Stenographisches Protokoll

48. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 29. November 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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48. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 29. November 2000

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 29. November 2000: 9.01 – 21.02 Uhr

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Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen

Beratungsgruppe XII: Militärische Angelegenheiten

Beratungsgruppe IX: Wirtschaft und Arbeit; Bauten und Technik

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 6

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 6

Verlangen auf Durchführung von namentlichen Abstimmungen 53, 55

Unterbrechungen der Sitzung 54, 56

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 6

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend die Erhöhung des Pendlerpauschales, des Kilometergeldes und der Auszahlung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses (331/A) (E) 87

Begründung: Rudolf Nürnberger 90

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 95

Debatte:

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (tatsächliche Berichtigung) 97

Doris Bures 97


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48. Sitzung / Seite 2

Edeltraud Gatterer 99

Mag. Karl Schweitzer 101

Mag. Ulrike Sima (tatsächliche Berichtigung) 104

Karl Öllinger 104

Katharina Pfeffer 106

Dr. Gerhart Bruckmann 108

Reinhart Gaugg 109

Dr. Evelin Lichtenberger 111

Johannes Zweytick 112

Hermann Böhacker 114

Dr. Eva Glawischnig 115

Sigisbert Dolinschek 117

Rudolf Edlinger 118

Mag. Werner Kogler 120

Dr. Michael Spindelegger 121

Rudolf Nürnberger 122

Dr. Andreas Khol 122

Friedrich Verzetnitsch (tatsächliche Berichtigung) 123

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Verbesserung der Situation der PendlerInnen, grundsätzliche Lösung der PendlerInnenfrage und innovative, nachhaltige und klimaschutzförderliche Ansätze in der Raumwärme – Ablehnung 112, 124

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 331/A (E) 124

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (310 und Zu 310 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (370 d. B.) 6

Beratungsgruppe XII: Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten 7

Redner:

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 7

Walter Murauer 10

Dr. Evelin Lichtenberger 12

Wolfgang Jung 14

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 17

Bundesminister Herbert Scheibner 17, 37, 48

Marianne Hagenhofer 22

Karl Freund 24

Mag. Ulrike Lunacek 25

Dr. Reinhard Eugen Bösch 28

Arnold Grabner 30

Johann Loos 31

Walter Murauer (tatsächliche Berichtigung) 33

Ing. Erwin Kaipel 33

Roland Zellot 35

Katharina Pfeffer 36

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (tatsächliche Berichtigung) 40

Ing. Herbert L. Graf 40

Dr. Peter Kostelka 42

Dr. Martin Graf 44

Karl Öllinger 45

Dr. Helene Partik-Pablé (tatsächliche Berichtigung) 47

Karl Öllinger (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 48

Dr. Andreas Khol 48


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48. Sitzung / Seite 3

Günter Kiermaier 48

Dr. Alexander Van der Bellen 50

Dr. Alfred Gusenbauer 51

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 52

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend Zurückweisung von Beleidigungen und Herabwürdigungen gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten durch den Nationalrat und die Bundesregierung – Aufforderung an den Bundesminister für Landesverteidigung, dem Herrn Bundespräsidenten von Seiten der Bundesregierung das Vertrauen in einem Tagesbefehl und in einer Erklärung vor dem Nationalrat auszusprechen – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 43, 53

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Beleidigung des Bundespräsidenten durch FP-Landesparteiobmann Schnell – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 47, 55

Annahme der Beratungsgruppe XII 53

Beratungsgruppe IX: Kapitel 63: Wirtschaft und Arbeit, Kapitel 64: Bauten und Technik 58

Redner:

Mag. Maria Kubitschek 58

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 60

Karl Öllinger 62

Helmut Haigermoser 65

Kurt Eder 68

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 70, 162

Josef Edler (tatsächliche Berichtigung) 73

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 73

Mag. Werner Kogler 76

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 78

Dr. Kurt Heindl 80

Mag. Walter Tancsits 82

Dr. Eva Glawischnig 83

Dr. Helene Partik-Pablé 85

Ing. Kurt Gartlehner 124

Dr. Reinhold Mitterlehner 125

Rudolf Edlinger (tatsächliche Berichtigung) 127

Dr. Gabriela Moser 127

lic.oec.HSG Irina Schoettel-Delacher 129

Georg Oberhaidinger 130

Mag. Martina Pecher 132

Theresia Haidlmayr 133

Reinhart Gaugg 135

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 138

Mag. Barbara Prammer (tatsächliche Berichtigung) 139

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 139

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 141

Georg Schwarzenberger 141

Emmerich Schwemlein 143

Staatssekretärin Mares Rossmann 146

Sigisbert Dolinschek 148

Christian Faul 149

Ridi Steibl 150

Josef Edler 151

Norbert Staffaneller 153


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48. Sitzung / Seite 4

Heidrun Silhavy 154

Mag. Dr. Josef Trinkl 156

Rudolf Nürnberger 159

Edith Haller 161

Mag. Brunhilde Plank 163

Rosemarie Bauer 164

Dr. Elisabeth Pittermann 166

Bernd Brugger 168

Karl Dobnigg 168

Ing. Hermann Schultes 170

Gabriele Heinisch-Hosek 171

Detlev Neudeck 172

Sophie Bauer 173

Heinz Gradwohl (tatsächliche Berichtigung) 174

Hermann Gahr 175

Johann Kurzbauer 176

Entschließungsantrag der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen betreffend Programm zur Bewältigung des Unglücks in Kaprun – Ablehnung 144, 177

Annahme der Beratungsgruppe IX 177

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend die Erhöhung des Pendlerpauschales, des Kilometergeldes und der Auszahlung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses (331/A) (E)

Emmerich Schwemlein und Genossen betreffend Modellregionen im Tourismus (332/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzniveaus in Österreich (333/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Emmerich Schwemlein und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Herbstferien und die schulautonomen Tage (1587/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Verteilungswirkung der Maßnahmen der Bundesregierung (1588/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verteilungswirkung der Maßnahmen der Bundesregierung (1589/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Verteilungswirkung der Maßnahmen der Bundesregierung (1590/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verteilungswirkung der Maßnahmen der Bundesregierung (1591/J)


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48. Sitzung / Seite 5

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend illegale Weitergabe von Ermittlungsergebnissen an "NEWS" (1592/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend illegale Weitergabe von Daten durch Sicherheitsunternehmen (1593/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend illegale Aktenflüsse an die Zeitschrift "Format" (1594/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zusammenarbeit der EBZ mit der Zeitschrift "Format" (1595/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Westbahn und Innkreisbahn (1596/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend City-S-Bahn für Linz (1597/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Reformmaßnahmen im Jahr 2001 (1598/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend das Abkommen über soziale Sicherheit mit der Republik Jugoslawien (1599/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zweckwidmung von Bundesimmobilien (1600/J)

Otmar Brix und Genossen an den Präsidenten des Rechnungshofes betreffend beabsichtigte Neuorganisation des Rechnungshofes (1601/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umweltgefährdungen durch eine Tankstelle in Seewalchen (1602/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Waffen im Privatbesitz (1603/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung von bis zu 80 Gendarmerieposten in Niederösterreich (1604/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Beate Schasching und Genossen (1285/AB zu 1411/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1286/AB zu 1290/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Genossen (1287/AB zu 1292/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1288/AB zu 1288/J)

 

 


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen zur 48. Sitzung des Nationalrates, die ich zur anberaumten Zeit eröffne.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Gaál, Fischl, Leikam, Dr. Ofner und Dr. Povysil.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bringe eine Mitteilung des Herrn Bundeskanzlers über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung eines Mitgliedes der Bundesregierung zur Kenntnis: Herr Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser wird durch Herrn Bundesminister Herbert Scheibner vertreten.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass die Anfragebeantwortungen 1285/AB bis 1288/AB eingelangt sind.

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf mitteilen, dass die Abgeordneten Nürnberger und Genossen vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt haben, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 331/A (E) der Abgeordneten Nürnberger betreffend die Erhöhung des Pendlerpauschales, des Kilometergeldes und der Auszahlung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Verhandlung dieses Antrages um 15 Uhr beginnen.

*****

Ich darf nunmehr in die Tagesordnung eingehen.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (310 und Zu 310 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (370 der Beilagen)

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Folgendes vereinbart beziehungsweise wird gemeinsam dem Plenum vorgeschlagen: eine Tagesblockredezeit von 8 "Wiener Stunden", aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 156 Minuten, FPÖ und ÖVP je 116 Minuten, Grüne 92 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes, die 20 Minuten überschreiten sollte, beziehungsweise die Redezeit eines Staatssekretärs, die 10 Minuten überschreiten sollte, was aber heute nicht in Betracht kommt, werden auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.


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Ebenfalls wird die Redezeit ressortfremder Regierungsmitglieder oder Staatssekretäre zur Gänze auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet.

Über diesen Vorschlag hat das Hohe Haus zu befinden. Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Beratungsgruppe XII

Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Verhandlung über die Beratungsgruppe XII des Bundesvoranschlages für das Jahr 2001.

Wünscht der Berichterstatter das Wort zu ergreifen? – Kollege Zellot wünscht das nicht. Daher können wir sogleich in die Beratungen eintreten.

Ich beginne mit dem Aufruf des ersten Redners, Herrn Abgeordneten Kummerer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Einen schönen guten Morgen! Im Rahmen des jetzt in Verhandlung stehenden Kapitels beschäftigen wir uns mit dem Verteidigungsbudget. Geschätzte Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP! Ich möchte betreffend die politische Verantwortung für dieses Verteidigungsbudget kurz an Folgendes erinnern: Es ist noch nicht so lange her, ziemlich genau ein halbes Jahr, als der Vorgänger des Kollegen Murauer, Kollege Platter, hier ganz klare Aussagen dahin gehend gemacht hat, was er sich vom Verteidigungsbudget 2001 erwartet. Ich erlaube mir, seine Aussagen dazu zu zitieren.

Zitat: "Selbstverständlich ist es" – gemeint war das Budget 2000 – "ein absolutes Notbudget – auch der Minister hat das gesagt –, und es muss nun etwas weitergehen. Bei den nächsten Budgetverhandlungen muss sich etwas bewegen."

Schauen wir uns einmal an, was sich bewegt hat! – Im Bundesvoranschlag für das Jahr 2001 findet sich für das Kapitel "Militärische Angelegenheiten" ein Betrag von 23 Milliarden Schilling. Das ist ein Plus von 520 Millionen Schilling. Das sei deutlich gesagt. Mindestens 500 Millionen Schilling davon sind für den Ankauf der Transporthubschrauber gebunden. (Im Sitzungssaal ist Handy-Läuten zu hören.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Entschuldigen Sie, Herr Kollege! – Meine Damen und Herren, ich bitte, im Sitzungssaal keine Handys zu benützen! – Bitte, setzen Sie Ihre Ausführungen fort, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (fortsetzend): Neben dieser Transporthubschrauberbeschaffung ist zu berücksichtigen, dass zusätzlich fast 1 250 Planstellen übernommen wurden, und daher ist eine direkte Vergleichbarkeit nicht gegeben. Unter Berücksichtigung dieser Korrekturen ergibt sich ein Verteidigungsbudget von unter 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und damit ist es, wie schon öfter von dieser Stelle aus dargelegt wurde, eines der niedrigsten, das das Bundesheer je zur Verfügung hatte, und liegt deutlich unter den Verteidigungsbudgets, die unter sozialdemokratischen Finanzministern zur Verfügung gestanden sind.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Platter hat auch noch fünf Aufträge an die ÖVP und den Regierungspartner mitgegeben.

Erstens: Es müssen Strukturveränderungen durchgeführt werden, damit Einsparungspotentiale im Bereich des Führungsapparats und der Verwaltung möglich sind.

Schauen wir uns die Umsetzung dieser Forderung des ehemaligen Wehrsprechers der ÖVP an! – Es trifft sich gut, dass wir erst vor kurzem hier im Hohen Hause in einer Fragestunde das


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Thema Strukturveränderungen im Heer, das ein ganz wesentliches ist, abgehandelt haben. Der Herr Verteidigungsminister hat uns erklärt, die HG-Neu-Neu, auch HG-STRAN genannt, sei jetzt abgeschlossen.

Herr Bundesminister! Wenn sie tatsächlich abgeschlossen ist, frage ich Sie: Warum sieht man dann keine budgetären Auswirkungen im Budget 2001? – Tatsache ist: Auch im Budget 2001 beträgt der Personalkostenanteil zirka 63 Prozent. Er ist damit zu hoch im Vergleich zu den internationalen Benchmarks, die rund 50 Prozent ausweisen. Ich frage Sie daher, Herr Bundesminister: Wann wird der Abschluss der Strukturmaßnahmen auch im Budget einen Niederschlag finden?

Es kommt oft Kritik – meiner Ansicht nach unberechtigte Kritik –, es mangle an Vorschlägen von Seiten der Sozialdemokratie. Dazu darf ich sagen: Gerade in diesem Punkt haben wir – meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern – in der letzten Zeit häufig konstruktive Vorschläge unterbreitet. Ich erinnere beispielsweise an den Vorschlag, der anlässlich der Diskussion über die HG-Neu-Neu von uns gemacht wurde, nämlich: 60 000 Mann plus 20 Prozent Reserve, also 72 000 Mann. Da hat die ÖVP aufgeschrien und gesagt, die SPÖ wolle das Bundesheer halbieren. Es werde populistisch argumentiert.

Herr Bundesminister! Sie haben jetzt eine Expertengruppe eingesetzt. Ende des Jahres soll sie zu einem Ergebnis kommen. Ich bin interessiert daran, wie dieses Ergebnis ausschaut. Man hört, dass es durchaus im Bereich des Möglichen ist, dass die Expertenkommission auf annähernd gleiche Zahlen kommt.

Zweiter Vorschlag, den wir unterbreitet haben: Auf Grund der modernen Führungsstrukturen reicht ein Korps. – Das wurde nicht umgesetzt, es wurden zwei Korps in der HG-Neu-Neu verwirklicht. Auch diesbezüglich hört man, dass die Expertenkommission durchaus zu der Ansicht gelangen könnte, dass ein Korps eine vernünftige Führungsstruktur für das Heer darstellen würde.

Dritter Punkt: die Militärkommanden; auch das wurde in der erwähnten Fragestunde angesprochen. – Wir sind der Ansicht, dass die Militärkommanden in ihrer ursprünglichen Form ausgedient haben und für Österreich nicht mehr zeitgemäß sind. Ich kann mich daran erinnern, Herr Bundesminister, dass Sie diesem Gedanken eine Zeit lang gar nicht so ablehnend gegenüber gestanden sind. In der erwähnten Fragestunde haben Sie uns erklärt, die Umstrukturierung der Militärkommanden sei abgeschlossen, die Reduktion um 30 Prozent habe stattgefunden. Doch im Budget findet sich nichts davon. Tatsache ist: Sie sind heute nach wie vor davon überzeugt, dass jedes Bundesland sein eigenes Militärkommando braucht. Das ist meiner Ansicht nach militärisch gesehen nicht vertretbar, Sie dürften da einer politischen Forderung der ÖVP nachgegeben haben und sich jetzt auf neun Militärkommanden einzementieren.

Meine Damen und Herren! Der nächste Punkt, den der ÖVP-Wehrsprecher verlangt hat, war der Kostenersatz bei Auslandseinsätzen. Auch davon ist wenig zu sehen. Es gelingt Ihnen, im Jahre 2000 eine zusätzliche Milliarde zu bekommen, um diese Kostenersätze teilweise abzudecken. Sie sind aber gezwungen, die Aktivitäten Österreichs im Ausland im Rahmen von UNO-Kontingenten zurückzunehmen, weil das Geld dafür schlicht und einfach fehlt.

Ebenfalls verlangt hat die ÖVP eine Refundierung der Kosten für den Assistenzeinsatz im Bereich der Grenze. – Herr Bundesminister! Das ist eine Forderung, die ich auch aus Ihrem Mund hörte. Tatsache ist: Es kommt zu keiner Refundierung der Kosten für den Assistenzeinsatz an der Grenze. Es kommt, wie schon erwähnt, durch eine Budgetüberschreitung im Jahre 2000 zu einer teilweisen Abgeltung. Es ist keine Budgetpost, auf die sich für die Zukunft bauen lässt.

Diese Assistenzeinsätze sind bekanntlich gerade an unserer Grenze sehr wichtig. In meinem Bezirk – ich habe das schon einige Male angesprochen – wären sie mehr als notwendig. Es ist wichtig, etwas für die Sicherheit zu tun, etwas gegen die Migration zu tun.

Herr Bundesminister! Herr Kollege Fasslabend hat einmal gefordert – es ist noch gar nicht so lange her –, das Heer auch an der Nordgrenze in Niederösterreich aufzustellen. Minister


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Strasser besetzt die Grenzgendarmerieposten nicht nach, füllt den Postenplan nicht auf, reduziert die 181 Dienstposten in Niederösterreich und hat öffentlich erklärt, dieses Problem der inneren österreichischen Sicherheit solle gefälligst Tschechien lösen, indem es verstärkte Maßnahmen setzt. Das ist nicht die Sicherheitspolitik, Herr Bundesminister, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, die wir uns vorstellen!

Der vierte Punkt, den uns Abgeordneter Platter mitgeteilt hat, ist: Die wichtige Beschaffung der Hubschrauber und darüber hinaus die Sicherstellung der Luftraumüberwachung müssen außerbudgetär durchgeführt werden. – Auch dieser Wunsch der ÖVP ist nicht in Erfüllung gegangen. Die Budgetierung der Hubschrauber erfolgt im laufenden Budget, mit dem schon erwähnten Betrag, der zusätzlich zur Verfügung steht.

Zum Thema Hubschrauberbeschaffung werden sich noch Kollegen meiner Fraktion zu Wort melden. Der "trend"-Artikel, der sich damit auseinander setzt, ist kein Lobesartikel. Herr Bundesminister, vielleicht muss man darüber noch reden.

Zum Beschaffungswesen an sich möchte ich Folgendes sagen: Sie beabsichtigen, an einem europäischen Gremium teilzuhaben. In diesem europäischen Gremium, das ich grundsätzlich befürworte, bringen Sie als Einstandsgeschenk die amerikanischen Hubschrauber mit. Also ich weiß nicht, ob Sie da den Eintritt in einer vernünftigen Form geschafft haben.

Meine Damen und Herren! Letzte Forderung des Kollegen Platter: eine schrittweise Anhebung des Landesverteidigungsbudgets. – Eine schrittweise Anhebung des Landesverteidigungsbudgets ist nicht erkennbar. Auch aus den Rohdaten für das Jahr 2002 ist nicht ersichtlich, dass eine schrittweise Anhebung des Landesverteidigungsbudgets stattfindet.

Es kommt immer wieder der Vorwurf, dass beim Heer gespart werden muss. Wir glauben, Herr Bundesminister, dass bei den erwähnten 63 Prozent Personalkostenanteil ein Einsparungspotential durchaus gegeben ist. Ich bin ganz Ihrer Meinung, die Sie in der erwähnten Fragestunde kundgetan haben, dass es zu sozial abgefederten Maßnahmen, abgesprochen mit den Betroffenen, kommen soll, wenn Reduktionen vorgenommen werden. Dadurch können zusätzliche Mittel für das Beschaffungswesen freigemacht werden.

Ich ersuche da ganz ausdrücklich um eine Abstimmung. Bei anderen Gruppen, meine Damen und Herren von der Koalition, waren Sie nicht so heikel: So wurde bei den Eisenbahnern und bei der Post wesentlich dramatischer hineingeschnitten. Das fand auch unsere berechtigte Kritik. Hier unterstützen wir einen sinnvollen Weg.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Scheibner – und damit bin ich bei der Verantwortung der FPÖ, obwohl im Verteidigungsministerium natürlich nach wie vor die ÖVP dominierend ist –, ich frage Sie ganz deutlich und betroffen: Wie gehen Sie mit Äußerungen eines Kollegen von Ihnen um, eines Parteifreundes, eines Landesrates, der es heute – so zumindest kolportiert im Rundfunk – wieder notwendig fand, den Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres vor den Kopf zu stoßen mit der Aussage "Lump ist ein harmloser Ausdruck"? (Abg. Edlinger: Das ist ein Skandal! Das ist unglaublich!)

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Sie können sich da nicht verschweigen. Was die ÖVP betrifft – davon bin ich überzeugt –, wird sich der Herr Bundeskanzler wieder hinsetzen und lächeln. Das wird es gewesen sein. Ich verlange hier von diesem Rednerpult aus von Ihnen, uns zu erklären, wie Sie zu diesen Aussagen des Landesrates Schnell stehen, die im Rundfunk kolportiert wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir möchten das von Ihnen hören, und zwar unter dem Gesichtspunkt, meine Damen und Herren von der großen Regierungspartei, dass Sie es waren, die vorgeschlagen haben, einen Hilmar Kabas als Verteidigungsminister auf die Regierungsbank zu setzen. "Lump" für den Bundespräsidenten ist für Sie ein Wort des täglichen Sprachgebrauches.

Meine Damen und Herren! Wir sind jederzeit gesprächsbereit, wenn es um eine sinnvolle Landesverteidigung Österreichs geht, und wir bekennen uns vollinhaltlich dazu, aber zu diesem


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Landesverteidigungsbudget 2001 kann die Sozialdemokratie keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

9.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

9.17

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir diskutieren heute hier das Landesverteidigungsbudget, den ersten Teil des Doppelbudgets in der Höhe von 23 Milliarden Schilling. Es wurde auf Grund der guten Konjunkturlage für dieses und für das nächste Jahr ein wenig aufgebessert, und zwar gibt es eine Milliarde Schilling Überschreitung. (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Es stimmt, es ist kein überragendes Budget, Kollege Edler. Wir sind diesbezüglich, was selten der Fall ist, derselben Meinung. Minister Scheibner ist aufgerufen, mit diesem Budget den Betrieb des Heeres sicherzustellen. Das ist sicherlich keine einfache Aufgabe, aber er wird dies, wie sein Vorgänger, Minister Fasslabend, entsprechend schaffen und dem Gesetzgeber Rechnung tragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich hatte es der seinerzeitige Verteidigungsminister Fasslabend schon etwas schwerer, da es ihm in der ÖVP/SPÖ-Koalition der Partner SPÖ nicht gerade einfach machte, für das Bundesheer entsprechend einzutreten und genügend Mittel zur Verfügung zu stellen.

Meine Damen und Herren! Der Gesetzgeber hat die Aufgaben des Heeres definiert und in der letzten Wehrgesetz-Novelle auch beschlossen. Natürlich brauchen wir schlankere Verwaltungszentralen und Führungseinheiten. Dies ist sicherlich unbedingt notwendig, und wir dürfen dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen ein europäisches, ein modernes, ein finanzierbares Heer. Das muss unser Ziel sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Generaltruppeninspektor Pleiner erläuterte dies mit den Worten, dass wir auf das Beste hoffen, aber auf das Schlimmste vorbereitet sein müssen. Das Bundesheer sagt über sich: Wir möchten dort helfen, wo andere nicht mehr helfen können, wo andere nicht mehr in der Lage sind, zu helfen!, und das beweist es sehr eindrucksvoll, und zwar auch bei allen Assistenzeinsätzen.

An dieser Stelle darf ich insbesondere den Assistenzeinsatz in Kaprun erwähnen und mich sehr herzlich bei allen, die dort eingesetzt waren, bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die "Oberösterreichischen Nachrichten" weisen in einem Artikel darauf hin, welch ein Einsatz dies war – ich zitiere –:

"Die Hörschinger Bergungshelikopter kämpfen in Kaprun mit schweren Föhnstürmen." Und an anderer Stelle heißt es: "Seit gestern holen Helikopter furchtbare Fracht vom Kitzsteinhorn. Die körperlichen und psychischen Belastungen, denen die sechs Bundesheer-Bergungstrupps zu sechs Mann im Kapruner Todesstollen ausgesetzt sind, kann man höchstens erahnen."

Meine Damen und Herren! Unsere Soldaten haben sich wieder einmal bewährt. Aber es ist notwendig, den Ankauf von modernstem Gerät für die Sicherheit der Soldaten in den Mittelpunkt der Beschaffung zu stellen. Ich erwähne als Beispiele Transportmittel zu Luft und zu Land.

Die Haltung der Sozialdemokraten dazu ist blamabel, wenn ihre Parteispitze, angefangen von Herrn Gusenbauer bis zum Herrn Edlinger, verlangt, dass beim Bundesheer noch mehr eingespart werden soll. (Abg. Edlinger: Nein! Nicht mehr dazugeben! Das ist ein Irrtum!) Kollege Kummerer, das, was da deine Kollegen gesagt haben, dürftest du wahrscheinlich noch nicht gehört haben.

Auf der anderen Seite fordert man, dass dieses Budget aufgestockt werden sollte; da treffen wir uns wieder. Auch Kollege Kummerer und Kollege Gaál sind dieser Meinung. Aber dann tritt Frau Zentralsekretärin Bures auf und holt aus der Mottenkiste der Vergangenheit ihre alten Feind


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bilder heraus und sagt: Die Milliarden, die aus dem Verkauf von Bundeswohnungen fließen, gibt man den Bauern, den Unternehmern und selbstverständlich dem Bundesheer. Frau Kollegin Bures! Ich ersuche Sie höflich: Sollten irgendwo Milliarden auftauchen, so melden Sie es mir bitte beziehungsweise geben Sie es mir bekannt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Juso-Chef von Österreich, Herr Kollross, meinte, man sollte überhaupt das Bundesheer abschaffen. Also in dieser Divergenz, in diesen Widersprüchen bewegen sich die Linken dieses Hauses, meine Damen und Herren! So ist keine seriöse Politik, schon gar nicht Sicherheitspolitik, für unser Land zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Selbstverständlich bekennen wir uns zum Sparbudget, weil endlich die Finanzen in Ordnung gebracht werden müssen. Es ist schon richtig, dass man damit aufhören muss, dass man nachdenkt, wie man Geld ausgibt, das man nicht zur Verfügung hat. Das ist überhaupt keine Frage! Das ist hiermit beendet worden. Aber wir dürfen, Herr Bundesminister, das Ziel, 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Landesverteidigungsbudget zur Verfügung zu stellen, nicht aus dem Auge lassen, und wir müssen auch die Sonderfinanzierungen entsprechend fixieren, nämlich Sonderfinanzierungen für Auslandseinsätze, für den Grenzdienst oder für die neu geschaffene KIOP.

Mit der sinnvollen Beschaffung des "Black Hawk", mit dem Bereich Militärkommanden und mit weiteren Beschaffungen werden sich meine Kollegen noch auseinander setzen. Ich möchte mich nun einer der wichtigsten Entscheidungen – ich meine, sie ist ebenso wichtig wie die Einführung des Euro oder die Osterweiterung – zuwenden, und zwar der Schaffung der Krisenreaktionsgruppe KIOP, die für die Aufrechterhaltung der europäischen Friedensordnung, für die Aufrechterhaltung der Sicherheit in Europa eingesetzt werden soll.

Meine Damen und Herren! Wir erinnern uns: Österreich hat sich zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, kurz GASP genannt, bekannt, den Amsterdamer Vertrag unterzeichnet und trägt die Petersberger Aufgaben mit. Daraus resultieren die humanitären Aufgaben, die Hilfe bei ABC-Schadensfällen, friedenserhaltende und friedensschaffende Maßnahmen. Das ist ein Schritt im Sinne einer verantwortungsvollen Sicherheitspolitik für Österreich, und zwar in Solidarität – und das möchte ich doppelt unterstreichen – mit anderen europäischen Staaten.

