon öfter gesagt –, immer wieder über mögliche Maßnahmen gegen die Teuerung zu reden, zu diskutieren. Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn ihr andere Maßnahmen treffen würdet, wenn ihr sagt, wie schon gesagt, zu wenig, zu spät, es braucht etwas anderes (Bundesrätin Schumann: Na, die Pensionen müssen angepasst werden!), es braucht mehr, aber so zu tun, als gäbe es bis jetzt gar keine Maßnahmen, wie ihr immer betont, das ist fast schon unseriös. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Eder. Bundesrätin Schumann: Na, so was!)

23.42


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 320

23.42.45

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Staatssekretär! Kollegen hier im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Nur kurz zur Kollegin Jagl: Ich weiß schon, die Grünen haben gern einen Kontroll- und einen Bewachungsstaat, wenn es um die öster­reichische Bevölkerung geht und wenn es um die österreichischen Unternehmer geht. Replizierend auf den vorherigen Tagesordnungspunkt mit dem Gesetz betreffend die Landwirtschaft: Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal etwas von Eiswein gehört haben – schauen Sie einmal, ob Sie den am 15. Dezember einmelden können!

Kommen wir aber zurück zum jetzigen Tagesordnungspunkt: Ja, die Energie­preise in Europa, insbesondere aber auch in Österreich sind durch die falsch gesetzten Maßnahmen der türkis/schwarz-grünen Bundesregierung der letzten drei Jahre natürlich zusätzlich signifikant gestiegen. Die sich daraus ergebende besondere Belastung ist für die österreichische Bevölkerung, aber auch für die vielen österreichischen Unternehmen nicht tragbar.

Das Energiekostenzuschussgesetz war ja bereits mehrmals auf der Tages­ordnung: Dezember 2022, März und Juni dieses Jahres. Heute geht es ja unter anderem um die Ermöglichung einer Kombinierbarkeit von Förderungen nach dem Stromkostenzuschussgesetz und dem Energiekostenzuschussgesetz für energieintensive Betriebe. Wir Freiheitliche haben dem Stromkostenzu­schuss­gesetz zugestimmt und auch damals schon auf Nationalratsebene darauf gedrängt, dass dieses rasch beschlossen wird, da es eine treffsichere Maßnahme ist und deren Nichtumsetzung, da ja bereits eine Vielzahl anderer EU-Staaten das umgesetzt hat, ein großer Wettbewerbsnachteil für unsere heimischen Betriebe wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche werden allen drei unter diesen Tagesordnungspunkten vorliegenden Gesetzen zustimmen.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 321

Zum Thema Non-Profit-Organisationen hat ja mein Kollege Markus Steinmaurer bereits die positiven Standpunkte unsererseits angemerkt.

Beim dritten vorliegenden Bundesgesetz wird eben das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz geändert. Da geht es um die Ausweitung eines Pauschal­förder­modells für Kleinst- und Kleinbetriebe für den Förderungszeitraum Februar bis Dezember 2022 auf neue Selbstständige. Die Umsetzung des Energiekosten­zu­schusses für neue Selbstständige soll durch eine einmalige Gutschrift in der Höhe von 410 Euro auf dem Beitragskonto der Versicherten im vierten Quartal 2023 – unter der Voraussetzung, dass im Monat Dezember 2022 die Höchst­bemessungsgrundlage nicht erreicht wurde – erfolgen.

Als kritisch sehen wir dabei aber, dass die Gutschrift erst im vierten Quartal 2023 erfolgt. Diese Gutschrift für die Belastungen, die im Zeitraum Feber 2022 bis Dezember 2022 stattgefunden haben, wäre unserer Meinung nach mit einem Funken des Willens bereits im dritten Quartal 2023 möglich gewesen. Dass diese Bundesregierung aber nichts aus ihren Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und im Sinne einer wirtschaftlichen Aufholjagd und Stärkung der heimischen Wirtschaft und der heimischen Regionen so schnell wie möglich agiert, sieht man natürlich auch in diesem Fall.

Für einen Wirtschaftsturbo für unser Land braucht es einen Volkskanzler Kickl, der Wirtschaftspolitik mit Hausverstand umsetzen wird. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Jawohl! Jawohl!)

23.46 23.46.39


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 322

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates von 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmens-Energiekosten­zuschussgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Abfederung der Teuerung durch eine vorgezogene Pensionsanpassung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungs­antrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates von 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Non-Profit-Organisationen erlassen und das Trans­parenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­gesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 323

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

23.49.1519. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (3467/A und 2151 d.B. sowie 11266/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 2021, das Arbeitslosensozialversicherungs­gesetz 1977 und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (2152 d.B. sowie 11267/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 19 und 20, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 19 und 20 ist Frau Bundesrat Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Ich bitte um die Berichte.


23.49.54

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Staatssekretärin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 324

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 2021, das Arbeitslosensozialversicherungsgesetz 1977 und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen wiederum in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Heike Eder. – Bitte.


