Stenographisches Protokoll

125. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 28. Mai 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

125. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 28. Mai 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 28. Mai 1998: 9.01 – 16.35 Uhr

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Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen

Beratungsgruppe XIII: Umwelt, Jugend und Familie

Beratungsgruppe XI: Finanzverwaltung, Kassenverwaltung, Öffentliche Abgaben, Finanzausgleich, Bundesvermögen, Pensionen (Hoheitsverwaltung), Sonstige Finanzierungen und Veranlagungen, Finanzschuld, Währungstauschverträge

Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan, Fahrzeugplan und Plan für Datenverarbeitungsanlagen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 7

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die unentschuldigte Abwesenheit des Abgeordneten Peter Rosenstingl 107

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 8

Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere um zu untersuchen, ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet –, erteilt wurden, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 105

Bekanntgabe 100


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125. Sitzung / Seite 2

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 101

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 105

Dr. Franz Löschnak 106

Mag. Dr. Heide Schmidt 107

Ablehnung des Antrages 107

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 7

Ausschüsse

Zuweisungen 7, 28

Berichtigung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die Zuweisung der Regierungsvorlagen 1202 und 1207 d. B. 28

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1100 und Zu 1100 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen (1160 d. B.) 8

Beratungsgruppe XIII: Kapitel 18: Umwelt, Kapitel 19: Jugend und Familie 8

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 9

Karlheinz Kopf 11

Mag. Thomas Barmüller 13, 71

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 15

Ing. Monika Langthaler 17

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 21, 38, 54

Dr. Sonja Moser 23

Edith Haller 25

Dr. Ilse Mertel 27

Klara Motter 29

Rosemarie Bauer 31

Karl Öllinger 32

Dr. Robert Rada 35

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 36

Franz Kampichler 37

Andreas Wabl 41

Hannelore Buder 45

Dr. Martin Graf 46

Katharina Horngacher 47

Ing. Mathias Reichhold 48, 64

Georg Oberhaidinger 50

Franz Koller 51

Johann Schuster 52

Anna Elisabeth Aumayr 53

Manfred Lackner 57

Elfriede Madl 57

Josef Schrefel 59

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 60

Franz Stampler 61


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125. Sitzung / Seite 3

Dr. Helga Konrad 62

Georg Wurmitzer 63

Brigitte Tegischer 64, 69

Matthias Ellmauer 65

Karl Gerfried Müller 66

Rainer Wimmer 67

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 68

Georg Wurmitzer (tatsächliche Berichtigung)70

Otmar Brix 70

Annahme der Beratungsgruppe XIII 73

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend selektives Moratorium für Förderung (UFG) bei Neuanträgen für den ländlichen Raum – Ablehnung 43, 73

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend eine erhöhte Dotierung der Förderungsmittel für die Abwasserentsorgung in Kärnten – Ablehnung 49, 73

Entschließungsantrag der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus – Ablehnung 51, 73

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller, Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Haftung für den Betrieb und für Unfälle in atomaren Anlagen sowie für den Transport radioaktiver Materialien – Ablehnung 72, 73

Beratungsgruppe XI: Kapitel 50: Finanzverwaltung, Kapitel 51: Kassenverwaltung, Kapitel 52: Öffentliche Abgaben, Kapitel 53: Finanzausgleich, Kapitel 54: Bundesvermögen, Kapitel 55: Pensionen (Hoheitsverwaltung), Kapitel 56: Sonstige Finanzierungen und Veranlagungen, Kapitel 58: Finanzschuld, Währungstauschverträge 73

Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan, Fahrzeugplan und Plan für Datenverarbeitungsanlagen 74

Redner:

Hermann Böhacker 74

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung)76

Mag. Herbert Kaufmann 76

Mag. Helmut Peter 78

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 83

Dr. Alexander Van der Bellen 84

Robert Sigl 87

Ing. Wolfgang Nußbaumer 88

Bundesminister Rudolf Edlinger 92

Ernst Fink 94

Karl Öllinger 95

Marianne Hagenhofer 95

Mag. Cordula Frieser 96

Günter Kiermaier 97

Dr. Walter Schwimmer 98

Hermann Kröll 99

Günther Platter 100

Willi Sauer 101

Dr. Hans Peter Haselsteiner 101

Annahme der Beratungsgruppe XI 104


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125. Sitzung / Seite 4

Annahme des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1999 samt Anlagen 104

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Vorlage eines Berichtes über erfolgte Budgetausgliederungen – Ablehnung 86, 104

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 8

1210: Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften

Anträge der Abgeordneten

Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (796/A)

Anton Leikam, Paul Kiss und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG), BGBl. I Nr. 75, geändert wird (797/A)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ersatzlose Streichung der Krankenscheingebühr (798/A) (E)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Aussetzen des Antragsprinzipes und rückwirkende Leistungserbringung für alle erworbenen Leistungen des österreichischen Sozialversicherungssystems (799/A) (E)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Vorlage eines Berichtes über erfolgte Budgetausgliederungen (800/A) (E)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Einspruch der Bundesregierung gegen das Verfassungsgesetz des Landes Niederösterreich vom 7. Mai 1998, mit dem die niederösterreichischen Landesverfassung 1979 geändert wird (801/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Pensionsprivileg der Linzer Berufsfeuerwehr (4482/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Bindung eines Arbeitsplatzes an eine Planstelle (4483/J)

Josef Meisinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Unfälle durch Wildtiere auf der Mühlkreis Autobahn (4484/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Planstellenverwaltung beim Bundesministerium für Landesverteidigung (4485/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Gefährdung heimischer Arbeitsplätze durch die gesetzwidrige freihändige Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang mit der Tagung des Europäischen Rates in Wien (4486/J)

Dkfm. Dr. Günter Puttinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend den aufklärungsbedürftigen Ablauf eines Strafverfahrens gegen hochrangige Repräsentanten der BAWAG (4487/J)


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125. Sitzung / Seite 5

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend einige merkwürdige Ungereimtheiten in der Begründung im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land zu Sich01-111-1998-PE/ZE; Sich-8009/1963 vom 24. April 1998 hinsichtlich des flämischen Schriftstellers Robert Verbelen (4488/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend welchen Status der "Ständige Kriegsrat der Provinz Brabant" im Königreich Belgien hatte oder noch immer hat (4489/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Klärung, ob gegen den Verein "Dichterstein Offenhausen" seit dessen Bestehen bis zum heutigen Tage aufsichtsbehördliche Maßnahmen gesetzt worden sind (4490/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend das bedenkliche Verhalten des Bundesministeriums für Inneres anläßlich der Einstellung der Tätigkeit des Vereins "Dichterstein Offenhausen" (4491/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Ausübung außerparlamentarischen Druckes auf verfassungsmäßige Organe des Bundes im Zusammenhang mit der beabsichtigten Auflösung des Vereins "Dichterstein Offenhausen" (4492/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fortschritte in den Verhandlungen zu einem Zusatzprotokoll zum B-Waffenübereinkommen (4493/J)

Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend "Gentechnikfrei-Pickerl" – zu teuer für bäuerliche Direktvermarkter (4494/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Verjährungsfrist bei der Möglichkeit der Aktensichtung im Falle der Hepatitis C (4495/J)

Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die geplanten Vorhaben des Vereines "Freie Exekutivgewerkschaft Österreichs" (4496/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die bisherige Entwicklung der Inanspruchnahme des Karenzurlaubes (4497/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend bestialische Verletzungen der Menschenrechte homosexueller Männer in Afghanistan (4498/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Fahrtbegünstigungen für gleichgeschlechtliche Lebensgefährten von ÖBB-Bediensteten (4499/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grenzkontrollstempel in Reisepässen österreichischer Staatsbürger (4500/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Gentech-Soja in Trink- und Sondennahrung in Spitälern und Altersheimen (4501/J)


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125. Sitzung / Seite 6

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Budgetvoranschlag 1999 (4502/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend SO-Spange (4503/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend fehlerhafte Schreibweise slowenischsprachiger Namen in Reisepässen (4504/J)

Günther Platter und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tragevorrichtung zum Einsatzgürtel (4505/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend geplanten Flugplatz Großpetersdorf (4506/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheitsbehörden und Homosexuelle – Entproblematisierung eines schwierigen Verhältnisses (4507/J)

*****

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend angebliches Einlangen von Regierungsvorlagen (32/JPR)

Anfragebeantwortung

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (3950/AB zu 3924/J)


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125. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.

Ich begrüße Sie und eröffne die 125. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 123. Sitzung vom 26. Mai ist unbeeinsprucht geblieben und gilt daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Amon, Dr. Mock und Dr. Nowotny als verhindert gemeldet.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde mir Mitteilung gemacht über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt:

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer wird durch Bundesminister Molterer vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortung: 3950/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Justizausschuß:

1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBeG (1203 der Beilagen);

Landesverteidigungsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird (1191 der Beilagen);

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (WRG-Novelle 1998) (1199 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird (1200 der Beilagen);


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125. Sitzung / Seite 8

Rechnungshofausschuß:

Antrag 795/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Kontrolle der politischen Parteien und parlamentarischen Klubs durch den Rechnungshof;

Umweltausschuß:

Umweltkontrollgesetz (1206 der Beilagen);

Unterrichtsausschuß:

Bundesmuseen-Gesetz (1202 der Beilagen),

Antrag 794/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend die Abschaffung der Schulsprengel für öffentliche Pflichtschulen;

Verfassungsausschuß:

Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater (Bundestheaterorganisationsgesetz – BThOG) und Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (1207 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen – BSEOG und Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird (1208 der Beilagen),

Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften (1210 der Beilagen).

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Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1100 und Zu 1100 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen (1160 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage 1100 und Zu 1100 der Beilagen: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde in der Präsidialkonferenz Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockredezeit von 7 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 105 Minuten, ÖVP 98 Minuten, Freiheitliche 91 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten.

Die Regelung über die Einrechnung von Redezeiten von Mitgliedern der Bundesregierung und Staatssekretären ist die gleiche wie an allen anderen Tagen, an denen wir das Budget verhandelt haben.

Über diesen Vorschlag hat das Plenum des Nationalrats zu befinden, und ich frage daher: Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Da dies nicht der Fall ist, ist dieser Vorschlag somit angenommen.

Beratungsgruppe XIII

Kapitel 18: Umwelt

Kapitel 19: Jugend und Familie

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir verhandeln nunmehr die Beratungsgruppe XIII: Umwelt, Jugend und Familie.


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125. Sitzung / Seite 9

Ein Wunsch nach Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

9.04

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir als einem, der so etwas zu schätzen weiß, einfach ein Bedürfnis, unserem Bundesminister für Umwelt für seine Leistung vom Sonntag zu gratulieren. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.) Er hat beim Wiener Stadtmarathon sein Reduktionsziel erreicht. Immerhin konnte er seine persönliche Bestzeit (Zwischenrufe bei der ÖVP)  – keine Zwischenrufe, bitte! – um drei Minuten unterbieten, und das ist ein wahrlich gewaltiges Reduktionspotential, das er da ausgeschöpft hat.

Aber damit, Herr Bundesminister, hat es sich schon mit der Erreichung von Reduktionszielen. (Heiterkeit.) Andere angekündigte Reduktionsziele haben Sie bei weitem nicht erreicht und werden Sie aller Voraussicht nach in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren nicht erreichen. Ich erinnere an eine Ankündigung von Ihnen im Rahmen der letzten Diskussion zum Budget am 14. November 1997. Da sagten Sie: Es war gestern abend in Wien mit meiner deutschen Amtskollegin Merkel und mit meiner französischen Amtskollegin Dominique Voynet auf bilateraler Ebene klarzustellen, daß die Europäische Union konsequent und offensiv bleibt und daß wir das im Umweltrat beschlossene Ziel und Commitment, nämlich ein Minus von 15 Prozent bei den Treibhausgasen bis zum Jahr 2010 zu erreichen, konsequent verfolgen werden.

Gut. – Ich war dann mit in Kyoto und weiß, das Ergebnis waren nicht 15 Prozent, sondern es sind schlußendlich 8 Prozent an Reduktionsziel dort herausgekommen. Trotzdem gab es die österreichische Feststellung: Wir werden innerstaatlich um 25 Prozent reduzieren.

Herr Bundesminister! Damit da keine Mißverständnisse aufkommen: Ich schätze Ihre Ankündigung, die Sie sicherlich ernst nehmen, auch als seriös ein, aber Sie haben nicht die Partner, mit denen Sie diese Ankündigung auch tatsächlich umsetzen können. Diese 25 Prozent werden Sie nicht erreichen, weil, und das ist ja das Schlimme daran, Sie als Umweltminister von denen, die die Maßnahmen tatsächlich ergreifen müssen, die die Maßnahmen setzen müssen, nicht ernst genommen werden. Und das ist nicht meine Ausdrucksweise. Das ist in den letzten Wochen und Monaten überall nachzulesen gewesen. Ich erinnere an Herrn Dr. Stefan Schwarzer von der Bundeswirtschaftskammer, der das schon im Vorfeld von Kyoto gesagt hat. Er hat gesagt, das, was Sie wollen, führt zu einem Crash-Szenario. Und das Wirtschaftsmagazin "trend" hat geschrieben, Bartenstein hat sich ohne heimische Rückendeckung zu weit vorgewagt. Deshalb wird er nun zu Hause ignoriert, ignoriert von seinen Kollegen im Wirtschaftsministerium.

Herr Umweltminister Bartenstein, wie sieht es tatsächlich aus? Wie weit sind Sie in den Verhandlungen mit Farnleitner? Was sind die Ergebnisse dieser Verhandlungen? Offensichtlich sind die Ergebnisse nicht allzu verheißungsvoll, entnehme ich doch einer Aussendung von Ihnen, daß Sie bereits resigniert haben, wenn Sie sagen, Sie erwarten erhebliche Probleme und einen erheblichen Arbeitsaufwand. Österreichs vorläufige Reduktionsverpflichtung, die Ausgangsposition von Kyoto, wird redimensioniert, sagen Sie, Herr Bundesminister. Das ist schon eine interessante Formulierung, wenn Sie Ihre Ankündigung jetzt redimensionieren müssen.

Wie schaut diese Redimensionierung aus? Was ist das Ergebnis, das dann übrigbleibt nach stattgefundener Redimensionierung?

Die Praxis unterstreicht das, was ich hier sage: daß es eine Redimensionierung geben wird, weil es ja tatsächlich keine Umsetzungsschritte gibt, keine Umsetzungsschritte beispielsweise bei der Förderung der erneuerbaren Energie. Dieses Thema haben wir zuletzt abgehandelt. Da gibt es keine zufriedenstellende Lösung. Sagen Sie nicht, Sie haben mit Herrn Molterer einen Topf von 300 Millionen Schilling eingerichtet. Das ist zuwenig! Es gibt keine Förderung der Wärmedämmung und der Altbausanierung, damit es tatsächlich Sinn macht.


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Herr Bundesminister! Sie wissen so wie ich, daß das Strukturanpassungsgesetz von 1996 einen gewaltigen Rückschritt gebracht hat, wurde doch die Möglichkeit der steuerlichen Geltendmachung von Wohnraumsanierung drastisch eingeschränkt, obwohl wir hier Fortschritte hätten erzielen können, was die CO2 -Reduktion betrifft, und zwar erhebliche, wie es der Klimaschutzbericht ausweist. Sie geben selber zu, daß die Klimaschutzmilliarde zweckentfremdet verwendet wird. Hier wurde Geld abkassiert, das zweckentfremdet verwendet wird.

Sie selber haben eine Studie in Ihrem Ministerium, die besagt, daß in fast allen Bundesländern diese Klimaschutzmilliarde zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet wird.

Aber gerade die umfassende Förderung der Wärmedämmung brächte riesige Vorteile: nicht nur – laut Klimaschutzbericht – eine Reduktion von 3,2 Millionen Tonnen per anno, sondern auch eine Konjunkturbelebung für das kleinere und mittlere Baugewerbe. Wo sind, Herr Bundesminister, die konzertierten Maßnahmen in den Ländern, die wir zur Umsetzung brauchen? Wo sind die versprochenen Artikel-15a-Verträge zur Anpassung der Energiekennzahl?

Herr Bundesminister! Ihre Antwort kann in Wirklichkeit nur lauten – und das ist das Schlimme an Ihrer Position –: Ich kann dies alles nur fordern, umsetzen müssen es andere; und die wollen nicht so, wie ich es gerne hätte. – Das ist die traurige Situation, in der Sie sich befinden: Sie wollen es, aber die, die es tun könnten, tun es nicht. Der Verkehrsminister setzt keine Maßnahmen, die im Verkehr wirklich zu einer Reduktion führen. Der Wirtschaftsminister läßt Sie, um das einmal auf Wienerisch zu sagen, einfach ang’lahnt mit Ihren Forderungen. Das ist das wahre Dilemma, in dem Sie sich befinden.

Gleiches gilt für ein anderes groß angekündigtes Vorhaben, und ich komme nicht darum herum, das noch einmal mit Ihnen zu diskutieren. Es ist das die von allen in Sonntagsreden immer wieder geforderte Ökologisierung des Steuersystems. Inzwischen wissen wir alle – Studien belegen es –, die Machbarkeit ist gegeben, nationalen Spielraum gibt es, das wird uns in anderen Ländern vorgeführt, die Sinnhaftigkeit dessen steht in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit, in Zeiten zunehmender Schwarzarbeit außer Streit.

Und was ist das Ergebnis? – Das Ergebnis ist bis heute, Herr Bundesminister, nicht herzeigbar. Wir haben keine konkreten Schritte in Richtung Ökologisierung des Steuersystems unternommen. Es gibt jetzt eine Expertengruppe, die ein Steuerreformkonzept verhandelt, und irgendwann – wir wissen nicht, wann, wahrscheinlich im Jahr 2000 – werden die ersten Ergebnisse der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Herr Bundesminister, aber hier sind Sie wieder nicht zuständig, da ist der Kollege Edlinger zuständig. Mich würde schon interessieren, wie Sie bis jetzt Einfluß genommen haben auf die Ökologisierung des Steuersystems. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und ein dritter, ganz aktueller Punkt: Seit Monaten, ja seit Jahren befassen wir uns in der Umweltpolitik mit der Zielsetzung, ein AKW-freies Mitteleuropa zu erreichen. Es hat große Ankündigungen von allen Ministern gegeben, es wurden in diesem Haus einstimmig hervorragende Entschließungen gefaßt. Das Ergebnis, Herr Bundesminister, ist absolut deprimierend: In den nächsten Tage geht Mochovce in Betrieb, Temelin wird demnächst folgen.

Und Klima, Schüssel, Prammer, Ihre Ministerkollegen, haben sich längst damit abgefunden. Für sie heißt das Ziel nicht mehr Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft, für sie heißt das Ziel, Österreich solle Investitionen in die Kernkraft tätigen. Jetzt wurden von österreichischer Seite Investitionen in die sichere Nutzung der Kernkraft in Aussicht gestellt. Es wurde damit ein völlig falscher Weg eingeschlagen, Herr Bundesminister (Beifall bei den Freiheitlichen), und Sie haben sich bis heute nicht zu Wort gemeldet, obwohl Ihre Ankündigungen in den letzten Jahren ganz anders gelautet haben.

Der freiheitliche Antrag zur Änderung des Euratom-Vertrages wird konsequent nicht auf die Tagesordnung genommen. Wir werden am 3. Juni 1998 darüber diskutieren, wenn die Entscheidung über Mochovce schon längst gefallen ist.

Drei hochaktuelle Bereiche, Herr Bundesminister: CO2-Reduktion, Öko-Steuer, Ausstieg aus der Kernenergie – überall das gleiche Strickmuster, nämlich große Ankündigungen, und dann


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kommt nichts mehr. Das Ergebnis ist in vielen Bereichen Stillstand oder sogar, wie zuletzt anhand der Nutzung der Kernkraft erwiesen, Rückschritt. Das Umweltmusterland Österreich, das wahrscheinlich Kollege Kopf jetzt wieder so wunderbar zeichnen wird, gibt es in Wirklichkeit nicht, Herr Bundesminister, aber nicht deshalb, weil Sie es nicht wollen, sondern weil Sie nicht können, weil Ihre Ministerkollegen nicht mitspielen. Das ist die Problematik der österreichischen Umweltpolitik.

Herr Bundesminister! Und dort, wo Sie die Möglichkeit hätten, tatsächlich direkt einzugreifen, zum Beispiel Ausgliederung des Bundesamtes, tun Sie auch nicht das, was wirklich erfolgreich wäre. Die Kritik betreffend Umweltschutzkonkurrenz, Umweltbundesamt vom "WirtschaftsBlatt" ist Ihnen bekannt. Sie gliedern jetzt aus, obwohl die staatliche Finanzierung erhalten bleibt. Das Umweltbundesamt wird viele Vorteile genießen, die die Ziviltechniker nicht haben. Hier etablieren Sie eine Konkurrenz, die für die Ziviltechniker unter Umständen Existenzprobleme bringen kann. Diese Ausgliederung gefährdet wieder Arbeitsplätze, die in der freien Wirtschaft Tätige aufgebaut haben, die das Risiko tragen, ohne staatlich gefördert zu werden. Herr Bundesminister! Diese Ausgliederung ist nicht die, die wir uns vorstellen. Lassen Sie es so, wie es ist, das ist besser. Glauben Sie mir! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zuletzt, Herr Bundesminister, noch eine Frage: Denken Sie daran, die Mitglieder des Umweltausschusses noch vor Übernahme des Ratsvorsitzes einzuladen und über den Ratsvorsitz betreffend Umweltpolitik zu diskutieren? Können Sie sich vorstellen, daß wir gemeinsam etwa einen Arbeitsplan, den Sie sich vornehmen, diskutieren, daß wir gemeinsam über österreichische Inputs im Rahmen der Präsidentschaft diskutieren? Wenn ja, dann sagen Sie uns, wann. Wir sind gerne bereit, unseren Beitrag zu liefern.

Herr Bundesminister! Damit Sie auch die Reduktionsziele im Umweltbereich erreichen, überreiche ich Ihnen eine Startnummer: Zurück an den Start, mit viel Energie noch einmal beginnen. – Vielleicht erreichen Sie dann auch ein Ergebnis. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer überreicht dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Dr. Bartenstein ein Stück Stoff mit einer Aufschrift.)

9.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.

9.17

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Lieber Karli Schweitzer! Du hast tatsächlich eine Reduktion erreicht; ich weiß nicht, ob es dein Ziel war. Auch du warst am vergangenen Wochenende im Sport erfolgreich, mit uns gemeinsam, mit dem "FC-Nationalrat". Du hast uns sogar gegen die Deutschen mit einem Tor noch zum Sieg und damit zum Turniersieg verholfen. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber: Das, was du jetzt geboten hast, war ein Fehlschuß. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Aber immerhin, probieren darf man es ja. (Neuerliche Heiterkeit bei der ÖVP.)

Lieber Karl Schweitzer! Man kann natürlich versuchen, Erfolge auf verschiedene Weise zu messen. Aber ich glaube, wichtig ist zunächst einmal, die Parameter und die Meßgrößen seriös zu bestimmen. Ich kann natürlich hergehen und eine Reihe von Forderungen in Form von möglichen, wünschenswerten Maßnahmen aufstellen, die zum Ziel führen können, und daran dann den Erfolg desjenigen, dem ich sie zur Erledigung umhängen will, messen. Aber ich glaube, viel entscheidender ist doch letzten Endes das Ergebnis, das herauskommt. Und das Ergebnis der österreichischen Umweltpolitik von ÖVP-Umweltministern in den vielen letzten Jahren kann sich durchaus sehen lassen. – Ich weiß, du und auch andere Oppositionspolitiker können das Wort "OECD-Bericht" schon nicht mehr hören. Ich weiß. Aber es steht halt drin, verbrieft mit Brief und Siegel, daß die Umweltsituation in Österreich sehr gut ist und Österreich in diesem Bereich tatsächlich mustergültige Werte aufzuweisen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich brauche sie gar nicht aufzuzählen all die Dinge im Gewässerschutz, in der Luftreinhaltung und so weiter, und deshalb, Kollege Karl Schweitzer, ist es einfach ein glatter Fehlschuß, wenn


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du jetzt versuchst, bestimmte Maßnahmen aufzuzählen, die vielleicht tatsächlich noch nicht gesetzt worden sind, dafür aber andere, die eben zu diesem schönen Ergebnis geführt haben, statt die Ergebnisse zu messen und zu vergleichen mit anderen Ländern. Ich glaube, unser Herr Minister war in diesem Fall der Stürmer und hat ins Tor getroffen. Du hast leider danebengeschossen!

Geschätzte Damen und Herren! Die Umweltpolitik war in den vergangenen Jahren, in den vergangenen Jahrzehnten zunächst notgedrungen geprägt von erforderlichen Reparaturen, die durchgeführt wurden.

Wir müssen weiterhin und mehr denn je in unserem Bundesbudget Gelder zur Sanierung von Altlasten bereitstellen. Das geschieht auch im Bereich der Deponie-Altlasten beispielsweise. Wir erreichen da im Budget jetzt doch eine respektable Größe von etwa 760 Millionen Schilling. Wenn auch immer wieder höhere Ansätze verlangt werden beziehungsweise kritisiert wird, daß die eigentlich einzuhebenden Beiträge dort nicht erreicht werden, so glaube ich doch, daß der betreffende Budgetansatz jetzt eine Größenordnung erreicht hat, mit der wir imstande sein werden, in den nächsten Jahren die größten Probleme im Deponie-Altlastenbereich einer Sanierung zuzuführen. Ich glaube, auch das ist ein Verdienst unseres Umweltministers und nicht zuletzt natürlich auch von uns hier im Parlament, im Umweltausschuß, daß wir den Bereich der Altlastensanierung finanziell so ausgestattet haben, daß in diesem Bereich auch tatsächlich Erfolge erreicht werden können.

Die Umweltpolitik war aber auch geprägt von vielerlei Maßnahmen im ordnungspolitischen Bereich. Gesetzliche Ge- und Verbote, verbunden mit einem hohen Maß an Kontrolle, haben leider dazu geführt, daß wir im sogenannten Economic Freedom-Index inzwischen zu jenen 20 Industriestaaten gehören, die ein Höchstmaß an Regulierungen haben. Sie können mir glauben, das ist alles andere als nach meinem Geschmack. (Abg. Öllinger: Sie wissen auch, warum das so ist!) Das ist alles andere als nach meinem Geschmack, denn ich glaube, daß auch umweltpolitische Ziele anders erreichbar sind – zumindest künftig. Sie wären in der Vergangenheit sicher nicht erreichbar und sicherzustellen gewesen, wenn man nicht mit ordnungspolitischen Maßnahmen, mit strengen Maßnahmen eingegriffen hätte.

Aber ich glaube, in Zukunft – und damit bin ich beim dritten Punkt – sollte das doch anders sein. Wir werden verstärkt versuchen müssen, freiwillige und aktive Verbesserungsszenarien in Gang zu setzen, ökonomische Anreize zu schaffen, mit klugen, mit guten Förderkonzepten, wie wir sie in vielen Bereichen haben. Einer dieser Bereiche ist die Siedlungswasserwirtschaft. Im Abwasserbereich ist es mit massiven Förderungen der Kanalbauten gelungen, die Qualität der Gewässer massiv zu verbessern. Jetzt ist wieder eine Sondertranche für nächstes Jahr im Budget vorgesehen, und die damit verbundene hohe Arbeitsplatzwirkung ist ein angenehmer und wichtiger Nebeneffekt gerade in der heutigen Beschäftigungssituation.

Aber auch im Bereich der Umweltförderung tragen viele Projekte im In- oder Ausland zur Verbesserung der Situation bei. Das alles wird abgewickelt über eine, wie ich glaube, ausgezeichnete Förderschiene und Fördereinrichtung, nämlich die Kommunalkredit AG, die von unserem Umweltminister zunächst eingerichtet wurde, aber in den letzten Jahren umgebaut und zu einer sehr effizienten Einrichtung gemacht wurde, die heute quer durch alle Parteien, quer durch alle Bundesländer in Österreich anerkannt ist. Auch das ist ein besonderes Verdienst der österreichischen Umweltpolitik und von ÖVP-Umweltministern.

Ein Letztes noch: Wir haben im Bereich der Umweltförderung in allernächster Zeit im Zusammenhang mit der Gestaltung des Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetzes eine wichtige Aufgabe zu bewältigen. Ich glaube, daß es ein Gebot der Stunde ist, eine Einrichtung zu schaffen, die es ermöglicht und sicherstellt, daß der Strom aus erneuerbaren Energieträgern wirtschaftlich produziert wird und daß dieser Strom auch abgenommen wird. Zu dieser Wirtschaftlichkeit muß, wie immer bei neuen Technologien, in den ersten Jahren ein Förderkonzept beitragen, das wir derzeit gemeinsam mit unserem Herrn Umweltminister entwickeln. Ich bin überzeugt, daß es uns gelingen wird, durch ein kluges Förderprogramm auch diesen Technolo


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gien zum Durchbruch zu verhelfen. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

9.25

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen einbekennen, daß ich am Wochenende an keiner sportlichen Veranstaltung teilgenommen habe, daß ich auch nicht beim FC-Parlament mit dabei war. Ich habe mich in jene Unterlagen vertieft, die es heute zu besprechen gibt, und es war auch einiges in diesem Bereich zu finden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

So kommt man etwa darauf, Herr Abgeordneter Kopf, daß es zwar durchaus stimmt, daß die Umweltsituation in Österreich nicht so schlecht ist. Das ist wahr. Aber es stimmt auch, daß wir das Problem, und zwar generell im Bereich der Umwelt und des Umweltschutzes, haben, daß all jene Reduktionen, die geschafft werden, durch die absoluten Entwicklungen einfach überkompensiert werden. Und das macht es zum Problem, weil die Belastungen im absoluten Ausmaß einfach weiter steigen – wenn auch nicht so schnell, aber sie steigen.

Das ist etwas, was wir auch bereits im Nationalen Umweltplan finden, den ich hier auch mitgebracht habe, damit man sieht, wie dick und umfassend er ist, und den die Regierung im Juli letzten Jahres – nein, 1996 schon – zu ihrer Handlungsmaxime gemacht hat. Der Nationale Umweltplan hat auch seinen Niederschlag im Arbeitsübereinkommen gefunden, in dem es heißt, daß die ökologischen Leitlinien des Nationalen Umweltplans in der Politik der Bundesregierung zu beachten sind. Und dennoch müssen wir immer wieder zur Kenntnis nehmen, daß es einzelne Maßnahmen gibt, die einfach nicht in Übereinstimmung mit dem stehen, was hier im Nationalen Umweltplan sinnvollerweise und gut durchdacht formuliert worden ist.

Das ist ein Vorhalt, den sich diese Bundesregierung gefallen lassen muß: daß sie offenbar wider besseres Wissen in den konkreten gesetzlichen Maßnahmen nicht das vollzieht, was sie im Nationalen Umweltplan schon angekündigt hat. Und das ist etwas, was Sie auch von liberaler Seite immer wieder zu hören bekommen werden, weil wir der Meinung sind: Wenn man schon so etwas macht über drei Jahre, ausgehend von einer Umweltministerin der ÖVP, dann sollte man diese Ressourcen nicht investiert haben, ohne das Ergebnis zu beachten, sondern man sollte das Ergebnis verwenden. Daher ist es an der Zeit, das, was im Regierungsübereinkommen steht, auch wirklich durchzuführen. Die ökologischen Leitlinien des Nationalen Umweltplans sind zu berücksichtigen.

Wenn ich mir jetzt die Arbeit des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie ansehe, dann fällt mir auf, daß im Vergleich zu anderen Ressorts eines hier immer sehr, sehr vorbildhaft gemacht wird – das wird auch bei der Abfallwirtschaftsgesetznovelle 1998 wieder deutlich –: daß die Kostenschätzungen, die nach § 14 Bundeshaushaltsgesetz bei jedem Gesetz enthalten sein müßten, gerade vom Umweltministerium in vorbildlicher Art und Weise gemacht werden. Ich würde mir wünschen, daß diejenigen, die immer behaupten, Umweltpolitik hätte mit wirtschaftlichem Denken und dergleichen nichts zu tun, sich das einmal ansehen, um zu erkennen, daß vielleicht auch im Wirtschaftsressort eine so genaue Abschätzung von Folgekosten von Gesetzen machbar wäre.

Das würde genau in die von Ihnen genannte Kerbe, Herr Abgeordneter Kopf, schlagen, und zwar in der Weise, daß man weder dem öffentlichen Haushalt noch den privaten Unternehmerinnen und Unternehmern Lasten aufladen würde. Das wäre aber nur dann möglich, wenn man rechtzeitig darüber nachdenken würde, und zwar in einer so profunden Art und Weise, wie es etwa auch beim Abfallwirtschaftsgesetz geschieht, welche Kosten in der Folge damit verbunden sein werden. Aber ansonsten ist es wohl unbestritten, daß alles, was im Umweltbereich geschieht, business as usual ist. Das war beim letzten Budget so, das war beim vorletzten Budget so, und das ändert sich offenbar nicht, denn der Stellenwert, den die Umweltpolitik nicht nur in


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der österreichischen Politik, sondern auch in der europäischen Politik insgesamt hat, ist ein geringer geworden.

Man sieht das auch, wenn man die Ausgliederungsdebatte um das UBA verfolgt. Es ist doch auffällig, daß man dabei nicht bedenkt, welche ungerechtfertigten und vom Abgeordneten Schweitzer zu Recht angesprochenen Wettbewerbsverzerrungen da geschaffen werden. Denn das Umweltkontrollgesetz, das wir auch bereits als Vorlage im Hause haben, sieht vor, daß jetzt aus dem Umweltbundesamt eine eigene Gesellschaft, eine GesmbH, wird, es wird die Umweltschutzfachstelle des Bundes. Es steht im § 6 Abs. 1 lit. d, daß für die Tätigkeiten, die vom UBA ausgeführt werden, zumindest ein kostendeckendes Entgelt zu verlangen ist.

Es folgt dann eine dreiseitige Aufzählung all jener Aufgaben, die das Umweltbundesamt machen kann und machen darf, und es steht dann im Abs. 5 des § 6, daß darüber hinaus das UBA auch berechtigt ist, Tochtergesellschaften zu gründen. Das heißt, hier strebt man ganz offensichtlich einen Status an, der im wirtschaftlichen Bereich eine nicht unbeträchtliche Konkurrenz für Private sein wird.

Es ist nicht gerechtfertigt, daß es jetzt ein Unternehmen, ausgestattet mit Bundesmitteln, ausgestattet mit allen Voraussetzungen, die es etwa auch im Bereich der Analytik braucht, im privaten Wettbewerb geben wird, das nur ein zumindest kostendeckendes Entgelt verlangen muß. Das heißt, daß die Konkurrenz gegenüber anderen, die in wesentlich stärkerem Maße mit Kosten konfrontiert sind, nämlich den Privaten, unfair ist.

Wir wissen, daß es nicht nur im grenznahen Bereich bereits viele Labors unserer östlichen Nachbarn gibt, die mit hoher Qualität und geringen Kosten auch in Österreich Leistungen anbieten können, was dem Wettbewerb nur guttut, was aber das Problem mit sich bringt, daß durch jene Maßnahmen, die gerade bei uns im Bereich der Lohnnebenkosten gesetzt werden, österreichische Unternehmen zunehmend unter Druck geraten. Das wird durch jene Ausgliederung, die im Umweltkontrollgesetz bezweckt wird, noch verschärft. Das ist etwas, was die Liberalen nicht für sinnvoll halten, denn wenn ausgegliedert wird, darf es dadurch nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich sage, daß die Umweltpolitik "business as usual" ist, dann möchte ich pars pro toto nur die schon angesprochene CO2-Reduktionspolitik herausgreifen und herausstreichen, daß wir nach wie vor auf eine ökologische Steuerreform warten, daß es im Bereich der ökologischen Steuerreform zwar viele Ankündigungen gegeben hat, es aber bis heute nicht möglich war, daß wir uns hier im Hause zusammensetzen und einmal all jene Konzepte, die bereits existieren, daraufhin untersuchen, wo wir ohnehin einer Meinung sind. Das wäre etwas, was wir schnell umsetzen könnten und was auch von den Regierungsfraktionen zugelassen werden muß. Denn bisher waren es die Regierungsfraktionen, die keine Enquete zulassen wollten, wo wir eine solche Abgleichung machen könnten.

Es wäre ein leichtes, all jene Maßnahmen, die in allen Konzepten zur ökologischen Steuerreform von den einzelnen Fraktionen enthalten sind, zusammenzufassen und zu sagen, wo wir einer Meinung sind. Dies könnten wir dann auch umsetzen. Denn, meine Damen und Herren, als die Energiesteuer, die Elektrizitätsabgabe und die Erdgasabgabe eingeführt worden sind, insbesondere aber jetzt die Elektrizitätsabgabe im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes, sprich der Budgetsanierung des Jahres 1996, hat man die erneuerbaren Energieträger von dieser Besteuerung nicht ausgenommen. Es wird von diesem Rednerpult von vielen Kolleginnen und Kollegen immer wieder angemerkt, aber es wird schlicht und einfach nicht gemacht. Was spricht denn dagegen, daß wir die Elektrizitätsabgabe auf jenen elektrischen Strom, der durch erneuerbare Energieträger erzeugt wird, nicht einheben?

Auch im Weißbuch über erneuerbare Energieträger von der Europäischen Union ... (Abg. Kopf: Es gibt eine Doppelförderung!) Es gibt keine Doppelförderung. Sie wissen, Herr Abgeordneter Kopf, daß man auch im Rahmen der Europäischen Union eine Ausnahme machen kann. Es steht ausdrücklich im Weißbuch der Europäischen Union betreffend die erneuerbaren Energieträger drinnen, daß es für erneuerbare Energieträger erhöhte Einspeisetarife geben soll, und


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zwar einen Zuschlag von 20 Prozent, und somit einen Mehrbetrag für diese Einspeisetarife, gemessen am City-gate, also am Niederspannungsnetz, dort, wo unmittelbar eingespeist wird, und nicht so wie jetzt auf Verbundebene, sondern auf der Niederspannungsebene. Das ist ausdrücklich in diesem Weißbuch enthalten. Dies ist auch fair, denn es berücksichtigt jene Vorteile, die die erneuerbaren Energieträger haben.

Wir müssen zu fairen Einspeisetarifen kommen. Ich freue mich somit darüber, heute schon gehört zu haben, daß es auch im Bereich des ElWOG von seiten der Regierungsfraktionen offenbar noch Gesprächsbereitschaft gibt. Wenn wir es aber nicht schaffen, zu diesen fairen Einspeisetarifen zu kommen, dann werden wir das Feld der erneuerbaren Energieträger als zusätzliches Feld der Umweltpolitik, aber auch etwa als zusätzliches Feld der Einkommensbeschaffung für den bäuerlichen Bereich – Biomasse, Biogas, stichwortartig angesprochen – nicht erschließen können. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das fordern wir von den Liberalen aber vehement, denn nur über faire Rahmenbedingungen ist es möglich, die erneuerbaren Energieträger zu entwickeln.

Meine Damen und Herren! Es wäre angemessen, im ElWOG etwa auch vorzusehen, daß es in Österreich einen Ökostrommarkt geben kann. Denn was spricht denn dagegen? Wenn einzelne private Personen, private Unternehmen auftreten und sagen, wir möchten einen Ökostrommarkt etablieren, wir möchten Stromhändler sein in Österreich und nur zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie erzeugte Elektrizität verkaufen, dann sollte das nach dem ElWOG auch möglich sein. Es wäre gut, wenn wir in diesem Zusammenhang noch zu einer Gesprächsrunde zusammenfinden würden und das etablieren könnten, denn derzeit ist es im Entwurf des ElWOG nicht enthalten.

Meine Damen und Herren! Letzter Punkt: Antiatompolitik. Dazu hat sich ja Herr Bundesminister Bartenstein auch in den letzten Tagen geäußert. Aber wahr ist, daß wir die Problematik der an unseren Grenzen stehenden Atomkraftwerke nur im Rahmen der Europäischen Union werden lösen können. Daher sage ich auch heute von dieser Stelle aus: Die Ernsthaftigkeit der Sorge, die von Bundeskanzler Klima in den letzten Tagen, aber auch von Herrn Bundesminister Bartenstein ausgedrückt worden ist, wird sich daran messen lassen, wie ernst man an die Umsetzung jenes Entschließungsantrages vom Juli letzten Jahres gehen wird, der vorsieht, daß etwa auch auf europäischer Ebene der Euratom-Vertrag geändert werden muß. Erst wenn die Bundesregierung dem wirklich Vorrang gibt, werden wir von den Liberalen diese Umweltpolitik auch wirklich loben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte.

9.36

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Erfreut stelle ich fest, daß mein Ausschußvorsitzender bereits wieder da ist, der offensichtlich beim Fußballspiel sehr treffsicher ist, bei seinen Aussagen zur Umweltpolitik der Koalitionsregierung allerdings etwas weniger Treffsicherheit bewiesen hat. Ich stellte jedoch fest, daß in den bisherigen Ausführungen von Oppositionsabgeordneten doch relativ viel Kreide im Vergleich mit früheren Aussagen drinnen war, was darauf schließen läßt, daß unsere Umweltpolitik nicht so schlecht sein kann, Herr Minister. Es kommt zwar noch Kollegin Langthaler zu Wort, aber ihre Ausführungen können auch nicht so schlimm werden, denn Kollegin Langthaler hat zum Beispiel angesichts des Kyoto-Ergebnisses von einem historischen Tag für die Umwelt gesprochen, was Schweitzer allerdings nicht getan hat. Man sieht also, daß es da eine große Bandbreite von Meinungen gibt.

Ich glaube, ein weiteres Indiz dafür, daß unsere Umweltpolitik nicht so schlecht sein kann, ist, daß es bis jetzt, also Ende Mai, auch noch kein großartiges "Ozongeschrei" und keinen "Ozon-Aktionismus" gegeben hat. Ich bin da auch optimistisch und hoffe, daß es in etwa so bleiben wird.

Herr Bundesminister! Ich sehe auch keinen Stillstand und schon gar nicht einen Rückschritt in der Umweltpolitik, weil gerade Österreich – ich werde darauf noch näher eingehen – auch inter


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national doch einiges mitbewegen kann, wenngleich ich doch anmerken möchte – und das ist uns, glaube ich, allen klar –, daß im Bewußtsein der Bevölkerung der Umweltpolitik nicht so große Bedeutung beigemessen wird oder diese etwas an Bedeutung verloren hat, weil es eben andere Sorgen, Arbeitsplatzprobleme und ähnliche Dinge, gibt.

Ich habe das sehr deutlich gemerkt. Ich war mit einigen Kollegen wieder bei der größten europäischen Umweltmesse, der ENVITEC in Düsseldorf. Da mußten wir feststellen, daß auch die Zahl der Besucher von etwa 55 000 auf etwa 30 000 bis 35 000 zurückgegangen ist, was ein Indiz dafür ist, daß das Interesse erlahmt. Das könnte natürlich auch bedeuten, daß, nachdem diese Messe früher sehr stark mit End-of-pipe-technology beschickt war, bereits vieles geschehen ist und vieles an Anlagen jetzt nicht mehr notwendig ist. Aber dies gibt ein bißchen zu denken.

Hohes Haus! Ich glaube, daß wir Regierungsparteien in der Umweltpolitik der letzten Jahre eine Vielzahl strategischer Weichenstellungen erfolgreich vorgenommen haben und auch einige wichtige konkrete Maßnahmen setzen konnten. Ich behaupte nach wie vor, wir haben unsere Hausaufgaben recht gut gemacht. Das betrifft vor allem die Abfallpolitik, die Weichenstellung hin zur thermischen Entsorgung, zu der ich mich nachdrücklich und ausdrücklich bekenne, und die Festlegung, daß alle Deponien dem letzten Stand der Technik bis 2004 entsprechen müssen und daß dann nur mehr inertes Material, also nicht mehr klimarelevantes Material, abgelagert werden darf. Es wird allerdings weiterhin notwendig sein, hier mit Nachdruck am Ball zu bleiben, damit es keine Ausnahmen gibt.

Das betrifft auch die Änderung der Verpackungsverordnung, mit der wir Sozialdemokraten nie eine besondere Freude hatten. Aber es sind offensichtlich doch einige Verbesserungen gelungen. Ich glaube aber auch, daß bei Ablauf der Lizenzierungsverträge um das Jahr 2001 die Chance für eine Gesamtreform des Systems wieder gegeben ist, die wir nützen sollten.

Die Wasserreinhaltepolitik haben wir durch drei Novellen des Wasserrechtsgesetzes, wie ich meine, auch sehr gut vorangetrieben, insbesondere verbunden mit einer Senkung des Verwaltungsaufwandes und einer Straffung der behördlichen Verfahren. Ich denke da an die neuen Regelungen für die Indirekteinleiter. Das bringt beachtliche Einsparungen an Verfahren. Da hat sicherlich Schweitzer auch nicht recht, wenn er meint, wir seien kein Umweltmusterland, weil die Kollegen des Herrn Ministers nicht mitspielten.

Ganz im Gegenteil: Es gibt eine Reihe von Bundesministern, die sich erfolgreich auch im Sinne der Umweltpolitik eingeschaltet haben. Ich denke etwa an Molterer, an Einem und durchaus auch an Farnleitner. (Abg. Mag. Schweitzer: Was hat Einem gemacht?)

Hinsichtlich der Fließgewässer sind wir äußerst erfolgreich. Natürlich haben wir viel zu tun im Bereich des Grundwasserschutzes, Stichwort Altlasten, aber auch Stichwort Probleme in der Landwirtschaft, die wir noch zu lösen haben.

Wir haben ein neues Immissionsschutzgesetz, das sicherlich wieder einen Fortschritt gebracht hat, mit einem umfassenden Meßstellennetz für ein bundesweites Monitoring.

Auf der Erfolgsseite zu verbuchen ist die Schaffung unserer Nationalparks. Mit dem letzten, nämlich Donau-March-Thaya-Auen, haben wir bereits fünf.

Es gäbe noch eine ganze Reihe von Dingen, die man anführen könnte, etwa die Investitionen im Bereich des Ökofonds, der Wasserwirtschaft, die ja auch sehr beschäftigungswirksam waren.

Besonders herausstreichen möchte ich noch einmal unsere Bemühungen in der internationalen Umweltpolitik, die ja jetzt dann die Chance haben werden, im Jahr der österreichischen Präsidentschaft weiterentwickelt zu werden.

Letztlich, Herr Bundesminister, wurden in diesem Zeitraum auch wieder eine ganze Reihe von für uns sehr wichtigen Studien, insbesondere durch das Umweltbundesamt, herausgegeben, etwa ein Umweltbericht gemeinsam mit dem Statistischen Zentralamt. Der von Kollegen Bar


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müller bereits erwähnte Nationale Umweltplan ist sicherlich ein ganz wichtiger Schritt, der in unserer Umweltpolitik gesetzt wurde.

Es lassen sich also erhebliche Erfolge vorweisen, die einen Beweis dafür darstellen, daß es keinen Stillstand oder Rückschritt in der Umweltpolitik gegeben hat.

Herr Bundesminister! Ich muß allerdings nach dieser Analyse auch anmerken, daß die umweltpolitische Arbeit mit Ihnen persönlich nicht ganz leicht war und keinesfalls friktionsfrei gelaufen ist, und meine, darunter hat die Umweltpolitik trotz ihrer Erfolge auch ein bißchen gelitten. Das trifft vor allem auf unsere kontroversiellen Ansichten zur Ausgliederung des Umweltbundesamtes zu, wo wir durchaus früher zu einer sachlichen Diskussion finden hätten können, denn ich glaube, daß das Ergebnis, das wir jetzt nach langen Verhandlungen erzielt haben, durchaus herzeigbar ist, wenn die EU sozusagen ihr Placet gibt. Das trifft auch zu für die Klimapolitik, wo Sie sich meiner Ansicht nach auch ein bißchen weit aus dem Fenster gelehnt haben, worüber man durchaus noch vernünftig reden sollte, wobei ich nach wie vor auch unser nationales Toronto-Ziel im Auge habe. Aber man muß das wirklich mit allen Betroffenen diskutieren.

Gescheitert sind Sie meiner Ansicht nach in der Frage der Beschleunigung der Verfahren und der Entbürokratisierung des Umweltschutzes. Ihr UVP-Gesetzentwurf ist vor allem von der Wirtschaft mit vernichtender Kritik bedacht worden. Was mir ein bißchen leid tut, ist, daß in Gesprächen zu erkennen ist, daß sozusagen Ihr Image als Gesprächspartner im Bereich der Industrie und der Wirtschaft deutlich gelitten hat. Mir tut dies deshalb leid, weil Sie selbst einmal Umweltsprecher Ihrer Partei, einer Wirtschaftspartei, waren und aus der Industrie kommen.

Herr Bundesminister! Ich möchte abschließend an Sie appellieren, vielleicht in Zukunft die Zusammenarbeit mit dem Parlament etwas besser zu gestalten (Beifall des Abg. Mag. Schweitzer ) , uns nicht immer schon mit fertigen Konzeptionen zu überraschen und über manches vorher zu diskutieren, um so zu einem Konsens zu finden.

Alles in allem ist eine recht positive Bilanz der österreichischen Umweltpolitik zu ziehen, allerdings mit einigen von mir angesprochenen Wermutstropfen und dem Bewußtsein, daß es vielleicht auch noch etwas mehr hätte sein können. Dieses Mehr an umweltpolitischen Erfolgen sollten wir, Herr Bundesminister, jedenfalls in Zukunft in noch intensiverer gemeinsamer Arbeit auch mit den Oppositionsparteien anstreben. (Beifall bei der SPÖ.)

9.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Ing. Langthaler zu Wort. – Bitte.

9.45

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Alle meine Vorredner haben – sei es direkt oder indirekt – in ihren Redebeiträgen etwas anklingen lassen, nämlich daß sich die Umweltdebatten hier im Rahmen der Budgetdiskussion in den letzten Jahren ein bißchen verändert haben. Ich meine, das ist auch deshalb so, weil sich die Umweltpolitik und die Ausgangssituation in Österreich und in Europa insgesamt etwas verändert haben. Noch vor einigen Jahren, als Umwelt ein vielleicht für viele noch eher neues Thema war, war es doch eher so, daß hier in vielen Fällen recht akute Skandale zur Sprache gebracht wurden, wo es darum ging, einmal mit ersten Reparaturmaßnahmen anzusetzen. Ein gutes Beispiel dafür ist der ganze Bereich Altlastensanierung, wo es noch vor einigen Jahren darum ging, auch hier bei den Budgetdebatten aufzuzeigen, wo es ganz konkret unglaubliche Defizite und deshalb eben auch echte Skandalfälle gibt, wie eben Fischer-Deponie oder Berger-Deponie, und welches System im Umweltrecht so etwas erst ermöglicht.

In diesem Bereich, in diesem klassischen Bereich ist in den letzten fünf, sechs Jahren natürlich etwas passiert – das werden meiner Ansicht nach auch alle Oppositionspolitiker zugeben. Es wurden die legistischen Rahmenbedingungen geschaffen, es wurden zweifellos die Emissionsstandards geschaffen, sodaß es zu so etwas wie noch vor zehn, 15 Jahren nicht mehr kommen kann. Deswegen, weil es eben – Gott sei Dank, sage ich – nicht mehr den Umweltskandal der Woche in diesem Ausmaß geben kann, haben möglicherweise auch manche den Eindruck ge


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wonnen, wie eben mein Vorredner Keppelmüller, daß die Umwelt nicht mehr den entsprechenden Stellenwert in der Bevölkerung hätte. Ich sehe das überhaupt nicht so. Allein das aktuelle Beispiel Mochovce zeigt doch, wie groß gerade in Österreich das Umweltbewußtsein ist. Ich meine, daß das Umweltbewußtsein in der Bevölkerung Österreichs noch immer weit größer ist als das Umweltbewußtsein unserer Bundesregierung. Da gibt es schon einige Beispiele, die das eindeutig darlegen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Kollegin Gabriela Moser wird noch im Detail auf Mochovce eingehen. Aber natürlich ist das ein typisches Beispiel dafür, wie man Umweltpolitik nicht machen soll. Sie haben uns immer vorgeworfen, daß wir zu ad hoc, zu ungeplant Forderungen stellen, sozusagen Feuerwehrmaßnahmen verlangen würden. Aber was Sie uns geboten haben – nicht Sie persönlich und alleine, Herr Umweltminister, sondern die gesamte Bundesregierung –, war das Beispiel, wie es nicht gehen sollte und wie man sich auch in eine argumentative Sackgasse begibt.