Wie viel Mann sollte diese Kriseninterventionstruppe haben? – Man spricht von 60 000 Mann für ganz Europa. Österreich stellt 2 000 Mann zur Verfügung und hat sich verpflichtet, diese innerhalb kürzester Zeit, nämlich im Zeitraum zwischen 30 und 60 Tagen, bereit zu stellen.

Die wichtigsten Aspekte dabei sind, dass dem Freiwilligkeitsprinzip Rechnung zu tragen ist – also freiwillige, nicht verpflichtende Rekrutierung soll es geben –, und dass zusätzliches Gerät im Rahmen der KIOP für die Sicherheit des Transportes und für den Einsatz zur Verfügung gestellt wird. Der Bundesminister hat bereits erwähnt, dass es notwendig ist, 80 bis 90 "Pandur", Handsprechfunkgeräte, Radargeräte und Mannesausrüstung zu beschaffen, aber dass man auch "Leopard" und "Ulan", so wie es sich im Kosovo bewährt hat, in Einsatz bringen wird.

Meine Damen und Herren! Es ist mir ganz wichtig, dass man darauf aufmerksam macht, dass es sich hierbei um keine integrierte europäische Armee handelt, sondern um ein national verfügbares Kontingent unter nationaler Kontrolle. Es ist unser solidarischer Beitrag zur Sicherheit Europas und natürlich auch zu unserer Sicherheit, zur Sicherheit Österreichs.

Die Verteidigungsdoktrin – da meine Redezeit schon zu Ende geht, möchte ich das nur kurz erwähnen – ist dazu da, das politische und strategische Umfeld Österreichs zu eruieren und davon abzuleitende Maßnahmen für das Bundesheer entsprechend festzulegen. Wir brauchen diesbezüglich eine breite Diskussion. Es ist notwendig, dass darin alle Parteien und alle betroffenen Organisationen eingebunden sind und dass wir dabei einen größtmöglichen Konsens erreichen. Die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin muss für die nächsten Jahre zukunftsweisend sein.

Wenn wir heute über Landesverteidigung und Sicherheit unseres Landes reden, dann darf und muss auch erwähnt werden, dass jeder verantwortungsvolle Staat neben der Aufgabe, für genug


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Bodenstreitkräfte zu sorgen, auch der Luftraumüberwachung entsprechend viel Raum zuzuteilen hat. Wir brauchen eine Luftpolizei, Herr Bundesminister, und ich erwarte mir, dass im kommenden Jahr gemäß dem Regierungsübereinkommen die Draken-Nachfolge entschieden wird und dass auch die Anzahl und die Typen festgesetzt werden.

Die Österreichische Volkspartei hat die Bildung ebenfalls ins Zentrum ihrer Politik gestellt, und es ist eine weitere Anerkennung des österreichischen Bundesheeres, wenn Unteroffiziersausbildung auch Berufsausbildung ist. Es ist ein Prestigegewinn, wenn es innerhalb der Ausbildung im Bundesheer auch einen Lehrgang für die Ablegung der Berufsreifeprüfung gibt. Es gibt schon einige Positionen, und zwar für Sanitätsberufe, für technische Berufe et cetera.

Mein Schlusssatz, meine Damen und Herren: Das Hohe Haus ist in Sachen Sicherheit und Landesverteidigung aufgerufen, ohne parteipolitische Brillenfärbung für ein bestmöglich funktionierendes Bundesheer Größtmögliches zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

9.28

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Verteidigungsbudget ist in den Medien nicht nur als einer der vielen Teile des Budgets behandelt worden, sondern auch und ganz deutlich unter dem Aspekt, dass es einer der Budgetteile war, die von den Kürzungsplänen der Regierung ungeschoren geblieben sind. Es ist aufgefallen – nicht nur den Grünen –, dass gerade im Bereich Verteidigung mehrere Kosten zusätzlich argumentiert worden sind, angefallen sind, und darauf möchte ich jetzt ein bisschen näher eingehen.

Zuerst zum Landesverteidigungsrat, in welchem ja noch viel größere Pläne des Verteidigungsministers debattiert und besprochen worden sind und auch unwidersprochen geblieben sind, für welche allerdings dann im Ministerrat zum Teil kein Budget zur Verfügung gestellt werden konnte. Ich meine da das Eurokorps. Es gab dort eine Debatte darüber, doch schlussendlich wurde dem Wunsch, dass dieser Teil aus dem Budget ausgelagert werden soll, Folge geleistet. Das heißt, dass es indirekt noch einmal zu einer Erhöhung kommt, die über das hinausgeht, was jetzt schon auf Basis der Zahlen aufscheint.

Wenn es aber dabei bliebe – und es geht da auch um die Zukunft: um die Zukunft des österreichischen Bundesheeres, um die Zukunft der Neutralität und um die Zukunft einer Sicherheitskonzeption für Österreich –, wenn es also dabei bliebe, wäre es ja sozusagen eine Debatte um Geld, um das, was wir für militärische Sicherheit auszugeben bereit sind. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es sich in der Debatte nur um militärische Sicherheit gedreht hat und nicht um all das, was Sicherheit heute in einem modernen Verständnis beinhalten müsste. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn dann aber klar ist, dass auf europäischer Ebene Worte fallen und Meinungen geäußert werden, die überhaupt nichts mehr mit der Konzeption der österreichischen Neutralität zu tun haben, dann regt sich nicht nur bei mir, sondern bei vielen Österreicherinnen und Österreichern der Verdacht, dass eine große Militarisierung und ein riesiger Ausgabenschub – womit wir wieder beim Budget wären – zu erwarten sind.

Wenn zum Beispiel Schweden auf europäischer Ebene heute aus dem Begriff der klassischen Nachkriegsneutralität die Debatte darüber führt, in Richtung Allianzfreiheit zu gehen, so ist das ein anderes Verständnis moderner Sicherheitspolitik, als wenn österreichische Vertreter dort von der Beistandspflicht reden, die weit über das hinausgeht und im klaren und eklatanten Widerspruch zu dem steht, was Neutralität, eine verfassungsmäßig verankerte Neutralität überhaupt bedeutet, und damit letzten Endes die Neutralität – eine Verfassungsbestimmung, und darauf weise ich noch einmal hin – in Frage stellt und nicht nur in Frage stellt, sondern abzuschaffen droht. (Beifall bei den Grünen.)


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Beistandspflicht, so wie sie argumentiert wurde – und das ließ sich ja sehr schön nachvollziehen –, ist mit Neutralitätskonzepten, wie sie Österreich hat, nicht vereinbar. Ich möchte schon klarlegen, wieso eine Partei, die sich früher immer zu Abstimmungen bekannt hat, die über Kunsthäuser oder über Musikhäuser und Ähnliches mehr durchaus abstimmen lassen will (Abg. Böhacker: Das tut Ihnen weh! Das Ergebnis tut Ihnen weh!), wieso eine solche Partei dann, wenn es um einen Verfassungsgrundsatz geht, so schnell und so leichtfertig Konzeptionen schon international vertritt und ankündigt, obwohl diese nach ihrer früher geäußerten Meinung noch immer einer Abstimmung durch das österreichische Volk zu unterziehen wären. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Scheibner: Das steht im Regierungsprogramm!)

Und wenn der Herr Minister hier einwirft, das stünde ja auch im Regierungsprogramm, so sage ich: Herr Minister, das Regierungsprogramm ist nicht sakrosankt, und ich werde es dort kritisieren, wo es aus meiner Sicht im Widerspruch zur österreichischen Verfassung steht, wenn es darum geht, die Neutralität aufzuweichen und in etwas zu verwandeln, was mit Neutralität überhaupt nichts mehr zu tun hat. (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir aber jetzt auf die Budgetberatungen zu sprechen. Aus den Budgetberatungen – ich habe es in der Budgetdebatte schon angezogen – möchte ich über ein kleines Detail, das mit der nach außen freundlichen Art von Ihnen, Herr Minister, überhaupt nichts mehr zu tun hat, berichten.

Ich habe eine Anfrage gestellt, in der es darum gegangen ist, eine Kostenerhöhung im Bereich der Bauten zu erklären und mitzuteilen, wie es dazu kommt. Wissen Sie, was ich zurückbekommen habe? Einen handschriftlich ausgefertigten Zettel, auf dem gestanden ist: Die Kosten der Vorschlagspost XY wurden erhöht, weil die Kosten erhöht sind. – Das ist keine Antwort. Das habe ich, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, als Frotzelei empfunden. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man nach der Begründung für eine Kostenerhöhung fragt und dann die Antwort bekommt, die Kosten sind erhöht, weil in der Vorschlagspost mehr drinnen steht, und wenn man meint, das sei eine Antwort, dann weiß ich nicht: Ist das einfach das totale Ignorieren jedes Menschen, der nicht zu den Freiheitlichen gehört, oder worum handelt es sich da? Damit habe ich schon massive Schwierigkeiten, und solche Vorgangsweisen werfen kein gutes Licht auf das, was sich unter Umständen – ich weiß es ja nicht – hinter einer sehr freundlichen Fassade verbergen könnte.

Gehen wir jetzt zu den großen Kostenposten. Es ist ja kein Zufall, dass einer dieser Posten schon lange und heftig in Diskussion ist und es auch noch einige Zeit bleiben wird, nämlich die Beschaffung der Hubschrauber, der "Black Hawks", und zwar die Typenwahl.

Als Tirolerin kann ich mich natürlich sehr gut an die Zeit um Galtür erinnern, an die Debatte, die daraus entstanden ist, und an die Rechtfertigung, als man gesagt hat, es würden die Ankäufe für Transporthubschrauber nun vorgezogen und sofort finanziert werden.

Die Begründung war ganz klar: Wir brauchen Rettungshubschrauber mit entsprechender Transportkapazität, um im Fall von Katastrophen wie zum Beispiel Galtür rechtzeitig eingreifen zu können. Ich kann Ihnen, wenn Sie wollen, gerne eine Sammlung der damaligen Erklärungen zu diesem Thema bringen, die in der Presse und überall zu finden waren.

Nun wird ein Typus gewählt, der um zirka eine halbe Milliarde Schilling mehr kostet. Dieser Typus wird damit argumentiert – das stammt wieder aus dem Budgetausschuss –, dass er eine höhere Crash-, aber vor allem Beschusssicherheit hätte. (Abg. Böhacker: Das ist wichtig, sehr wichtig! – Abg. Murauer: Das ist wichtig!) Nun ist es ja nicht so, dass die Wildererdichte in den Alpen so hoch ist, dass man für einen Transporthubschrauber fürchten müsste, sondern es ist so, dass es hier nicht in erster Linie um einen Transporthubschrauber geht, sondern dass es um einen Hubschrauber für andere Einsätze geht. (Abg. Murauer: Sie sollten einmal bei einem Einsatz dabei sein! Da wünsche ich Ihnen diese Sicherheit!) Bitte, sagen Sie das doch offen, aber verwenden Sie nie mehr die Argumentation mit Galtür für diese Hubschrauber, wenn es Ihnen darum geht, neues militärisches Gerät zu beschaffen! (Beifall bei den Grünen.)


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Und diese 500 Millionen Schilling – oder 450 Millionen, heißt es derzeit – werden ja auch mit großen Kompensationsgeschäften argumentiert, die versprochen worden sind. Ich sage Ihnen eines: Diese so genannten Kompensationsgeschäfte, die schon in der Vergangenheit getätigt wurden, möchte ich sehr gerne einmal evaluiert haben. Ich möchte wissen, wie viel denn wirklich einem Kompensationsgeschäft zuzurechnen ist und wie viel ganz normalen Wirtschaftsverbindungen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Murauer: Das lässt sich ja belegen!)

Wenn Sie hier belegen können, dass die Kompensation für die vergangenen Anschaffungen in der Höhe wirklich dem entsprechen, was vorher angekündigt worden ist – diese Prüfung wünschen wir uns schon sehr lange; Herr Abgeordneter Kogler hat auch schon dazu gesprochen –, dann gewinnen Sie vielleicht einen Schritt in der Glaubwürdigkeit, wenn Sie uns heute 200 Prozent Kompensation für diese Ankäufe versprechen. Derzeit und auf Grund der vergangenen Erfahrungen und auf Grund der unterschiedlichsten Rechnungshofberichte kann ich diesen Argumenten keinen Glauben schenken. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Es wäre ja noch schön, wenn wir es dabei belassen könnten, aber zum Abschluss möchte ich schon noch auf die zukünftigen Pläne über die Beschaffung von Abfangjägern eingehen. Und hier ist meine Frage ganz klar: Welche Sicherheitskonzeption, welche Bedrohungsbilder stehen hinter dieser Beschaffung? Die Argumentation damals bei der Beschaffung des Draken war absurd – viele Militärexperten haben dem im Nachhinein ja Recht gegeben (Abg. Jung: Welche zum Beispiel?), wenn man sich auf internationaler Ebene halt auch ein bisschen umhört –, und wenn diese Argumentation diesmal wieder ausgegraben wird, dann wird sie in der heutigen Situation und auch im historischen Rückblick nicht an Glaubwürdigkeit gewinnen.

Der Konzeption eines österreichischen Bundesheeres, ausgestattet mit Abfangjägern und mit den derzeit absehbaren Beschaffungsaktionen, entspricht sehr gut ein Budgetposten, wenn man sich das genau anschaut, nämlich der Budgetposten für die Nebelwerferanlagen für Panzer. Ich glaube, hier wird sehr viel Nebel geworfen für eine weitere Steigerung des Militärbudgets in den zukünftigen Jahren. (Abg. Jung: Das ist ein Wahnsinn! Man sollte wenigstens wissen, wovon man redet!)

Meine Damen und Herren! Wenn alle sparen müssen, wenn Studiengebühren eingeführt werden, wenn bei den sozial Schwachen extreme Einschnitte erfolgen (Abg. Murauer: Vergessen Sie nicht die soziale Staffelung bei den Studiengebühren!), das Militärbudget aber erhöht wird (Abg. Großruck: Was haben Sie gegen die Bundesverfassung? Sie reden jetzt gegen die Bundesverfassung!), dann, meine Damen und Herren, wirft das ein klares Licht auf die Zielsetzungen, auf die sozialen und politischen Zielsetzungen dieser Regierungskoalition. (Abg. Großruck: Sie reden gegen die Bundesverfassung, in der die militärische Landesverteidigung festgeschrieben ist!) Und ich sage Ihnen Folgendes: Einer modernen Friedenskonzeption für Europa entspricht dieses Bild nicht! (Beifall bei den Grünen.)

9.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Die Redezeit ist auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

9.41

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nur einen Satz zu Kollegin Lichtenberger und zu ihrer Hubschrauber-Kritik von vorhin. (Abg. Auer: Das zahlt sich gar nicht aus!) – Frau Kollegin Lichtenberger, stellen Sie sich einen Einsatz wie im Kosovo vor, den wir derzeit laufen haben. Es werden dorthin auch Hubschrauber abgestellt, und es geht darum, verwundete oder verletzte Zivilisten zu bergen, wie es in solchen Einsätzen massenhaft vorgekommen ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber es ist mit Galtür argumentiert worden!) Es kam dabei immer wieder zum Beschuss von solchen Hubschraubern durch Kleinwaffen.

Frau Kollegin Lichtenberger! Was wollen Sie den Piloten, die Sie dort hinunterschicken, sagen? (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber es ist Galtür als Argument verwendet worden!) Wie wollen Sie das verantworten, dass die Sicherheit dieser Piloten und der eventuell Verletzten nicht gewährleistet ist? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie, Frau Kollegin Lichtenberger, haben


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ja leicht reden, aber der Verteidigungsminister trägt im Gegensatz zu Ihnen die Verantwortung, und er nimmt sie Gott sei Dank wahr. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Sie haben auch leicht reden!)

Herr Bundesminister Scheibner hat ein interessantes, aber auch sehr schwieriges Erbe angetreten. Er hat ein Ministerium übernommen, das seit Jahren finanziell ausgehungert worden war und das seit einem Jahrzehnt mit zusätzlichen Aufgaben betraut ist, die zwar zusätzliche Aufgaben sind, aber nicht extra finanziert werden. (Abg. Schwemlein: Sie wissen aber schon, dass man eine Erbschaft nicht antreten muss!)  – Sie haben vollkommen Recht, aber Sie können und wir wollen das Verteidigungsministerium auch nicht abschaffen. Wir wollen stattdessen die "Erbschaft" sanieren. Und das werden wir auch tun, Herr Kollege, da können Sie sicher sein – trotz Ihres Dagegenredens. (Abg. Dr. Lichtenberger: Durch eine weitere Erhöhung! – Abg. Edlinger: Sie müssen sanieren, weil der Fasslabend so einen Scherbenhaufen hinterlassen hat!)

Es geht jedenfalls darum, dass dem Bundesheer zusätzliche Aufgaben übertragen wurden, die man nicht zusätzlich bezahlt hat. Das waren in erster Linie der Grenzsicherungseinsatz, der vor zehn Jahren auf uns zugekommen ist, und zum Zweiten die Katastrophen- und "PfP"-Einsätze; unter anderem auf dem Balkan, teilweise aber auch weltweit. Beide Einsätze in reale Kosten umgerechnet machen einen Betrag in der Größenordnung von 1,5 bis 2 Milliarden Schilling aus.

Zusätzliche Aufgaben, zusätzliche Kosten – nicht zusätzlich finanziert! Damit sie trotzdem getragen werden konnten, musste im internen Bereich gespart werden, und zwar extrem gespart werden, und mussten der Truppe Ressourcen entzogen werden. Ich gebe einige Beispiele:

Die LKW-Flotte ist bis auf das Äußerste ausgenutzt worden. Man musste Autobusse anmieten, um mit der Truppe – in Anführungszeichen – "ins Gefecht" zu fahren. Unsere Schützenpanzer haben teilweise ein Dienstalter, das höher ist als das des Brigadiers Jung, der auch schon über 30 Dienstjahre auf dem Buckel hat, und die Hauptschutzeinrichtung der Masse unserer Soldaten ist noch immer der Stahlhelm mit einem Modell, das Sie aus den Filmen mit John Wayne oder Richard Burton über den Zweiten Weltkrieg kennen. – Da muss und wird auch einiges geschehen.

Dazu kommen jetzt – das ist noch ein Beschluss der alten Bundesregierung – die Einsätze im Rahmen der zukünftigen europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, der KIOP-Kräfte, die Sie ja mitbeschlossen haben, sogar tatkräftig mitbetrieben haben. Was Sie dabei vergessen haben, ist die finanzielle Absicherung, und diese ist – das sei hier auch deutlich gesagt – vorläufig noch nicht voll gewährleistet. Wir werden aber sehr dahinter sein, dass zusätzlich entstehende Kosten auch zusätzlich finanziert werden. Sie können nicht aus dem laufenden Verteidigungsbudget getragen werden. Darüber, liebe Kollegen – da spreche ich meine Fraktion, aber auch die der ÖVP an –, müssen wir uns im Klaren sein.

Bundesminister Scheibner hat Streitkräfte vorgefunden, deren Organisation den gegenwärtigen Anforderungen nicht entspricht, weil sie an einem alten Landesverteidigungsplan orientiert und danach ausgerichtet war, der noch aus den siebziger Jahren stammt und Kräfte von 300 000 vorgesehen hat. Hier sind Änderungen vorzunehmen. Er hat Streitkräfte vorgefunden, die entsprechend kopflastig sind und teilweise so zwangsbürokratisiert, dass sogar die Adaptierung von Pilotenzulagen dank Ihrer tatkräftigen Mithilfe, meine Damen und Herren von der SPÖ, mit einer Zweidrittelmehrheit dieses Hauses beschlossen wurde, und jede Änderung bedarf wiederum einer solchen Zweidrittelmehrheit. Das ist ja schon fast komisch, wenn es nicht tragisch wäre.

Es ist damals – auch wiederum dank Ihrer Blockade hier auf dieser Seite (in Richtung SPÖ) des Hauses – nicht einmal gelungen, einen Optionenbericht zu erstellen, einen Bericht, der eine gemeinsame Bestandsanalyse und eine übereinstimmende und von beiden Regierungsparteien getragene Sicherheitspolitik zur Folge gehabt hätte. Daran sind Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, vor allem Ihre damals führenden Kräfte, maßgeblich mit schuld.

Ihren Spitzenpolitikern war auf Grund Ihrer internationalen Verbindungen und auf Grund der Kontakte zu Europa vollkommen klar, dass eigentlich nur noch eine Scheinneutralität besteht und dass hier nicht sehr seriös, sondern wirklichkeitsleugnend und auch unsolidarisch gegen


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über unseren europäischen Partnern vorgegangen wurde. Vranitzky und Klima haben das gewusst und deshalb auch mit gespaltener Zunge gesprochen. Sie erinnern sich sicherlich an die Klima-Reise nach Berlin, wo er sich sehr stark für die gemeinsamen Ziele ausgesprochen, aber auf dem Rückweg im Flugzeug nach Graz zum SPÖ-Parteitag alles vergessen hat und zum donnernden Neutralitätsbefürworter mutiert ist. – Das war Politik mit gespaltener Zunge, die ein Ende finden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber auch ein ernstes Wort an unseren Partner in der Koalition, der nicht ganz aus der Pflicht genommen werden kann, wenn wir seriös bilanzieren wollen. (Abg. Grabner: Das glaube ich dir! Da hast du Recht!) Die allzu vielen, eine positive Sicherheitspolitik konterkarierenden Zurufe aus den Bundesländern sind uns leider noch in schlechter Erinnerung. Sie begannen damals beim Draken, sie haben aber leider noch nicht geendet. Ich darf an den Beschluss der Tiroler Landesregierung erinnern, einen beschämenden Beschluss, wonach sich die Tiroler Landesregierung weigert, die entstandenen Kosten von 6 Millionen Schilling für die ausländischen Hubschrauber, die damals zu Hilfe gerufen wurden, zu bezahlen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Dazu hätten wir schon ein paar Details anzumerken!) Das darf in dieser Form keine Zukunft haben. Das ist nicht die richtige Einstellung und wahrlich kein Ruhmesblatt für die Tiroler Landesregierung.

Über 40 Jahre einer verfehlten und teilweise auch fehlenden Neutralitätspolitik haben im Bewusstsein der österreichischen Bürger eine falsche, aber sehr bequeme Vorstellung genährt, die Sie heute noch weiter nähren wollen, Frau Kollegin Lichtenberger, nämlich dass die Neutralität aus sich heraus Sicherheit bietet und dass daher keine besonderen Anstrengungen in dieser Richtung notwendig sind. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sie ist in der Verfassung verankert, mein Herr!)

Unter dem Druck der europäischen Wirklichkeit müssen wir uns aber von dieser Trittbrettfahrermentalität – und das war sie, Frau Kollegin Lichtenberger – lösen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die Neutralität steht in der Verfassung!) Wir müssen eine neue Sicherheitsdoktrin für unser Land finden – daran wird durch die Koalition gearbeitet –, und wir müssen einen neuen Weg finden und dem Bundesheer eine neue Aufgabenstellung vorgeben. Und dazu sind alle staatstragenden Kräfte dieses Landes – Frau Kollegin Lichtenberger, nicht Sie – aufgerufen.

Gegenwärtig arbeitet, wie ich gesagt habe, eine Kommission daran, ein Grundlagenpapier für eine solche Doktrin auszuarbeiten. Sie besteht aus beamteten Vertretern von vier Ministerien beziehungsweise dem Bundeskanzleramt und soll grundsätzlich Vorarbeiten leisten und einen Rohentwurf erstellen.

Wir Abgeordnete gehen davon aus, rechtzeitig in diese Arbeit eingebunden zu werden –
und wenn ich sage, "wir Abgeordnete", meine ich alle Abgeordneten und nicht nur die der Koalition –, um unsere Gedanken und vielleicht auch unsere Kritik frühzeitig noch in dieser Arbeitsphase einzubringen. Die künftige Sicherheitsdoktrin dieses Landes ist doch eine wesentliche Angelegenheit des gesamten Volkes und damit seiner Vertreter, der Abgeordneten, und nicht nur eine Angelegenheit der Bürokratie, die allerdings das Spezialwissen dafür einzubringen hat.

Für dieses wichtige Ziel einer doch für Jahrzehnte gelten sollenden Doktrin sollte deshalb auch eine eventuelle kleine zeitliche Verzögerung keine Rolle spielen, vor allem dann nicht, wenn es darum geht, einen möglichst breiten Konsens in möglichst vielen Punkten zu erzielen.

Bis dieses Ziel verwirklicht sein wird, wird noch einige Zeit vergehen. Der Verteidigungsminister muss diese Zeit nicht nur überbrücken, sondern auch nutzen, und dazu braucht er Geld, welches im Rahmen des Budgets ja heute auf der Tagesordnung steht. Es kann nicht einfach so weitergewirtschaftet werden. Diesbezüglich hat Minister Scheibner bereits Akzente gesetzt. Es ist ihm gelungen (Abg. Dr. Lichtenberger: Noch mehr Geld auszugeben!), den negativen Trend der Budgetkurve zu brechen, wenn auch noch nicht in völlig zufrieden stellendem Ausmaß. Die Hubschrauberbeschaffung wurde endlich eingeleitet, eine erste LKW-Ersatzrate, wird nachbeschafft, die Schutzausrüstung – wichtig für die Leute – und die Mannesausrüstung, vor allem mit Schwergewicht auf die im Auslandseinsatz stehenden Kräfte, wird verbessert.


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Dazu kommt eine ganze Reihe zusätzlicher Punkte, auch im legislativen Bereich, die korrigiert werden müssen. Wir haben die ersten Maßnahmen beschlossen, weitere sind im Zulauf an den entsprechenden Ausschuss.

Schließlich haben wir uns zu einem angemessenen österreichischen Beitrag für die neuen europäischen Streitkräfte verpflichtet, der Stabilität schon in unserem Vorfeld und nicht erst an unserer Grenze sichern helfen soll. Dafür brauchen wir Personal, dafür brauchen wir Soldaten. Dies erfordert aber nicht nur eine angemessene Bezahlung, sondern auch eine positive Grundeinstellung der Bevölkerung zu dieser Aufgabe. Meine Damen und Herren! Versuchen wir, das gemeinsam zu erreichen! Sozialausgaben mit dem Landesverteidigungsbudget gegenzurechnen ist dafür allerdings nicht der richtige und auch kein ehrlicher Weg. Beides ist notwendig, und beides sollte in seriösen Parteien nicht bestritten werden. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wie meinen Sie das?)

Bundesminister Scheibner ist der geeignete Mann, dieses Projekt "Zukunft" für das Bundesheer umzusetzen, nicht zuletzt deswegen, weil er glaubhaft für eine möglichst breite Einbindung der Opposition in die Verteidigungspolitik steht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wie bitte?!)  – Der seriösen Opposition, Frau Kollegin, ich rede nicht von Ihnen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ach so! So meinen Sie das! Jeder, der Ihrer Meinung ist, ist seriös! Oder wie? Das ist eine Geisteshaltung!) Bei seinem Amtsantritt wurde ihm von den Ressortangehörigen und den Soldaten ein großer Vertrauensvorschuss entgegengebracht, und er hat ihn erfüllt.

Dieses Budget mit seiner Trendwende war ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung, aber die großen Aufgaben, Herr Bundesminister, warten noch. Wir Freiheitlichen wünschen Ihnen dazu viel Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Einem  zu  Wort  gemeldet.  Bitte,  die  Bestimmungen  der  Geschäftsordnung  zu  beachten.  – Dann kommt Herr Bundesminister Scheibner dran. (Abg. Dr. Einem  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Bitte, um Entschuldigung, Herr Minister! – Bundesminister Scheibner: Bitte!)