23.51.41

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Liebe Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde häufig gefragt, was denn so die Erfolgsfaktoren waren, wieso ich mich nach meinem Skiunfall besser rehabilitiert habe, als jegliche Prognosen es erwarten ließen. Ein ganz wesentlicher Faktor waren meine Eltern. Ich war mehrere Monate auf Reha, und da wird man auf ein neues Leben vorbereitet. In meinem Fall bedeutete das, wieder zu lernen, eigenständig zu sitzen, zu lernen, sich selber anzuziehen, oder den Umgang mit dem Rollstuhl zu trainieren.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 325

Meine Eltern haben in dieser Zeit ihre kompletten Zeitguthaben leergeräumt, sie haben ihren ganzen Jahresurlaub aufgebraucht, um mir beizustehen und um bei der Reha anwesend zu sein. Sie waren in dieser Zeit nicht nur mental eine ganz wertvolle Stütze für mich, sondern sie haben dort auch wichtige Handgriffe, Tipps und Tricks kennengelernt, die mir den Alltag unglaublich erleichtert haben. Ich war zu dem Zeitpunkt des Unfalls kein Kind mehr, ich war schon 18, aber ich bin meinen Eltern immer noch unglaublich dankbar für das, was sie auf sich genommen haben, um mir in dieser schwierigen Zeit zu helfen. Danke meiner Mama und meinem Papa an dieser Stelle! (Allgemeiner Beifall.)

Ab November wird es Eltern nun deutlich leichter gemacht, wenn sie ihr Kind auf eine Reha begleiten. Arbeitnehmer haben dann nämlich einen Freistellungs­anspruch von bis zu vier Wochen pro Jahr, wenn sie ihr Kind auf die Reha begleiten. Für diese Zeit bekommen sie Pflegekarenzgeld, und sie genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Ich freue mich ganz besonders über diesen Beschluss, auch über die Einstimmigkeit über alle Parteigrenzen hinweg, und sage Danke. (Allgemeiner Beifall.)

23.53


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Sascha Obrecht. – Bitte.


23.54.08

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Herzlichen Dank an meine Vorrednerin! Ich fand, das war eine schöne persönliche Geschichte, und ich kann alles davon unterstützen. Daher werden wir diesen Gesetzesvorschlag auch insgesamt unterstützen (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Super! Danke!) – das ist also ganz ernst gemeint.

Der andere Gesetzesvorschlag, muss man sagen, trägt natürlich wieder die Handschrift von Minister Kocher, der ein absoluter Katastrophenminister ist (Bundesrat Buchmann: Na geh!): Jedes Gesetz, das aus seinem Haus kommt, ist ein bisschen sanierungsbedürftig, so auch in diesem Fall.


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Warum konkret? Worum geht es da? – Es geht um die Sonderbetreuungszeit. In der Zeit der Pandemie war das so: Wenn behördlich zum Beispiel Schulen geschlossen wurden, haben Arbeitgeber weiter das Entgelt bezahlt, und die Arbeitgeber konnten an die Buchhaltungsagentur – so heißt diese wirklich – einen Antrag stellen und haben dann das Entgelt refundiert bekommen.

Diese Anträge wurden im Gebührengesetz gebührenbefreit. Das haben wir alle unterstützt, das wurde auch von allen angenommen. Das Problem war, im Gebührengesetz ist diese Bestimmung mit Ende des letzten Jahres ausgelaufen. Im Arbeitsministerium hat man das übersehen, hat darauf vergessen, hat ein bisschen in die Luft geschaut und gewartet, und auf einmal hat jemand – das Finanzministerium – angeläutet und hat gesagt: Na ja, das sind Anträge an die Buchhaltungsagentur, da müssen wir vergebühren, da besteht keine Gebührenbefreiung mehr!

Das Arbeitsministerium könnte natürlich viel machen. Es könnte zum Finanz­minister gehen und könnte sagen: Schreiben wir diese Gebührenbefreiung wieder ins Gebührengesetz hinein, denn eigentlich ist das ein Steuergesetz; das ist eine Steuerbefreiung, denn für diese Gebühr erfolgt keine Gegenleistung, deswegen ist es rechtlich gesehen eine Steuer! – Das hat das Arbeitsministerium nicht gemacht.

Stattdessen schreiben wir in ein zivilrechtliches Gesetz, das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz, jetzt eine Steuerbefreiung hinein, und zwar rückwir­kend mit dem 1.1. dieses Jahres.

Warum machen wir das? – Weil es im Arbeitsministerium übersehen wurde. Und das kann es eigentlich nicht sein! Wie gibt es das, dass das in einem Ministerium übersehen wird?

Tatsächlich ist es leider nicht das erste Mal. Arbeitsminister Kocher fokussiert sich rein gar nicht auf das Arbeitsrecht. Er hat kein einziges Mal in diesem Haus jemals zu irgendeinem Vorhaben arbeitsrechtlicher Natur Stellung bezogen. Er


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hat immer wieder nur zu Covid-19-Sondergesetzen Stellung bezogen. Es gibt keine Vision, es gibt keinen Plan, und noch dazu ist es leider mehr als mangelhaft, wie die Gesetze, die es momentan gibt, überhaupt vollzogen werden.