Das begann damit, daß Sie viel Zeit einfach nicht genutzt haben, um wirklich darzustellen, was es bedeutet, wenn eine Bundesregierung meint, sie kämpft für ein atomkraftfreies Europa, und welche finanzielle Angebote an die Nachbarstaaten notwendig sind. Es darf auch kein Unterschied gemacht werden zwischen Atomkraftwerksplänen in Mochovce oder Temelin oder auch bestehenden Atomkraftwerken wie Krško, Paks oder Bohunice. In diesem Fall zu differenzieren und Angebote zu machen, die darauf hinzielen wollten, angeblich jetzt das Atomkraftwerk Mochovce sicherer zu machen, das ist der falsche Weg. Das würde nämlich signalisieren, daß Österreich doch letztlich der Auffassung ist, daß es sichere Atomkraft gibt. Und damit manövriert man sich in eine Sackgasse.

Diesen Fehler macht man offensichtlich genau dann, wenn es nicht wirklich eine Strategie und auch keine langfristige Planung gibt. Und genau die langfristige Planung ist in einer modernen Umweltpolitik einfach essentiell. Es geht heutzutage darum, daß man eben nicht mehr Umwelt als Einpunktmaterie erkennt, sondern daß man erkennt, daß das ein interdisziplinärer Bereich ist, den man diskutieren muß, daß das ein Bereich ist, der eng verwoben ist mit der Finanzpolitik, mit der Wirtschaftspolitik, mit der Energiepolitik, und daß es darum geht, all diese einzelnen Politikfelder eben ökologisch entsprechend zu bereichern.

Mein Vorredner, Abgeordneter Keppelmüller, hat gemeint, er wäre in einem Fall sehr enttäuscht vom Umweltminister, nämlich im Falle des UVP-Gesetzes und der vorgelegten Novelle. Daher möchte ich kurz darauf eingehen. Da bin ich völlig anderer Meinung. Ich halte das UVP-Gesetz trotz all seiner Mängel für eines der wesentlichen Umweltgesetze, die wir hier in den letzten Jahren beschlossen haben. Das ist ein gutes Gesetz, das man verbessern muß. Ich halte in diesem Fall den Novellenvorschlag des Umweltministers für ausgezeichnet. Es tut mir sehr leid, daß er offensichtlich nicht die volle Unterstützung aller Mitglieder des Umweltausschusses findet, sodaß man den Entwurf für diese Novelle, so wie er vom Ministerium erarbeitet wurde, nicht so schnell wie möglich umsetzen kann.

Herr Abgeordneter Keppelmüller! Im letzten Umweltrat, wo von den Koalitionsparteien meiner Erinnerung nach leider nur ein Abgeordneter von der ÖVP und Abgeordneter Kummerer von der SPÖ anwesend waren, haben wir darüber diskutiert, welche Vorteile, aber auch Anlaufschwierigkeiten es für alle Beteiligten, von den Betreibern bis zu den Bürgerinitiativen und Behördenvertretern, gibt.

Ich hoffe sehr, Herr Minister, daß Sie nicht aufgrund der Zwischenrufe und Diskussion seitens Bundeswirtschaftskammer und Industriellenvereinigung von den Verbesserungen abrücken, die in diesem Novellenvorschlag enthalten sind, und nicht, so wie jetzt offensichtlich bei den Reduktionszielen von Kyoto, der Industrie nachgeben.

Ich komme zum nächsten Thema: Herr Bundesminister! Ich war wirklich enttäuscht darüber, was ich in den letzten Tagen in der Zeitung verfolgen mußte. Sie haben in Kyoto, aber auch nachher immer wieder öffentlich gemeint, daß Sie für die Reduktion der CO2-Emissionen eintreten und insgesamt am Reduktionsziel der Treibhausgase festhalten werden, und zwar an dem, was Sie auch in Kyoto als österreichischer Vertreter vorgeschlagen haben, aber selbstverständ


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lich parallel dazu auch an den Zielsetzungen des nationalen Toronto-Zieles. Daran sieht man meiner Ansicht nach eines, nämlich wie ernst oder eben nicht ernst nicht verbindliche Ziele genommen werden.

Das Toronto-Ziel war nie ein verbindliches Ziel. Es stand in drei Energieberichten und wurde in fast jeder Regierungserklärung immer wieder zitiert. Wirklich getan hat man allerdings in dieser Richtung nichts, denn sonst könnte es nicht sein, daß die CO2-Emissionen nach wie vor steigen oder wir eben, wie Sie es ausdrücken, Herr Bundesminister, CO2-Emissionen von einem sehr hohen Niveau haben. Dieses Ziel wurde leider nie ernst genommen. Jetzt wird es aber ernst, und deshalb, Herr Abgeordneter Keppelmüller, habe ich auch nach Kyoto von einem historischen Ergebnis gesprochen, und dabei bleibe ich auch, weil sich jetzt zeigen wird, was passiert, wenn ein Ziel verbindlich ist. Das halte ich für einen Quantensprung in der gesamten Umweltpolitik, daß Ziele endlich auch verbindlich festgeschrieben werden und daß es bei Nichterreichung des Ziels auch Strafen geben wird. In welcher Form dies geschehen soll, wird erst noch alles heuer in Buenos Aires ausdiskutiert werden müssen, aber ich hoffe sehr, daß tatsächlich jene Länder, die zuerst groß ankündigen, welche Ziele sie verfolgen wollen, und diese dann aber nicht erreichen, weil sie sie offensichtlich nicht ernst nehmen, auch entsprechend zur Kasse gebeten werden. Ich halte es für wichtig, daß endlich Umweltziele wirklich verbindlich nicht nur national, sondern auch international festgesetzt werden und daß es entsprechende Konsequenzen bei Nichteinhaltung gibt. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Ich hoffe, Sie werden uns heute in Ihrer Antwort hier mitteilen, was Sie nun tatsächlich als österreichischer Umweltminister am 16. Juni im EU-Umweltministerrat vertreten wollen. Ich entnehme den Zeitungen, Sie wollen jedenfalls einen Einser vorne stehen haben bei Ihrem Reduktionsziel. Ursprünglich waren wir bei minus 20 Prozent als Angebot von österreichischer Seite. Wenn es unbedingt ein Einser sein muß, damit Sie gegenüber der Industrie Ihr Gesicht wahren können, dann meine ich, daß wir uns hier auf 19,5 werden einigen können, aber keine Zahl darunter. Das ist sonst unglaubwürdig. Alle, die in diesem Fall von seiten der Bundesregierung Verantwortung tragen, machen erneut den gleichen Fehler wie bei der Atomkraft. Man wird einfach unglaubwürdig innerhalb Europas, aber auch international, wenn man vorher groß redet und dann, wenn es ernst wird, nichts tut. Das geht nicht! Man muß dann auch zu seinem Wort stehen. Wenn man einmal minus 20 Prozent international, auch innerhalb der EU, versprochen hat, kann man nicht ein paar Monate später, wenn der Druck der Industrie kommt – er ist zwar diesmal eher später gekommen, aber jetzt ist er ordentlich da –, so weit von seinem ursprünglichen Ziel zurückfallen. (Abg. Kopf: Jetzt bleib ein bißchen seriös!)

Ich hörte aus Ihrem Ministerium, Sie pendeln sich eben bei einem Reduktionsziel von 12 bis 13 Prozent von seiten Österreichs ein. Ich kenne auch Ihre Argumentation, daß es unzulässig ist, daß Länder wie Portugal und Spanien Zuwachsraten in diesem Ausmaß zugestanden bekommen. Da teile ich Ihre Meinung: Plus 40 Prozent für Portugal ist inakzeptabel, aber trotzdem muß Österreich bei seiner Vorgabe von minus 20 Prozent bleiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Ganz kurz zum nächsten Bereich, der auch vom Abgeordneten Keppelmüller angesprochen wurde, indem er meinte, da gebe es Gott sei Dank noch kein Geschrei, nämlich zum Bereich Ozon und Ozonpolitik. Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie daran erinnern, daß Sie hier ein Gesetz beschlossen haben, nach dem bis zum Ende des Jahres 1996 einerseits die Stickoxidemissionen und andererseits die flüchtigen Kohlenwasserstoffe signifikant hätten reduziert werden sollen. Ich möchte Sie davon informieren, daß diese Reduktionsziele nicht erreicht wurden, weder mit Ende 1996, noch werden sie bei der nächsten Stufe erreicht werden, die kurz nach dem Jahr 2000 erreicht sein wird. Es ist in diesem Fall so wie beim Toronto-Ziel, obwohl es diesmal sogar in einem Gesetz steht, aber es steht eben nur als Ziel drinnen, daß Österreich eben verpflichtet wäre, diese Emissionen zu reduzieren. Es steht allerdings leider nicht in diesem Gesetz drinnen, was denn eigentlich passiert, wenn Österreich dieses Ziel nicht erreicht.

Herr Umweltminister! Wir haben es nicht erreicht. Jetzt ist es zwar so, daß man bei diesem Problem nicht unmittelbar den Umweltschaden sieht und nicht die Leute umfallen, weil sie krank werden, sondern es handelt sich um etwas, was natürlich längerfristig sowohl auf ökologischem


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als auch auf gesundheitlichem Gebiet ein großes Problem darstellt, wenn wir es nicht schaffen, vor allem den Verkehr und die damit verbundenen Stickoxide endlich zu reduzieren, und wenn es nicht gelingt, Umwelt- und Verkehrspolitik weit mehr miteinander zu verknüpfen, als es bisher der Fall war. Herr Umweltminister, wenn es ein Schwerpunkt von Ihnen sein soll, daß Sie bei der EU-Präsidentschaft Umwelt und Verkehr zusammenführen wollen, dann müssen Sie gerade in dem Bereich, wo Sie originär zuständig sind, nämlich beim Ozongesetz, endlich mehr und konsequentere Schritte setzen, um die im Gesetz vorgeschriebenen Reduktionsziele zu erreichen, denn sonst werden Sie erneut unglaubwürdig, wenn jetzt angekündigt wird, ein Schwerpunkt der EU-Präsidentschaft seitens des Umweltministers werde eben das Thema Umwelt und Verkehr sein.

Herr Umweltminister! Schauen Sie sich das Ozongesetz an, denn es wird, sollte heuer ein warmer Sommer in Österreich sein, mit Sicherheit zu Überschreitungen der Ozongrenzwerte kommen. Es ist ein Faktum, daß wir die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht haben und somit auch Sie in einigen Bereichen offensichtlich auch Ihr selbstgestecktes Ziel nicht erreicht haben. (Beifall bei den Grünen.)

Es sei noch ein weiterer Bereich kurz angeführt, nämlich das Umweltbundesamt. Es wurde hier schon die geplante Ausgliederung diskutiert. Bis heute konnte mich niemand davon überzeugen, daß die Ausgliederung des Umweltbundesamtes ein vernünftiger Schritt ist. Ich sehe auch nicht, daß das budgetär irgend etwas bringt. Das kann man in den verschiedenen Unterlagen, die es zu diesem Thema gibt, auch nachlesen.

Vor nur zwei Tagen hat der Präsident des Rechnungshofes, Dr. Fiedler, in einem längeren Interview im "Mittagsjournal" generell davon gesprochen, daß sich Ausgliederungen des Bundes in verschiedenen Bereichen als nicht zweckmäßig erwiesen haben. Er hat dabei vor allem den ganzen ASFINAG-Bereich angesprochen, aber auch andere Bereiche. Er hat nicht explizit das Umweltbundesamt erwähnt, aber seine Aussagen kann man selbstverständlich nahtlos auch auf diesen Bereich umlegen.

Für mich ist nicht nachvollziehbar, weshalb man sich in die Gefahr begibt, sich durch diese Ausgliederung zwei Problembereiche zu schaffen. Der erste Problembereich, der für mich der signifikanteste ist, ist, daß es bei den Menschen, die dort arbeiten, wirklich zu einer Unvereinbarkeit kommt: einerseits im Auftrag der Hoheitsverwaltung Unterlagen zu erstellen, zu prüfen und andererseits eben als Auftragnehmer bei Unternehmen vorstellig zu werden, um Projekte und Aufträge zu akquirieren. Das ist aus meiner Sicht eine Situation, die mittel- und langfristig dazu führen wird, daß es zu Unvereinbarkeitsregelungen kommt. Ich glaube, daß es nicht zweckmäßig ist, sich diese Gefahr ins Haus zu holen.

Den zweiten Bereich haben die Kollegen Schweitzer und Barmüller bereits angeführt. Selbstverständlich würde diese neue Situation, in der sich das Umweltbundesamt Aufträge am freien Markt suchen soll – das ist ja offensichtlich der Grund für diese Ausgliederung –, eine große Konkurrenz gegenüber allen anderen Zivilingenieurbüros darstellen, und zwar mit einem erheblichen Wettbewerbsvorteil, da braucht man sich überhaupt nichts vorzumachen.

Ich meine, das sind beides Problembereiche, die man sich ersparen könnte. Diese Ausgliederung bringt vor allem budgetär nichts. Also geht das Argument, daß man sozusagen unter dem Mäntelchen mehr privat weniger Staat öffentliche Gelder einsparen würde, ins Leere. Ich weiß, daß wir das in Kürze im Umweltausschuß zwar diskutieren werden, und wahrscheinlich werden Sie diese Ausgliederung beschließen, aber ich möchte schon heute anmerken, daß die grüne Fraktion nach wie vor gegen diese Ausgliederung und der festen Überzeugung ist, daß das Umweltbundesamt in der Form, wie es jetzt arbeitet, weiterarbeiten soll. (Beifall bei den Grünen.)

Es sei noch kurz ein Bereich angesprochen, das ist die Abfallpolitik. Die Verpackungsverordnung wurde auch bereits erwähnt. Schauen Sie sich doch die Zahlen aus dem Nielsen-Bericht an, wenn wir darüber reden, ob sich im Bereich Abfallvermeidung in Österreich etwas getan hat. Von seiten der Industrie werden ja immer Markterhebungen gemacht, und es ist ein Faktum, daß gerade im Bereich der Kunststoffverpackungen ein signifikanter Anstieg zu verzeichnen ist.


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Während vor nur wenigen Jahren, nämlich vor zwei Jahren, der Anteil von Plastikflaschen bei Limonaden und Mineralwasser nur 2 Prozent betrug, liegt dieser Anteil heute bei 27 Prozent. In nur zwei Jahren hat sich also der Anteil der Kunststoffflaschen im Bereich der Getränkeverpackungen signifikant erhöht.

Ich halte es ökologisch für einen absoluten Irrweg, wenn man gut funktionierende Mehrweggebinde und die damit verbundenen Systeme einfach kaputtmacht. Denn dies führt dazu, daß in der Folge natürlich noch mehr Abfall produziert wird und – damit verbunden – vorher auch noch mehr Rohstoffe vernichtet werden. Dies hat nichts mit Abfallvermeidung und auch nichts mit einer nachhaltigen Umweltpolitik zu tun. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Schluß kommend möchte ich noch den wichtigen Bereich der Ökologisierung des Steuersystems ansprechen. Herr Bundesminister! Ich würde unbedingt erwarten, daß Sie als Umweltminister gerade diesen Bereich zum Schwerpunkt im Rahmen der EU-Präsidentschaft machen. Die Ökologisierung des Steuersystems ist einer der wichtigsten Meilensteine einer künftigen Umweltpolitik!

Morgen werden die Grünen im Hohen Haus ihren diesbezüglichen Vorschlag präsentieren, es handelt sich um ein gutdurchdachtes Konzept. Ich darf Ihnen mitteilen, Kolleginnen und Kollegen von seiten der ÖVP, daß auch Ex-Vizekanzler Riegler an dieser Präsentation teilnehmen und anwesend sein wird. Dieser hat nämlich schon vor Jahren erkannt, daß es notwendig wäre, auch in Österreich endlich dahin gehend etwas zu unternehmen. Wir sollten endlich mit der Diskussion aufhören, daß dies nur europaweit möglich ist. Derzeit gibt es innerhalb Europas keine Harmonisierung im Steuerrecht. Deshalb gibt es genug Spielraum für eine nationale Ökosteuer. Ich bitte Sie wirklich, dieses Thema nicht weiter auf die lange Bank zu schieben. Ich hoffe sehr, daß man vor dem Budget des Jahres 2000 eine Steuerreform beschließt, in der endlich eine Ökologisierung des Steuersystems enthalten sein wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

10.02

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Eingangs meiner Ausführungen möchte ich dem Vorsitzenden des parlamentarischen Umweltausschusses gerne bestätigen, daß ich – möglicherweise schon anläßlich der nächsten Sitzung des Umweltausschusses am 3. Juni – selbstverständlich bereit sein werde, über die Vorhaben im Bereich des Umweltschutzes während der österreichischen EU-Präsidentschaft Auskunft zu geben und darüber zu diskutieren. Ich bin auch der Ansicht, daß dies vom Zeitpunkt her deswegen sinnvoll ist, weil sich die Konturen mittlerweile insofern verfestigt haben, als wir bereits in etwa wissen, was die englische Präsidentschaft fertigbringen wird. Daher können unsere Aufgabengebiete enger abgegrenzt werden, als dies noch vor einigen Monaten der Fall gewesen wäre.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu einem Thema, nämlich zum Thema Atompolitik, möchte ich deswegen erst in einer zweiten Wortmeldung Stellung nehmen, weil angekündigt wurde, daß nachfolgende Debattenredner darauf noch eingehen werden. (Beifall des Abg. Mag. Schweitzer. )

Ich möchte mich nun mit zumindest einem Teil der Themen beschäftigen, die bisher im Vordergrund Ihrer Ausführungen standen.

Zunächst ein paar Anmerkungen zum ersten Thema, nämlich zum Thema Klimaschutz und Kyoto. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schweitzer! Sie haben in Ihren Ausführungen kritisiert, ich hätte mich in den letzten Tagen vom Toronto-Ziel verabschiedet und würde eine Politik vertreten, die anders als noch vor einigen Monaten laute. – Das stimmt nicht! Ich habe mich nicht vom Toronto-Ziel verabschiedet. Ganz im Gegenteil: Ich stehe genauso wie die Damen und Herren des Hohen Hauses zu dieser innerstaatlichen Verpflichtung, die ja in den Energieberichten der Jahre 1990, 1993 und 1996 – der Energiebericht des Jahres 1996 ist ja der nach wie vor


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gültige – auch vom Hohen Hause zur Kenntnis genommen worden ist. Diese wird in mehreren Entschließungen des Nationalrates vertreten.

Im Hinblick auf die von Frau Abgeordneter Langthaler in Frage gestellte Glaubwürdigkeit möchte ich aber folgendes festhalten: Auch andere Länder haben nationale Selbstverpflichtungen – etwa Deutschland, Dänemark, aber auch England. Andere EU-Länder sind aber genauso wie Österreich der Ansicht, daß zwischen diesen nationalen Selbstverpflichtungen auf der einen Seite und der nun völkerrechtlich verbindlich auszuverhandelnden Verpflichtung nach dem Kyoto-Ziel innerhalb der EU-Glocke – das mittlerweile schon berühmt gewordene Burden-sharing – durchaus Unterschiede bestehen können und bestehen sollen.

In diesem Sinne, sehr geehrte Frau Abgeordnete Langthaler, habe ich formuliert: Aus österreichischer Sicht sollte bei unserem EU-Reduktionsziel vorne ein Einser stehen. Warum? – Gemeinsam mit Finnland und den Niederlanden ist Österreich eines jener drei Länder, die zwischen dem Status-quo-Szenario und dem Ziel, mit dem wir nach Kyoto gefahren sind, nämlich einer Reduktion von minus 25 Prozent, den größten Unterschied aufweisen. Wäre Kyoto mit einer Verpflichtung für die Industrieländer von minus 15 Prozent ausgegangen, würde die Situation freilich anders aussehen. Dann wären wir meiner Ansicht nach wohl gemeinsam der Auffassung, daß Österreich auch im Rahmen der Europäischen Union zu diesem Verpflichtungsziel von minus 25 Prozent für das Jahr 2010 steht.

Doch dem ist ja nicht so. Wenn die Europäische Union mit dem Ziel von minus 15 Prozent nach Kyoto fährt und mit einem Ergebnis von minus 8 Prozent zurückkommt, dann sollte dies auch in unserem Anteil am EU-Verpflichtungsziel, an der EU-Lastenverteilung seinen Niederschlag finden.

Warum? – Da geht es auch um die Frage der Fairneß und der Gerechtigkeit, um die Frage, um welche Quote die anderen Länder reduzieren. Es ist auch zu registrieren, daß die Bundesrepublik Deutschland sehr wohl ebenso mit dem Ziel von minus 25 Prozent nach Kyoto gegangen ist, aber durch die Wiedervereinigung 10 Prozent und mehr an Reduktion schon automatisch mitnehmen kann. Es geht darum, daß ein mit Österreich durchaus vergleichbares Land wie Frankreich – nämlich hinsichtlich der CO2-Emissionen pro Kopf, nicht hinsichtlich der Atomkraft –, das noch dazu ein Land ist, dessen Umweltpolitik von einer aus dem grünen Bereich kommenden Umweltministerin gemacht wird, die ich sehr schätze, mit einer Quote von plus/minus 0 Prozent ja weit weniger tut, als es tun sollte.

Weiters geht es darum, daß man selbstverständlich auch in die Zukunft blicken muß. Mit Entwicklungsländern wie China und Indien wird man nicht in einigen Jahren über eine Stabilisierung von Reduktionszielen sprechen können, wenn gleichzeitig Länder wie Portugal heute nicht mehr minus 40 Prozent, sondern – nach dem jüngsten Vorschlag der englischen Präsidentschaft – plus 24 Prozent angeboten haben. Das wird nicht leicht möglich sein, weil zwischen Portugal und China hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstandes große Unterschiede bestehen.

Genau darum wird es in den nächsten Tagen gehen. In den Ratssitzungen am Abend des 15. und dann am 16. und 17. Juni müssen die Entscheidungen über dieses Burden-sharing fallen, vor allem auch deswegen, weil die Europäische Union sich danach dringend mit der Gestaltung einer gemeinsamen Politik und flexiblen Mechanismen und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele auseinandersetzen muß. Nicht alles, nur ein gewisser Teil ist national machbar. Ein guter Teil der Reduktionsziele muß durch EU-koordinierte und gemeinsame Maßnahmen erreicht werden.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Keppelmüller! Ich frage mich schon, wie ich Ihre Ausführungen dahin gehend bewerten soll, daß ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt hätte. Die Bundesregierung hat dieses sogenannte Aus-dem-Fenster-Lehnen zur Kenntnis genommen, denn die minus 25 Prozent, die wir in den Verhandlungsprozeß vor Kyoto eingebracht haben, waren selbstverständlich in der Regierung akkordiert.

Zum zweiten, Herr Abgeordneter Keppelmüller: Alle drei Länder, die zu diesem Zeitpunkt eine nationale Selbstverpflichtung gehabt haben, nämlich das Toronto-Ziel – das sind Österreich,


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Deutschland und Dänemark; die minus 20 Prozent per 2005 entsprechen ja genau den minus 25 Prozent per 2010 –, haben dies in den EU-Prozeß eingebracht. Alle drei, nicht nur Österreich! Mit welchem Argument hätte ich denn für Österreich in diesem Vorbereitungsprozeß für Kyoto ein anderes Ziel einbringen sollen? Um wieviel weniger hätte ich mich denn Ihrer Meinung nach, sehr geehrter Herr Abgeordneter, aus dem Fenster lehnen sollen? Das ist für mich nicht nachvollziehbar, da hat sich bei mir heute eine Frage aufgetan.

Zumindest haben Sie in Ihrem Redebeitrag auch gesagt, daß das Toronto-Ziel weiterhin zu respektieren ist. Ich meine, daß die Vielzahl von Entschließungen und Festlegungen in den Energieberichten, die bekanntlich nicht vom Umweltressort administriert und erstellt werden, nicht nur für die Regierung, sondern auch für die Abgeordneten des Hohen Hauses Verpflichtung sind. – Soviel also zum Thema Kyoto, soviel zum Thema Klimaschutz.

Lassen Sie mich auch noch kurz zu den Aussagen und Debattenbeiträgen hinsichtlich des Themas Umweltbundesamt Stellung nehmen. Es hat die Novelle zum Umweltkontrollgesetz dieser Tage den Ministerrat passiert, genaugenommen diese Woche. Es gibt Bedenken, daß es zu Wettbewerbsnachteilen im Hinblick auf Ziviltechniker und ähnliche Berufsgruppen kommen könnte. Diese Bedenken nehme ich ernst.

Ich bitte nur, der Versuchung, doppelbödig zu argumentieren, zu widerstehen, nämlich auf der einen Seite zu behaupten, das Umweltbundesamt müsse nachhaltig mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet sein, damit sein Überleben und die Prosperität gesichert werden – und dazu stehe ich –, und auf der anderen Seite zu sagen, gerade diese Maßnahmen, das Umweltbundesamt mit entsprechenden Budgetmitteln auszustatten, führen dazu, daß es auf dem Markt in Wettbewerb treten kann, was wiederum Wettbewerbsnachteile für Dritte, für Private bringt. Dies birgt die Gefahr einer gewissen Doppelbödigkeit in sich, auf die ich hiermit hinweise.

Ich möchte aber auf die Formulierungen in § 6 des Umweltkontrollgesetzes verweisen. Dort ist deutlich zu lesen, daß gegenüber Dritten ein zumindest kostendeckendes Entgelt für einschlägige Leistungen zu verlangen und zu erbringen ist. Es ist im § 8 Abs. 6 auch klar formuliert, daß es zu keinerlei Quersubventionierungen kommen darf.

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich weiß, Papier, unter Umständen auch solches, auf dem Gesetze geschrieben sind, ist geduldig. Aber ich sage Ihnen verbindlich zu, daß auch ich im Rahmen meiner Eigentümerfunktion ein entsprechendes Auge darauf werfen werde, daß durch das Umweltbundesamt bei seinem Eintritt gewissermaßen in die Marktwirtschaft und bei seiner Akquisition von Zusatzaufgaben nicht etwa zu Dumpingpreisen falscher Wettbewerb gespielt wird. Ich habe aber keinesfalls den Eindruck, daß das beabsichtigt ist.

Damit darf ich mich, Herr Präsident, für die Erteilung des Wortes bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

10.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Sonja Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.12

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach 13monatigem Marathonlauf, lieber Bundesminister, bist du erneut durchs Ziel gegangen, und zwar wirklich mit einer Leistung, die sich sehen lassen kann: 12,6 Milliarden Schilling Steuerentlastung für unsere Familien! (Beifall bei der ÖVP.) 6 000 S pro Kind und Jahr (Abg. Motter: Ab wann?) , 500 S pro Kind und Monat, darüber hinaus für mehr als 90 Prozent der Familien ab dem dritten Kind 400 S monatlich. Die Negativsteuer wird bereits ab 1999 von 2 000 auf 5 000 S erhöht und bar ausbezahlt. Das ist eine Steuerreform, die wahrhaftig ihren Namen verdient. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Dr. Mertel. )

Doch Geld allein stellt nicht die Problemlösung für Familien schlechthin dar. Drei Felder sind zu bewirtschaften: jenes der Wirtschaft, jenes der Bildung und das der Kinderbetreuung. Denn wo


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her bekommt die Wirtschaft ihre besten Mitarbeiter? – Aus intakten Familien! Dort können Kräfte gesammelt werden, dort werden Sozialisation, Teamfähigkeit und andere soziale Kompetenzen trainiert. Wir haben fünf Betriebsvereinbarungen österreichweit und 600 ausgezeichnete Firmen. Wirtschaft und Familie könnten aber noch verstärkt gegenseitigen Nutzen voneinander ziehen.

Ich würde dieses Feld gerne intensiver bearbeiten und bitte die Sozialdemokratische Partei um eine solche Diskussion für qualitativ gute Arbeitsplätze, Arbeitsplätze in unseren Haushalten. Ein Arbeitsplatz an einem Fließband ist doch nicht zu vergleichen mit einem Arbeitsplatz in einer Familie. Dort können Sie Kaffee kochen, wann Sie wollen, Sie können Ihre Arbeit einteilen und stehen nicht unter Druck. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können auch die Zahl der Arbeitslosen nicht genau abschätzen, weil aufgrund der Arbeitsmarkt- und Lebenssituation immer mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen. Trotzdem sind 87 Prozent der Frauen bereit, temporär auf Berufschancen und Karriere zu verzichten, um in der Kleinkindphase selbst beim Kind bleiben zu können. Es ist beste Arbeit, die sie leisten, und es ist die notwendigste Arbeit für die nächsten Generationen. Im Zuge der Neubewertung der Arbeit ist es auch notwendig, diese Arbeit in einem anderen Licht zu sehen und pensionsbegründend anzuerkennen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das zweite Feld betrifft, wie eingangs gesagt, die Bildung. 87 Prozent der arbeitssuchenden Schulabgänger haben keinen Schulabschluß. 18 Prozent arbeitsloser Männer und 35 Prozent arbeitsloser Frauen sind ohne Berufsabschluß. Praxiserprobtes Wissen und Bildung sind die einzige Möglichkeit, um gegen Arbeitslosigkeit vorzugehen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) Wir brauchen daher das lebensbegleitende Lernen in Beruf und Privatleben. Einmal mehr plädiere ich für diese oft genannte Familienkultur und Elternschule. Alle Managementtrainer sprechen vom magischen Dreieck, das aus fachlicher Kompetenz, Wirtschaftskompetenz und sozialer Kompetenz besteht. Die ARGE Präventivpsychologie unter Frau Dr. Anneliese Fuchs, der Familienbund und der Familienminister unterstützen die Qualitätssicherung auf zwischenmenschlicher Ebene.

Wir bieten den interessierten Schulen entsprechende Projekte an – ähnlich wie jenes der Sexualerziehung –, die den Bereich miteinander reden und voneinander lernen betreffen. Diese sind viel zuwenig bekannt. Wir wollen die Jugend stark machen, ihr Selbstbewußtsein stärken, ihre Persönlichkeit entwickeln helfen, die Kommunikationsfähigkeit schulen, die Streitkultur trainieren und ein Hineinbegleiten in die Partnerschaft erleichtern.

Nun zum dritten Feld, der Kinderbetreuung. Wir haben 600 Millionen Schilling sozusagen im Doppelpack, also 1,2 Milliarden Schilling, nun auch für das nächste Jahr fortgeschrieben. Dies muß uns weiterhin bei der Verbesserung des Angebots von äußerst qualitätsvoller Kinderbetreuung unterstützen. Kinder mit einem Zahlenbegriff von "eins, zwei, alle" dürfen nicht in einer Kindergruppe von zum Beispiel sieben Kindern untergebracht werden. Denn das würde permanente Angst- und Streßzustände für sie bedeuten, die in Harn, Blut und Speichel chemisch nachzuweisen sind. Lebenslange Traumata sind die Folge!

Ich fordere auch die sozial- und pensionsrechtliche Absicherung der Tagesmütter und -väter durch dieses Geld. Wir brauchen diese kleinen familienähnlichen Betreuungseinheiten. Private Institutionen wie das Österreichische Hilfswerk, der Familienbund und der Katholische Familienverband tun, was sie können, müssen aber finanziell unterstützt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das letzte Thema, das ich anschneiden will, betrifft die Diskussion rund um die Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung. Ein erster Schritt müßte zumindest die Gleichstellung von Ehe und Familie mit anderen Lebensformen sein. (Abg. Scheibner: Habe ich das richtig verstanden: Sie wollen eine Gleichstellung der Ehe mit anderen Lebensformen?) Eine Bevorzugung von Ehe und Familie wäre aber insofern erforderlich, als die Ehepartner und Familienmitglieder sowohl aufgrund ihres persönlichen Verständnisses als auch aufgrund von gesellschaftspolitischen Erwartungen weitreichende Verpflichtungen füreinander übernehmen und die damit verbundenen Leistungen auch erbracht werden.


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Bei meinem Verständnis von Ehe handelt es sich also um ein primärstaatliches Interesse, nicht nur um die erwähnte christliche Auffassung, dafür ist ja allein die Sakramentalität der Ehe ausschlaggebend. Die Ehe ist durch persönliche Willenserklärung als Vertrag zustande gekommen und geht weit über den Status einer Privatangelegenheit hinaus, wenn wir die erbrachten Leistungen betrachten.

Erziehung, Sozialisation, Pflege der Kinder, Alten und Kranken, gegenseitiger Beistand, präventiver Effekt durch familiäre Bildung und Erziehung – diese erbrachten Leistungen entlasten staatliche Einrichtungen. Bei einem Scheitern wird deutlich, auf wen die hohen sozialen und finanziellen Folgekosten abgewälzt werden, nämlich auf die Allgemeinheit. Die Verankerung von Ehe und Familie in der Bundesverfassung böte ein taugliches Richtmaß hinsichtlich ihrer Familiengerechtigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

10.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edith Haller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.20

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Familienminister! Ich hoffe doch, daß Sie mir zuhören werden. Hohes Haus! Alois Guger hat im Jahr 1992 in einer Studie über die Effizienz der österreichischen Familienpolitik folgendes gesagt: "Österreichs Familienpolitik bietet ein paradoxes Bild: Die Familienförderung ist in Österreich höher als in den meisten Industriestaaten. Dennoch ist die Geburtenrate niedrig, und die Einkommenserhebungen des Mikrozensus zeigen, daß die Armutsgefährdung mit der Zahl der Kinder in Österreich rasch zunimmt." – Herr Bundesminister! Das war 1992. Es ist Ihnen und Ihren Vorgängerinnen als Familienminister seither nicht gelungen, diesen Trend umzukehren. Im Gegenteil: Wie wir wissen, hat er sich noch verstärkt.

Es liegen sechs Jahre dazwischen, und es ist einiges im Bereich der österreichischen Familienpolitik passiert: das Erkenntnis des VfGH aus dem Jahre 1991 betreffend Familienbesteuerung, die Reparatur durch das sogenannte erste Familienpaket 1993, dann jedoch die beiden Sparpakete, die eine Verschlechterung bei den Zuwendungen an die Familien von nachweislich – das beweist Ihr Budget des Jahres 1998 – 20 Prozent gebracht haben. Und in der Zwischenzeit, Herr Bundesminister, hat sich laut Meinung von Experten herausgestellt, daß diese beiden Sparpakete – ja schon die Ankündigung des ersten Sparpaketes – dafür verantwortlich waren, daß wir jetzt einen noch eklatanteren Geburtenrückgang zu verzeichnen haben.

Nun zum Erkenntnis des VfGH aus dem Jahre 1997, das neuerliche Reparaturmaßnahmen, die im Budget 1999 zumindest zu einem Teil verankert sind, zur Folge hat. Ich muß Ihnen, Herr Familienminister, und auch meiner Vorrednerin eines wieder ins Stammbuch schreiben: Diese Reparatur ist erstens nicht freiwillig erfolgt, sie gibt zweitens den österreichischen Familien weitaus weniger zurück, als man ihnen zuerst vorenthalten hat, was durch das Erkenntnis bewiesen ist, und drittens ist auch diese Reparatur, diese neuerliche Reparatur wiederum nicht erkenntniskonform.

Wenn ich an die Diskussionen, die im Juni 1992 zum ersten Familienpaket hier in diesem Haus stattgefunden haben, zurückdenke – die Familienministerin von damals, Frau Feldgrill-Zankel, hat sich ja bereits aus der Politik zurückgezogen, aber zum Beispiel an die Debattenbeiträge der Kollegin Rosemarie Bauer –, dann muß ich sagen, daß mich die heutige Debatte ganz fatal an die damalige erinnert. Rosemarie Bauer, du hast damals gesagt, daß dieses Familienpaket für die ÖVP wirklich ein Beweis dafür sei, daß es gelungen sei, die Wende in der Familienpolitik herbeizuführen. (Abg. Rosemarie Bauer: Natürlich!) Nun, das stimmt einfach nicht. Die Fakten, die Budgets beweisen etwas ganz anderes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nach Expertenmeinung wird auch das neuerliche Familienpaket wenig zur Armutsbekämpfung im Bereich der Familien beitragen. Ich zitiere dazu gerne Herrn Johannes Kübeck von der "Kleinen Zeitung", der zwei hervorragende Artikel zum Bereich Familienpolitik geschrieben hat und der die Familienpolitiker auffordert, keine Scheu mehr zu haben, konsequente Familienpolitik zu betreiben. Herr Johannes Kübeck hat in der "Kleinen Zeitung" aufgerechnet, daß Kinder


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für den Staat – nicht für die Eltern – ein gutes Geschäft sind, denn alleine an Lohnsteuer, Mehrwertsteuer, Pensionsbeiträgen leistet ein Durchschnittsverdiener – ich zitiere Herrn Kübeck – in seinem aktiven Leben die "Kleinigkeit" von 5 Millionen Schilling an die Staatskassen. Zurück bekommt er, je nach Ausbildungsverlauf der betreffenden Person, zwischen 1,5 und 2,7 Millionen Schilling an Kindergeld, an Schulkosten, an Gesundheitsaufwand. Es müßte also im Interesse des Staates sein, effiziente Familienpolitik zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Familienminister! Herr Johannes Kübeck stellt also fest, daß Kinder ein Geschäft für den Staat sind. Aber nicht nur die Journalisten sind dieser Meinung. Ich weiß nicht, ob Sie den Fünften deutschen Familienbericht kennen. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß sowohl die Familienbesteuerung in Deutschland als auch das System des Familienlastenausgleichs dem Modell in Österreich sehr ähnlich sind. (Abg. Öllinger: Und funktioniert auch nicht!) In diesem Fünften deutschen Familienbericht geht es auf Seite 289 auch um Familienbesteuerung. Da wird folgendes dezidiert ausgesprochen:

"Von einem Ausgleich von Lasten zwischen Gesellschaftsmitgliedern mit Kindern und ohne Kinder kann sinnvoll erst dann gesprochen werden, wenn durch diese Transfers eine relative Besserstellung der Familien oberhalb des Familienexistenzminimums im Vergleich zu kinderlosen Gesellschaftsmitgliedern erfolgt." Und weiter: "Transfers an Familien, die der Sicherung des Existenzminimums dienen, sind daher kein Bestandteil eines Familienlastenausgleichs, sondern Sozialleistungen."

So ist wohl auch der Kommentar des Präsidenten des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, zu verstehen, der in bezug auf die erwähnten Verfassungsgerichtshofurteile meinte: "Es gibt viele objektive Betrachter, die davon ausgehen, daß der Familienlastenausgleich schon seit Jahrzehnten seinen Funktionen nicht mehr gerecht wird." – Dies gilt für Deutschland, aber die Parallelen in Österreich sind vorhanden. Er sagt weiter: "Ich habe das nicht zu beurteilen, füge aber hinzu, daß das Bundesverfassungsgericht naturgemäß nur die untersten Grenzen des gerade noch Akzeptablen durchsetzen kann. Die Tatsache, daß eine Regelung gerade noch verfassungsmäßig ist, bedeutet noch lange nicht, daß sie deshalb auch ausreichend oder gar richtig ist."

Die österreichische Regelung, die Sie hier vor kurzem mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien beschlossen haben, ist nachweislich nicht einmal mehr "gerade noch verfassungsmäßig" richtig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht in diesem Fünften deutschen Familienbericht weiter. Im nächsten Kapitel wird darüber berichtet, wie stark der Familienlastenausgleich die Familien tatsächlich entlastet. Es wird da eine makroökonomische Berechnung angestellt, die außer den definitiven Kinderkosten auch den Versorgungsaufwand beziffert. Das schaut in unserem Nachbarstaat so aus: 74 Prozent des Gesamtaufwandes, also Versorgungs- und Betreuungsaufwandes, werden von den Familien getragen, nur 24 Prozent durch die öffentlichen Hände und 2 Prozent durch die Wohlfahrtsverbände.

Herr Familienminister! Sie wissen genau, daß es immer ein Anliegen der Freiheitlichen war, diesen Versorgungs- und Betreuungsaufwand stärker im Familienlastenausgleich zu verankern. Dafür ist er nämlich zuständig. Deshalb forcieren und verlangen wir seit Jahren den Kinderbetreuungsscheck, der endlich einmal eine Abgeltung der familiären Kinderbetreuung bringen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Kinderbetreuungsscheck, meine Kolleginnen von der linken Reichshälfte, muß keine Frauenfalle sein, wie Herr Andreas Kresbach in einem "Presse"-Gastkommentar sehr schön sagt. Er könnte dann eine soziale Innovation werden, wenn wir in Österreich endlich aufhören, Familienpolitik nur aus ideologischer Sicht zu sehen, wenn wir mit gegenseitigen Verdächtigungen aufhören und wenn wir den Kinderbetreuungsscheck als normale Transferleistungen wie andere auch zu betrachten beginnen. (Abg. Wabl: Aus welcher Sicht soll man es denn betrachten?) Wir stehen mit dieser Forderung nicht alleine da, Herr Kollege Wabl.


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Sie werden sicher wissen, daß vor kurzem in Sachsen ein Parteitag der CDU stattgefunden hat. Dort hat man zwei Modelle vorgestellt, die allerdings eine andere Bezeichnung als bei uns haben. Sie bezeichnen sich als "Erziehungsgehalt", und es gibt sie in zwei Variationen. Das entspricht aber in den Grundlagen genau dem, was wir Freiheitliche vom Kinderbetreuungsscheck erwarten.

Herr Minister! Ich erwarte mit Ungeduld den Ausgang der Studie. Sie haben uns zuerst Ergebnisse noch vor dem Sommer, dann wieder nach dem Sommer angekündigt. Sie wissen aber auch, daß wir nach wie vor eine Valorisierung der Familienbeihilfe fordern, daß wir eine Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus haben wollen. Wir werden auch heute wieder einen entsprechenden Antrag einbringen.

Herr Familienminister! Ich muß Ihnen noch eines vorwerfen: Sie haben Ihre Versprechungen nicht eingehalten. Sie wollten eine Neuregelung der nunmehr gestrichenen Heimfahrtbeihilfe durchsetzen. Das haben Sie auf die Jahre 2000 und 2001 verschoben. Eine Neuregelung des Familienhärteausgleichsfonds wird auch erst irgendwann stattfinden. Die Aufhebung der Selbstträgerschaft haben Sie einem Kuhhandel mit den Ländern geopfert. Von den Schulbüchern will ich erst gar nicht reden: Die Husch-Pfusch-Lösung, die Sie einmal gemacht haben, wird ganz einfach prolongiert.

Herr Familienminister! Noch einmal mein Aufruf, auch im Sinne des Journalisten Kübeck: Es ist wirklich höchst an der Zeit, und es wäre für Österreich und für Österreichs Familien wirklich wichtig, endlich mit mehr Vernunft und Logik an die Familienpolitik heranzugehen und weniger Ideologie einfließen zu lassen. Herr Familienminister! Wenn Sie das beabsichtigen, dann werden Sie auch die Unterstützung der Freiheitlichen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

10.32

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Frau Haller! Zu Ihrer Rede gäbe es natürlich Unmengen anzumerken, Unmengen zu antworten und einiges einzuwenden. (Abg. Haller: Sachliches gibt es nicht einzuwenden, nur Ideologisches!) Zum Beispiel ist zur Aussage von Alois Guger im Jahre 1993 zu sagen: 1993 sind ein Familienpaket und eine Steuerreform wirksam geworden, die den Familien sehr viel gebracht haben.

Sie haben beklagt, daß die Geburtenrate trotzdem niedrig geblieben ist, ja im Gegenteil sogar noch gesunken ist. Frau Haller, dies stimmt zwar, aber der Grund dafür liegt nicht darin, daß den österreichischen Familien zuwenig an finanziellen Mitteln zukommt, sondern darin, daß nach wie vor die Rahmenbedingungen, die familienergänzenden Strukturen nicht hinhauen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Wer ist denn seit 30 Jahren für die Rahmenbedingungen verantwortlich? Sie sitzen ja in der Regierung!) Das ist der Grund dafür, warum die Geburtenraten nicht steigen.

Wenn Sie in die skandinavischen Länder oder nach Frankreich gehen und sich die Grundlagen anschauen, dann werden Sie sehen, daß dort die familienergänzenden Strukturen einfach passen und daß die Geburtenzahlen hoch sind. In einem Land wie Italien, wo nach wie vor das Wort "Mama" fast eine Heiligsprechung ist, sind die Geburtenraten noch niedriger als in Österreich, weil die Rahmenbedingungen eben nicht passen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben vom Versorgungs- und Betreuungsaufwand, der in Form von, nennen wir es beim Namen, Erziehungsgeld – Sie sagen "Kinderbetreuungsscheck"; es ist ein Erziehungsgeld – abgegolten werden soll, gesprochen. Ich muß Ihnen sagen, daß sich die sozialdemokratische Fraktion auf dieses Abenteuer, wie es der Entwurf für einen Kinderbetreuungsscheck vorsieht, nicht einlassen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Motter! Sie haben gefragt, wann die Reform der Familienförderung wirksam werden wird. Sie wird mit 1999 wirksam – in einer ersten Etappe zum halben Preis. Die Kinderförderung wird um 250 S angehoben.


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Frau Haller! Sie sagen, daß wenig zur Armutsbekämpfung beigetragen wird. (Abg. Haller: Das habe nicht ich gesagt, sondern Fachleute und Journalisten!) Die soziale Komponente wurde bei der Familienförderung enorm verstärkt: Die einkommensschwächeren Mehrkindfamilien bekommen einen Bonus von 200 S und ab 2000 einen von 400 S, und die Negativsteuer wird von 2 000 auf 5 000 S angehoben.

Wir Sozialdemokraten haben immer betont, daß Familienpolitik nicht ausschließlich über Geldtransfers und über steuerliche Maßnahmen funktionieren kann, sondern daß auch die Sachleistungen ein wesentlicher Bestandteil sind. Daher sind auch im Budget 1999 die Sachleistungen Schulbuch und Schülerfreifahrt gewährleistet. Herr Minister! Es ist erfreulich, daß dem Verkehrsminister und Ihnen in einem Übereinkommen im April dieses Jahres die Einbeziehung der Schüler- und Lehrlingsfreifahrten in die Verkehrsverbünde gelungen ist. Damit ist nämlich die Sachleistung Schüler- und Lehrlingsfreifahrt bis mindestens zum Jahr 2002 gesichert.

In den Diskussionen rund um die Familienförderung gerät leider oft die Tatsache ins Hintertreffen, daß wichtige familienpolitische Leistungen, nämlich andere als Geldleistungen, auch aus dem Fonds bezahlt werden. Dazu gehört zum Beispiel die Finanzierung der Familienberatungsstellen mit 110 Millionen Schilling, die die Aufgabe haben, in allen rechtlichen und sozialen Belangen, in Familienfragen zu beraten.

In letzter Zeit wurde auch der Sektenaufklärung besondere Bedeutung beigemessen. Für die weitere Zukunft wird aber die Beratung von Wiedereinsteigerinnen, die nach der Kinderbetreuung in den Beruf zurückkehren wollen, wichtig werden. Natürlich gehören zu den wichtigen familienpolitischen Maßnahmen auch die Beiträge zum Karenzgeld, die Finanzierung der Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen mit dem Mutter-Kind-Paß-Bonus und die Pensionsbeiträge vom Karenzgeld. Man kann die Liste noch weiter fortsetzen.

Noch eine Feststellung zu den Rahmenbedingungen, die ausschlaggebend dafür sind, daß man Beruf und Familie besser vereinbaren kann. Mit dem Familienpaket – das hat meine Vorrednerin Frau Dr. Moser schon erwähnt – wurde erfreulicherweise zusätzlich vereinbart, daß weitere 600 Millionen Schilling seitens des Bundes – die Verdoppelung des Betrages soll von den Ländern erfolgen – für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Die SPÖ tritt daher dafür ein, daß, wie es bereits in Schweden und Deutschland der Fall ist, ein Rechtsanspruch für jedes Kind auf einen geeigneten Betreuungsplatz besteht. Das heißt also, daß die gesetzlichen Maßnahmen in diese Richtung zu forcieren sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Darüber hinaus soll es auch einen Rechtsanspruch auf Teilzeitkarenz geben, damit es Müttern, aber auch Vätern möglich wird, neben ihren Aufgaben und Pflichten bei der Kinderbetreuung den Kontakt zum Unternehmen beziehungsweise zum Arbeitsplatz aufrechtzuerhalten und ihnen damit die Rückkehr in das Arbeitsleben zu erleichtern. Dazu gehören selbstverständlich auch ein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit der Eltern und das Recht, auf einen Vollzeitarbeitsplatz zurückzukehren. Dazu gehört auch die Verlängerung der Behaltefrist von derzeit vier Wochen auf 26 Wochen.

Abschließend meine ich, daß vor allem bei den Infrastrukturmaßnahmen und der Verbesserung der familienergänzenden Strukturen, also bei den Rahmenbedingungen, weitere zusätzliche Regelungen notwendig sein werden. Dies gerade deshalb, meine Damen und Herren, weil Österreich ab Juli 1998 die EU-Präsidentschaft übernimmt und damit beim internationalen Vergleich das schlechte Abschneiden beim Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen noch stärker ins Auge fallen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

10.39

Berichtigung der schriftlich verteilten Mitteilung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, gebe ich folgendes bekannt: Seit der letzten Geschäftsordnungsreform werden die Zuweisungen nicht mündlich verkündet, sondern sind in einer schriftlich verteilten Mitteilung enthalten.


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125. Sitzung / Seite 29

In der heute verteilten Mitteilung wird das Bundesmuseen-Gesetz für Zuweisung an den Unterrichtsausschuß und das Bundestheaterorganisationsgesetz für Zuweisung an den Verfassungsausschuß vorgeschlagen.

Ich ersehe nunmehr aus dem Protokoll der letzten Präsidialsitzung, Seite 19, daß davon ausgegangen wurde, daß diese beiden Vorlagen dem Kulturausschuß zugewiesen werden.

Ich möchte daher diese schriftlich verteilte Unterlage dahin gehend modifizieren, daß die eine Vorlage nicht dem Unterrichtssausschuß und die andere nicht dem Verfassungsausschuß, sondern beide Vorlagen dem Kulturausschuß im Sinne dieser hier festgehaltenen Überlegungen zugewiesen werden. – Ich bitte um Kenntnisnahme.

*****

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klara Motter. Redezeit 20 Minuten. – Bitte.

10.40

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich heute ausschließlich mit dem vorliegenden Budgetkapitel auseinandersetzen. Meine erste Feststellung, Herr Familienminister, betrifft das Kapitel Jugend und Familie des Budgetentwurfs: Es sind auch heuer gleich viele Budgetmittel für Familienberatungsstellen, nämlich 110 Millionen Schilling, vorgesehen. Allerdings ist, wenn man die Mittel für die Sektenberatungsstellen aller Bundesländer abzieht, ein Minus zu verzeichnen.

Herr Minister! Ich weiß schon, daß Ihnen die Sektenfrage eine besondere Herzensangelegenheit ist und einen großen Stellenwert einnimmt. Ich möchte mich heute auch gar nicht mit der Sektenfrage auseinandersetzen, denn wir haben ja anläßlich der Beratungen der vorliegenden Regierungsvorlage noch genügend Zeit dazu. Was ich allerdings möchte, ist, die Frage zu stellen, ob die Mittel nicht effizienter eingesetzt werden könnten, um zum Beispiel den Opfern von sexuellem Mißbrauch mehr Hilfe zu gewähren, oder auch angesichts der Tatsache, daß die Zahl der Alleinerzieherinnen im Zunehmen ist, mehr beratende Möglichkeiten anzubieten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun näher auf die Schulbuchaktion eingehen, die ebenfalls gleichbleibend – relativ hoch – für das Jahr 1999 mit 1,2 Milliarden Schilling ausgewiesen ist. Meine erste Feststellung dazu ist, daß die Ziele der Schulbuchaktion, die sich die Bundesregierung gesteckt hat, laut Rechnungshofbericht leider nicht erreicht wurden. So ist zum Beispiel der Versorgungsgrad der Schüler mit neuen Schulbüchern in den letzten Jahren von 85 Prozent im Schuljahr 1994/95 auf 76 Prozent im Schuljahr 1996/97 gesunken. Dem sind die jährlichen Kosten der Verwaltung der Schulbuchaktion gegenüberzustellen, die meines Erachtens mit annähernd 60 Millionen Schilling immens hoch sind. Auch der Anteil der Kosten für das Lehrpersonal, das sich mit der Schulbuchaktion beschäftigt, ist mit 50 Millionen Schilling überproportional hoch.

Meine Damen und Herren! 110 Millionen Schilling für Personal und Verwaltungskosten allein für die Schulbuchaktion auszugeben und diesen Zustand weiter aufrechtzuerhalten, kann doch nicht Ihr Ziel sein. Herr Minister, ich frage mich wirklich, was Sie dagegen unternehmen werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich frage mich seit der letzten Schulbuchaktion auch, ob für zwölf Schulformen und insgesamt 27 Unterrichtsgegenstände mehr als zehn Buchtitel je Schulstufe angeboten werden müssen. Außerdem ist der Buchhändleranteil von 26,5 Prozent des Nettoladenpreises ein hoher. Das ist laut Rechnungshofbericht aus der Umsatzsteuerabgabe in der Höhe von rund 228 Millionen Schilling ersichtlich. Es ist zu hinterfragen, meine Damen und Herren, ob da nicht schon Subventionen an die Buchhändler gezahlt werden. Wenn man das tut, Herr Bundesminister, dann sollte man aber auch dazu stehen, dann sollte man es auch zugeben.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wir Liberalen bekennen uns zur Effizienzsteigerung bei der Schulbuchaktion. Unser Modell sieht folgendes vor – ich darf es Ihnen in Erinnerung rufen –:


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Erstens: Abgehen von der zentralistischen Regelung hin zur Autonomie der Schulen.