9.52

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mein Vorredner, Herr Abgeordneter und Brigadier Jung, hat in seinen Ausführungen soeben behauptet, dass es in der vorigen Regierungsperiode dank des Widerstandes der linken Seite dieses Hauses nicht einmal gelungen wäre, einen Optionenbericht zustande zu bringen. (Abg. Murauer: So ist es!)

Herr Abgeordneter Jung! Auch wenn Ihnen das Ergebnis nicht passen mag, wahr ist vielmehr, dass es in dieser Frage keinen Konsens geben konnte, weil die Sozialdemokraten auf dem Boden der Verfassung, auf dem Boden der immerwährenden Neutralität stehen, und eine Lösung, die das nicht respektiert, auch nicht zustande kommen kann. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Freund: Was hat das mit dem Optionenbericht zu tun?)

9.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte. (Abg. Edler: Die ÖVP hat keine Linie! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

9.53

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte rund um ein Verteidigungsbudget ist immer eine schwierige, und wir sehen es auch heute, weil die Meinungen über die Notwendigkeit von Aufwendungen für die Sicherheit unseres Landes zum Teil sehr unterschiedlich sind, zum Teil sogar quer durch die Fraktionen gehen.

Herr Abgeordneter Kummerer, wenn Sie – so wie auch im Ausschuss und auch schon beim Budget 2000 – kritisieren, dass dieses Budget, das Landesverteidigungsbudget, zu niedrig angesetzt sei, dann gebe ich Ihnen Recht. Ich gebe Ihnen Recht, Herr Abgeordneter Kummerer:


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Dieses Landesverteidigungsbudget ist zu gering, um neben der Aufrechterhaltung des Betriebes die zusätzlichen Aufgaben, die an die Landesverteidigung in Zukunft gestellt werden, abdecken zu können, es ist vor allem zu gering, um den Nachholbedarf, die Defizite, die sich in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten angehäuft haben, entsprechend abzudecken.

Österreich hat leider nie das Notwendige für die eigene Sicherheit aufgewendet, das vor allem dann hätte geleistet werden müssen, wenn man den in all den Jahrzehnten vertretenen Grundsatz einer bewaffneten Neutralität auch wirklich ernst genommen hätte. (Abg. Edler: Eine Milliarde mehr!) Das hat man nicht gemacht, und wir stehen heute vor der Problematik, dass wir diesen Nachholbedarf abzudecken haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Kummerer! Wenn ich Ihnen und auch Ihren Kollegen aus dem Landesverteidigungsausschuss in diesem Punkt Recht gebe, dann weiß ich nicht, was jetzt die offizielle Linie Ihrer Partei im Bereich des Landesverteidigungsbudgets ist. (Abg. Edler: Kostenwahrheit!) Haben Sie und Ihr Wehrsprecher Gaál – dem ich übrigens baldige Besserung und alles Gute für seinen Genesungsprozess wünsche – Recht, indem Sie kritisieren, dass zu wenig aufgewendet wird, oder hat Ihr Nachbar, der ehemalige Finanzminister, Recht, der von Milliardengeschenken für die Landesverteidigung spricht. Schon beim Budget 2000 habe ich gehört, 6 Milliarden Schilling gibt es geschenkt. Ich habe diese 6 Milliarden Schilling nur leider nicht gefunden, meine Damen und Herren. Heute wurde sogar davon gesprochen, man könnte das gesamte Budgetdefizit – immerhin 50 Milliarden Schilling im Jahr – dadurch sanieren, dass man die angeblichen Geschenke für das Bundesheer streicht.

Meine Damen und Herren! Bei aller Wertschätzung und bei allem Respekt kommen Sie mir wirklich fast vor wie die literarische Gestalt des "Zerrissenen". Die Frage ist: Wer ist jetzt stärker: Ich oder ich? Also Sie oder Sie? Ich hoffe, Herr Abgeordneter Kummerer, dass Sie sich durchsetzen werden und nicht Ihr Nachbar, der ehemalige Finanzminister Edlinger, und dass wir auch diesen Konsens zusammenbringen, dass wir sagen, wir müssen neben all den wichtigen Aufgaben, die ein Staat zu erfüllen hat – Sozialsystem, Bildungssystem, alles klar –, auch das Notwendige, nicht mehr, aber auch nicht weniger, das Notwendige für unsere Sicherheit aufwenden. (Abg. Edler: Effizienter wirtschaften!) Wenn wir diesen Konsens zusammenbrächten, dann wären wir in der Debatte schon sehr weit gediehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber immerhin, meine Damen und Herren, ist eine moderate Erhöhung im Landesverteidigungsbudget gelungen – insgesamt, wenn man die Überschreitungsermächtigung aus dem heurigen Jahr dazunimmt, ein bisschen mehr als 1 Milliarde Schilling zusätzlich für das Budget –, und es ist erstmals gelungen – darauf möchte ich besonders hinweisen –, dass die Landesverteidigung eine Möglichkeit hat, auch zusätzliche Einnahmen zu lukrieren. Es ist jetzt vereinbart worden, dass alle Einnahmen, die über das Maß des heurigen Betrages hinausgehen, die Einnahmen, die zusätzlich erwirtschaftet werden können, dem Landesverteidigungsbudget zugemittelt werden und für Investitionen verwendet werden können.

Das ist auch notwendig, meine Damen und Herren, denn es muss uns heute klar sein, dass sich die sicherheitspolitischen Szenarien selbstverständlich gewandelt haben. Das Bedrohungsbild hat sich geändert, die Zeit des Kalten Krieges ist Gott sei Dank vorbei, aber es ist nicht so, dass wir heute keinen Bedarf mehr haben an Krisenreaktion, dass wir heute keinen Bedarf mehr haben an Kräften für den Katastropheneinsatz, dass wir heute keinen Bedarf mehr haben für Assistenzeinsätze.

Ich möchte an diesem Punkt auch Folgendes festhalten und ersuche Sie, dass wir in diesem Bereich auch einen nationalen Konsens herbeiführen, dass wir bei all der Kritik, die man an Einzelmaßnahmen (Zwischenruf des Abg. Edler ), auch an der Politik, an der Verteidigungspolitik, auch an verschiedenen Maßnahmen selbstverständlich immer üben kann, eines außer Streit stellen, Herr Kollege: dass das österreichische Bundesheer und damit 25 000 Bedienstete – 17 000 davon in Uniform, 17 000 Soldaten – ihr berufliches Leben und viele Zehntausende ihre Freizeit in der Miliz dafür einsetzen, dass sie im Ernstfall bereit sind, das höchste Gut, das sie haben, nämlich ihre Gesundheit und auch ihr Leben, dafür zu geben, dass Sie und wir alle,


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Österreich und seine Bevölkerung sicher sein können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dafür haben wir Dank zu zollen, Dank zu zollen vor allem dann, wenn es darum geht, diese Einsätze unter schwierigsten Umständen und auch unter schwierigen Rahmenbedingungen durchzuführen. Ich halte es daher – und ich sage das ganz deutlich – oft für beschämend – da nehme ich niemanden aus –, dass es nach wie vor Repräsentanten gibt, die genau diese Aufwendungen in Zweifel ziehen, deren Notwendigkeit in Zweifel ziehen, und dass Soldaten des österreichischen Bundesheeres, das Bundesheer oft zu Bittstellern degradiert werden, wenn es darum geht, die Notwendigkeiten im Budget und bei der Infrastruktur sicherzustellen.

Es geht nicht darum, irgendwelche Berufssoldaten, irgendwelche Söldner hochzurüsten, die dann in den Kasernen warten, dass sie irgendeinen Einsatzbefehl bekommen, sondern es geht darum, die Erfüllung der Aufträge, die wir ihnen gegeben haben, möglich zu machen, und vor allem darum – und das ist auch wichtig, meine Damen und Herren –, diese Aufgaben mit bestmöglicher Sicherheit für diese Soldaten möglich zu machen.

Deshalb liegt es in unser aller Verantwortung, dass wir den Soldaten die bestmögliche Ausrüstung, die bestmögliche Infrastruktur zur Verfügung stellen. Man kann natürlich darüber diskutieren, dass das selbstverständlich auch kostengünstig sein soll, aber bei der Sicherheit zu sparen, ist unverantwortlich, und diese Verantwortungslosigkeit könnte ich niemals unterstützen und mittragen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Lichtenberger! Auch Sie sollten sich überlegen, ob Sie selbst bereit wären, all jene Dinge zu tun, die unsere Soldaten tagtäglich leisten – ich nenne nur das Stichwort Kaprun –, ob Sie tatsächlich bereit wären, ob Sie in der Lage wären, all diese Leistungen zu erbringen. Das sollte sich jeder einmal überlegen, der die Aufgaben und die Notwendigkeit der Landesverteidigung in Zweifel zieht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist kein Argument für Abfangjäger! Das ist kindisch!)

Meine Damen und Herren! Wenn ich sage, neue Aufgaben kommen auf die Landesverteidigung zu, dann sind das zum einen die Aufgaben im Rahmen der internationalen Sicherheitspolitik. Dazu möchte ich ganz klar und deutlich feststellen, dass das keine neue Beschlussfassung dieser Bundesregierung ist, sondern dass die Teilnahme an den Krisenreaktionskräften der Europäischen Union auf eine Entwicklung zurückgeht, die für uns mit der EU-Mitgliedschaft, mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union begonnen hat, sich lange hingezogen und viele Prozesse durchlaufen hat und jetzt in die Realisierungsphase geht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Beistandspflicht!)

Frau Kollegin Lichtenberger! Sie haben die Verfassungsmäßigkeit angesprochen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Beistandspflicht!) Aber wenn Sie schon über die Verfassung reden, dann müssten Sie doch auch jene Verfassungsbestimmungen kennen, die die militärische Landesverteidigung verankern. Wenn Sie sich auch dazu so deutlich bekennen würden, dann würde es mich freuen.

Sie haben auch das Neutralitätsgesetz angesprochen. Das Neutralitätsgesetz ist selbstverständlich in Geltung, aber Sie werden auch wissen, Frau Kollegin Lichtenberger, dass der Artikel 23f in den gleichen Rang wie das Neutralitätsgesetz gestellt ist, nämlich Artikel 23f Bundes-Verfassungsgesetz, beschlossen durch eine SPÖ/ÖVP-Regierung, in dem all das, was wir jetzt umsetzen, verfassungsrechtlich möglich gemacht wurde. (Abg. Dr. Lichtenberger: Beistandspflicht!)

Frau Kollegin Lichtenberger! Mit diesem Artikel wurde nicht nur möglich gemacht, dass wir an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union teilnehmen, sondern auch, dass Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen nunmehr in der österreichischen Bundesverfassung verankert sind (Abg. Dr. Lichtenberger: Beistandspflicht!) und, Frau Kollegin Lichtenberger, dass es dabei um eine schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Europäischen Union geht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Beistandspflicht!)


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Frau Kollegin Lichtenberger! Sie werden sich ja auskennen, weil Sie Mitglied des Landesverteidigungsausschusses sind. Was ist eine gemeinsame Verteidigung ohne eine Beistandsgarantie? – Das ist nicht möglich! Die gemeinsame Verteidigung der Europäischen Union ist daher Bestandteil der österreichischen Bundesverfassung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist ein Unterschied! Diesen Unterschied muss man kennen!)

Trotzdem, Frau Kollegin Lichtenberger, haben wir klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es unser Ziel ist, eine europäische Beistandsgarantie einzurichten, weil das auch ein Akt der Solidarität ist. Wir werden in Zukunft selbstverständlich nicht zulassen – und auch hier sollten wir einen Konsens darüber finden –, wir werden in Zukunft alles dagegen tun, dass – wie das in der jüngsten Vergangenheit der Fall war – auf unserem Kontinent gemordet wird, gefoltert wird, Millionen Menschen vertrieben werden und dass zugelassen wird, dass mit Gewalt Politik gemacht wird! Kann man sich da heraushalten, Frau Kollegin Lichtenberger? Kann man die Augen verschließen vor den grauenhaften Bildern, die wir gesehen haben? – Ich glaube nicht, Frau Kollegin Lichtenberger! (Abg. Dr. Lichtenberger: ... Beistandspflicht, und sonst gar nichts!)

Daher muss es eine europäische Solidarität geben. Es muss ein klares Wort gegen all diese Diktatoren geben, damit wir einig und geschlossen gegen derartige Machenschaften auftreten können. Das ist unsere Verpflichtung, das ist unser Auftrag! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das hat mit Beistandspflicht überhaupt nichts zu tun!)  

Gerade ein kleines Land wie Österreich sollte ein Interesse daran haben, dass es unter den Schutzschirm der Staatengemeinschaft gelangt, damit auch wir sagen können, dass wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit garantieren können, dass Österreich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aus allen kriegerischen Auseinandersetzungen herausgehalten werden kann, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sagen Sie doch offen, dass Sie die Neutralität los sein wollen! Sagen Sie doch offen, dass Sie die Neutralität nicht mehr wollen!)

Dann sagen Sie einmal: Was ist für Sie Neutralität, Frau Kollegin Lichtenberger? (Abg. Jung: Die hat ja keine Ahnung!) Was ist für Sie Neutralität? Ist Neutralität für Sie das Wegschauen, wenn Menschen ermordet werden, wenn Frauen vergewaltigt werden, wenn Kinder umgebracht werden?! Ist das Ihr Verständnis von Neutralität? – Mein Verständnis ist das nicht (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), sondern es ist mein Verständnis von Solidarität, dass wir alles dagegen tun müssen, damit solche Dinge nicht mehr möglich sind. (Abg. Schieder: Aber dazu muss man nicht in einem Bündnis sein!)

Da haben Sie Recht, Herr Kollege Schieder. Aber es ist doch unvernünftig, dass man zwar alle Verpflichtungen einer internationalen Solidarität eingeht, ohne auch die Vorteile in Anspruch nehmen zu können: nämlich zum einen, dass man vollberechtigt mitreden kann, und zum anderen, dass auch die anderen eine Sicherheitsgarantie für uns übernehmen. Das wäre, wie ich meine, durchaus eine vernünftige Sache, über die wir diskutieren könnten, Herr Abgeordneter Schieder. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schieder: Innerhalb der EU: Ja!)  – Um nichts anderes geht es, Herr Abgeordneter Schieder. Es geht genau um diese Diskussion innerhalb der Europäischen Union. (Abg. Mag. Trattner  – in Richtung SPÖ –: Ein Privatissimum für Ihren Klub!)

Meine Damen und Herren! Es wurden Verwaltungseinsparungen angesprochen. Selbstverständlich! Neben der Frage: Wie viel Geld bekommt die Landesverteidigung?, ist es auch wichtig, festzustellen: Wofür wird das Geld ausgegeben? – Dabei sind zum einen die Personalkosten anzusprechen. Aber das Ungleichgewicht, meine Damen und Herren, resultiert nicht daraus, dass wir zu viel Personal haben, sondern daraus, dass wir zu wenig Mittel für die Investitionen zur Verfügung haben.

Zum anderen müssen wir natürlich darauf achten, dass die Aufträge klar definiert sind. Das heißt, man muss klären, was die künftigen Aufträge für die Landesverteidigung sind, denn weder das Heer noch die Strukturen oder auch das Wehrsystem sind Selbstzweck, sondern sie alle sind nur Mittel zum Zweck, um die Aufträge optimal erfüllen zu können. Und wir müssen dann


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danach trachten, dass wir die bestmöglichen Strukturen für eine optimale Auftragserfüllung gestalten können.

Ich habe schon in der Fragestunde und im Budgetausschuss gesagt, dass die Maßnahmen, die mein Vorgänger bereits eingeleitet hat – vor allem Verwaltungsvereinfachungen –, sehr erfolgreich umgesetzt worden sind, dass wir aber selbstverständlich weitere Schritte setzen müssen.

Ich habe auch klar gesagt, dass wir mit den Umstrukturierungsmaßnahmen nicht bei der Truppe beginnen, sondern wir beginnen ganz oben. Wir beginnen bei der Zentralstelle, wir beginnen bei den Verwaltungsinstitutionen, wir beginnen bei der Spitzengliederung, und wir werden in wenigen Wochen einen Vorschlag präsentieren, wie die Spitzengliederung, die Führungsstruktur des österreichischen Bundesheeres nicht nur auf einen modernen Standard gebracht wird, sondern wie wir diesen Grundsatz der Verwaltungsvereinfachung, der Entbürokratisierung und der Sparsamkeit auch in die Praxis umsetzen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Eines sollten Sie dabei bedenken: dass gerade in einem Land wie Österreich ein Heer nicht nur nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien beurteilt werden kann, und auch nicht nur nach rein militärischen Kriterien. Es sind diesbezüglich etwa die Militärkommanden angesprochen worden. Ich habe es schon erklärt: Nach rein wirtschaftlichen und auch nach rein militärischen Überlegungen könnte man, wenn man nur die ureigensten Aufgaben der militärischen Landesverteidigung betrachtet, darüber diskutieren.

Aber wenn ich die Struktur Österreichs – eine föderalistische Struktur – berücksichtige, wenn ich die Aufgaben, vor allem jene im Katastropheneinsatz, bedenke – ich sage jetzt noch einmal: Kaprun, Galtür –, wo es die Militärkommandanten sind, die nicht nur die Ansprechpartner für die Landesinstanzen sind, sondern diese Einsätze auch zu führen haben, dann muss ich sagen, es ist, glaube ich, gescheiter, uns zu überlegen: Wo sind denn die Führungsaufgaben, die vielleicht noch zu adaptieren sind für die Militärkommanden, und wie können wir die Bürokratie reduzieren, uns aber trotzdem klar zur föderalistischen Struktur bekennen?

Solange wir uns dazu bekennen, dass wir neun Bundesländer haben – und ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft so sein wird –, solange sollten wir uns auch dazu bekennen, dass wir neun militärische Führungskommanden in diesen Bundesländern haben, um möglichst effizient unsere Hilfe im Assistenz- und im Katastropheneinsatz geben zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. )

Meine Damen und Herren! Zum Assistenzeinsatz an der burgenländischen Grenze; auch er ist eine ganz wichtige Aufgabe für die Sicherheit Österreichs. Auch bei diesem Assistenzeinsatz muss man, wie bei allen anderen Assistenzeinsätzen, darauf hinweisen, dass das nicht eine ureigenste Aufgabe, eine Verantwortung des Heeresressorts ist, sondern dass wir damit eine Aufgabe für ein anderes Ressort übernehmen, solange dieses Ressort nicht in der Lage ist, diese Aufgabe aus eigenen Kräften zu übernehmen.

Dazu bekennen wir uns, und gerade der Einsatz an der burgenländischen Grenze zeigt, wie notwendig, wie wichtig und auch wie erfolgreich diese Unterstützung ist. Trotzdem dürfen in all diesen Bereichen die zuständigen Instanzen nicht aus der Verantwortung genommen werden, sondern müssen alles ihnen Mögliche tun, um diese Aufgaben kurz-, mittel- oder zumindest langfristig selbst übernehmen zu können. Und selbstverständlich muss ein derartiger Einsatz – vor allem, wenn er über eine gewisse Zeit geht – auch einen entsprechenden Niederschlag im Verteidigungsbudget finden.

Es kann meiner Ansicht nach nicht akzeptiert werden, dass die gleichen Aufgaben von unterschiedlichen Ressorts, von unterschiedlichen Institutionen erfüllt werden, aber beim Personal und vor allem bei der Infrastruktur sind unterschiedliche Ausstattungen dafür vorhanden. Ich meine, darüber sollten wir noch diskutieren, vor allem dann, wenn es darum geht, diese Einsätze auf Dauer zu verlängern und auch hier darüber zu beschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Es wurde hier auch einiges über die Frage der Hubschrauberbeschaffung gesagt. Frau Kollegin Lichtenberger! Ich habe meine Gründe für die Entscheidung schon klargelegt. Es geht dabei nicht – das ist auch die Frage einer gewissen Ernsthaftigkeit in dieser Diskussion – um die Gefahr durch Jäger, sondern, Frau Kollegin Lichtenberger, es sind zwei gute Produkte zur Auswahl gestanden. (Abg. Dr. Lichtenberger: So ist es!) Und ich hatte Gott sei Dank die Möglichkeit, die notwendigen Budgetmittel zu erreichen, um das technisch bessere Gerät für unsere Soldaten – genau nach dem Grundsatz, den ich vorhin angesprochen habe – beschaffen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: ... der Unterschied zwischen "Black Hawk" und "Eurocopter"!)

Es ist technisch besser hinsichtlich der Sicherheit, aber vor allem auch technisch besser bei der Transport-Gesamtkapazität. Und dabei geht es nicht nur darum, Frau Kollegin, im Auslandseinsatz sicherzugehen, dass nicht irgendwelche marodierenden Banden mit Gewehren auf diese Hubschrauber schießen können, sondern es geht etwa bei der Crashfähigkeit auch darum, dass in schwierigem Gelände – was nie auszuschließen ist, wenn es zu einem Unfall kommt; etwa im Gebirge, Frau Kollegin – bei dem von uns beschafften Modell die Insassen eine um 10 Prozent höhere Überlebenschance haben. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das stimmt nicht! Beim "Eurocopter" auch!)

Ich möchte nicht hören, was Sie sagen würden, wenn ein derartiger Unfall passiert wäre, und dann irgendwelche findigen Gutachter herausfänden, dass im Falle einer anderen Entscheidung, wenn wir das andere Gerät beschafft hätten, die Insassen noch am Leben wären! – Das sind die Dinge, über die wir uns unterhalten müssen.

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir haben keinen Kampfhubschrauber beschafft, sondern wir haben ein technisch ausgezeichnetes Produkt für militärische Einsätze, für Transporteinsätze angeschafft, und das ist, wie ich meine, auch positiv hervorzustreichen, und dies gerade in einer Zeit, in der wir über die Notwendigkeiten und Schwierigkeiten im Beschaffungsbereich nachdenken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir können mit diesem Budget den Betrieb für das nächste Jahr aufrechterhalten. Wir können in einigen Bereichen auch wichtige Beschaffungsvorhaben durchführen, etwa bei der Frage LKW und bei der Frage Truppenfunk. Wir werden auch im Bereich der Sanitätsausstattung einiges tun, und wir werden – auch das ist eine wichtige Verantwortung – auch bei der Ausrüstung unserer Soldaten einiges tun, damit unsere Soldaten bestmöglich geschützt werden.

Es ist ein Silberstreifen am Horizont. Die Umsetzung des Bekenntnisses, das wir auch im Regierungsprogramm verankert haben, nämlich für unsere Sicherheit etwas zu tun, ist absehbar. Aber ich sage auch hier sehr deutlich: Auf Grund der schwierigen Budgetsituation, die wir übernommen haben, sind leider viele Punkte, die wir uns vorgenommen haben, im nächsten Jahr noch nicht durchsetzbar. Aber – und das sage ich auch ganz klar – diese Bundesregierung hat sich dazu bekannt, die Sicherheit dieses Landes und damit die österreichische Landesverteidigung ernst zu nehmen. Und diesem Bekenntnis werden, davon bin ich überzeugt, in den nächsten Jahren auch noch Taten folgen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Eine Lehrstunde für Frau Lichtenberger!)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

10.13

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein Wort zum Kollegen Jung. Herr Kollege Jung! Ich denke, es ist eine Pflichtübung der Freiheitlichen, aber auch eine Pflichtübung der ÖVP, immer und jederzeit zu sagen, die SPÖ sei für alles, was bisher im negativen Sinne geschehen ist, verantwortlich. (Abg. Dr. Krüger: Fast 30 Jahre! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Sie haben gesagt, es werde dem Heer vorgeworfen, die Streitkräfte seien entsprechend kopflastig, und wir – die SPÖ – seien daran schuld. Ich frage Sie: Wer war denn in den letzten 15 Jahren Verteidigungsminister? – Das war doch niemand von der


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SPÖ, das war doch ein ÖVP-Minister! Hören Sie doch einmal damit auf, immer die SPÖ für etwas verantwortlich zu machen, bei dem sie nie und nimmer den Minister gestellt hat! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Neudeck. )

Ich werde Sie jetzt noch etwas fragen: Warum hat denn Ihr Parteimitglied Jörg Haider von Kärnten her ausrichten lassen, die ÖVP werde mit der FPÖ nicht so umspringen wie mit der SPÖ, wenn Sie glauben, die SPÖ hat alles blockiert? Meine Damen und Herren! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall der SPÖ. – Abg. Böhacker: Aha, das ist aber lustig! Wer war denn dieses Springinkerl, das abgesprungen ist?)

Nun zum Budget. – Herr Minister Scheibner! Sie haben gemeint, das Budget sei zu gering: 23 Milliarden Schilling, Vorbelastung 2,4 Milliarden, Personalkosten rund 63 Prozent, das sind rund 14,5 Milliarden, ergibt 6,1 Milliarden für das operative Geschäft. Das Budget ist knapp, zugegeben, aber es kommt bei einem knappen Budget schon darauf an, wie die Struktur des Budgets ist und wie die Mittel eingesetzt werden.

Wenn ich Ihre Vizekanzlerin höre, die sich ja bei jeder Gelegenheit darüber auslässt, dass 15 000 Beamte sozusagen mit einem Federstrich abgebaut werden müssen ... (Abg. Wattaul: Werden ja nicht!)  – Na dann 14 000, das ist auch keine geringe Zahl. Wenn diese Beamten also mit einem Federstrich abgebaut werden, dann frage ich mich: Wie werden Sie, Herr Verteidigungsminister, bei Ihrem knappen Budget die Ressourcen, die Spielräume schaffen, damit der laufende Betrieb aufrechterhalten werden kann und auch entsprechende Ersatzinvestitionen getätigt werden können?

Wenn wir uns Kaprun vor Augen führen, dann möchte auch ich diesen Augenblick nicht versäumen und allen Einsatzkräften und im Besonderen auch den Rekruten sehr herzlich danken – sowohl im Namen der SPÖ als auch persönlich –, die für meine Begriffe Übermenschliches geleistet haben, überdimensionale Kraftanstrengungen und psychologische Belastungen zu bewältigen hatten und wirklich alles gegeben haben, um dort zu helfen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)  – Ich hätte mir jetzt schon erwartet, dass die ÖVP auch klatscht. Aber das ist ja nicht das Richtige, wenn jemand von der SPÖ danke sagt, gelt? – Das war’s – so einfach ist es hier in diesem Haus.

Diese Soldaten tun alles für ihren Dienstgeber, für das Heer, tun alles für ihre Wehrpflicht. Ich verstehe dann aber nicht, Herr Minister – und ich habe Ihnen das auch im Ausschuss gesagt –, warum im Budget lediglich 100 000 S für die Kantinen- und Heiminstandsetzung veranschlagt sind. (Abg. Wattaul: Löwingerbühne!)  – Sie brauchen nicht zu lachen, Herr Wattaul. Schauen Sie nach, dann sehen Sie es! Lesen werden Sie ja noch können; ich konnte es.

Wenn man weiß, dass es in der Schwarzenbergkaserne Schlafsäle gibt, wo 50 Rekruten in einem Saal schlafen und keine Möglichkeit gegeben ist, die nasse Wäsche, die schmutzige Wäsche zu trocknen, dann muss wohl gesagt werden dürfen: Auch das ist bitte in der Zeit eines Verteidigungsministers der ÖVP entstanden!