Insofern: Wir stimmen dem trotz allem zu, denn wie kommen die Unternehmer dazu, dass sie für die Unfähigkeit des Arbeitsministers draufzahlen sollen? (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Schachner.)

23.56


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte.


23.56.38

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Ich vermute auch, lieber Kollege Sascha, dass der Arbeitsminister, seitdem er Wirtschaftsminister ist, einfach vergessen hat, dass er ein Arbeitsministerium hat und Arbeits­minister ist, und nur mehr Wirtschaftsminister ist. Das ist sicherlich ein Grund dafür. (Beifall bei Bundesrät:innen von FPÖ und SPÖ.)

Aber wie gesagt, beide Dinge sind sehr gut und natürlich richtig und wichtig, und Gott sei Dank wird das jetzt so beschlossen. Ich habe heute immer das Glück, dass, wenn ich zu einem Tagesordnungspunkt spreche, bei dem es um eine Querschnittsmaterie geht, die zuständigen Minister leider nicht da sind, aber, liebe Frau Staatssekretärin, ich nehme an, Sie reden ja mit Ihren Ministerkollegen.

Wir haben jetzt die Geschichte mit dieser Begleitung von Kindern. Was aber auch ein sehr, sehr großes Problem geworden ist und vor allem durch die Coronapolitik der Regierung verstärkt wurde, das sind psychiatrische Behand­lungen von Müttern, die ihre Kleinkinder mitnehmen müssen, weil diese Kinder ohne ihre Mutter zu Hause nicht alleine leben können. Da haben wir in Österreich viel, viel, viel zu wenig Plätze. Es wäre ganz, ganz wichtig und ein


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ganz kleiner Beitrag dieser Regierung, um sich bei den Menschen für Ihre verfehlte Coronapolitik zu entschuldigen, wenn Sie diese Plätze ausbauen würden. (Beifall bei der FPÖ.)

23.58


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte.


23.58.18

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Noch einmal sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach Kollegin Eder zu so einem Thema zu sprechen ist eine Herausforderung. Die Rede war sehr emotional, hat mich sehr bewegt. Ich glaube, es kann sich nämlich kaum jemand, der gesunde Kinder hat, vorstellen, wie es ist, wie belas­tend, emotional belastend, es ist, Kinder zu haben, denen es sehr schlecht geht, die eine Reha brauchen – aufgrund chronischer Krankheiten oder aufgrund von Unfällen.

Zu dieser unglaublichen, unvorstellbaren Belastung kommt dann auch noch die existenzielle Not dazu. Ich kenne Familien, deren Kinder regelmäßige Behand­lungen in Rehaeinrichtungen benötigt haben und benötigen.

Da ist der mittlerweile erwachsene Mann, der mit 11 Jahren aufgrund einer akuten neurologischen Erkrankung plötzlich nicht mehr gehen konnte und von seinen Mitschüler:innen in der Schule übers Stiegenhaus getragen wurde – mein Sohn war einer von denen, die ihm da regelmäßig geholfen haben. Durch mehrmalige, regelmäßige Rehaaufenthalte hat er wieder gehen gelernt. Er konnte einen Beruf erlernen und macht mittlerweile auch wieder Sport.

Da sind die beiden Familien mit Kindern, die kindliches Rheuma haben. Ich glaube, das kann sich auch kaum jemand vorstellen, wie emotional belastend es ist, seine Kinder tagtäglich in dem Schmerz und Leid zu begleiten. Diese


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regelmäßigen Aufenthalte in Spezialkliniken lindern die Schübe etwas und die Schmerzen immerhin für einige Zeit.

Die Reha von Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich in einigen Punkten von der Erwachsenen-Reha. Unter anderem gehören da eben der Schulunter­richt und die Freizeitgestaltung dazu, und auch die Beratung und Begleitung der Eltern und Bezugspersonen. Das ist ein ganz ein wesentlicher Faktor für den Therapieerfolg. Auch im Hinblick auf die familienorientierte Reha ist es ganz wichtig, die Familie so weit wie möglich in den Rehaprozess miteinzubeziehen.

Alleine aus diesen Gründen ist es notwendig, dass Eltern ihre Kinder, auch Jugendliche, so gut und so oft wie möglich begleiten können. Viele Eltern, wir haben es von Kollegin Eder gehört, haben massive Schwierigkeiten, diese dringend notwendigen Aufenthalte mit dem Beruf zu vereinbaren. Sie wussten bis dato nicht, wie sie ihre Kinder bei den Rehaaufenthalten begleiten, betreuen und unterstützen können. Es ist heute schon mehrmals gefallen und dargelegt worden: Künftig gibt es die Möglichkeit, Kinder bis zu vier Wochen unter Bezug von Pflegegeld bei der Reha zu begleiten, und das mit einem echten Rechtsanspruch und verbunden mit einem Kündigungs- und Entlassungsverbot. Das ist eine massive Entlastung und extrem wichtig für die Eltern, weil es den Druck und die Belastung, unter der sie stehen, von ihnen nimmt.