Zweitens: Förderung der neuen Technologien und ein Abgehen vom traditionellen Buch.

Drittens: Beendigung des kartellähnlichen Zusammenspiels aus Verlagen, Autoren und Approbationskommission.

Wir wollen wieder mehr Wettbewerb im Schulbuchwesen, und deshalb sind diese Forderungen nicht unabhängig voneinander zu verwirklichen. Sie bedingen einander, wenn sie wirklich zu Kosteneinsparungen führen sollen.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit den 600 Millionen Schilling, die für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen zur Verfügung gestellt worden sind, stellt sich die Frage, ob sich die Vergabepraxis nicht an der Ausweitung der Betreuungszeiten orientieren sollte, die, wie wir wissen, in den Bundesländern noch sehr im argen liegen. Ich denke da zum Beispiel an die Nachbetreuung der Kleinkinder oder an die Betreuung schulpflichtiger Kinder. Ich könnte mir auch vorstellen, daß nachts Betreuung angeboten wird. Weiters fehlt in der Kinderbetreuung nach wie vor die Wettbewerbsgleichheit für private Initiativen. Wir Liberalen haben diesbezüglich einen Antrag eingebracht, der die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten vorsieht.

Meine Damen und Herren! Solange die partnerschaftliche Familienarbeit gesellschaftspolitisch noch nicht etabliert ist – wobei ich mir wünsche, daß sie ehest umgesetzt wird, daß es diesbezüglich Fortschritte gibt –, brauchen wir Kindereinrichtungen, die wenigstens die absoluten Mindesterfordernisse erfüllen, damit auch Frauen einer Beschäftigung nachgehen können. Wir Liberalen bekennen uns im Gegensatz zu manch anderer Fraktion hier im Hohen Hause dazu, daß Frauen, die arbeiten wollen, auch die Möglichkeit dazu haben und daß sie die dafür notwendigen Rahmenbedingungen vorfinden. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abgeordneten Dr. Mertel und Reitsamer. )

Allerdings muß es auch für uns eine Selbstverständlichkeit sein, daß Alleinerzieherinnen und Frauen, die zum notwendigen Lebensunterhalt beitragen müssen, in Zukunft aus einem breiteren Angebot wählen können. Dazu gehören flexible Betreuungszeiten, Tag- und Nachtbetreuung sowie stundenweise Betreuung von Kindern. Um dies zu ermöglichen, wird es in Zukunft notwendig sein, auch Privatinitiativen vermehrt zu fördern, denn diese bringen viel Engagement und Phantasie auf, um den wirklichen Erfordernissen möglichst gut zu entsprechen.

Herr Bundesminister! Ich erinnere mich daran, daß Sie anläßlich der Diskussion um das Familienpaket erklärt haben, daß Sie bezüglich der Wiedereinführung des vollen zweiten Karenzjahres für Alleinerzieherinnen in Verhandlungen mit Frau Ministerin Prammer stehen. Wir wissen alle, wie es um die Alleinerzieherinnen bestellt ist; außerdem bestätigen die Zuwendungen aus dem Härteausgleichsfonds, die zu zirka 60 Prozent Alleinerzieherinnen gewährt werden müssen, diese Situation.

Meine Damen und Herren! Weiters wissen wir aus einer Studie über die österreichische Familienlandschaft, daß die Vater-Mutter-Kind-Idylle mehr und mehr der Vergangenheit angehört – egal, ob wir das wollen oder nicht. Jede fünfte Familie mit Kindern ist eine Ein-Eltern-Familie. Durch die nach wie vor bestehende gesellschaftliche Orientierung am Ideal der Vater-Mutter-Kind-Familie besteht für Einzelelternfamilien eine Reihe von Benachteiligungen, das heißt: weniger Geld, schlechtere Wohnungen und weniger Freizeit. Betroffen hievon sind vor allem Frauen.

Da Sie, Frau Kollegin Moser, uns heute wieder in Ihrer schönen Rede die Idylle der gesunden, guten und schönen Familie vor Augen geführt haben, möchte ich Sie an einen Satz erinnern, den Sie anläßlich der Familienstudie gesagt haben. Ich zitiere: Wenn man erfolgreiche Familienpolitik betreiben wolle, sei dem einzelnen nicht geholfen, wenn man ihm ein ideologisches Familienkonzept überstülpt. – Zitatende. (Abg. Dr. Sonja Moser: Einer muß es leben! Das ist wichtig!)


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Frau Kollegin Dr. Moser! Gehen Sie in sich, und überlegen Sie sich, was Sie damals beziehungsweise heute gesagt haben!

Frau Kollegin Mertel! Ich kann all die Forderungen, die Sie heute betreffend die Zukunft von Kinderbetreuungseinrichtungen et cetera gestellt haben, nur unterstützen; wir sind da an Ihrer Seite.

Herr Bundesminister! Bezüglich der Einführung einer Heimfahrtbeihilfe, die wir begrüßen, wird erst abzuwarten sein, wie die Beteiligung der Länder aussehen wird.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt ist die Schülerfreifahrt. Eine alte Forderung von uns Liberalen ist, das Budget für die Schülerfreifahrten in die autonome Verwaltung der Schulen zu legen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Wir sind davon überzeugt, daß im Sinne der Eigenverantwortung die Schulen selbst am besten darüber entscheiden können, wie die Schulfreifahrten am kostengünstigsten – und auch den Studienplänen angepaßt – zu organisieren sind.

Die Einbeziehung der Schüler- und Lehrlingsfreifahrten in die Verkehrsverbünde ist zu begrüßen, auch wenn sie, wie ich zugeben muß, eher spät kam. Was mir, Herr Bundesminister, unverständlich ist, ist, wieso die zurzeit bestehenden Verträge mit den Verkehrsunternehmen zur Durchführung der Schüler- und Lehrlingsfreifahrten weiterhin aufrecht bleiben und nur für die Dauer der Vereinbarung aufgehoben werden.

Herr Bundesminister, ich erwarte mir heute von Ihnen hierauf eine Antwort. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. – Bitte.

10.50

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Rede von Frau Abgeordneter Haller war ich streckenweise ein bißchen in Sorge – sie hat sich ja in dieser sehr ausführlich mit unserem Nachbarstaat Deutschland befaßt –, und zwar war ich in Sorge, daß sie sich, da von ihrer Fraktion ohnedies schon so viele im Ausland sind, sozusagen verlaufen könnte; aber körperlich ist sie noch bei uns. Ich bin sehr froh darüber, daß meine Sorge daher unbegründet zu sein scheint. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Mertel. )

Zu den Ausführungen von Frau Kollegin Motter möchte ich nur soviel sagen: Liebe Frau Kollegin, die Ideale und Vorstellungen der Sonja Moser treffen sich in beklemmender Weise mit Ihren Aussagen, als Sie noch der "F"-Fraktion angehört haben und Familiensprecherin derselben waren. – Mehr möchte ich dazu nicht sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Hohes Haus! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Nun zum Thema Familienpolitik: Von meinen Vorrednern wurde das Familien-Entsteuerungsmodell hier bereits angesprochen. Frau Abgeordnete Haller hat gemeint, daß ich vor sechs Jahren hier gesagt hätte, es handle sich dabei um Eckpunkte und Eckpfeiler der Familienpolitik, und damit sei eine Wende herbeigeführt worden. Ich darf in Erinnerung rufen, daß mit der Einführung der Mehrkinderstaffel, der Altersstaffel und – damals auch schon – mit unserem Grundsatz, die Familie im Steuerrecht zu berücksichtigen (Abg. Haller: Sie haben es noch nicht geschafft!), tatsächlich auch mit heutigem Tag beziehungsweise bereits mit dem Beschluß des Budgetbegleitgesetzes diese Wende vollkommen vollzogen wurde. (Abg. Haller: Ihr habt es nicht geschafft! – Abg. Dr. Graf: Ohne Hilfe der Freiheitlichen hättet ihr es nicht geschafft!)

Natürlich gibt es immer noch viele offene Wünsche. Ich erlebe aber bei internationalen Tagungen immer wieder, daß uns viele Länder um unsere Familienpolitik beneiden, und zwar in ihrer familienunterstützenden Komponente, in ihrer familienfördernden und auch sozialen Komponente, die eben unsere Familienförderung ausmachen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Mertel. )


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde bereits gesagt, daß Familienförderung nicht allein finanzielle Zuwendung bedeutet. Seit den letzten Jahren wissen wir in geradezu beklemmender Weise, daß die Familien Probleme haben. (Abg. Öllinger: Schon wieder "beklemmend"!)  – Offenbar schaue ich euch zuviel an, da kriege ich eine Beklemmung! – Die Familien haben offensichtlich Probleme und brauchen Hilfe. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Es gibt Gewalt an Kindern, und es kommt nicht von ungefähr, daß wir von der Österreichischen Volkspartei in Gemeinsamkeit mit der "Lobby für Kinder" der ÖVP-Frauen versuchen, und zwar in Form einer Bürgerinitiative, nicht an Herrn Bundesminister Bartenstein – jedoch mit seiner Unterstützung –, sondern an den Herrn Justizminister Wünsche zu äußern, die darauf abzielen, hier zu helfen und die Gewalt an Kindern einzudämmen. (Abg. Dr. Graf: Wenn Sie in der Regierung sind, dann setzen Sie es um!)

Diese Unterschriftenaktion hat natürlich auch zusätzlichen Nutzen, denn man hat dabei mit vielen Menschen zu tun. Und wenn man mit den Leuten spricht, hört man eben die wirklichen Stimmen der Familien, die Stimmen der Bevölkerung, die ihre Meinung zum gesamten Bereich Familie abgeben. Da hört man auch sehr viele Wünsche in diese Richtung. – Wir werden also möglichst viele Unterschriften, sozusagen als gebündelte Betroffenheit des/der einzelnen, hier im Parlament übergeben. Die Betroffenheit ist wirklich enorm groß, ebenso die Hilflosigkeit mancher Menschen. Und was besonders betroffen macht, ist, daß Gewalt vorwiegend in den Familien selbst vorkommt, im familiären Umfeld. Die Gefahr kommt da nicht so sehr von außen, sondern von innen. Ich meine daher, daß noch eine Reihe von Maßnahmen wichtig ist, um eine gewisse Bewußtseinsbildung in diese Richtung zu schaffen.

Herr Bundesminister! Ich möchte die letzte Minute meiner Redezeit dazu verwenden, Ihnen sehr herzlich für die Bereitschaft zur Unterzeichnung des Artikel-15a-Vertrages betreffend Nationalpark Thaya-Tal zu danken. Wir freuen uns in unserer Region sehr darüber, denn wir erhalten damit nicht nur ein wunderschönes Stück Natur, sondern für uns ist dieses Projekt, auch was den Tourismus betrifft, mit sehr vielen Hoffnungen für die Region verknüpft.

Ich darf Ihnen auch seitens der Bevölkerung meines Bezirkes, der unmittelbar an der Grenze zu Tschechien liegt, unsere Sorgen mitteilen und um Unterstützung des Landes Niederösterreich bitten, was das Atomendlager Dukovany betrifft. Wir sind in großer Sorge, denn es trennen uns ja nur wenige Kilometer von den Meilern, die dort stehen. Wenn jetzt noch das Atomendlager in einem enormen Ausmaß ausgebaut werden soll, dann haben wir wirklich große Befürchtungen. Ich habe wirklich volles Verständnis für die Sorgen, für die Angst dieser Menschen. Ich habe mich selbst sehr dafür eingesetzt und versucht, daran mitzuwirken, daß die Inbetriebnahme des AKW Mochovce verhindert wird. Ich möchte aber darum bitten, über diese Diskussion, die natürlich gerechtfertigt und aktuell ist, das Problem Dukovany nicht zu vergessen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Mertel. )

10.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. 20 Minuten Redezeit. (Abg. Öllinger: Das werde ich nicht brauchen!)  – Bitte.

10.56

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt sehr viel – und bin eigentlich massiv beeindruckt – über wissenschaftliche Statistiken und Vergleiche gehört. (Abg. Wabl: Und Ideologien auch!) Frau Abgeordnete Sonja Moser etwa hat den Harn und das Blut bei den Kindern untersuchen lassen – offensichtlich im Auftrag der ÖVP. Herr Abgeordneter Kopf hat vorhin einen ganz wesentlichen internationalen Vergleich angeführt, um die Überregulierung zu beweisen, weil Österreich da an der Spitze liegt, nämlich den World Economic Freedom Index, um zu zeigen, daß wir mehr Deregulierung brauchen.

Das Problem, Herr Abgeordneter Kopf, bei Ihren Ausführungen war und ist jedoch folgendes: Wenn man internationale Statistiken und Vergleiche sowie wissenschaftliche Arbeiten anführt, um etwas beweisen zu wollen, dann muß man sie auch gelesen haben. Der Grund, warum wir im World Economic Freedom Index, bei den Freiheitswerten für Österreich, so schlecht abschneiden, ist ganz einfach und simpel – so simpel wie diese Untersuchung selbst –: Wir haben


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nämlich die Wehrpflicht beim Bundesheer. Wehrpflicht beim Bundesheer wird in dieser internationalen Untersuchung als Zwangscharakter eingestuft, und deshalb schneiden wir sehr, sehr schlecht ab.

Jetzt komme ich zur Rede der Abgeordneten Sonja Moser und ihrer Untersuchung. Auch dazu sind natürlich einige Anmerkungen zu machen. Frau Abgeordnete Moser! Sie führen die Stressoren an, die bei kleinen Kindern vorhanden sind, wenn sie in einer Kindergruppe sind, und weisen diese Stressoren auch noch im Blut, im Harn und sonstwo, gar im Schweiß der Kinder nach. Vielleicht hat bei dieser Untersuchung eine Untersuchung der Stressoren bei den Müttern gefehlt oder auch eine Untersuchung der Stressoren, die auftreten, wenn die Kinder zu Hause sind und ausschließlich bei ihren Müttern bleiben.

Eines sei an dieser Stelle schon gesagt: Die Politik der letzten Jahre, die Sie so hochpreisen, Frau Abgeordnete Moser, die Familienpolitik der Regierungsparteien, hat vielen Frauen mit Kindern sehr viel Streß verursacht. Man braucht sich etwa nur alleinerziehende Mütter anzusehen: Der Streß, dem diese Mütter mitsamt ihren Kindern ausgesetzt sind, um all das, wovon Sie und wir alle immer reden, unter einen Hut zu bringen, nämlich Beruf und Familie, hat enorm zugenommen. In dieser Sache gibt es aber offensichtlich keine von der ÖVP veranlaßte Harn- oder Blutuntersuchung. Diese würde ich mir aber ganz gerne wünschen, denn mit solch einseitigen und verkürzenden Untersuchungen, wie Sie sie hier bringen, kommen wir nicht sehr viel weiter, Frau Abgeordnete Moser. (Abg. Kampichler: Es gibt ÖVP-Initiativen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie!)

Die ÖVP-Initiativen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie wurden ja mit den Sparpaketen beschlossen: Beim Karenzurlaub oder bei der Karenzzeit erleben Familien, Mütter mit Kindern, Alleinerziehende, wie schwer es ihnen die Regierungsparteien machen, Beruf und Familie tatsächlich unter einen Hut zu bringen. Ich glaube nicht, daß das schnell vergessen werden wird. Was Sie auf diesem Gebiet in den letzten Jahren geleistet haben, ist für die Familien, ist für die Frauen mehr als gefährdend und nicht gerade ein Bonuspunkt, den Sie sich an die Schulter heften können. Tut mir leid, Herr Abgeordneter Kampichler, aber dazu gäbe es noch einiges zu sagen.

Ich komme nun zu einem anderen Bereich, da ich es nicht für sehr sinnvoll halte, hier noch einmal eine Debatte über die Familienbeihilfe zu führen, eine Debatte, die wir schon vor zwei Wochen geführt haben, und zwar im Ausschuß und dann im Plenum. Ganz kurz noch einmal zu jenem Punkt, der bis jetzt noch nicht angesprochen wurde, der aber das Budget massiv betrifft. Und das hat auch mit Deregulierung zu tun, mit einer Deregulierung, auf die der Herr Minister besonders stolz ist, daß es ihm nämlich immer wieder zu gelingen scheint, private Firmen in Initiativen des Familienministeriums einzubeziehen. Dieselbe Situation hatten wir schon einmal vor einem Jahr: Da gab es die "berühmte" Werbung des Familienministeriums im Fernsehen, bei der die Firmen "Teekanne" und McDonald΄s – bekanntlich sehr familienfreundliche Einrichtungen – im Sinne des Familienministeriums Werbung für die Familie gemacht haben. Jetzt gibt es eine neue Aktion.

Da es Ihnen offensichtlich infolge der Streichung der Geburtenbeihilfe – und das gestehe ich Ihnen zu – Probleme bereitet, die Mütter mit ihren Kindern tatsächlich zur Gesundenuntersuchung zu bringen, führten Sie ein Recall-System mit Unterstützung der Firma Pampers ein. – Nur eine Anmerkung dazu – Sie sind immerhin auch Umweltminister –: Unabhängig davon, daß es natürlich für die Frauen – für jeden Mann, für jede Frau – eine Erleichterung bedeutet, daß es Einwegwindeln gibt, sollten Sie, Herr Bundesminister, sich diese Frage aber nicht so einfach machen. Sie erteilen sozusagen der Firma Pampers dadurch die höheren Weihen des Familien- und Umweltministeriums, indem Sie sie vorrangig für eine Aktion des Familienministeriums werben lassen. Und natürlich tut die Firma Pampers das nicht aus den hehren Gründen, die Mütter zur Gesundheitsuntersuchung ihrer Kinder zu veranlassen, sondern weil sie ganz einfach Profit aus dieser Aktion machen will. Diese Aktion mit den Einwegwindeln ist nicht unbedingt eine Aktion, die sozusagen mit den Umweltzielen des Umweltministers Bartenstein zu tun hat. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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Ich will jetzt keine Predigt halten, daß es Mehrwegwindeln gibt, und hier einen Feldzug für Mehrwegwindeln und Stoffwindeln führen. (Abg. Tichy-Schreder: Haben Sie Kinder gewickelt?)  – Ich habe auch Kinder gewickelt, Frau Abgeordnete! (Abg. Tichy-Schreder: Sehr gut! Gratuliere!) Ich kenne das Problem. Ich kenne die Vorzüge und Nachteile von Einwegwindeln und Stoffwindeln. Wenn ich genügend Zeit hätte, könnte ich gerne länger mit Ihnen darüber diskutieren.

Folgendes sei hier noch zu diesem Thema angemerkt: Es ist nicht ganz so einfach und nicht so simpel gestrickt, wie es der Herr Familienminister sehen will, und zwar sowohl von der Umweltproblematik als auch von der Problematik her, die natürlich auftritt, wenn das Ministerium, um eine wichtige gesundheitspolitische Aktion bei den Bürgerinnen dieses Landes durchzuführen, auf die Hilfe einer privaten Firma zurückgreifen muß und die Politik des Familienministeriums offensichtlich zusehends von privaten Sponsoren mitbestimmt wird. Das halte ich in diesem Zusammenhang tatsächlich für ein nicht unbedeutendes Problem.

Herr Bundesminister! Ein letzter Punkt, der natürlich indirekt mit dem Budget 1999 zu tun hat – wir werden das demnächst auch im Ausschuß beraten –, betrifft die Sektenberatungsstelle. Sie haben dazu einen Gesetzentwurf ausgesendet, der demnächst im Ausschuß behandelt werden wird. Ich möchte hier nur vorausschickend folgendes anmerken: Wir werden nächste Woche Gelegenheit haben, im Rahmen einer Enquete über Sekten und Psychokulte über all das zu sprechen. Jedenfalls: Ich hätte mir bezüglich dieser Sektenberatungsstelle etwas mehr Mut von Ihnen, Herr Bundesminister, erwartet und gewünscht.

Herr Minister! Sie haben vor einem Jahr einen Erstentwurf ausgeschickt. Dieser enthielt noch keine Einschränkung auf bestimmte Gruppen. Daraufhin hat die Bischofskonferenz ganz massiv – und zu Recht! – kritisiert, daß Sekten in diesem Entwurf nicht definiert sind, und sie hat eingefordert, daß sozusagen die großen Kirchen und Religionsgesellschaften von diesem Entwurf ausgenommen werden müssen. Wenn das geschehe – das war der Stellungnahme der Bischofskonferenz sehr deutlich zu entnehmen –, dann mache es nichts aus, wenn es keine Definition des Begriffes "Sekten" gibt.

So haben Sie auch gehandelt, Herr Bundesminister. In Ihrem Entwurf fehlt nach wie vor jegliche Definition, was eine Sekte oder ein sektenähnliches Gebilde ist. Es fehlt jegliche Definition, ob es hiebei nur um religiöse Sekten gehen soll. Ganz im Gegenteil: Sie beziehen auch Weltanschauungssekten ein. Ich hätte gerne von Ihnen gewußt, was Sie sich darunter vorstellen. Sie definieren Sekten nur über Konsequenzen, nämlich über die Gefahren, die von ihnen ausgehen. Wenn man das aber ernst nimmt und nur über die Gefahrenproblematik definiert, wird man nicht umhin kommen, Herr Bundesminister, auch über Gruppen wie "Opus Dei", "Werk", "Engelwerk", "Piusbruderschaft", "Petrusbruderschaft", den "Dreizehnten" und welche Gruppen es sonst noch im konservativ-klerikalen Eck gibt – teilweise mit ganz manipulativen Tendenzen im psychischen Bereich –, zu diskutieren.

Daß Sie dieses Problem aus der Debatte ausklammern, daß es Ihnen gar nicht einfällt, im Rahmen einer Diskussion über Sekten und sektenähnliche Gruppen darüber zu debattieren, entwertet grundsätzlich den Entwurf über die Sektenberatungsstelle – das neben allen anderen Kritikpunkten, die man noch an diesem Entwurf haben könnte!

Es stimmt mich bedenklich, daß es zusätzlich ermöglicht wird, daß ein völlig unkontrollierter Datenfluß zwischen jenen Stellen, die diese Informationen austauschen, stattfindet. Das wird auch vom Datenschutzrat kritisiert. Ich war so wie Sie immer der Meinung – wir Grünen haben diesbezüglich auch entsprechend viele Anträge und Initiativen eingebracht –, daß die Auseinandersetzung mit der Sektenproblematik wichtig und notwendig ist. Eine Voraussetzung dafür ist aber, daß man weiß, wie man Sekten definieren, was man darunter verstehen will. Einer solchen Auseinandersetzung entziehen Sie sich jedoch, Herr Minister, mit diesem Entwurf völlig.

Ein weiterer Punkt: Man muß auch wissen, wann die Grenzen erreicht sind. Wenn völlig unkontrollierbare Datenflüsse im Rahmen dieser Sektenberatungsstelle ermöglicht werden, so halte ich das für ein Riesenproblem, das nicht mehr steuerbar ist. Wenn noch dazukommt, daß die Sektenberatungsstelle – damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt – auch Aufträge für Dritte


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annehmen kann, wird es besonders heikel: Wenn sie nämlich für Dritte außerhalb des Bundes Aufträge annehmen und durchführen darf, dann gibt es dieselbe Problematik wie beim Umweltbundesamt, und zwar derart, daß jemand Aufträge geben könnte, der entweder – ganz gut verkleidet – selbst bestimmte sektenhafte Interessen vertreten wissen will, oder sich eine Großkirche beispielsweise ganz bewußt der Sektenberatungsstelle bedient, um ihre Interessen zu vertreten. Und beides halte ich für nicht vertretbar.

Abschließend noch zu diesem Punkt, Herr Bundesminister: Ich möchte Sie an etwas erinnern – vielleicht wissen Sie es nicht –: In Deutschland gibt es bereits eine große Debatte darüber, daß Sekten und sektenähnliche Gruppen – und das sind nicht "Opus Dei", das "Engelwerk", das "Werk" und ähnliche Gruppen, sondern ganz traditionelle religiöse Sekten und Psychokulte – im Bereich der Großkirchen tätig sind, weil sie das dort natürlich wesentlich geschützter machen können, als das im sogenannten ungeschützten, nicht durch die Großkirchen geschützten Bereich möglich ist. Diesbezüglich gibt es in Deutschland eine breite Debatte.

Mit Ihrem Entwurf, Herr Minister, tragen Sie keinen Zentimeter dazu bei, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Im Gegenteil: Sie fördern eine solche Entwicklung, indem Sie den Bereich der Großkirchen und Religionsgesellschaften aus diesem Anwendungsbereich ausdrücklich ausklammern. Und das halte ich für ein Problem. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Kennen Sie den Artikel 15 Staatsgrundgesetz?)

Ich kenne den Artikel 15 des Staatsgrundgesetzes. Das macht es aber trotzdem für einen staatlichen Auftrag nicht unerläßlich, daß bestimmte Tendenzen – und diese betreffen nicht die Großkirchen als solche; die halte ich für eine sinnvolle, wichtige und wertvolle Einrichtung –, die sich an den Rändern dieser Großkirchen festgemacht haben, gegeben sind, sodaß der Staat genauso wie bei den kleinen Sekten, bei den Psychokulten, bei "Scientology" et cetera seinen Auftrag wahrzunehmen hat. Wenn Sie mir erklären können, Herr Bundesminister, welchen Unterschied es zwischen der Tätigkeit von "Opus Dei" und der Tätigkeit von "Scientology" gibt, dann wären wir schon einen Schritt weiter. (Beifall bei den Grünen.)

11.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.10

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Umweltminister! Mit dieser Anrede möchte ich dokumentieren, daß ich mich nun dem nächsten Block, der Umwelt, zuwende. Aus der Fülle der Themen möchte ich den Amsterdamer Vertrag herausgreifen, in dem erfreulicherweise ein Grundsatzbekenntnis zur nachhaltigen Entwicklung festgeschrieben steht. Das begrüße ich, weil es damit innerhalb der EU eine Gemeinsamkeit gibt und die Europäische Union nun in der internationalen Gemeinschaft im Bereich der Umweltaufträge sicherlich schlagkräftiger sein wird.

Für Österreich ist diese Festschreibung ganz besonders wichtig, weil dadurch die höheren nationalen Standards erhalten werden können und nicht reduziert werden müssen. Österreich hat sich immer bemüht, entsprechend hohe Standards festzuschreiben und einzuhalten, und erwartet aufgrund gewisser Ängste dies auch von seinen Nachbarstaaten. Das wurde heute schon intensiv besprochen, ich möchte daher das Thema Mochovce nicht mehr berühren.

Ich stimme durchaus mit Kollegin Langthaler überein, die sich sehr intensiv mit den Transitströmen befaßt hat. Ihre Aussagen kann man als Abgeordneter einer Region, in der sich östliche Transitströme intensivst abspielen, nur unterstreichen. Ich möchte auch anregen, sich mehr den Kopf darüber zu zerbrechen, diese Transitströme auf anderen Wegen abzuwickeln, sei es auf den Wasserstraßen, wo es interessante Projekte geben könnte – Beispiel Donau-Oder-Elbe-Kanal –, oder auf der Schiene, was zur Entlastung unserer Umweltstrukturen beitragen würde.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zum Abschluß möchte ich noch einen Gedanken aufgreifen. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit den Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung


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diskutiert, und ein österreichisches Medium nimmt sich dieser Sache intensiv an. Ich möchte auch entsprechende Projekte für den Umweltbereich vorschlagen.

Erfreulicherweise gibt es ja bereits einige Projekte, aber sie sind alle befristet, sie stehen im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarktservice und gehen eher in Richtung Transitarbeitsplätze, nicht ständige Arbeitsplätze. Es gibt jedoch Beispiele, wo diese Aufgaben hervorragend gelöst werden konnten. Ich möchte stellvertretend die Aktion eines Umweltverbandes aus Niederösterreich erwähnen, im Rahmen derer die Zahl von ursprünglich fünf Transitarbeitsplätzen bereits auf 20 gesteigert werden konnte. Es werden Serviceleistungen und Dienstleistungen für einzelne Gemeinden angeboten, um Ortsbildpflege und Umweltberatung durchzuführen. Mit solchen Projekten könnte ein sehr wesentlicher pädagogischer Auftrag erfüllt werden – insgesamt zur Entlastung der Umwelt, aber gleichzeitig auch für mehr Beschäftigung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.14

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, Sie haben in Beantwortung einer mündlichen Anfrage des Kollegen Gaugg im Zuge der Budgetdebatten zum Toronto-Ziel und zum Kyoto-Ziel Stellung genommen. Sie haben festgestellt, daß es interministerielle Gespräche zur Festlegung der Post-Kyoto-Strategie gibt. Sie sei im Laufen, aber eine definitive Strategie könne erst nach der Festlegung erfolgen, die jetzt seitens der EU hinsichtlich der Reduktionsbeiträge der Mitgliedsländer erfolgen soll.

Herr Bundesminister! Sie haben auch angeführt, daß in einer Vielzahl von Studien nachgewiesen wird, daß das Erreichen ambitionierter Reduktionsziele nicht nur wirtschaftlich zumutbar ist – das war die konkrete Frage, wie es mit der wirtschaftlichen Zumutbarkeit steht –, sondern auch gesamtwirtschaftlich gesehen Vorteile bringt. Es gibt hiezu natürlich auch eine anderslautende Studie, die das Erreichen des Toronto-Ziels mit einem Aufwand von rund 53 Milliarden Schilling beziffert, nämlich die Studie von Professor Voss. Die Wahrheit wird wahrscheinlich irgendwo dazwischen liegen, insbesondere dann, wenn man die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft. Es geht, wie ich meine, darum, den Einsatz erneuerbarer Energieträger zu verstärken, das heißt, erneuerbaren Energieträgern tatsächlich zum Durchbruch zu verhelfen, ihnen eine Chance einzuräumen.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Biomassenutzung ansprechen. Wir wissen – Ihr Kollege Landwirtschaftsminister Molterer war bei der Podiumsdiskussion dabei –, daß Professor Schneider nachgewiesen hat, daß damit eine Fülle von Arbeitsplätzen geschaffen werden könnte. Auf die Frage, was Ministerin Hostasch, die ebenfalls anwesend war, und Minister Molterer jetzt machen werden aufgrund der Erkenntnis, daß die Möglichkeit besteht, 53 000 Arbeitsplätze zu schaffen, wie sie das umsetzen wollen, kam die Antwort von Frau Ministerin Hostasch, sie werde es in die Steuerreformkommission einbringen. – Das bedeutet in Wirklichkeit ein Schieben auf die lange Bank.

Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, daß selbstverständlich an der Erreichbarkeit des Toronto-Ziels festgehalten werden soll und wird und daß es im Endeffekt von den Interessenverbänden – so lese ich – und den Energiepolitikern abhängen wird, ob dies stattfindet oder nicht. Und das weist, wie ich meine, darauf hin, welche Kompetenzen, welche Möglichkeiten Sie als Umweltminister tatsächlich haben. Ich halte Ihre Möglichkeiten für leider Gottes sehr eingeschränkt, und das hat sich auch letzten Sonntag gezeigt. Sie waren vergangenen Sonntag in "Zur Sache" eingeladen, und ich nehme nicht an, daß Sie aufgrund Ihres Erschöpfungsgrades infolge des Marathonlaufs nicht daran teilgenommen haben. Sie meinten, daß das nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich fällt (Bundesminister Dr. Bartenstein: Primär, Herr Kollege, primär!)  – das ist wie ein roter Faden, der sich da durchzieht.

Es gibt eine Vielzahl von Themen, die uns an sich sehr beschäftigen – in diesem Falle war es Mochovce –, hinsichtlich derer keine Zuständigkeit vorhanden ist und offensichtlich auch keine


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Koordinierung zwischen den einzelnen Ministerien stattfindet. Sie haben ja im Endeffekt da offensichtlich keine Kompetenz, und ich finde es sehr traurig, daß der Umweltminister gerade in dieser Situation, in der wir uns jetzt befinden, vornehme Zurückhaltung übt.

Mochovce ist kein Kernkraftwerk wie jedes andere, auch wenn medial verbreitet wird, daß 95 Prozent der Mängel, die es gibt oder gab und die festgestellt wurden, behoben sind. Ein ganz wesentliches Problem stellt der Reaktordruckbehälter dar. Dieser weist Mängel auf, die wahrscheinlich sogar irreparabel sind. Es ist die Frage, ob die Notmaßnahmen, die man jetzt schon, noch vor Einschalten dieses Reaktors ins Auge faßt, überhaupt durchführbar sind.

Es ist diesbezüglich die Zusammenarbeit mit anderen Ministerien nicht gegeben, und es ist nicht der notwendige Druck ausgeübt worden. Ich sehe das auch im Bereich der Umsetzung des Kyoto-Ziels. Wenn ich mir den Verlauf der Emissionen über Jahre anschaue, so ist festzustellen, daß dieser annähernd gleichgeblieben ist. Das heißt, keine Spur von Umsetzung des Toronto-Ziels, keine Spur von Umsetzung des Kyoto-Ziels. Ich frage mich tatsächlich: Welche Maßnahmen werden und wollen Sie setzen, um als Umweltminister entsprechend zu einer Realisierung dieses Ziels beizutragen?

Eine große Chance wäre sicherlich im Bereich des ElWOG gegeben, erneuerbaren Energieträgern zum Durchbruch zu verhelfen. Aber ich fürchte, daß da die Uhren auch wieder etwas anders gehen, und es ist festzuhalten, daß die Interessenverbände beziehungsweise jene, die diese geschützten Bereiche erhalten wollen, das große Sagen haben. Von ihnen ist nicht zu erwarten, daß sie sich entsprechend in die Diskussion einbringen und erneuerbaren Energieträgern zu einem besseren Dasein verhelfen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.21

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich speziell bei jenen Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten bedanken, die jetzt im Plenum sind, denn sonst würde ich mich sehr, sehr einsam fühlen. Ich würde Sie bitten, meine Ausführungen zur Familienpolitik entsprechend zu bewerten.

Geschätzte Damen und Herren! Mit dem heutigen Tag beschließen wir das Budget im Familienbereich für das Jahr 1 nach der größten Familiensteuerreform der letzten Zeit. Für die Familien Österreichs beginnt damit eine neue Ära, und ich möchte mich als Interessenvertreter der Familien ganz besonders herzlich beim Familienminister und seinem Team für das Ergebnis bedanken, das er zugunsten der Familien erreicht hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben dadurch sehr wohl mehr Gerechtigkeit bei der Besteuerung von Familieneinkommen erreicht. Und ich möchte Frau Kollegin Haller sagen: Der Verfassungsgerichtshof ist mit dieser Lösung einverstanden.

Ich möchte aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch meinen persönlichen Dank nachreichen. Seit ich diesem Hause angehöre – und da sind auch acht Jahre im Bundesrat mit einzurechnen –, war es mein großes Anliegen, mehr Gerechtigkeit bei der Familienbesteuerung zu erreichen. Und nur die größten Optimisten unter uns haben wirklich daran geglaubt, daß tatsächlich 12,6 Milliarden Schilling den Familien in Zukunft zur Verfügung stehen werden. Ich gratuliere uns zu diesem Ergebnis. Wir stellen uns damit selbst ein sehr, sehr gutes Zeugnis aus.

Diese Steuerreform hat natürlich nicht nur familienpolitisch enorme Tragweite, sondern selbstverständlich auch wirtschaftspolitische Auswirkungen. Die Familien, meine sehr verehrten Damen und Herren, können stärker am Wohlstand teilhaben. Österreich zählt ja zu einem der reichsten Länder dieser Erde, und die Familien werden diesen Reichtum in Zukunft in stärkerem Maße zu spüren bekommen.


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Bei der Umsetzung der Familienpolitik, geschätzte Damen und Herren, ist natürlich der Familienlastenausgleichsfonds ein wichtiges Instrument. Die gewaltige Summe von 57 Milliarden Schilling wird jedes Jahr über diesen Fonds bewegt, und ich freue mich, daß er ab 1999 wieder einen Überschuß aufweisen wird. Die Schulden an den Finanzminister sind auch bezahlt, das heißt, der Familienminister hat wieder Gestaltungsmöglichkeiten mit diesem Fonds zugunsten der Familien.

In diesem Zusammenhang, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich auf eine Kritik eingehen, die immer wieder – heute von Kollegin Haller – kommt, nämlich daß die Länder zu wenig in diesen Familienlastenausgleichsfonds einzahlen. Ich habe mich auf Landesebene sehr oft mit diesem Thema auseinandergesetzt, und ich konnte mich davon überzeugen, daß die Länder ein Vielfaches dessen, was sie nach Aufhebung der Selbstträgerschaft in den Fonds einzuzahlen hätten, für eigene familienpolitische und familienfördernde Maßnahmen ausgeben. Niederösterreich gibt allein für die Familienhilfe des Landes über 100 000 S jährlich aus. Dazu kommen noch die Förderungen für familienergänzende und familienunterstützende Einrichtungen. Und so haben natürlich auch alle anderen Länder vergleichbare tolle Angebote. Ich habe mir das einmal aufgelistet, damit man sieht, was wirklich seitens der Länder geleistet wird.

Die Länder wollen natürlich eigene Schwerpunkte setzen. Jedes Bundesland erstellt nach eigenen Vorstellungen Richtlinien für die Familienzuschüsse. Meistens sind es soziale Aspekte, die maßgeblich sind. Die Länder sind auch etwas flexibler in diesem Bereich, und sie können ganz bestimmte Schwerpunkte setzen. Wenn man sich die Förderungen ansieht, dann merkt man, daß da eine sehr hohe soziale Treffsicherheit gegeben ist. Vielleicht gibt es noch eine Spur von Mißtrauen seitens der Länder, weil es Zeiten gab, in denen FLAF-Gelder für die Sanierung von Fußballstadien oder ähnliche Dinge verwendet wurden. Vielleicht möchten die Länder solche Dinge verhindern und daher selbst familienpolitische Maßnahmen setzen. Wenn es diesbezüglich zu Änderungen kommt, dann geht das nur im Zuge des Finanzausgleichs. Es müßte also die gesamte Situation neu verhandelt werden.

Ich glaube, die derzeitige Vorgangsweise, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist keine schlechte. Länder und Bund gemeinsam machen eine gute Familienpolitik, allen voran unser Familienminister, der noch große Aufgaben vor sich hat. Er wird auch diese Aufgaben Zug um Zug lösen. Ich wünsche ihm dabei viel Erfolg und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

11.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

11.26

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Danke, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anläßlich meiner zweiten Wortmeldung darf ich mich in der gebotenen Kürze mit familienpolitischen Fragen und Ihren Debattenbeiträge hiezu beschäftigen. Wenn du, sehr geehrter Herr Abgeordneter Kampichler, gerade erwähnt hast, daß die Familiensteuerreform 1999 ein großer Erfolg ist, dann muß man auch dazusagen, daß wir mit dem Budget 1999 die erste Hälfte dieser Familiensteuerreform umsetzen, daß über 6 Milliarden Schilling, die den Familien ab 1999 zugute kommen werden, jetzt beschlossen werden – 3 000 S pro Kind und Jahr; im Vollausbau ab dem Jahr 2000 werden es 6 000 S sein.

Genau für diesen Zeitpunkt, sehr geehrte Frau Abgeordnete Haller, habe ich nach der politischen Einigung mit dem Koalitionspartner nicht die Wiedereinführung der Heimfahrtbeihilfe in Aussicht gestellt, sondern vielmehr die Ausweitung der Schülerfreifahrt auch auf Fahrten von zu Hause in ein Internat. Darum geht es ab dem Jahr 2000 ebenso wie um eine entsprechende Aufstockung der Mittel für den Familienhärteausgleichsfonds in Verbindung mit einem Aufmachen, einem Adaptieren der Richtlinien, um mehr in Not geratenen Familien helfen zu können.

Herr Abgeordneter Kampichler! Du hast auch einige Worte gesagt zum Thema FLAF-Überschüsse. Es ist richtig – und ich stelle das erfreut fest –, daß der Familienlastenausgleichsfonds, also der große Familientopf, erstmals nach harten Zeiten der Sanierung dieses Topfes im


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Jahr 1999 wieder in die schwarzen Zahlen kommen und Überschüsse produzieren wird, und selbstverständlich ist es mein Bestreben, diese Überschüsse dann in sinnvoller Art und Weise auch den Familien zugute kommen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was manche Begehrlichkeiten anbelangt – ich nehme da die Länder nicht aus, ja nicht einmal die Landeshauptleutekonferenz, es gibt aber auch noch andere Begehrlichkeiten –, so kann ich nur sagen: Erstens einmal hat der Familienlastenausgleichsfonds diese Überschüsse heute noch nicht. Zum zweiten warten wichtige Aufgaben auf uns, und zum dritten ist dieser Fonds ausschließlich dazu konzipiert, den Familien zu helfen. Ich weiß, daß es noch immer eine Reihe von Wermutstropfen von der Finanzierungsseite her gibt, und dazu gehört aus meiner Sicht auch die Selbstträgerschaft der Länder. Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür, aber wenn der Finanzausgleich neu verhandelt wird – das sollte im Jahr 2000 der Fall sein – und ich dann noch Verantwortung in dieser Beziehung trage, werde ich das zur Debatte stellen, denn es gibt einen grauen Finanzausgleich nicht nur in die eine Richtung, sondern auch in die andere Richtung, und das gehört dort thematisiert.

Ich freue mich übrigens sehr, und das hat auch Frau Abgeordnete Mertel, glaube ich, vorhin angemerkt, daß es durch die Einigung mit Kollegen Einem gelungen ist, die Schüler und Lehrlinge in die Verkehrsverbünde zu integrieren – in zwei Stufen: mit Herbst dieses Jahres und endgültig dann mit Herbst nächsten Jahres –, daß wir aber gleichzeitig vereinbart haben, daß spätestens mit Beginn des Schuljahres 2002/03 Schüler und Lehrlinge zu denselben Konditionen wie Erwachsene von den Verkehrsverbünden zu transportieren, zu befördern sein werden und damit auch ein Teil eines zu Lasten des FLAF funktionierenden beziehungsweise nicht funktionierenden grauen Finanzausgleichs abgestellt werden wird. Ich weiß, das ist mittelfristige Zukunft, aber die politische Entscheidung haben wir getroffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Haller hat gesagt – was ein gutes Recht von Oppositionsvertretern ist –, die Familiensteuerreform sei erstens nicht freiwillig erfolgt, zweitens sei sie nicht verfassungskonform, und drittens sei sie nicht weitreichend genug. – Es kann natürlich immer ein Mehr geben, aber glauben Sie mir: Es gibt sehr viele ernsthafte Stimmen, die sagen, daß wir mit diesen 12,6 Milliarden Schilling sehr, sehr weit gegangen sind – manch einer sagt: zu weit. Es gibt Wirtschaftsforscher, die von Luxusgeschenken an die Familie sprechen. Ich bin absolut nicht dieser Meinung, aber weit gegangen sind wir jedenfalls.

Frau Abgeordnete Haller, wir sind auch hinsichtlich der Freiwilligkeit recht weit gegangen. Das, was wir hier im Rahmen der Budgetbegleitgesetze beschließen werden und beschlossen haben, geht weit über das hinaus, was uns die Verfassungsrichter auferlegt haben. Die Verfassungsrichter haben lediglich verlangt, daß man bei besserverdienenden Familien den horizontalen Lastenausgleich so gestaltet, daß deren Unterhaltsverpflichtungen zumindest zur Hälfte steuerfrei sind. Bei der großen Masse der Familien – bei den einkommensschwächeren, den sozial schwächeren Familien – ist das nicht das Thema. Dort ist die steuerliche Belastung dieser fiktiven Unterhaltsverpflichtungen allemal kompensiert durch den Kinderabsetzbetrag und durch eine anteilige Anrechnung der Familienbeihilfe. Aber wir haben gesagt, jedes Kind ist uns gleich viel wert, wir helfen dort in genau dem gleichen Ausmaß – 6 000 S pro Kind und Jahr als Untergrenze –, und das geht weit über das Verlangte hinaus. Da ist sehr viel familienpolitischer und, wenn Sie so wollen, auch sozialpolitischer Impetus des Gesetzgebers mit drinnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu der von Ihnen in den Raum gestellten Theorie, Kinder seien ein Geschäft für den Staat, da nach dieser Rechnung des von Ihnen zitierten Medienvertreters etwa das Doppelte dessen, was für Kinder und für junge Menschen investiert wird, wieder hereinkommt für den Staat, kann ich Ihnen nur sagen: Die Rechnung kann nicht stimmen – abgesehen davon, daß Kinder für uns wahnsinnig wichtig sind und auch eine emotionale Freude darstellen. Aber ein Geschäft in dem Sinne, daß der Staat an ihnen ein paar Millionen verdient, sehe ich nicht, und das ist auch gar nicht notwendig, darum geht es gar nicht.

Zu Ihrer Anmerkung bezüglich Kinderbetreuungsscheck: Die Studie wird in diesen Wochen fertig, ich werde sie vorstellen. Aber seien wir uns einer Sache gleich gewiß: Es ist nun die Zeit ge


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kommen, in der man sich hinsetzt und auch finanziell das verdaut, was gerade beschlossen worden ist, aber ohnehin erst in den nächsten zwei Jahren in zwei Schritten umgesetzt wird, nämlich die Familiensteuerreform. Es ist dieser Kinderbetreuungsscheck – ich verfolge auch die Ereignisse in Sachsen, das dortige Projekt Erziehungsgehalt oder -geld, wie immer das heißen mag, sehr genau – ein familienpolitisch sehr, sehr interessantes Projekt, keine Frage, und wir werden darüber diskutieren, wir werden das analysieren. Ich möchte aber heute und hier schon klar sagen: Das ist ein mittelfristiges Projekt, und es wird ganz sicher vor allem aus finanziellen, aber auch aus politischen Erwägungen nicht kurzfristig zu verwirklichen sein. Diskutieren werden wir es.

Frau Abgeordnete Motter, Sie haben ein wenig Kritik daran geübt – nicht zum ersten Mal –, daß die Mittel für die Familienberatung gleichbleiben, aber dadurch, daß jetzt dort auch Sektenberatung durchgeführt wird, zwangsläufig alles andere zurückfällt. Ich darf Ihnen zum einen sagen, daß wir die Mittel für die Familienberatung eben der Sektenberatung wegen durch Umschichtungen gerade erst auf 110 Millionen Schilling aufstocken konnten, daß mit dem Koalitionspartner eine weitere signifikante Aufstockung der Mittel für die Familienberatung ab 2000 vorgesehen ist und daß der Zeitaufwand, der für Sektenberatung in den Familienberatungsstellen bis jetzt anfällt, ja ein relativ bescheidener ist. Das ist im Aufbau begriffen. Ein bis maximal zwei Familienberatungsstellen pro Bundesland beschäftigen sich mit Sektenberatung, das ist im Hinblick auf die über 300 Familienberatungsstellen bundesweit ein relativ kleiner Anteil. Ich sehe da nicht die Gefahr, daß andere Themen gewissermaßen unter die Räder kommen.

Was die Schulbücher betrifft, so läuft die Schulbuchreform ja jetzt an. Die Schulen sind dabei, sich umzustellen, und es ist nun wesentlich mehr Autonomie für die Schulen gegeben, als das bisher der Fall war. Das erklärte Ziel der Schulbuchreform, Frau Abgeordnete Motter, ist ja ein zweigeteiltes: erstens, dem Wegwerfschulbuch ade zu sagen. Da kommt auch ein bißchen der Umweltminister in mir durch. Das Wegwerfschulbuch wollten wir aus vielerlei Gründen nicht, und ich glaube, das war eine gemeinsame Position hier in diesem Hohen Hause. Zum zweiten soll aber auch der Versorgungsgrad wiederum gehoben werden. Es ist richtig: Drei Viertel – Sie haben gesagt, 76 Prozent, und haben den Rechnungshof zitiert – beträgt der Versorgungsgrad derzeit. Die Schulbuchreform soll innerhalb der nächsten fünf Jahre durch die Umstellung auf ein teilweises Wiederverwendungssystem, durch die Einrichtung entsprechender Schulbibliotheken diesen Versorgungsgrad auf 90 Prozent oder vielleicht darüber bringen. Das ist das erklärte Ziel der Schulbuchreform, und ich halte das für sinnvoll.

Was die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuung anbelangt, Frau Abgeordnete Motter, laufen Sie bei mir – ich sage das ganz offen – und sicherlich auch bei den Freunden meiner Fraktion ziemlich offene Türen ein. Sehr weit sind wir damit noch nicht. Der Koalitionspartner sagt bis jetzt jedenfalls nicht ja dazu, und ich orte auch heute kein begeistertes Nicken in dieser Richtung, sodaß diesbezüglich noch Verhandlungen zu führen sein werden.

Herr Abgeordneter Öllinger ist leider nicht mehr da (Abg. Wabl: Wir sagen es ihm!), aber ich glaube, wir haben heute erste Vorboten dessen gehört, was uns bevorsteht, wenn Frau Abgeordnete Langthaler, was ich ausdrücklich von der Kompetenz her und auch persönlich bedauere, trotz vieler Auseinandersetzungen, die politisch und hart waren, in absehbarer Zeit das Hohe Haus verläßt. (Abg. Wabl: Ja, ja!) Politische Tränen sind Ihnen gewiß, und sie sind auch ehrlich gemeint. Frau Abgeordnete Langthaler, wenn Sie dieses Haus verlassen, dann könnte unter Umständen ein neuer Fundamentalismus in die Umweltpolitik der Grünen hier im Haus einziehen. Aber vielleicht war es auch nur ein Ausrutscher.

Das Beispiel der Sponsorbeiträge in Höhe von 2 Millionen Schilling jährlich zu bringen, die Procter & Gamble und damit Pampers investieren in das Recall-System für 400 000 Briefe, die Jahr für Jahr an Österreichs Eltern – primär an die Mütter, weil sie eben die Verantwortung für die Kinder wahrnehmen – ergehen, damit die Untersuchungsdisziplin im Rahmen der Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen hoch bleibt und vielleicht sogar wieder etwas ansteigt – minus 9 Prozent waren es leider Gottes 1997, wir haben jetzt die Daten für Gesamtösterreich vom Hauptverband bekommen –, und dann zu sagen: Sie sind ja auch Umweltminister, wie ist denn das mit


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der Umweltpolitik? Wegwerf- und damit Einwegwindeln sind etwas Schlechtes!, das ist ziemlich alte Umweltpolitik.

Abgesehen davon – und ich weiß als Vater von fünf Kindern, wovon ich spreche –, daß zwischen Stoffwindeln und Wegwerfwindeln kein Vergleich besteht – beides probiert, meine Damen und Herren, kein Vergleich! (Beifall bei der ÖVP – Abg. Wabl: Wie viele Windeln haben Sie selbst gewaschen, Sie selber?) –, gibt es eine Studie des Umweltbundesamtes – nicht des österreichischen, sondern des deutschen Umweltbundesamtes –, die für Einwegwindeln sogar eine bessere Ökobilanz darstellt. Also auch vom Ökologischen her gibt es nachvollziehbare seriöse Studien, die, ausschließlich auf die Ökobilanz abgestellt, für Wegwerfwindeln bessere Ökobilanzen darstellen – ganz zu schweigen von der Bequemlichkeit der Mütter und letztlich von der Röte der Kinderpopos, die man auch vermeiden sollte. (Abg. Reitsamer: Die Bequemlichkeit der Mütter! Das ist typisch Mann!) Ich hoffe also, das war ein Ausrutscher und nicht der erste Vorbote dessen, was uns droht, wenn Langthaler geht und ein anderer Umweltsprecher kommt.

Kollege Öllinger hat aber auch zu einem Problem Stellung genommen, das das Hohe Haus ja noch nicht erreicht hat, zur Sektenberatung, und an einigen Punkten Kritik geübt. Ich möchte gewissermaßen in vorauseilendem Gehorsam schon vor der Debatte im Ausschuß und dann im Plenum – das Gesetz hat ja schon den Ministerrat passiert – antworten. Es gibt zwei konkrete Gründe, warum wir gesagt haben, wir wollen mit dieser Gesetzesvorlage innerkirchliche Gruppierungen und Sekten – per definitionem kann eine Sekte ja nicht innerkirchlich sein, aber Sie wissen, wovon ich spreche; religiöse Gruppen sind gemeint – in der Verantwortung der Kirchen belassen und sie nicht gewissermaßen der Betreuung durch die Sektenberatungsstelle des Bundes unterziehen.