Herr Verteidigungsminister! Ich wünsche mir, dass eben nicht nur diese 100 000 S, die jetzt veranschlagt sind, eingesetzt werden, sondern dass diesem Bereich durch eine entsprechende Umschichtung im Budget mehr Geld gegeben wird, damit die Soldaten, die in der Schwarzenbergkaserne ihren Dienst ableisten und auf die man jederzeit zurückgreifen kann, unter den gleichen Bedingungen wie in allen anderen Kasernen leben können. Sie sollen ihre Wäsche woanders trocknen können und sollen auch nicht 50 Betten in ihrem Schlafraum vorfinden.

Herr Verteidigungsminister! Ich hätte mir auch noch etwas anderes erwartet, und zwar im Sinne einer Vorsorge. Als Sie noch Mitglied des Landesverteidigungsausschusses waren, war das nämlich auch ein Anliegen von Ihnen, und ich hoffe, Sie werden das nun auch betreiben. Es fehlt dafür nur der Ansatz im Budget.

Es geht darum, dass für Präsenzdiener, für Kadersoldaten, die freiwillig Milizdienst leisten, diese Zeiten, die bis jetzt in der Pensionsversicherung nur Ersatzzeiten sind ... (Abg. Scheibner: Das haben aber Sie gemacht!)  – Da waren wir mit dabei. Wir waren auch nicht stark genug, das


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gebe ich schon zu, aber Sie haben es ja auch immer mit vertreten. Und es ist jetzt für Sie als Minister an der Zeit, dafür Sorge zu tragen, dass diese Ersatzzeiten in beitragsgedeckte Zeiten umgewandelt werden können, damit den Menschen, die sich für das Bundesheer zur Verfügung stellen, im Alter keine Pensionszeiten fehlen.

Herr Verteidigungsminister! Wenn es darum geht, die Kopflastigkeit beim Heer entsprechend zu korrigieren, fehlen mir – für meine Begriffe – die budgetären Ansätze für Sozialpläne. Ich denke, das, was für andere Beamte zumindest kolportiert wird, sollte auch vorsorglich für die Beamten des Verteidigungsministeriums im Budgetvoranschlag eine entsprechende Deckung finden.

Wir von der SPÖ, Herr Verteidigungsminister, stehen für ein modernes, zukunftsorientiertes Regieren. Wir stehen aber auch für eine konsensuale wehrpolitische Konzeption. Wir stehen für eine entsprechende Strategie, die wir noch nicht kennen. (Abg. Kiss: Das glaube ich, dass Sie Ihre eigene Strategie noch nicht kennen! Das merkt man, dass Sie Ihre eigenen Strategien noch nicht kennen!) Und wir stehen vor allem für personelle, soziale Absicherungen. Diese fehlen in diesem Budget, Herr Verteidigungsminister. Ich hoffe und wünsche, dass das in Zukunft von Ihnen auch entsprechend eingebracht wird. (Abg. Kiss: Wir stehen für eine Strategie, die ...!)

Ein Letztes, Herr Verteidigungsminister! Ich denke, das, was Sie Kollegin Lichtenberger unterstellt haben – und ich bin nicht ihre Pflichtverteidigerin –, und zwar dass Österreich sozusagen auf Grund der Neutralität 45 Jahre lang bei Mord und Totschlag weggeschaut hätte, das kann es ja wohl nicht sein. Das ist ja ungeheuerlich, wenn Sie das so gemeint haben! Wenn Sie das so gemeint haben, ist das ungeheuerlich! Österreich beteiligt sich seit eh und je an internationalen Einsätzen. (Bundesminister Scheibner: Aber nicht bei Kriseneinsätzen!) Das, Herr Verteidigungsminister, sollten Sie fairerweise dazusagen. Sonst ist doch das, so wie Sie es hier gesagt haben, eine Unterstellung gegenüber Österreich, ist das eine Unterstellung gegenüber Raab, Gorbach, Klaus, und bis heute herauf auch gegenüber Schweden und Finnland. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner. )

10.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte.

10.22

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zum Budgetkapitel Landesverteidigung möchte ich Folgendes festhalten: Ich bin der Auffassung, dass trotz eisernen Sparens im Bundeshaushalt wichtige Investitionen in das österreichische Bundesheer zu tätigen sind. Das österreichische Bundesheer leistet Großartiges für unsere Bevölkerung bei Katastrophen, im Grenzeinsatz an der burgenländischen Grenze und bei Auslandseinsätzen. Es gibt dadurch der Bevölkerung ein allgemeines Sicherheitsgefühl, weil es da ist, wenn man es braucht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die ÖVP steht zur Anschaffung der Transporthubschrauber "Black Hawk". Ich meine, diese Entscheidung war hoch an der Zeit, wie uns die Katastrophe von Galtür deutlich vor Augen geführt hat. Die derzeitigen Transporthubschrauber sind völlig veraltet und haben nach 36 Jahren Dienst ihre Lebensdauer schon fast überschritten. Sie werden mich jetzt vielleicht fragen: Wieso aber wird ausgerechnet der teurere "Black Hawk" gekauft, wenn man den "Eurocopter" billiger hätte bekommen können? – Ganz einfach: Weil das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, meine Damen und Herren!

Ich habe mich mit dem Bereich der militärischen Transporthubschrauber beschäftigt und will Ihnen hier einige Punkte aufzählen. Der französische "Cougar" ist eigentlich als Zivilhubschrauber geplant worden und wurde nur im Nachhinein militärisch aufgerüstet. Bei der Ausrüstung müssen viele Komponenten, die Sikorsky mit seinem "Black Hawk" serienmäßig zur Verfügung stellt, teuer nachgekauft werden. Beim "Black Hawk" ist die Ausrüstung, wie auch viele andere Komponenten, im Serienpaket enthalten. Außerdem meine ich, dass vor allem in Hinblick auf zukünftige internationale Einsätze die Reichweite des "Black Hawk" von bis zu 1 600 km die Versorgung und Mobilität unserer Hilfstruppen nachhaltig verbessern wird.


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Meine Damen und Herren! Dieser Hubschrauber muss sich doppelt bewähren: Nicht nur im militärischen Bereich wird ihm viel abverlangt, auch im Katastropheneinsatz muss er Leistung zeigen. (Abg. Murauer: So ist es!) Ich meine, in beiden Fällen ist er bestens geeignet. Die Sicherheit für Piloten und Passagiere beim "Black Hawk" ist beispielgebend, wie die Erfahrung zeigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte natürlich auch einige Worte über den wirtschaftlichen Aspekt verlieren. Bei den Kompensationsaufträgen hat Sikorsky klar die Nase vorn. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das muss man evaluieren!) Mit einem Volumen von zirka 5,8 Milliarden Schilling, dem Doppelten des Kaufpreises, wurde "Eurocopter" klar geschlagen.

Der Kaufpreis von neun "Black Hawk"-Hubschraubern beträgt ungefähr 3 Milliarden Schilling. Gegengeschäfte für unsere Wirtschaft von zirka 6 Milliarden Schilling wurden ausverhandelt; das ist als sehr positiv zu bewerten. Und das wird auch vom Rechnungshof überprüft, geschätzte Frau Abgeordnete Lichtenberger! Sie brauchen hier gar nicht so skeptisch zu sein. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Dieser Aspekt ist erfreulich. Meiner Meinung nach ergibt sich aber noch ein weiterer wesentlicher Punkt. Durch den Kauf werden heimischen Unternehmen, der Zulieferindustrie, die Türen zum amerikanischen Markt weit geöffnet, was einer Initialzündung für unsere Volkswirtschaft gleichkommen wird. (Abg. Dr. Lichtenberger: Glauben Sie wirklich, dass ...?) Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Die vor allem für meine Region, das Innviertel, bedeutende Firma FACC wird, wie viele andere, stark profitieren. So wird die FACC an der grenzüberschreitenden Produktion des S-76 mit einem Auftragswert an die 500 Millionen Schilling und unglaublichem Zukunftspotenzial beteiligt.

Aber auch bei der Produktion von 1 200 Helikoptern des Typs "Comanche" für die US-Streitkräfte könnten in Zukunft Ausrüstungsteile "Made in Austria" verwendet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der "Black Hawk" kann beziehungsweise soll im Fliegerhorst Hörsching, also in Oberösterreich, stationiert werden. Ich hoffe und erwarte das, denn die Infrastruktur und das Personal sind dort vorhanden. Außerdem bestünde eine gute Erreichbarkeit aller Landesteile Österreichs, meine sehr geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man hört auch immer wieder, dass die Führungsstrukturen im Bundesheer verändert werden sollen. SPÖ-Abgeordneter Gaál sagte in der Ausschusssitzung: Zwei Korpskommanden sind zu viel. Es wird auch über die Abschaffung der Militärkommandanten diskutiert. Abgeordneter Kummerer von der SPÖ hat für diese Abschaffung plädiert. Ich glaube, dass diese Einrichtungen notwendig sind, da die Akzeptanz bei der Bevölkerung sehr hoch, die Bürgernähe sehr ausgeprägt und ein Schulterschluss mit der Bevölkerung gegeben ist. (Abg. Murauer: So ist es!)

Es müssen auch die Kenntnisse der regionalen Gegebenheiten besonders hervorgehoben werden. Ich danke allen Soldaten, Damen und Herren, für ihre Leistungen im Dienste Österreichs und unserer Bevölkerung und stimme gerne diesem Heeresbudget zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

10.28

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wir diskutieren heute das Budgetkapitel Landesverteidigung. Es ist schon erwähnt worden, dass Ihr Budget, Herr Verteidigungsminister, eines der wenigen ist, in dem im Voranschlag mehr drinnen steht als bei anderen. Es sind zwar – und Sie sagen, das sei nicht viel – nur 500 Millionen Schilling, aber diese 500 Millionen, muss ich sagen, sind für die "Black Hawk"-Hubschrauber in etwa so viel, dass Österreich zum Beispiel im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit endlich auf ein Niveau kommen könnte, mit dem wir nicht mehr Schlusslicht in Europa und in der OECD


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sind. Das wäre doch etwas, da ein Zeichen zu setzen und nicht Hubschrauber zu kaufen. Das ist heute auch schon von meiner grünen Vorrednerin und Kollegin gesagt worden.

Das ist ein Hubschrauber, bei dem nicht wirklich einzusehen ist – auch wenn ich weiß, dass Sie das anders sehen –, warum gerade der teurere, jener aus den Vereinigten Staaten gekauft werden soll und nicht jener, der genauso die Ansprüche erfüllt hätte, aber aus dem EU-Raum gekommen wäre. (Abg. Murauer: Das ist 15 Mal erklärt worden, Frau Kollegin! Wie oft noch?)

Genau so ist es nicht einsichtig, wenn ich mir insgesamt das Budget ansehe, dass auch im Bereich der Mehrleistungsvergütungen, im Bereich des Personals etwa 2 Millionen Schilling mehr für das nächste Jahr vorgesehen sind als für heuer. Das steht nämlich in einem krassen Gegensatz dazu, wie mit den Zivildienern umgegangen wird. Dort wird nämlich massivst gekürzt. Das verteidigen Sie mit: Na ja, das kann man nicht finanzieren, wir müssen sparen. – Bei den Soldaten kann man sehr wohl zulegen, da wird mehr bezahlt. Bei den Zivildienern wird massivst gekürzt. Das ist für mich keine Ausgewogenheit – auf keinen Fall! (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir zum Thema Auslandseinsätze. Es hat in den letzten Monaten geheißen: Der österreichische UNO-Einsatz in Zypern wird gestrichen, läuft aus, das brauchen wir nicht mehr, dafür sollen andere eintreten. Wir brauchen das Geld für das Eurokorps. Wir brauchen das Geld dafür, um im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unseren – in Ihrer Diktion – "Mann zu stehen" und dort genauso mitzumachen.

Vor kurzem, am 21. November, habe ich aber in der "Presse" gelesen, dass man daran denkt, die jetzt schon im Ausland befindlichen Truppen auf die 2 000 Mann anzurechnen, die Sie zugesagt haben, und dann brauche man nur noch ein paar hundert neue. – Vielleicht geht das ganz anders: Man nimmt die schon im Einsatz Befindlichen her und stellt sie dann, wenn man sie braucht, woanders hin. (Abg. Jung: Sie haben die Debatte nicht mitverfolgt! Einmal die "Presse" lesen, genügt nicht, um Experte zu sein!)

Ich zitiere nur. In der "Presse" wird das so besprochen, und ich stelle hier die Frage an den Herrn Minister, ob die Überlegungen tatsächlich in diese Richtung gehen. In diesem Artikel in der "Presse" steht auch eine sehr interessante Bezeichnung dafür, was "ESVP" noch heißen kann, nämlich nicht nur Europas Sicherheits- und Verteidigungspolitik, sondern da wird auch anderes kolportiert. Es wird schon gesagt, es wird so wenig Konkretes zugesagt, und auch von österreichischer Seite kann nichts Genaues gesagt werden. Sie haben sich anscheinend mit dem Finanzminister auf etwas geeinigt, aber im Budget kommt das nicht vor. In der Fragestunde haben Sie gesagt: Das muss man dann ausmachen, wenn man genau weiß, wer wie viel zusagt; derzeit kann ich nicht genau sagen, wo diese 4 Milliarden Schilling, die Sie dafür wollen, herkommen. – Die neue Bezeichnung der ESVP heißt nämlich "Europäische Sicherheit Virtuell und auf dem Papier".

Was ist hier eigentlich los? – Auf der einen Seite wird groß gesagt, wir müssen jetzt das Eurokorps verstärken, wir müssen da mitmachen, wir gehören dazu. Und gleichzeitig ist auf der anderen Seite überhaupt nicht klar, wo das Geld herkommt, wo Sie das in Zukunft hernehmen werden. Es ist von außerbudgetären Mitteln die Rede, Sie haben sich mit dem Finanzminister irgendetwas ausgemacht.

Herr Minister! So ein Budget vorzulegen und gleichzeitig zu sagen, wir setzen Maßnahmen, aber nicht zu sagen, wo das Geld herkommen soll, das kann doch wirklich nicht ein gutes Budget im Sinne Ihres "neu Regierens" sein.

Noch etwas: Am Montag Abend war in der Diplomatischen Akademie die Vize-Generalsekretärin der Vereinten Nationen Louise Fréchette zu Gast. Sie hat, so nebenbei bemerkt, folgende Anmerkung gemacht: Wenn man immer fragt, warum denn die UNO nicht schlagkräftiger ist, was Friedenssicherung bedeutet, und die OSZE auch nicht, braucht man nur beim Budget anzufangen. Wenn man das Budget der NATO insgesamt mit dem vergleicht, was die UNO hat, was die OSZE hat, dann ist es kein Wunder, dass es bezüglich der UNO so viel Kritik gibt, dass immer gesagt wird, das funktioniert nicht. – Und das, obwohl die UNO jetzt in dem Brahimi-


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Report versucht, Schwächen, die es in der Vergangenheit gegeben hat, auszumerzen. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Noch etwas anderes: Immer wieder ist die Rede von den Abfangjägern, die gekauft werden sollen. Sie sagen, jetzt ist noch nichts Genaues geplant, man weiß nicht, wie viel sie kosten werden, auch welche Type ist noch nicht ganz entschieden.

Herr Minister! In der Fragestunde haben Sie gesagt: Ich bin dagegen, die Sicherheit der Bevölkerung immer abzuwägen gegen andere wichtige Bereiche. (Bundesminister Scheibner: Auszuspielen!)  – Im Protokoll steht "abzuwägen"; "auszuspielen", wie immer Sie wollen. Aber Sie haben selbst gesagt: Das Bedrohungsszenario hat sich verändert.

Ich frage mich aber, wenn Sie sagen, das Bedrohungsszenario hat sich verändert – da stimme ich Ihnen sehr wohl zu –: Wie wollen Sie denn mit Abfangjägern gegen Folter vorgehen? Können Sie mir das erklären? – Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. (Abg. Jung: Jetzt begeben Sie sich aber auf ...!)

Wie wollen Sie denn mit Abfangjägern gegen Menschenrechtsverletzung vorgehen, gegen Diktatoren? Und noch dazu: Erklären Sie mir einmal, was in der Vergangenheit jene Einsätze, die von der NATO gegen den Irak, im Kosovo geflogen wurden, bewirkt haben!? Haben sie wirklich das bewirkt, was man vorhatte? (Bundesminister Scheibner: Was haben Sie denn bewirkt im Kosovo?) Saddam Hussein sitzt immer noch in Bagdad, und im Kosovo ist der Sturz des Herrn Milošević wohl vor allem auf das letzte Wahlergebnis zurückzuführen und nicht auf den Einsatz der NATO. (Bundesminister Scheibner: Die Vertreibungen haben aufgehört! Nicht durch schöne Worte!) Das Ziel war, Milošević soll abgesetzt werden. Dieses Ziel haben Sie nicht erreicht.

Sie sagen auch, bei der Sicherheit zu sparen, das sei unverantwortlich. – Herr Verteidigungsminister! (Abg. Kiss: Das sind ja ... Züge, was Sie da unten sagen!) Da stimme ich Ihnen schon zu. Aber das Problem ist für mich immer noch: Ihr Sicherheitskonzept ist eines aus dem vergangenen Jahrhundert. (Beifall bei den Grünen.) Ihr Sicherheitskonzept ist nicht eines, das die Sicherheit der Bevölkerung insgesamt einschließt. (Abg. Kiss: So verschrobene Gefahren hört man selten!) Dann würde ich Sie einmal ersuchen, innerhalb der Regierungsfraktionen mehr Wind zu machen, zum Beispiel für verstärkte Verkehrskontrollen, was Autoraser betrifft und was Auto fahren betrifft, wenn man betrunken ist. (Abg. Dr. Krüger: Ist das dasselbe Bedrohungsbild?)  – Ja, das ist für die Bevölkerung sehr wohl ein Bedrohungsbild. Fragen Sie doch einmal, wovon sich die Menschen bedroht fühlen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Doch wohl nicht von der Russischen Föderation, die nicht einmal ihr eigenes U-Boot bergen kann. Oder vielleicht von einem neuen Jugoslawien? Wo soll denn diese Bedrohung herkommen? Wo sollen denn diese neue Angriffe herkommen? – Das können Sie wohl wirklich keinem Österreicher und keiner Österreicherin erklären. (Abg. Dr. Krüger: Der Pilz hat damals einen Einsatz gegen Slowenien verlangt!) Die Bedrohungen liegen im Inneren, beim Verkehr. Die ÖVP war es, die nicht dafür gestimmt hat, dass es ein Verbot oder eine Einschränkung des Privatwaffenbesitzes gibt. Dort liegen die Bedrohungen.

Wie sieht es aus mit der Sicherheit der Frauen, bei Gewalt in der Familie? – Das sind Sicherheitsbedrohungen. Die anderen Bedrohungen – fragen Sie doch einmal! – sind nicht vorhanden. (Abg. Jung: Ja, aber in einem anderen Ressortbereich! Sie sind in der falschen Debatte!)  – Es geht um ein Gesamtsicherheitsbild, und da sehe ich bei der jetzigen Regierung nicht wirklich eine Änderung. Es ist zu wenig, wenn Sie sagen, der Kalte Krieg ist vorbei. – Das stimmt zwar, zum Glück haben wir ihn nicht mehr, aber die Bedrohungen für die Bevölkerung liegen anderswo.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zur Frage der Neutralität kommen! Herr Bundesminister! Sie sagen – zumindest haben Sie noch nichts Gegenteiliges behauptet –, dass Sie auf dem Boden der Neutralität stehen. (Bundesminister Scheibner: Der Verfassung!)  – Der Neutralität nicht? Das ist interessant, weil, wenn Sie sagen, es gibt den Artikel 23f Bundes-Verfassungs


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gesetz, dann stimmt das, aber die Beistandspflicht, die Sie fordern, geht wohl um einiges darüber hinaus. Aber Sie fordern, Sie hätten das gerne. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner. )

Sie wissen auch, dass es diese nicht geben wird, aber Sie wollen etwas, ohne gleichzeitig zu sagen, Sie wollen die Neutralität abschaffen. Wenn Sie – gerade Ihre Partei – immer so darauf bedacht sind, man müsse doch die Bevölkerung fragen – zum Euro haben Sie sie befragt, zur Osterweiterung wollen Sie jetzt sogar eine Volksbefragung durchführen; zumindest macht das Ihre Partei im Burgenland –, dann frage ich Sie: Warum wollen Sie denn die Bevölkerung nicht zur Neutralität befragen? Weil Sie vielleicht Angst haben, dass es dagegen ausgeht? Weil Sie vielleicht Angst haben, dass die österreichische Bevölkerung sehr wohl sieht, dass die Neutralität etwas mehr ist, als nur zuzuschauen?

Sie haben zuerst gemeint – und das lässt mich doch sehr daran zweifeln, wie stark Sie wirklich hinter der Neutralität stehen –: Neutralität würde so etwas wie Wegschauen bei Mord und Totschlag bedeuten. – Ist es das, was österreichische Soldaten in den letzten 45 Jahren getan haben? Ist es das, wofür österreichische Soldaten auf dem Golan ihr Leben gelassen haben? Weil sie zugeschaut haben bei Mord und Totschlag? (Bundesminister Scheibner: Das ist die europäische ...!) Ist das Ihre Ansicht über die Neutralität? – Das wäre eine Beleidigung für jene, die ihr Leben gelassen haben. Das wäre auch eine Beleidigung für das, wofür die Neutralität in Österreich in den letzten 45 Jahren gestanden ist.

Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir nur zuschauen wollen – was ich immer noch nicht verstehe und wahrscheinlich auch nie verstehen werde –, frage ich Sie: Warum fangen Sie nicht endlich an, warum fängt auch die NATO nicht endlich an, die Neutralität als etwas Positives, als etwas Neues im 21. Jahrhundert zu definieren, und zwar dort, wo es notwendig ist – nicht nur beim Konfliktmanagement, wenn es die Konflikte schon gibt, Truppen hinzuschicken und zu schauen, ob man noch irgendetwas managen kann, damit es nicht allzu sehr kracht, sondern, aber da muss man auch etwas dafür tun, denn von selbst kommt es nicht und die Waffen allein werden das nicht bewerkstelligen, wie man daran arbeitet, dass Konflikte rechtzeitig erkannt werden?

Da gibt es innerhalb der OSZE und der UNO sehr wohl Vorstöße und sehr gute Vorstöße. Eine Sicherheitskonzeption, die genau das, nämlich das Vermitteln in Konfliktfällen – zuerst noch das frühe Erkennen von Konflikten – in den Vordergrund stellt, damit man den militärischen Einsatz überhaupt nicht mehr braucht, vermisse ich bei Ihnen. Diese vermisse ich auch bei Ihnen, wenn Sie sagen, Neutralität heißt doch nur "wegschauen bei Mord und Totschlag".

Herr Minister! So etwas kann meiner Meinung nach nur heißen, dass Sie nicht wirklich hinter der Neutralität stehen. Und es stellt sich daher die Frage: Wie halten Sie es mit Ihrem Eid auf die Verfassung, wenn Sie sagen, die Neutralität brauchen wir eigentlich so nicht mehr? Wie halten Sie es damit, Herr Minister? (Beifall bei den Grünen.)

10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

10.41

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dass die SPÖ – zumindest Teile von ihr – für die Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets eintritt, freut uns. Wir werden auf diese Unterstützung noch zurückkommen müssen, weil nämlich diese Regierung von Ihrer Partei einen Schuldenberg in der Höhe von 1 700 Milliarden Schilling übernehmen musste und dadurch begreiflicherweise die Ressourcen für die jetzige Regierung knapp geworden sind.

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lunacek! Mit den Abfangjägern wird Österreich sicherlich keine Kriege führen, sondern für Sicherheit sorgen. Sie sollten sich endlich einmal klar werden darüber, dass mit dem Beitritt zur Europäischen Union und mit den Verträgen auf europäischer Ebene, die in der Folge davon von SPÖ-Regierungschefs unterzeichnet worden sind, die Neutralität alter Prägung überholt ist und wir hier neue Mechanismen für die Sicherheitspolitik der Zukunft finden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Eckpunkte des Regierungsprogramms in aller Kürze in Erinnerung rufen! Erstens: "Die militärische Landesverteidigung ist ein wesentliches und unverzichtbares Element, um Österreich und seinen Bürgern Frieden, Freiheit, Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten."

Zweitens: "In Zukunft werden neben den territorialen Verteidigungsaufgaben internationale Solidaritätsleistungen, Katastrophenhilfe sowie Assistenzleistungen des Bundesheeres im Vordergrund stehen." – Das wird ja auch im Sinne der Grünen und im Sinne der SPÖ sein.

Drittens: "Das Bundesheer muss für alle diese Aufgaben, einschließlich der Teilnahme am gesamten Spektrum des europäischen Krisenmanagements (...) vorbereitet werden."

Meine Damen und Herren! Ein kleiner Rückgriff auf die wesentlichen Punkte der Regierungsprogrammatik empfiehlt sich immer wieder, um darzustellen, mit welcher Konsequenz Verteidigungsminister Herbert Scheibner diese Ziele anstrebt. Für das Jahr 2000 musste Herbert Scheibner noch von einem Notbudget reden. Für das Jahr 2001 ist eine moderate Steigerung des Landesverteidigungsbudgets möglich geworden.

Mit der Erhöhung und auch der Möglichkeit von Einkünften, die lukriert werden können, ist das etwa eine Milliarde Schilling. Dabei von einer Militarisierung zu sprechen, meine Damen und Herren der Linken, ist wohl etwas überzogen, sondern damit werden einige Lücken gefüllt, die bisher durch die schlechte Dotierung des Bundesheeres entstanden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit den Ausgaben für das Budget 2001 werden einige zentrale Vorhaben des Bundesministeriums für Landesverteidigung durchgeführt. Es wird dabei um die Aufrechterhaltung des Betriebes des Bundesheeres mit dem Ziel der kontinuierlichen Verbesserung der Ausbildung der Wehrpflichtigen und der Weiterbildung des Kaders gehen. Dabei geht es auch um die Kasernen, um deren Renovierung, auch um die Soldatenheime, wie sie Frau Kollegin Hagenhofer hier angesprochen hat.

Es geht weiters um die Sicherstellung aller Assistenzeinsätze des Bundesheeres, und auch die Sicherstellung der internationalen Verpflichtungen ist hiemit gewährleistet. Der Beginn der Beschaffung von Mehrzweckhubschraubern kann eingeleitet werden, und es ist auch die Weiterführung der Modernisierung der Ausrüstung des Bundesheeres sichergestellt.

Meine Damen und Herren! Mit der Beschaffung von Transporthubschraubern, aber auch mit gepanzerten Fahrzeugen wird nicht die Kriegsfähigkeit des Bundesheeres, sondern seine Assistenzfähigkeit und der Schutz der Soldaten erhöht. Das ist ein wesentlicher Unterschied! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Unabhängig davon aber ist – der Herr Bundesminister ist schon darauf eingegangen – das Bundesheer auch dazu bereit, sich zu reformieren. Der Verteidigungsminister strafft die Verwaltungsstrukturen des österreichischen Bundesheeres und modernisiert die Armee umfassend. Er beginnt dabei oben beim Bundesministerium, das geht bis zu den Korps- und Militärkommandos. Gerade bei den Militärkommandos, Herr Kollege Kummerer, geht es uns Freiheitlichen nicht um die jetzige Form, sondern um die Erhaltung von regionalen Führungsstrukturen zur Organisation von Assistenzeinsätzen und ähnlichen wichtigen Dingen, die das Bundesheer sicherstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Verteidigungsminister hat auch zwei wesentliche Kommissionen eingesetzt. Die eine befasst sich mit der Einführung einer Freiwilligenarmee und den Grundlagen, die dafür notwendig sind, die zweite befasst sich mit der Erstellung einer neuen Verteidigungsdoktrin, eines neuen Landesverteidigungsplanes. Ergebnisse dieser beiden Kommissionen werden bis zum kommenden Frühjahr vorliegen, wir werden dann auf parlamentarischer und öffentlicher Ebene darüber diskutieren können.