Es freut mich sehr, dass wir heute einen gemeinsamen Beschluss aller Parteien für diesen wichtigen Punkt zustande bringen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

0.01 00.01.49


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 2021 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

00.03.1621. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (3415/A und 2153 d.B. sowie 11268/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Ich bitte um den Bericht.


0.03.36

Berichterstatter Matthias Zauner: Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss


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des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte.


0.04.22

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Bundesratskolleginnen und -kollegen! Ich darf noch einen Satz zu Frau Bundesrätin Jagl sagen, die uns ja Unanständigkeit vorgeworfen hat, weil wir uns für die Anpassung der Pens- - (Bundesrat Schreuder: Unseriosität!) – Ja, es ist wurscht. (Bundesrat Schreuder: Nein, es ist nicht wurscht!) – Es war etwas nicht sehr Gescheites. Sie hat uns vorgeworfen, dass wir hier nicht lauter handeln, weil wir eine Pensionsanpassung gefordert haben.

Ich kann es ganz ehrlich sagen: Sie können uns alles sagen, aber gescheiter wäre es, den 300 000 Menschen, die in den nächsten zwei Jahren in Pension gehen, zu sagen, dass sie enorme Summen in ihrer Lebensverdienstsumme verlieren werden, wenn Sie keine Teuerungsanpassung machen. Wir sprechen für sie, und nicht Sie sprechen mit uns! Da haben Sie ein bisschen etwas verwechselt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum vorliegenden Tagesordnungspunkt: Es geht darum, dass ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes umzusetzen ist. Es geht um die Frage der Ausländer­beschäftigung und der Beschäftigungsbewilligung. Der Verfassungsgerichtshof


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hat festgestellt, dass die derzeitige Struktur einer Einstimmigkeit in den Regionalbeiräten – das ist die unterste Ebene der Struktur in den AMS-Regionalstrukturen –, nicht gegeben sein darf, weil man sonst sozusagen der Leitung der AMS-Kräfte die Verantwortung entzieht.

Ich möchte das kurz erklären: Der Regionalbeirat setzt sich aus dem Leiter oder der Leiterin der AMS-Geschäftsstelle und vier Mitgliedern aus der Wirtschafts­kammer, der Arbeiterkammer, der IV und dem ÖGB zusammen – das ist diese Struktur. Der Verfassungsgerichtshof hat auch eindeutig festgestellt, dass diese Form zwar nicht geht, dass aber die regionale Expertise schon von großem Wert ist, und ich glaube, das weiß man in den AMS-Strukturen auch.

Jetzt hat das Ministerium gehandelt und hat das leider halt wieder in so einer Form umgesetzt, dass man weiß: sehr wirtschaftsfreundlich, sehr großes Einfallstor, damit es ganz leicht geht, Beschäftigte aus Drittstaaten aufzuneh­men. Wir halten das für nicht gut. Wir halten das auch nicht für klug. Ich glaube, es wäre wesentlich wichtiger, sich zu überlegen, wie man Arbeitskräfte, die sich bereits jetzt bei uns befinden, aktivieren kann. Wie kann man zum Beispiel – wir haben heute schon darüber geredet – Frauen die Chance geben, mehr Stunden zu arbeiten, wenn sie das gerne möchten, oder Vollzeit zu arbeiten? Da geht es um den Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen und auf der anderen Seite vielleicht auch darum, jenen Unternehmen näherzutreten, die nichts anderes als Teilzeitstellen anbieten. Ich schaue da ganz besonders auf den Handel.

Auf der anderen Seite wäre es vielleicht klug oder wäre man gut beraten, auch Menschen mit Migrationshintergrund zu aktivieren und ihnen die Chance zu geben, auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Es geht um die Möglichkeit des Spracherwerbs und so weiter. Da ist großes Potenzial vorhanden, das man sehr wohl noch heben könnte, wenn man das wirklich wollte.

Ich darf auf Italien hinweisen: Die italienische Regierung wird im Jahr 2025 450 000 Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Italien holen. Das ist wirklich keine


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linke Regierung, die das macht (Bundesrat Himmer: Ich wollte gerade sagen: Interessantes Vorbild!), also es muss einem schon klar sein, welche Maßnahmen gesetzt werden. Und noch einmal – da gebe ich Herrn Bundesminister Rauch absolut recht –: Wir haben kein einladendes Angebot für Menschen, besonders für gut qualifizierte Menschen, nach Österreich zu kommen, weil sie das Gefühl haben, in diesem Land abgelehnt zu werden. Das haben wir jetzt erst durch die Studie gesehen.