Grund Nummer 1 ist ein, so glaube ich, sehr ernst zu nehmender. Ich bitte Artikel 15 Staatsgrundgesetz aus 1967 zu lesen. Ich glaube, es gibt schon sehr viele gute Gründe, warum das innerkirchlich zu regeln ist und dort auch bleiben soll.

Grund Nummer 2 ist für mich politisch fast der relevantere. Wir haben nicht nur zirka 300 000 Sektenbroschüren in diesen eineinhalb Jahren abgegeben – das Interesse daran ist nach wie vor sehr groß –, sondern auch Zigtausende sonstige Kontakte gehabt und Telefongespräche geführt. Man muß auch schauen, wo die großen Probleme sind, welche Gruppen die großen Probleme machen und welche Gruppen weniger Probleme bereiten. Nach den Aussagen meiner Mitarbeiter und nach meinen persönlichen Erfahrungen muß ich sagen, daß uns die innerkirchlichen Gruppierungen bis jetzt relativ wenig bis keine Probleme machen. Ich sage aber eines dazu: Sollte sich das ändern, sollte Erkenntnismaterial belegen, daß auch hier Menschen in ihr Unglück getrieben werden, daß Familien belastet werden, daß Kinder körperlich oder emotional ihren Familien entrissen werden, dann würde ich mich nicht scheuen, mich auch dieses Themas sehr ernsthaft anzunehmen. – Aber der Status quo ist jedenfalls, daß das aus unserer Sicht nicht das Problem ist.

Die Datenschutzfragen werden wir dann erörtern, wenn es soweit ist.

Soviel aus meiner Sicht zu den von den Vertretern der Oppositionsparteien angeschnittenen Fragestellungen zum Thema Familienpolitik. – Herr Präsident! Ich danke für die Worterteilung. (Beifall bei der ÖVP.)

11.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

11.42

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In diesen Expertenstreit über Pampers und Stoffwindeln will ich mich nicht einmischen, da der Herr Umweltminister das persönlich ausprobiert hat. (Abg. Ing. Langthaler: Das ist ge


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scheiter!) Ich bin überzeugt davon, er hat das ausführlich getestet und nach allen Kriterien der Wissenschaftlichkeit genau untersucht.

Ich möchte nur zur Anmerkung des Kollegen Öllinger eines festhalten: Unabhängig davon, wie zweckmäßig das eine oder das andere, das Sie getestet haben, ist, stellt sich natürlich die Frage, wie sich einzelne Firmen zusätzliche Autorität beim Kunden verschaffen, indem es solche Verträge gibt. Die Verquickung zwischen Politik und Wirtschaft wird dabei natürlich sehr problematisch. Und das ist der Punkt, den Öllinger kritisiert hat. – Ich weiß nicht, wie er zu den Wegwerfwindeln steht, ich kann Ihnen nur sagen: Diese Verquickung ist sicher problematisch, weil dadurch auch ein Autoritätsgewinn für die Firma entsteht. Wenn der Herr Umweltminister sogar selbst mit solch einer Firma einen Vertrag hat, dann wird natürlich der Glaube der Konsumenten größer, daß es sich dabei um eine sehr seriöse Firma handelt, die auch umweltbewußte Produkte hat – unabhängig davon, wie jetzt das einzelne Produkt zu bewerten ist. (Abg. Mag. Stoisits: Und die teuersten Windeln!)

Die Teuersten müssen es sein, weil sie aufwendige Werbeverträge mit Herrn Bartenstein machen müssen. Sie müssen natürlich das Geld wieder irgendwo hereinbekommen, das ist wohl verständlich. Eine namenlose Wegwerfwindel-Firma tut sich natürlich schwer, so viel Geld aufzubringen, um den Umweltminister in seinen Informationskampagnen zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einen Satz im Zusammenhang mit Ihrer Argumentation zur Verabschiedung oder Nicht-Verabschiedung vom Toronto-Ziel und zur Frage der Gerechtigkeit des Ausgleichs der einzelnen Staaten im Zusammenhang mit den anzustrebenden oder verpflichtenden Zielen sagen.

Herr Bundesminister! Ich halte es für zulässig, daß man innerhalb eines Vertragswerkes für Gerechtigkeit sorgt und auch dieses Argument einbringt, das ist durchaus zulässig. Aber damit Sie Ihre Glaubwürdigkeit und Österreich seine Glaubwürdigkeit im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Reduktion im CO2-Bereich behalten, ist es notwendig, daß nachvollziehbar ist, was passiert, wenn dieses oder jenes Ziel nicht erreicht wird. Gibt es auf gesetzlicher Ebene eine Sanktionierung oder eine verbindliche, klare Festlegung dafür? Was passiert, wenn das nicht eintritt? Was kommt dann?

Es sollte so ähnlich wie bei einem Unternehmen sein, das einen Schuldentilgungsplan hat, ihn nicht einhalten kann und auf einen Konkurs zusteuert: Was macht dieses Unternehmen dann? – Ähnlich müßten Sie, Herr Umweltminister, glaubwürdig darstellen, welche Maßnahmen dann im verkehrspolitischen Bereich, im energiepolitischen Bereich in Österreich ergriffen werden, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Darum halte ich es für durchaus zulässig, darüber zu diskutieren, ob internationale Verträge gerecht oder ungerecht sind und ob nicht unzulässige Verschiebungen durchgeführt worden sind, wie Sie es am Beispiel China und Portugal sehr eindrucksvoll geschildert haben.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber besonders ein Kapitel im Zusammenhang mit dem Budget Umwelt ansprechen, und zwar betrifft das die Problematik des Umweltförderungsgesetzes, insbesondere die Frage der Abwasserbehandlung.

Meine Damen und Herren! Das Umweltministerium hat erst mit vierjähriger Verspätung, nach Inkrafttreten des Umweltförderungsgesetzes die technischen Richtlinien herausgegeben. Bis diese technischen Richtlinien herausgekommen sind, sind aber schon 20 Fördermilliarden geflossen. Außerdem werden die innerhalb der technischen Richtlinien enthaltenen Forderungen nicht zur Gänze erfüllt: Es passiert immer wieder, daß während der Verfahren Umoptimierungen vorgenommen werden, was jetzt angeblich das beste System ist, um das Ziel, das im Wasserrechtsgesetz festgeschrieben ist, nämlich die Reinhaltung der Grundwässer und der Oberflächengewässer, zu erreichen.

Da gibt es nach wie vor grobe Mißstände, meine Damen und Herren! Wir haben auch in der Kommission für Siedlungswasserwirtschaft – die Kollegen Keppelmüller und Wurmitzer sind jetzt nicht da – einen Ausschuß gebildet, der Richtlinien erarbeitet hat, und diese Richtlinien sind nach wie vor in den Bundesländern nicht durchgesetzt. Diese Richtlinien müßten einen verbind


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lichen Charakter bekommen, denn sonst ist diese Maßnahme in manchen Bereichen fast nichts anderes als eine ausschließliche Förderung der Banken und der Bauwirtschaft. – Ich sage es noch einmal: Ich halte das Wasserrechtsgesetz mit seinen letzten Novellen an sich für ein gutes Gesetz, für ein hervorragendes Gesetz und auch für positiv.

Nochmals: Ich habe kein Problem damit, daß auch die Bauwirtschaft daran verdient, ich habe kein Problem damit, daß die Banken für ihre Arbeit bezahlt und auch gut bezahlt werden, aber ich habe ein Problem damit, wenn Umweltgesetze zu Wirtschaftsförderungsgesetzen degenerieren.

Herr Bundesminister! Wir haben in der Kommission für Siedlungswasserwirtschaft mehrmals versucht, auf diesen Umstand aufmerksam zu machen. Es hat dort heftige Debatten gegeben, und ich mache Sie nochmals darauf aufmerksam – ich habe das auch im Budgetausschuß und im Landwirtschaftsausschuß mit dem Landwirtschaftsminister erörtert –, daß es notwendig wäre, klare Richtlinien festzusetzen, an die sich letztendlich dann jene halten müssen, die mit den Förderungen zu tun haben.

Ich glaube, daß es vernünftiger wäre – Sie werden sich jetzt vielleicht wundern, weil das an sich immer Ihr Part ist –, eine Auslagerung, Ausgliederung der Auftragsverwaltung in diesem Bereich und eine Erweiterung der Kompetenzen der Kommunalkredit zu überlegen. Ich glaube, daß es im Augenblick – nicht nur im Augenblick; sondern in den letzten Jahren – sehr schlecht funktioniert hat, daß Beamte in der mittelbaren Bundesverwaltung quasi ein Lobbying für ganz bestimmte Varianten und für ganz bestimmte Bauvorhaben betreiben. Das hat zu großem Unmut in bestimmten Gemeinden und zu einer Entmündigung bestimmter Bürger und Bürgerinnen geführt. Da hat es meines Erachtens auch gröbste Mißbräuche gegeben.

Aus diesem Grund bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Andreas Wabl betreffend selektives Moratorium für Förderungen (UFG) bei Neuanträgen für den ländlichen Raum

Der Nationalrat möge beschließen:

Der Minister für Umwelt, Jugend und Familie wird aufgefordert, die Förderungen im ländlichen Raum bei Neuanträgen auszusetzen, wenn

nach dem auf dem Erlaß des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft beruhenden Prioritätenkatalog des Landes der Entsorgungsbereich als mittel- oder langfristig eingestuft wurde

oder die Hausanschlußkosten 100 000 S übersteigen.

*****

Herr Bundesminister! Ich halte insbesondere die Vorkommnisse in Kärnten für extrem problematisch, da eine Landesrätin angesichts ihrer Erlässe offensichtlich nicht weiß, was das Wasserrechtsgesetz tatsächlich intendiert und der Stand der Technik offensichtlich zum Selbstzweck wird.

Meine Damen und Herren! Das kann es nicht sein! Es kann nicht sein, daß mit den bescheidenen Anlagen, die bisher bestimmte Bauern und Häuslbauer gehabt haben, die leidlich funktionieren, eine Wasserqualität zwischen eins und zwei erreicht wurde und dann mittels Fördergelder und Brachialgewalt bestimmter Bürgermeister ein Kanalsystem durchgesetzt wird, mit dem letztendlich eine schlechtere Wasserqualität herauskommt. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)


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Herr Umweltminister! Ich weiß, daß in der Kommission für Siedlungswasserwirtschaft viele böse Worte gefallen sind. Vielleicht war auch ich oftmals daran beteiligt, aber ich bitte Sie um der Sache willen. Ich habe den Eindruck, daß auf Bundesebene die besten Absichten bestehen – sowohl auf seiten der Kommunalkredit als auch auf seiten des Umweltministeriums und auf seiten des Landwirtschaftsministeriums. Aber es hat sich in den Kommunen und in den Ländern eine gewisse Praxis eingebürgert, anhand der man sieht, daß offensichtlich dieser Fördertopf mißverstanden wird. Man sieht ihn sozusagen als große Schatulle an, aus der sich die Länder Geld holen. Die Länder sind möglichst fleißig, damit die Budgets in den Ländern und die Auftragsvolumina zunehmen.

Diese Art der Politik, diese Art des Mißstandes muß meines Erachtens nach behoben werden. Ich bitte Sie, Herr Bundesminister – der Landwirtschaftsminister hat bereits zugesagt, daß er sich bemühen wird, einen Termin zu vereinbaren –, einen Termin zustande zu bekommen, damit all diese Mängel behoben werden können.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einen Satz im Zusammenhang mit der Problematik Mochovce sagen. Kollegin Langthaler hat natürlich recht, wenn sie sagt, man sieht an diesem Thema, wie sensibel die österreichische Bevölkerung im Zusammenhang mit Umweltthemen nach wie vor ist. Die Bedrohung durch dieses Kraftwerk ist evident. Es gibt aber jetzt vor allem von der "Presse" Meldungen, um das Ganze wieder abzuwiegeln, um die Gefahr zu relativieren.

Meine Damen und Herren! In einer Situation, in der offensichtlich die Volksvertretung, dieses Haus keine Möglichkeiten mehr sieht, in diesen politischen Prozeß einzugreifen, in der offensichtlich auch die Regierenden, der Herr Vizekanzler, der Herr Bundeskanzler, der Herr Umweltminister, ihre Grenzen gesehen und erkannt haben, halte ich es für ein legitimes Mittel der Politik, daß die österreichische Bevölkerung eine Großkundgebung abhält und dabei sagt, was sie von der Atomenergie hält.

Ich glaube, in einer demokratischen Republik, in der die Macht vom Volke ausgeht und nur an die Volksvertretung delegiert und die Exekutive beauftragt wird, im Sinne des Volkes zu agieren, ist es auch legitim, wenn diese Macht teilweise wieder zurückgegeben und in Form einer Demonstration klargestellt wird, was Österreich europaweit und weltweit von dieser Technologie denkt.

Ich glaube, daß die Bundesregierung – ich sage jetzt bewußt dieses Wort – an sich einen fundamentalen Standpunkt hatte, jetzt aber davon abgeht, weil sie meint, es sei ausreichend, wenn es ein sicheres Atomkraftwerk gibt. Mit dieser Argumentation hätte man auch Zwentendorf in Betrieb nehmen können. Selbstverständlich! Zwentendorf war – jetzt ist es ja nicht mehr – damals in jedem Fall sicherer als Mochovce. Dabei hätte man sich sehr viel Geld herausholen können. Aber die Bundesregierung hat zu Recht den fundamentalen Standpunkt eingenommen, generell gegen Atomtechnologie zu sein.

Ich glaube, daß es vernünftig wäre, über diesen fundamentalen Standpunkt, diesen grundsätzlichen Standpunkt nachzudenken. – Es gibt immer Worte, die plötzlich in Mißkredit kommen, weil sie offensichtlich in eine politische Diskussion nicht passen. Frau Haller hat sich heute besonders über das Wort "Ideologie" aufgeregt. Ich habe an dem Wort "Ideologie" noch nie etwas Böses gefunden. Ich finde nur daran etwas Böses, wenn die Leute meinen, Ideologie sei wichtiger als die Wahrnehmung.

Herr Bundesminister! Die Sozialdemokraten haben die größten Errungenschaften im gesellschaftlichen Bereich dadurch erreicht, daß sie – zum Glück in den letzten Jahrzehnten mit friedlichen Mitteln – zum Teil mittels Demonstrationen auf der Straße klargemacht haben, was sie von bestimmten politischen Zuständen halten.

Ich glaube, daß das eine vernünftige Kundgebung wäre. Ich denke da an weniger vernünftige Kundgebungen in Österreich, aber ich will jetzt nicht die eine gegen die anderen ausspielen. Aber das wäre auch im Zusammenhang mit der EU-Präsidentschaft eine klare Botschaft. Insbesondere meine ich auch, Herr Bundesminister, daß man, wenn ich mir dieses Papier, diesen


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Entwurf zu den Vorschlägen für die EU-Präsidentschaft anschaue, der Atomhaftungsfrage auf europäischer Ebene massiven Stellenwert beimessen muß. Österreich sollte daher klarmachen, daß das eine seiner zentralen Forderungen ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Herrn Abgeordneten Wabl vorgeschlagene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsmäßig überreicht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Buder. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.56

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! So erfreulich es ist, daß das Familienbudget von 55,6 auf 57,6 Milliarden Schilling steigt, so betrüblich finde ich es, daß für den Familienhärteausgleich, der noch 1995/96 und 1997 mit 23 Millionen Schilling dotiert war, wobei 1997 nur 14,571 Millionen Schilling aufgewendet wurden, nach 1998 und 1999 wieder nur 15 Millionen Schilling vorgesehen sind.

Herr Bundesminister! Ich habe mit Freude Ihren Ausführungen entnommen, daß das im Jahr 2000 erhöht werden soll. Ich hoffe, man wird Sie dann an Ihre Zusage erinnern.

1996 wurden 1 348 Ansuchen gestellt, 323 wurden positiv erledigt, das waren nur 24 Prozent der Ansuchen. Aus einer Anfragebeantwortung weiß ich, daß 1997 1 449 Ansuchen – das sind wieder um 100 mehr als im Vorjahr – eingereicht wurden, wobei 382 Zuwendungen erfolgten – darunter viele Alleinerziehende und Familien mit nur einem Einkommen. 578 Ansuchen wurden aber, weil sie den Richtlinien nicht entsprachen, abgelehnt.

Herr Bundesminister! Sie gaben in den Antworten im Budgetausschuß an, daß geplant ist, die Richtlinien entsprechend den Erfahrungen der letzten Jahre zu verändern und den sozialen Gegebenheiten anzupassen. Ich meine, daß es nun höchst an der Zeit ist, diese Änderung der Richtlinien vorzunehmen. (Abg. Reitsamer: Haben Sie es gehört, Herr Bundesminister?)

Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, daß im Familienpaket 2000 weitere 600 Millionen Schilling für den Ausbau von Kinderbetreuungsmaßnahmen zur Verfügung stehen werden. In den letzten zwei Jahren wurden mit den 600 Millionen Schilling vom Bund, die von der damaligen Frauenministerin Dr. Helga Konrad gegen schwere Widerstände erkämpft wurden, 19 000 neue Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen.

Bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, die mit den weiteren zugesagten 600 Millionen geschaffen werden sollen, ist es wichtig, daß auf die Ausweitung der Öffnungszeiten der Kindergärten Bedacht genommen wird. Weiters sollen auch Angebote betrieblicher Kinderbetreuung erfolgen sowie die Angebote der Schülerbetreuung bis zu zehn Jahren verstärkt berücksichtigt werden.

Für Frauen, für Mütter ist es wichtig, Beruf und Familie zu vereinbaren, und für Alleinerzieherinnen ist es wichtig, Beruf und Kinder vereinbaren zu können. Man kann nämlich nicht nur Familien fördern, man darf die Alleinerzieherinnen, die doch einen großen Anteil ausmachen, nicht außer acht lassen, denn viele von ihnen sind auf Unterstützung angewiesen. Wichtig finde ich, daß man das Kind fördert, und nicht, wie man zusammen wohnt oder zusammen lebt.

Ich habe in meinem Bezirk Umfragen gemacht, wie es um die Kinderbetreuungseinrichtungen bestellt ist. – Es wurden natürlich Mängel bei den Öffnungszeiten festgestellt. Manchmal wird man vertröstet, wir haben eine Oma, aber was machen jene Frauen, die Kinder zu betreuen und keine Oma haben – vor allem im Sommer, wenn die Kindergärten verhältnismäßig lange zugesperrt sind?

Dann gibt es noch die Möglichkeit der Privatkindergärten. Diese sind zum Teil ausgelastet, und dort gibt es auch teilweise längere Öffnungszeiten. Allerdings kosten diese Kindergärten sehr viel Geld, und das können sich viele Frauen nicht mehr leisten.


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87 Prozent der österreichischen Bevölkerung meinen, daß die Familiensteuerreform eine gute Maßnahme ist. Wir Sozialdemokraten finden es wichtig, daß es für alle Kinder eine gleiche Erhöhung der Familienbeihilfe gibt. Das ist meiner Meinung nach das allerwichtigste. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, daß es beim Verfassungsgerichtshof wieder eine Klage von zwei Alleinerzieherinnen gibt, die gerne zwei Jahre Karenzurlaub in Anspruch nehmen würden. Wir hätten das schon damals bei der Beschlußfassung über die Verkürzung des Karenzurlaubsgeldes gerne verankert. Unserer Meinung nach sollten auch jene Frauen, denen der Mann beziehungsweise der Vater des Kindes durch andere Gründe als Tod, Behinderung oder Krankheit abhanden gekommen ist, zwei Jahre Karenzurlaub in Anspruch nehmen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade in dieser Frage sollten sich die Frauen im Parlament mit jenen, die dieses vierte halbe Karenzjahr so dringend brauchen, solidarisieren, aber dazu brauchen wir auch die Männer als Partner. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Graf. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.01

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte mich mit der Tatsache beschäftigen, daß Herr Minister Bartenstein auch Jugendminister ist, und vielleicht hört er mir auch diesbezüglich zu. Es ist nur ein kleines Detail am Rande, das aber doch wert ist, beleuchtet zu werden.

Herr Minister! Sie sind Jugendminister und daher in dieser Eigenschaft auch für die Jugendlichen zuständig. Wir alle wissen, daß es eine prekäre Situation bei den Lehrstellen beziehungsweise in der Ausbildung der Jugendlichen gibt, und ich frage mich, welchen Beitrag der Jugendminister zur Lehrstellenproblematik leistet – mit Ausnahme dessen, daß er die Daumen drückt, daß es in Zukunft besser wird. Ich halte das für zuwenig.

Wenn man sich den nationalen Beschäftigungsplan ansieht, den die Regierung im April verabschiedet hat, in dem wieder das schöne Schlagwort steht: "Der Jugend eine Chance", und in dem davon gesprochen wird, daß jedem Jugendlichen binnen sechs Monaten ein Betreuungsanbot zukommen wird, dann muß man sagen, daß das schlichtweg zuwenig ist. In diesem Zusammenhang muß man sich schon fragen: Was kann der Jugendminister dazu tun?

Es gibt auch Fördereinrichtungen des Familienministeriums. Dabei werden erhebliche Subventionen an den Bundesjugendring weitergegeben. Dazu muß man allerdings schon festhalten, daß das eine parteipolitisch motivierte Angelegenheit ist. Dort werden schön nach dem Proporz die Subventionsmillionen zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt, und es wird überhaupt nicht kontrolliert, wie effizient da vorgegangen wird. Wenn man sich ansieht, was mit dem Geld eigentlich passiert, dann kommt man darauf, daß damit keine Jugendpolitik betrieben wird, sondern nur Funktionäre, die bei den einzelnen Jugendorganisationen angestellt sind, bezahlt werden. Das halte ich für keinen richtigen Ansatz einer funktionierenden Jugendpolitik, sondern das entspricht nur einem Förderwesen.

Man muß sich die Frage stellen: Was will man mit Jugendpolitik erreichen? – Daher sollte eher das Motto in den Vordergrund gestellt werden, daß man die Jugend fordert und nicht ausschließlich nur die Jugendorganisationen fördert. Das ist noch keine Jugendpolitik.

Insbesondere eines stimmt mich bedenklich, und daran sieht man die parteipolitische Ausrichtung dieses Bundesjugendringes, der nur eine Verteilstelle ist und Geld kostet. Der Ring Freiheitlicher Jugend hat ein Aufnahmeansuchen gestellt, und dieses ist – man müßte sagen, fast skandalös – mit der Begründung abgelehnt worden, diese Jugendorganisation distanziere sich nicht vom Parteiobmann der Freiheitlichen Partei Jörg Haider. (Abg. Scheibner: Skandal!) Da müßte wirklich der Jugendminister eingreifen, denn das hat mit Jugendpolitik nichts mehr zu tun. Daran sieht man auch, was damit beabsichtigt ist.


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In Wirklichkeit will man nämlich den Einblick der freiheitlichen Jugendorganisationen in die Machenschaften des Bundesjugendringes verhindern. Ich glaube, Sie haben als dafür zuständiger Minister dringenden Handlungsbedarf, diesbezüglich etwas zu ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Jugendpolitik sollte auch eine Politik für die Jugend sein und nicht nur für die rot-schwarzen Jugendfunktionäre.

Ein Wort noch zur Frau Abgeordneten Mertel, die wie fast in jeder ihrer Familienreden, wenn es um die Geburtenrate geht, richtigerweise feststellt, daß die Rahmenbedingungen nicht stimmen. (Abg. Dr. Mertel: Und die Partnerschaft nicht funktioniert! Das ist der Punkt, den habe ich leider vergessen! Das habe ich vergessen zu sagen, daß Sie nicht zu Hause mithelfen!) Jetzt sitzen die beiden Verantwortlichen beisammen, und ich frage Sie: Wer ist denn seit 30 Jahren hauptsächlich für die Rahmenbedingungen in Österreich verantwortlich? – Oder sind die Sozialdemokraten nicht mehr in der Regierung? Es könnte auch sein, daß das die Antwort ist. Aber ich glaube eher, Sie gehen als Volksvertreter immer nach dem Motto vor: Ich bejammere den derzeitigen Zustand, mache dann Lösungsvorschläge, und wenn wir in der Regierung sind, setzen wir es um. Ich glaube, das ist ein bißchen zuwenig. Ihre Familienpolitik sollten Sie diesbezüglich etwas anders gestalten. (Abg. Dr. Mertel: Selbstverständlich! Wie sollten Sie anders argumentieren?)

Ich halte es tatsächlich für zuwenig, wenn man immer nur sagt, was man gerne machen möchte, obwohl man in der Regierung sitzt und es machen könnte. Das ist keine Familienpolitik!

Herr Minister! Zum Abschluß noch einmal der dringende Appell: Stellen Sie Ihre Jugendpolitik auf eine wirkliche Jugendpolitik um! Schauen Sie sich den Bundesjugendring einmal ganz genau an, schauen Sie sich an, was dort mit den Geldern passiert! Vielleicht unterhalten wir uns in Kürze, wenn Sie sich informiert haben und mehr Zeit ist, einmal genau über den Bundesjugendring. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Ich bin wahrscheinlich besser informiert als Sie!)

12.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Horngacher. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.08

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Gesamtausgaben des Budgetkapitels Jugend und Familie steigen von 55 Milliarden auf 57 Milliarden Schilling an. Darin sind natürlich die Mittel für die Erhöhung der Familienbeihilfen enthalten. Das beschlossene Familienpaket bedeutet eine entscheidende Kursänderung für die Familien. Der Stellenwert der Familien wird deutlich erhöht, die Leistungen für die Erziehung der Kinder anerkannt und mit bedeutenden Beträgen abgegolten. Es wird für eine gerechtere Lastenverteilung gesorgt.

Die Akzeptanz für die Familieninvestitionen in der Bevölkerung sind laut Umfrage sehr hoch. 87 Prozent sind für erhöhte Familienförderung, 86 Prozent sind für die Beibehaltung der Mehrkindstaffel, und 80 Prozent finden es richtig, daß Budgetmittel in dieser Weise eingesetzt werden. Das beweist uns, daß wir den richtigen Weg gegangen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine offensive Familienpolitik ist eine Wertentscheidung, das ist ganz klar. Es ist uns Politikern nicht möglich, gute und intakte Familien zu schaffen, aber wir können die Rahmenbedingungen verbessern, und wir wissen, daß gute Familien unersetzbar sind. Man denke nur an die Kranken- und Altenbetreuung, die am besten und auch am kostengünstigsten in der Familie geleistet wird.

Man sollte aber auch darüber reden, was unsere Familien für die physische und psychische Gesundheit der heranwachsenden Kinder sind. Sehr wohl ist über Drogen- und Alkoholmißbrauch junger Menschen und auch über steigende Gewaltbereitschaft und Jugendkriminalität zu diskutieren.


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Niemand hat trotz aller Bemühungen die Sicherheit, daß den Kindern das Leben "gelingt", aber ohne funktionierende Familie, in der es keine Geborgenheit gibt, und ohne intaktes Sozialgefüge ist es umso schwerer oder überhaupt nicht möglich. Weitergeben kann ein Mensch nur das, was er selbst empfangen hat. Eine Umgebung, in der man keinen Rückhalt findet, wird sicherlich nicht fördernd für eine starke Entwicklung unserer Kinder sein.

Desorientierung, Hoffnungslosigkeit und Gleichgültigkeit führen in der Folge zu Gewalt, zu Drogenmißbrauch und Hilflosigkeit. Ein funktionierendes Umfeld hingegen sorgt für Hoffnung, Verantwortung, Leistung und auch soziale Kompetenz.

Der österreichische Staat leistet sehr gute finanzielle Unterstützung für unsere Familien – auch im Vergleich zu anderen Ländern. Die Eltern dürfen aber nicht aus der Pflicht genommen werden, daß sie für ihre Kinder die volle Verantwortung tragen. Auch hier können Rahmenbedingungen die Familien entlasten, wie die Unterstützung familienfreundlicher Unternehmen, Erleichterungen für Frauen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben oder auch ein fortlaufendes Angebot für Weiterbildung.

Auch eine breite Akzeptanz für jene Frauen, die sich ausschließlich der Kindererziehung widmen, ist wichtig. Doch die Verantwortung der Eltern für die Erziehung und Ausbildung der Kinder darf nicht geschmälert werden.

Familienpolitik ist Zukunftsvorsorge. Ich begrüße daher jede Maßnahme zur Stärkung der Familien. Weitere Aktionen seitens des Bundesministeriums tragen dazu bei, daß nicht nur der finanzielle Charakter im Vordergrund steht. Ich denke da an die Aufklärung bei Sekten, den Kampf gegen den Drogenmißbrauch, und auch die Initiative "Lobby für Kinder", mehr Schutz für unsere Kinder, ist in der heutigen Zeit voll zu unterstützen und sehr notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Für deinen besonderen Einsatz bei den Verhandlungen zum Familienpaket möchte ich mich sehr herzlich bedanken. Es war eine große Leistung. Es freut mich das ganz besonders, denn ich habe bereits im Jahr 1994 im Tiroler Landtag einen ähnlich lautenden Antrag eingebracht. Wenn jetzt die Realisierung dieses Vorhabens geglückt ist, freut es mich von ganzem Herzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Ausführungen von Frau Haller und Herrn Öllinger möchte ich nur sagen: Sie haben natürlich gesagt, daß wir den Familien im Rahmen des Sparpaketes etwas weggenommen haben, aber sie haben nie gesagt, wo wir das Geld sonst hätten auftreiben sollen. Damals hat eben jeder etwas beisteuern müssen. Das Sparpaket war notwendig, denn wir haben auch Verantwortung für die Zukunft. Wir können nicht in einer guten Zeit unseren Kindern Schulden in die Schuhe schieben! (Beifall bei der ÖVP.)

12.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.13

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte heute ein Spezialkapitel aus dem Bereich Umweltförderung herausgreifen. Das Umweltförderungsgesetz schreibt in seinen Zielen größtmögliche Effekte für den Umweltschutz vor, insbesondere aber auch eine ökologische Prioritätensetzung. Es werden diese Ziele dem Grunde nach erreicht – auch deshalb, weil diese ökologische Prioritätensetzung über die Bundesländer verteilt berücksichtigt wird.

Sie wissen aber, daß unser Bundesland Kärnten in einer besonderen Situation ist, weil es in der Vergangenheit einen Schwerpunkt gesetzt hat, um die vielen Seen, die wir haben, zu sanieren, sodaß der Anschlußgrad in unserem Bundesland weit hinter dem Durchschnitt des österreichischen Anschlußgrades liegt und derzeit nur 58 Prozent beträgt. Das heißt, daß bei uns sehr viele Siedlungsschwerpunkte noch nicht erfaßt sind, während in anderen Bundesländern bereits in Randgebieten entsorgt wird. Wir wollen aus Kärntner Sicht deshalb eine Initiative starten und


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hoffen, daß auch Sie unseren Appell mittragen können. (Abg. Müller: Die Landesrätin Sickl war bisher sehr säumig!)

Landesrätin Sickl hat die Umweltförderungsmittel für Kärnten verdoppeln können, was schon einmal ein erster Erfolg ist, Kollege Müller! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Nur reicht das nicht aus – das stimmt –, und lassen Sie mich daher ausführen, welchen Vorschlag wir heute einbringen wollen. Ich hoffe, daß wenigstens die Kärntner Abgeordneten den Entschließungsantrag, den ich heute einbringen werde, mittragen können.

Unser Vorschlag ist nämlich, daß die jährlichen Sondertranchen für die Umweltförderung, die aus den Darlehensverkäufen des seinerzeitigen Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds dotiert werden, für Entsorgungsmaßnahmen in Siedlungsschwerpunkten zweckgebunden werden. Das wäre ein Vorschlag, der aus unserer Sicht notwendig wäre.

Oder aber es werden die jährlichen, für Kärnten vorgesehenen Förderungsmittel zur Abwasserentsorgung noch einmal erhöht, weil wir sonst – es sitzen auch zwei davon betroffene Bürgermeister hier, wir wissen das – nicht den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes entsprechen werden können. Die Projekte, die jetzt schon vorliegen, können nämlich mit den für Kärnten vorgesehenen Mitteln niemals in der vorgesehenen Frist umgesetzt werden.

Das würde bedeuten, daß es erstens zu einer finanziellen Doppelbelastung der Bürger kommt, zweitens, daß wir, wie gesagt, nicht dem Wasserrechtsgesetz entsprechen würden, und drittens, daß wir auch der EU-Ratsrichtlinie aus dem Jahr 1991 nicht nachkommen könnten und wir daher mit einem Vertragsverletzungsverfahren auch seitens der Europäischen Union rechnen müßten. (Abg. Wurmitzer: Es wurde kein einziger Fall Kärntens bisher abgelehnt!) – Das stimmt. Aber, Kollege Wurmitzer, du als Bürgermeister müßtest eigentlich die Problematik genau kennen, und du müßtest auch wissen, daß die ... (Abg. Wurmitzer: Ich habe es schon gelöst!) – Ja, für deine Gemeinde, aber nicht für das gesamte Bundesland.

Wir wissen, daß die Fakten auf dem Tisch liegen und daß aufgrund dieser Situation tatsächlich Handlungsbedarf besteht.

Ich möchte deshalb folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Reichhold, Mag. Haupt, Gaugg, Dolinschek, Mag. Schweitzer und Kollegen betreffend erhöhte Dotierung der Förderungsmittel für die Abwasserentsorgung in Kärnten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie wird aufgefordert, entsprechend der im § 2 des Umweltförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 185/1993, i. d. g. F., nominierten Förderungszielen entweder die jährlich für Kärnten vorgesehenen Förderungsmittel zur Abwasserentsorgung entsprechend zu erhöhen oder die Sondertranchen für die Umweltförderung, welche aus den Darlehensverkäufen des ehemaligen Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds stammen, zweckgebunden Kärnten zur Erfüllung des Nachholbedarfes sowie zum Aufschließen an den Kanalisierungsgrad der übrigen Bundesländer zur Verfügung zu stellen."

*****

Herr Bundesminister! Ich glaube diese Forderung ist legitim, und ich hoffe, daß Sie diese Forderung der Freiheitlichen auch unterstützen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Ing. Reichhold soeben vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsmäßig eingebracht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.


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Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Oberhaidinger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.17

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sie wissen, daß ich, wenn es um das Thema Energie geht, immer die Auffassung vertrete, daß jene Energie, die nicht verbraucht wird, die sauberste Energie ist. Daher habe im Kapitel Wirtschaft den forcierten Ausbau der Fernwärmeversorgung in Österreich angesprochen, und ich möchte heute zum Kapital Umwelt das Energiesparen in öffentlichen Gebäuden ansprechen, Herr Bundesminister.

Wenn ich mir die deutschen Nachbarn anschaue, so sehe ich, daß man sich dort der sogenannten Drittfinanzierungsmöglichkeit bedient, bei uns wahrscheinlich besser bekannt unter dem Titel "Contracting". In Deutschland gibt es bereits 15 000 solcher Contracting-Verträge und -Projekte. Man kann also durchaus sagen, daß unsere deutschen Nachbarn bereits aus der Pionierphase heraus sind, und sie wollen bis zur Jahrtausendwende – so habe ich gelesen – 40 000 derartige Projekte entstehen lassen.

Wenn man sich die Zahlen und die Verbesserungen, die damit erreicht werden können, ansieht, wundert man sich über dieses Ziel nicht. Durch den Einsatz schon bekannter Techniken könnten 45 Prozent des Energieverbrauches eingespart werden. Gemessen an den heutigen Energiepreisen bedeutet das für Deutschland eine Kosteneinsparung in Höhe von rund 700 Milliarden Schilling. Unter diesem Titel könnte in etwa, so die deutschen Erhebungen, eine halbe Million neuer Arbeitsplätze geschaffen werden.

Herr Bundesminister! All das sind Gesichtspunkte, so meine ich, die auch für uns in Österreich sehr interessant und attraktiv sind. Es freut mich daher besonders, daß Sie sich – so habe ich es zumindest in einer Presseaussendung gelesen – dieser Möglichkeiten annehmen. Laut dieser Aussendung könnten also allein in den öffentlichen Gebäuden in Österreich 530 Millionen Schilling an Energiekosten gespart werden.

Wenn ich richtig zitiere, dann müßten dafür rund 3 Milliarden Schilling an Investitionen aufgewendet werden – Investitionen, meine Damen und Herren, die sich bereits in etwa sechs Jahren amortisieren würden.

Insgesamt könnten wir in Österreich ein Fünftel der Gebäudeenergiekosten einsparen. Es könnten auf diese Art und Weise 16 Milliarden Schilling eingespart werden. Bei uns könnten, wenn wir diese Maßnahmen rigoroser umsetzen würden, etwa 2 000 bis 3 500 Arbeitsplätze neu errichtet werden. Besonders erfreulich für jene, die sich mit Umweltfragen beschäftigen, ist, daß der CO2-Ausstoß mit dieser Maßnahme um etwa 2,5 Millionen Tonnen verringert werden könnte.

Entsprechend dem Drittfinanzierungsmodell sind die Gelder für diese Investitionen von externen Partnern aufzubringen – externen Partnern, die den getätigten Aufwand aus der Differenz zwischen den bisherigen und den neuen Energiekosten refundiert bekommen. Haben sich die Kosten für den Dritten amortisiert, kommen die erzielten Einsparungen voll dem Auftraggeber – in diesem Fall der öffentlichen Hand – zugute, was, so glaube ich auch, unserem Budget durchaus guttäte.

Das Umweltministerium wird als erstes Ministerium einen derartigen Vertrag abschließen. Ich hoffe, Herr Bundesminister, daß es nicht bei der Absicht bleibt, und im besonderen hoffe ich, daß sich die anderen Ministerien diesem richtungweisenden Schritt ehestens anschließen. Noch lieber wäre mir, wenn diese Maßnahmen in einer Hand gebündelt durchgeführt werden könnten, etwa über BUWOG oder ähnliche Einrichtungen, in denen unsere öffentlichen Gebäude verwaltet werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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125. Sitzung / Seite 51

12.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Koller. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.22

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Minister Bartenstein hat im Budgetausschuß gesagt: Ich habe Grund zum Jubeln. – Für die Familien aber hält sich dieser Jubel in Grenzen.

Sie, Herr Minister, lehnen die Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus von derzeit 2 000 S auf 6 000 S ab. Der Familienpolitische Beirat hat dies empfohlen, aber trotzdem lehnen Sie diese Erhöhung ab. Der Betrag müßte reichen, um Anreiz für die Untersuchungen zu geben – so sagten Sie, Herr Minister.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haller, Dolinschek, Dr. Graf, Koller, Madl und Kollegen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie wird ersucht, den Mutter-Kind-Paß-Bonus auf zumindest 6 000 S ohne Berücksichtigung der Einkommensobergrenze einer Familie zu erhöhen und dessen Auszahlung in jeweils drei Raten vorzusehen, sodaß dadurch im Interesse der Gesundheit der Kinder eine Beibehaltung der vor der Absenkung des Mutter-Kind-Paß-Bonus sehr hohen Untersuchungsdisziplin der im Mutter-Kind-Paß vorgesehenen Untersuchungen gewährleistet werden kann."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Groß angekündigt wurde die Erhöhung der Familienbeihilfe. Bundeskanzler Klima und Frau Ministerin Prammer stahlen Ihnen dabei die Show. Meine Frage im Budgetausschuß, ob nicht Familien mit geringem Einkommen durch den Rost fallen könnten, wurde von Ihnen, Herr Minister, nicht beantwortet. Ich wiederhole daher meine Frage.

Das Einkommen einer Familie ist so gering, daß eine Gebührenbefreiung gewährt wird. Der Familienzuschuß wird als Einkommen gewertet. Wenn jetzt durch die Erhöhung der Familienbeihilfe der Richtsatz überschritten wird, entfällt die Gebührenbefreiung. Das heißt, daß diese Familie trotz Erhöhung der Familienbeihilfe finanzielle Einbußen hinnehmen muß. Ich stelle fest, daß immer mehr arme Familien in den finanziellen Abgrund gedrängt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Kinderbetreuung: 139 500 Kinderbetreuungsplätze fehlen. Folgende Maßnahmen sind vorgesehen: Ausbau von institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen, Tageseltern und Förderung von Betriebskindergärten. Der Kinderbetreuungsscheck wird hier nicht erwähnt. Meine Frage im Ausschuß: Sind Sie für oder gegen den Kinderbetreuungsscheck? haben Sie folgendermaßen beantwortet, Herr Minister: Die Studie liegt erst im Sommer vor. – Ich sage Ihnen: Sie sind ein Minister ohne Meinung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Heute stand in den "Salzburger Nachrichten": österreichisches Gütesiegel für gentechnikfreie Produkte – Pickerl kostet zwischen 12 000 und 15 000 S. – Herr Minister! Wie stellen Sie sich das vor: neben Marketingbeitrag und AMA-Gütesiegel ein weiteres Pickerl? – Der Konsument kennt sich vor lauter Pickerl und Siegel nicht mehr aus! Die Belastung wird auf die Biobauern abgewälzt. Herr Minister! Wir lehnen jede weitere Belastung der Bauern ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ganz kurz möchte ich mich auch mit dem Problem Sekten befassen. "Sekte" wird heute umgangssprachlich als Sammelbegriff für pseudoreligiöse Grup


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125. Sitzung / Seite 52

pen, für Psychokulte oder für Guru-Bewegungen verwendet. Auf der Suche nach der eigenen Persönlichkeit sind Jugendliche bestrebt, Vorbilder und Leitbilder zu suchen. Gerade die Bereitschaft junger Menschen zur Unterwerfung und ihre persönliche Opferbereitschaft wird von Sekten schamlos ausgenützt. Es entsteht psychologische Abhängigkeit. Den Mitgliedern und deren Familien in ihrem sozialen Umfeld wird seelischer Schaden zugefügt. Die Menschen, vor allem die Jugendlichen, suchen Spiritualität.

Dies wäre die Aufgabe der gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften. Die Kirchen – ich spreche von der römisch-katholischen Kirche und der evangelischen Kirche – stecken in einer tiefen Krise. Viel zu sehr haben sie sich in die Politik eingemischt. Die Kirchen sollten sich wieder ihren religiösen Aufgaben zuwenden und ihre eigenen Probleme lösen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Politik sollte von den Parteien und deren Politikern gemacht werden – im Auftrage der Verfassung und zur Wahrung der Demokratie. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Koller am Beginn seiner Rede vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsmäßig überreicht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schuster. Freiwillige Redezeitbeschränkung 4 Minuten. – Bitte.

12.28

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner meinte, Herr Bundesminister Dr. Bartenstein sei ein Minister ohne Meinung. – Ich halte dem entgegen: Herr Bundesminister Dr. Martin Bartenstein sagte betreffend Familienpaket nach dem Ministerrat: Das Familienpaket ist nicht nur herzeigbar, es ist großartig! – Wir haben einen Bundesminister mit einer hervorragenden Meinung, und dazu beglückwünsche ich Sie, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Familienpolitik in Österreich und Familienpolitik dieser Bundesregierung hat einen hohen Stellenwert. Diese wurzelt in der Überzeugung, daß die Familie die Basis für eine menschenwürdige Gesellschaft ist und die Wertschätzung der Familie nicht nur über individuelles Glück, sondern auch über den Zustand der gesamten Gesellschaft entscheidet. Wir hören vielerorts, die Familie sei der Keim der Gesellschaft.

Meine Damen und Herren! Im Ausklang des dritten christlichen Jahrtausends stellt sich heraus, daß weder das Individuum noch das Kollektiv in der Lage ist, gesellschaftliche Probleme allein zu bewältigen. Wir brauchen, um diese Probleme bewältigen zu können, mehr denn je die Familie.

So selbstverständlich der Terminus "Familie" auch sein mag, so vielfältig sind die gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen darüber. Immer wieder hört man die Fragestellung: Soll der Staat die Familie überhaupt fördern? (Abg. Dr. Mertel: Wo? Wer stellt so eine Frage? Wer stellt so eine Frage? Wer stellt so eine Frage?)

Frau Familiensprecherin der Sozialdemokratischen Partei! Man hört von verschiedenen Gruppen die Kritik, ob ein Förderungssystem in Österreich – nicht nur bei Familien, sondern bei allen anderen Bereichen – überhaupt einen Sinn ergibt, ob nicht Förderungen generell abgestellt werden sollen, ob man nicht dafür sorgen soll, daß die Bürgerinnen und Bürger genug verdienen und so alles aus eigener Tasche bestreiten können. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Wurden früher, meine Damen und Herren, die Belastungen durch junge und alte Menschen innerhalb der Familien getragen, so fand in den letzten Jahrzehnten eine Änderung insofern statt, als die Kosten für die Älteren einerseits durch die Pensionsversicherung auf die Allgemeinheit übertragen wurden, die ständig steigenden Kinderlasten jedoch – zumindest gedanklich – nach wie vor allein den Familien zugerechnet werden.


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125. Sitzung / Seite 53

Hohes Haus! Die Familie ist in der heutigen Gesellschaft Träger einer Vielzahl von Funktionen. Ich meine aber, sie hat im wesentlichen zwei große Ziele zu verfolgen. Eines der wichtigsten Ziele ist das Großziehen der Kinder und die Vermittlung von Wissen und von Werten. Der zweite Punkt: Die Familie hat sehr viel für ein gutes Pensionssystem beizutragen.

Hier drängt sich die Frage auf: Was ist Familie überhaupt? – Stellt man diese Frage in einem Kindergarten, so wird die Antwort rasch kommen: Familie sind Vater, Mutter und Kind. – Lesen wir im § 40 ABGB nach: Dort wird "Familie" als die Stammeltern mit all ihren Nachkommen definiert. Es stellt sich daher die Frage nach einer Definition von Familie überhaupt. Während die Österreichische Volkspartei als klassisches Familienmodell zwei verheiratete Elternteile mit ihren im gleichen Haushalt lebenden leiblichen Kindern als nach wie vor bestes Ideal vor Augen hat, hat die Sozialdemokratische Partei eine Aussage in ihrem Programm, die lautet, daß Familie jede Form des dauernden Zusammenlebens in partnerschaftlicher und demokratischer Weise ist.

In dieser Bundesregierung ist man sehr bemüht, obwohl es ideologisch gerade bezüglich der Familie unterschiedliche Meinungen gibt, eine gute und brauchbare Familienpolitik zu machen. Da, Herr Bundesminister, haben Sie bewiesen, daß Sie das hervorragend bewerkstelligen. Ich bedanke mich dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Es wird in Österreich viel diskutiert, man hat große Hoffnungen in die EU-Präsidentschaft. Ich fordere angesichts dieser EU-Präsidentschaft von einem Familienminister besondere Anstrengung, angesichts der erschreckenden Gewalttaten Jugendlicher eine europäische Initiative zu setzen. Es muß nämlich gegen die Gewalt nicht nur national, sondern auf europäischer Ebene in den Medien vorgegangen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Abschluß, Herr Bundesminister: Familienpolitik braucht ein Ziel. Unser Ziel, das Ziel der Österreichischen Volkspartei, muß nach wie vor lauten: Die ersten Worte, die Kleinkinder zu sprechen beginnen, sollen nach wie vor "Mama" und "Papa" oder "Vater" und "Mutter" sein. Ersatzeinrichtungen kommen erst an zweiter Stelle. – Dieses Ziel muß auch in Zukunft verfolgt werden! (Beifall bei der ÖVP.)

12.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Aumayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung 7 Minuten. – Bitte.

12.35

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister, ich spreche Sie als Umweltminister an: Es ist leider Gottes so, daß Sie wenig Macht haben. 70 Prozent der gesamten Umweltpolitik wird in Brüssel gemacht, das ist einfach eine Tatsache. Der EU-Beitritt wurde uns verkauft: Wir sollten dabei sein, denn wir könnten mitbestimmen. – Heute merken wir, daß über uns bestimmt wird und wir wenig mitzubestimmen haben, und daß wir vor allem mit unserer Anti-Atompolitik sehr im Regen stehengelassen werden.

Jüngstes Beispiel ist Mochovce: Die EU kümmert sich überhaupt nicht darum. Wir sind zwar Mitglied, aber sie sagt zu Österreich: Ihr sollt das Problem allein lösen!, beziehungsweise es ist für die EU überhaupt kein Problem. Sie läßt uns mit dem Problem Mochovce schlicht und einfach allein.

Ich möchte noch auf ein anderes Thema eingehen, obwohl ich nicht in dem betreffenden Ausschuß bin. Einige meiner Vorredner haben auch schon darauf hingewiesen. Es ist mir auch persönlich und als Mutter von zwei Kindern ein großes Anliegen, daß wir die Probleme, die unsere Jugendlichen zunehmend haben, lösen beziehungsweise ihnen begegnen. Ich bin nämlich der Meinung, daß wir uns alle – und zwar nicht nur die Politik, die Politik allein kann das überhaupt nicht regeln, sondern die Gesellschaft allgemein – raschest mit den Problemen der Jugendlichen auseinandersetzen sollen und müssen, denn noch nie waren sie so in Gefahr wie jetzt.


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Die Zahl der Gewaltverbrechen der 18- bis 20jährigen ist seit dem Jahr 1984 um 200 Prozent gestiegen. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt dramatisch, und mehr als drei Viertel aller unter30jährigen sehen ihre Zukunft eher düster. 75 Prozent der unter 30jährigen sehen ihre Zukunft düster.

Viele Jugendliche verhalten sich zunehmend apathisch oder pflegen eine gewisse Ellbogenmentalität. Wie eine Gesellschaft von Zukunftslosen aussehen kann, läßt sich schon jetzt auf manchem Schulhof oder in der Hardcore-Abteilung von Videotheken beobachten. Es gibt 13jährige Dealerinnen; 15- bis 16jährige schießen eine Trafikantin nieder.

Herr Bundesminister für Jugend! Ich mache auf keinen Fall Sie für diese Entwicklung verantwortlich. Ganz im Gegenteil: Ich weiß nämlich, daß Ihnen als Vater von fünf Kindern die Jugend sicherlich am Herzen liegt. Daher ersuche ich gerade Sie ganz dringend, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Sie haben, in den Schulen, bei den Eltern – vor allem bei den Eltern! –, mit Informationen aktiv zu werden.

Denn Kindern, die vernachlässigt werden, die sozusagen dem Fernseher überlassen werden, die ständig Streit ausgesetzt sind, die als "lästig" empfunden werden, wird die Zukunft genommen. Auf einmal hören sie auf, Kinder zu sein – manche mit zehn, manche mit zwölf Jahren. Dann probieren sie Drogen, dann kommt der Alkohol, dann kommt die Zigarette, und sie haben zu hassen begonnen. Aus ihrer Verzweiflung machen sie sich dann Mut – Mut, um anderen weh zu tun, so wie man ihnen weh getan hat.

Natürlich tun sie sich dabei selbst am meisten weh. Aber sie haben keine Zukunft mehr. Sie wollen das haben, was sie nicht bekommen haben, und dann nehmen sie es sich. Sie lehren die anderen das Fürchten, so wie sie sich als Kinder gefürchtet haben: vor dem Alleinsein, vor den Schlägen, vor der Mißachtung.

Herr Bundesminister! Es werden immer mehr. Diese Kinder schlagen zurück, aber es muß uns klar sein: Sie haben nicht angefangen! Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie dringend, Ihre ganz besondere Aufmerksamkeit den Kindern und den Jugendlichen zu widmen! Sie sind das Kostbarste der Gesellschaft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Herr Minister hat sich jetzt noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.39

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich zuletzt in dieser Debatte von Ihnen, Frau Abgeordnete Aumayr, als "Jugendminister" angesprochen wurde: Lassen Sie mich Ihnen klar versichern, daß die von Ihnen geäußerten Ziele erstens die meinen sind und zweitens sicherlich auch diejenigen aller Fraktionen des Hohen Hauses!

Gerade weil ich Familienpolitik primär aus der Sicht des Wohles des Kindes sehe – all das ist gute Familienpolitik, was letztlich unseren Kindern nützt –, meine ich, daß zumindest diese Zielvorstellungen hier für gut befunden werden und auf einer breiten Basis stehen. Das soll aber nicht heißen, daß wir all das, was Sie erwähnt haben – Jugendliche geraten in die Gefahr von Drogen, von Sekten, von Kriminalität, und auch Nikotin- und Alkoholabusus sind ja nichts anderes als Drogenmißbrauch –, in Österreich nicht haben und auch in Zukunft nicht haben werden. Aber wir wollen es zumindest bekämpfen, und wir wollen die Raten so niedrig wie möglich halten. Im übrigen meine ich, daß wir uns damit im internationalen Vergleich recht gut sehen lassen können.