Meine Damen und Herren! Dieser Verteidigungsminister setzt das Regierungsprogramm Schritt für Schritt um. Das Budget 2001 ist unter Herbert Scheibner für das Bundesheer zum ersten Mal


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seit vielen Jahren eine Trendumkehr zum Guten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte.

10.47

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Zu Beginn darf ich gleich sagen, die Sozialdemokraten stehen zu diesem Bundesheer. (Bundesminister Scheibner: Danke!) In vielen Fragen können wir gemeinsam mit Ihnen gehen. In allen Punkten gehen wir – auch Ihre Partei – nicht konform; so ist das natürlich in jeder Partei.

In vielen Punkten gehen wir also konform – in allen natürlich nicht –, auch was zum Beispiel die Anschaffung der Hubschrauber betrifft. Zum Hubschrauberankauf werde ich noch einiges sagen. Ich darf nur eines sagen: Bitte drohen Sie nicht, dass Sie die gleiche Politik machen wie Ihr Vorgänger, weil damit können wir nicht konform gehen! (Abg. Murauer: Das war schwach!)

Ich bin fast nie mit Brigadier Jung einer Meinung, aber heute hat er einen Punkt angesprochen, in dem ich seiner Meinung sein kann: die leise Kritik am Koalitionspartner. Je länger Sie beisammen sind, desto stärker wird die Kritik. Das sage ich Ihnen jetzt schon.

Meine Damen und Herren! Zum Budget 2001. Die traditionellen Aufgabengebiete der Landesverteidigung haben im letzten Jahrzehnt starke Veränderungen erfahren. Die Bedrohungsszenarien an unseren Grenzen, die Gefahr, dass Österreich zum Schlachtfeld wird, existieren zum Glück nicht mehr. Die neuen Aufgaben warten auf entsprechend neue Antworten. Es bedarf – wir haben es heute schon gehört – einer Modernisierung der Heeresstruktur, einer Neugestaltung der Personalaufbringung und einer Neustrukturierung des militärischen Beschaffungswesens.

Normalerweise wäre es selbstverständlich, dass es in Zeiten des Sozialabbaus durch die ÖVP-FPÖ-Koalition keine unverantwortlichen Ausgaben im Bereich der Rüstung geben darf. (Abg. Murauer: "Sozialabbau"? Sozial sicher! Nicht Abbau!) Der Verteidigungsminister – und da können wir nicht konform gehen – findet das aber nicht unverantwortlich bei der Anschaffung von Militärhubschraubern.

Meine Damen und Herren! Der Ankauf neuer Transporthubschrauber wurde nach der Katastrophe in Galtür noch von der vorigen Bundesregierung beschlossen – eine besonders teure Variante jedoch nicht, nämlich eine 530 Millionen Schilling teure Kampfversion eines Militärhubschraubers! (Abg. Jung:  ...! Können Sie mir das erklären?) Diese Kampfhubschrauber werden weder zur Verteidigung unserer Landesgrenzen noch für die Beteiligung an internationalen friedenssichernden Einsätzen gebraucht. (Abg. Jung: Welche Bewaffnung haben die?)

Meine Damen und Herren! In einer Zeit, in der viele Bevölkerungsschichten heftige finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, kann die Geldverschwendung durch das Bundesministerium für Landesverteidigung nicht zur Kenntnis genommen werden.

Meine Damen und Herren! Wenn ich etwa an die Jugend denke: 530 Millionen Schilling Mehrkosten – dafür könnten 10 000 Studenten in Österreich fünf Jahre lang gratis studieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Einerseits beklagt das Ministerium in Gestalt des Herrn Bundesministers mit Recht die unzureichenden finanziellen Mittel seines Ressorts, andererseits werden Mehrausgaben von eine halben Milliarde Schilling getätigt. Überhaupt müssen die Beschaffungsvorgänge transparenter werden – und das ist, glaube ich, unter Ihrer Ägide gesichert, denn gerade Sie haben das als Abgeordneter immer wieder kritisiert. Ich hoffe, dass Bundesminister Scheibner das nun auch durchsetzen wird.


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Meine Damen und Herren! In den letzten zehn Jahren, als die Volkspartei den Verteidigungsminister stellte, versickerten, da gehen wir beide konform, Milliarden Schilling. (Abg. Murauer: Und das war nicht ausgemacht, was?) Sie, Herr Bundesminister, haben sehr oft fachliche Kritik geübt. Ich kann Ihnen daher sagen: Wenn Sie da neue Wege gehen, sind wir natürlich mit dabei.

Durchschaubarkeit, Transparenz bei der Beschaffung fordert die Sozialdemokratie seit Jahren. Der Bundesminister muss den Einflüsterungen der Militärlobbies widerstehen und kann keine überteuren Geräte anschaffen, insbesondere dann nicht, wenn diese nicht dem neuen Anforderungsprofil des Bundesheeres, wie er es immer verlangt hat, entsprechen. (Abg. Jung: Was meinen Sie denn damit konkret?)

Zudem wäre der Ankauf des billigeren, aus europäischer Produktion stammenden Hubschraubers dem Gedanken der europäischen Zusammenarbeit in militärischen und wirtschaftlichen Dingen angemessen.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion und sicherlich auch die österreichische Bevölkerung wollen, dass die Entscheidungsgrundlagen für den Hubschrauberankauf der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. (Abg. Böhacker: Er hat es eh gerade erklärt!) Ich glaube, dass all diese neuen Strukturen in Ihrer Hand richtig liegen. Wenn Sie die Opposition einladen, werden wir – obwohl wir in einigen Punkten nicht mitgehen werden können – den einen oder anderen Punkt gemeinsam lösen.

Herr Bundesminister! Ich bitte Sie: Sorgen Sie für mehr Transparenz! Denken Sie darüber nach, ob Sie in Zukunft Mehrausgaben von einer halben Milliarde Schilling in Zeiten sozialer Kürzungen verantworten können! (Beifall bei der SPÖ.)

10.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.

10.53

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Gerade weil vor mir ein Abgeordneter der SPÖ, nämlich Herr Abgeordneter Grabner, gesprochen hat, möchte ich meinen ersten Satz besonders bewusst sagen: Wir nehmen die Sicherheit unseres Landes ernst, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass unsere Mitbürger vor allen möglichen Gefahren geschützt werden können, und wir bemühen uns, das Sicherheitsgefühl der Menschen aufrechtzuerhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegt aber auch der Schutz der Soldaten im Einsatz am Herzen. Um dies zu erreichen, versuchen wir, die uns zur Verfügung stehenden Mittel optimal einzusetzen. Wir werden dafür sorgen, dass die Mittel für das Verteidigungsbudget sicherlich nicht geringer werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Besonders die SPÖ spricht immer wieder davon, dass die Landesverteidigung so wichtig wäre, sie werde sich voll für die Landesverteidigung einsetzen, sie werde alles tun – wie ich das vorher auch für unsere Seite gesagt habe. Dann tut es mir ehrlich gesagt Leid ... (Abg. Grabner: Wer hat denn in den letzten zehn Jahren die Minister gestellt? – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: ... verwechseln Landesverteidigung mit ÖAAB!)  – Herr Abgeordneter Kummerer, ich werde Ihnen das gleich sagen.

Am 21. November haben Sie eine "Presse-Information zur Budgetpolitik der Bundesregierung" herausgegeben. Wissen Sie, was da unter Punkt "2. Verzicht auf die im Regierungsprogramm vorgesehenen Mehrausgaben" steht? Darin steht – ich zitiere –: "Verzicht auf die geplante Erhöhung der Heeresausgaben bringt einen Spielraum" – hören Sie zu! – "von rund 6 Milliarden Schilling im Jahr 2003 und rund 2 Milliarden 2002." – Zitatende.


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Also das können Sie doch nicht ernst nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Sie wissen, haben wir ein Budget von 23 Milliarden Schilling. Wenn Sie davon 6 Milliarden Schilling abziehen, bleibt überhaupt nichts mehr übrig. (Abg. Kiss: Das ist ein Skandal!) Dann können Sie wirklich, wie auch der Juso-Obmann sagt, das Bundesheer auflösen. Dann ist es nicht mehr vorhanden. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Ist das so schwierig ..., dass man das nicht versteht?) Das ist gefährlich für Österreich, glauben Sie mir das! So kann man nicht vorgehen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auf zwei Dinge, die mir besonders wichtig erscheinen, die ich schon beim Wehrgesetz angeschnitten habe, möchte ich, obwohl ich leider Gottes nicht so viel Redezeit habe – im Ausschuss, Herr Abgeordneter Kummerer, konnten wir darüber reden – noch eingehen.

Der Assistenzeinsatz sei, obschon er sehr wichtig ist, nur gestreift. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich ihm wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenken. Ich unterstütze diesbezüglich den Herrn Bundesminister, wo es nur geht. Es kann nicht sein, dass der Assistenzeinsatz im Burgenland zwar von allen hoch gelobt wird, man aber dann, wenn es um die Mittel geht, nicht bereit ist, diese aufzubringen. Es ist eben heuer auf Grund des Notbudgets nicht gegangen. Wir werden aber mit Nachdruck immer wieder dafür kämpfen, dass diese eine Milliarde Schilling, die dieser kostet, in das Budget des Ministeriums einfließen wird. Es muss nicht vom Innenministerium kommen, das wollen wir auch gar nicht. Wir wissen, in § 2 des Wehrgesetzes ist diese Assistenzleistung so vorgesehen. Wir brauchen einen besonderen Budgetposten dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ähnlich verhält es sich mit dem Eurokorps. Die vormalige Regierung, bestehend aus SPÖ und ÖVP, hat beschlossen, für das Eurokorps einen Beitrag bereitzustellen. Wir wissen, das kostet uns ungefähr 4 Milliarden Schilling. Wir werden sehen, was wir an KFOR-Truppen und so weiter einrechnen können, das wird ordnungsgemäß gemacht werden. Aber da wir uns nun einmal bereit erklärt haben, diese 2 000 Mann dem Eurokorps beizustellen, haben wir auch die finanziellen Mittel dafür aufzubringen. Und dafür werden wir uns in besonderer Weise einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Auslandseinsatz möchte ich Folgendes sagen: Ich war vor einigen Wochen – es war leider Gottes am 11. November, an unserem burgenländischen Landesfeiertag – gemeinsam mit einer Dame und zwei Herren erstmals in Bosnien, als Überwacher der dortigen Wahl. Wir haben auch unsere Truppe besucht. Sie leistet einen wichtigen Beitrag für den Frieden in Europa, also auch für den Frieden in Österreich. Wir in Österreich haben alles zu tun, um unser Bundesheer so auszustatten, dass es sicher ist.

Dort – das darf ich Ihnen abschließend sagen – habe ich Grabsteine mit Jahrgang 1970 und jünger gesehen. Das darf in Österreich nicht passieren. Wir haben unser Heer entsprechend auszurüsten, wir haben für die Sicherheit unseres Landes zu sorgen. Bei der Sicherheit ist es aber immer so:

Wenn es um Ausgaben, ums Geld geht, schimpft jeder, klagt jeder. Wenn es aber darum geht, dass ein Einsatz gewünscht wird, dass Soldaten rasch da sein müssen, wie etwa in Galtür, Kaprun und so weiter, dann fragt keiner danach, was es gekostet hat, dann fragt man immer nur danach: Sind sie schnell genug gewesen, sind sie entsprechend gut ausgerüstet gewesen? (Ruf bei der ÖVP: So ist es!) Keiner fragt danach, was es gekostet hat!

Unser Verteidigungsminister ist zu unterstützen, wenn er die entsprechende Ausrüstung anschafft. Wir werden alles dazu beitragen, dass das passiert, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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48. Sitzung / Seite 33

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Herr Abgeordneter Murauer zu Wort. – Bitte.

10.58

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollege Grabner hat fälschlicherweise behauptet, dass unter Bundesminister Fasslabend und seinen Beamten Milliarden an Schillingen versickert seien.

Ich berichtige, dass unter Bundesminister Fasslabend und seinen Beamten gerade mit den Finanzen sorgsamst umgegangen wurde, und dass diese Milliarden im "Konsum" und in der Bank Burgenland versickert sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Missbrauch!)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kaipel. Ich erteile ihm das Wort.

10.59

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Loos! Natürlich stehen auch wir zur Landesverteidigung. (Abg. Schwarzenberger: Seit wann?) Tatsächlich, Herr Kollege! Schon immer! (Abg. Böhacker: Aber nur mit einem Bein! ... über dem Abgrund!)

Es gibt verschiedene Darstellungen über die Größenordnung des Budgets für die Landesverteidigung. Ich möchte mich nun nicht damit auseinander setzen, ob es mehr oder nicht mehr ist. Wenn es mehr ist, Herr Bundesminister, dann freue ich mich, dass Sie mehr für die Landesverteidigung zur Verfügung haben, möchte aber auch festhalten, dass ich dieses Mehr an Geld zwar nicht anderen geben will, aber wenn es schon ein Mehr an Geld geben kann, hätte ich dieses Geld gerne nicht anstatt, sondern auch für die Schwachen in diesem Lande. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Das Budget für die Landesverteidigung für das nächste Jahr lässt doch einige Fragen offen. Ich möchte, wie schon einige Vorredner, darauf hinweisen, dass wir uns verpflichtet haben, bis zum Jahre 2003 2 000 Soldaten für die europäische Krisenintervention bereitzustellen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Dass das vorbereitender Maßnahmen im Bereich Ausrüstung, Personal und Organisation bedarf, ist wohl verständlich. Experten reden auch davon, dass es dabei um Budgetmittel von etwa 5 Milliarden Schilling geht. Im vorliegenden Budget sind jedoch für diese Aktivitäten keinerlei Mittel vorgesehen. Moderne Kampfhelme und Splitterschutz sind nach wie vor nicht in ausreichender Zahl vorhanden, auch die Einsatzfähigkeit der LKW sinkt rapide. Manche LKW sind doppelt so alt wie ihre Fahrer.

Ein erfolgreiches Bundesheer braucht Rationalisierung, Schaffung schlanker und effizienter Strukturen, klare Verantwortlichkeiten, einheitliche Planung, Umschichtung der Budgetmittel hin zur Truppe und eine Neuausrichtung des Beschaffungswesens.

Den größten Anteil der Ausgaben machen mit 63 Prozent die Personalkosten aus. Daher muss insbesondere die Zentralstelle und die gesamte Verwaltung reduziert und dem tatsächlichen Heeresumfang angepasst werden.

Vom Hubschrauberankauf über organisatorische Fragen bis zu den Themen "Österreich und die NATO" sowie "Österreichs Beitrag zur europäischen Krisenbewältigung" spannt sich der Bogen der Fragen, die Sie, Herr Verteidigungsminister, nicht immer nachvollziehbar beantworten beziehungsweise oft auch offen lassen.

So bleiben Ihre Antworten auf die Frage, durch welche organisatorischen Maßnahmen die im internationalen Vergleich überdimensionierte Führungsstruktur des Bundesheeres den neuen Aufgabenstellungen angepasst wird, im Ausschuss, im Plenum und auch in den Medien unbefriedigend. Sie verweisen stets auf die im Jahre 1998 durchgeführte Anpassung der Heeresgliederung-1992, in der zwar Strukturmaßnahmen erfolgt sind, die aber nicht einschneidend genug waren. Diese Maßnahmen sind endlich im heurigen Sommer abgeschlossen worden,


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doch eine echte Reduzierung auch bei der internen Verwaltung ist immer noch ausständig und wird nicht ernsthaft angegangen.

Eine Projektgruppe arbeitet zwar erfreulicherweise an Reformen in Bezug auf die Spitzengliederung des Verteidigungsministeriums, doch Ergebnisse sind laut Ihren Aussagen erst Ende dieses Jahres zu erwarten. Das ist gut und schön, doch wir debattieren heute das Heeresbudget 2001, das sie nächste Woche beschließen werden. Es wäre daher notwendig gewesen, jetzt zu wissen, worüber wir reden. Es ist aber einmal mehr typisch für die "Partei der kleinen Leute": Vorige Woche haben Sie hier im Hohen Haus gemeinsam mit den Stimmen der ÖVP im Wehrgesetz die Strafen für die kleinen Präsenzdiener drastisch erhöht, bei den Großen an der Spitze der Verwaltung aber lassen Sie sich und Ihren Arbeitsgruppen erstaunlich viel Zeit.

Ebenso lassen Sie uns Abgeordnete und die Öffentlichkeit über die von Ihnen angestrebte NATO-Zukunft Österreichs im Unklaren. Es ist meiner Ansicht nach nicht gut, heimlich bei NATO-Diplomaten zu sondieren. Ich lade Sie ein: Legen Sie die Karten auf den Tisch, schenken Sie uns hier im Parlament, aber auch der österreichischen Öffentlichkeit reinen Wein ein!

Sie sagen immer nur, die Frage eines möglichen Beitritts zur NATO stehe in der laufenden Legislaturperiode nicht auf der Tagesordnung. Das ist schon richtig, denn dazu ist die Zeit auch zu knapp. Doch was geschieht nach dieser Legislaturperiode? Es ist, denke ich, Ihre demokratische Pflicht, jetzt zu sagen, was Sie wollen, wie Sie es wollen und wann Sie den Beitritt wollen!

Da wir heute nicht nur am Rande, sondern zentral auch über das Geld reden: Was wird uns ein NATO-Beitritt tatsächlich kosten? Wie wollen Sie die Bevölkerung weiter mit Ihren Militärphantasien belasten? Sie weichen stets aus und sagen, die NATO-Frage sei von der Regierung, dem Parlament und dem österreichischen Volk im Wege einer Volksabstimmung zu entscheiden. – Gut! Doch das entbindet Sie, wie ich meine, nicht von der Aufgabe, Ihre Konzepte, Ihre Vorschläge und Ihre finanziellen Berechnungen zu Beginn des parlamentarischen Diskussionsprozesses vorzulegen. Die Volksabstimmung steht erst ganz am Ende des Entscheidungsprozesses. Über eine für Österreichs Zukunft so wichtige Frage sollten Sie bereits heute klipp und klar Auskunft geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch eine Klarstellung zum Abschluss. Niemand in der SPÖ bestreitet die Notwendigkeit einer modernen, entsprechend ihrer Aufgabenstellung ausgestatteten Landesverteidigung. Es war die SPÖ, die im Vorjahr vorgeschlagen hat, genau zu prüfen, welche Form dafür die geeignete ist: die allgemeine Wehrpflicht oder ein Freiwilligenheer. Diese Frage soll nicht durch eine ideologische Brille gesehen, sondern nach den Kriterien Kosten, Nutzen und Effizienz im Rahmen einer gesamteuropäischen Sicherheitspolitik beurteilt werden.

Außerdem weist die SPÖ stets auf die besondere Bedeutung des Zivildienstes hin, weil wir Sozialdemokraten davon überzeugt sind, dass junge Menschen, die aus Gewissensgründen nicht mit der Waffe, sondern auf andere Weise der Gesellschaft dienen wollen, das Recht dazu haben sollen. Doch aus Sicht der Bundesregierung sind diese Menschen Drückeberger und Feiglinge, denen man es möglichst schwer machen muss. (Abg. Murauer: Wie kommen Sie darauf?)

Zivildiener und Präsenzdiener sind für unsere Gesellschaft gleichermaßen wichtig. Die Zivildiener haben es sich nicht verdient, als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt zu werden, wie Sie von dieser Regierung das immer wieder tun. Machen Sie im Gegensatz dazu den Dienst beim Bundesheer für die jungen Menschen attraktiver. Wenn die Zustände im Bundesheer gute sind und die Ausbildung sinnvoll ist – und vor allem als sinnvoll empfunden wird –, dann werden meiner Überzeugung nach die jungen Leute auch gerne den Präsenzdienst leisten. Doch die Strafen für Präsenzdiener ohne sachlichen Grund drastisch zu erhöhen, wie das vorige Woche geschehen ist, ist der falsche Weg! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Murauer, Sie haben gesagt, dass alle Parteien zu den Gesprächen einzuladen sind. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Allerdings lade ich Sie dann ein: Tun Sie das! (Beifall bei der SPÖ.)

11.07


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48. Sitzung / Seite 35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zellot. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.07

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Selbstverständlich ist, wenn wir heute über das Verteidigungsbudget sprechen, der Herr Minister, das Militär und auch sehr viele Redner von dieser Seite des Hohen Hauses aus (der Redner weist in Richtung SPÖ) mit der Höhe dieses Budget nicht zufrieden. Ich möchte aber heute die Gelegenheit nützen, zu sagen, dass das österreichische Bundesheer immer schon, auch in der Vergangenheit, eher auf Sparflamme kochen musste. Es konnte aber trotzdem seine Ziele verfolgen und diese Ziele, vor allem die Ausbildungsziele, auch erreichen. Wenn es zu Hilfe gerufen wurde, ganz egal in welcher Notlage, wurde der Auftrag auch erfüllt.

Ich sage das bewusst, und zwar deswegen, weil nur ein motiviertes Kaderpersonal, gesteuert von Kommandostellen, ob Korpskommando oder Militärkommando, in der Lage ist, Menschen zu Soldaten auszubilden, um das Ziel der umfassenden Landesverteidigung und den Einsatz bei Elementarereignissen zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer hat ein Bündnis, nämlich ein starkes Bündnis zu den Österreicherinnen und Österreichern. Das österreichische Bundesheer wird vom österreichischen Volk mehr geschätzt als von so mancher politischen Partei hier in diesem Hohen Hause. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, einige Punkte gehören noch zu den Einsparungspotentialen dazu. Das betrifft die Kommandostellen. In letzter Zeit hat sich gezeigt, dass vor allem die Militärkommanden, Kommandostellen in den einzelnen Bundesländern speziell in Krisensituationen auf Grund ihrer Verbindungen zu den Ämtern schlagkräftiger denn je sind, und daher sollen Kommandostellen wie das Militärkommando in den einzelnen Bundesländern natürlich auch erhalten werden, ganz egal in welcher Form.

Sehr viel Kritik wurde heute auch an der Beschaffung der Hubschrauber geübt. – Meine geschätzten Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit, in welcher es sehr viele Elementarereignisse, nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa, ja auf der ganzen Welt, gibt, denen man immer nur tatenlos zusehen kann. Dann, wenn etwas passiert, ist es zu spät, zu sagen: Hätten wir doch mehr für die Sicherheit getan! Ich glaube, der Bundesminister hat einen richtigen Schritt dazu getan: Die Sicherheit des Personals und die Sicherheit unserer jungen Soldaten wird damit in den Vordergrund gestellt. Ich halte das für sehr wichtig und möchte dir, Herr Bundesminister, dazu herzlich gratulieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein wesentlicher Punkt ist natürlich auch, dass auf die Modernisierung des Transportwesens, wie etwa dem Mannschaftstransport, das notwendige Augenmerk gerichtet wird, um den Transport in Zukunft moderner und effizienter zu gestalten. Es ist natürlich auch wichtig – und in diesem Verteidigungsbudget sind einige Posten dafür enthalten –, dass an die Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität unserer Soldaten, wie etwa in den Unterkünften, gedacht wird. Dies ist ein wesentlicher Punkt, der zeigt, dass die Landesverteidigung auch für den zwischenmenschlichen Bereich, nämlich dass die Soldaten bestens untergebracht sind, sorgt.

Weiters wurden die Mehrausgaben für die Soldatenheime kritisiert. Dabei geht es aber nicht darum, dass sich ein Soldatenheim quasi bereichert! Das Soldatenheim ist ein Aufenthaltsort und ein Kommunikationszentrum für unsere Rekruten. Es ist wichtig, dass darin auch zeitgemäßer, moderner Standard angeboten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.12


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfeffer. Wunschgemäß ist die Uhr auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.12

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vorweg: Auch ich bekenne mich zum Bundesheer, auch wenn mir das manche nicht abnehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ, der Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Das werden wir bei Ihrer Rede feststellen können, und auch beim Abstimmungsverhalten!)

Seit zehn Jahren hält nun das Bundesheer Wache an der österreichischen Ostgrenze. Wenn es nach der Bevölkerung ginge, dann bliebe das ein Dauerzustand. Seit Beginn des Jahres 1990 sind zirka 211 000 Soldaten im Einsatz gewesen, zurzeit stehen zirka 2 200 Soldaten im Grenzeinsatz. Mehr als zwei Drittel von ihnen sind Grundwehrdiener. Ihre Einsatzdauer beträgt durchschnittlich sechs Wochen. Seit 1990 wurden zirka 45 000 illegale Grenzgänger vom Heer aufgegriffen.

Derzeit werden mehr als 1 460 Kilometer EU-Außengrenze bewacht. Erfreulich ist, dass der Grenzeinsatz auch im Budget abgesichert ist. Natürlich müsste – da bin ich Ihrer Meinung, Herr Bundesminister – das Innenministerium auch einen Beitrag dazu leisten, damit das Verteidigungsbudget entlastet wird.

Tag und Nacht sind die Soldaten im Einsatz. Höchste Konzentration ist gefordert, und ständig droht die Gefahr, in Konflikt mit bewaffneten Schleppern zu geraten, die illegale Flüchtlinge immer wieder über die Grüne Grenze in unser Land bringen wollen. Immer wieder werden Menschen aufgegriffen, die meinen, ihr Leben verbessern zu können. Dass sie dann aber in ein größeres Dilemma kommen, wird den Flüchtlingen erst beim Aufgriff bewusst.

Auch für die Soldaten ist dieser Dienst an der Grenze bei Gott kein Honiglecken, zumal jetzt auch noch das Gehalt der Grenzsoldaten gekürzt wird. Im Gegensatz dazu wird das Gehalt für den Auslandseinsatz, um den Soldaten diesen Dienst schmackhafter zu machen, um ein Viertel erhöht. Ich sehe darin eine gewisse Ungerechtigkeit. Unsere Grenzsoldaten sind nämlich auch einer großen Belastung ausgesetzt. Ich habe mich in meinen vergangenen Reden zum Assistenzeinsatz immer wieder mit den Vorkommnissen beim Grenzeinsatz beschäftigt, genauer gesagt ging es um die Selbstmorde beim Bundesheer.

Ich habe dazu an Sie, Herr Bundesminister, auch Anfragen gestellt. Einige Antworten darauf möchte ich hier kurz kommentieren. Für den Zeitraum von 1995 bis 2000 liegen folgende Zahlen vor: Selbstmorde: 83, davon im Jahre 1998 22; Unfälle mit Todesfolge: 131, Todesfälle der Grundwehrdiener insgesamt: 117, Todesfälle gesamt im Kader: 245. – Diese Zahlen müssten uns schon ein wenig zum Nachdenken anregen. (Bundesminister Scheibner: Sagen Sie auch dazu, dass keiner mit dem Einsatz in Verbindung stand! – Ruf bei der SPÖ: Lass dich nicht irritieren!)

Aus der Anfragebeantwortung geht aber leider nicht hervor, welche und wie viele Untersuchungskommissionen zur Erhebung von Todesursachen in den letzten zehn Jahren eingesetzt wurden. Vor allem jene Passage, in welcher es heißt, dass die Soldaten grundsätzlich keiner extremen "psychischen und physischen Belastung unterliegen", da sie in "ihrer Ausbildung" "auf den Assistenzeinsatz vorbereitet" werden, hat mich nachdenklich gemacht.