Bei noch einem Punkt wäre es wichtig hinzuschauen: Es gibt eine aktuelle Studie des IHS, in der festgestellt wird, dass wir derzeit einen Anteil von Schul­abbrecher:innen und jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren, die ihre Ausbildung nicht beenden, von 17 Prozent haben. Das ist extrem hoch! Wir können diese jungen Leute nicht zurücklassen. Das ist wirklich unanständig. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss darf ich noch sagen: Ganz ehrlich, wir suchen überall händeringend nach Fachkräften. Ich darf schon daran erinnern, dass die Wirtschaft früher nicht im Übermaß bemüht war, Arbeitskräfte auszubilden, vor allen Dingen Lehrstellen anzubieten – da ist vieles, vieles verabsäumt worden. Und wenn in der Schule immer noch der Spruch gilt: Na ja, wenn du die Schule nicht schaffst, dann machst du halt eine Lehre!, ist das der falsche Weg. Die Lehre ist eine der wichtigsten und besten Ausbildungsformen, die wir haben. (Beifall bei der SPÖ.) Da müssen wir Werbung machen, das ist der richtige Weg! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätinnen Böhmwalder und Eder.)

0.09


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Alexandra Platzer. – Bitte.


0.09.21

Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und


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Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Bei diesem Tagesordnungs­punkt geht es um die Novelle des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bezie­hungsweise um die Reparatur. Konkret kann das AMS ja in Aus­nahmefällen eine Beschäftigungsbewilligung für Nicht-EU-Bürger:innen erteilen; das heißt, für Nicht-Rot-Weiß-Rot-Karten-Besitzer und auch Menschen, die noch nicht über einen Aufenthaltstitel verfügen, gibt es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, dass sie eine Stelle bekommen. Dazu gibt es in der Praxis auch ein Ersatzkraftverfahren.

Kollegin Schumann hat es schon erwähnt, man könnte vielleicht noch andere Menschen in Beschäftigung bringen. Ich darf Ihnen kurz aus der Praxis erzählen: Ich habe selbst einen Gastronomiebetrieb, einen Hotelleriebetrieb. Was ist, wenn der Koch ausfällt? – So schnell bekommt man auf dem österreichischen Arbeitsmarkt keinen Küchenchef. Der Fall ist leider der, dass dieser Beruf jetzt auch auf der Mangelberufsliste steht. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn. – Bundesrätin Schumann: 150 Berufe haben wir auf der Mangelberufsliste!) Wir haben derzeit die Situation, dass ich vielleicht die Möglichkeit habe, in einem Nicht-EU-Land einen Küchenchef zu finden, und genau in diesem Nicht-EU-Land habe ich vielleicht eine qualifizierte Fachkraft, die nach Österreich kommen könnte. Wir legen damit vielleicht die gesamte Küchenbrigade lahm, wenn wir in Zukunft keine Beschäftigungsbewilligung ausstellen.

Der VfGH hat jetzt entschieden, dass der Beirat keine Behörde ist. Das heißt, die Behörde, also das AMS, hat zukünftig die letztgültige Entscheidung zu treffen. Jetzt mag man die Kritik verstehen, dass wir wahrscheinlich zu spät dran sind, aber erst recht verstehe ich dann nicht, warum Sie nicht zustimmen, damit wir wieder rechtsstaatlich abgesichert sind.

Eines möchte ich schon klarstellen: Diese Änderung bedeutet auf gar keinen Fall, dass wir die Sozialpartnerschaft aushebeln wollen. Es gibt ja weiterhin diesen Regionalbeirat; dieser bleibt aufrecht und hat weiterhin dieselben Aufgaben wie bisher, aber die endgültige Entscheidung trifft eben das AMS. Glauben Sie mir,


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ich bin überzeugt davon, dass sich diese Beiräte und die Entscheidung des AMS immer widerspiegeln! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Bundesminister Dr. Martin Kocher hat bereits per Erlass angewiesen, dass der Regionalbeirat alle zwei Wochen einzuberufen ist sowie im Notfall auch im Umlauf entscheiden kann. Das ist gut so, denn diese Wartezeit, auch wenn es nur zwei Wochen sind, kann für Betriebe wirklich zermürbend sein. Wenn sie auf einen Küchenchef, auf einen Mitarbeiter warten, wenn sie wirklich sehnsüchtig auf jemanden warten, dann sind zwei Wochen richtig lang. Wir brauchen für unsere Unternehmen gerade in Zeiten von starkem Mitarbeiter­mangel eine rasche und unkomplizierte Entscheidung.

Wir öffnen definitiv nicht Tür und Tor für ausländische Arbeitskräfte, es müssen nämlich wichtige Gründe für eine Beschäftigungsbewilligung vorliegen. (Bundesrätin Schumann: Ja, schwammig!) Der Erhalt von Arbeitsplätzen inländi­scher Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer ist zum Beispiel einer dieser Punkte. Ein weiterer Punkt ist, dass eine Arbeitskraft nachweislich eine Qualifikation in einem Mangelberuf erbringt. Das sind zum Beispiel Schlosser, das sind Köche, das sind Maurer, das sind Hafner, das sind Bäcker – sie alle stehen auf der Mangelberufsliste!