Etwas pragmatischer fällt meine Antwort Ihnen gegenüber aus, Herr Abgeordneter Graf. Sie sind, glaube ich, auch Jugendsprecher der freiheitlichen Fraktion. Ich kenne mich mit dem Bundesjugendring recht gut aus, das können Sie mir glauben. Ich weiß sogar so viel, um Ihnen sagen zu können, daß auch der Ring Freiheitlicher Jugend Förderungsmittel des Bundes bekommt. Es stimmt allerdings, daß dies nicht innerhalb des Bundesjugendplans geschieht. Es ist


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nicht in meiner Hoheit gelegen – ich bin auch nicht die Aufsichtsbehörde des Bundesjugendringes, eine solche gibt es nicht –, daß zuletzt 1992 ein Vorstandsbeschluß gefaßt wurde, wonach die Aufnahme des Ringes Freiheitlicher Jugend mit überwiegender Mehrheit abgelehnt wurde. Ich meine, daß es nicht von Vorteil ist, wenn eine Jugendorganisation einer im Parlament vertretenen Fraktion dort nicht Mitglied ist, die anderen jedoch schon. Das ist aber meine persönliche Meinung, und dies war im Jahre 1992 offensichtlich nicht die Meinung der entscheidenden Funktionäre des Bundesjugendringes.

Ich darf Ihnen aber sagen, daß die Mittel heute nicht mehr so verwaltet und ausbezahlt werden, wie es über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg der Fall war. Den reinen Proporz, das auf den Schilling genaue Ausbezahlen der Beträge nicht nur an Rot und Schwarz, sondern auch an alle anderen im Bundesjugendring vertretenen Organisationen – das sind kirchliche und andere, zum Beispiel aus dem Naturschutzbereich kommende Organisationen –, habe ich abgestellt. Im Konsens mit den Jugendlichen – darauf bin ich besonders stolz – habe ich erreicht, daß jetzt in einem Mehrschrittverfahren ein immer größerer Teil dieser Förderungsmittel über eingereichte Projekte, also über Qualität abgewickelt werden muß. Damit wird die starre Verteilung im Sinne von "Auf den Schilling genau bekommt eine Organisation soundso viel Geld pro Jahr" bald der Vergangenheit angehören. Wer die besseren Projekte hat und die bessere Jugendarbeit leistet, soll mehr Mittel bekommen. Das soll das Prinzip werden, und wir sind auf dem Weg dorthin, sehr geehrter Herr Abgeordneter Graf.

Weil ich schon in meinem vorherigen Debattenbeitrag gesagt habe, daß ich nach der Stellungnahme der Frau Abgeordneten Moser zum Thema Atompolitik Stellung nehmen werde, möchte ich darauf zurückkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Obwohl Frau Abgeordnete Moser von den Grünen jetzt nicht mehr hier ist und auch nicht auf der Rednerliste steht, möchte ich kurz etwas zu diesem wichtigen Thema sagen.

Herr Abgeordneter Wabl hat nicht nur eine Kundgebung der Bevölkerung zu diesem Thema angeregt. (Abg. Aumayr: Die Grünen sind ja nicht da!) Das ist sicherlich eine sehr unterstützenswerte Sache, wenn sie sich entwickelt, denn ich denke, daß ein deutliches Signal unserer Bevölkerung in dieser Phase hilfreich sein kann. Er hat sich außerdem – so wie vorher indirekt auch Frau Abgeordnete Langthaler – zu dem fundamentalen Standpunkt bekannt, daß Atomkraftwerke prinzipiell schlecht sind. Er hat den von ihm in den Raum gestellten Meinungsschwenk der Bundesregierung kritisiert, er hat kritisiert, daß die jetzige Anti-Atompolitik der Bundesregierung – ein Maximum an Sicherheit zu verlangen, im übrigen aber realistisch genug zu sein, das Ans-Netz-Gehen eines Atomkraftwerkes in unserer Nachbarschaft zu erdulden – falsch wäre und daß unter diesen Bedingungen auch Zwentendorf hätte in Betrieb gehen können.

Herr Abgeordneter Wabl! Das ist grundfalsch! Wir Österreicher haben uns im Jahre 1978 sehr klar dazu bekannt, Zwentendorf nicht in Betrieb gehen zu lassen und Atomkraft in unserem Land nicht weiter zu verfolgen. Andererseits haben wir uns aber auch aus gutem Grunde – im doppelten Sinne des Wortes – zum EU-Vertrag zu bekennen, der besagt, daß es die Hoheit jedes EU-Mitgliedstaates ist, seine Energieform frei zu wählen. Im doppelten Sinne deswegen, weil das für uns heißt: Wir können auf Atomkraft verzichten, da hat uns die Europäische Union nichts dreinzureden. Das heißt aber auch: Es gilt für andere EU-Mitgliedsländer, daß ihnen – wenn sie der Meinung sind, Atomkraftwerke haben zu können – von unserer Seite darüber keine Vorschriften gemacht werden können. Welche Auswirkungen das auf potentielle Mitgliedsländer hat, die sich jetzt der Europäischen Union annähern, ist meiner Ansicht nach auch klar.

Daher halte ich folgendes für richtig – das habe ich nicht erst seit einigen Wochen, sondern schon seit Jahren gesagt, vielfach im Umweltausschuß, und bin dafür vor allem von der grünen Fraktion immer wieder kritisiert worden –: Es ist und bleibt unser Ziel, in unserer Nachbarschaft, in Mitteleuropa kernkraftwerksfrei zu werden. Das ist aber ein mittel- bis langfristiges Ziel. Wir müssen realistisch sein. Schauen wir uns an, was alles selbst in Tschernobyl seit dem Unfall 1986, also seit zwölf Jahren, nicht passiert ist! – Bleiben wir daher mit diesem mittel- bis langfristigen Ziel auf dem Boden der Realität.


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Ziel Numero zwei muß es daher sein, daß das, was in bezug auf Kernkraft rund um uns vor sich geht, so sicher wie möglich sein und den in Europa üblichen Sicherheitsstandards genügen muß. Darauf bezieht sich die Frage, die wir jetzt zu Mochovce so laut und deutlich stellen. Bundeskanzler Klima hat mit Herrn
Me#iar aus der Slowakei im November letzten Jahres einen zweiten Lokalaugenschein unter österreichischer Expertenführung vereinbart. Ich selbst habe im Februar – nachdem ich von Expertenseite gehört habe, daß Mochovce droht, ans Netz gebracht zu werden – meine Stimme erhoben und dies im Ministerrat releviert. Ich habe zur Kenntnis genommen, daß die Experten gesagt haben: Je später dieser Walkdown stattfindet, desto besser sei es, weil man dann schon mehr sehen könne. Das alles ist noch nach Fahrplan vor sich gegangen. Erst als dann plötzlich – aus unserer Sicht oder aus Sicht unserer Experten – entscheidende Unterlagen nicht vorgelegt wurden und entscheidende Fragen nicht beantwortet werden konnten, ist die Eskalation in Form der jetzigen Situation eingetreten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie darüber informieren, daß ich in den letzten Tagen in dreierlei Richtung konkret aktiv geworden bin. Zum einen hat mir die deutsche Umweltministerin Merkel trotz anderer Belastung – Sie wissen, wovon ich spreche – zwei Dinge zugesichert: zum einen, daß unsere österreichischen Experten mit den Experten der Deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit umgehend in Kontakt treten können. Das ist deswegen relevant, weil die sogenannte Risk-Audit-Studie, auf deren Basis deutsche Finanzmittel zur Fertigstellung von Mochovce geflossen sind, von deutscher Seite, nämlich von Experten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit erstellt worden ist. Das sind diese berühmten 87 Sicherheitsauflagen, von denen ein Vertreter der Gesellschaft für Reaktorsicherheit gestern in der "ZiB 2" gesagt hat, aus seiner Sicht seien rund 50 oder 55 Auflagen umgesetzt worden. Diese Kontakte haben bereits stattgefunden, dieser Informationsfluß ist hergestellt.

Ich habe über meine Kontakte ins französische Kabinett und zur französischen Umweltministerin selbst dafür Sorge tragen können, daß unsere Experten auch mit den Experten von Framatome ins Gespräch kommen können. Die Fertigstellung von Mochovce war ja unter anderem ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt, Siemens und Framatome waren daran beteiligt.

Ich habe mir darüber hinaus von der deutschen Ministerin Merkel noch einmal bestätigen lassen, daß die deutsche Bundesregierung im Jahr 1996 der Bürgschaft für den Hermes-Kredit – das ist, wenn man so will, der deutsche Kontrollbank-Kredit – zur Fertigstellung von Mochovce zugestimmt hat – auf der Basis des Beschlusses der slowakischen Regierung aus dem Jahre 1994, die Blocks 1 und 2 in Bohunice vom Netz zu nehmen, wenn Mochovce ans Netz geht. Das ist ein Aspekt, den wir meiner Ansicht nach auch in diesen Tagen im Auge haben müssen. Aus meiner Sicht ist Mochovce schlimm, aber Bohunice ist noch schlimmer. Dies ist ein wesentliches Thema, dem wir uns werden zuwenden müssen. Darüber gibt es Beschlüsse der slowakischen Regierung und klare Aussagen, die wir einfordern müssen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe vor einigen Tagen in einem Gespräch mit meinem finnischen Amtskollegen Pekka Haavisto bestätigt bekommen, daß in Finnland – das ist hochinteressant – ein Reaktor der Type WWR/4-40 ans Netz gegangen ist, ein Reaktor derselben Type, die in Mochovce ans Netz gehen soll, und daß Finnland als EU-Mitgliedsland für die Sicherheit dieses Reaktors EU-Standards angewandt hat. Auf Basis des russischen Reaktors hat man dort finnische Organisationen – mit der Abkürzung IVO – beauftragt, für die Sicherheit dieses Reaktors zu sorgen. Man hat dort übrigens auf einem Containment bestanden, also einer allumschließenden Reaktorhülle, und hat dort kein Druckabbausystem, wie das in Mohovce der Fall ist.

Es wird für uns jetzt und vor allem in weiterer Zukunft sehr relevant sein, die Sicherheitsstandards, die in Mochovce angewandt wurden – und hoffentlich noch werden –, auch an den Sicherheitsvorkehrungen zu messen, die das EU-Mitgliedsland Finnland in einem Reaktor sehr ähnlichen oder überhaupt gleichen Typs getroffen hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies auch als aktuelle Information des Hohen Hauses zum Thema Atompolitik aus meiner Sicht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.51


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lackner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

12.51

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsparteien haben sich zu Beginn dieses Jahres auf ein neues Modell der Familienförderung geeinigt. Abgesehen vom Grund der Neufassung bin ich mit dieser Reform, wie sie nun schließlich vorliegt, an sich voll und ganz zufrieden, denn eine Eins-zu-eins-Umsetzung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes wäre jedenfalls aus meiner Sicht nicht in Frage gekommen. Überdies war dem Debattenbeitrag des Herrn Ministers zu entnehmen, daß es auch ihm ein Anliegen war, über dieses Erkenntnis hinauszugehen.

Geschätzte Damen und Herren! Durch diese Reform – sie bringt mehr als 6 Milliarden Schilling im ersten Jahr und jeweils mehr als 12 Milliarden Schilling in den folgenden Jahren – werden die Familien in Österreich zu einem sehr beträchtlichen Teil eine sozial- und verteilungspolitisch gerechte und wünschenswerte Familienförderung erhalten.

Das war das Ziel dieser Reform: Die Einkommensschwächeren müssen und werden verhältnismäßig stärker gefördert als die Einkommensstärkeren. Denn damit sind wir dem Ziel einer sozial ausgewogenen Familienförderung ein großes Stück nähergekommen.

Meine Damen und Herren! Aus der Sicht der SPÖ beschränkt sich die Familienförderung jedoch nicht allein auf diese von mir erwähnten steuerlichen Maßnahmen. Daher möchte ich einen weiteren, aus meiner Sicht wichtigen Punkt dieses Paketes – er wurde heute bereits mehrmals erwähnt – jetzt noch einmal vorbringen. Es geht um die Kindergartenmilliarde.

Geschätzte Damen und Herren! Die Kindergartenmilliarde – sie wird in Wirklichkeit 1,2 Milliarden Schilling betragen – wird dazu beitragen, eine nicht unwesentliche Anzahl neuer, dringend benötigter Kinderbetreuungsplätze zu schaffen. Damit wird ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie erreicht werden. Diese Reform kann sich meiner Ansicht nach durchaus sehen lassen und zeichnet sich auch durch hohe Akzeptanz bei den Betroffenen aus.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie immer ist die Zeit viel zu kurz, um tatsächlich alle relevanten Punkte auch nur ansatzweise zu diskutieren. Ich habe mir deshalb erlaubt, nur diese zwei Punkte herauszugreifen, weil sie aus meiner Sicht hervorragende Beispiele für die Förderung von Kindern, Jugendlichen und Familien durch diese Bundesregierung abgeben. Aus diesem Grund werde ich und wird meine Fraktion diesem Budget als einer der Grundlagen dieser Förderung die Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Madl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.54

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Heute möchte ich mich einem Spezialkapitel aus dem Familienbudget, nämlich der Schulbuchaktion, zuwenden. Diese wird zur Gänze aus dem Familienlastenausgleichsfonds finanziert. Deshalb müßte dabei besondere Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und trotzdem Effizienz gezeigt werden, denn bei jeder Verschwendung in der Gebarung des Familienlastenausgleichsfonds geht es um Geld, das letztlich den Familien abgeht und Beihilfen für die Familien verringert.

Die Gratisschulbuchaktion wurde 1972 eingeführt, um einerseits die jährliche Vollversorgung mit den erforderlichen Schulbüchern für die Schüler zu gewährleisten, aber andererseits auch zu dem Zweck, die Familien finanziell zu entlasten und Chancengleichheit für alle Schüler zu gewährleisten. Finanziert wurde und wird diese Aktion bis heute, wie gesagt, aus dem Familien


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lastenausgleichsfonds. Jedes unsachgemäße und verschwenderische Handling innerhalb des Fonds bedeutet, daß weniger Geld für die Familien bereitsteht.

Im Zuge der Sparpakete der letzten Jahre hat man zwar die Familienbeihilfen gekürzt, aber die Verschwendungen innerhalb des Fonds hat man nicht beobachtet und nicht hintangehalten. Auf die Problematik der Schülerfreifahrten möchte ich weiter gar nicht eingehen, obwohl auch dort sehr viel im argen liegt und der Familienlastenausgleichsfonds dafür ausgebeutet wurde. Ich möchte heute bei den Schulbüchern bleiben.

Nach 26 Jahren Gratisschulbuchaktion stehen wir heute vor einem Ergebnis, das sich laut Überprüfung durch den Rechnungshof vom Grundgedanken der Schulbuchaktion immer weiter entfernt. Bei sinkender Schülerzahl sind die Ausgaben für die Schulbücher unproportional gestiegen. Herr Bundesminister! Im Jahre 1972 kostete ein Schulbuch 45 S, voriges Jahr lag der Preis im Durchschnitt bei 128 S. Dies bedeutet eine Preissteigerung von über 300 Prozent, Herr Bundesminister!

Dazu muß man sagen, daß sich die Qualität der heutigen Schulbücher mit jener vor 26 Jahren absolut nicht messen kann, denn die Bücher sind heute vom Aussehen und auch von der "Überlebensqualität" her weit weniger wert als damals. Wahrscheinlich sind Sie den Preisvorgaben der Verleger gefolgt und haben sich nicht dagegen gewehrt.

Der Versorgungsgrad der Schüler ist von ehemals 100 Prozent kontinuierlich auf heuer 76 Prozent gesunken. Das heißt, daß die Familien 24 Prozent der neu anzuschaffenden Schulbücher selbst finanzieren müssen. Die Kosten der Verwaltung – dies ist eklatant: man hat an der Aktion zwar immer wieder Reparaturen vorgenommen, aber die Kosten des Handlings und der Verwaltung sind jährlich gestiegen – beliefen sich im Jahr 1996 bereits auf 310 Millionen Schilling. Herr Bundesminister! 310 Millionen Schilling sind ein Viertel der gesamten Kosten für die Schulbuchaktion!

Ich weiß, daß Sie demgegenüber vielleicht argumentieren, wir hätten jetzt eine Schulbuchaktion-Neu, die nächstes Jahr greifen wird. Aber diese Schulbuchaktion-Neu ist meines Erachtens auch wieder mit einem höheren Kostenaufwand verbunden; allenfalls kommt es zu einer Umschichtung der Kosten. Dazu muß man sagen, daß es vielleicht einfacher ist, den 10prozentigen Selbstbehalt vom 10prozentigen Schülerlimit aus zu berechnen, aber andererseits ist durch die Aktion der zurückgegebenen Bücher wesentlich mehr an Überstunden an die Lehrer zu bezahlen, als bisher schon bezahlt wurde. Das heißt, daß ein tiefgreifendes Überdenken des Verfahrens zur Versorgung von Schülern mit Unterrichtsmitteln nicht stattgefunden hat. Anstatt dies raschest zu beginnen und zu vollziehen, war es natürlich viel einfacher, die Familien mit 10 Prozent Selbstbehalt zur Kasse zu bitten, Herr Bundesminister.

Die Budgetvorgaben sind erfüllt, wir werden wieder einige Jahre verstreichen lassen, denn unser System ist so gut – das ist offenbar Ihre Meinung. Tatsächlich wurden keine neuen Ideen entwickelt, keine Gedanken hat man sich über die Entwicklung, die überbordende Vielfalt und somit die Kostenintensität im Bereich der Schulbücher gemacht, und man erkennt das Bestreben, sich nur ja nicht mit den Verlagen anzulegen. Diese ließen ja schon vor zwei oder drei Jahren, als die Diskussion über die Gratisschulbuchaktion begonnen hat, Ihnen beziehungsweise Ihrem Vorgänger ausrichten, daß man mit einer 10prozentigen Reduzierung bei den Büchern absolut nicht einverstanden ist.

Ich weiß, Herr Bundesminister, Sie haben heuer bei den Verlagen eine Kostenreduktion von 4,5 Prozent erreicht. Das heißt einerseits, daß die Schulbücher nun um 4,5 Prozent billiger sind, andererseits aber fällt dafür der Staatsrabatt der Buchhändler weg. Sie haben mit diesen Maßnahmen also nur eine Umschichtung innerhalb des FLAF vorgenommen, ihn jedoch keinesfalls entlastet.

Sie haben heute angekündigt, daß es in fünf Jahren eine neue Schulbuchreform geben wird, im Zuge derer Sie teilweise auf ein Leihsystem umstellen wollen. – Es ist mir durchaus klar, warum Sie das in fünf Jahren machen wollen: Sie haben mit der Bundeskammer einen Vertrag abge


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schlossen, wonach das derzeitige System bis ins Jahr 2003 beizubehalten ist. Wenn Sie danach teilweise auf ein Leihsystem mit Schulbibliotheken umstellen, würde das einen immensen Kosten- und Platzaufwand in den Schulen nach sich ziehen.

Herr Bundesminister, Sie vergessen, daß die jetzigen Verwaltungskosten, also jene Kosten, die durch die Logistik der Schulbuchhändler reduziert worden sind, in diesem Betrag von 310 Millionen Schilling überhaupt nicht enthalten sind. Das von Ihnen für das Jahr 2004 oder 2005 angestrebte Leihsystem würde somit den Verwaltungsaufwand auch noch um jene Kosten, die derzeit die Schulbuchhändler mit ihrer Logistik übernommen haben, vermehren.

Meiner Ansicht nach sollte die Gratisschulbuchaktion, jedoch mit grundlegenden Änderungen, wiedereingeführt werden. Dazu muß man natürlich neue Ideen entwickeln und auf die Erkenntnisse und auf die Erfahrung jener Leute hören, die sich damit schon seit 26 Jahren befassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man sollte die Kosten des Verwaltungsaufwandes von jetzt 300 Millionen Schilling dafür benützen, mehr Schulbücher zu kaufen, damit wieder eine hundertprozentige Versorgung gewährleistet ist und dem Grundgedanken der Gratisschulbuchaktion, nämlich die Familie finanziell zu entlasten und Chancengleichheit unter den Schülern sicherzustellen, entsprochen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schrefel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. (Abg. Dr. Khol: Freiwillig kann man nicht sagen! – Abg. Schrefel: Unfreiwillig! – Abg. Dr. Khol: Unfreiwillig!)  – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

13.02

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Die Umweltangelegenheiten sind eine Querschnittsmaterie, deren Umsetzung heute fast alle Ressorts betrifft, aber seit vielen Jahren durch das Bundesministerium für Umwelt dokumentiert werden. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die Erhöhung der Mittel für den Umweltschutz kommt im wesentlichen den Schwerpunkten "Nationalpark" sowie "Gewässerreinhaltung" zugute. Für die Nationalparks werden im Jahre 1999 175 Millionen Schilling zur Verfügung stehen, im Vergleich dazu betrug die entsprechende Summe im Bundesvoranschlag 1997 105 Millionen Schilling.

Am 26. Oktober 1997 wurde zwischen dem Land Niederösterreich und dem Bund bereits der Vertrag für einen zweiten niederösterreichischen Nationalpark, nämlich dem Nationalpark Thaya-Tal, unterzeichnet. Dies ist somit seit Mai 1995 nach den Nationalparks Donau-Auen und Kalkalpen der dritte Nationalpark, der in der Amtszeit von Minister Bartenstein errichtet werden konnte, was die aktive Umweltpolitik der Regierungsparteien im Bund und den Ländern unter der Federführung der Österreichischen Volkspartei dokumentiert.

Weiters werden gemeinsam mit der EU sogenannte EU-LIFE-Projekte gefördert. Für das Projekt Rotwald-Dürrenstein etwa werden von der EU insgesamt 62 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt, die Differenz auf die notwendigen 103 Millionen Schilling werden vom Bund und den Ländern aufgebracht. Die Vorarbeiten für ein weiteres Projekt, den Nationalpark Gesäuse, werden im wesentlichen vom Land Steiermark getragen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Umweltpolitik sind Alternativenergien. Es wurde ein neuer Fonds, ein sogenannter Öko-Fonds, eingerichtet, der je zur Hälfte vom Landwirtschafts- und vom Umweltministerium mit 300 Millionen Schilling gespeist wird. Niederösterreich ist in diesem Bereich als Bundesland Nummer eins mit 5 000 Hackschnitzelanlagen und 100 Biomassefernanlagen federführend. Durch diesen Fonds können nun natürlich weitere Anlagen errichtet werden.


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Besonders erwähnenswert ist der Bereich der Windkraftanlagen. Bei der Kommunalkredit, die diese Projekte nun finanziert und durchführt, sind 31 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 676 Millionen Schilling eingereicht worden.

Meine Damen und Herren! Als Niederösterreicher bin ich sehr stolz darauf, daß gestern ein Wirtschaftsunternehmen aus St. Pölten, die Firma KWI, den "Umwelt-Oscar" erhalten hat. Diese Firma hat auch in meiner Gemeinde das Pilotprojekt für Energie aus Biomasse durchgeführt. (Beifall bei der ÖVP.)  – Ich hoffe, daß der Weg der Kooperation zwischen Umwelt und Wirtschaft weiterhin beschritten wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Österreich ist international bei Umweltschutzausgaben Spitzenreiter und läßt sich die Beseitigung und Vermeidung von Umweltlasten rund 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes kosten. Damit handelt die österreichische Bundesregierung, vor allem die von der ÖVP geführten Ressorts, sehr verantwortungsvoll, denn sie sichert damit auch im Umweltbereich die Zukunft unserer Kinder. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Ofner: Sag einmal, redest du schon jeden Tag?)

13.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Obwohl eine Budgetdebatte Anlaß sein sollte, nach vorne zu blicken, gestatten Sie mir doch einen kurzen Blick zurück. Denn es ist meiner Ansicht nach wichtig, sich anzusehen, was im letzten Jahr auf dieser Welt in Richtung Klimaschutz passiert ist.

Im Juni des Vorjahres haben wir an der Sonderkonferenz der Vereinten Nationen in New York teilgenommen und sind mit sehr gemischten Gefühlen nach Hause gekommen, denn wir mußten zur Kenntnis nehmen, daß Amerika – mit einem Reduktionspotential von Null – nicht bereit ist, viel zu tun.

Im November hat die Konferenz in Kyoto stattgefunden, und ich bin gemeinsam mit der Mehrheit dieses Hauses durchaus der Meinung, daß Kyoto ein Erfolg war. In den Tagen vom 15. bis 17. Juni, also ein Jahr nach der Konferenz in New York, kommt, wie der Herr Minister bereits erwähnt hat, die Stunde der Wahrheit. Da wird sich zeigen, inwieweit das Kyoto-Protokoll EU-weit umgesetzt werden kann.

Es wird harte Verhandlungen geben. Österreich hat eine gute Ausgangsbasis. Bereits im Jahre 1990, dem Jahr, aus dem die Basisdaten stammen, über die wir verhandeln, konnte sich unsere Klimasituation durchaus sehen lassen. In den letzten acht Jahren hat sich noch etliches verbessert. Ich erinnere nur daran: Die Schwefeldioxidemission wurde stabilisiert. Unsere Ausgangsdaten sind auch gegenüber jenen Ländern, die so oft als Vorbild genannt werden, gut: Die CO2-Emissionen liegen in Österreich bei 7,4 Tonnen pro Kopf, demgegenüber betragen sie in Deutschland 10,8 Tonnen und im oft zitierten Dänemark 11,6 Tonnen.

Natürlich wird es bei einer guten Ausgangslage schwieriger, neuerlich Verbesserungen zu erreichen. Ich bin jedoch der Überzeugung, daß wir das Toronto-Ziel halten sollen und müssen. Herr Minister, ich unterstütze Sie auf diesem Weg, habe aber den Eindruck, daß das Häuflein der "Aufrechten" immer kleiner wird und immer mehr Lobbyisten nur mehr die völkerrechtlich verbindlichen Ziele, nicht jedoch das Toronto-Ziel akzeptieren.

Das Toronto-Ziel hat meiner Ansicht nach sehr wohl seine Berechtigung, es ist umsetzbar und auch finanzierbar. Wir haben nicht nur im Rahmen von Toronto, sondern auch im Rahmen von Kyoto gute Vorbereitungsmaßnahmen gesetzt. Das ACCC hat zufriedenstellend gearbeitet, und das interministerielle Komitee ist dabei, diese Erkenntnisse zu verwerten und in EU-Recht umsetzen. Die Wifo-Studie hat uns gezeigt, daß es gangbare Möglichkeiten gibt.


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Herr Minister! Ich rege an, eine Gruppe zur Umsetzung einzurichten, in die auch die Länder eingebunden sind. Ich habe – und das sage ich auch von diesem Pult aus ganz offen – wenig Hoffnung, daß wir in absehbarer Zeit zu Artikel-15a-Verträgen oder ähnlichen Verträgen kommen, damit die Gelder, die die Länder zur Verfügung gestellt bekommen, auch zweckmäßig verwendet werden. Teilweise geschieht das ja bereits, um der Wahrheit gerecht zu werden. In dieser Gruppe sollten die Sozialpartner sowie der Gemeinde- und der Städtebund vertreten sein und Umsetzungsmaßnahmen beschlossen und koordiniert werden.

Bei einigen meiner Vorredner ist bereits angeklungen, wie es gehen kann und wird. Das Hauptrad, an dem wir drehen müssen, ist und bleibt der Wirkungsgrad. Der Wirkungsgrad auf allen Ebenen beginnt bei den Kraftwerken mit einer Kraft-Wärme-Kopplung und geht über die Nutzung der Fernwärme bis hin zum Haushalt mit Wärmedämmung und – ökologisch interessant – Warmwasserbereitung.

Ein weiterer Punkt, der uns auch nicht egal sein darf, ist die Logistik des Verkehrs. Wir haben Daten, wonach sich der Lkw-Verkehr aufgrund der Ostöffnung im Osten Österreichs um, wie man hört, 300 Prozent erhöhen wird. Dem müssen wir gegensteuern, etwa finanziell über das Road-pricing.

Es sei aber auch gestattet, über andere Transportmöglichkeiten nachzudenken, um dem gegenzusteuern. Eine Vision ist der Ausbau des Marchfeldkanals nicht nur für die Bewässerung in der Landwirtschaft, sondern auch als Transportkanal zu Elbe und Oder. Es wäre das eine Bereicherung für das Weinviertel und könnte die Transportkosten im ökologischen Sinne beeinflussen. Das ist finanzierbar. Es werden, je nachdem, von welcher Lobby, Zahlen zwischen 15 Milliarden und 53 Milliarden Schilling, wie Kollege Hofmann gemeint hat, genannt, ich habe aber auch schon von 200 Milliarden Schilling gehört. Das ist, wie ich meine, unrealistisch. Ich gehe voll mit dem von Ihnen angebotenen Konzept mit, durch Förderungen von 1,4 Milliarden Schilling im Jahr Erfolge zu erzielen.

Herr Bundesminister, ein Jahr nach der Konferenz in Kyoto wird in Argentinien die Stunde der Wahrheit kommen. Sie haben in den nächsten sechs Monaten eine schwierige Aufgabe, um die ich Sie nicht beneide, für die ich Ihnen aber im Interesse Österreichs und der Europäischen Union alles Gute wünsche und die Unterstützung der Sozialdemokratie anbieten darf. – Alles Gute! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stampler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

13.12

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Wohlstand und die Entwicklung eines Landes lassen sich meiner Meinung nach nicht nur daran messen, wie gut es der Bevölkerung geht – also hinsichtlich Gesundheit, Versorgung und so weiter –, sondern auch daran, wieviel eine Regierung bereit ist, in den Umweltschutz zu investieren. Österreich ist diesbezüglich ein europäisches, ich möchte sagen, weltweites Musterland. Ich möchte heute die Gelegenheit dazu nutzen, mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, für Ihr unermüdliches Engagement im In- und Ausland zu bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Untrennbar mit dem Schutz der Natur verbunden sind die Umweltförderungen. Es ist Aufgabe eines Landes, für den Naturschutz finanzielle Anreize zu schaffen und Initiativen im In- und Ausland zu fördern. Im Voranschlag 1999 sind für die Umweltförderungen über 4 Milliarden Schilling vorgesehen; das bedeutet eine Steigerung von etwa 40 Prozent gegenüber 1997. Das ist schon sehr beachtlich.

Neben der Wasserwirtschaft ist, glaube ich, auch die Altlastensanierung ein wichtiger Faktor. Es ist anzumerken, daß seit 1990 die Beträge einnahmenseitig kontinuierlich gestiegen sind. Insgesamt sind seit 1990 fast 2 Milliarden Schilling eingenommen worden. Diese Mittel wurden zu 85 Prozent für Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen und zu 15 Prozent zur Durchführung


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ergänzender Untersuchungen an Verdachtsflächen verwendet. Bis 1. Jänner 1998 wurden vom Umweltministerium 28 147 Altablagerungen und Altstandorte als Verdachtsflächen gemeldet. 133 Verdachtsflächen wurden in den Altlastenatlas eingetragen.

Ganz kurz ein paar Worte zur Förderung: Das bisher beantragte Investitionsvolumen beträgt insgesamt 7,8 Milliarden Schilling, davon wurden Förderungszusicherungen für Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen an 68 Altlasten in Höhe von immerhin 3,3 Milliarden Schilling gemacht. 1,1 Milliarden Schilling wurden für laufende Maßnahmen ausbezahlt.

Es ist meiner Überzeugung nach wichtig, in die Umwelt zu investieren. Wir dürfen sie nicht beeinträchtigen, sondern müssen sie den künftigen Generationen zur Verfügung stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Konrad. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. (Abg. Dr. Khol: Ist ja unglaublich großzügig vom SPÖ-Klub!)  – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.15

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Auch ich begrüße, daß den Familien in Zukunft mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden. Es ist zweifellos wichtig, daß Familien von der öffentlichen Hand auch finanziell unterstützt werden, allerdings meinen wir von der sozialdemokratischen Fraktion, daß Geld allein zu wenig ist. Geld allein reicht als Familienförderung nicht aus.

Aus unserer Sicht muß darüber hinaus eine gesellschaftliche Infrastruktur zur Verfügung stehen, die das Zusammenleben von Menschen in Familien unterstützt. Jenseits von Geldleistungen muß die Infrastruktur, die den Familien zugute kommt, weiter ausgebaut werden, denn diese macht es überhaupt erst möglich, daß Menschen ihre Existenz durch Arbeit sichern und Kinder haben können. Umgekehrt muß es möglich sein, Kinder zu haben und trotzdem seine eigene Existenz und die der Kinder durch Erwerbstätigkeit zu sichern.

Unter diesem Blickwinkel gehören Kinderbetreuungseinrichtungen zu den wichtigsten familienpolitischen Maßnahmen. In diesem Bereich hat sich in der letzten Zeit einiges getan. Durch die Entscheidung, für die Kinderbetreuung Bundesmittel zur Verfügung zu stellen, hat es einen dringend notwendigen Schub beim Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen gegeben. Die hohe Akzeptanz dieser Maßnahme, die, wie Sie sich vielleicht noch erinnern, gar nicht so leicht durchzusetzen war, beweist den hohen Bedarf. Meine Fraktion begrüßt es deshalb sehr, daß im kommenden Jahr noch einmal 600 Millionen Schilling an Bundesmitteln zur Schaffung weiterer Kinderbetreuungsplätze aufgewendet werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

Meine Damen und Herren! Neben dieser greifbaren Maßnahme engagiert sich meine Fraktion aber weiterhin für arbeitsmarktpolitische Regelungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern für Frauen und Männer erleichtern sollen. Das Recht auf Teilzeit für Eltern mit Kindern im Vorschulalter ist eine, muß ich sagen, schon alte familienpolitische Forderung meiner Fraktion, die das Budget des Familienministeriums nicht belasten würde, die allerdings die Kooperation der Arbeitgeber und der Wirtschaft benötigt sowie deren Bereitschaft zu Flexibilität und Kreativität – etwas, was, so scheint es mir, derzeit recht einseitig von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen eingefordert wird.

In diesem Zusammenhang muß auch der Familienminister die Bedürfnisse der Familien der Wirtschaft gegenüber entsprechend vertreten, er muß diese Kooperationsbereitschaft zugunsten der Familien einfordern und darf Wirtschaft und Arbeitgeber nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

Dasselbe gilt für Arbeitszeitmodelle, die Rücksicht auf das Familienleben nehmen. Es ist nicht nur die Privatsache zweier Menschen, ob Familie befriedigend gelebt werden kann. International gibt es bereits Erfahrungen mit neuen flexiblen Arbeitszeitmodellen – auch für Führungskräfte –, die sich an den Familienbedürfnissen von Frauen und Männern orientieren. Diese Erfahrungen


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sollten wir uns übrigens auch in Österreich verstärkt zunutze machen. Es müßten zum Beispiel dringend Maßnahmen gesetzt werden, die es auch Männern ermöglichen, die Kinderkarenz in Anspruch zu nehmen und stärker in die Familienarbeit – bis hin zur partnerschaftlichen Teilung der Versorgungsarbeit – einzusteigen.

Es ist dem Herrn Justizminister dafür zu danken, daß er dieses Problem aufgegriffen hat, und ich freue mich darüber, daß er bereits konkrete Vorschläge für erste Reformschritte im Ehe- und Familienrecht gemacht hat. Denn solange die gemeinsame Verantwortung von Frauen und Männern für die Familienarbeit nicht zum allgemeinen Bewußtseinsstand gehört, werden Politiker – und zum Teil auch Politikerinnen, die es ja, wie sie selbst glauben, gut mit den überlasteten Frauen meinen – weiterhin in erster Linie nach mehr Teilzeitangeboten für Frauen rufen, damit die Frauen auf diese Weise die Doppel- und Dreifachbelastung Beruf/Kinder/Haushalt unter einen Hut bringen können.

Wir plädieren im Gegensatz dazu für die gemeinsame, partnerschaftliche Verantwortung, die weder Frauen noch Männer in überholte Korsetts zwängt. Nur so wird Familie zu einem Lebensraum, in dem sich Eltern und Kinder entfalten und ihre Lebensträume, Wünsche und Vorstellungen verwirklichen können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

13.21


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125. Sitzung / Seite 64

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. – Bitte.

13.21

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Schon bisher fanden durch die Maßnahmen der Siedlungswasserwirtschaft in Österreich etwa 18 000 Menschen Beschäftigung. Aufgrund der Erhöhung der Mittel um etwa 414 Millionen Schilling im nächsten Jahr werden es nunmehr insgesamt 20 000 Beschäftigte sein, die durch die Maßnahmen der Siedlungswasserwirtschaft Beschäftigung finden. Das ist der Weg, mit dem Österreich die Erfolge der Vergangenheit fortsetzen kann, und wir unterstützen unseren Umweltminister Dr. Bartenstein bei der Fortsetzung dieses Weges. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Oppositionsparteien haben heute zwei Anträge eingebracht, zu denen ich kurz Stellung nehmen möchte. Wir werden den Antrag der Grünen ablehnen, weil er den kleinen Gemeinden die Förderungsmittel für die Abwasserentsorgungsmaßnahmen entzieht.

Frau Klubobfrau Petrovic! Das bedeutet für eine kleine Gemeinde, daß sie keine Baulandwidmung mehr bekommt (Abg. Dr. Petrovic: Stimmt ja nicht!) und keine gewerblichen Initiativen mehr setzen kann, denn ohne Abwasserentsorgung gibt es keine Entwicklung in den kleinen Gemeinden. Das müssen Sie wissen! – Aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Auch die Freiheitliche Partei hat heute einen Entschließungsantrag eingebracht, dem wir ebenfalls nicht zustimmen können. Der Grund dafür ist, daß das Bundesland Kärnten schon bisher seine Quote bei der Abwasserentsorgung nicht ausgeschöpft hat. Kein einziger Antrag des Bundeslandes Kärnten wurde bisher durch die Abwasserwirtschaftskommission abgelehnt, es war vielmehr das Gegenteil der Fall: Die Österreichische Kommunalkredit in Wien mußte das Bundesland – sprich: die Umweltreferentin Sickl, Mitglied der Freiheitlichen Partei – mehrfach dazu auffordern, die Quote Kärntens auszunützen und entsprechende Anträge vorzulegen. (Abg. Ing. Reichhold: Weil die Gemeinden die Projekte nicht machen!)

Das ist der springende Punkt! Man sollte sich jetzt nicht auf die Gemeinden ausreden. (Abg. Ing. Reichhold: Putzen Sie sich nicht an der Frau Sickl ab!) Ja, so ist es aber! Sie wurde mehrfach aufgefordert, diesem Anspruch gerecht zu werden, und erst jetzt, erst bei der Sitzung im Juni, wird das Bundesland erstmals in der Lage sein, seine Quote auszunützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Da werden nur 50 Prozent genehmigt! – Abg. Dr. Maitz: Zwischen Reden und Handeln ist halt ein Unterschied! – Abg. Ing. Reichhold: Die Rede hol’ ich mir, Wurmitzer!)

13.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tegischer. – Bitte.

13.23

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Zum Umweltbudget: Es wird heuer von 3,9 auf 4,6 Milliarden Schilling aufgestockt. Die Erhöhung kommt, wie Kollege Wurmitzer bereits erwähnt hat, hauptsächlich der Siedlungswasserwirtschaft zugute.

Wir sollten allerdings überlegen, diese Mittel eventuell auch für den Kläranlagenausbau umzuschichten, und zwar auf einen Bereich, den ich für besonders wichtig erachte, nämlich die Altlastensanierung. Die budgetären Mittel dafür werden zwar wieder aufgestockt, trotzdem ist dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Immer mehr Altlasten müßten dringend saniert werden. Das Umweltbundesamt hat 80 000 Verdachtsflächen lokalisiert. Das Hauptproblem ist jedoch, daß bei den meisten noch nicht einmal nachgewiesen ist, welche Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt bestehen.

Gefährdet ist meiner Meinung nach vor allem das Grundwasser. Wir haben wunderbare, saubere Seen und Bäche. Ich glaube also, es ist an der Zeit, daran zu denken, die Mittel von der Wasserwirtschaft zur Altlastensanierung umzuschichten.

Herr Minister! Ein Thema, das mich, wie Sie wissen, immer wieder beschäftigt, ist die Alpenkonvention beziehungsweise hochrangige Straßen durch die Alpen. Die Alemagna zum Beispiel hängt wie ein Damoklesschwert über Osttirol. Daß der Alpentransit eine untragbare Belastung für die Bevölkerung der Umgebung darstellt, darüber brauchen wir, so glaube ich, nicht mehr zu sprechen, darin sind wir uns einig.

Für bedenklich halte ich jedoch die Linie der EU, das Sonntagsfahrverbot aufzuweichen beziehungsweise das Fahrverbot an Feiertagen überhaupt abzuschaffen sowie die Stagnation beim Verkehrsprotokoll. Ich möchte es nicht verabsäumen, das in diesem Haus zu deponieren, und ich appelliere an Sie, Ihren bisherigen harten und klaren Standpunkt weiterhin zu vertreten. Dafür danke ich Ihnen schon im voraus. (Beifall des Abg. Ellmauer. )

Ganz kurz noch zum Bereich Umwelt und Beschäftigung. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wird der Umweltbereich immer mehr zu einem Luxusthema erklärt. Ich glaube aber und weiß mich mit Ihnen diesbezüglich einer Meinung, daß es im Umweltbereich viele Betätigungsfelder gibt. Noch erweisen sich Umweltberufe aber nicht unbedingt als "Job-Knüller", denn in vielen Bereichen werden bereits bestehende Berufe nur erweitert.

Ich bin aber davon überzeugt, daß Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes die Beschäftigung fördern. Derzeit arbeiten bereits über 45 000 Menschen in der Öko-Branche, und ich weiß, daß Sie, Herr Minister, in der Öko-Branche starke Impulse für die Beschäftigung sehen. Auch ich bin voller Hoffnung, daß eine kluge Umweltpolitik – ich denke dabei etwa an den Recyclingbereich oder auch an erneuerbare Energien – letztendlich kein Job-Killer, sondern ein "Job-Knüller" ist.

Ich verabschiede mich nun für kurze Zeit. Ich komme wieder (Heiterkeit) und werde dann noch über den Familienbereich sprechen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Leiner.  – Abg. Dr. Stummvoll: Eine gefährliche Drohung!)

13.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.27

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Debattenbeitrag des Abgeordneten Wurmitzer war wieder einmal einer seiner berühmten Selbstfaller – solche hat er im Hohen Haus ja schon mehrmals geliefert. (Abg. Grab


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ner: Ein Kärntner-Kampf!) Er hat darin Kärnten und Landesrätin Sickl angegriffen. Ich werde ihm seine Argumentation nun genau und im Detail widerlegen.

Erstens konnte das Förderungsvolumen nicht deshalb nicht zur Gänze ausgenutzt werden, weil Frau Sickl säumig war, sondern deshalb, weil die Gemeinden nicht in der Lage waren, rechtzeitig ihre Projekte einzubringen. Trotzdem, Kollege Wurmitzer, konnten die Förderungsmittel aufgrund der erfolgreichen Politik der Frau Landesrätin Sickl, das wird sogar vom Bundesminister irgendwo bestätigt (ironische Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ – Abg. Grabner: Der ist nicht da!)  – ich habe vorhin ein Gespräch mit ihm geführt! (Beifall bei den Freiheitlichen) – , innerhalb kürzester Zeit, nämlich in drei Jahren, von 7 auf 14 Prozent erhöht werden. (Abg. Wurmitzer: Bei diesem Rückstand!)  – Herr Abgeordneter Wurmitzer, hören Sie gut zu! Als Kärntner Abgeordneter sollten Sie das eigentlich wissen.

Ich bringe diesen Antrag deshalb heute ein, weil am 24. Juni eine Sitzung des Siedlungswasserwirtschaftsbeirates stattfinden wird, und unsere Vorausinformationen besagen, daß 50 Prozent der von Kärnten gestellten Anträge abgelehnt werden müssen (Abg. Wurmitzer: Das ist falsch!) , weil – das ist richtig, das ist nicht falsch – die Förderungstranchen nicht genehmigt werden. (Abg. Wurmitzer: Bitte! Du bist sehr schlecht informiert!)

Deshalb stellen wir heute diesen Antrag, und deshalb appelliere ich auch an den Herrn Bundesminister, auf den Förderungsbeirat einzuwirken, damit der Rückstand, den Kärnten in dieser Frage hat, aufgeholt werden kann. (Abg. Grabner: Reichhold! Reichhold!) Bitte, Herr Abgeordneter Grabner. (Abg. Grabner: Ihr habt beim Rosenstingl auch keine richtigen Informationen gehabt!) Bitte schön, Rosenstingl hat mit der Kärntner Abwasserentsorgung nichts zu tun, höchstens mit der Entsorgung straffällig gewordener krimineller Politiker!

Deshalb mein heutiger Appell. Herr Abgeordneter Wurmitzer, ich werde heute genau beobachten (Abg. Wurmitzer: Ich bin in der Kommission!) , wie Sie heute abstimmen. Wenn Sie für die Interessen Kärntens stimmen wollen, dann unterstützen Sie diesen Antrag, wenn Sie gegen die Interessen Kärntens stimmen, dann lehnen Sie ihn ab. Wir werden jedenfalls der Kärntner Bevölkerung Ihre Einstellung zu dieser Frage in diesem Haus sehr deutlich klarmachen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wurmitzer: Schlechte Information!)

13.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.29

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Laut einer neuen Studie der Arbeiterkammer arbeiten in Österreich im Umweltbereich zurzeit 45 000 Menschen. Rund die Hälfte davon arbeitet in der Privatwirtschaft, 45 Prozent im öffentlichen Sektor.

Durch neue Ansätze in der Energiepolitik könnten zusätzliche beschäftigungspolitische Effekte ausgelöst werden. Ein zukunftsorientiertes Energiesystem, das auf heimische erneuerbare Energieträger und bessere Energieeffizienz setzt, würde dazu führen, daß die Ausgaben der Bürger für Energiedienstleistungen im Inland blieben und damit die Kaufkraft hier im Land stärken.

Die Importe nicht erneuerbarer Energieträger wie Kohle, Gas, Öl oder Atomstrom verdrängen die ökologischen heimischen Energieträger wie Holz. Im heimischen Wald sind in den letzten Jahrzehnten rund 40 Millionen Kubikmeter Durchforstungsholz ungenützt geblieben; dabei bringt doch die Biomasse großes Beschäftigungspotential im ländlichen Raum mit sich. Studien zeigen, daß durch entsprechende Lenkungsmaßnahmen allein durch die Holznutzung Tausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.

Neben der Arbeitsplatzbeschaffung leistet Holz einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Treibhauseffekt. Das Wachsen der Bäume entzieht der Atmosphäre CO2. Um einen Kubikmeter Holz zu produzieren, spaltet der Baum 950 Kilogramm CO2 aus der Luft. Wird das Holz nicht


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genutzt, so wird bei der Verrottung im Walde die gleiche Menge an CO2 frei wie bei der Verbrennung.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie daher, die positiven Entwicklungen, die Sie bereits eingeleitet haben, in Richtung Förderung erneuerbarer Energieträger weiter voranzutreiben. Für die Förderung von Alternativenergien stehen im Jahr 1999 insgesamt 300 Millionen Schilling zur Verfügung. Ich würde mir wünschen, daß dieser Betrag im Jahr 2000 aufgestockt werden kann. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.32

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich auf die Ausführungen von Ing. Reichhold und den Antrag der Freiheitlichen betreffend die Dotierung der Förderungsmittel für die Abwasserversorgung in Kärnten eingehen.

Die derzeitige Gesetzeslage sieht für Gemeinden mit 2 000 bis 15 000 Einwohnern für die richtlinienkonforme Entsorgung der Abwässer eine Frist bis 31. Dezember 2000 vor. Laut dem Wasserrechtsgesetz kann diese Frist vom Landeshauptmann auf Basis des Abwasserrahmenkonzeptes um maximal fünf Jahre, also bis zum 31. Dezember 2005, verlängert werden.

Den großen Problembereich stellen im Bundesland Kärnten aber die Gemeinden mit weniger als 2 000 Einwohnern dar, für welche die derzeitige Gesetzeslage eine Frist bis 1998 vorsieht, die ebenfalls um maximal fünf Jahre verlängerbar ist, also bis 31. Dezember 2003. Für mich ist nicht nachvollziehbar, warum das innerstaatliche Recht für die kleinen Gemeinden, also bis 2 000 Einwohner, eine um zwei Jahre kürzere Frist vorsieht als das EU-Recht für Gemeinden mit mehr als 2 000 Einwohnern.

Die Untätigkeit vieler betroffener Gemeinden ist darin begründet, daß aufgrund des Prioritätenkataloges des Landes, der auf die finanziellen Möglichkeiten von Bund und Land abgestimmt wurde, Fristen bis zum Jahr 2015 vorgegeben sind. Bedauerlich ist, daß dieser Prioritätenkatalog nicht mit dem Wasserrechtsgesetz konform geht.

Das jährliche Bauvolumen im Bereich der Abwasserwirtschaft beträgt in Kärnten in etwa 1 Milliarde Schilling; davon sind 500 Millionen Bundesmittel. Die Realisierung aller ausstehenden Projekte wird noch mindestens 15 Milliarden Schilling erfordern. Daher ist es meiner Meinung nach organisatorisch, aber auch finanziell nicht möglich, das öffentliche Kanalnetz in Kärnten bis zum Jahr 2003 fertigzustellen. Dieser Termin wird bei der derzeitigen Dotierung um zirka zehn Jahre überschritten werden.

Herr Kollege Reichhold – er ist nicht im Saal –, man kann es sich nicht so einfach machen und die Schuld allein dem Bund zuschieben. Wer ist denn in Kärnten für das Umweltressort und daher auch für diese Versäumnisse zuständig? – Es ist dies die freiheitliche Landesrätin Dr. Sickl.

Ich vermisse von der freiheitlichen Landesrätin, daß sie sich um zusätzliche Finanzmittel kümmert. Ich vermisse von der freiheitlichen Landesrätin in Kärnten, daß sie sich im Wissen um die Probleme um eine Fristverlängerung im Wasserrecht bemüht. Ich vermisse von der freiheitlichen Landesrätin aber auch, daß sie die Bevölkerung entsprechend aufklärt.

Ein praktisches Beispiel dazu: Mit 31. Dezember dieses Jahres endet die Frist außerhalb des Kanalpflichtbereichs, die baurechtlich per Gesetz genehmigten Anlagen in biologische Anlagen umzurüsten. Auch in diesem Bereich ist die freiheitliche Landesrätin säumig.

Daher fordere auch ich auf, die Fristen zu verlängern – ich weiß, daß für das Wasserrechtsgesetz Bundesminister Molterer zuständig ist –, aber auch die finanziellen Mittel entsprechend dem Prioritätenkatalog sicherzustellen.


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Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Familienbudget: Die Formulierung der Leistungen der Familie ist gleichzeitig auch die Meßlatte für eine erfolgreiche Familienpolitik. Die Leistungen von Familien dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Einen Teil der Aufgaben teilen sich die Familien mit anderen Institutionen wie Schule, Kindergarten. Unbestritten ist aber, daß viele der privat erbrachten Leistungen innerhalb der Familie gesellschaftliche Anerkennung verdienen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das vorliegende Familienpaket wird für Österreichs Familien allein im nächsten Jahr zusätzliche Förderungen von über 12 Milliarden Schilling bringen. Beim Budgethearing hat ein Experte die Frage, ob wir uns das überhaupt leisten können, in den Raum gestellt. Ich glaube, daß uns die österreichischen Familien so viel wert sind, daß wir uns dies in jedem Fall leisten müssen.

Die SPÖ ist bei den Verhandlungen vom Grundprinzip ausgegangen, vor allem Jungfamilien und einkommensschwächere Familien stärker als bisher zu fördern. Das Familienpaket ist ein sozial ausgewogener Mix von direkten Transferleistungen, steuerlichen Maßnahmen, Versicherungsleistungen, aber auch Sach- und Infrastrukturleistungen.

Eine Studie zeigt auf, daß in den österreichischen Familien wenig gespielt wird. Das empfindet zumindest ein Großteil der 10jährigen Kinder. Das Bedürfnis nach persönlicher Zuneigung in Form von gemeinsam verbrachter Zeit wird aus der Sicht der Kinder immer mehr vernachlässigt; eine Tatsache, die uns zu denken geben muß. Die familienorientierte Erwerbsarbeit ist daher in Zukunft ein zentrales Anliegen der SPÖ. Meiner Meinung nach sind die Möglichkeiten für eine familienfreundliche Gestaltung der Erwerbsarbeit bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Ich sehe, daß meine Redezeit zu Ende geht, und möchte nur noch folgendes sagen: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit visionären Ideen für das 21. Jahrhundert müssen wir den Familien jene Entfaltungsmöglichkeiten geben, die notwendig sind, damit Kinder nicht zu einer finanziellen Belastung für Familien werden. Das Familienpaket geht in eine neue Richtung: Die Familien nehmen einen zentralen Stellenwert ein, und von der Familie erbrachte Leistungen werden gesellschaftlich akzeptiert – sie müssen auch entsprechend abgegolten werden.