Dazu möchte ich anmerken: Das Gewöhnen an extreme Situationen durch entsprechende Ausbildungsmaßnahmen bedeutet nicht, dass diese Menschen nicht mehr extrem belastet werden. Sie lernen im besten Fall nur gezielt beziehungsweise wie von Ihnen gewünscht auf solche Art von Belastungen zu reagieren, aber mit einer Entlastung und Normalisierung hat das rein gar nichts zu tun!

In der Anfragebeantwortung heißt es auch, dass "die Selbstmordrate beim Bundesheer geringer sei als jene im zivilen Bereich" und "im Übrigen" auch "kein Fall dokumentiert" sei, "in dem die


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Ursache für einen Selbstmord im Zusammenhang mit dem Dienstbetrieb im Bundesheer zu suchen" wäre. (Bundesminister Scheibner: Das ist so!)  – Herr Bundesminister, ich finde diese Antwort ein wenig bequem. Es geht darum, dass dieses Thema endlich auch innerhalb des Bundesheeres selbstkritisch diskutiert wird. In der Folge könnten dann Maßnahmen ergriffen werden, die tragische Ereignisse solcher Art verhindern helfen.

Dass es eine Umdenkphase gibt – das bilde ich mir auf jeden Fall ein –, möchte ich an einem Beispiel im Burgenland aufzeigen. 28. Juli 2000: Angelobung der Grundwehrdiener in Illmitz im Seewinkel. Im Zuge dieser Veranstaltung sickerte durch, dass ein Soldat im Assistenzeinsatz einen Kollegen durch unsachgemäßes Handeln mit der Waffe in das Bein schoss – ich weiß jetzt nicht mehr, ob in das linke oder in das rechte. Der Militärkommandant des Burgenlandes, Divisionär Dialer, erzählte mir davon, er meinte, er müsse um 21.30 Uhr im Gendarmerieposten Pamhagen sein, dort werde der Soldat einvernommen, dessen Eltern wären auch anwesend. Spontan ersuchte ich Divisionär Dialer, ob ich dabei sein dürfe. Ein sehr ruhiges und vernünftiges Gespräch mit dem Soldaten und auch ein längeres Gespräch mit den Eltern in meinem Beisein fand dann statt. Auf meine Frage an den Herrn Divisionär, ob das immer so gehandhabt werde, meinte er, eigentlich schon. Natürlich wisse er, dass mich diese Vorfälle sehr interessieren, und er verstünde mich.

Ich gebe zu, dass man Verbesserungen im Hinblick auf die Handhabung dieser Vorfälle feststellen kann. Immerhin handelt es sich da um Menschen und nicht um irgendein Material, das eingesetzt wird. Jeder Tote – egal, wo – ist zu viel! Nach wie vor besteht aber Handlungsbedarf, und daher darf ich Sie, Herr Bundesminister, auffordern, trotzdem weiter in dieser Sache tätig zu sein, dieses Thema wirklich ernst zu nehmen und es auch dementsprechend zu behandeln.

Ich ersuche Sie, es besser zu machen als Ihr Amtsvorgänger, der in dieser Sache keinen Verantwortungswillen gezeigt hat. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

11.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte, Herr Bundesminister.

11.19

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein paar kurze Antworten auf Anfragen, zunächst gleich auf eine meiner Vorrednerin: Ich weiß, dass Sie sich in diesem sehr sensiblen Bereich sehr engagieren. Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass es wichtig ist, dass auch das Bundesheer – und ich sage: wie alle anderen öffentlichen Institutionen – alles dazu tut, dass bei gesellschaftlichen Problemen – ob das jetzt Selbstmord ist, ob das Drogenproblematiken oder ob das andere Problematiken sind –, die in seinen Bereichen auftreten, egal, worin die Ursachen liegen, Hilfestellung gegeben wird, um vor allem solche Probleme, so furchtbare Ereignisse wie etwa einen Selbstmord, aber auch alle anderen Unfälle, zu verhindern.

Ich glaube, dass das Bundesheer wirklich alles tut, um Dinge, die verhinderbar sind, auch zu verhindern. Sie wissen aber, wenn Sie sich mit der Materie des Selbstmordes beschäftigen, dass in vielen Bereichen die Vorzeichen gar nicht erkennbar sind und man meistens erst dann reagieren kann, wenn es schon zu spät ist.

Trotzdem haben aber diese Maßnahmen dazu geführt, dass eben, wie Sie schon gesagt haben, die Selbstmordrate glücklicherweise im Bundesheer niedriger ist als bei der vergleichbaren Bevölkerungsgruppe außerhalb des Heeres. Wir müssen aber darauf hinweisen, dass die Selbstmorde, die wir bis jetzt untersucht haben, nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Dienstbetrieb gestanden sind.

Sie haben den Assistenzeinsatz insgesamt angesprochen. Ich glaube, ich habe zur grundsätzlichen Problematik bereits Stellung genommen. Sie haben auch die Einsatzzulagen angesprochen und gemeint, da werde eine Reduzierung vorgenommen. Ich würde sagen, es wird eine Systemänderung in Angriff genommen, und diese wird dazu führen – und das wäre mein Ziel –, dass gerade den Grundwehrdienern, die Sie angesprochen haben, die in der Masse diesen


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Assistenzeinsatz bewältigen, mehr zur Verfügung stehen wird als bisher. Sie wissen, das sind derzeit einige hundert Schilling, die in keinem Verhältnis dazu stehen, was sie für die Republik leisten.

Das ist das Ziel bei dieser Änderung: nicht nur für die Auslandseinsätze, sondern auch für die Miliz, aber auch für die Grundwehrdiener mehr an Prämien zur Verfügung stellen zu können.

Sie haben auch den Assistenzeinsatz angesprochen. – Wir diskutieren heute hier das Budget, und in diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass sich allein durch den Assistenzeinsatz im Burgenland die österreichische Volkswirtschaft 20 Milliarden Schilling erspart hat. Dieser Einsatz hat das Verteidigungsbudget in den letzten zehn Jahren nämlich mit etwa 10 Milliarden Schilling belastet – auf diese Zahl kommt man, wenn man alles zusammenrechnet –, und diese Summe wurde auch nicht ersetzt. Wir wissen, dass dieser Einsatz, wenn ihn andere Institutionen in dem geforderten Ausmaß und mit derselben Effizienz übernommen hätten, wahrscheinlich das Doppelte gekostet hätte. Das bitte ich auch zu berücksichtigen, wenn es um zukünftige Beschaffungsvorhaben geht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Kaipel hat Kampfhelme und LKW angesprochen. – Wir werden nächstes Jahr 10 000 zusätzliche Kampfhelme für unsere Soldaten zur Verfügung stellen, und es wird die Beschaffung von 200 LKW eingeleitet.

Sie haben gesagt, viele Fragen bleiben offen, es gibt zu wenig Information. – Natürlich sind derzeit noch viele Fragen offen, aber ich habe versucht, sowohl im Landesverteidigungsrat als auch im Ausschuss die möglichen aktuellen Informationen zu geben und Sie darüber zu informieren, dass Arbeitsgruppen in den verschiedenen Bereichen eingesetzt sind, wie etwa die Arbeitsgruppe zu einer Neufassung der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, wie etwa die Arbeitsgruppe zur Evaluierung des Wehrsystems, wo Anreizsysteme überlegt werden, die es möglich machen, dass wir unseren Soldaten einen besseren Erfahrungs- und Erlebnisinhalt im Rahmen ihres Wehrdienstes geben.

Aber, meine Damen und Herren, ich versuche einen anderen Weg zu gehen. Wir sollten nicht zuerst politisch über Fachbereiche diskutieren, sondern zuerst einmal die Experten erheben lassen, die Experten einmal Grundlagen für die politischen Diskussionen erstellen lassen. Ich selbst mische mich – das sage ich Ihnen ganz offen und ehrlich – derzeit nicht in die Tätigkeit dieser Arbeitsgruppen ein, sondern ich warte die Ergebnisse ab, und dann werden wir darüber diskutieren. Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, dass ich selbstverständlich darauf Wert lege, dass es eine breite Diskussion gibt, auch unter Einbeziehung der Opposition, aber auch unter Einbeziehung der Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Genauso ist es mit der NATO, Herr Abgeordneter Kaipel. Ich habe immer gesagt – und auch kein Geheimnis daraus gemacht –, dass es mein Ziel gewesen wäre, dass Österreich in der ersten Erweiterungsrunde der NATO dabei gewesen wäre. Das hätte nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftspolitisch einen positiven Effekt gehabt. Wenn ich mir jetzt ansehe, welche Milliarden und Abermilliarden an Investitionen in Tschechien, in Polen und in Ungarn getätigt werden, dann wünschte ich, dass zumindest ein Teil dieser Milliarden in Österreich investiert worden wäre.

Aber das ist vorbei, und für diese Legislaturperiode wissen wir, dass eine nächste Erweiterungsrunde wahrscheinlich nicht aktuell ist, und dass es derzeit keinen politischen Konsens gibt. Wir haben uns darauf verständigt, dass es neben dem politischen Konsens auch eine Abstimmung in der Bevölkerung darüber geben muss.

Wir haben für diese Legislaturperiode klare Ziele, Ziele, die auch umsetzbar sind, weil Sie sie schon in der vorigen Regierung beschlossen haben und weil auch wir uns dazu bekennen, und das ist die Teilnahme Österreichs an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union.

Damit komme ich zur Kritik der Grünen in diesem Bereich und auch zur Frage der Neutralität. Auch Sie kennen meine Meinung dazu. Ich war immer der Ansicht, dass das klassische Ver


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ständnis, das man der Neutralität seit den fünfziger Jahren beigemessen hat, allein schon mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union unvereinbar ist, unvereinbar ist mit der klaren Verpflichtung, die die damalige Bundesregierung gegeben hat, nämlich sich vorbehaltlos an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zu beteiligen. Das hat mit den Bedingungen für die klassische Neutralität nichts zu tun. (Abg. Dr. Lichtenberger: Auch diese Dinge haben wir genannt, oder?)

Ich habe aber schon von der vorigen Bundesregierung gehört, wie man das Neutralitätsgesetz, das selbstverständlich Bestand hat, interpretiert: nicht an einem Krieg teilnehmen, keine permanente Stationierung von fremden Soldaten und keine Mitgliedschaft in einem Militärbündnis. Wenn es kein Problem gewesen wäre, hätte man ja nicht diesen Artikel 23f beschließen müssen. Er ist Bestand der österreichischen Bundesverfassung, und mit dieser Interpretation, die auch sozialdemokratische Bundeskanzler über das Neutralitätsgesetz abgegeben haben, mit dem Artikel 23f Bundes-Verfassungsgesetz gibt es eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage für die Beteiligung Österreichs an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union. Nur das verfolgen wir – nicht mehr, aber auch nicht weniger, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Und die Beistandspflicht?)

Sie haben gesagt, wir verfolgen ein Sicherheitskonzept des vorherigen Jahrhunderts. Ich will jetzt nicht über die Sicherheitskonzepte des vorigen Jahrhunderts diskutieren. Selbstverständlich ist es wichtig, einen umfassenden Sicherheitsbegriff zu haben, wo wir auch Krisenprävention in den Vordergrund stellen – na selbstverständlich! –, wo wir Krisenbewältigung, aber auch Krisenreaktion in die Diskussion bringen. Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen – und das wäre schon einmal ein Konsens –, dass auch militärische Aspekte in diesem umfassenden Sicherheitsbegriff enthalten sein müssen. Wenn wir gerade an die furchtbare Katastrophe der letzen zehn Jahre am Balkan denken: Auch Sie wissen ganz genau, dass durch schöne Worte und Verhandlungen derartige Kriegsverbrecher leider nicht in die Schranken zu weisen sind und dass es eben notwendig ist – wenn auch nicht ausreichend –, derartige Probleme auch mit einer gewissen militärischen Kapazität zu lösen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist ein seltsames Verständnis von Prävention!)

Sie fragen: Welche Bedrohung gibt es denn für Österreich? – Frau Kollegin Lunacek: Welche Bedrohung hat es 1990 gegeben? Wir alle waren euphorisch und haben gesagt: Zerfall des Kommunismus, Aufweichung der Blöcke, jetzt bricht ein Zeitalter von Frieden, Freiheit und Sicherheit in Europa an! – Nur ein Jahr später mussten österreichische Soldaten ausrücken, um das Land nach Süden gegen serbische Truppen zu sichern. Dieselben Personen – auch Politiker –, die noch wenige Jahre zuvor hier im Parlament Misstrauensanträge gegen Verteidigungsminister, die den Draken beschafft haben, eingebracht haben, haben dann genau nach diesen Draken gerufen, als die ersten serbischen MIGs über Graz geflogen sind. (Abg. Dr. Petrovic: Wer hat gerufen? Wir haben nicht gerufen! – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Sie haben zu Recht danach gerufen, denn es ist das Recht der Bevölkerung und auch der Politik, dass sie nach dem Bundesheer rufen, wenn es benötigt wird. Nur müssen wir eben Vorsorge betreiben, bevor etwas passiert, um im Ernstfall entsprechend reagieren zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir da den richtigen Weg gehen: dass wir zuerst eine Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin umfassend diskutieren, dass wir darauf aufbauend die Aufträge an die Landesverteidigung definieren und dass wir dann auch die Diskussion über Heeresgliederungen und auch über die Notwendigkeiten bei Personal und Beschaffung in Angriff nehmen.

Was die Unterstützung dessen angeht, ersuche ich, dass man nicht nur hier im Parlament, dass man nicht nur bei Angelobungen diese Unterstützung zum Ausdruck bringt, sondern auch dann, wenn es unpopulär ist, nämlich auch dann, wenn Geldmittel aufzubringen sind, um diese Aufträge erfüllbar zu machen. Über die Stimmung in der Bevölkerung mache ich mir da keine Sorgen: 250 000 Zuschauer bei der "Air-power 2000", als wir unsere Luftstreitkräfte präsentiert


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haben, 400 000 Zuschauer bei unseren Präsentationen am 26. Oktober 2000. Über 1 Million Österreicher haben heuer bei Heeresveranstaltungen ihr klares Votum für die österreichische Landesverteidigung abgegeben.

Das gibt uns Mut, das gibt uns Zuversicht, dass wir ein gemeinsames Bündnis mit den Österreichern haben, und das ist es auch. Die österreichischen Soldaten sind einzig und allein Österreich und den Österreichern verpflichtet! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete, beachten Sie die Bestimmungen der Geschäftsordnung. 

11.30

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Bundesminister hat gesagt, dass ein Abgeordneter zunächst einen Misstrauensantrag gegen einen Verteidigungsminister im Zusammenhang mit dem Drakenankauf gestellt und kurz darauf nach dem Einsatz eben dieser Draken im Zusammenhang mit der Bosnien-Krise gerufen hätte.

Dies ist unrichtig, denn es waren grüne Abgeordnete, die sich gegen den Drakenankauf ausgesprochen haben. Niemals – zu keiner Zeit! – hat irgendjemand von den Grünen den Drakenankauf gutgeheißen oder gar nach einem Einsatz eben dieser Draken gerufen. (Beifall bei den Grünen.)

11.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Herbert Graf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Der Pilz hat den Einsatz unserer Soldaten ohne Waffen gefordert!)

11.31

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Herren Offiziere des Verteidigungsministeriums! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allen Dingen aber (in Richtung Galerie) liebe Jugend, die heute hier ist! Ich bin sehr erfreut, dass Sie an dieser Diskussion teilnehmen, denn viele von Ihnen wird es ja betreffen, wenn Sie in Kürze Ihren Wehrdienst ableisten. (Abg. Haidlmayr: Den Zivildienst! Das sind lauter Zivildiener!)

Frau Abgeordnete Petrovic, Sie sind ja so bedacht auf das Gute, auf die gute Kultur. Ich möchte Sie vorerst einmal fragen, ob ich richtig gehört habe, dass Sie während der Rede von Herrn Bundesminister Scheibner gerufen haben: So ein Blödsinn! Oder habe ich da falsch gehört? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wird sie nie zugeben!) Habe ich falsch gehört, ja? (Abg. Dr. Petrovic: Ob Sie gut hören, kann ich nicht beurteilen!)  – Ob ich gut hören kann, können Sie nicht beurteilen. Derzeit habe ich sechs Sechstel meiner Gehörfähigkeit. Ich bin noch voll tauglich als Milizoffizier. Ich habe das daher gut gehört und halte das hiermit einmal fest.

Meine Damen und Herren! Das alles geht genau in Richtung dessen, was ich gestern gesagt habe: Die Opposition macht nur Schlagzeilenpolitik. Sie machen nur Schlagzeilenpolitik, Sie schauen, dass Sie mit irgendetwas schnell in die Zeitung kommen, ob das nun die Sanktionen betrifft, ob das die Anti-Atompolitik betrifft, wo Sie sich die fremden Mascherln umbinden, wo Sie fordern (Ruf bei der SPÖ: Zur Sache!)  – ich komme gleich zur Sache! –, dass das ElWOG vorgezogen werden sollte, aber vorher dagegen gestimmt haben, ob das BSE oder vieles andere betrifft. Die heutige Debatte, meine Damen und Herren, reiht sich wieder nahtlos in die Kategorie der Schlagzeilenpolitik ein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte festhalten, dass Herr Bundesminister Scheibner im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ein ganz ausgezeichnetes Budget vorgelegt hat, ein Budget, das – und das ist noch nicht zur Sprache gekommen – punktuell ... (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. ) Ja, Herr Oberleutnant Kummerer, Sie haben ja auch die Erhöhung des Budgets gefordert. "Im Rah


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men der gegebenen Möglichkeiten", haben Sie gesagt. "Im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten". (Abg. Kiermaier: Hauptmann ist er!)  – Hauptmann. – Ich bitte um Entschuldigung!

Ich möchte hier insbesondere auf die Einsparungsansätze zu sprechen kommen:

Mieten für Liegenschaften und Räumlichkeiten: ein ganz eklatanter Einsparungsansatz von 2,4 Millionen Schilling auf 300 000 S.

Instandhaltung von Gebäuden: Dadurch, dass eine entsprechende Auslagerung erfolgte, fällt dieser Budgetposten praktisch zur Gänze weg. Das ist eine Reduktion von 253 Millionen auf 25 Millionen Schilling.

Auch in seinem eigenen Bereich hat der Herr Bundesminister gespart, auch in seinem Büro hat er gespart. Wenn Sie sich die Repräsentationsausgaben ansehen, dann sehen Sie auch dort eine eklatante Verringerung von 3,4 Millionen auf etwa 2,8 Millionen Schilling.

Das Bundesheer muss an die Grenze! Frau Abgeordnete Petrovic hat da vorhin gerade eine Berichtigung gemacht. Das Bundesheer muss an die Grenze! – Ja, wer hat denn das gesagt? Hat das unser Herr Bundespräsident gesagt? Der Verteidigungsminister 1991? – Nein, das hat damals Herr Abgeordneter Pilz gesagt, der uns vorher im Zusammenhang mit ziviler, sozialer Verteidigung weismachen wollte, man sollte mit den Panzerbesatzungen der Warschauer-Pakt-Staaten sprechen und ihnen klar machen, dass sie Unrechtes tun. Das wäre die einzige Möglichkeit, den bewaffneten Konflikt aufzuhalten.

Frau Abgeordnete Lichtenberger! Mit Ihrer Aussage, die Abfangjäger sollten gegen die Folter eingesetzt werden, haben Sie sich ja wohl selbst ausreichend deklassiert. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben allerdings Recht, zum Teil Recht, wenn Sie sagen, das Sicherheitskonzept sei aus dem vergangenen Jahrhundert. Es stimmt nicht ganz, es ist 25 Jahre alt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist ja das vergangene Jahrhundert!) Es sei hier schon angemerkt, dass die vergangenen Bundesregierungen leider auf die evolutionäre Entwicklung, insbesondere auf den Niedergang des Warschauer Paktes, nicht rechtzeitig reagiert haben. Daher hat auch unser Herr Bundesminister die Erarbeitung eines neuen Landesverteidigungsplanes in einer Kommission in Auftrag gegeben, wo jeder von Ihnen seine Meinung einbringen kann. Ich kann nur hoffen, dass es dann genauso kommen wird wie beim Landesverteidigungsplan 1975, der ja hier im Parlament einstimmig beschlossen worden ist. Ich hoffe, dass Sie sich dann ebenfalls wieder einstimmig auch zur Landesverteidigung bekennen.

Herr Abgeordneter Grabner, Sie haben gesagt, es werde heimlich mit der NATO verhandelt. – Ich kann da nichts sehen. Wir haben NATO-Generalsekretär Robertson zu Besuch gehabt. Es hat einen großen Empfang durch Herrn Präsidenten Fischer gegeben, und nach diesem Empfang hat Generalsekretär Robertson auch an einem Gespräch mit Parlamentariern teilgenommen. Er hat uns die Sachlage klar erklärt. Er hat uns eingeladen, an der Partnerschaft für den Frieden mitzumachen. Das hat auch einhellige Zustimmung gefunden.

Ein bisschen deklassiert war dann allerdings das Ganze, als ihm Frau Kollegin Lichtenberger die österreichische Neutralitätserklärung in einem Glasbild überreicht hat, so, als ob er das nicht wüsste. Aber bitte, das ist Ihre Sache.

Sie sagen, es gebe für die Bevölkerung kein höheres Ziel als die Neutralität. Dazu darf ich Ihnen sagen: Es gibt für unsere Bevölkerung kein höheres Ziel, als die demokratischen Grundrechte aller Österreicherinnen und Österreicher in einem gesicherten Staat Österreich weiterhin zu bewahren. Das muss das Credo sein: dass dafür die Sicherheit für eine freie Entfaltung gegeben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Grabner hat gesagt, in vielen Punkten gehe er beim Verteidigungsbudget mit, in einigen Punkten gehe er bei der Verteidigungspolitik nicht mit. Ja in welchen Punkten gehen Sie denn mit? Haben Sie doch den Mut und beschließen Sie dieses Budgetkapitel mit!


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Dann wissen wir, dass Ihnen die gemeinsame Landesverteidigung – wie es in den letzten Jahren immer der Fall war – ein gemeinsames Anliegen ist.

Das haben Sie auch im Ausschuss kundgetan, aber ich nehme an, dass auch das eine Schlagzeilenpolitik ist, dass man sagt, man stellt sich grundsätzlich auch gegen die besten Vorschläge der neuen Bundesregierung. Herr Bundesminister Scheibner hat mit diesem Budget sehr gute Ansätze vorgelegt, aber man macht dann einfach nicht mit. Also wieder Schlagzeilenpolitik, nichts anderes!

Es war mir eine große Freude, Herrn Abgeordneten Schieder anlässlich einer Feier zum 40. Jahrestag bei der Offiziersgesellschaft in Graz im Zuge einer Podiumsdiskussion zuzuhören. Sie haben dort sehr eindeutige Antworten gegeben. Wenn Sie jetzt in der Diskussion vorhin gemeint haben: Aber dazu muss man nicht in einem Bündnis sein!, Herr Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses, so erinnere ich Sie daran, dass Sie bei dieser Diskussion bei der österreichischen Offiziersgesellschaft gesagt haben, dass auch nach Ihrem Empfinden kein Weg an einem weiteren Bündnis vorbeigehen wird. Das ist ja protokolliert. Oder haben Sie das nicht gesagt? (Abg. Schieder: An einer europäischen Verteidigungsidentität, habe ich gesagt!)  – An einem europäischen Verteidigungsbündnis vorbeigehen wird. Das lobe ich mir, jawohl! Sie haben Kraft, Mut und Stärke, das eindeutig zu definieren. Das hat mir gefallen.

Wenn Sie heute hier sagen, es gebe bei den größten Teilen des Kapitels Landesverteidigung Ansätze, denen Sie zustimmen könnten, so fordere ich Sie auf: Dann stimmen Sie doch mit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Wunschgemäß habe ich die Uhr auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.40

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Debatte über das Budgetkapitel Landesverteidigung neigt sich dem Ende zu, und es ist über viel Wichtiges gesprochen worden. (Abg. Kiss: Jetzt sind Sie auch auf einmal da!) Ich bin aber davon überzeugt, dass wir das Budgetkapitel Landesverteidigung heute – gerade heute! – nicht nur behandeln sollen, indem wir das Budget, die Ausrüstung und die Zahl der Kommandenebenen ansprechen, sondern es geht auch um das Ansehen des Bundesheeres und seiner Repräsentanten. Doch darüber, meine Damen und Herren, ist heute hier im Wesentlichen geschwiegen worden, obwohl in der Früh, für jeden von Ihnen vernehmbar, Äußerungen gegen den Oberbefehlshaber des Bundesheeres gefallen sind, die weder für den Menschen Dr. Klestil noch den Träger dieses Amtes in irgendeiner Weise akzeptiert werden können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich möchte mich bewusst zurückhalten, aber ich muss zumindest festhalten, dass der freiheitliche Klubobmann im Salzburger Landtag es für notwendig befunden hat, vor laufenden Kameras unseren Bundespräsidenten mit einem Ausdruck zu belegen, der laut "Duden" so viel heißt wie: charakterlich minderwertiger, gesinnungsloser, betrügerischer, gewissenlos handelnder Mensch. – Meine Damen und Herren! Das ist so ungeheuerlich, dass es einen Aufschrei durch das ganze Land hätte geben müssen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Einmal mehr – einmal mehr! – hat der Herr Bundeskanzler, aber auch der Herr Bundesminister für Landesverteidigung in dieser Debatte im Hohen Haus es nicht für notwendig befunden, auch nur eine einzige Bemerkung dazu zu machen.

Aber das war ja, meine Damen und Herren, nicht das Einzige. – Warum schweigt eigentlich diese Bundesregierung dazu? Wie kann sie es verantworten, zu schweigen, wenn dem Bundespräsidenten gegenüber geäußert wird, dass er die Interessen Österreichs mit Nachhaltigkeit geschädigt und Österreich im Ausland schlecht gemacht hätte? – Sie wissen genau, dass das Gegenteil wahr ist – aber Sie schweigen dazu, meine Damen und Herren!


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Bitte nehmen Sie die überwiegende Mehrheit der Österreicher, die diesen Bundespräsidenten gewählt haben, zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Oder reicht Ihr demokratisches Verständnis nicht einmal so weit?

Ich schließe die folgende Bemerkung nur deshalb an, weil es eine gewisse Verpflichtung zur Vollständigkeit gibt: Herr Schnell hat es für notwendig befunden, den Herrn Bundespräsidenten mit einem Tier zu vergleichen. (Rufe bei der SPÖ: Ungeheuerlich!)  – Meine Damen und Herren, ich frage Sie angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten: Wo ist Ihr demokratisches Verständnis, wo ist Ihr Selbstverständnis als Mensch in diesem Zusammenhang? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie schweigen, während der Bundespräsident als Mensch verächtlich gemacht wird. Meine Fraktion hat unverzüglich eine Entschließung gefasst, in der ausdrücklich festgestellt wird, dass wir diese Äußerungen zurückweisen und darüber hinaus auch dasselbe von der Regierung fordern und selbstverständlicherweise erwarten, dass Schnell zurücktritt.

In den letzten Minuten habe ich eine Erklärung vom Landeshauptmann von Kärnten vorgefunden. Ich habe gedacht – kurze Zeit gedacht –, dass ich hoffen kann. Aber, meine Damen und Herren, diese Entschuldigung, die muss man sich – so wie bei Jörg Haider üblich – genau durchlesen, und dann wird die Ungeheuerlichkeit ein zweites Mal deutlich. Wissen Sie, was er in diesem Zusammenhang gesagt hat? – Er hat wenig Verständnis, sagte Jörg Haider – das heißt, einiges, aber nicht viel –, für derartige Ausdrucksweisen, und in diesem Zusammenhang stellt er fest, das sei nicht Ihr Stil. – Zurückgenommen ist nichts, meine Damen und Herren, sondern lediglich ein bisschen anders hätte Schnell formulieren sollen. Das ist Ihr Umgang mit dem obersten Organ dieser Republik! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Achatz: "Dobermann" haben Sie den Kollegen Stadler genannt!)