Tatsächlich sind im Jahr 2022 bei 4,4 Millionen erwerbstätigen Menschen in Österreich nur 1 189 Beschäftigungsbewilligungen ausgestellt worden, das heißt, wir sprechen von 0,02 Prozent! Das ist ja für neun Monate überhaupt keine Anzahl! (Bundesrat Babler: Wahnsinn! – Bundesrätin Schumann: Ja, Wahnsinn!) – Ja, glauben Sie! Wir wollen definitiv keine Zuwanderung in unseren Sozialstaat, sondern wir wollen eine qualitative Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Schützen wir lieber unsere Betriebe bei der Bewältigung unserer Aufträge mit dem notwendigen Personal und schaden wir nicht mutwillig dem Standort Österreich!

Eines möchte ich abschließend schon noch sagen, weil ja diese absolut interes­sante Idee einer 32-Stunden-Woche bei Ihnen immer wieder herum­geistert: Ich


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möchte Ihnen jetzt ein bisschen beim Rechnen helfen, weil das ja nicht so Ihr Anliegen ist. (Ah-Rufe bei der SPÖ.)

Ich bringe Ihnen ein paar Zahlen aus meinem Bundesland Oberösterreich. (Bun­desrätin Schumann: Ja, wie schaut es da aus?) Wir wissen, dass wir eine Arbeitslosenzahl von 25 000 haben, und wir haben 31 000 offene Stellen; das heißt, unser Arbeitsmarkt in Oberösterreich ist schon angespannt. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Ich spreche jetzt gar nicht von den Gastgärten und den ganzen Bettentrakten, die wir schon lange für den Tourismus nicht mehr öffnen können, sondern ich rede von der Pflege, ich rede von den Kindergärten, ich spreche von Schulen, ich spreche von Berufsfeuerwehr und von der Polizei. (Bundesrat Babler: ... 50 Wochenstunden ...!)

Wissen Sie, was in unserem Land passiert, wenn wir das flächendeckend umsetzen? (Bundesrätin Schumann: 50 Prozent aller Frauen arbeiten Teilzeit!) Wir hätten 85 000 vollzeitäquivalente Arbeitskräfte, die uns allein in Oberösterreich fehlen würden, 85 000! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Sie legen mit Ihrer Idee unser Land lahm! (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Babler.) – Ich möchte gerne sehen, Kollege Babler, wie Sie in Zukunft den Menschen erklären, dass man einen Herzinfarkt nur mehr Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr haben darf, weil später keiner mehr da ist, der sich um uns kümmert. (Bundesrätin Schumann: Geh, hör auf! – Zwischenruf des Bundesrates Babler.) Herzlichen Dank für diese Vorschläge! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Babler: So respektlos gegenüber arbeitenden Menschen in der Pflege! Nicht nur in der Pflege! Überall!)

Entschuldigung, aber Ihre Träumereien zahlen nicht auf den Standort Öster­reich ein! Für uns Unternehmer ist das eine absolute Katastrophe. Vielleicht stimmen Sie einmal Vorschlägen zu, die sinnvoll sind! – Danke. (Beifall bei der


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ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Babler.)

0.16


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


0.16.13

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Sehr geschätzte Zuseher vor den Bildschirmen! Werte Kollegen! Ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes macht es notwendig – es ist schon angesprochen worden –, das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu novellieren beziehungsweise zu reformieren.

Wir haben schon öfter das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert. Wir sehen das grundsätzlich einmal sehr kritisch. Am 14. Dezember 2021 ist entschieden worden, dass es die Aufgabe des AMS ist, AMS-Gesetze zu vollziehen und zu schauen, dass die Gesetze eingehalten werden. Der Regionalbeirat als Nichtbe­hörde, als Beirat, der aus Vertretern der Sozialpartner zusammengesetzt ist – Kol­legin Schumann hat es schon aufgezählt; zum Beispiel Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, Gewerkschaften –, hat die Ent­scheidung immer im guten Einvernehmen getroffen, hatte praktisch aber auch die Möglichkeit, Beschäftigungsbewilligungen des AMS aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hat Nein dazu gesagt; nein, das geht nicht; wenn die Behörde einen entsprechenden Bescheid ausstellt, kann eine Nichtbehörde das nicht aushebeln. (Zwischenruf des Bundesrates Babler.) Genau deshalb war die Gesetzesänderung notwendig.

Bei einer solchen Materie wie dem Ausländerbeschäftigungsgesetz wäre zu erwarten, dass es eine Begutachtung gibt, dass die Sozialpartner eingebunden werden; das gab es aber nicht. Dieser Antrag hebelt jetzt die Arbeitgeberver­tretung und die Arbeitnehmervertretung aus und gibt den regionalen Geschäfts­leitern des Arbeitsmarktservice sehr viel Macht. Damit besteht die Gefahr, dass


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den Billigstarbeitskräften Tür und Tor geöffnet wird, dass Lohn- und Sozialdumping vollzogen wird. Man sieht das schon; im Westen Österreichs ist es ein großes Thema, wenn Billigarbeitskräfte vor allem in der Gastronomie, in der Landwirtschaft, aber auch für andere Dienstleistungsbereiche geholt werden. Das führt wie gesagt in der weiteren Folge zu Lohn- und Sozialdumping. Es ist vermutlich die Ideologie der ÖVP, Billigstarbeitskräfte in den Markt zu bringen. Das ist nicht unser Zugang. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Schließlich soll künftig für Personen mit einer „Aufenthaltsbewilligung – Familien­gemeinschaft“ – das sind etwa die Familienangehörigen von Studierenden – oder von Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung für Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden, wenn die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind.