Ich glaube, daß wir mit dem vorliegenden Familienbudget einen großen Schritt nach vor machen. Wir Sozialdemokraten werden daher diesem Budgetkapitel unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

13.39

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in aller Kürze mit dem Umweltthema Trinkwasserschutz und Grundwasserverschmutzung beschäftigen: ein Thema, das uns in Zukunft mehr denn je begleiten wird, ein Thema, das uns in Zukunft enorme Kosten verursachen wird.

Laut einer Studie des Gesundheits- und des Landwirtschaftsministeriums müßten nicht weniger als 56 Prozent der österreichischen Grundwassergebiete als Sanierungsgebiete ausgewiesen werden, und zwar deshalb, weil dort der Schwellenwert von 45 Milligramm Nitrat pro Liter schon mindestens zwei Jahre lang nachhaltig überschritten wurde. In großen Teilen Österreichs kann das lokale Grundwasser nicht mehr unbehandelt getrunken werden, und nach Prognosen des Umweltbundesamtes wird sich die Situation auch in Zukunft nicht entschärfen.

Das Wasserrechtsgesetz bietet zwar die Möglichkeit, Schutz- und Schongebiete festzulegen – 178 solcher Schongebiete gibt es in ganz Österreich –, aber wie man sieht, funktioniert das offensichtlich nicht überall.

Ich darf hier erwähnen, daß sich die Steiermark und Salzburg in diesem Zusammenhang sehr vorbildlich verhalten. Sie haben ihre Schongebiete tatsächlich im Griff. Aber äußerst schlecht funktioniert das im Burgenland und vor allem in Niederösterreich. Niederösterreich hat zum Bei


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spiel kein einziges Verbot, was die wirtschaftliche Nutzung und den Pestizideinsatz anlangt. Im Gegenteil: Dort gibt es sogar 30 – dreißig!  – Ausnahmeregelungen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein Zustand, der nicht hingenommen werden kann. Da muß einfach etwas geschehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hilft uns das beste Wasserrechtsgesetz nichts, wenn immer wieder erhebliche Mängel bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen festgestellt werden. Es müssen daher, Herr Bundesminister, weitere richtige Maßnahmen gesetzt werden. Ich nenne drei der wichtigsten: Erstens geht es darum, die Stickstoffüberdüngung in hohem Maße einzudämmen. Zweitens muß die Fortentwicklung der Bodenschutzkonzepte der Länder mit aller Vehemenz vorangetrieben werden. Und drittens müssen vor allem in jenen Gebieten, in denen Intensivlandwirtschaft betrieben wird, die längst fälligen Sanierungsgebietsverordnungen erlassen werden.

Das bedeutet aber auch, daß die Zusammenarbeit Ihres Ressorts, Herr Bundesminister, und des Landwirtschaftsministeriums, vor allem aber auch die Zusammenarbeit mit den Ländern, mit den Landeshauptleuten, verstärkt werden muß, um die Problematik Grundwasserschutz und Grundwasserverschmutzung langfristig wirklich in den Griff zu bekommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.4


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1

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

13.42

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Abgeordneter Wurmitzer hat mich noch zu einer Wortmeldung provoziert, da er sich gegen den Antrag des Abgeordneten Wabl betreffend ein selektives Moratorium ausgesprochen hat. Anscheinend hat er das Wort "selektiv" nicht gelesen, oder er wollte es überlesen. Das, was wir haben wollen, ist eine bessere Betreuung und auch eine bessere Förderung für den ländlichen Raum.

An die Adresse der Regierungsparteien: Sie scheinen noch immer zu verkennen, daß erstens in aller Regel die Qualität der Wasseraufbereitung bei dezentralen Wasserreinigungsanlagen höher ist und daß es zweitens keine Leitungs- und Wartungsprobleme gibt. Bei den oft kilometerlangen, durch hügeliges Gelände führenden Kanalsträngen ist das Problem der Wartung und der Dichtheit sehr massiv. Und bei dezentralen Kläranlagen gibt es auch nicht das Problem der Mischung von gefährlichen und harmlosen Abwässern.

Ich komme noch zu einem allerletzten Punkt – da wende ich mich vor allem an Herrn Abgeordneten Wurmitzer –: Ich weiß nicht, wie er es rechtfertigen kann, daß Haushalten Anschlußkosten von teilweise weit über 100 000 S pro Haushalt aufgebürdet werden. – Herr Abgeordneter Wurmitzer! Anschlußkosten von über 100 000 S sind sogar dann, wenn es Förderungen gibt, für viele österreichische Familien existenzbedrohend. (Abg. Wurmitzer: Wer zahlt das?) Daher ist dieses selektive Moratorium bei besserer Klärung der Abwässer vor allem auch ein Schutz, um die österreichischen Haushalte nicht mit unzumutbaren und ökologisch sinnlosen Belastungen zu überfordern.

Wenn Sie in einem Bundesland, das vor einem Landtagswahlkampf steht, den Haushalten zumuten, für ökologisch sinnlose Maßnahmen Kanalanschlußkosten von über 100 000 S zu zahlen (Abg. Wurmitzer: Das gibt es in Österreich nicht!), dann werden Sie, glaube ich, auch in diesem bevorstehenden Wahlkampf im ländlichen Raum sehr hohen Erklärungsbedarf haben! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurmitzer: Das gibt es in Österreich nicht! Sie sind schlecht informiert!)

13.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tegischer. Zweite Wortmeldung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.45

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Beim Kapitel Familie beschäftigt ich mich schwerpunktmäßig die Jugend. In meiner zwölfjährigen praktischen Erfahrung als Sozialarbeiterin und Jugendbetreuerin habe ich immer wieder hautnah miterlebt, wie unsere Jugend aufgrund des rasanten gesellschaftlichen Wandels immer höheren Anforderungen ausgesetzt ist. Sie wird von einer unüberschaubaren Informationsflut überschwemmt, vom Sog des Konsumzwangs mitgezogen und soll sich immer höher qualifizieren, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Unsere Jugend soll so wie wir alle Leistungsdruck und Streß als alltägliche Anforderungen akzeptieren. Dazu kommen veränderte familiäre Strukturen und ein steigendes Desinteresse an traditionellen Werten sowie ein Trend zur Individualisierung.

Im Zusammenhang mit den Bereichen Ausbildung, Arbeit und Nutzung der Freizeit wächst meine Sorge, daß aufgrund der Forderungen nach erhöhter Mobilität und Flexibilität die Tendenz besteht, daß es in absehbarer Zeit eine Jugend der zwei Geschwindigkeiten geben wird: Die einen schaffen es, die anderen kommen nicht mehr mit.

Ich möchte dazu drei Bereiche aus dem Jugendbudget herausnehmen und diese, wenn Sie erlauben, auch kritisch betrachten.

Im Budget gibt es Förderungen für EU-Projekte wie "Jugend für Europa" und "Europäischer Freiwilligendienst". Ich begrüße das sehr, weil ich weiß, daß damit auch Jugendlichen, die sozial schwächer und nicht so lernfähig sind und keinen so hohen Bildungsstand haben, die Möglichkeit gegeben wird, andere Länder, andere Mentalitäten und andere Sprachen kennenzulernen und so die Angst vor Neuem zu verlieren und für ihre Zukunft etwas zu lernen. Ich begrüße das sehr!

Nun zum Bundesjugendplan. 1997 erfolgte die Aufteilung noch durch einen genau vorgegebenen Schlüssel nach einem fixen System. 1998/1999 erhalten die Organisationen ein Drittel als Basisförderung und zwei Drittel als Projektförderung. Dieser Verteilungsschlüssel könnte kleineren, aber auch größeren Organisationen, die auf keine gewachsene Infrastruktur zurückgreifen können, wie dies bei ÖVP-nahen Jugendorganisationen oft der Fall ist, Schwierigkeiten bereiten. Die Organisationen müssen oft um die Deckung der Basiskosten kämpfen, sie müssen um Räumlichkeiten und um Personal kämpfen. Für sie wird es sehr schwierig werden, dann auch noch Projekte einzureichen, oder es wird ihnen überhaupt unmöglich sein.

Wir alle wollen doch, daß unsere Jugend selbstbestimmt und eigenverantwortlich ist, und müssen ihr daher auch die erforderlichen Rahmenbedingungen dafür bieten. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine wesentliche Frage stellt sich für mich auch hinsichtlich der Förderungsgebarung zwischen Bundesjugendring und freien Trägern, wie zum Beispiel den offenen Jugendzentren, die immer mehr ein Auffangnetz für jugendliche Randgruppen werden. Soviel ich weiß, sind 61 Millionen Schilling für die außerschulische Jugendarbeit veranschlagt. Es würde mich interessieren, inwieweit auch die freien Träger dabei berücksichtigt werden, und welchen Betrag das ausmachen wird.

Der letzte und für mich wichtigste Punkt: Die meisten von Ihnen werden mit mir darin übereinstimmen, daß Prävention, Vorbeugung eine zentrale Rolle bei der positiven Lebensplanung einnehmen muß. Präventionsmaßnahmen werden allerdings nur sehr gering gefördert, meines Wissens mit 1 Prozent. Durch Prävention werden gefährdete Jugendliche stark gemacht, damit sie erst gar nicht süchtig oder gewalttätig werden oder sich einer Sekte anschließen. Weder Abschreckung – das weiß man aus den siebziger Jahren – noch reine Sachinformation erzielen den gewünschten Erfolg bei der jugendlichen Bewußtseinsbildung.

Die Aktion des Bundesministeriums war sicher gut gemeint – ich weiß es –, aber ich glaube nicht, daß sie wirklich jene Effizienz erreichen wird, die wir alle uns wünschen, denn Kopfwissen ist noch lange nicht Handlungswissen.


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125. Sitzung / Seite 70

Ich bitte Sie daher, mehr finanzielle Mittel für Präventionsprojekte vorzusehen. Präventionsprojekte in Kindergärten, Schulen und außerschulischen Institutionen sind sehr effizient, da Jugendliche und Kinder in ihrer Umgebung die unterschiedlichen Lebensabläufe nachvollziehen können und in kreativer, spielerischer Form die Folgen zerstörender Lebensplanung erkennen und selbst Problemlösungsstrategien erarbeiten können, die sie stark machen gegen Sucht, Gewalt, Rassismus und Sekten.

Die Jugend von heute will keine Verbote, sie will auch keine Gebote, sie möchte gerne Angebote von uns haben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wurmitzer gemeldet. – Bitte.

13.50

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Petrovic hat von dieser Stelle aus die Behauptung aufgestellt, daß durch die Maßnahmen der Siedlungswasserwirtschaft den Haushalten Anschlußgebühren in der Höhe von mehr als 100 000 S zugemutet werden. – Diese Darstellung ist falsch.

Nach den landesgesetzlichen Vorschriften – ich halte Ihnen das Landesgesetz des Bundeslandes Kärnten entgegen – beträgt die maximale Anschlußgebühr pro 100 Quadratmeter Wohnfläche 35 000 S. Sie müßten demnach eine Wohnung von mehr als 300 Quadratmetern haben, um eine Anschlußgebühr von über 100 000 S zahlen zu müssen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Leikam. )

13.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brix. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.51

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Daß die Debatte über die Umweltpolitik so anstandslos dahingeht, ist ein Zeichen dafür, daß es in den letzten Jahren in unserem Land eine wirklich gute Politik für die Umwelt und damit für die Menschen und die Tiere gegeben hat. Es ist das aber auch ein Zeichen dafür, daß diese Umweltpolitik die Fortschreibung einer kontinuierlichen Politik ist.

Herr Bundesminister! Ich sehe das so wie bei einem Fahrrad: Man muß immer wieder einmal hineintreten, damit man wieder Schwung bekommt. Und da ich der letzte Redner zu diesem Bereich bin, möchte ich noch einmal auf ein Thema in der Umweltpolitik zurückkommen (Bundesminister Dr. Bartenstein spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Kopf) – auch Kollege Kopf wird mir recht geben –, das Schwung benötigt, nämlich auf das Abfallwirtschaftsgesetz.

Herr Bundesminister! Am Dienstag hat der Wiener Bürgermeister Michael Häupl festgestellt, daß das derzeitige Bundesabfallwirtschaftsgesetz in Wirklichkeit ein zahnloses Gesetz ist, daß trotz dieses Gesetzes die Müllberge wachsen und wachsen und verschiedene Kommunen und Länder immer größere Probleme bekommen. (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler. )

Ich gebe dem Wiener Bürgermeister recht. Er ist einer der effizientesten Umweltpolitiker in diesem Land (Abg. Ing. Langthaler: Wer?) und versteht wirklich etwas von diesem Geschäft. – Ich habe leider deinen Zwischenruf nicht ganz verstanden.

Aber auch dort, wo es um die thermische Entsorgung geht ... (Abg. Ing. Langthaler: Acht Jahre hat die SPÖ gebraucht, bis sie ...!) Die SPÖ hat sich in der letzten Zeit in bezug auf das derzeitige Abfallwirtschaftsgesetz sehr unglücklich gefühlt. Ich stehe nicht an, das auch hier festzuhalten. Ich meine daher, daß es notwendig ist, dem Rad in diesem Bereich einen Schubs zu geben. Wir dürfen uns nicht allein auf die thermische Entsorgung verlassen, obwohl ich es richtig finde, daß dort, wo es noch keine entsprechende Anlage gibt, eine solche installiert werden soll.


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125. Sitzung / Seite 71

Meine Damen und Herren! Wir Österreicher sind Weltmeister bei der Mülltrennung. Wir trennen immer mehr und mehr, aber trotzdem – ich komme damit auf das vorhin Gesagte zurück – wachsen die Müllberge. Ich meine daher, daß es an der Zeit ist, Herr Bundesminister und auch Herr Kollege Kopf (Bundesminister Dr. Bartenstein spricht weiterhin mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Kopf)  – Herr Bundesminister, ich nehme an, er wird sich mit Ihnen gerade über das Bundesabfallwirtschaftsgesetz unterhalten –, endlich damit aufzuhören, Kunststoff extra zu sammeln. Die getrennte Sammlung von Kunststoff sollte vor allem in den Haushalten nicht mehr erfolgen, sondern dieser soll zum restlichen Hausmüll gegeben werden, sodaß er mit diesem thermisch entsorgt wird, wo es thermische Entsorgungsanlagen gibt. Es hat nicht viel Sinn, immer noch Kunststoff zu sammeln, obwohl wir schon gar nicht mehr wissen, wohin damit. Ich bin der Meinung, daß man das ändern sollte.

Zweitens: Die Arbeiterkammer kritisiert im Zusammenhang mit dem Entwurf zum Bundesabfallwirtschaftsgesetz, daß es bei Abfällen immer wieder dazu kommt, daß minderwertige Entsorgungsanlagen im Ausland frequentiert werden. Ich meine, auch das ist ein Punkt, den man in Angriff nehmen muß.

Meine Damen und Herren! Was man aber unbedingt einmal konsequent durchführen sollte – ich glaube, diesbezüglich bin ich mit den Grünen einer Meinung –, ist die Einführung eines Pfandsystems in diesem Land, und zwar in verstärktem Maße. (Beifall bei der SPÖ sowie bei den Grünen.) Wir müssen wegkommen davon, daß es immer wieder nur Einwegverpackungen gibt, daß man sich in der Umweltpolitik immer nur nach der Industrie richtet, daß man dieser immer wieder nachgibt. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ sowie bei den Grünen.) Herr Bundesminister! Wir brauchen ein Pfandsystem, und zwar in verstärktem Maße!

Es hat sich in dieser Hinsicht schon einiges gebessert, aber Sie haben die Möglichkeit – ich glaube, das ist auch Ihr Wunsch; ich glaube, Sie soweit zu kennen –, dafür zu sorgen, daß mehr für die Umwelt geschieht.

Ein anderer Punkt in Ihrem Entwurf, hinsichtlich dessen es auch noch Kritik gibt, ist, daß wir in das Abfallwirtschaftsgesetz auch hineingeschrieben haben wollen, daß es mehr und auf jeden Fall auch rechtlich ausgestattete Abfallbeauftragte in den Firmen gibt, daß die Unternehmen Abfallbeauftragte haben und daß vor allem eine Ausbildung für junge Menschen als Abfallbeauftragte eingeführt wird.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend: Herr Bundesminister Bartenstein hat anläßlich der Debatte über das Budget für 1999 zum Kapitel Umwelt auf eine Anfrage betreffend gefährliche Abfälle schriftlich geantwortet wie folgt: 1998 wurde ein Massenpotential der gefährlichen Abfälle ermittelt, das 760 000 Tonnen pro Jahr beträgt. Dem Abfalldatenverband wurde jedoch nur eine Menge von 655 000 Tonnen pro Jahr gemeldet, sodaß, so schätzt das Umweltministerium, die Differenz bei 105 000 Tonnen liegt. – Das ist auf jeden Fall zuviel! (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das ist ein Fünftel dessen, was war!)

Das bedeutet, wir müssen in dieser Hinsicht in Zukunft konsequentere Maßnahmen setzen, um auch von dieser Zahl herunterzukommen, denn jede Tonne gefährlicher Abfall, die irgendwo im freien Raum herumgeistert, ist in Wirklichkeit eine Gefahrenbombe für die Umwelt. (Beifall bei der SPÖ.)

13.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Zweite Wortmeldung. Restredezeit: 10 Minuten. – Bitte.

13.58

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Barmüller und Langthaler einbringen, den jetzt – leider sehr spät, aber doch – auch die anderen Fraktionen erhalten haben und der sich darauf bezieht, daß die Frage der Atomhaftung nicht nur in Österreich, sondern auch auf europäischer Ebene in den Mittelpunkt gerückt werden sollte.


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Insofern handelt es sich dabei um eine Anregung, die auch von Herrn Klubobmann Kostelka gemacht wurde.

Wenn es schon so ist, daß etwa in der Slowakei Reaktoren in Betrieb genommen werden, obwohl wir wissen, welche Sicherheitsrisken damit verbunden sind, dann wäre es doch nur recht und billig, wenn auch die Haftungsregeln diesen Risken entsprechen.

Sie wissen, daß wir bereits im Juli 1997 einen Entschließungsantrag aller fünf Parteien dieses Hauses beschlossen haben, der dieses Thema angesprochen hat, aber bis heute haben wir etwa das Atomhaftungsgesetz weder als Regierungsvorlage noch als im Ausschuß zu verhandelnden Antrag im Haus. Insofern ist da von seiten des Bundesministeriums für Justiz Säumigkeit gegeben. Wahr ist aber selbstverständlich auch, daß sich die politischen Verhandlungen schwierig gestalten.

Daher bringe ich folgenden Antrag zur Verlesung:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller, Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Haftung für den Betrieb und für Unfälle in atomaren Anlagen sowie für den Transport radioaktiver Materialien

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, insbesondere im Zuge der EU-Präsidentschaft den Ausbau der Atomhaftung auf allen Ebenen voranzutreiben und dazu anzuregen, daß die EU-Kommission Vorschläge zur Regelung von Atomhaftungsfragen vorlegt.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Justiz ersucht, das österreichische Atomhaftungsgesetz grundlegend zu überarbeiten, den modernen Erfordernissen anzupassen und dem Nationalrat unverzüglich vorzulegen.

Grundsätzlich sollen dabei Prinzipien wie die Angleichung der Entschädigungssummen an reale Risiko- und Schadensabschätzungen, der Ausschluß von Vorteilen aus der allgemeinen Verschuldenshaftung, insbesondere gegen Dritte, eine strenge Haftung für den Umgang mit Radionukliden und die Frage der Kanalisation der Haftung bestmöglich berücksichtigt werden."

*****

Meine Damen und Herren! Im Entschließungsantrag werden Passagen herausgegriffen, die bereits im Juli 1997 beschlossen wurden und die nun insofern angepaßt sind, als dort etwa stand, daß das Atomhaftungsgesetz bis 1. März dieses Jahres im Hause sein sollte. Daher wird der Herr Bundesminister für Justiz ersucht, unverzüglich einen solchen Entwurf vorzulegen, und insbesondere zielt der Entschließungsantrag darauf ab, daß Österreich im Rahmen der EU-Präsidentschaft diese Fragen auf EU-Ebene releviert, denn wir werden letztlich nur mit einer einheitlichen Haftungsregel für den europäischen Raum wirklich reüssieren können.

Ich darf Sie daher bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Es steht auch nichts entgegen, wenn aus diesem Antrag noch ein Fünfparteienantrag werden sollte. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Es wird auch vom Herrn Spezialberichterstatter kein Schlußwort gewünscht.


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Wir treten daher sogleich in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen. – Ich bitte die Mitarbeiter, die Gänge zwischen den Sitzreihen zu verlassen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe XIII des Bundesvoranschlages für das Jahr 1999. Diese umfaßt die Kapitel 18 und 19 des Bundesvoranschlages in 1100 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die bei der Verhandlung der Beratungsgruppe XIII des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Ich gehe daher so vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend selektives Moratorium für Förderungen (UFG) bei Neuanträgen für den ländlichen Raum.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen betreffend eine erhöhte Dotierung der Förderungsmittel für die Abwasserentsorgung in Kärnten.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haller und Genossen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Und schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barmüller, Ing. Langthaler und Genossen betreffend Haftung für den Betrieb und für Unfälle in atomaren Anlagen sowie für den Transport radioaktiver Materialien.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Abgelehnt.

Beratungsgruppe XI

Kapitel 50: Finanzverwaltung

Kapitel 51: Kassenverwaltung

Kapitel 52: Öffentliche Abgaben

Kapitel 53: Finanzausgleich

Kapitel 54: Bundesvermögen

Kapitel 55: Pensionen (Hoheitsverwaltung)

Kapitel 56: Sonstige Finanzierungen und Veranlagungen

Kapitel 58: Finanzschuld, Währungstauschverträge


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125. Sitzung / Seite 74

Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan, Fahrzeugplan und Plan für Datenverarbeitungsanlagen

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zur gemeinsamen Verhandlung über die Beratungsgruppe XI, Finanzen, des Bundesvoranschlages für das Jahr 1999 sowie über den Text des Bundesfinanzgesetzes und alle Anlagen, soweit sie noch nicht in Verhandlung gestanden sind.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordnetem Böhacker vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.04

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Hohes Haus! Der SPÖ-Abgeordnete und Arbeiterkämmerer Mag. Maier hat gestern unter Verweis auf den mutmaßlichen Kriminellen Peter Rosenstingl, unter Verweis auf ein Konkursverfahren des Klaus Kohlmayr und unter Hinweis auf den größten Betrugsskandal der Zweiten Republik, den WEB-IMAG-Bautreuhand-Skandal, eine gesamte Berufsgruppe pauschal diffamiert, nämlich die Berufsgruppe der Wirtschaftstreuhänder.

Herr Kollege Maier! Ich weise diese pauschale Verurteilung des Berufsstandes der Wirtschaftstreuhänder mit allem Nachdruck zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist schon richtig, daß es in jeder Berufsgruppe – unter Anführungszeichen – "schwarze Schafe" gibt, auch bei den Wirtschaftstreuhändern. Aber, Herr Kollege Maier, vielleicht schauen Sie einmal nach, wie viele schwarze Schafe es in der Arbeiterkammer gibt. Dort werden Sie viele finden (Beifall bei den Freiheitlichen), wobei dieses "schwarze" Schaf nicht politisch gemeint ist.

Herr Kollege Maier! Sie haben gestern in Ihrer Rede auch den untauglichen Versuch unternommen, das Konkursverfahren betreffend das Vermögen des Klaus Kohlmayr den Freiheitlichen zu unterschieben. Gerade Sie als Salzburger müßten wissen, daß das Firmenimperium Klaus Kohlmayrs der schwarzen Reichshälfte zuzuordnen ist und nicht den Freiheitlichen. (Abg. Aumayr: Er heißt Kohlmayr, da kann er nur der ÖVP zuzuordnen sein!)

Sie haben weiters den untauglichen Versuch unternommen, den größten Betrugsskandal der Zweiten Republik, den WEB-IMAG-Bautreuhand-Skandal in Salzburg, mit 25 000 Geschädigten und einer Schadenssumme von rund 2 Milliarden Schilling den Freiheitlichen zu unterjubeln. Entweder haben Sie so ein schlechtes Gedächtnis (Abg. Aumayr: Ersteres!), oder Sie wollen es verdrängen (Beifall bei den Freiheitlichen), daß dieser Skandal ein großkoalitionärer Skandal ist, ein schwarz-roter Skandal, war doch der Gründer dieses Imperiums kein Geringerer als der damalige Stadtparteiobmann der ÖVP, Hans Zyla.

Politische Konsequenzen aus diesem Betrugsskandal haben zwei Politiker zu ziehen gehabt: der damalige Landeshauptmann-Stellvertreter Radlegger, SPÖ, und der damalige Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg Reschen, SPÖ.

Also, Herr Kollege Maier: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit dem klebrigen Finger auf die Freiheitlichen zeigen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nun zum Budget 1999. – Bereits bei der Verhandlung des Budgets 1998 haben Experten, aber auch wir Freiheitlichen massiv Kritik daran geübt, daß die Konsolidierung des Budgets überwiegend einnahmenseitig und nicht ausgabenseitig erfolgt. Auch im Budget 1998 konnten wir bereits erkennen, daß keine Maßnahmen gesetzt werden, um den Ausgabensteigerungen ein Ende zu bereiten, um eine Trendumkehr, eine Trendwende herbeizuführen.

Gleiches, Herr Bundesminister für Finanzen, gilt auch für das Budget 1999. Wieder ist es die Einnahmenseite, die Sie bemühen, um eine Konsolidierung des Budgets zu erreichen, um die


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Maastricht-Kriterien zu erfüllen, und nicht eine Absenkung der viel zu hohen Staatsquote. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das führt dazu, daß trotz Rekordeinnahmen von rund 700 Milliarden Schilling noch immer ein Budgetdefizit von 70 Milliarden Schilling verbleibt. Das, Herr Bundesminister, ist kein erfolgreicher Budgetkurs!

Herr Bundesminister! Das strukturelle Budgetdefizit wurde nicht gesenkt, ist also nach wie vor viel zu hoch, was bedeutet, daß beim geringsten konjunkturellen Gegenwind das Budgetdefizit wieder explodieren wird. Diese enorme Einnahmensteigerung bedeutet aber auch, daß Österreich die höchste Steuer- und Abgabenquote der Zweiten Republik aufweist, laut EUROSTAT 45,7 Prozent. Das heißt, jede Österreicherin und jeder Österreicher arbeitet statistisch gesehen bereits fast ein halbes Jahr, nur um die Steuern und Abgaben und die Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen (Abg. Dr. Pumberger: Unerträglich!), und das, Herr Bundesminister, ist eine unzumutbare Steuerpolitik.

Noch nie – und ich wiederhole mich – war die Abgabenquote in der Zweiten Republik so hoch. Noch nie haben die Österreicher – egal, ob Arbeitnehmer oder Unternehmer – so viele Steuern und Abgaben bezahlen müssen. Und die Tendenz ist steigend. Nicht steil ansteigend, Herr Bundesminister. Sie machen keine Steuerpolitik à la Staribacher, der mit der "Steuerkeule", mit der vollen Besteuerung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gescheitert ist. Sie machen das viel eleganter, viel subtiler, aber trotzdem greifen Sie immer mehr in die Taschen der österreichischen Steuerzahler. Sie verbreitern die Bemessungsgrundlage. Sie kürzen Freibeträge. Sie kürzen Abschreibungsmöglichkeiten. Sie setzen Freibeträge aus und und und, und Sie versprechen immer wieder eine Tarifreform.

Erst in einer jüngsten Anfragebeantwortung haben Sie mitgeteilt, daß Sie steuerliche Ausnahmen abschaffen und dafür den Steuertarif senken wollen. – Die Ausnahmen, die Begünstigungen haben Sie abgeschafft. Den Steuertarif haben Sie aber bis jetzt noch nicht gesenkt.

Und so, Herr Bundesminister, gelingt Ihnen mit dieser wirklich unzumutbaren Steuerpolitik nur eines: Sie erzeugen Steuerfrust, und das führt zur Steuervermeidung. Die einzige Wachstumsbranche in Österreich ist die Schattenwirtschaft. Das erreichen Sie mit Ihrer Steuerpolitik!

Herr Bundesminister! Wir fordern daher entschieden eine Umkehr in der Steuerpolitik ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir Freiheitlichen fordern Sie dringend auf, Druck auf die Steuerreformkommission auszuüben, damit sie endlich ihre Vorschläge auf den Tisch legt. Anfang des Jahres haben Sie uns versprochen, daß noch vor dem Sommer ein Ergebnis bekanntgegeben wird. (Bundesminister Edlinger: Nie!) Dann hieß es, im September, Herr Bundesminister. Der Vorsitzende der Steuerreformkommission hat gesagt: Vor Jahresende geht überhaupt nichts!

Herr Bundesminister! Mit dieser Vorgangsweise erzeugen Sie eine derartige Rechtsunsicherheit im Steuerwesen, daß es für Betriebe nicht zumutbar ist, angesichts dieses Zustandes der Steuerpolitik in Österreich zu investieren, und Sie gefährden damit bestehende Arbeitsplätze und verhindern die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Wir fordern die unverzügliche Durchführung einer Lohn- und Einkommensteuersenkung, um endlich eine Entlastung von der kalten Progression zu erreichen, um dem Bürger wieder mehr Geld im Geldbörsel zu lassen, damit der Inlandskonsum, der Inlandsverbrauch angekurbelt wird und damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Wir Freiheitlichen fordern eine Entsteuerung des nichtentnommenen Gewinnes, damit die Unternehmer entsprechendes Eigenkapital schaffen können, und wir fordern, Herr Bundesminister, die rasche Umsetzung des sogenannten Luxemburger Modells, damit die Schwarzarbeit entsprechend bekämpft wird.

Wir fordern von Ihnen aber auch einen Abbau der Steuerbürokratie. Eine jüngst durchgeführte Umfrage des "WirtschaftsBlatts" hat ergeben, daß die Abschaffung beziehungsweise die Verringerung der Steuerbürokratie bei den Unternehmern höchste Priorität hat.


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Herr Bundesminister! Wir erwarten von Ihnen aber auch, daß Sie sich auf internationaler Ebene insbesondere im Bereich der Umsatzsteuer dafür einsetzen werden, damit endlich vom Bestimmungslandprinzip auf das Ursprungslandprinzip übergegangen wird. Sie selbst schreiben in einer jüngsten Anfragebeantwortung: Das bestehende System der Mehrwertsteuer erfordert für die Finanzverwaltung als auch für die Unternehmen einen hohen administrativen Aufwand und ist darüber hinaus äußerst betrugsanfällig. – In diesem Zusammenhang, Herr Bundesminister, haben Sie auf internationaler Ebene entsprechenden Handlungsbedarf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Auch im Budget 1999 wird der einnahmenseitigen Budgetkonsolidierung der Vorrang eingeräumt, was wir ablehnen. Es sind keine Maßnahmen zur Verringerung des strukturellen Budgetdefizits zu erkennen. Wir werden daher diesem Budget unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier gemeldet. – Bitte.

14.15

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege, ein Salzburger Abgeordneter der Freiheitlichen Partei, hat behauptet, ich hätte gestern einen gesamten Berufsstand verunglimpft. – Das ist nicht richtig. (Abg. Dr. Pumberger: Entschuldigen Sie sich!)

Ich habe das Protokoll von gestern vor mir liegen. Wahr ist vielmehr, daß ich in meinem Redebeitrag folgendes festgestellt habe:

"Wenn man sich mit dem WEB-Verfahren auseinandersetzt – ich habe hier die Anklageschrift –, dann fällt auf, daß Wirtschaftstreuhänder maßgeblich daran beteiligt waren." – Dies wird durch die Anklageschrift bestätigt.

Weiters habe ich im Detail differenziert – ich zitiere –: "Es geht um mehr Sicherheit für Konsumenten, es geht aber auch um mehr Sicherheit für die seriösen Kanzleien der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater. Dafür sollten wir uns einsetzen."

Zweite Berichtigung: Herr Abgeordneter Böhacker hat behauptet, ich hätte den Fall Kohlmayr in die Nähe der FPÖ gerückt. – Das ist nicht richtig.

Ich habe nur darauf hingewiesen – und ich zitiere aus dem Protokoll –: "Ich erinnere an die Rosenstingl-Problematik, und ich erinnere an den Fall Kohlmayr in Salzburg mit einem Schaden von 800 Millionen Schilling."

Es wurde also die FPÖ in keiner Weise zitiert. Aber Sie haben vollkommen recht: Im Fall Rosenstingl hätte ich die FPÖ zitieren müssen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

14.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der letzte Satz ging über die tatsächliche Berichtigung hinaus.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.17

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Abgeordneter Böhacker, ich glaube, Herr Kollege Maier hat schon richtiggestellt, daß er keine Berufsgruppe in ihrer Gesamtheit attackiert und verunglimpft hat. Aber ich lade Sie gerne einmal ein, zu uns in die Niederösterreichische Arbeiterkammer zu kommen und sich einmal anzuschauen, was sich da – das hat mit Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftstreuhändern nichts zu tun, das sage ich dazu – im Bereich der Veranlagungsgeschäfte (Abg. Böhacker: Völlig d’accord! Völlig richtig!), was sich da im Bereich von ehemaligen Pyramidenspielen, et cetera, et cetera, tut.


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Wir Sozialdemokraten haben voriges Jahr eine sehr erfolgreiche Initiative gesetzt, und zwar in Form einer Gesetzesänderung betreffend Pyramidenspiele und andere Veranlagungen, die im Prinzip im Haustürgeschäft verkauft werden. Um diese geht es. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Diese Gesetzesinitiative wird auch einiges einschränken. Ich meine aber, wir müssen uns dieses Problemkreises noch mehr annehmen, denn es ist noch lange nicht alles eingeschränkt, und es tut sich auf diesem Sektor der unredlichen Veranlagungen ungeheuer viel. Wir in der Niederösterreichischen Arbeiterkammer sind gerade auch für diesen Bereich eine sehr gute und für viele sehr hilfreiche Ansprechposition, und darauf sind wir auch sehr stolz. Ich würde Sie daher bitten, auch die Arbeiterkammer nicht zu verunglimpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum Budget. – Sie, Herr Abgeordneter Böhacker, haben da mehrere Zahlenspiele vollführt, die irgendwie zeigen sollten, daß der Budgetkurs vielleicht doch nicht erfolgreich ist. Tatsache ist, daß der Budgetkurs der Bundesregierung ein ausgesprochen erfolgreicher Kurs ist.

Erstens einmal ist der Konsolidierungskurs fortgesetzt, sind die Konsolidierungsziele erreicht worden. Das steht zweifellos fest.

Zweitens war im Rahmen dieses erfolgreichen Budget- und Sparkurses im Budget 1999 dennoch Platz für neue Impulse. Ich erwähne nur zwei: NAP mit 1,5 Milliarden Schilling und die erste Etappe der Familienförderung, die natürlich auch zu vermehrter Kaufkraft führen wird.

Drittens ist diese Budgetpolitik auch ausgesprochen glaubwürdig, weil wir ja aufgrund der Rechnungsabschlüsse 1996 und der Ergebnisse des Budgetvollzuges 1997 und 1998 sehen, daß das, was Finanzminister Edlinger als Budget vorlegt, auch tatsächlich eingehalten wird.

Viertens sind auch die wirtschaftlichen Rahmendaten – siehe Exporterfolge, siehe: weniger als die Hälfte der Arbeitslosenrate der anderen EU-Staaten – ausgesprochen erfolgreich.

Und bezüglich einer Sache teilen wir wahrscheinlich die Ziele – Sie bezeichnen das als Kritik, ich als Ziel –, nämlich daß der Konsolidierungskurs fortgesetzt werden muß, um insbesondere mehr Spielraum für zukünftige Konjunkturschwankungen zu erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema "mehr Spielraum": Ich glaube, daß wir es vor allem schaffen müssen, die Steuerausfälle durch Schwarzarbeit und durch Geschäfte ohne Beleg einzuschränken. (Beifall bei der SPÖ.) Die Arbeiterkammer schätzt, daß es sich um ein Volumen von 30 Milliarden Schilling handelt, das aus Schwarzarbeit und Geschäften ohne Beleg stammt. Wir müssen versuchen, diese 30 Milliarden Schilling zumindest zum Teil für das Budget zu realisieren.

Einen ganz besonderen Schwerpunkt muß in diesem Zusammenhang die Bekämpfung der Schwarzarbeit einnehmen. Da geht es nicht nur um Steuereinnahmen und um Sozialabgaben, sondern da geht es auch um den Arbeitsmarkt, der dadurch in Unordnung gerät, und um einen Arbeitsmarkt, der permanent unter Lohndumping durch Schwarzarbeit leidet. Es geht dabei nicht um den einzelnen Maurer, der möglicherweise im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ein Fenster einsetzt, sondern es geht im Prinzip um die organisierte Schwarzarbeit durch einzelne Firmen. Es muß daher zu einer Behördenkooperation kommen, und dabei müssen insbesondere das Finanzamt und die Finanzbehörden eine besondere Rolle spielen. Es muß uns völlig klar sein: Dort, wo Schwarzarbeit ist, ist auch Schwarzgeld. Dort, wo Schwarzgeld ist, ist auch Steuerhinterziehung. Daher ist das Thema "Schwarzarbeit" insbesondere auch ein Thema für die Steuerbehörden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lohnsteuer erreicht 1999 mit 198 Milliarden Schilling quasi ein Rekordniveau, gemessen am Zuwachs im Vergleich zu anderen Steuerarten, gemessen an der Steuerquote et cetera. Es muß daher bei der Steuerreform 2000 neben der Entlastung des Faktors Arbeit generell insbesondere eine Reform beziehungsweise Senkung der Lohnsteuer das Ziel sein.


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125. Sitzung / Seite 78

Dieses Ziel hat mehrere wichtige Gründe. Erstens einmal wissen wir aus dem Konjunkturverlauf, daß sich die Exporte hervorragend entwickeln, daß sich auch die Investitionen ganz gut entwickeln und daß sich der private Konsum, wenn auch steigend durch einzelne Impulse, etwas schwächer und etwas unterdurchschnittlich entwickelt. Es ist daher unter diesem Gesichtspunkt die Lohnsteuerreform, die Entlastung von der Lohnsteuer an erster Stelle zu nennen.

Herr Abgeordneter Peter wird sich sicherlich noch zu Wort melden. Er sagt immer – und zu Recht –: Nicht der Staat schafft Arbeitsplätze, auch nicht der Unternehmer, sondern letzten Endes schafft der Konsument durch seine Nachfrage Arbeitsplätze. Der Schluß, der daraus zu ziehen ist, lautet, daß auch für einen Unternehmervertreter die Lohnsteuer höchste Priorität haben muß. Mit niedrigerer Lohnsteuer und gehobener Kaufkraft wird letztendlich die Wirtschaft massiv und nachhaltig belebt. (Abg. Böhacker: Wollen Sie die Lohn- und Einkommensteuer splitten?)

Die Lohnsteuerreform muß auch unter dem Blickwinkel der Verteilungsgerechtigkeit gesehen werden. Ich will an dieser Stelle nur einen Gedanken anbringen. Was das Konsolidierungspaket, das erste und zweite Sparpaket angeht, haben die Arbeitnehmer alles auf Punkt und Beistrich erfüllt. Im Bereich der Unternehmerabgaben gibt es aber einiges, was noch ausständig ist, zum Beispiel LKW-Road-Pricing, zum Beispiel Mindest-KÖSt, zum Beispiel die wieder aufgehobene steuerlich begünstigte Bildung von Rücklagen, Rückstellungen für Jubiläumsgelder. Insgesamt macht das etwa einen Umfang von 3,5 bis 4 Milliarden Schilling aus, der aus diesem Bereich nicht gekommen ist. Ich glaube, daß das bei der nächsten Steuerreform natürlich berücksichtigt werden muß und daß diese 4 Milliarden Schilling gewissermaßen ein Guthaben für die Lohnsteuerpflichtigen sein müssen.

Mein vorletzter Punkt: Steuerharmonisierung. Wenn wir den Faktor Arbeit entlasten wollen, wenn wir wollen, daß es über die Lohnsteuer Verbesserungen gibt, dann muß die Möglichkeit der Steuerflucht, des ewigen Ausspielens eines Steuerpflichtigen gegenüber dem anderen, dann muß die Möglichkeit, Steueroasen zu nützen, eingeschränkt werden. Daher glaube ich, daß insbesondere die Steuerharmonisierung ein ganz wesentlicher Punkt ist. Der Herr Minister hat diesem Punkt im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs höchste Priorität zuerkannt.

Meine Damen und Herren! Ein letzter Punkt: die ÖIAG. Wir haben in letzter Zeit viel über Privatisierung gesprochen und auch über die Privatisierungserfolge der ÖIAG. Ich glaube aber, daß die ÖIAG mehr und mehr auch als Gesellschaft gesehen werden sollte, die langfristig und strukturell und strategisch Eigentümerrechte der Republik wahrnimmt. Ich glaube, daß es notwendig ist, langfristig die Anteile VA-Tech, VA-Stahl, OMV, Böhler-Uddeholm et cetera zu halten, und daß sich die ÖIAG von einer Privatisierungsgesellschaft mehr und mehr zu einer Kapitalgesellschaft entwickeln muß, die eben strategisches Eigentum, das die Republik auch haben muß, hält. Ich glaube, daß das durchwegs in diese Richtung geht.

Wir werden wahrscheinlich noch vor dem Sommer die Übertragung der Anteile der Flughafen-AG an die ÖIAG mitbeschließen. Es soll gleich von vornherein festgestellt werden, daß es dabei nicht darum geht, daß diese Anteile dann weiterveräußert, sondern daß diese Anteile auch langfristig gehalten werden. In diesem Sinne sollte man auch die ÖIAG mehr und mehr nicht als Privatisierungsagentur, sondern als Gesellschaft sehen, die strategisches Eigentum im Namen der Republik hält und verwaltet. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.27

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Die Lustlosigkeit der Budgetdebatte 1999 ist absolut durch nichts zu überbieten. (Abg. Dr. Trinkl: Jetzt kommt der vorläufige Höhepunkt! – Heiterkeit.) Vielleicht ist sie zu überbieten durch die Statik des Budgets 1999.


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Herr Bundesminister! Ich habe Ihnen schon mehrfach ein Kompliment dafür aussprechen dürfen, wie handwerklich perfekt Sie dieses Budget gezimmert haben. Ich kann aber nicht kritisch genug darauf hinweisen, daß diesem Budget wirklich jeder dynamische, reformatorische Ansatz fehlt.

Herr Bundesminister! Ich zeihe Sie der selektiven Wahrnehmung, wenn Sie uns richtigerweise auf der einen Seite sagen, daß Sie das Maastricht-Ziel erreicht haben. Das stimmt, und ich verstehe auch die Koalitionsabgeordneten, die sich darüber freuen. Ich frage mich aber, warum Sie nicht Ihr Budget mehr und deutlicher hinterfragen, warum Sie sich nicht fragen, was hinter der vordergründigen Sanierung steht, welche Verpflichtungen in diesem Budget nach wie vor im dunkeln liegen, welche strukturellen Maßnahmen nicht gesetzt werden, und vor allem, warum Sie sich nicht die Frage stellen: Was kommt danach? – Nämlich das Budget 2000.

Dieses Budget, das Sie hier vorlegen, ist ein Budget ohne "Brösel". Sie haben es trocken, ohne viel Lärm, ganz klammheimlich, fast clandestine durch die Institutionen des Parlaments gebracht. Sie haben also staatstragende Ruhe vor dem EU-Vorsitz hergestellt. Einverstanden. Ich verstehe das auch. Es ist das letzte Budget eines nach eigenen Aussagen abtretenden Finanzministers, der ein schweres Erbe an seinen Nachfolger weitergibt, der ein Budget 2000 zu verwalten haben wird. Unter dem Druck des Stabilitätspaktes kann sich diese Koalitionsregierung nicht noch einmal an der traurigen Budgetwahrheit, die ich Ihnen gleich erläutern werden, vorbeischwindeln. Sie haben noch einmal den Deckel zugezogen. Ob Ihr Nachfolger Ihrer Fraktion angehört oder einer anderen? Ich bin kein Hellseher, aber ich nehme fast an, es wird dann schon der achte sozialdemokratische Finanzminister sein.

Was sind aber die wirklichen Zahlen dieses Budgets, die Sie in Ihrer selektiven Wahrnehmung selten erwähnen, die Sie nicht in den Vordergrund stellen und die wir hier debattieren sollten?

Die Finanzschuld 1999 beträgt 1 615 Milliarden Schilling. Das sind nicht mehr und nicht weniger als 200 000 S pro Kopf der Bevölkerung. Kinder, Greise und sogar die Glatzköpfe einbezogen. (Heiterkeit.) Alleine 1999, Herr Finanzminister, machen Sie 70 Milliarden Schilling oder 70 000 Millionen Schilling mehr Schulden. Das sind wöchentlich 1 300 Millionen Schilling.

Ich breche das bewußt so herunter, meine Damen und Herren, um sich diese Größenordnungen bewußt zu machen, damit wir uns nicht immer nur die Millionen, Milliarden und später einmal die Billionen an den Kopf werfen. All diese Neuverschuldungen gehen Sie bei einem Wachstum von real 3 Prozent ein. Mehr Wachstum können Sie in einer reifen Volkswirtschaft nicht mehr erzielen, ohne nicht in eine schwere Inflation zu geraten.

Gleichzeitig, während Sie sich bei einem Wachstum von real 3 Prozent wöchentlich um 1 300 Millionen mehr verschulden, sind die Investitionen des Bundes von 1990 bis 1999 fast auf die Hälfte gesunken, nämlich von 40 Milliarden auf 22 Milliarden Schilling. Die Forschungsausgaben, also die Investitionen in die "Software" der Zukunft, sind von 1995 bis 1999 um eine einzige Milliarde gestiegen, und die Wirtschaftsförderung ist von 35 Milliarden auf 29 Milliarden Schilling gesunken.

Herr Bundesminister! Den Rest der Investitionen – das ist das, wofür Sie eigentlich Schulden machen dürften, wenn Sie einem monetaristischen Weg nachfolgen –, die Sie nicht mehr tätigen, haben Sie ausgelagert. Sie haben sie ausgelagert in die ASFINAG, in die Schieneninfrastrukturgesellschaft und in die HL-AG. Dort haben Sie Bundeshaftungen, die bereits größer als 100 Milliarden Schilling sind. Und Sie wissen ganz genau, daß die ASFINAG ab dem Jahr 2001 nicht mehr in der Lage sein wird, mit ihren Einnahmen die steigenden Ausgaben zu decken.

Sie wissen genausogut, daß Ihnen Dr. Draxler, der Chef der Österreichischen Bundesbahnen, hat ausrichten lassen, daß er nicht in der Lage sein werde, die Benützungsentgelte, die Investitionen in die SchIG und in die HL-AG erfordern würden, aus eigenem zu bedienen. Das sind lauter Verpflichtungen, die Sie ansammeln und denen Ihr Nachfolger im Budget 2000 und in den folgenden wird nachkommen müssen.


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Sie haben die Haftung für Ausfuhrförderungen übernommen. Die Ausfuhrförderungen haben einen Sinn, nur: Wie viele Exporte haben Sie in Österreich zugelassen auf Kosten der Zukunft, weil Sie genau wissen, daß diese 515 Milliarden, für die Sie haften, nicht mehr zur Gänze, sondern nur teilweise wieder hereinkommen werden? Wie viele davon werden hereinkommen? Haben Sie Rating-Agenturen mit dieser Frage beschäftigt? Haben Sie eine Übersicht darüber, was in dieser Hinsicht auf die Budgets des nächsten Jahrzehnts, Jahrhunderts und Jahrtausends zukommt?

Sie haben weiters Haftungen übernommen über E-Wirtschaft, ÖIAG, Wohnbaufonds, Umwelt-, Wasserwirtschaftsfonds, Bahn und Post und übriges, und Sie sind noch mehr als 200 Milliarden Schilling Verwaltungsschulden eingegangen.

Herr Bundesminister! Sie haben nicht eine Gesamtverschuldung Ihres Budgets in der Höhe von 1 600 Milliarden, die Sie ausweisen, sondern Sie haben auf jeden Fall eine Gesamtverschuldung von über 2 500 Milliarden Schilling – und Sie wissen das, nur Ihre selektive Wahrnehmung verhindert, es auch zu sagen. Manche Fachleute meinen, sie bewege sich bereits in Richtung 3 000 Milliarden Schilling, also über der Höhe eines Bruttoinlandsproduktes.

Herr Bundesminister! Sie machen es mit den Verpflichtungen des Bundes so, wie es diese Bundesregierung immer mit der Arbeitslosigkeit macht. Alle hier im Haus wissen, daß wir weit mehr Arbeitslose haben als diese 250 000 bedauernswerten Menschen, weil wir einen hohen Frühpensionsanteil haben, weil wir Karenzgeldbezieherinnen haben und so weiter und so fort. Sie wissen ganz genau, wenn Sie einen wirklichen internationalen Vergleich machen, haben wir eine Arbeitslosigkeit, die über der Deutschlands liegt. Sie haben sie nur – mein Kompliment dafür! – anders "geparkt" und versorgt, und genauso ist es mit den Schulden, die Sie im Bund haben.

Herr Bundesminister! Sie sind Verpflichtungen in der Höhe von über 2 500 Milliarden Schilling, also über einem BIP liegend, eingegangen, von denen Sie heimlich Maastricht-konform als Finanzschulden des Bundes 1 612 Milliarden ausweisen. Der Zinsendienst daraus beträgt 97 Milliarden Schilling pro Jahr. Das heißt wiederum, jedes Kind und jeder Erwachsene, jeder Greis und jede Greisin in Österreich müssen 12 000 S pro Kopf und pro Jahr an Steuern bezahlen, nur damit Sie die Zinsen bezahlen können.

Die Nettozinssteuerquote ist höher als 20 Prozent. Das heißt, Sie verteilen jährlich von den Lohneinkommen zu den Kapitaleinkommen – genau das, was Sie als Sozialdemokrat eigentlich nicht wollen können. Warum tun Sie es dann? Warum gehen Sie diesen Weg der Verschuldung weiter, der zwangsläufig eine Umverteilung weg von den Lohneinkommen hin zu den Kapitaleinkommen bedeutet? Sie wissen genau, unser Problem ist, daß das Kapital in Österreich nicht gleich verteilt ist. Ganz im Gegenteil: Es kumuliert sich in der Hand eines kleineren Teils der Bevölkerung, der dann gerne dem Staat Geld borgt, mündelsicher, um dafür 5 Prozent zu bekommen.

Herr Finanzminister! Sie haben ein reales Wirtschaftswachstum von 3 Prozent. Sie haben 70 Milliarden Schilling zusätzliche Staatsverschuldung in diesem Jahr, und Sie haben die höchste Steuer- und Abgabenbelastung, die es jemals in der Geschichte dieser Republik gab. Ihre Berechnungen ergeben zwischen 1990 und 1999 eine Steigerung der Steuer- und Abgabenquote von 40,6 auf 43,4 Prozent. Berechnet man diese Steuer- und Abgabenquote nach EU- und OECD-Kriterien, beträgt sie sogar 45,7 Prozent. Von je 100 S, die in Österreich erwirtschaftet werden, haben Sie 45,70 S in Ihrer Hand, und dennoch kommen Sie trotz 3 Prozent realem Wirtschaftswachstum mit dem Geld nicht aus!

Alle internationalen Institutionen sagen es Ihnen – egal, ob es die OECD ist, ob es andere Studien sind –: Sie haben keinen Spielraum, den Sie in konjunkturell guten Zeiten schaffen könnten, um in konjunkturell schlechteren Zeiten gegenzusteuern.

Herr Finanzminister! Die Lohnsteuer allein – Herr Kaufmann hat darauf hingewiesen – hat sich von 1990 bis 1999 fast verdoppelt, und nur von 1995 bis 1999, in der Zeit, in der Sie als Sozialdemokrat die Verantwortung tragen, ist sie um fast 50 Milliarden Schilling gestiegen. Es stimmt schon, Herr Kollege Kaufmann, daß der private Konsum das Problem dieser Republik ist. Den


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privaten Konsum können Sie anheizen durch höhere Nettoeinkommen der Menschen, nur: Die höheren Nettoeinkommen haben natürlich etwas zu tun mit der Steuerbelastung, mit der Differenz zwischen Brutto- und Nettoeinkommen, und noch viel mehr haben sie zu tun mit der Differenz zwischen Arbeitskosten und Bruttoeinkommen.

Unser Problem ist – und ich werde nicht müde werden, dies immer wieder zu sagen –: Unsere Mitarbeiter kosten zuviel und verdienen zuwenig. Die einzige Zahl, die den Unternehmer wirklich interessiert, sind die Arbeitskosten. An wen er die Arbeitskosten bezahlt, kann ihm a priori gleichgültig sein, am liebsten aber gibt er das Geld seinen Mitarbeitern, und zwar nicht über Umwege, sondern möglichst viel davon direkt an sie.