Im Schlusssatz findet es der Herr Landeshauptmann von Kärnten notwendig, diese Verhaltensweise, diese Ausdrucksweise mit der "Salzburger Stierwascher-Mentalität" zu entschuldigen. – Das, meine Damen und Herren, ist eine weitere Beleidigung, und ich bin davon überzeugt, dass jeder anständige Salzburger damit nichts zu tun haben will! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist gestern viel von Respekt vor der Demokratie gesprochen worden – dies schließt auch den Respekt vor Menschen und vor gewählten Organen ein. Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang fordert meine Fraktion mit allem Nachdruck auf – und wir bringen auch einen entsprechenden Entschließungsantrag ein –, dass Klarheit geschaffen wird.

Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen betreffend Zurückweisung von Beleidigungen und Herabwürdigungen gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten durch den Nationalrat und die Bundesregierung – Aufforderung an den Bundesminister für Landesverteidigung, dem Herrn Bundespräsidenten von Seiten der Bundesregierung das Vertrauen in einem Tagesbefehl und in einer Erklärung vor dem Nationalrat auszusprechen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Der Nationalrat spricht sich mit allem Nachdruck gegen alle beleidigenden und herabwürdigenden Äußerungen gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten aus und fordert

1. die Bundesregierung auf, gleiches zu tun,


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2. den Bundesminister für Landesverteidigung auf,

a) in einem Tagesbefehl das volle Vertrauen der Bundesregierung gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten mitzuteilen und

b) vor dem Nationalrat" – das heißt hier, heute und jetzt – "die beleidigenden und herabwürdigenden Äußerungen gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten zurückzuweisen und dem Herrn Bundespräsidenten das volle Vertrauen auszusprechen."

*****

(Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! So weit haben Sie es gebracht mit Ihrer Ausdrucksweise, mit Ihrer Politik: dass es in diesem Land, hier im Hohen Hause notwendig ist, einen solchen Antrag einzubringen. Ich fordere Sie mit allem Nachdruck auf, zumindest die letzten Reste eines Demokratieverständnisses dadurch zu beweisen, dass Sie diesem Antrag die Zustimmung geben, denn, meine Damen und Herren, zumindest der Herr Bundespräsident – und damit die hinter ihm stehende direktdemokratische Entscheidung – sollte als Mensch, als Oberbefehlshaber des Bundesheeres und als Staatsoberhaupt außer Streit stehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.48

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Es war wiederum ein Musterbeispiel des Kollegen Kostelka hier in diesem Hohen Hause, gerade auch in Richtung des Landeshauptmannes von Kärnten mit unvollständigen Zitaten, mit Unwahrheiten hier ans Rednerpult zu treten. (Abg. Dietachmayr: Wo ist die Unwahrheit gesagt worden?)

Landeshauptmann Dr. Haider hat sich heute in der APA um 10.48 Uhr zur Causa Schnell unmissverständlich – wie jeder freiheitliche Abgeordnete – distanziert, er hat eine Entschuldigung gefordert, und er erwartet, dass Kollege Schnell dies in geeigneter Form zurücknimmt. – Das haben Sie nicht zitiert! Sie zitieren immer nur auszugsweise.

Wir distanzieren uns von dieser Ausdrucksweise des Kollegen Schnell – das sage ich hier an dieser Stelle! (Beifall bei den Freiheitlichen)  –, aber wir distanzieren uns genauso von Ausdrucksweisen von SPÖ und Grünen in Bezug auf Freiheitliche, wenn dort Tiervergleiche Platz greifen. Es ist nicht lange her, da wurde der Klubobmann der Freiheitlichen Partei hier im Hohen Haus mit einem Hund verglichen – mehrfach! –, und zwar vom Abgeordneten Pilz und seinen Kollegen. Es ist nicht lange her, da haben noch alle gelacht aus diesen Reihen, als Kollege Klubobmann Stadler als "Dobermann" bezeichnet wurde – auch als Hund. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Sie lachen heute noch – und das ist in Wirklichkeit die Doppelbödigkeit der Politik, die Sie betreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist noch nicht lange her, da hat gerade die SPÖ gemeinsam mit den Grünen (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler ) hier im Hohen Hause systematische Kompetenzbeschneidung des Bundespräsidenten Klestil nicht nur begonnen, sondern durchgeführt. Damals waren wir gemeinsam mit der ÖVP die Einzigen, die darauf geschaut haben, dass die Kompetenzen des Bundespräsidenten nicht ausgehöhlt werden. Ich erinnere daran, als Sie nach der Nominierung eines Dreiervorschlages (Zwischenruf des Abg. Grabner ), weil der Bundespräsident nicht den Ihnen geneh


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men sozialistischen Parteigenossen für ein Höchstgericht ausgewählt hat, ihm im Umkehrschluss sofort die Kompetenz abgesprochen haben. Heute, nachdem Bundespräsident Klestil bei der Regierungsbestellung beziehungsweise bei der Angelobung mit Ihnen in einem Boot gesessen ist – und das war wahrlich keine glückliche Rolle des Herrn Bundespräsidenten –, wird er zu Ihrem Verbündeten. (Abg. Schieder: Hören Sie auf! Hören Sie auf!) Das ist doppelbödig! (Abg. Edlinger: Das ist ein Skandal, was Sie da aufführen!)

Sie sind, wenn es darum geht, Dinge differenziert zu sehen, auf einem Auge blind. Wenn es um die Beschimpfung der Freiheitlichen geht, unterstützen Sie das und sind noch willfährig dabei, und wenn es Ihnen in den Kram passt, dann skandalisieren Sie in diesem Hohen Haus jede Meinung eines Landespolitikers, egal welcher Gewichtung er letztlich ist. (Abg. Edlinger: Das ist nicht ein Skandalisieren, das ist ein Skandal ...!) Das ist Ihre Art von Politik – diese teilen wir auch nicht, das sage ich Ihnen hier an dieser Stelle. Wir distanzieren uns von dieser Art und Weise der politischen Auseinandersetzung in Wort und Stil, auch eines Kollegen Schnell (Zwischenrufe bei der SPÖ), aber wir distanzieren uns auch von der Art und Weise Ihrer Politik (Beifall bei den Freiheitlichen), wenn es darum geht, die Freiheitlichen hier in diesem Hohen Haus permanent mit Tieren zu vergleichen!

Hören Sie auf, hier auf einem Auge blind zu sein. (Zwischenruf des Abg. Brosz. ) Nehmen Sie Ihre Verantwortung als größte Oppositionspartei endlich wahr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Achatz: Wie war das mit "Sitz! Sitz!", "Wuff! Wuff!"?)

11.52

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In der Debatte über die Landesverteidigung ist den Grünen mehrfach vorgeworfen worden, sie würden die Sicherheitsgefühle der Bevölkerung und die Sicherheit Österreichs vernachlässigen, missachten.

Landesverteidigung – darüber sprechen wir doch, oder? (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Meine Damen und Herren! Wie schaut das aus, was versteckt sich hinter diesem Wort? Gehört dazu nicht auch, dass hier das Hohe Haus, wenn der Bundespräsident – immerhin auch formeller Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger )  – auf eine ziemlich unsägliche, unerträgliche, miese Art angegriffen wird, klar und deutlich Stellung dazu nimmt?! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dazu gehört auch, dass der Herr Bundesminister zumindest, da das ja auch schon von einem Redner angesprochen wurde, die Angriffe auf den Präsidenten zurückweist. Haben wir etwas davon gehört? Gehört das nicht zum Thema Landesverteidigung? Ist es nicht auch eine Aufgabe der Bundesregierung beziehungsweise des Ministers, wenn in einem Bundesland ein wild gewordener Unterläufel des Herrn Haider vor sich hinbellt – ich nehme diesen Ausdruck wirklich in den Mund; anders kann man es nicht bezeichnen –, hier klare Worte zu finden?

Meine Damen und Herren! Weil Sie sich von Tiervergleichen so angesprochen fühlen, Sie sich missachtet fühlen, Herr Kollege Graf: Es waren nicht die Abgeordneten von den Sozialdemokraten, nicht die Abgeordneten von den Grünen, die dem damaligen Klubobmann Stadler den "Dobermann" in den Mund gelegt haben (Abg. Ing. Westenthaler: Hat der Herr Edlinger gesagt, dass wir Schweine sind?), sondern es war Herr Stadler selbst, der gesagt hat: Ich bin der Dobermann! – Ja, so war es! Sie können das im Protokoll nachlesen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wundern Sie sich nicht, dass Sie Hundevergleiche dann auch an anderer Stelle präsentiert bekommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Herr Edlinger macht Schweine-Vergleiche!) Wundert Sie das in dem Zusammenhang, da sich doch Herr Kabas vor mehreren Monaten mit seiner unsäglichen Äußerung zum "Lump"-Bundespräsidenten und der teilweisen verbalen Rücknahme


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auf "Hump" und "Dump", dann doch wieder "Lump", selbst dem Verdacht ausgesetzt hat, dass er nicht ganz weiß, wovon er spricht.

Jetzt wird das aber bestätigt, meine Damen und Herren: Die freiheitlichen Funktionäre – das fängt nicht bei Kabas an; und es sind nicht einfache Funktionäre – sind der Meinung, dass der Bundespräsident ein Landesverräter ist. Das wird bestätigt.

Wir erinnern uns doch noch an die Äußerungen des Herrn Haider, in denen er in Richtung Klima und in Richtung Klestil den Vorwurf des Landesverrates deponiert hat. Wir erinnern uns noch an den zurückgetretenen Bundesminister Schmid, der ebenfalls gesagt hat: Ja, da handelt es sich um Landesverrat. Herr Kabas hat dann diese Äußerungen brav apportiert und sie zum "Lumpen" gemünzt, dann wieder zurückgenommen. (Abg. Dr. Martin Graf: Was ist "apportiert" für ein Sprachgebrauch?!) Jetzt kommt Herr Schnell und sagt – ich zitiere –:

"Lump war eigentlich ein zu harmloser Ausdruck. Wenn man im Wörterbuch nachschlägt, findet man auch dieses Wort, und bei uns im Pinzgau nennt man Lumpi einen Hund."

Herr Kollege Graf! Ihnen fällt dazu nichts anderes ein, als zu sagen, dass die Tiervergleiche unpassend sind? (Abg. Dr. Martin Graf: Das habe ich doch eh gesagt! Ich habe mich eh davon distanziert!) Haben Sie jemals in einer Charakterisierung eines gewählten Organs von unserer Seite gehört, wonach wir diesem vorgeworfen hätten, es sei ein Lump, ein Landesverräter? Haben Sie das jemals gehört? Ja oder nein? – Und das ist das Unglaubliche an dieser Debatte! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich komme zur Äußerung des Landeshauptmanns Haider. (Abg. Achatz: Wie war das mit Milošević?) Kollege Graf hat ja versucht, das zu entkräften. Aber ich sage Ihnen Folgendes, Herr Kollege Graf (Abg. Dr. Martin Graf: Pressedienst! Schwarz auf weiß!): Es heißt dann in der Erklärung des Herrn Haider weiter:

"Ein einmaliger verbaler Ausrutscher wäre verständlich und entschuldbar." – Das wird nicht in direkter Rede zitiert (Abg. Dr. Partik-Pablé: "Kein Verständnis", hat er gesagt! – Abg. Dr. Martin Graf: "Kein Verständnis"!), aber es entspricht dem, was Herr Haider in dieser Debatte gesagt hat: Na betrachten wir es eben als einen einmaligen Ausrutscher des Herrn Schnell – das ist doch gemeint –, auch wenn man dafür kein Verständnis haben muss oder nur geringes Verständnis aufbringen soll. Betrachten wir es als einen einmaligen Ausrutscher, der der berühmten Salzburger Stierwascher-Mentalität geschuldet ist. So ist diese Äußerung des Herrn Haider zu verstehen.

Herr Schnell soll sich entschuldigen, irgendetwas soll er schon sagen. Es wird Herrn Schnell dazu auch etwas einfallen, nur: In jeder anderen Demokratie, in jedem anderen Land würde diese Äußerung eines derartigen Unterläufels zu dessen Rücktritt führen, und das wäre selbstverständlich. Wir fordern auch den Rücktritt des Herrn Schnell! Das, was Herr Schnell in diesem Zusammenhang vor aller Öffentlichkeit ausgebreitet hat, ist inakzeptabel! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Der Punkt ist aber auch: Es ist auch inakzeptabel, wie sich Herr Haider jetzt als Biedermann von seinem Brandstifter Schnell verabschiedet. Das ist inakzeptabel, schließlich war es ja gerade Herr Haider, der mit dem Landesverrat, mit dem Hochverrat in Richtung Bundespräsident operiert hat, der diesen Vorwurf in den Raum gestellt hat, der dann vom Justizminister brav aufgegriffen wurde mit der Äußerung: Bei Mandataren könnte man, müsste man ja etwas machen!

Meine Damen und Herren! Auch Herr Haider mit seiner Äußerung über den Landesverrat und Herr Schmid mit seiner Äußerung über den Landesverrat waren und sind in ihren politischen Funktionen allein schon wegen derartiger Äußerungen untragbar. Sie werfen einem Organ der Republik eine höchst kriminelle Handlung vor, ohne sie zu belegen. Es geht dabei nicht darum, dass in der politischen Debatte hier einfach ein Vorwurf gebracht wurde, sondern darum, dass ein Delikt unterstellt wurde, das mit konkreten Strafdrohungen versehen ist. Das in den Raum zu stellen und jemandem vorzuwerfen, ohne es zu belegen, dann zu unterfüttern mit pausenlosen Angriffen wie "Lump", "Hump" und "Dump", ist verabscheuungswürdig.


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Der Vorwurf "Lump" ist ja noch zu wenig, sagt Herr Schnell, da müsste noch etwas draufgesetzt werden. Er hat nur nicht den richtigen Sprachbegriff dafür gefunden. – Das, meine Damen und Herren, ist unerträglich, und wir, der Nationalrat, sollten uns davon distanzieren.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Beleidigung des Bundespräsidenten durch FP-Landesparteiobmann Schnell

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat distanziert sich von den unerträglichen Äußerungen Dr. Schnells und fordert den Bundesminister für Landesverteidigung und die Bundesregierung auf, sich von diesen Äußerungen ebenfalls zu distanzieren.

*****

Meine Damen und Herren! Der Rücktritt des Herrn Schnell ist ein Gebot der Stunde. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Augenblicklich soll dieser Herr, der unerträglich ist, zurücktreten! Das ist das Mindeste!

Aber es ist auch das Mindeste, Herr Dr. Khol, dass die ÖVP in dieser Frage endlich eine Haltung findet und sich nicht einmal mehr verschweigt, wenn Angriffe gegen Organe dieser Republik gerichtet werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht ebenfalls mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete, beginnen Sie nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung mit der zu berichtigenden Behauptung.

12.02

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Öllinger hat behauptet, Landeshauptmann Haider hätte gesagt: Betrachten wir die Äußerung Schnells als einmaligen Ausrutscher. – Diese Behauptung des Abgeordneten Öllinger ist falsch!

Ganz im Gegenteil: Der Landeshauptmann von Kärnten Dr. Haider hat laut einer Aussendung der APA gesagt: "Kein Verständnis für die Attacken des Salzburger FP-Obmanns Karl Schnell". – Keines! Herr Kostelka hat "wenig Verständnis" daraus gemacht. (Abg. Dr. Kostelka  – einen Zeitungsartikel in die Höhe haltend –: Das steht hier!)

Es heißt weiter: "gegen ... Klestil zeigte am Mittwoch der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (F). Er forderte eine Entschuldigung Schnells. Die Partei könne gutes Benehmen nicht verordnen, so Haider."

Ich meine, selbst bei einer so emotional geführten Debatte sollte man bei der Wahrheit bleiben, sowohl Sie, Herr Öllinger, als auch Sie, Herr Kostelka. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster (Abg. Öllinger: Erwiderung!) zu Wort gemeldet ... (Abg. Ing. Westenthaler: Auf Zuruf funktioniert das Parlament nicht!)


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Zu einer persönlichen Erwiderung auf die tatsächliche Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Böhacker: Ist ja unglaublich, auf Zuruf!)

12.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Sie haben in Ihrer tatsächlichen Berichtigung etwas berichtigt, was nicht zu berichtigen war (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aber keine persönliche Erwiderung!), denn Sie haben mir unterstellt, ich hätte Herrn Haider falsch zitiert.

Ich habe Herrn Haider aus einer APA-Aussendung zitiert mit dem Satz: "Ein einmaliger verbaler Ausrutscher wäre verständlich und entschuldbar." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich habe genau mitgeschrieben, was Sie gesagt haben! Sie haben einen falschen Zusammenhang hergestellt!)  – Diesen Sachverhalt, diese Aussage des Herrn Haider haben Sie nicht entgegnen können, weil sie ja auch in der APA-Meldung enthalten ist.

Darum ist meine Behauptung tatsächlich richtig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte. (Ruf: Jetzt wird es spannend!)

12.04

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei möchte ich klar und deutlich sagen: Wir missbilligen die Wortwahl, die Äußerung und das Gedankengut, das hinter den Äußerungen des Politikers, die hier zur Diskussion stehen, steht.

Wir distanzieren uns davon mit aller Deutlichkeit. Wir lehnen eine solche Sprache ab.

Die Entschließungsanträge werden wir auch ablehnen, denn wir wollen diesen Politiker nicht aufwerten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.04

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich brauche keinen Zuruf und keine Aufforderung von irgendjemandem, dazu Stellung zu nehmen, obwohl das selbstverständlich nicht Thema des Budgetkapitels ist und ich auch nur über eine APA-Meldung und jetzt durch Ihre Ausführungen von dieser Aussage Kenntnis erhalten habe und auch noch keine Gelegenheit hatte, mit dem Betroffenen selbst darüber zu sprechen, was er wirklich gesagt hat.

Aber: Wenn diese Aussage so gefallen ist, wie Sie es hier darstellen, wie es auch über die APA gekommen ist, dann war das selbstverständlich eine unqualifizierte Aussage, die abzulehnen ist – so, wie es immer abzulehnen ist, wenn Menschen mit Tieren verglichen werden, wenn Menschen mit unqualifizierten Aussagen bedacht werden. Das sollten wir alle uns immer – egal, wen es betrifft – vor Augen halten! Und diese Grundsätze einer entsprechenden Kommunikation und auch der Würde gegenüber den anderen Menschen sollten wir immer wieder in unser Gedächtnis rufen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.05

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider muss auch ich mich zu dieser Causa zu Wort melden. Einiges ist bei dieser Sache schon sehr interessant.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wortwahl ist ein einziger Skandal, mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen, denn es ist zu lesen, dass "Lump" eigentlich noch ein harmloser Ausdruck sei, denn so habe er, Schnell, auch seinen Hund genannt. – Und jetzt kommt das, meine sehr geehrten Damen und Herren, was sehr bedenklich ist: "unter dem Applaus seiner Parteifreunde". – Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Ausrutscher dieser Art ist an und für sich eine Katastrophe, aber wenn dort dann auch noch Leute aus der eigenen Gesinnungsgemeinschaft dazu applaudieren, dann ist das, glaube ich, der Gipfel der Ungeheuerlichkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin in einer Zeit groß geworden, als das Bild des Bundespräsidenten in jeder Schulklasse hing und vis-à-vis das Kruzifix. Der Bundespräsident war für uns Kinder eine Autorität, die einfach unbestritten war. Für das gute Funktionieren einer Demokratie ist das auch eine wichtige Sache. Wenn man bedenkt, welch gewaltigen Rechte und welch große Verantwortung das Staatsoberhaupt in unserem Land hat, dann muss man sagen, dass dieser Vorfall ungeheuerlich ist.

Auch ich bin der Meinung, dass Herr Schnell auf der Stelle zurücktreten sollte, denn seine Aussage geht ja noch weiter. Er hat dann gesagt: Na selbstverständlich gibt es ihn. Wir alle kennen, glaube ich, auch aus dem Pinzgau diesen Ausdruck: Mein Hund hieß Lumpi, weil er ein lieber, netter Falott war. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ungeheuerlich!

Noch etwas kommt dazu: eine sehr interessante Mitteilung, meine sehr geehrten Damen und Herren, die uns auch ein bisschen zum Nachdenken anregen sollte – auch die Kollegen von der ÖVP.

Wissen Sie, was Schnell in Richtung Innenminister gesagt hat? – Er heißt in der APA: "Gleichzeitig verteidigte Schnell die ,Spitzeldienste‘ der Polizei. Ohne Spitzelei könne es keine Demokratie geben, weil bestimmte Dinge sonst nie ans Licht kämen, meinte er." – Wieder unter dem Applaus seiner Freunde.

Noch etwas ist sehr interessant: Es gibt eine APA-Meldung, in der sich Minister Haupt sofort sehr deutlich von dieser Sache distanziert hat. Und ich habe auch mit großem Interesse die Ausführungen des Herrn Bundesministers Scheibner gehört. Es gibt in dieser Partei also anscheinend mehr oder weniger zwei Strömungen; das stelle ich immer öfter fest. Es gibt in dieser Partei doch Kräfte, die solche Ausrutscher einfach nicht akzeptieren, jedoch auch andere, die sie innerlich gutheißen – und das ist eine schlimme Sache. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesminister Scheibner: Wer heißt es gut?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man wollte diese Aussagen dann gleich mit anderen Tiernamen kompensieren. Ich möchte daher noch einmal festhalten: Die Bezeichnung "Königskobra" stammt aus dem April 1998, und zwar ebenfalls von besagtem Herrn Schnell. (Abg. Ing. Westenthaler: Die "blauen Schweine" stammen von jemand anderem!) Damit das auch klar gesagt ist, damit Sie den Schuldigen auch an der richtigen Stelle suchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss noch etwas ansprechen, weil es ja um das Budget geht, und zwar möchte ich das Parlament betreffend, unsere Arbeitsstätte, unsere Wirkungsstätte, einiges sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ! Sie haben durch Ihr Nein verhindert, dass dieses Parlament modernisiert wird. Es ist schon interessant, dass in den Reformstaaten die Parlamente heute schon moderner beschaffen sind als bei uns in Österreich. Sie haben das verhindert. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Landesverteidigung?)

Es wäre längst an der Zeit, dass in diesem Hause eine elektronische Abstimmungsmaschinerie kommt (Abg. Ing. Westenthaler: Das falsche Thema!)  – aber das haben Sie durch Ihr Veto beeinsprucht. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist eigentlich schlimm, auch für die


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Damen und Herren, die hier im Haus arbeiten müssen. (Abg. Mag. Trattner: Das ist dein Beitrag zum Verteidigungsbudget?!)

Zum Schluss: Meine sehr geehrten Damen und Herren von den anderen Parteien! Nehmen Sie sich die heutigen Aussagen bei Ihren weiteren Überlegungen, wie wir in diesem Hause miteinander umgehen sollten, zu Herzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung des Abg. Kiermaier –: Sagen Sie das auch dem Kollegen Edlinger, der uns als "blaue Schweine" bezeichnet hat! Sagen Sie ihm das! – Abg. Edlinger: Das hat er nie getan! Nie getan! Sie behaupten es! Ich habe es nie getan! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf – Abg. Bures: Sie wissen, dass Sie die Unwahrheit sagen! – Abg. Dr. Van der Bellen  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Können wir vielleicht diese Krawattendiskussion hintanstellen?)

12.11

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich muss vorausschicken, dass ich die Person des Bundespräsidenten nicht für sakrosankt halte. Man muss den Bundespräsidenten, wie auch immer er heißt, nicht heilig sprechen. Man kann Kritik äußern, man kann Fragen stellen. Selbstverständlich, aber doch, meine ich, mit dem gebotenen Respekt vor der Institution! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Er ist nicht irgendjemand.

Dieser Respekt vor der Institution droht in diesem Land anscheinend verloren zu gehen. (Abg. Mag. Trattner: Seit wann ist er Ihr Freund, Herr Van der Bellen!? – Abg. Dr. Martin Graf: Sie wollten die Institution des Bundespräsidenten abschaffen!)

Es ist auch nicht das erste Mal. Zuerst haben wir noch nicht gewusst: Sollen wir darüber lachen oder es attackieren, als der "Lump, Hump, Dump"-Sager von Herrn Kabas kam. Er ist immerhin der Landesparteiobmann und Klubobmann der Wiener Freiheitlichen. Eine unsägliche Aussage!

Ich habe damals dem Bundespräsidenten empfohlen, zu klagen. Er hat es nicht getan. Rückblickend finde ich, es war wahrscheinlich eine richtige Entscheidung seinerseits, sich nicht auf diese Ebene zu begeben.

Was Herrn Schnell anlangt: Er ist immerhin ein Landeschef der Freiheitlichen, der Chef der Salzburger Freiheitlichen, der Klubobmann der Freiheitlichen im Salzburger Landtag – Und die Freiheitlichen decken das, was er sagt – direkt oder indirekt. (Abg. Mag. Trattner: Sie haben nicht zugehört!)

Herr Kollege Trattner! Ich darf Sie nur erinnern: Man kann zur so genannten Spitzelaffäre verschiedene Meinungen haben, aber finden Sie es richtig, die ermittelnde Polizei, die ermittelnden Staatsanwälte mit der Gestapo zu vergleichen? – Das war Herr Schnell aus Salzburg.

Als ihm die Medien einhellig vorgehalten haben: Na hören Sie, Gestapo, wissen Sie nicht, was Sie da sagen?, hat er einen Rückzieher gemacht und gesagt: Dann waren es halt die Methoden des KGB.

Ein Landeschef, ein Klubobmann ist doch nicht irgendjemand. Haider kann vielleicht nicht – wie hat er gesagt? – für gutes Benehmen in der Partei sorgen – bei Tausenden von Mitgliedern ist das natürlich richtig –, aber Herr Schnell ist nicht irgendjemand. Und jetzt das!

Meine Damen und Herren! Wir können auf politischer Ebene den Rücktritt des Herrn Schnell fordern, und wir tun das auch, der Nationalrat kann diesen Rücktritt jedoch nicht erzwingen. Der Nationalrat kann aber schon mehr als nichts tun: Dieses Haus sollte meiner Ansicht nach wenigstens einhellig seine Bestürzung darüber ausdrücken, was da geschehen ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Mit "dieses Haus" meine ich nicht nur die grüne Fraktion und die sozialdemokratische Fraktion, sondern damit meine ich insbesondere die Fraktion der ÖVP. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie werden den kommenden Anträgen nicht zustimmen, Sie werden eine schlichte Geste verweigern; die schlichte Geste gegenüber dem Bundespräsidenten, dass dieses Haus bestürzt ist (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), dass dieses Haus nicht akzeptiert, was hier vorfällt, dass sich dieses Haus eindeutig davon distanziert, dass die Minister und die Bundesregierung aufgefordert werden, das auch zu tun. Das ist Ihnen schon zu viel, meine Damen und Herren von der ÖVP!