Am Ende – das ist das Schlimme – stehen die eigenen Leute wieder beim AMS. Daher stimmen wir dem Gesetzesantrag nicht zu. (Beifall bei der FPÖ.)

0.19


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Bitte.


0.19.19

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon gehört, worum es bei der Novelle des Ausländerbeschäftigungs­gesetzes geht; trotz der späten Stunde habe ich mich dazu noch zu Wort gemeldet.

Diese Novelle war erforderlich – wir haben es schon gehört –, weil der Regional­beirat als Nichtbehörde, der sich eben aus den Vertreter:innen der Sozialpartner zusammensetzt, praktisch die Möglichkeit hatte, Beschäftigungsbewilligungen,


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die das AMS als zuständige Behörde erteilt hat, wieder auszuhebeln. Selbst­verständlich ist es richtig und wichtig, dass auch die Sozialpartner im Beirat nach wie vor mit beratender Stimme dem AMS zur Seite stehen, es ist aber selbstverständlich schlichtweg Aufgabe des AMS, als zuständige Behörde die Gesetze zu vollziehen und darauf zu achten, dass sie dementsprechend eingehalten werden.

Ein Punkt ist mir grundsätzlich schon sehr wichtig: Es geht da in erster Linie um Menschen. Es geht um Menschen aus Nicht-EU-Staaten, die in unserem Land arbeiten möchten, die einen Beitrag leisten möchten, Menschen, die von uns in Österreich auch dringend benötigt werden – von der Pflege bis hin zur Maschinenbauingenieur:in; Kollegin Platzer hat das schon sehr schön dargelegt –, und diesen Menschen sollten wir keine Steine in den Weg legen.

Schauen Sie sich die Liste der Mangelberufe in Österreich an! Sie wird immer länger, es ist wirklich erschreckend. Der Fachkräftemangel beschränkt sich längst nicht nur auf einzelne Berufsgruppen, sondern zieht sich mittlerweile durch so gut wie alle Branchen. Im ersten Quartal 2023 gab es über 200 000 unbesetzte offene Stellen in Österreich.

Österreich muss für qualifizierte Zuwanderung attraktiv werden, denn Fakt ist: Gerade im internationalen Wettbewerb um gut ausgebildete Fachkräfte ist Österreich wesentlich schlechter aufgestellt als andere Industrieländer. Die Studie wurde heute schon ein paar Mal zitiert: Österreich landet im Ranking nur auf Platz 26 von 38 Ländern.

Zu den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ muss ich schon eines sagen: Sie wissen schon, es gelten in Österreich Gott sei Dank Kollektivverträge, wir haben Gott sei Dank eine gut funktionierende Sozialpartnerschaft. Selbstverständlich ist es in unser aller Interesse, Lohn- und Sozialdumping in Österreich hintanzu­hal­ten. Deswegen finde ich es auch verwerflich, dass Sie das jedes Mal wieder


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als Allererstes in den Ring werfen, als würde durch jegliche Änderung im Ausländerbeschäftigungsgesetz dem Ganzen ständig Tür und Tor geöffnet.

Eines muss man aber bei Ihrer Ideologie auch dazusagen: Für Sie gibt es anscheinend nichts Schlimmeres als Menschen aus dem Ausland, die tatsächlich bei uns arbeiten möchten (Bundesrat Spanring: Doch! Grüne, Grüne!), weil diese Menschen ganz einfach ein – schlechtes – Feindbild für Sie sind. (Bundesrat Steiner: Grüne Menschen aus dem Ausland!) Hören Sie endlich damit auf, im Bundesrat Hass und Hetze zu verbreiten, hören Sie auch mit Ihrer wirtschafts­feindlichen Politik auf und stimmen Sie dieser Gesetzesänderung zu! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Eine Grüne sagt uns, dass wir wirtschaftsfeindlich sind! Eine Grüne! Ein Wahnsinn! – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder begibt sich zum Präsidium und spricht dort mit einer Mitarbeiterin der Parlaments­direktion. – Zwischenruf der Schriftführerin Doppler.)

0.23


Vizepräsidentin Margit Göll: Entschuldigung. Ja, bitte? (Schriftführerin Doppler: Eine sehr unaufmerksame Präsidentin!) – Ihre Seitenhiebe können Sie sich bitte auch einmal sparen! Und eines möchte ich jetzt auch einmal sagen (in Richtung FPÖ): Ob ich gendere oder nicht, überlassen Sie bitte mir! Ich mache es so, wie ich es empfinde, und da kann mir niemand etwas vorschreiben. Das war vorhin der Fall, und jetzt sage ich das einmal! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Was redest denn?)

So, und jetzt gehen wir in der Tagesordnung weiter.