Das heißt, den privaten Konsum kann man dann anheizen, wenn man einen größeren Teil der Arbeitskosten den Menschen als Nettolöhne ausbezahlt. Heute ist das ein Drittel. Ein Drittel der Arbeitskosten bekommen die Menschen in Österreich monatlich netto ausbezahlt! Das ist das Problem in unserem Lande.

Herr Finanzminister! Die Leistungsbilanz wird auch im Euro-Raum von Bedeutung sein, und als hochkarätiger Fachmann wissen Sie das. Österreich wird eine Euro-Region, eine Europa-Region. Und wenn Sie jährlich 2 Prozent des BIP Leistungsbilanzminus haben, heißt das nicht mehr und nicht weniger, als daß 2 Prozent österreichische Kaufkraft, österreichisches Volkseinkommen in andere europäische Regionen abfließen, denn wir haben das Leistungsbilanzdefizit überwiegend mit Ländern der Europäischen Union.

Das heißt, Österreich wird, wenn Sie dieses Leistungsbilanzdefizit, das auch im Euro-Raum weiter bestehen wird – nicht mehr als Währungsleistungsbilanzdefizit, aber als regionales Defizit – nicht verringern, Jahr für Jahr 2 Prozent seiner Kaufkraft verlieren. 43 Milliarden Schilling werden es heuer sein, 47 Milliarden Schilling waren es seit 1995.

Das Außenhandelspassivum hat da zu wenig Veränderung beigetragen, es lag in den letzten zehn Jahren zwischen 88 Milliarden und 116 Milliarden Schilling und ist somit ziemlich gleich geblieben.

Sehr stark verändert hat sich aber die Reiseverkehrsbilanz. Der Reiseverkehrsüberschuß in der Höhe von 75 Milliarden im Jahr 1992 ist auf knapp über 14 Milliarden Schilling im Jahr 1999 zurückgefallen.

Ich verstehe eigentlich eines nicht, Herr Bundesminister: Sie reden richtigerweise von einer Export- und Technologieoffensive, Sie reden richtigerweise vom Wirtschaftsstandort Österreich. Ja warum meinen Sie damit immer nur den Industriestandort? Gibt es nicht auch einen Dienstleistungsstandort in Österreich, der eine viel höhere Beschäftigungschance bietet als der Industriestandort? Ich bekenne mich ausdrücklich zu den Leistungen der österreichischen Industrie. Die Leistungen der österreichischen Exportwirtschaft, vor allem der industriellen Exportwirtschaft, sind grandios, aber warum gibt es parallel dazu nicht eine Tourismusoffensive, eine Tourismusoffensive, die genau das bringt, was wir brauchen: eine Steigerung des privaten Konsums, der regionalen Kaufkraft, einen hohen Beschäftigungsmultiplikator!

Die Marktchancen im Tourismus sind nach wie vor intakt, sie werden allerdings durch die Kosten des Dienstleistungsstandorts wesentlich eingeschränkt. Und die Kosten des Dienstleistungsstandorts sind wiederum definiert durch die Arbeitskosten, die in den Dienstleistungsbetrieben heute zwischen 30 und 50 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Das heißt, die 3 bis 4 Prozent Arbeitskostensteigerungen, die rein aus steuerlichen Gründen im Rahmen der Sparpakete von dieser Koalitionsregierung in den letzten Jahren beschlossen wurden, bedeuten in diesen Betrieben eine Mehrkostenbelastung in der Höhe von 1,5 bis 2 Prozent, die im Preis untergebracht werden muß.

Herr Bundesminister! Ich bin überzeugt davon, daß Sie sich mit diesem statischen Budget nicht in die Reihe der großen Budgetentwürfe werden stellen können. Ihr Sanierungserfolg 1999 ist ein Belastungserfolg. Sie wissen es, ich muß es Ihnen nur vorrechnen, denn Ihre selektive Wahrnehmung wird Sie nicht darauf zu sprechen kommen lassen.


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Sie haben die Bundesabgaben in Ihrer Zeit, in der Sie die Verantwortung tragen, von 1995 bis 1999, von 345 Milliarden Schilling auf 457 Milliarden Schilling erhöht. Das ist ein Plus von 112 Milliarden oder 32 Prozent. Das heißt, Sie tragen, ausgehend vom Budget 1995, für die Budgets 1996, 1997, 1998 und 1999 die Verantwortung. Das ist bei den Einnahmen ein Plus von 32 Prozent. Diese Einnahmen schmälern natürlich wieder, Herr Kollege Kaufmann, den persönlichen und privaten Konsum. Das ist doch der Punkt: Je höher die Steuer- und Abgabenquote ist, je weniger den Menschen als Nettoeinkommen bleibt, desto geringer sind der private Konsum und die private Nachfrage, und desto größer wird automatisch die staatliche Nachfrage werden.

Ihre Ausgaben in derselben Zeit sind auch gestiegen, und zwar um 51 Milliarden Schilling. Und das ist der Punkt. Ihre Sanierung des Budgets, mit der Sie uns auf Maastricht-Kurs gebracht und den Beitritt zum Euro erreicht haben, haben Sie durch höhere Steuern anstatt durch Kostenreduktionen im Staatsapparat erreicht.

Sie geben keine Antworten, Herr Finanzminister, in keiner Ihrer Unterlagen zum Budget, wie die Zukunft des Pensionssystems aussehen soll. OECD und Rürup weisen Sie darauf hin, das "Reformerl", das die Koalitionsregierung beschlossen hat – nicht einmal ein Sechstel Rürup war da drinnen, wenn das als Maßgröße gelten darf –, wirkt ab dem Jahr 2003 und folgende. Die unerbittlichen Zahlen der Demographie werden Ihre Nachfolger einholen – nicht Sie, Sie werden dann schon in Pension sein!

Der Zuschuß zum Pensionssystem in der Höhe von 70 Milliarden Schilling steigt weiter. Er wird langfristig explodieren, denn wenn Sie die Pensionsbeiträge erhöhen, erleben wir wieder dieselbe Sache, Herr Kaufmann, nämlich daß die Arbeitskosten steigen und dabei die Nettolöhne sinken. Aber diese explodierenden Zuschüsse aus dem Budget werden Ihre Nachfolger nicht leisten können.

Die Finanzierung der Infrastruktur in Österreich nach 50 Jahren Wohlstand und Aufbau ist nicht abgeschlossen. Wir haben das hochrangige Straßennetz noch immer nicht fertiggebaut. Es gibt immer noch Lücken im hochrangigen Straßennetz – und das nach 50 Jahren ungebrochenen Wachstums! Wir sind vor zehn Jahren draufgekommen, daß wir eine moderne Bahninfrastruktur brauchen, daß die Bahninfrastruktur, die der Kaiser uns hinterlassen hat, nicht ausreichend sein wird, mit all den Auswirkungen der Finanzierung in der SchIG und in der HL-AG.

Mein Kollege Kier hat das einmal so wunderbar ausgedrückt: Die Datenverbindungen in Österreich sind ein knappes Gut. Entweder sind sie nicht vorhanden, oder sie sind so teuer, daß man sie sich nicht leisten kann. Damit hemmen Sie den Wirtschaftsstandort wesentlich.

Sie, Herr Bundesminister, haben bisher keine Antwort auf die Frage der Finanzierung der Altlastensanierung gefunden.

Sie wissen nicht, wie Sie Spielräume gewinnen können, um den Bildungsschwerpunkt zu finanzieren. Lebenslanges Lernen heißt, daß die gesamten Bildungsausgaben maximal zu zwei Dritteln für die Erstbildung und zumindest zu einem Drittel für die Fortbildung der Menschen ausgegeben werden, damit sie in die Lage versetzt werden, mehrere Berufe hintereinander in ihrem Berufsleben auszuüben.

Ihre Forschungs- und Technologieoffensive hat sich im Rahmen gehalten, und die Finanzierung einer Steuerreform haben Sie mehr oder weniger vorweggenommen. Wie wollen Sie, Herr Finanzminister, mit einem indirekten Steuerniveau, das bis zu 15 Prozent auf einzelne Produkte höher ist als zum Beispiel im benachbarten Land Bayern oder in Italien, im Binnenmarkt bestehen? Jeder Österreicher und jede Österreicherin werden selbstverständlich dorthin fahren, im Binnenmarkt, im Schengener Raum, im Euro-Währungsraum, wo sie die Produkte, mit weniger indirekten Steuern belastet, billiger bekommen.

Die Ökologisierung des Steuerwesens ist in diesem Hohen Haus schon zur Worthülse degeneriert. Das einzige, was Sie gemacht haben, war, daß Sie mit der Energiesteuer auf Strom diese Ökologisierung bereits vorweggenommen haben, aber nicht als Lenkungsmaßnahme, sondern als fiskalpolitische Maßnahme. Ökologisierung des Steuersystems, Herr Finanzminister, heißt


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herunter mit den Arbeitskosten, und nur den Betrag, um den Sie die Arbeitskosten gesenkt haben, können Sie bei Energie aufschlagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Ökologisierung des Steuersystems haben Sie also fiskalpolitisch einnahmenseitig durch die Einführung der Energiesteuer vorweggenommen.

Und Sie haben wenige Erfolge, nur kleine Erfolge beim Abbau der Personalkosten des Bundes, wobei es mir ein Anliegen ist, auf die Qualität der Leistung der österreichischen Verwaltung hinzuweisen, aber auch darauf, Herr Finanzminister, welche Kosten diese österreichische Verwaltung den Steuerzahlern aufbürdet.

Herr Bundesminister Edlinger! Ich gehe davon aus, daß dieses Ihr letztes Budget ist, ein Budget des Stillstandes in einer Zeit des Wandels. Sie haben das Ziel des Euro erreicht, dafür mein Kompliment, aber Sie haben die Zukunft vermauert. Wir haben das vierthöchste Budgetdefizit in Europa, nach Frankreich, Italien und Griechenland. Es wird viel Arbeit Ihrer Nachfolger bedürfen, einen neuen Start zu ermöglichen und die Reformen aufzuholen, die Sie versäumt haben. Dänemark und Holland haben ein nahezu ausgeglichenes Budget.

Wir Liberalen lehnen dieses Budget ab. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.45

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein paar Worte zu den Ausführungen meines Vorredners, des Kollegen Peter. Er weiß, ich schätze ihn als erfolgreichen Unternehmer, ich anerkenne auch, daß er ein solides Fundament ökonomischer Kenntnisse hat. Aber, Herr Kollege Peter, wenn Sie zu Beginn Ihrer Rede die "Lustlosigkeit" der Budgetdebatte – zu Recht – kritisiert haben, dann kann ich nur feststellen: Ihr Debattenbeitrag war auch kein Beitrag, diese Lustlosigkeit abzubauen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

In Ihrem Debattenbeitrag gab es eine Reihe von Aussagen, denen ich durchaus zustimmen kann, wie etwa Ökologisierung des Steuersystems, Entlastung der Arbeit, eine Reihe von Dingen, die ordnungspolitisch sicherlich auch auf meiner Linie liegen. Nur, Sie haben in Ihrem ganzen Debattenbeitrag eigentlich dem herkömmlichen Schema einer Budgetdebatte entsprochen. Und ich glaube, gerade das löst eine gewisse Lustlosigkeit aus. Ihr ganzer Debattenbeitrag war eigentlich darauf abgestellt, nur negative Dinge darzustellen. (Abg. Mag. Peter: Das waren nur Fakten, Herr Stummvoll!)

Sie haben sogar die Kunst zuwege gebracht, mit einem kritischen Unterton zu sagen, eigentlich habe der Finanzminister dieses Budget ohne großes Getöse ruhig und sachlich über die Bühne gebracht. Das ist kritisch für Sie? Herr Finanzminister, meinen Applaus dafür, daß Sie ruhig, sachlich und ohne Getöse ein sehr ordentliches Budget über die Bühne gebracht haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir brauchen uns in der Welt nur ein bißchen umzuschauen. Jedem von uns ist ein großer Wurf natürlich lieber, aber Politik ist nun eben einmal das Bohren harter Bretter. Politik ist eben die Kunst des Möglichen. Politik heißt natürlich, wie ich es oft formuliere, nicht unbedingt, die beste Lösung kommt zum Durchbruch, sondern jene, die im Parlament eine Mehrheit findet. Das heißt, es ist relativ leicht, Herr Kollege Peter, als Oppositioneller hier zu verkünden, dies oder jenes wäre richtig, schön und gut. Die tägliche harte Arbeit heißt handwerklich politisch tätig sein, und dieses tägliche politische Handwerk ist etwas anderes, als oppositionelle Reden zu schwingen, auch wenn sie durchaus da und dort von ökonomischer Sachkenntnis geprägt sind; das gebe ich gerne zu.

Herr Minister! Ich habe es schon gesagt, ich glaube, es ist wirklich erfreulich, daß wir heute hier dieses Budget in einer ruhigen, sachlichen Atmosphäre, zu der sicherlich auch Ereignisse


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außerhalb der Budgetpolitik beigetragen haben, diskutieren können und daß wir dieses Budget außerdem ein halbes Jahr früher beschließen, als üblicherweise Budgets beschlossen werden. Daß mitternächtliche Dramatik, das Anhalten der Uhr und ähnliches heuer gefehlt haben, werte ich als überaus positiv. Ich sehe es auch als einen Vorteil an, wenn wir einen Finanzminister haben, der sein Handwerk versteht. Ich wäre nicht ehrlich – um hier an die Aussagen des Kollegen Peter anzuschließen –, würde ich sagen, mir wäre nicht, was die Zukunft betrifft, ein Finanzminister meiner Partei sympathischer. Das wäre nicht ehrlich. (Abg. Dr. Khol: Zum Beispiel der Günter Stummvoll!) Aber ich muß sagen, solange die ÖVP diesen nicht stellt, bin ich mit diesem Finanzminister durchaus zufrieden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Natürlich geht es uns in der Finanz- und Budgetpolitik genauso, wie es vielen von uns im täglichen Berufsleben geht. Ich sage auch immer: Kaum ist ein Thema abgehakt, treten fünf neue Herausforderungen auf. Und genauso ist es: Wir beschließen heute das Budget 1999, und schon haben wir der Reihe nach die neuen Herausforderungen auf dem Tisch liegen – Kollege Peter, ich stimme mit Ihnen überein –, etwa die Herausforderung, im Rahmen der EU-Präsidentschaft einen Beitrag in Richtung Harmonisierung der Steuersysteme zu leisten.

Da gibt es eine Reihe von Dingen, die wir nur im europäischen Gleichschritt lösen können, zum Beispiel die Frage Entlastung der Arbeit, zum Beispiel die Frage Ökologisierung des Steuersystems. Und da, Herr Finanzminister, stehen Sie natürlich vor einer unglaublichen Herausforderung, weil Sie im zweiten Halbjahr während unserer Präsidentschaft der europäische Finanzminister sind. Wir wünschen Ihnen dazu viel Erfolg, und Sie haben unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs einen Beitrag zur Harmonisierung der europäischen Steuerpolitik zu leisten, auch im Sinne der Beschäftigungspolitik und des Wirtschaftsstandortes Europa. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Herr Abgeordneter, die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 16 Minuten. – Bitte.

14.50

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Dr. Stummvoll, es ist schon richtig: Die Opposition würdigt natürlich selten das harte, harte Arbeiten der Regierungsparteien und dieses unentwegte Bohren harter Bretter. Der Spruch ist, glaube ich, von Max Weber, oder? (Rufe bei der ÖVP: Ja!) Ja. Es ist auch nicht ganz zufällig, daß die Opposition das so selten würdigt. Ich werde Ihnen ganz kurz begründen, warum ich auch meine Schwierigkeiten mit diesem Budget und mit dem Budget für 1998, dem laufenden Budget, habe. Ich werde jetzt nicht noch einmal wiederholen, was alles bei diesem Budget für 1999 schiefläuft. Ich glaube, dafür ist die Stimmung auch nicht da, und ich spreche jetzt einmal hauptsächlich zu Ihnen, Herr Dr. Stummvoll, und zum Bundesfinanzminister. (Abg. Dr. Khol: Es ist also alles miteingebunden! – Heiterkeit.) – Na gut, freiwillige Zuhörer sind natürlich immer gerne eingeladen, Herr Kollege. Sogar Teile meiner eigenen Fraktion hören sich das an. (Neuerliche Heiterkeit.)

Herr Dr. Stummvoll! Es wird vielleicht vier oder fünf Jahre her sein, kann ich mich erinnern, da gab es ein Hearing im Budgetausschuß. Damals war ich noch nicht Abgeordneter, sondern ich war als ein sogenannter Experte geladen und hatte meinen Redebeitrag sinngemäß mit der Aussage begonnen: Also ich bewundere jeden, der sich in diesem Budget auskennt. Daß es jemand tut, glaube ich nicht. – Daraufhin gab es eine erregte Debatte. Es kam vor allem von Herrn Dr. Stummvoll der Vorwurf, wie ich so etwas sagen könne, und so weiter. Ich habe dann angekündigt, bei Finanzminister Lacina Nachhilfestunden zu nehmen. Er hat gemeint, das sei steuerlich irgendwie heikel. Jedenfalls konnten wir uns über die Transparenz des Budgets damals nicht wirklich einigen. (Abg. Dr. Fischer: Seither ist es noch komplizierter geworden!)

Seither ist es noch um einiges komplizierter geworden. Genau, Herr Präsident Fischer! (Abg. Dr. Khol: Das ist Sinowatz I: Es ist alles sehr kompliziert!) Ja, aber im Budget ist es besonders kompliziert. (Abg. Dr. Khol: Das ist Sinowatz II!) Kompliziert ist es immer, das ist


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schon klar. Aber warum muß es so intransparent sein? Ich werde zwei oder drei Beispiele dafür nennen. (Abg. Dr. Khol: Damit die Professoren ein Geschäft haben!)  – Ich nicht, leider, andere vielleicht ein bisserl, aber das ist nicht wirklich ein Geschäft, Herr Kollege Khol. Dieser Bereich nicht, vielleicht andere.

Aber schauen wir uns das einmal an: Gewinnabfuhren der Nationalbank. Die Gewinnabfuhr der Nationalbank ist im Budget für 1998, Kapitel 5407, mit 7,5 Milliarden Schilling veranschlagt. Im Geschäftsbericht der Nationalbank lesen wir: 11,3 Milliarden Schilling – eine kleine Differenz von 3,8 Milliarden Schilling. Das ist bisher im Bundesvoranschlag 1998 meines Wissens noch nicht korrigiert.

Oder: Körperschaftsteuer der Nationalbank. Wie hoch der Anteil der Nationalbank am Körperschaftsteueraufkommen ist, das wissen wir nicht, weil das im Budget nicht ausgewiesen wird. Aber im Geschäftsbericht der Nationalbank steht: 3,9 Milliarden 1997, 7,2 Milliarden Schilling 1998 – wieder eine positive Differenz von 3,3 Milliarden Schilling.

Jetzt fragt man sich natürlich erstens schon: Warum ist das bei der Gewinnabfuhr nicht berücksichtigt?, und zweitens: Ist das beim Körperschaftsteueraufkommen berücksichtigt? Das weiß man ja als Laie nicht. Das weiß nur der Experte des Finanzministeriums.

Also allein bei der Notenbank haben wir zusätzliche 7,1 Milliarden Schilling für 1998, verglichen mit 1997, und es ist ganz unklar, ob das inzwischen im Budget berücksichtigt ist oder ob das irgendwo versickert. Der Finanzminister ist sicher froh, wenn er einen zusätzlichen Puffer hat, sozusagen ein zusätzliches Ruhekissen. Nur, vor dem Hintergrund der ungesicherten Finanzierung des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung, vor dem Hintergrund, daß wir diese lächerliche "Technologiemilliarde" nicht und nicht zusammenbringen, sondern immer darunter bleiben, vor dem Hintergrund, daß das Arbeitsmarktservice bekanntlich die größten Schwierigkeiten hat, das laufende Budgetjahr zu finanzieren, und es völlig unklar ist, wie es das tun wird, vor diesem Hintergrund fragt man sich schon, wieviel Glauben man irgendeinem Posten des Budgets schenken kann.

Der nächste Punkt in diesem Zusammenhang ist: Die Gewinnabfuhren der Nationalbank werden in unserem traditionellen administrativen Budget einfach als Einnahme verbucht. Das ist völlig in Ordnung. Das war immer so. Maastricht-defizitsenkend ist es aber nicht unbedingt. Herr Minister, das wissen Sie ebensogut wie ich, und dazu gibt es eine neue EUROSTAT-Stellungnahme vom Dezember 1997. Und wenn – wovon ich ausgehe, zumindest stand es so in der Zeitung – die jetzt hohen Gewinne der Notenbank aus Bewertungsänderungen resultieren, dann ist dieser Teil der Gewinnabfuhr nicht defizitsenkend im Sinne von Maastricht. Ob das so ist, ob diese Vermutung ex ante schon eingebaut wurde oder nicht, das wissen wir nicht, weil das nicht im Budget steht. Ich möchte schon gern wissen, Herr Minister Edlinger – Sie werden sich ja dann zu Wort melden, nehme ich an –, inwieweit diese zusätzlichen Gewinnabfuhren der Notenbank beim Maastricht-Defizit berücksichtigt sind oder nicht. Das betrifft die Budgets für 1998 genauso wie das Budget für 1999.

Eine kleine boshafte Erinnerung muß ich mir schon erlauben, Herr Minister Edlinger. So lange ist es nicht her, daß ich hier gestanden bin und wir ein kleines Zwiegespräch über die Verbuchung der Steuerguthaben von 15 Milliarden Schilling geführt haben, und Sie haben damals gesagt: Das machen alle, wieso also wir nicht? Das wird schon Maastricht-konform sein. Ich habe darauf gesagt, es mag sein, daß es alle machen, aber daß es Maastricht-konform ist, glaube ich erst, wenn ich es schwarz auf weiß sehe. Inzwischen haben wir es schwarz auf weiß: Laut EUROSTAT ist es nicht Maastricht-konform.

Herr Bundesminister! Das Finanzministerium hat auf ein Interview mit mir im "WirtschaftsBlatt" vom 27. Mai reagiert, und zwar mit der Aussage, daß ja ohnedies der größere Teil des Geldes von der Oesterreichischen Nationalbank aus dem Körperschaftsteueraufkommen stamme und nicht aus den Gewinnabfuhren. – Das ist unrichtig, das ist offensichtlich unrichtig, denn 11,3 Milliarden für 1998 sind immer noch mehr als 7,2 Milliarden Schilling ebenfalls für 1998. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)


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Im Bundesvoranschlag für 1999 sehen wir im Kapitel 5407 bei der Gewinnabfuhr der Notenbank annähernd die gleichen Werte wie für 1998. Daß die Werte für 1998 falsch sind, wissen wir inzwischen, was wir nicht wissen ist, ist, ob die für 1999 richtig sind.

Nun aber zum nächsten größeren Punkt, Herr Finanzminister, und ich möchte dann dazu einen kleinen Entschließungsantrag einbringen. Es gibt eine Menge große, ehrgeizige Ausgliederungsvorhaben, die für sich genommen alle Sinn machen: die SchIG, die Schieneninfrastrukturgesellschaft, die ÖBB, die Post mit allen ihren Verästelungen, die ASFINAG und so weiter. Aber wie schaut es mit der mittelfristigen bis langfristigen Rückwirkung auf das Bundesbudget aus? Im "Standard" vom 11. Mai 1998 lese ich, daß der Masterplan für das Verkehrsnetz der Zukunft Investitionen für die Schiene in Höhe von 230 Milliarden Schilling vorsieht. – Wunderbar, die Grünen unterstützen selbstverständlich den Ausbau der Schiene, jedenfalls gegenüber dem Ausbau der Straße. 230 Milliarden bis zum Jahre 2015, das sind also dann nach Adam Riese Investitionen pro Jahr in der Höhe von rund 14 Milliarden Schilling, wobei die Südostspange noch gar nicht inkludiert ist. Also es könnten auch mehr sein.

Noch einmal: Wunderbar, das ist dringend notwendig. Die Straße wird mit dem zusätzlichen Verkehr, der entsteht, sowieso nicht fertig werden. Nur bitte, als Ökonom muß ich auch dazu fragen: Und wie finanzieren wir das? Wie schauen die Erträge aus auf diesem zusätzlichen Netz? Wer wird die Kosten tragen? Der Bund, die ÖBB – oder wer?

Wenige Tage später, nämlich am 15. Mai, ist im "Standard" ein ähnlicher Artikel zu lesen. Hier geht es nur um die ÖBB, und da wird nur bis zum Jahre 2010 vorausgesehen, und von Investitionen in der Höhe von 143 Milliarden Schilling ist hier die Rede, im wesentlichen, fast ausschließlich, zu finanzieren über die SchIG, die Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft. Die SchIG finanziert sich bekanntlich einerseits über das Entgelt, das sie den ÖBB in Rechnung stellt, andererseits direkt vom Bund. Wenn die SchIG für die Refinanzierung dieser Darlehen, die sie hier aufnehmen wird, den ÖBB zuviel in Rechnung stellt, werden die ÖBB das nicht zahlen können. Und wenn sie es zahlen, werden sie nicht konkurrenzfähig sein gegenüber der Straße. Das können wir nicht wollen. Also kommt der Bund früher oder später wieder zum Handkuß.

Ich möchte nur wissen, Herr Bundesminister, wie das in den nächsten zehn Jahren ausschauen wird, welche Vorstellungen, Ziele und Konzepte hiezu existieren, denn sonst, wenn es diese nicht gibt, sehe ich für die Budgets ab der Jahrtausendwende schwarz.

In diesem Zusammenhang stelle ich einen ganz harmlosen Entschließungsantrag, an dem Sie sicherlich nichts auszusetzen haben werden:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Freunde und Freundinnen betreffend Vorlage eines Berichtes über erfolgte Budgetausgliederungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ressortministern dem Nationalrat einen Bericht über die Gebarung der ausgegliederten Unternehmen vorzulegen, der ein mittelfristiges Finanzierungskonzept für die einzelnen Gesellschaften ebenso umfassen soll wie eine detaillierte Aufstellung über die mittel- und langfristigen budgetären Auswirkungen."

*****

Wir wollen das ja nur wissen, Herr Finanzminister! Vielleicht haben Sie das ohnehin schon in Ihrem Haus in der Himmelpfortgasse vorliegen. In diesem Fall wäre es nett, wenn die Abgeordneten dieses Hauses das auch erfahren dürften. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)


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Ich sage dies mit einem etwas ironischen Unterton. Warum? – Vor wenigen Tagen habe ich das österreichische Konvergenzprogramm, die Fortschreibung für die Jahre 1997 bis 2000, des Bundesministeriums für Finanzen in die Hand bekommen; es ist datiert mit 21. Oktober 1997. – Ich kann mich nicht erinnern, daß ich als Abgeordneter diese Fortschreibung des Konvergenzprogrammes in die Hand bekommen hätte. Das ursprüngliche Konvergenzprogramm haben wir bekommen, das Budgetprogramm und dergleichen mehr haben wir bekommen, aber ich kann mich nicht erinnern, dieses Papier vom 21. Oktober erhalten zu haben. Vielleicht haben es die Abgeordneten der Regierungsparteien erhalten, ich jedenfalls habe es von einer Journalistin bekommen. Und das finde ich schon ein bißchen merkwürdig! In diesem Zusammenhang, Herr Bundesminister, bitte ich Sie um Auskunft.

Sie werden ja in absehbarer Zeit – ich nehme an, noch im Jahre 1998 – die nächste Fortsetzung des Konvergenzprogrammes vorzulegen haben, nämlich das sogenannte Stabilitätsprogramm. Wie wir alle wissen, ist Österreich ja schon bisher vom seinerzeit vorgelegten Konvergenzprogramm abgewichen und hat seine Defizit-Ziele für die Jahre 1998 und 1999 etwas weniger ehrgeizig gesteckt als seinerzeit vorgesehen, worüber man ja debattieren kann.

Wann wird dieses Stabilitätsprogramm vorliegen, Herr Minister, und können Sie uns zusichern, daß zum Zeitpunkt der Absendung nach Brüssel auch die Abgeordneten dieses Hauses dieses Papier erhalten werden?

Abschließend, Herr Bundesminister: Ich kann mich sehr wohl noch an die Regierungserklärung und an die Debatte über das Budget für 1998 erinnern. Wie oft war da von "Zukunft" die Rede: Arbeit für die Zukunft, Budgets für die Zukunft, Vorsorge für die Jugend, Qualifikationsprogramme hier, Qualifikationsprogramme dort. – Schauen wir uns die entsprechenden Budgetzahlen an. Das sind dann die letzten Zahlen, mit denen ich Sie belästige. Das sind Ihre Zahlen, Herr Bundesminister, die Sie in Ihrer Budgetrede genannt haben.

Vor sechs, sieben Jahren wurde für die Universitäten ungefähr gleich viel ausgegeben wie für die Landesverteidigung – etwas mehr als für das Heer und die Heeresverwaltung. – Heute sieht die Situation genau umgekehrt aus: Für die Universitäten sind 17 Milliarden Schilling im Budget vorgesehen, für die Landesverteidigung fast 22 Milliarden Schilling. Ich weiß schon, solche Zahlen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Innerhalb des Wissenschaftsbudgets hat es in geringfügigem Maße Ausgliederungen und Verschiebungen gegeben, etwa bei den medizinischen Fakultäten, wie ich mich zu erinnern glaube. In diesen Daten finden Sie das natürlich nicht, keinerlei Fußnote oder irgendeinen anderen Hinweis. Doch auch wenn man diesen Umstand berücksichtigt, muß ich Sie fragen: Das nennen Sie Zukunftsvorsorge? Das nennen Sie Vorsorge für die Jugend? Stagnierende Budgetzahlen seit Jahren, insbesondere bei den Universitäten und bei den Forschungseinrichtungen, etwa beim FWF, beim Forschungsförderungsfonds, stagnierende Zahlen über Jahre hinweg – das ist für Sie Bildungsvorsorge? Von einem Aufholen gegenüber beispielsweise den analogen deutschen Einrichtungen ist keine Rede.

Für die Landesverteidigung haben wir aber immer ein paar Schilling mehr. Man kann zur Landesverteidigung stehen, wie man will, aber: Daß Zukunftsvorsorge – und ich zitiere Sie aus Ihren Regierungserklärungen – für unsere Jugend etwas anderes bedeutet als die Panzer, die wir jetzt zusätzlich kaufen, das werden Sie sich doch insgeheim selbst auch denken. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Van der Bellen vorgetragen hat, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sigl. – Bitte.

15.06

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nur kurz mit den Kapiteln 52 und 53 des Bundesvoranschlages 1999, Öffentliche Abgaben und Finanzausgleich, beschäftigen und einige aus meiner Sicht wesentliche Punkte darlegen.


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Im Finanzkapitel Öffentliche Abgaben werden Bruttoeinnahmen im Ausmaß von rund 681 Milliarden Schilling veranschlagt. Durch Überweisungen an die Länder, Gemeinden und Fonds sowie an die Europäische Union verbleiben dem Bund rund 457 Milliarden Schilling. Die Steuerquote, die in den letzten Jahren zwar angestiegen ist, wird heuer und auch im kommenden Jahr geringfügig sinken, wie das Finanzministerium erst unlängst feststellte. So sei für 1998 und 1999 eine volkswirtschaftliche Steuerquote von 43,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erwarten.

Nach dem Weg der so erfolgreichen Budgetkonsolidierung und dem Erreichen der Maastricht-Kriterien befindet sich Österreich in einer Phase der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung, die mit der Steuerreform 2000 sicherlich intensiviert werden kann. Durch die Steuerreform sollen für den Steuerzahler, für den Wirtschaftsstandort Österreich und für die Umwelt neue Wege im Steuersystem beschritten werden. Besonders wichtige Vorhaben sind dabei die kostenmäßige Entlastung der Arbeit, die Ökologisierung des Steuersystems und die Konvergenzkompatibilität.

Ebenfalls anmerken möchte ich, daß die Reform der Familienbesteuerung im Jahre 1999 auf den Umfang und die Möglichkeiten der Steuerreform 2000 Auswirkungen haben wird. Immerhin werden durch diesen Vorgriff auf die Steuerreform 2000 zirka zwei Drittel aller österreichischen Haushalte, in denen zusammen zirka 5 Millionen Menschen leben, bereits im kommenden Jahr eine spürbare steuerliche Entlastung erleben.

Weiters bin ich der gleichen Meinung wie der Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger, der die Steuerreform 2000 nicht ausschließlich danach bewerten will, in welchem Maße sie Tarifsenkungen mit sich bringt, sondern danach, in welchem Maße sie Strukturen neu ordnet und vereinfacht, Ungerechtigkeiten beseitigt und zur sozialen Ausgewogenheit beiträgt. Die österreichische Steuerpolitik wird in Zukunft daher vermehrt eine europäische Dimension haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch auf das Budgetkapitel 53, den Finanzausgleich, eingehen. Der österreichische Finanzausgleich ist von der Grundidee der verbundenen Steuerwirtschaft beherrscht. Aufgrund der für 1999 geltenden finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen sind die Leistungen und Zuschüsse für die Länder und Gemeinden in Höhe von 44,5 Milliarden Schilling und die Einnahmen in Höhe von 5,5 Milliarden Schilling budgetiert.

Weiters wird in diesem Kapitel die Gebarung des Katastrophenfonds vollzogen, der aufgrund der Unwetterkatastrophen im Sommer 1997 abermals seine Notwendigkeit für viele Mitbürgerinnen und Mitbürger bewiesen hat. Wie ich selbst in meinem Heimatbezirk St. Pölten, der 1997 die ärgste Hochwasserkatastrophe seit 80 Jahren erfuhr, beobachten konnte, wurde durch diesen Fonds den Geschädigten rasch und unbürokratisch geholfen. An dieser Stelle sei hiefür mein besonderer Dank ausgesprochen.

Hohes Haus! Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung für die in Debatte stehenden Budgetkapitel! Geben Sie der Bundesregierung die Möglichkeit, Österreich weiterhin in Europa zu etablieren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Bitte.

15.10

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesfinanzminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Peter hat davon gesprochen, daß die Budgetdebatte sehr "lustlos" geführt wird. Das mag vielleicht auch der Fall sein, doch orte ich eher eine gewisse Resignation der Opposition, immer wieder und wieder Vorschläge und Anträge im Hohen Haus einzubringen – auch solche, die textmäßig ohne weiteres von den Regierungsparteien stammen könnten –, die dann allesamt abgelehnt und nicht angenommen werden. Wenn man gewohnt ist, sehr rasche Schritte zu setzen, ist das natürlich etwas mühselig, aber das ist eben die Aufgabe eines Oppositionspolitikers.

Herr Kollege Kaufmann meinte, daß das Konsolidierungsziel erreicht sei. Die Frage ist aber immer auch dahin gehend zu stellen, auf welche Weise es erreicht wurde. Es wurde einnahmenseitig erreicht, es wurde durch "kreative Buchhaltung" erreicht. Da ist dem Finanzminister wirk


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lich Lob zu zollen, weil er wahrscheinlich das gleiche wie seine 14 Kollegen in der Europäischen Union gemacht hat. Dieses Konsolidierungsziel wurde aber auch mit Tricks erreicht. Ich zitiere aus der "Parlamentskorrespondenz" Herrn Staatssekretär Ruttenstorfer, und zwar einen Punkt betreffend, der soeben auch von Herrn Abgeordneten Van der Bellen angesprochen wurde:

"Staatssekretär Dr. Ruttensdorfer teilte ... mit, daß die Oesterreichische Nationalbank aufgrund einer Neubewertung der Reserven tatsächlich um 3,7 Milliarden Schilling mehr an den Bund ausgeschüttet habe, als im Budget 1998 veranschlagt gewesen seien." – Er hat also dieses Faktum zugegeben.

Dann heißt es weiters: "Da es sich beim Abbau valutarischer Kursdifferenzen jedoch nicht um einen Dauereffekt handle, könne auf dieser Basis keine Steuersenkung durchgeführt werden."

Herr Präsident! Hohes Haus! Bei der ersten Lesung des Budgets 1999 habe ich daran Kritik geübt, daß das Budget 1999 eine Fortschreibung des Budgets 1998 darstellt und natürlich auch keinerlei Ansätze zu Strukturveränderungen enthält. Herr Finanzminister! Die Beantwortung der schriftlichen Anfragen, die Antworten auf die mündlichen Fragen in den Ausschüssen, diese fünftägigen Diskussionen hier im Hohen Hause haben diese Kritik nicht entschärft. Ganz im Gegenteil: Die Befassung mit Details hat deutlich gemacht, daß eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung mindestens fünf grundlegende Maßnahmen verlangen würde:

Erstens: eine Anhebung des Primärüberschusses im Budget. – Dies ist nicht erfolgt.

Zweitens: eine Halbierung des strukturellen Defizits von jetzt etwa 2,5 Prozent.

Drittens: eine deutliche Senkung des Nettodefizits auf unter 1,9 Prozent des BIP, um die Schuldenquote zu senken.

Viertens: einen Betrag zur Finanzierung des nationalen Beschäftigungsprogrammes in Höhe von mindestens 4 Milliarden Schilling, wofür keinerlei Vorsorge im Budget getroffen ist.

Und fünftens: eine Weichenstellung hin zu einem mittelfristig ausgeglichenen oder mit Überschuß ausgestatteten Bundeshaushalt, der allein schon aufgrund der Verpflichtung aller EU-Mitgliedstaaten entsteht, den Stabilitätspakt nachhaltig zu erfüllen. Diese Frage hat auch Herr Professor Van der Bellen gerade gestellt.

Im Budgethearing haben Ihnen die Experten darüber hinaus empfohlen, die Wirtschaftstätigkeit durch eine Senkung der effektiven Steuersätze anzukurbeln. Das ist eine Forderung, die wir Freiheitlichen immer wieder erheben. Es wurde aber auch kritisiert – ich zitiere –: "Die Frühpensionierung bleibt ein ungelöstes Problem, und der Deregulierungsprozeß im Elektrizitätssektor ist nur langsam vorangekommen. Die Export- und Technologieoffensive ... geht ... die eigentlichen Ursachen für das unzureichende Wachstum und die Hindernisse für einen höheren Arbeitseinsatz nicht auf breiter Front an."

Es gebe noch eine Reihe von Kritikpunkten, die die Experten in den Budgethearings angebracht haben und die auch nach diesen fünf Tagen Diskussion keinerlei Berücksichtigung gefunden haben.

Daß diese Maßnahmen im Budget 1999 fehlen, ist deshalb bedauerlich, Herr Bundesfinanzminister, weil die Inflationsrate und die Zinsen niedrig sind und weil auch die Konjunktur durch höhere Exporte tatsächlich angezogen hat. Daß die Binnenmarktkonjunktur nicht befriedigend läuft, ist ein hausgemachtes Problem und liegt darin begründet, daß Sie mit Ihren zwei Sparpaketen den österreichischen Bürgern 147 Milliarden Schilling entzogen haben. Das sind 25 000 S je erwachsenem Beschäftigten. Damit ist natürlich auch ein Kaufkraftverlust eingetreten.

Ein weiterer Beweis für die fehlenden Strukturveränderungen ist der vorliegende Personalplan. Im Bund werden Sie 1999 im Vergleich zum Jahr 1998 etwa 1 Prozent öffentlich Bedienstete weniger haben. Der Wifo-Experte Aiginger ortet aber, daß der Staat bei der Verwaltung 20 Prozent einsparen könnte. Ich möchte ihn ganz kurz zitieren:


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",Derzeit weiß ein Minister nicht, wieviel Geld untergeordnete Dienststellen wirklich brauchen.’ In vielen Fällen seien bis zu 20 Prozent vor allem beim Personal unnötig und würden ,mitgeschleppt‘. ... Bei seinen Verbesserungen stützt sich Aiginger auf internationale Daten über öffentliches Management. ,In Österreich gibt es keine.‘"

Meine Damen und Herren! Der 21prozentige Anteil öffentlich Bediensteter an der Gesamtzahl der in Österreich unselbständig Beschäftigten – Deutschland weist im Vergleich dazu eine Quote von 15 Prozent öffentlich Bediensteter auf – stellt auch eine verdeckte Arbeitslosigkeit dar. Diesen Anteil auf 15 Prozent zu reduzieren, würde aber einen Abbau von etwa 28 Prozent bedeuten. Ich verstehe schon, daß 20 Prozent weniger öffentlich Bedienstete auf dem Arbeitsmarkt nicht sofort untergebracht werden könnten. Das Problem ist aber durch Untätigkeit ganz sicher nicht aus der Welt zu schaffen.

Herr Finanzminister! Legen Sie doch eine Studie über mögliche Personaleinsparungen vor, und legen Sie vor allem auch Untersuchungen dazu vor, wie Sie die behördlichen Abläufe vereinfachen und vor allem deren zeitlichen Ablauf verkürzen wollen. Denn dies ist doch die Hauptvoraussetzung dafür, daß in der öffentlichen Verwaltung Personalkosten eingespart werden können und Österreich vom letzten Platz, was den Bürokratieindex betrifft, wegkommt.

Herr Minister! Ich verstehe schon, daß dies auch in vorgelagerten Organisationen geschehen muß und daß die Personalkosten und zeitlichen Abläufe auch von der Arbeit in den Ländern und Gemeinden und auch durch die Einholung von Gutachten beeinflußt werden, beispielsweise durch die Einholung von Gutachten bei den Kammern. Aber letztendlich liegt es an der Gesetzgebung und daran, wie kompliziert diese Gesetzgebung ist und wie sie vollzogen werden kann. Ich gebe Ihnen im folgenden ein Beispiel dafür, wie Zeit und Personalkosten extrem vergeudet wurden.

Eigentlich müßte ich jetzt auch die Herren Kämmerer von der Bundeswirtschaftskammer ansprechen, aber weder Abgeordneter Maderthaner noch Abgeordneter Stummvoll ist hier. Ich weiß schon, sie haben immer ein bißchen Bedenken, wenn ich hier zum Rednerpult gehe und wieder ein Beispiel für die Unzulänglichkeiten in den Kammern vorbringe, aber ich möchte es doch wieder tun.

Es geht um die Anmeldung des Gewerbes "Handwerk des Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigers eingeschränkt auf die Tätigkeit des Treppenreinigers", eines Gewerbes, das keinen Befähigungsnachweis erfordert. Es wurde das Handwerk des Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigers eingeschränkt auf Treppenreinigung am 20. Februar 1995 angemeldet. Das Magistrat holte eine Stellungnahme der Kammer der gewerblichen Wirtschaft ein, das folgenden Wortlaut hatte:

Der angestrebte Tätigkeitsbereich erfordere umfassende Kenntnisse über die zu reinigenden Werkstoffe, ihre Eigenschaften, ihrer Abbau- und Verschmutzungsmechanismen, Kenntnisse über die chemische Zusammensetzung der zur Verwendung gelangten Arbeitsmittel et cetera. Es dürfe daher festgehalten werden, daß der beabsichtigte Tätigkeitsbereich qualifizierten handwerklichen Könnens bedarf, wie dies nur im Rahmen einer langjährigen sowohl schulischen als auch praktischen Ausbildung erworben werden kann.

Die Landesinnung der chemischen Gewerbe empfahl daher dem Magistrat, die Gewerbeausübung zu untersagen, was dieser auch prompt mit Bescheid vom 28. April 1995 unter Hinweis auf das eingeholte Gutachten tat.

Die darauf eingebrachte Berufung wurde von der Landesregierung wiederum mit der Berufung auf das Gutachten der Landesinnung der chemischen Gewerbe abgelehnt. Das war im Juli 1996. Erst mit Antrag vom 12. August 1996, in dem das Gewerbe mit "einfache Raumpflegearbeiten nach Hausfrauenart" betitelt wurde, konnte die Ausübung des Gewerbes begonnen werden. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Also bitte wenn das nicht Bürokratie in Reinkultur ist, dann weiß ich nicht, was Bürokratie überhaupt ist! Das Fazit ist jedenfalls: Zeitdauer: 18 Monate, Umfang: zwölf Schriftstücke inklusive


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zweier Gutachten, Kosten: umgerechnet etwa 100 000 S. – Und das alles für die Anmeldung eines Gewerbes zur Treppenreinigung!

Fazit ist aber auch, daß die neue Gewerbeordnung diesbezüglich keinerlei Verbesserung gebracht hat! (Beifall den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Stummvoll! Da Sie anscheinend schon wieder den Saal verlassen wollen, nehme ich an, daß Sie sich angesprochen fühlen. Die Kammerreform bleibt jedenfalls genauso Ankündigung wie die Ankündigung der Erhöhung der Forschungsquote. (Abg. Dr. Stummvoll: 10. Juni im Wirtschaftsausschuß!) Sie haben in einer Aussendung vom 24. März gemeint, daß die Technologiemilliarde Österreich auf EU-Schnitt bringe. Die Wirtschaftskammer verlange nach der Euro-Stabilisierung einen Zugriff auf die Devisenreserven der Nationalbank. Dann schreiben Sie:

Wenn man die österreichische Forschungsquote von zuletzt 1,56 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf den Durchschnitt der EU oder der OECD von rund 2,1 Prozent anheben will, sind dafür rund 13 Milliarden Schilling notwendig.

Günter Stummvoll, der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, plädierte heute Dienstag vor Journalisten dafür, daß, wenn sich der Euro stabilisiert habe, diese Mittel aus den Devisenreserven der Nationalbank aufzubringen seien, und zwar ab dem Jahr 2002 oder 2003. – Soweit diese Aussendung. (Abg. Dr. Stummvoll: In fünf Jahren!)

Herr Abgeordneter Stummvoll! Der Schnitt beträgt in Wirklichkeit 2,4 Prozent. Das heißt, statt 13 Milliarden Schilling wären eigentlich 20 Milliarden Schilling nötig. Die Forderung ist ja von uns schon sehr lange gestellt worden. Was ist denn das für eine Politik, jetzt für das Jahr 2002 anzukündigen, Mittel aus den Devisenreserven der Nationalbank herauszunehmen? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Sie müssen auch längerfristige Perspektiven haben, nicht nur kurzfristige! Sie denken ja nur in Wahlperioden!) Wir haben schon längerfristige Perspektiven. Diese längerfristigen Perspektiven, Herr Abgeordneter Stummvoll, haben wir bereits 1994 verlangt, und vier Jahre lang ist überhaupt nichts gemacht worden. Nach Ihrer Diktion gehen noch einmal vier Jahre ins Land. Also Sie brauchen acht Jahre lang, bis Sie endlich einmal die Forschungsquote anheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da ist es doch verständlich, wenn Arnold Schmidt, der Präsident des Forschungsförderungsfonds, meint, die Technologieoffensive sei im Schlamm der Innenpolitik steckengeblieben. – Das ist der Schlamm, der durch diese Ihre Politik entstanden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Meisinger: Sand im Getriebe!)

Herr Bundesminister für Finanzen! Ein Wort zur Steuerquote: Die Steuerquote ist laut ÖSTAT von 44,8 Prozent im Jahre 1997 auf 45,7 Prozent im Jahr 1998 gestiegen. Das Finanzministerium spricht aber von einem "leichten Rückgang". Wenn man diese Diskrepanz hinterfragt, wird einem erklärt, daß sich ÖSTAT bei der Berechnung des europäischen Systems der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bediene, während das Finanzministerium von einer volkswirtschaftlichen Steuerquote spricht. – Da ist doch wohl die Feststellung erlaubt: Sie wollen zwar zu Europa gehören und dort mitreden, vergleichen sich aber nicht mit den EU-Staaten und wollen eigene Zahlen, die wahrscheinlich entsprechend manipuliert worden sind, zur Beurteilung heranziehen. Ich glaube, so kann es wirklich nicht gehen! (Beifall den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren Abgeordneten von der Koalition! Ihre Zustimmung zum vorgelegten Personalplan, der eigentlich nur eine Fortschreibung des Jahres 1998 darstellt, beziehungsweise zum Gesamtbudget 1999 ist wohl eine eindeutige Bestätigung Ihrer reformunwilligen Politik. – Ich danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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15.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Rudolf Edlinger. – Bitte, Herr Finanzminister.

15.25

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Stellung zu einigen Positionen nehmen. Zunächst: Es entspricht offenbar dem Ablauf parlamentarischer Debatten, daß Argumente immer wieder vorgetragen werden, und daher fühle ich mich verpflichtet, möglicherweise meinerseits auch wieder Argumente zu verwenden, die ich in verschiedenen Ausschüssen, beim Budgethearing oder vielleicht auch schon hier im Plenum vorgebracht habe. (Abg. Mag. Peter: Das ist das Schicksal dieses Hauses!)

Vorerst einmal möchte ich mich für die Form der Diskussion, die ich durchaus akzeptieren kann, bedanken. Ich nehme durchaus die volle Schuld dafür auf mich, daß das Budget aufgrund seiner Präzision offenbar nicht dazu geeignet war, sich wechselweise zu emotionalisieren. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich halte das auch im Hinblick auf die Debatten für einen Qualitätsfortschritt und bin stolz darauf, Finanzminister eines Landes sein zu können, das in der Lage ist, relativ weit in die Zukunft zu blicken. Wir sind jenes Land in der Europäischen Union, das als einziges in der Lage ist, bereits im Mai 1998 einen Budgetvoranschlag für 1999 nicht nur vorzulegen, sondern auch zu beschließen, denn ich gehe davon aus, daß das vorliegende Budget heute auch beschlossen wird. Dafür bedanke ich mich recht herzlich bei der Mehrheit des Hohen Hauses! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich glaube, es ist durchaus legitim, Kritik anzumerken, das ist das Schöne an der Demokratie. Und wenn man Glück hat, dann stimmen mitunter auch manche kritische Anmerkungen. Daher bin ich durchaus bereit, auf einige Punkte einzugehen. Ich glaube nicht, daß mir ein bestimmtes Maß an Selbstbewußtsein fehlt, aber ich habe nie und nimmer behauptet, daß dieses Budget die beste aller Möglichkeiten ist. Es ist allerdings die optimale Möglichkeit des Machbaren in dieser Regierung. Es ist das Optimale des Machbaren aufgrund der Rahmenbedingungen, die wir vorgefunden haben. Es wurde auch, wie ich meine, in der Öffentlichkeit und speziell auch von vielen Wirtschaftsforschern respektiert, weil man weiß, welches Ziel wir mit diesem Budget angepeilt haben. Dabei muß man sich auch vor Augen führen, welche Ausgangslage wir 1995 vorgefunden haben und was wir eigentlich mit der Budgetkonsolidierung erreichen wollten. Natürlich wollten wir die Maastricht-Ziele erreichen, und das ist uns auch gelungen.

Für den Herrn Abgeordneten Peter bin ich offenbar so allgegenwärtig, daß er meine Amtsführung bereits auf vier Jahre einschätzt. Ich bin erst seit 15 Monaten Finanzminister, aber ich bekenne mich natürlich zu all den vorangegangenen Budgets, weil ich auch ein Garant einer bestimmten Kontinuität zu sein habe, und dazu bekenne ich mich auch. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, daß eines der ganz wesentlichen Ziele der Budgetkonsolidierung, die 1996/97 eingeleitet wurde, darin bestand, das damals ausufernde Budgetdefizit in den Griff zu bekommen. Wenn nun in nur zwei Jahren die Reduzierung des Defizits um die Hälfte möglich war, ohne daß dabei – wie das in anderen Ländern der Fall war – massive sozialpolitische oder gesellschaftspolitische Eskalationen zutage getreten sind, dann spricht das für die Qualität des Weges, dann spricht das für die Qualität unseres Systems, auch Meinungsdifferenzen auszutragen – etwa über die Sozialpartnerschaft –, und dann ist das ein Ausdruck einer sehr zivilisierten Konfliktaustragungskultur und einer großen Reife jener, die die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen vertreten, und der politischen Parteien, die das Budget zu verantworten haben. Daher bin ich sehr stolz darauf, in diesem Land Finanzminister sein zu können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist richtig, daß wir noch eine Menge an Aufgaben vor uns haben. Ich glaube, daß eine bestimmte visionäre Kreativität in der Politik gefragt ist. Dabei darf man aber nicht vergessen, daß sich dies, soll gestaltende Politik nicht nur entwickelt, sondern auch realisiert werden, nur auf der Basis eines kalkulierbaren Budgets und von tatsächlich vorhandenen fiskalischen Rahmenbedingungen abspielen kann. Das ist letztendlich die Voraussetzung, die eine kreative und gestaltende Politik in den nächsten Jahren zuläßt.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher habe ich auch nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich die Phase der Jahre 1996 bis 1999 budgetär als eine Einheit betrachtet habe, die darin bestand, eine gesellschaftspolitisch verträgliche und durchaus erfolgreiche Konsolidierung in der ersten Phase einzuleiten und diese in der zweiten Phase zu stabilisieren. Es sollten jene Möglichkeiten geschaffen werden, die erforderlich sind, um im Jahre 2000 mit einer Steuerreform auch jene strukturellen Probleme angehen zu können, die wir angehen müssen, um als aktives Mitglied des gemeinsamen europäischen Währungsraumes gestaltend mitwirken und die Chancen und Herausforderungen, die es anzunehmen gilt, bewältigen zu können.