Liegen weitere Wortmeldungen vor? (Bundesrat Steiner: Ja!) – Ja, es liegt eine vor. Frau Bundesrätin Schartel, bitte.


0.23.58

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Liebe Frau Kollegin Huber! (Bundesrat Kornhäusl – in Richtung der das Redner:innenpult nach oben


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verstellenden Rednerin –: Ein bisschen höher noch das Pult, dann müssen wir dich nicht anschauen!) Es stimmt, dass wir an und für sich in Österreich, Gott sei Dank, Kollektivverträge haben, aber Sie haben keine Ahnung von der Praxis.

Was passiert nämlich? – Wenn jemand gerade mit einer Beschäftigungs­bewilligung aus Ausland eine Beschäftigung erhält, dann gehen die Firmen her und qualifizieren den immer – immer! – in einer unteren Stufe ein. Das heißt, wenn das ein Facharbeiter ist, kriegt er einen Hilfsarbeiterlohn, und weil das bei uns in Österreich viel zu wenig kontrolliert wird, gibt es ein Lohn- und Sozialdumping. Sie haben wirklich keine Ahnung – weder von der Wirtschaft noch von den Menschen noch von den Familien. (Beifall bei der FPÖ.)

0.24 0.24.43


Vizepräsidentin Margit Göll: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich würde Sie um Ruhe bitten. Das haben Sie vorhin verlangt, und wir halten uns jetzt bitte auch alle daran. (Bundesrat Spanring: Jetzt wird es aber peinlich! – Bundesrat Steiner: Jetzt wird es dann peinlich!)

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. (Bundesrat Spanring: Das ist ja unfassbar!) Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung! Zur Geschäftsordnung!) – Bitte, ich erteile Ihnen das Wort.

*****



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0.25.43

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Vizepräsidentin, ich will es jetzt gar nicht länger ausführen, aber ich glaube, wir müssen speziell Ihre Vorsitzführung in der nächsten Präsidiale thematisieren. Ich bitte Sie, das in der Präsidiale auf die Tagesordnung zu nehmen, denn wenn das so weitergeht, wird es für den ganzen Bundesrat sehr peinlich, Frau Vize­präsidentin. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Was war das jetzt zur Geschäftsordnung?)

0.26


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich glaube, peinlich wird es für Sie, denn Sie haben vorhin verlangt, dass es mehr Ruhe gibt. Lassen Sie mich jetzt einmal das Wort ergreifen! Ihre Kollegin hat sich vorhin über Sie beschwert. Sie waren am lautesten. Ja, geben Sie es zu! Ich habe gesagt - - (Bundesrat Steiner: Na, was ist das?!) – Nein, ich mische mich nicht immer gleich ein, wir sind hier nicht im Kindergarten. Ich habe der Kollegin, die am Rednerpult stand, zugehört.

*****

Jetzt gehen wir in der Tagesordnung weiter. (Bundesrat Steiner: Es gibt keine Tagesordnung mehr, Frau Vizepräsidentin!) – Die Debatte mit Ihnen ist beendet.

Die Tagesordnung ist erschöpft. (Bundesrat Steiner: Ach so, die Tagesordnung! Ja, auf Wiederschauen! Ein Wahnsinn! Das kann sich die ... nicht mehr leisten!)

0.26.40*****


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich gebe bekannt, dass die an den Bundeskanzler gerichtete Dringliche Anfrage sowie die an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport gerichtete Dringliche Anfrage, deren Beantwor­tung gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung unter einem zu erfolgen hat, von den Antragstellern soeben zurückgezogen wurden und daher nicht mehr zum


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Aufruf gelangen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Danke schön, Herr Steiner! Danke, dass Sie die Dringliche zurückgezogen haben!)

Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 4111/J-BR/2023 bis 4114/J-BR/2023, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 388/A(E)-BR/2023 der Bundesrät:innen Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinder­betreu­ungs-Zweckzuschussgesetz des Bundes zur Umsetzung eines Gratis-Angebots in der Elementarpädagogik“, der dem Ausschuss für Familie und Jugend zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 389/A(E)-BR/2023 der Bundesrät:innen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinder-Influencer:innen vor Ausbeutung im Netz schützen!“, der dem Ausschuss für Familie und Jugend zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 390/A(E)-BR/2023 der Bundesrät:innen Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mietpreisstopp jetzt“, der dem Justizausschuss zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 391/A(E)-BR/2023 der Bundesrät:innen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr höhere Schulen in stark wachsenden urbanen Räumen“, der dem Unterrichtsausschuss zugewiesen wird, sowie

der Entschließungsantrag 392/A(E)-BR/2023 der Bundesrät:innen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Implementierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung“, der dem Unterrichtsausschuss zugewiesen wird.


BundesratStenographisches Protokoll956. Sitzung, 956. Sitzung des Bundesrats vom 12. und 13. Juli 2023 / Seite 344

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates ist bereits auf schriftlichem Wege erfolgt.

Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 13. Juli 2023, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Die Sitzung ist geschlossen.

0.29.14Schluss der Sitzung: 0.29 Uhr

 

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