Als die Diskussion aufgetaucht ist, wie groß denn der Handlungsspielraum der Steuerreform 2000 sein werde, habe ich sehr deutlich gesagt, daß es sich um keinen exorbitanten handle. Eine Steuerreform ist nicht ausschließlich danach zu beurteilen, in welcher Quantität es Tarifveränderungen gibt – obwohl ich sie auch für wichtig halte –, sondern Steuerpolitik ist auch ein wirtschaftspolitisch strukturelles Lenkungsinstrument. Es ist eigentlich ein gestaltendes Element. Steuerpolitik ist nicht nur das Instrument, durch das der Finanzminister stellvertretend für die Steuerzahler Geld bekommt, sondern es bietet die Möglichkeit, dort Veränderungen vorzunehmen, wo sie in Anbetracht des internationalen Wettbewerbs nötig sind.

Natürlich müssen wir das klug und geschickt machen, denn eines ist auch klar: Sich nur hinzustellen – wie ich das oft bei Steuerdiskussionen höre –, Ideen zu haben, was wir alles an Tarifen senken könnten, aber keine Antworten zu geben, welche Ausgaben dann zu kürzen wären, ist wenig produktiv. Ausgabenkürzungen werden oft nur in jenen Bereichen vorgeschlagen, in denen sich Reformen nur sehr langfristig auswirken. Es nützt mir nichts, wenn jemand sagt, die österreichische Verwaltung koste sehr viel Geld, hier müsse etwas geschehen – wobei man sagen muß, daß in diesem Bereich schon sehr viel geschehen ist –, und die Struktur unserer Verwaltung dergestalt ist, daß jede Veränderung budgettechnisch eine sehr mittelfristige Auswirkung hat. Man kann daher keine Spielräume durch eine Verwaltungsreform erreichen, die sich budgettechnisch in den nächsten ein oder zwei Jahren niederschlagen. Und das weiß auch jeder, der sich hier herstellt und sagt, die Verwaltungsreform sei durchzuführen, und damit wäre alles gelaufen. Da muß man schon ein bißchen realistischer und auch ein bißchen kreativer sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube auch, daß die Frage der Harmonisierung der europäischen Steuerpolitik – und das ist angesprochen worden – ein ganz wichtiger Bereich ist. Ich meine, daß in den letzten Jahren in Europa etwas gelungen ist, was manche vor wenigen Jahren noch für unmöglich gehalten haben, nämlich die Haushalte von immerhin elf europäischen Staaten – man denke nur daran, wie diese 1994 völlig auseinandergefallen sind! – in eine bestimmte Konvergenz zu bringen. Man hat dadurch erreicht, daß ein ganz großer innerer Störfaktor, nämlich die Wechselkursirritationen, im Bemühen, diesen europäischen Wirtschaftsraum zu einem starken, einem wettbewerbsfähigen zu entwickeln, zum Verschwinden gebracht wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das wird in naher Zukunft für einen großen Bereich der europäischen Länder Vergangenheit sein.

Jetzt muß man mit genau derselben Sachlichkeit, mit derselben klugen Überlegung der zweiten Irritation des europäischen Marktes auf den Leib rücken, nämlich dem unfairen Steuerwettbewerb – aber nicht nur dem unfairen, sondern auch dem fairen Steuerwettbewerb! Unfairer Steuerwettbewerb besteht dort, wo man steuerliche Oasen schafft, um einander irgendwelche Investoren wegzulocken. Es gibt aber auch einen fairen Steuerwettbewerb. So ist es beispielsweise nicht akzeptabel, daß man zur Kenntnis nimmt, daß es möglicherweise in Europa ein Land gibt, das 3 oder 4 Prozent seines BIP aus Mitteln der Union bekommt und überlegt, die Körperschaftssteuer auf 12 Prozent zu senken. Das wäre zwar ein fairer, aber nicht sehr redlicher Steuerwettbewerb, wenn man den Gesamtraum als Einheit betrachtet und wenn wir wollen, daß in allen Bereichen dieses europäischen Währungs- und Wirtschaftsraumes Chancengleichheit besteht. Wir müssen diese Wettbewerbskraft gemeinsam entwickeln, um Europa jene Voraussetzungen zu geben, die es im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb der Zukunft in seiner inneren Kraft so stark werden lassen, daß es diese zukünftigen Herausforderungen bestehen kann.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine letzte Bemerkung: Ich möchte aufgrund des Entschließungsantrages, den Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen eingebracht hat, nicht im Detail auf diesen sehr sensiblen Bereich, etwa der ausgegliederten Gesellschaften und seiner wechselweisen Relevanz zu den Budgetvoranschlägen der nächsten Jahre Stellung nehmen. Es ist überhaupt keine Frage, daß da bestimmte Probleme zu sehen und auch zu bewältigen sind. Ich gehe aber davon aus, daß wir auch in der Lage sein werden, das zu tun.

Ich werde mir gestatten, auf diesen Entschließungsantrag in sehr großer Detailliertheit und aus meiner persönlichen Perspektive, wie ich diese Probleme für die nächsten zehn Jahre sehe – das war die Frage – zu antworten. Es wird sich sicherlich die Möglichkeit bieten – nicht am Rande der Budgetdebatte, sondern vielleicht in einem zentraleren Bereich –, diese sehr wichtige, bewältigbare Frage, nämlich der SchIG, der ASFINAG, der PTA, der BTBG, der ÖIAG, auch der Oesterreichischen Nationalbank, der möglichen Verwendung der Reserven et cetera, zu besprechen. Ich bin durchaus bereit und auch sehr interessiert, nicht nur meine Sicht der Dinge darzulegen, sondern vielleicht auch vernünftige Gedanken, die auch außerhalb der Koalition geboren werden können – mitunter kommt das ja vor –, in diesen Diskussionsprozeß einzubeziehen. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fink. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.39

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Böhacker, Sie haben in Ihrem Debattenbeitrag eine dringende Umkehr der Steuerpolitik gefordert. Sie haben dabei nur zu sagen vergessen, wie Sie sich diese Umkehr vorstellen.

Herr Kollege Böhacker! Ich glaube, Sie kennen Ihren eigenen FPÖ-Leitantrag: "Steuern senken, Arbeit schaffen". Sie waren ja an der Entstehung dieses Leitantrages beteiligt. Ich habe ihn sehr genau durchgelesen und muß sagen: Dieser Antrag ist eine Sammlung von Allgemeinplätzen; er ist voll von Widersprüchen. Ich fordere Sie auf, Ihren Leitantrag zu überarbeiten. Wir werden die Konsolidierung des Budgets so wie bisher fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe es bereits gesagt: Mit dem heute zu beschließenden Budget wird der erfolgreiche Konsolidierungskurs fortgesetzt. Und er muß fortgesetzt werden, weil es im Jahre 2000 zu einer Steuerreform kommen muß und der Herr Finanzminister einen gewissen Gestaltungsspielraum braucht.

Es ist auch festzustellen – und das tut man nicht gerne –, daß die Steuer- und Abgabenquote bei über 43 Prozent liegt. Sie ist leider die höchste in der Geschichte der Zweiten Republik. Allein schon aufgrund dieser Steuer- und Abgabenquote von 43 Prozent kann es sich bei der Steuerreform nicht um eine Strukturreform handeln, sondern es muß sich um eine echte Entlastung handeln.

Eine wesentliche Forderung für die Steuerreform wird eine spürbare Senkung der Lohnsteuer sein. Der Herr Finanzminister hat in seinen Ausführungen gesagt, daß nicht sehr viel drinnen sein wird, auch wegen der bereits erfolgten Familiensteuerreform. Ich kann auch keinen Betrag nennen, wie hoch diese Nettoentlastung sein soll, aber unter 10 Milliarden Schilling wird sie wahrscheinlich nicht liegen können. Wenn man diesen Betrag mit 15 Milliarden Schilling veranschlagen würde, dann würden wir 1999 bei der Lohnsteuer auf das Niveau des Jahres 1997 von damals 183 Milliarden Schilling zurückkommen.

Das Lohnsteueraufkommen hat sich ja seit dem Jahre 1989 entsprechend erhöht. 1989 hatten wir ein Lohnsteueraufkommen von 89 Milliarden Schilling, 1999 werden es ungefähr 198 Milliarden Schilling sein. Das heißt, daß sich das Lohnsteueraufkommen in zehn Jahren um ungefähr 123 Prozent erhöht hat. Es ist natürlich nicht so, daß dieses erhöhte Aufkommen nur durch die Steigerung der Löhne zustande gekommen ist, sondern auch wir in der Politik dazu beigetragen


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haben – egal, ob das das Strukturanpassungsgesetz des Jahres 1996 war oder andere Dinge mehr.

Mir als Abgeordnetem tut es natürlich weh, daß die Regelung betreffend Familienheimfahrten so geändert wurde, daß man nur mehr das höchste Pendlerpauschale beantragen kann. Das bedeutet für einen Arbeitnehmer aus meinem Bezirk, daß er ungefähr 45 000 S weniger an Werbungskosten im Jahr geltend machen kann. Bei den Werbungskosten für Fahrtätigkeiten gibt es ebenfalls eine Änderung. Das bedeutet entsprechende Belastungen für die Arbeitnehmer auf der einen Seite – und auf der anderen Seite aber eine entsprechende Steigerung im Lohnsteueraufkommen. Die Lohnsteuer trägt eben sozusagen die Hauptlast für die Konsolidierung des Budgets.

Abschließend: Eine Nettoentlastung von ungefähr 15 Milliarden Schilling, wie ich sie genannt habe, ist daher meiner Meinung nach eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und beweist Augenmaß in den Forderungen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser. )

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Redezeit beträgt 1 Minute. – Bitte.

15.43

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bin nicht sehr schlau geworden aus Ihrer Ankündigung, wie Sie mit dem Thema Ausgliederung umzugehen gedenken, was wir zu erwarten haben. Aber abgesehen davon, daß Sie mich sicher noch darüber aufklären werden, hätte ich schon noch eine Frage, und ich hoffe, daß Sie schlauer sind als ich.

Wir beschließen jetzt ja auch eine Ausgliederung im Bereich des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, und im Antrag zur Eingliederung der Schulstatistik in das Bundesrechenzentrum heißt es zum Thema, was das kosten und was das bringen wird: Das Gesamteinsparungspotential läßt sich derzeit nicht quantifizieren, wird aber ein beträchtliches Ausmaß erreichen. – Zitatende.

Wenn ich diesen Satz übersetze, dann heißt das: Wir wissen zwar nichts, aber wir wissen, daß es sehr viel sein wird.

Da es, Herr Bundesminister, doch einige Beispiele von mißglückten Ausgliederungen gegeben hat, über die wir vielleicht auch einmal reden könnten, und da die Frau Bundesministerin eine völlig andere Auskunft über Zahlen gegeben hat, als sie hier zu finden sind, würde ich mir doch wünschen, daß etwas mehr Klarheit bei Ausgliederungen geschaffen wird.

15.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Marianne Hagenhofer. – Bitte.

15.45

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Böhacker, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie in Ihrem Debattenbeitrag gemeint, die Senkung des Budgetdefizits gehe Ihnen zu wenig schnell.

Also ich würde einmal dazu sagen: Man kann ein Budget rasant konsolidieren, dann muß man sich aber auch fragen: Wem tut man weh? Wem tut es weh?, oder man kann ein Budget (Abg. Böhacker: Ich habe Experten zitiert!)  – auch den Experten kann man das sagen – mit Augenmaß konsolidieren. Ich denke, das Budget, so wie es jetzt ist, ist für alle erträglich konsolidiert oder befindet sich in der Phase der Konsolidierung, und das sollte man auch so diskutieren. (Abg. Böhacker: Über die Einnahmen!) Nein, nicht nur über die Einnahmen, es ist ja auch über die Ausgaben saniert worden. (Abg. Böhacker: Zu zwei Dritteln über Einnahmen!)

Sie haben ja auch kritisiert, daß die Steuerpolitik für die Betriebe nicht zumutbar ist. Sie haben im gleichen Atemzug gesagt, Lohn- und die Einkommensteuer müssen sofort gesenkt werden.

 


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Ich frage Sie: Wer bezahlt das alles, wenn wir die Lasten gleichmäßig verteilen wollen? (Abg. Böhacker: Ich schicke Ihnen unser Steuerkonzept! Wenn Sie Zeit haben, darf ich Sie einladen, es zu lesen!)

Ich denke, Herr Kollege Böhacker, die Budgetkonsolidierung, so wie sie jetzt vorschreitet, ist gut für das Land Österreich, ist aber auch gut für die Menschen, die in Österreich wohnen, weil sie eine möglichst gleiche Lastenverteilung bringt. (Abg. Böhacker: Das ist Ihre Sicht, nicht meine!)

Kollege Nußbaumer hat gemeint – er hat auch einen Experten zitiert –, im Verwaltungsbereich seien 20 Prozent an Einsparungen drinnen. Er hat gleichzeitig eingeräumt, daß man das nicht sofort machen kann, weil das den Arbeitsmarkt zu stark belasten würde. Er hat aber auch der Regierung Untätigkeit vorgeworfen, und ich denke mir, so kann es nicht sein. Die Regierung ist nicht untätig! Er hat nur übersehen, daß es im Bereich der Verwaltung einen Personalstopp gibt, mit Ausnahme der Bereiche Exekutive, Inneres, im gesamten Justizbereich, im Finanzbereich, bei der Zollwache und im Unterricht. Ich denke, so fair muß man sein, das auch zu erwähnen, wenn man sagt, die Regierung sei untätig. Das stimmt nämlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu meinem Bereich, der aktiven Arbeitsmarktpolitik, aus der ich ja komme, möchte ich sagen, daß es für heuer, also für 1998, noch 500 Millionen Schilling für den Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung gibt, 500 Millionen für nächstes Jahr, plus 1 Milliarde Schilling – und das darf man nicht vergessen – an Umschichtungsmöglichkeiten. Außerdem gibt es die Möglichkeit – das darf man natürlich nicht übersehen, und ich denke, das ist auch das erste Mal so – der Fortschreibungen beziehungsweise der Rücklagenfähigkeit, das heißt eben, keinen Verfall der vorgesehenen Geldmittel. Das ist besonders wichtig im Bereich der Sicherung der Jugendausbildung.

Kollege Van der Bellen hat gemeint, er sehe die Finanzierung des NAP als ungesichert. – Er ist jetzt nicht da, aber ich würde sagen, Herr Kollege Van der Bellen: Die Finanzierung ist eng, aber sie ist auch eine Herausforderung, nämlich in der Richtung, daß arbeitsmarktpolitische Maßnahmen jetzt auch auf Qualität und auf Effektivität geprüft werden können. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Da gibt es verschiedene Maßnahmen, über die man durchaus diskutieren und die man sich für diesen Bereich anschauen kann. Dazu stehe ich, und das werde ich auch nicht verneinen, weil ich ja aus diesem Bereich komme und da selbstverständlich auch einiges kenne. Aber Sie kritisieren immer wieder auch diese Maßnahmen.

Kollege Peter hat gemeint, der Bildungsschwerpunkt könne nicht erfüllt werden, und er sehe auch im Bundesfinanzgesetz keinen Ansatz dafür. – Ich möchte ihm sagen: Ich sehe sehr wohl einen Ansatz, und zwar im Bereich der Bildungskarenz. Die Bildungskarenz ist allerdings – so möchte ich es einmal sehen – einfach auf gemeinsames Wollen ausgerichtet. Derzeit sind sehr viele Dienstgeber noch nicht bereit, den Dienstnehmern Bildungskarenz zuzugestehen, und leider Gottes ist die Möglichkeit nicht vorhanden, daß der Arbeitnehmer selbst über Bildungskarenz bestimmen kann. So weit haben wir es offensichtlich nicht hingebracht. Ich würde mir wünschen, daß der Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Dienstgebers die Bildungskarenz in Anspruch nehmen könnte. Dann wären wir sicherlich um ein Stück weiter in der beruflichen Weiterbildung. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend noch eine Bitte auch an den Regierungspartner und an Sie alle hier im Hohen Hause: Für Bildungskarenz oder Weiterbildung ist gemeinsames Wollen und gemeinsames Umsetzen erforderlich. Der Finanzminister hätte dafür vorgesorgt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

15.50

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, daß es sowohl populär als auch populistisch ist, Beamte, insbesondere Finanzbeamte, an den Pranger zu stellen. – Ich will das nicht machen. Im Gegenteil: Ich möchte Finanzbeamte, nämlich unsere Finanzbeamten, endlich einmal vor den Vorhang bitten.


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Stenographisches Protokoll
125. Sitzung / Seite 97

Erinnern wir uns einmal zurück an die Zeit vor zehn Jahren, als der abgabenrechtliche Erhebungsdienst für negative Schlagzeilen gesorgt hat und insbesondere Ereignisse bei Steuerfahndungen in den Medien zu einem unliebsamen Ruf der Finanzverwaltung geführt haben. Diese Mißstände wurden beseitigt. Es gibt seit Jahren keine negativen Schlagzeilen für die Finanzbeamten, und ich hoffe, daß das auch in Zukunft so bleiben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir bedenken, welche strukturellen Veränderungen in den letzten zehn Jahren innerhalb der Finanzverwaltung stattgefunden haben, dann können wir eigentlich diesen Beamten großes Lob aussprechen. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Denken wir an die elektronische Veranlagung ganz allgemein, an die Arbeitnehmerveranlagung, die in den Zeiten davor vom Unternehmer durchgeführt werden mußte und jetzt durch die Finanzverwaltung erfolgt, denken wir an die vielen Serviceleistungen, die die Finanzverwaltung erbringt! Ich denke da etwa an die Beratungsstellen für die diversen Beihilfen und Ansuchen, die, wie gesagt, bei den Finanzämtern eingebracht werden.

All diese strukturellen Maßnahmen sind einhergegangen mit einer 5prozentigen Personaleinsparung. Herr Bundesminister, ich habe allergrößtes Verständnis, was die Lohnforderungen der Finanzbeamten anlangt, und ich würde mir sehr wünschen, daß Sie einen Teil dieser Einsparungen leistungsorientiert den Beamten der Finanzverwaltung wieder zur Verfügung stellen würden.

Ich wünsche mir das deshalb, weil wir zurzeit ein so konstruktives Klima zwischen Steuerzahlern und Finanzverwaltung haben, wie wir es nie zuvor hatten, und ich möchte eigentlich nicht, daß sich dieses Klima ändert. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Tychtl. )

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte.

15.53

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen allmählich zum Ende der Budgetdebatte, und es ist daher legitim, auf den Verlauf dieser Debatte zurückzublicken. Dabei möchte ich festhalten, daß sich gerade die zweite Woche dieser Debatte wohltuend von anderen Sitzungswochen unterscheidet. Die Beratungen waren zwar kontrovers, was ja für eine Demokratie legitim ist, aber der Stil war in dieser Woche wohltuend anders.

Über die Gründe kann man verschiedener Ansicht sein, aber rhetorische Untergriffe, wie wir sie im Laufe der Jahre immer wieder erleben mußten, sind diesmal nicht aufgetreten. Damit meine ich vor allem die Kollegen von der rechten Seite dieses Hauses.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe Ihnen jetzt einige Passagen aus dem Stenographischen Protokoll, Passagen, die aus meiner Sicht schuld daran sind, daß sich der Stil in diesem Hause so verändert hat.

Am 28. März hat Kollege Öllinger folgendes festgestellt:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Stadler, der auch nicht gerade zimperlich mit seinen rhetorischen Instrumenten heute umgegangen ist, hat von einer "Republik der Nehmer" gesprochen und damit die Zweite Republik gemeint. – Möglich, ich will mich dazu nicht äußern. Das ist eine Äußerung, die für sich selbst spricht.

Oder am 1. Dezember 1994, Kollege Hofmann – es tut mir leid, dir das sagen zu müssen –:

"Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Der Herr Abgeordnete Wabl hat wieder einmal die Keule gegen die FPÖ geschwungen. Es ist nichts Neues. Er hat immer noch nicht mitbekommen, daß die Freiheitliche Partei im Gegensatz zu vielen anderen keine Partei der Nehmer ist, ..." (Abg. Dr. Pumberger: Bravo!)

Am 29. März 1995, Abgeordneter Dr. Krüger:


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125. Sitzung / Seite 98

"Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgeordneter Kiermaier hat aus einer Rede des Abgeordneten Mag. Stadler zitiert, die am 2. Februar 1995 hier in diesem Hohen Haus gehalten wurde. In dieser Rede hat Abgeordneter Stadler die Sozialistische Partei als ,Nehmerpartei‘ dargestellt. Daraus zieht Abgeordneter Kiermaier den Schluß, daß einzelne Abgeordnete mit dieser Bezeichnung gemeint sind."

Abgeordneter Krüger sagte dann – und das, meine Damen und Herren, müssen Sie sich auf der Zunge zergehen lassen! (Abg. Dr. Krüger: Das war vor drei Jahren!)  – Kollege Krüger, ich möchte Sie bitten, das Ihren Leuten auszurichten! –:

"Ich stelle richtig, daß damit nicht einzelne Abgeordnete gemeint waren, sondern die Partei als Ganzes."

Das können Sie ihren Kolleginnen und Kollegen ausrichten, Herr Dr. Krüger! (Abg. Dr. Krüger: Das war vor drei Jahren, bitte!) Glauben Sie vielleicht, wir vergessen das alles? Glauben Sie, Sie können uns ungestraft ununterbrochen beleidigen? (Abg. Dr. Krüger – eine Verbeugung andeutend –: Entschuldigung!) Sie haben das jahrelang getan, Herr Abgeordneter Dr. Krüger! (Beifall bei der SPÖ.)

Am 15. März hat sich Abgeordneter Dr. Haider gemeldet:

Da kommen dann Redner wie Frau Kollegin Schmidt hier heraus, die sagt, es müsse doch so eine Art Grundsolidarität geben. Ja mit wem denn bitte? – Abgeordneter Mag. Stadler als Zwischenrufer: Mit sich selbst! – Haider weiter: Die Solidarität ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kiermaier! Heute ist der 28. Mai 1998, und wir sind bei der Budgetgruppe Finanzen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Krüger: Vor drei Jahren war das! Kollege Kiermaier! Es muß auch eine Verjährung geben!)

Abgeordneter Günter Kiermaier (fortsetzend): Ja, aber es muß legitim sein, daß man solche Dinge nicht einfach wegsteckt. Ich frage mich ernstlich, ob das wirklich gut war für den ganzen Parlamentarismus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Bundesminister! Ich bedanke mich bei Ihnen und bei allen Beamten Ihres Hauses für die Erstellung dieses Budgets, und ich bedanke mich dafür, daß dieses Budget für unser Land eine kontinuierliche Weiterentwicklung garantiert.

Was ich noch unbedingt erwähnen möchte: In Anbetracht der kommenden EU-Präsidentschaft wird natürlich vor allem auch das Budget von allen Mitgliedstaaten sehr genau betrachtet werden. Wir können dieses Budget mit Stolz herzeigen, wir können auf einen kompetenten Finanzminister verweisen, wir können aber auch – und da wende ich mich auch an die Kollegen von der ÖVP – auf eine kompetente Bundesregierung verweisen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, folgendes ist auch einmal zu sagen: Wenn man bei dieser Budgetdebatte verfolgt hat, wie die beiden Fraktionen der Regierungsparteien auch
den jeweils der anderen Fraktion angehörenden Ministern applaudiert haben, sieht man: Das zeugt von einer Haltung (ironische Heiterkeit des Abg. Dkfm. Holger Bauer )  – da können Sie ruhig darüber lachen; wenn es Ihnen gefällt, ist es mir recht; das ist eine Sinneshaltung, Herr Doktor –, die man, glaube ich, auch für gut befinden sollte.

Ich bin jedenfalls mit diesem Budget sehr glücklich, und ich gratuliere allen Damen und Herren des Finanzministerium zu diesem Budget. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. – Bitte.

15.58

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! 1996 wurde mit dem Strukturanpassungsgesetz die Möglich


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125. Sitzung / Seite 99

keit der steuerfreien Mietzinsrücklagen abgeschafft und gleichzeitig für die Auflösung alter Mietzinsrücklagen eine Frist bis Jahresende 1998 gesetzt.

Diese Maßnahme, die vielleicht vielen nicht gefallen hat, hatte zweifellos aber auch einen sehr positiven Effekt, nämlich für die Beschäftigung in der Bauwirtschaft. Es konnten dadurch Einbrüche in anderen Bereichen der Bauwirtschaft kompensiert werden. Es hat sich diese Maßnahme vor allem in Wien als Stütze der Baukonjunktur herausgestellt.

Allerdings stellt sich jetzt heraus, daß bis zum Jahresende 1998 keinesfalls alle damals vorhandenen steuerfreien Rücklagen im Mietzinsbereich verbraucht werden können, und ich halte es auch nicht für gut, daß es Ende 1998 zu einem abrupten Abbruch kommt.

Herr Bundesminister! Ich möchte daher von dieser Stelle aus an Sie appellieren, die Zeit zu nützen und eine Übergangsregelung vorzusehen, damit noch bis etwa Ende 1999 nicht verbrauchte steuerfreie Mietzinsrücklagen verwendet werden können, denn das hätte für die Bauwirtschaft genauso wie für die Erhaltung der guten alten Haussubstanz ausgesprochen positive Effekte. (Beifall bei der ÖVP.)

Was nicht geschehen sollte, ist, daß man das junktimiert mit anderen Maßnahmen, etwa mit neuen Modellen anstelle der alten steuerfreien Mietzinsrücklagen. Im Gegenteil: Ich glaube, wenn wir eine Verlängerung der Auflösung der alten steuerfreien Rücklagen bis Ende 1999 vornehmen könnten, könnte man auch in Ruhe darüber reden, wie für die Zukunft ein vernünftiges Ansparen für Erhaltungsarbeiten im Althausbereich wieder möglich sein wird.

Ich möchte Sie daher wirklich ersuchen, Herr Bundesminister, die Chance zu nützen und damit meiner Schätzung nach etwa 3 000 bis 5 000 Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft für das Jahr 1999 zu sichern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kröll. Er hat das Wort.

16.01

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich spreche zum Kapitel 53, Finanzausgleich. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß der österreichische Finanzausgleich von der Grundidee her eine verbundene Steuerwirtschaft ist und als solche auch getragen wird – und das mit Erfolg über viele Jahre hinweg.

Im Budgetansatz sind rund 44,5 Milliarden Schilling an Leistungen und Zuschüssen an Gemeinden und Länder vorgesehen und rund 5,5 Milliarden Schilling an Einnahmen. Damit ist für das kommende Jahr 1999 auf der Einnahmenseite für die Gemeinden eine Sicherheit geboten, womit ein weiterer Meilenstein und ein Mosaik des Finanzausgleiches, der bis 2001 vereinbart ist, Herr Minister, zum Tragen kommt.

Es ist aber nicht nur der Finanzausgleich ein in Zahlen gegossenes Zuteilungsinstrument, sondern es ist auch ein Vertrauensinstrument, ein Vertrauensbündnis zwischen den Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden.

Es kommen in nächster Zeit auf den Finanzausgleich 2001 und auf die Kommunen sowie auf die Republik und die Länder große Herausforderungen zu. Der Konsultationsmechanismus, über den viel gesprochen wurde, wird noch vor dem Sommer beschlossen werden. Der Stabilitätspakt ist nicht losgelöst vom Konsultationsmechanismus zu sehen. Wir müssen auch in Zukunft unsere Aufgaben erfüllen, nämlich sparsam wirtschaften und dennoch versuchen, über diese Sparsamkeit Budgets zu erreichen, mit denen wir die Notwendigkeiten auf allen drei Ebenen – Bund, Länder und Gemeinden –, insbesondere auf Gemeindeebene, erfüllen können.

Es wurde auch die Steuerreform 2000 angesprochen. Dazu haben auch schon viele Kollegen – egal, ob Peter, Kaufmann, Stummvoll, Van der Bellen, Sigl und zuletzt Fink – Vorschläge gemacht. Man hört in den Diskussionen auch immer wieder Vorschläge, die darauf hinauslaufen,


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125. Sitzung / Seite 100

Steuerreformen dahin gehend zu machen, daß man sozusagen den Gemeinden ihre Einnahmen – egal, ob Getränkesteuer oder Kommunalsteuer – reduziert oder wegnimmt. Das kann aber doch bitte nicht die Lösung sein! Das möchte ich hier sozusagen als Stimme der Gemeinde klar zum Ausdruck bringen.

Augenmaß ist gefragt! Gemeinsame Verantwortung ist gefragt! Dann haben wir auch die Chance, diesen erfolgreichen Stabilisierungskurs gemeinsam zu tragen. Wenn wir im Finanzausgleich und in der Steuerreform gerecht und verantwortungsvoll vorgehen, müssen wir immer auch daran denken, daß das Fundament für die Länder und für unseren Staat letztlich die Gemeinde ist, die nicht nur autonom und auf Selbstverwaltung aufgebaut ist, sondern auch eine ausreichende finanzielle Ausstattung braucht.

Wir werden diesem Ansatz daher gerne zustimmen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Günther Platter. Er hat das Wort.

16.04

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie mein Kollege, Abgeordneter Hermann Kröll, möchte ich mich beim Budgetkapitel Finanzen ebenfalls mit der finanziellen Situation der Gemeinden ganz kurz befassen.

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß die Budgetkonsolidierung bei uns im Bund wirklich so erfolgreich läuft, daß das Budgetdefizit entsprechend gesenkt werden konnte, aber im gleichen Maße ist auch darauf zu achten, daß die Gemeinden weiterhin die finanziellen Möglichkeiten haben, um ihre Aufgaben bewältigen zu können.

Neben den Abgabenertragsanteilen, bei denen man heuer spürt, daß sie etwas zurückgehen, sind für die Gemeinden aber die eigenen Steuern ganz besonders wichtig. Die drei wichtigsten Säulen sind nun einmal die Grundsteuer, die Kommunalsteuer und die Getränkesteuer. Wenn eine dieser drei Säulen abgeschnitten wird, so hat das meiner Meinung nach fatale Auswirkungen auf die Gemeinden. Ich warne daher vor Überlegungen, die Getränkesteuer oder die Kommunalsteuer abzuschaffen und im Gegenzug die Grundsteuer anzuheben.

Ich möchte da ein Beispiel nennen, und zwar aus der Gemeinde Ischgl. Die Gemeinde Ischgl ist weltweit bekannt aufgrund ihres schönen Schigebietes. Die Gemeinde Ischgl hat Einnahmen aus Getränkesteuern in Höhe von 21,8 Millionen Schilling; die Grundsteuer macht 3,1 Millionen Schilling aus. Das heißt, ein Abtausch der Getränkesteuer mit der Grundsteuer würde eine Erhöhung von 700 Prozent bedeuten. Bei einer solchen Regelung würde man die Häuselbauer treffen, würde man natürlich auch die Bauern treffen und nicht zuletzt auch die wirtschaftlichen Unternehmungen. – Ich meine, das kann es mit Sicherheit nicht sein!

Die Gemeinden brauchen diese Einnahmen dringend, damit die Annuitäten bewältigt werden, damit die vom Gesetz vorgeschriebenen Aufgaben durchgeführt werden können, damit aber auch Investitionen in den Gemeinden getätigt werden können, die natürlich dem Tourismus, aber letztlich auch der heimischen Wirtschaft zugute kommen, weil gerade die Gemeinde daran interessiert sind, daß die Aufträge in der Region bleiben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.06

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß mir soeben der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses seitens der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde überreicht wurde, und zwar zur Untersuchung der Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung in Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord


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125. Sitzung / Seite 101

an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I, Dr. Abdul Rahman Ghassemlou, und seiner zwei Vertrauten.

Es ist auch eine Debatte darüber beantragt worden. Diese Debatte findet nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Die Abstimmung über den Untersuchungsausschuß findet nach Durchführung der Debatte statt.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Willi Sauer. Er hat das Wort.

16.07

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im Zuge der Budgetberatungen wurde gestern hier auch sehr viel über die EU-Erweiterung gesprochen. Als Abgeordneter, der im EU-Grenzland lebt und arbeitet, möchte ich zu diesem Thema einige Anmerkungen zur künftigen Steuerreform machen.

Es ist gestern davon gesprochen worden, daß EU-Mittel nicht nur jenseits, sondern auch diesseits der Grenze eingesetzt werden sollen. Das ist sehr, sehr wichtig, gerade für unseren Grenzraum. Diese Hilfe für die EU-Außengrenze soll aber nicht nur durch Mittel aus der EU, sondern auch durch eine Hilfestellung durch die nationale Finanz gewährleistet werden.

In der für die nächste Zeit geplanten Steuerreform soll meines Erachtens, sehr geehrter Herr Bundesminister, eine gewisse Hilfe zur Selbsthilfe beinhaltet sein. Es sollen steuerliche Anreize für die vielen Klein- und Mittelbetriebe in dieser Grenzregion geschaffen werden. Politik allein schafft keine Arbeitsplätze, sondern die Politik schafft die Rahmenbedingungen, damit die Wirtschaft Arbeitsplätze schaffen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Man muß den Klein- und Mittelbetrieben die Möglichkeit geben, zu verdienen, dann werden sie investieren. Wenn sie investieren und verdienen können, dann werden sie auch Arbeitsplätze absichern. Wenn sie verdienen können, dann werden sie auch expandieren, und wenn sie expandieren, werden sie zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder Unternehmer kann dann die steuerlichen Anreize in Anspruch nehmen und muß nicht einen langen bürokratischen Weg gehen, um am Ende vielleicht feststellen zu müssen, daß die Richtlinien für eine Förderung für seinen Betrieb gar nicht zutreffen. Mit guten steuerlichen Maßnahmen kann man die Abwanderung in diesen Regionen sicherlich verringern.

Ich ersuche Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, diese Vorschläge bei der nächsten Steuerreform zu berücksichtigen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Er hat das Wort.

16.10

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Budgetsprecher meiner Fraktion meine ich, daß der heutige Tag Gelegenheit dazu bietet – gerade im Zusammenhang mit dem Ablauf der Budgetdebatte und der Budgetberatungen in den Ausschüssen –, auch einiges Kritisches anzumerken, zumal ich, wie Sie wissen, mein Mandat am Ende dieser Sitzung niederlegen werde.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich die richtigen Worte finde, und ich hoffe weiters, daß Sie mir zugestehen, daß ich mich als Teil dieses Plenums fühle und als einer von Ihnen, daß ich nicht irgend jemanden beschimpfen, auch nicht kritisieren möchte, sondern ich meine ganz einfach, daß es an der Zeit ist, Selbstkritik – im positiven Sinne des Wortes – zu üben.


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125. Sitzung / Seite 102

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen – und in vielen Gesprächen, die ich mit einzelnen von Ihnen geführt habe, ist das auch deutlich bestätigt worden –, daß zwischen unserer geschriebenen Verfassung und der Realverfassung eine Kluft besteht, die sich in der Tendenz öffnet und bedauerlicherweise nicht schließt. Ich nehme nicht für mich in Anspruch, ein Verfassungsrechtler oder Verfassungsexperte zu sein und sehe das daher vielleicht etwas vereinfacht. Ich glaube aber doch, daß wir darüber nachdenken sollten, ob wir eine solche Kluft zwischen der geschriebenen Verfassung und unserer Realverfassung wünschen, und daß wir weiters darüber nachdenken sollten, woran sich diese Kluft festmachen läßt.

Ist es vielleicht unser Listenwahlrecht, das wir mehr oder weniger unkritisch hinnehmen? Ist es vielleicht der Mangel an Elementen eines Persönlichkeitswahlrechtes, das wir uns wünschen und das diesen Zustand verbessern könnte? Gibt es eine Diskrepanz zwischen dem freien Mandat und dem Klubzwang? Besteht eine Diskrepanz zwischen dem, was unsere Verfassung gerne möchte und was insbesondere auf dem Gebiete von Minderheitenrechten in diesem Haus geübt wird?

Ich bin der Ansicht, daß es hier zumindest einen Bedarf gibt, darüber nachzudenken und auch eine offene und vorurteilsfreie Diskussion zu eröffnen. Glauben Sie mir: Als ich hier vor knapp vier Jahren angelobt wurde, bin ich nicht nur als überzeugter Demokrat in den Nationalrat gekommen, sondern auch als Anhänger eines von Parteien getragenen Parlamentarismus. Ich muß mir selbst in Erinnerung rufen, daß nach den ersten Malen, als all das noch neu war und die Neugierde sowie das Lernen im Vordergrund standen, bald das Gefühl des ungläubigen Staunens Platz gegriffen hat: ungläubiges Staunen darüber, wie anders dieses Bild eines von Parteien getragenen Parlamentarismus und des Hohen Hauses in Wirklichkeit ausschaut.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie Sie das empfinden – oder ob Sie sich schon derart daran gewöhnt haben, daß Sie nicht mehr darüber nachdenken wollen. Vielleicht empfinden Sie es auch gar nicht mehr als Defizit, aber denken Sie an das äußere Bild, an das oftmals überwiegende – ich würde es so nennen – Regelbild, das dieses Haus liefert. Wodurch wird es bestimmt? – Durch leere Ränge, durch zeitungslesende Mandatare, durch Zusammenrotten in kleinen Gruppen, durch Langeweile.

Meine Damen und Herren! Wir alle sollten uns ins Bewußtsein rücken, daß wir damit sowohl unserer geschriebenen als auch unserer Realverfassung schaden. Das Bild, das wir nach außen transportieren, ist ein erbärmliches. Ich denke mir oft, es ist gut, daß die Menschen, die uns gewählt, die uns hierher entsandt haben, dieses Bild nicht 1 : 1 serviert bekommen, daß sie das nicht wissen. Sie würden mit Recht harsche Kritik an unserem Verhalten üben.

Neben diesem Erscheinungsbild nach außen meine ich auch, daß wir große Defizite innerhalb unserer Mechanismen haben: Wo bleibt die Diskussion? Wo bleibt die Auseinandersetzung hier im Plenum oder in den Ausschüssen? Wo bleibt der Wettbewerb der Argumente? Wo bleibt denn die Bereitschaft, sich mit Ideen anderer tatsächlich zu beschäftigen und aus dem Argumentationsverlauf das Beste für ein Gesetz, für eine Regelung abzuleiten? – Das, meine Damen und Herren, ist ein großes Defizit. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich bin der Ansicht, daß, wenn wir dieses Verhalten beibehalten, das ein weiterer Punkt ist, bei dem wir sowohl der geschriebenen als auch der Realverfassung Schaden zufügen.

Ich weiß: Immer wenn wir innerhalb unseres Klubs – und ich mit meiner geschätzten Frau Chefin – diese Debatte führen, dann kommt das Argument: Das könnte mißbraucht werden, und das ist nicht demokratiepuristisch. – Es wird alles von einem sehr idealen Standpunkt aus betrachtet. Ich frage Sie daher – so wie ich mich selbst oft gefragt habe – folgendes: Womit und wodurch schaden wir der Demokratie mehr: indem wir diese Zustände zulassen, uns mit ihnen abfinden oder indem wir wirklich darüber nachdenken, wie wir sie ändern könnten?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird immer einzelne – oder bedauerlicherweise ganze Gruppen von Mitgliedern dieses Hohen Hauses – geben, die die geschriebene Verfassung und die Realverfassung so interpretieren, wie sie es gerne wollen, die glauben, daß es rechtens ist,


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125. Sitzung / Seite 103

destruktiv zu sein, die glauben, daß der Zweck die Mittel heiligt und die daher immer potentiell in der Lage und willens sein werden, jede Regelung zu mißbrauchen. Das heißt aber nicht, daß ich mich der Meinung anschließe, daß es durch eine grundlegende Geschäftsordnungsreform nicht möglich wäre, die Zustände in diesem Haus deutlich zu verbessern, ohne so naiv zu sein, davon auszugehen, daß damit ein Kreis von Freunden entstünde. – Das ist auch nicht meine Vorstellung.

Meine Damen und Herren! Ich meine, wenn wir eine Lösung der Frage der inneren Reform des Parlaments, des Parlamentarismus nicht rasch und entschlossen angehen, dann werden wir zum Schaden und zur Rufminimierung, die wir in den letzten Jahren und Monaten, solange ich das beobachtet habe, zweifelsohne registrieren mußten, noch weiter auf diesem bedauerlichen Weg voranschreiten.

Herr Bundesminister! Zum Schluß meiner Rede möchte ich mich auch an Sie und an Ihre Regierungskollegen wenden. Ich möchte Sie folgendes fragen – Sie wissen, daß ich Sie schätze –: Warum sind Sie stolz darauf, daß Ihr Budget nicht dazu geeignet ist, wechselseitig zu emotionalisieren, wie Sie es gesagt haben? – Nach meinem Dafürhalten sollte es emotionalisieren! Es sollte eine Diskussion hervorrufen, und es sollte eine politische Auseinandersetzung Platz greifen. Ich empfinde es als zynisch, Herr Bundesminister, wenn Sie von der Regierungsbank aus sagen: Ich habe ein Budget vorgelegt, das so gut ist, daß ich davon ausgehen kann, daß es mit großer Wahrscheinlichkeit beschlossen werden wird.

Herr Bundesminister! Auch mit solchen Aussagen fügen Sie dem Parlamentarismus Schaden zu, und es ist bedauerlich, daß das kein Einzelfall ist. Ich möchte Sie bitten, das zu überdenken. Es ist gut und auch hin und wieder erheiternd, wenn man eine Note in Diskussionen hineinbringt, die nicht immer nur purer Ernst, pure Sachlichkeit bedeutet, sondern die auch aufzulockern vermag. Das tun Sie, aber ich bitte Sie, daran zu denken, daß es hier im Hause auch noch Personen gibt, die Ihnen genau zuhören und die Worte abwägen. Was dann zurückbleibt, sollte dem Parlament und der Begeisterung, hier zu arbeiten, nicht abträglich sein, sondern es sollte das unterstützen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Abschließend möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mir als Gesprächspartner in diesen beinahe vier Jahren zur Verfügung gestanden sind und das eine oder andere Problem in erfreulichen Stunden, aber durchaus auch in sehr ernsten Diskussionen mit mir debattiert haben.

Ich möchte mich auch bei jenen entschuldigen, die ich von diesem Pult aus oder bei anderer Gelegenheit gekränkt beziehungsweise beleidigt haben könnte.

Ich möchte Ihnen letztendlich den Mut, die Entschlossenheit und jene Zielgerichtetheit wünschen, die Sie brauchen werden, um nicht nur zu einer tauglichen und besseren Geschäftsordnung zu gelangen, sondern daß Sie gegebenenfalls zu einer verbesserten, verfeinerten, demokratiefortschrittlichen Verfassung mit Minderheitenrechten für das Hohe Haus kommen.

Ich wünsche Ihnen auch alles Gute für die Zukunft! – Ich danke Ihnen. (Langanhaltender Beifall beim Liberalen Forum, bei SPÖ und ÖVP, bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zu den Abstimmungen.


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125. Sitzung / Seite 104

Wir stimmen zunächst ab über die Beratungsgruppe XI des Bundesvoranschlages für das Jahr 1999. Diese Beratungsgruppe umfaßt die Kapitel 50 bis 56 sowie 58 des Bundesvoranschlages.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Beratungsgruppe ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit in zweiter Lesung angenommen.

Ich schlage vor, daß wir sogleich über die bei dieser Verhandlung eingebrachten Entschließungsanträge abstimmen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Dann stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Van der Bellen und Fraktion betreffend Vorlage eines Berichtes über erfolgte Budgetausgliederungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag Van der Bellen zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Nunmehr stimmen wir ab über den Text des Bundesfinanzgesetzes samt Titel und Eingang in 1100 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Schließlich stimmen wir ab über die zum Bundesfinanzgesetz gehörenden Anlagen, soweit über diese nicht bereits abgestimmt wurde.

Es sind dies die Zusammenfassung nach Gruppen und Kapiteln der Anlage I und die Anlagen Ia bis Ic unter Berücksichtigung der sich aus den Spezialberichten in 1160 der Beilagen ergebenden Abänderungen.

Weiters die Zusammenfassung nach Gruppen und Kapiteln der Anlage II, die Anlage IIa, summarische Aufgliederung des Konjunkturausgleich-Voranschlages, ferner die Anlage III, Stellenplan in der Fassung des Ausschußberichtes, weiters die Anlage IV, Fahrzeugplan in der Fassung des Ausschußberichtes sowie die Anlage V, Plan für die Datenverarbeitungsanlage in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Teil der Vorlage ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Damit ist die zweite Lesung über den Staatshaushalt für das Jahr 1999 samt Anlagen beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Budget für das Jahr 1999 auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Damit ist das Budget für das Jahr 1999 verabschiedet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Madeleine Petrovic auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Kurden-Morden.


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125. Sitzung / Seite 105

Der Antrag ist inzwischen schriftlich verteilt worden, daher erübrigt sich die Verlesung durch einen Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und Freunde auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, ,die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg‘ preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet – erteilt wurden.

Mit folgender Zusammensetzung:

4 SPÖ, 3 ÖVP, 2 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

Gleichzeitig verlangen die unterfertigten Abgeordneten die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Debatte ein.

Die Begründerin hat eine Redezeit von 10 Minuten; jede Fraktion, falls gewünscht, je 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

16.25

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung der politischen Verantwortung von Mitgliedern der Bundesregierung, die die Flucht der Kurden-Mörder im Jahre 1989 ermöglicht haben, wurde in diesem Hause von der Opposition diverse Male eingebracht. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Ruf bei der ÖVP: Und abgelehnt!)  – Und mit Mehrheit abgelehnt.

Die mangelnde Bereitschaft, die politische Verantwortlichkeit dafür zu klären, warum es damals zu einer Reduktion der Botschaftsbewachung gekommen ist, warum mutmaßliche Mörder sogar mit Polizeieskorte zum Flughafen gebracht worden sind, ist evident. Eine Aufklärung ist bis zum heutigen Tage nicht erfolgt.

Es gab in dieser Causa auch seitens des Liberalen Forums eine Dringliche Anfrage. Diese Dringliche Anfrage hat ebensowenig Klärung über die Hintergründe gebracht, nämlich: War es ein Fall von Staatsnotstand? Haben die verantwortlichen Organe der Republik Österreich zu Recht befürchten können, ja befürchten müssen, daß ansonsten vielleicht größeres Unheil passiert? Oder hat man sich vor dem mächtigen Arm des Iran gebeugt, hat man sich vor der Tatsache gebeugt, daß möglicherweise Wirtschaftsaufträge verlorengehen? – Dies alles ist eine Frage von politischer Verantwortung. Gab es also ein legitimes Zögern bei der Verfolgung der Kurden-Mörder oder gab es keine legitimen Gründe?


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Stenographisches Protokoll
125. Sitzung / Seite 106

Vor allem seitens der Österreichischen Volkspartei wurde damals gesagt, daß sie einen derartigen Untersuchungsausschuß ablehnt, weil das auch eine Beeinflussung des Bundespräsidentschafts-Wahlkampfes sein könnte. Nun: Dieses Argument gilt ja jetzt wohl nicht mehr. Ich habe Sie bereits damals darauf aufmerksam gemacht, daß wir diesen Antrag wieder stellen werden.

Noch interessanter als das Verhalten der Österreichischen Volkspartei, die das Argument "bevorstehender Bundespräsidentschafts-Wahlkampf" ja jetzt nicht mehr ins Treffen führen kann, ist jedoch das Abstimmungsverhalten der freiheitlichen Fraktion. Es ist mir wichtig, heute zu klären, wie sich die freiheitliche Fraktion, die in der Vergangenheit verschiedene Haltungen zu diesem Thema gezeigt hat, heute hier darstellen wird.

Ich erinnere Sie daran, daß am 14. Mai 1997 der geschäftsführende Klubobmann Stadler mit großer Vehemenz von den Regierungsparteien Aufklärung verlangt hat, und er hat die politische Verantwortung für die Aufklärung eingeklagt und hat hier sehr lautstark vom Rednerpult aus gesagt, man könne doch seitens der Regierungsparteien nicht so tun, als ob das kein Thema für die Öffentlichkeit wäre.

Derselbe geschäftsführende Klubobmann Mag. Stadler hat nicht einmal ein Jahr später, und zwar am 15. April 1998, ebenfalls hier vom Rednerpult aus, ganz andere Worte angestimmt. Er hat nämlich gesagt, daß das Szenario nunmehr eindeutig sei. Man wolle mit dem Ghassemlou-Mord den Bundespräsidenten "anpatzen", um ihm eine Wiederkandidatur sozusagen zu versalzen.

Meine Damen und Herren! Wir hatten in diesen Tagen – auch während der Budgetberatungen – aus Anlaß der aktuellen Diskussion um die sogenannte Causa Rosenstingl auch eine sehr ernsthafte Debatte um politische Verantwortung. So wie es eine politische Verantwortung der Regierenden gibt, nicht zu mauern – auch wenn Sie überzeugt davon sind, daß alles korrekt ist, ja gerade dann gilt es, eine parlamentarische Untersuchung freizugeben –, gibt es meiner Meinung nach auch eine politische Verantwortung der Opposition, und das ist die ureigenste Verantwortung von Opposition, nämlich dort warnend und mahnend aufzutreten, wo sie der Meinung ist, daß etwas zu Unrecht nicht aufgeklärt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich denke, es kann nur Zeichen einer seriösen Oppositionspolitik sein, bei – solange sich an den Fakten nichts geändert hat – einer Meinung zu bleiben. Ich habe aus dem Verhalten der freiheitlichen Fraktion hier den Eindruck gewonnen, daß ihr Aufklärungsinteresse davon abhängt, wie ihre Machtinteressen im gegenwärtigen Moment ausschauen. Das aber – und ich habe diesen Satz auch schon in der Öffentlichkeit gesagt – wäre der Beleg dafür, daß den Freiheitlichen jegliche Art von seriöser Oppositionsfähigkeit abhanden gekommen ist. (Beifall bei den Grünen.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Löschnak. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

16.31

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in gebotener Kürze, in wenigen Sätzen, zum Antrag der Grünen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu der seit Jahr und Tag, könnte man schon sagen, bekannten Causa Stellung nehmen.

Frau Abgeordnete Petrovic! Ich akzeptiere, daß Sie wirklich profund und seriös sprechen wollen, aber dann müssen Sie das auch tatsächlich tun. Und ich verstehe nicht, daß Sie zum x-ten Mal mit einer Begründung herauskommen, die ganz einfach überholt ist. Es gibt bitte in der Zwischenzeit das Urteil des Kammergerichtes Berlin, Umfang: 395 Seiten. (Der Redner hält einen Ordner in die Höhe.) Wenn man sich die Mühe macht – und ich habe das heute gemacht –, dieses Urteil zu lesen, dann läßt sich das, was Ausgangspunkt der Begründung Ihres Antrages war, nämlich daß durch Versäumnisse in Wien die Tat in Berlin erst möglich gemacht worden wäre, nicht mehr aufrechterhalten, und zwar mit keinem Wort, mit keinem Satz. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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125. Sitzung / Seite 107

Wenn Sie daher Wert auf Seriosität der Debatte legen – wofür ich bin –, dann schauen Sie sich doch bitte einmal diese 395 Seiten an. Und kommen Sie dann wenigstens mit einer anderen Begründung heraus, denn sonst kann man über diese Dinge ja wirklich nicht debattieren. Das wollte ich Ihnen abschließend gesagt haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. – (Abg. Dr. Schmidt: Herr Präsident, ...!) – Bitte die Wortmeldungen zeitgerecht am Präsidium abzugeben!

Zu Wort gemeldet ist also Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

16.33

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Das war jetzt eine spontane Wortmeldung. Es war dies ursprünglich nicht meine Absicht, aber ich wollte nicht im Raum stehenlassen, daß dieser Bericht ausreichend sei. Wir alle wollen über diesen Bericht diskutieren, glauben aber, daß der richtige Platz für eine solche Diskussion ein Untersuchungsausschuß ist. Das war das Bestreben der Kollegin Petrovic, und das ist auch das Bestreben von uns Liberalen.

Wenn Sie eine sachgerechte Debatte wollen, wie Sie sie einmahnen, dann stimmen Sie bitte der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Petrovic auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu diesem Thema.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen, dies durch ein Zeichen zu bekunden. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 796/A bis 801/A eingebracht wurden.

Weiters sind die Anfragen 4482/J bis 4507/J sowie eine Anfrage des Abgeordneten Mag. Haupt an den Präsidenten des Nationalrates eingelangt.

Feststellung betreffend unentschuldigte Abwesenheit eines Abgeordneten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle fest, daß Herr Abgeordneter Peter Rosenstingl dieser Sitzung unentschuldigt ferngeblieben ist.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich unmittelbar im Anschluß an diese Sitzung, das heißt für 16.35 Uhr ein.

Die 125. Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 16.35 Uhr