Ich möchte gar nicht darauf eingehen, dass Bundespräsident Klestil seinerzeit von Ihnen aufgestellt wurde – das spielt in diesem Zusammenhang auch keine Rolle. Sie sind nicht imstande, eine solche Geste der Solidarität mit Bundespräsident Klestil zu setzen. Meines Erachtens machen Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, sich damit mitschuldig an der Unterminierung der demokratischen Institutionen in diesem Land. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bagatellisieren Sie das nicht, Herr Kollege Khol! Es reicht nicht, wenn Sie hier ans Rednerpult gehen und sagen: Wir sind damit eh nicht einverstanden!, wenn Sie die einzige Geste der Solidarität mit dem Bundespräsidenten gleichzeitig verweigern, ausdrücklich verweigern.

Ich bitte Sie nicht, sich zu schämen, aber ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich schäme mich für Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

12.17

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte war wieder einigermaßen bezeichnend. Rekapitulieren wir, was vorgefallen ist. (Abg. Dr. Pumberger: Heeresbudget!)

Der Salzburger FPÖ-Parteiobmann Schnell vergreift sich nicht zum ersten Mal im Vokabular – nicht zum ersten Mal! Wenn man alle Aussagen seiner gestrigen Rede liest, dann stellt man fest, dass die Beschimpfung des Bundespräsidenten nur ein Teil der gesamten Angelegenheit ist, denn in derselben Rede hat er darauf hingewiesen, dass Spitzelei für die Demokratie notwendig wäre. – Nur so viel zum Demokratieverständnis des Herrn Schnell, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Derselbe Herr Schnell, der Untersuchungen der Ministerien mit Gestapo-Methoden vergleicht, derselbe Herr Schnell, der Bundesminister Strasser zur Verantwortung ziehen will für das, was hier untersucht wird, derselbe Herr Schnell, der jede Woche mit unerträglichen Aussagen in Erscheinung tritt, dieser Herr Schnell hat sich erneut dazu verstiegen, den Bundespräsidenten zu beschimpfen.

Und welche Reaktionen kamen von Ihrer Seite? Was hat Herr Graf hier gemacht? – Er hat nicht über den Bundespräsidenten gesprochen, er hat nicht über die Verleumdungen gesprochen, sondern er hat sofort gesagt, dass es wieder Attacken gegen die FPÖ gibt.

Was Ihnen fehlt, ist eine klare Unterscheidung zwischen Opfern und Tätern. Daher haben Sie kein Unrechtsbewusstsein, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es fällt Ihnen ganz offensichtlich schwer, sich ganz klar zu distanzieren, denn es ist nicht nur Schnell in Ihrer Partei, der solche Aussagen tätigt. Das machen auch Herr Kabas und andere. Das heißt, das menschenverachtende Sittenbild dieser Partei wird durch Herrn Schnell erneut nur wieder erhärtet, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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48. Sitzung / Seite 52

Herr Bundesminister! Wenn Sie sagen, Sie brauchen nicht aufgefordert zu werden, sich hinter den Herrn Bundespräsidenten zu stellen, dann muss ich Ihnen sagen, Sie hätten dem zuvorkommen müssen, denn seit heute in der Früh war klar, was Herr Schnell gesagt hat. Über Stunden ist das über das Radio und über die Medien gelaufen. Ich hätte mir von einem Bundesminister für Landesverteidigung erwartet, dass er sich ohne Aufforderung hinter den Oberbefehlshaber stellt und nicht zulässt, dass das Amt des Bundespräsidenten herabgewürdigt wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und Ihre Stellungnahme, Herr Khol, war alles andere als dürftig. (Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Wenn Ihr einziges Argument das ist, einer Entschließung zur Unterstützung des Bundespräsidenten nicht zustimmen zu wollen, weil Sie Herrn Schnell nicht aufwerten wollen, dann frage ich Sie: Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Herr Schnell nicht der erste FPÖ-Politiker war, der das gemacht hat? Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass sich, je länger man so etwas unwidersprochen zur Kenntnis nimmt, solche Verunglimpfungen häufen und es daher notwendig ist, wenn man nicht will, dass das Amt und die Person des Bundespräsidenten verunglimpft werden, sich solchen Aussagen mit Stärke und Kraft entgegenzustellen, anstatt mit taktischen Äußerungen darauf zu reagieren, wie Sie es gemacht haben? (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zur Frage der Konsequenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Schnell wurde offensichtlich vom Kärntner Landeshauptmann zu einer Entschuldigung aufgefordert. Wissen Sie schon, wie Herr Schnell um 11.47 Uhr darauf reagiert hat? – "Denke nicht daran, mich zu entschuldigen! Es muss zulässig sein, dass man in der Demokratie die Wahrheit sagt." (Abg. Schieder: Pfui! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) ",Ich denke nicht im Geringsten daran, meine Äußerungen zurückzunehmen oder mich zu entschuldigen‘, das erklärte Salzburgs F-Obmann Karl Schnell im Gespräch mit der APA. Seine Aussage ,Lump‘ sei humorvoll gemeint gewesen und eine eher harmlose Formulierung! ,Es muss zulässig sein, dass man in der Demokratie die Wahrheit sagt‘, so Schnell."

Was meint denn Herr Schnell, wenn er sagt, "Lump" war eine harmlose Formulierung? Meint er, dass er in Wirklichkeit den Bundespräsidenten mit noch ärgeren Beschimpfungen bezichtigen wollte? Und worin besteht die Einsicht der Freiheitlichen Partei, wenn Herr Schnell weder bereit ist, sich zu distanzieren, noch, sich zu entschuldigen?

Ihre Glaubwürdigkeit können Sie nur dann gewinnen, wenn Sie dafür sorgen, dass dieser Herr Schnell möglichst bald aus dem Verkehr gezogen wird. Das ist Ihre Aufgabe! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und weil Sie sich gestern so über die Institutionen der Demokratie geäußert haben: Es gibt in diesem Land eine Person, die direkt vom Volk legitimiert ist, und zwar mit großer Mehrheit – das ist der Herr Bundespräsident! Und dieser ist Ihnen offensichtlich ein Dorn im Auge, denn sonst würden Sie deutlicher gegen solche Äußerungen aufstehen. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.24

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Diese verbale Entgleisung ist weder zufällig passiert, noch ist sie ein mehr oder minder entschuldbarer Ausrutscher, der vielleicht mit irgendeiner hitzigen Debatte zwar nicht zu rechtfertigen, aber irgendwie zu erklären wäre. Nein, das Ganze hat eine sehr, sehr lange Vorgeschichte, und diese hat wesensmäßig mit der Freiheitlichen Partei zu tun.

Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Kiermaier Recht, dass sich hier offenbar zwei Gruppen in der Freiheitlichen Partei gegenüberstehen: Die eine Gruppe sind jene, die ganz den Stil und die Art Jörg Haiders vertreten und die eigentlich das Wesen dieser Partei ausmachen. Und die andere Gruppe, die jetzt teilweise auf der Regierungsbank sitzt, versucht, eine einigermaßen nicht so


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sehr aneckende Kulisse abzugeben, ist aber nicht in der Lage, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.

Meine Damen und Herren! Das hat bei den Freiheitlichen immer wieder auch mit Plakaten Haiders mit quasi einem Sendungsauftrag begonnen: "Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist!" Und von diesem Zeitpunkt an war alles, was den Freiheitlichen und ihren Zielen nützt, sakrosankt. Das betrifft aber auch die Wortwahl – das ist ja nicht erst jetzt mit den ganzen "Lumpen"-Debatten so gekommen –: Wie haben Sie denn dauernd über Menschen geredet, die eine berechtigte Kritik an dieser Regierung anzubringen hatten, auch über den Herrn Bundespräsidenten, dem das zusteht? – Das waren die Vernaderer, die Chaoten, jedes erdenkliche herabwürdigende Wort haben Sie gebraucht.

Sie haben Ihre Ziele für sakrosankt erklärt, und deswegen sind Sie auch so aus allen Wolken gefallen, als die Staatsanwaltschaft und die Gerichte begonnen haben, auch einmal Rechtsbrüche in der Spitzelaffäre aufzudecken, die von freiheitlicher Seite kommen. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass das jetzt ein Aufschrei des Rechtsstaates ist gegen Praktiken, die darauf abzielen, der einen Seite völlig freie Hand für jedes Mittel einzuräumen und die anderen für vogelfrei zu erklären.

So ist es nämlich nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Spezialberichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über die Beratungsgruppe XII des Bundesvoranschlages für das Jahr 2001.

Diese umfasst das Kapitel 40 des Bundesvoranschlages in 310 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die bei der Verhandlung der Beratungsgruppe XII des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 2001 eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Bestehen dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen betreffend Zurückweisung von Beleidigungen und Herabwürdigungen gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten durch den Nationalrat und die Bundesregierung – Aufforderung an den Bundesminister für Landesverteidigung, dem Herrn Bundespräsidenten von Seiten der Bundesregierung das Vertrauen in einem Tagesbefehl und in einer Erklärung vor dem Nationalrat auszusprechen.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnungen "Ja"  – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise "Nein"  – das sind die rosafarbenen.

Für die Abstimmung können ausschließlich die amtlichen Stimmzettel verwendet werden.


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Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen stimmen, "Ja" -Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein" -Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Parfuss, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Frau Abgeordnete Haller wird sie später ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Parfuss und Haller werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführerinnen die Stimmzählung vornehmen.

Ich unterbreche daher die Sitzung für einige Minuten.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 12.36 Uhr unterbrochen und um 12.41 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 165, davon "Ja" -Stimmen: 72, "Nein" -Stimmen: 93.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Antoni;

Bauer Hannes, Bauer Sophie, Binder, Brix, Brosz, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Dobnigg;

Eder Kurt, Edler Josef, Edlinger, Einem;

Faul, Fischer;

Gartlehner, Gaßner, Grabner, Gradwohl, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heindl Kurt, Heinisch-Hosek, Heinzl Anton, Huber;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Keppelmüller, Kiermaier, Kostelka, Kräuter, Kubitschek, Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Lichtenberger, Lunacek;

Maier, Mertel, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;


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Parfuss, Parnigoni, Pendl, Petrovic, Pfeffer, Pilz, Pirklhuber, Pittermann, Plank, Posch, Prammer;

Rada, Reheis, Reitsamer, Riepl;

Schasching, Schieder, Schwemlein, Silhavy, Sima;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wimmer, Wurm.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Achatz, Auer;

Bauer Gerhard, Bauer Rosemarie, Baumgartner-Gabitzer, Böhacker, Bösch, Bruckmann, Brugger, Burket;

Dolinschek, Donabauer;

Egghart, Ellmauer;

Fallent, Fasslabend, Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Freund, Frieser;

Gahr, Gatterer, Gaugg, Graf Herbert L., Graf Martin, Grollitsch, Großruck;

Haigermoser, Hakl, Haller, Hartinger, Hetzl Gerhard, Hofmann, Hornegger, Hornek;

Jung;

Kampichler, Khol, Kiss, Knerzl, Kößl, Krüger, Kukacka, Kurzbauer, Kurzmann;

Leiner, Lentsch, Loos;

Mainoni, Miedl, Mikl-Leitner, Mitterlehner, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neudeck;

Partik-Pablé, Pecher, Pistotnig, Prinz, Prinzhorn, Pumberger, Puttinger;

Rasinger, Reindl;

Schender, Scheuch, Schoettel-Delacher, Schultes, Schwarzenberger, Schweisgut, Schweitzer, Sevignani, Spindelegger, Stadler, Staffaneller, Steibl, Stummvoll;

Tancsits, Trattner, Trinkl;

Wattaul, Weinmeier, Wenitsch, Westenthaler, Wochesländer, Wolfmayr;

Zellot, Zernatto, Zierler, Zweytick.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Beleidigung des Bundespräsidenten durch FP-Landesparteiobmann Schnell.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.


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Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja"  – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise "Nein"  – das sind die rosafarbenen.

Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen stimmen, "Ja" -Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein" -Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Parfuss, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Frau Abgeordnete Haller wird sie dann ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Parfuss und Haller werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführerinnen die Stimmenzählung vornehmen.

Die Sitzung ist daher für einige Minuten unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 12.48 Uhr unterbrochen und um 12.53 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis wie folgt bekannt:

Abgegebene Stimmen: 166, davon "Ja" -Stimmen: 74, "Nein" -Stimmen: 92.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Antoni;

Bauer Hannes, Bauer Sophie, Binder, Brix, Brosz;

Cap;

Dietachmayr, Dobnigg;

Eder Kurt, Edler Josef, Edlinger, Einem;

Faul, Fischer;

Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Grabner, Gradwohl, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heindl Kurt, Heinisch-Hosek, Heinzl Anton, Huber;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Keppelmüller, Kiermaier, Kogler, Kostelka, Kräuter, Kubitschek, Kummerer, Kuntzl;


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Lackner, Lichtenberger, Lunacek;

Maier, Mertel, Moser, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Parnigoni, Pendl, Petrovic, Pfeffer, Pilz, Pirklhuber, Pittermann, Plank, Posch, Prammer;

Rada, Reheis, Reitsamer, Riepl;

Schasching, Schieder, Schwemlein, Silhavy, Sima;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wimmer, Wurm.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Achatz, Auer;

Bauer Gerhard, Bauer Rosemarie, Baumgartner-Gabitzer, Böhacker, Bösch, Brinek, Bruckmann, Brugger, Burket;

Dolinschek, Donabauer;

Egghart, Ellmauer;

Fallent, Fasslabend, Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Freund, Frieser;

Gahr, Gatterer, Graf Herbert L., Graf Martin, Großruck;

Haigermoser, Hakl, Haller, Hartinger, Hetzl Gerhard, Hofmann, Hornegger, Hornek;

Jung;

Kampichler, Khol, Kiss, Knerzl, Kößl, Krüger, Kukacka, Kurzbauer, Kurzmann;

Leiner, Lentsch, Loos;

Mainoni, Miedl, Mikl-Leitner, Mitterlehner, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neudeck;

Partik-Pablé, Pecher, Pistotnig, Prinz, Prinzhorn, Pumberger, Puttinger;

Rasinger, Reindl;

Schender, Scheuch, Schoettel-Delacher, Schultes, Schwarzenberger, Schweisgut, Schweitzer, Sevignani, Spindelegger, Stadler, Staffaneller, Steibl, Stummvoll;

Tancsits, Trattner, Trinkl;

Wattaul, Weinmeier, Wenitsch, Westenthaler, Wochesländer, Wolfmayr;

Zellot, Zernatto, Zierler, Zweytick.

*****


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Beratungsgruppe IX

Kapitel 63: Wirtschaft und Arbeit

Kapitel 64: Bauten und Technik

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Beratungsgruppe IX: Wirtschaft und Arbeit.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kubitschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Haidlmayr: Der Herr Minister fehlt noch!)

12.54

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Der Herr Minister ist ohnehin noch nicht da, daher kann ich vielleicht noch ganz kurz das bisher Geschehene kommentieren.

Meine Damen und Herren! Das Abstimmungsverhalten, das Sie uns gerade vor Augen geführt haben, spricht wohl für sich. Die Damen und Herren von der Presse werden das hoffentlich auführlich kommentieren. Insbesondere das Stehvermögen der Damen und Herren von der Volkspartei muss, glaube ich, jeden Demokraten zutiefst erschrecken, denn der Inhalt dieser Anträge, die Sie, meine Damen und Herren, gerade abgelehnt haben, sollte tatsächlich für jeden eine absolute Selbstverständlichkeit sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Guten Tag, sehr geehrter Herr Bundesminister! (Abg. Böhacker: Die Frau Staatssekretärin ist auch schon da!) Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, guten Tag! Herr Minister Bartenstein, Sie haben im Sommer in einer sehr ausführlichen Presseaussendung zum Thema "Wirtschaftsstandort Österreich" eine wahre Jubelmeldung abgegeben. Anlassfall war die Präsentation von aktuellen Betriebsansiedelungsprojekten. Die Botschaft – zusammengefasst – hat gelautet: Der Standort Österreich ist für die Investoren noch attraktiver geworden und zum Vergleichszeitraum des Vorjahres können wir fast eine Verdoppelung bei den Betriebsansiedelungen verzeichnen.

In diesem Punkt, Herr Minister Bartenstein, gebe ich Ihnen sehr gerne Recht. Tatsächlich sind die Standortfaktoren für die österreichische Wirtschaft mehr als günstig: Österreich hat die drittniedrigste Gewinnbesteuerung in der ganzen EU, die Steuerreform 2000 hat den Unternehmen weitere Entlastungen gebracht, die Lohnstückkosten und damit die Produktivität der österreichischen Wirtschaft sind sogar gegenüber Deutschland noch um ungefähr 1,6 Prozentpunkte günstiger, und wir haben außerdem immer mit einem hohen Ausbildungsniveau, mit einer guten Infrastruktur und mit hohem Lebensstandard punkten können.

Sie haben also Recht, wenn Sie in Ihrer Presseaussendung sagen: Betriebsansiedelungsboom bestätigt Regierungskurs! (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Mitterlehner. )

Was Sie allerdings vergessen haben, Herr Minister Bartenstein, ist, dazuzusagen, dass Sie damit ganz offensichtlich den Regierungskurs der früheren SPÖ-ÖVP-Regierung gemeint haben (Heiterkeit des Bundesministers Dr. Bartenstein ), denn ich glaube, Herr Minister Bartenstein, wir sind uns durchaus einig darüber, dass ein halbes Jahr lang Regieren noch keinen Betriebsansiedelungsboom nach sich ziehen kann! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. )  – Die Regierung hat im Februar ihre Arbeit aufgenommen, und vom Juni stammt die Presseaussendung, das kann sich nicht ganz ausgehen.

Für die Wirksamkeit der Standortpolitik der derzeitigen Regierung, Herr Minister Bartenstein, meine Damen und Herren von der ÖVP, muss auf jeden Fall erst noch der Beweis erbracht werden. Aber wenn ich mir das Regierungsprogramm ansehe, dann habe ich so meine Zweifel, ob Sie auf dem richtigen Weg sind. Mit einigem Erstaunen kann man nämlich feststellen, dass die Regierung ganz offensichtlich davon überzeugt ist, dass das zentrale Element einer offensiven Standortpolitik die Landwirtschaft darstellt, denn im Kapitel zum Thema "Wirtschaftsstand


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ort" mit dem schönen Titel "Das Land soll leben" nimmt dieser Sektor, der gerade noch 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes darstellt, wirklich mit großem Abstand den meisten Raum ein.

Alle anderen Maßnahmen, die ich übrigens auch nicht gerade als Kernfragen der Standortpolitik anführen würde, kommen im Gegensatz dazu nur in Form von sehr allgemein gehaltenen Überschriften vor. Diese Einschätzung spiegelt sich natürlich auch im Budget wider. Wie üblich ist die Landwirtschaft die einzige Gruppe, die dem radikalen Sparstift der Regierung völlig unbeschadet entkommen ist.

Abgesehen von der Agrarpolitik ist uns ursprünglich ja auch noch die Senkung der Lohnnebenkosten als wichtigstes Instrument der Standortpolitik angekündigt worden. Diese Maßnahme musste in der Zwischenzeit dem alles überstrahlenden Ziel des Nulldefizits geopfert werden. Ich will damit gar nicht sagen, dass ich dieser Maßnahme jetzt besonders nachweine, denn entscheidend für die Produktivität einer Wirtschaft und damit für die Wettbewerbsfähigkeit ist bekanntlich nicht die Höhe der Lohnnebenkosten, sondern die Lohnstückkosten. Und diesbezüglich liegen wir, wie Sie, Herr Minister Bartenstein, schon in Ihrer Presseaussendung ausgeführt haben, ohnehin absolut im internationalen Spitzenfeld.

Das heißt, es bleibt neben der Agrarpolitik auch noch die Privatisierungsoffensive als Instrument der Standortpolitik zu bewerten. In diesem Zusammenhang, Herr Minister Bartenstein, können Sie mir vielleicht noch einmal erklären, welche industriepolitische Strategie wirklich dahinter steckt, wenn man die Aktien eines Unternehmens unter schlechtesten Bedingungen auf den Markt wirft.

Insbesondere nach den wenig erfreulichen Erfahrungen der letzten Privatisierungsrunde in der vergangenen Woche gebe ich jedenfalls die Hoffnung nicht auf, dass wir das Konzept der Sozialdemokraten, nämlich das Konzept, strategisches Eigentum als industriepolitisches Instrument zu fördern, vorurteilsfrei auch mit Ihnen, Herr Minister Bartenstein, als zuständigen Minister für Industriepolitik noch diskutieren können. Es würde uns jedenfalls sehr freuen.

Leider ist mit den zusammenschmelzenden Privatisierungserlösen auch die letzte Chance auf eine echte Technologieoffensive dahin, denn wo die vielen Milliarden Schilling, die notwendig sein werden, um das sehr ambitionierte und vollmundig angekündigte Ziel einer Verdoppelung der F&E-Quote bis zum Jahre 2005 zu erreichen, herkommen sollen, das hat uns bisher jedenfalls niemand beantworten können.

Die bisherigen Leistungen in der Technologiepolitik lassen sich jedenfalls schon sehr plakativ an der nicht gestiegenen, sondern leider mittlerweile bereits gesunkenen F&E-Quote ablesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Argumentation der Regierung richtig verstanden habe, dann ist ohnehin die eigentlich wirklich zentrale Maßnahme für den Wirtschaftsstandort Österreich die Erreichung des Nulldefizits. Damit soll offenbar automatisch der Wirtschaftsstandort gefördert, Beschäftigung geschaffen und die Zukunft gesichert werden. Bisher hat uns diese Strategie leider eine Erhöhung der Inflationsrate gebracht, ein Rekordergebnis bei der Abgabenquote und eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Unter offensiver Standortpolitik, Herr Minister Bartenstein, verstehe ich tatsächlich etwas anderes. Wir erleben gerade eine sehr dynamische Umbruchphase in der Wirtschaft und damit auch in der Gesellschaft. Der Hauptfaktor, auf den diese Entwicklung setzt, ist das Humankapital. Das heißt, die Investitionsentscheidungen einer modernen Standortpolitik müssten lauten: Ausbildungsoffensive, Investitionen in Universitäten und Forschung, keine virtuelle, sondern eine wirkliche Technologieoffensive und insbesondere – das ist mir ein besonderes Anliegen – eine aktive und offensive Europapolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt also, Ziel einer nachhaltigen und modernen Standortpolitik muss es sein, ein stabiles offenes Land mit hoher Lebensqualität, hohem Ausbildungsniveau und hoher internationaler Reputation zu schaffen. Und gemessen an diesen Herausforderungen, Herr Minister Barten


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stein, ist Ihre Standortpolitik von vorgestern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler. )

13.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte.

13.02

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! In der "Financial Times" hat Martin Wolf Folgendes geschrieben:

"Es gehört zu den wirkungsvollsten Waffen demokratischer Politiker, dem heutigen Wähler mehr zu versprechen, als aus dessen heutigen Steuerzahlungen finanziert werden kann. Es finden sich immer gutwillige Leute und Einrichtungen, die dem Staat dafür Geld borgen. Den Nutzen haben die heutigen Politiker und deren Wähler. Die Opfer sind die künftigen Generationen."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben mit dieser Art der Politik Schluss gemacht. Wir haben unter diese Situation, nämlich unter die Belastung der künftigen Generationen einfach einen Schlussstrich gesetzt. Wir können andererseits außer Streit stellen, dass sich die soziale Marktwirtschaft trotz vehementen Widerstandes gegen das sozialistische Schuldenmacher-Wirtschaftssystem endgültig durchgesetzt hat. Die soziale Marktwirtschaft ist eine Wirtschaftsordnung mit sozial und ökologisch verantworteter Freiheit. Sie gewährt den Unternehmern den Freiraum für den optimalen Einsatz der Produktionsmittel in ihrer persönlichen Verantwortung und auf ihr eigenes persönliches Risiko. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie eröffnet den Arbeitnehmern aber auch die Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg und mehr Einkommen durch Leistung, und sie sorgt auch für Chancengleichheit und Verminderung sozialer Spannungen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unter diesem Gesichtspunkt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde auch das Budgetkapitel "Wirtschaft und Arbeit" erstellt. Im Jahre 2001 12,6 Milliarden mehr als im Jahre 2000! Das konnte natürlich hauptsächlich deshalb geschehen, weil wir im Frühjahr 2000 ein neues Bundesministeriengesetz beschlossen und die Kompetenzen anders verteilt haben. Wie man heute schon sieht, ist dieses ganzjährige Budget für Wirtschaft und Arbeit ein Budget, das sich bereits bewährt hat. Die Zusammenarbeit von Sozialem und Wirtschaft ist – wie heute schon gesagt – letzten Endes eine positive Entscheidung gewesen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es war keine Entscheidung, die zu mehr Arbeitslosigkeit oder zu einer negativen Wirtschaftsentwicklung führt. Im Gegenteil! In Österreich ist eine äußerst positive Entwicklung festzustellen: 3,1 statt 3,6 Prozent Arbeitslose, 3 175 000 Beschäftigte – höchste Beschäftigtenzahl, Bruttoinlandsprodukt an die 3 000 Milliarden Schilling, nämlich 2 935,5 Milliarden Schilling. Das zeigt Vertrauen in die Politik, das zeigt Vertrauen in die Entwicklung, in das, was heute geschieht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Exportsteigerungen machen in den ersten Monaten 2000 16,3 Prozent aus. Ich glaube, es ist wesentlich, darauf hinzuweisen – gerade im Hinblick auf die zukünftigen Erweiterungen nach dem Osten –, dass wir eine Exportsteigerung in Richtung Osteuropa von 21,2 Prozent zu verzeichnen haben.

Damit nicht genug wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass wir unser Handelsbilanzdefizit halbiert haben: Von 100 Milliarden Schilling 1996 werden wir auf 47,8 Milliarden Schilling im Jahre 2001 kommen. Ich glaube, auch diese Zahlen zeigen eindrucksvoll, wie gut Österreich sich auch innerhalb der EU positioniert hat.

Die wichtigste Frage ist, und das hat auch meine Vorrednerin gesagt: Was will ich? Was kann ich tun, um auch weiterhin einen positiven Wirtschaftsstandort zu entwickeln? – Dazu ist anzu


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führen, dass Österreich, wie internationale Rankings immer zeigen, gewisse besondere Qualitäten hat. Ich denke etwa an die Qualität des Lebens, an die vorzügliche Infrastruktur, an den relativ hohen Selbstversorgungsanteil in der Energie, obgleich da die Preise noch ein bisschen hoch sind, an die guten Fachkräfte und an die gute Ausbildung. Als Standortnachteile, also Faktoren, unter denen Österreich zu leiden hat, gelten die hohen Staatsquote, die Staatsverschuldung, hohe Sozialbeiträge, also hohe Lohnnebenkosten, der Standard des Technologiemanagements und die überbordende Bürokratie.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, mussten wir in den letzten Monaten Maßnahmen ergreifen, um die Staatsausgaben und die Staatsquote zu senken! Es war unsere Pflicht, regulierend einzugreifen, um viele Missstände zu beseitigen. Und es ist unsere Aufgabe, den Bürokratieabbau voranzutreiben und in Forschung und Entwicklung zu investieren.

Lassen Sie mich ganz kurz auf einige Bereiche eingehen.

Zunächst zu den Staatsschulden: Waren es 1999 65,2 Prozent des BIP, so sind es heuer 63,9 Prozent, und 2001 werden wir 62,5 Prozent erreichen. Aber es ist nicht zu leugnen, dass wir trotzdem innerhalb des Rankings bezüglich der Staatsschulden die Viertletzten in der Statistik sind. Tatsache ist auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir im EU-Ranking hinsichtlich des Budgetdefizits beziehungsweise des -überschusses an letzter Stelle der EU-Staaten liegen. 1998: minus 2,3 Prozent, heuer: minus 1,6 Prozent. Wir werden alle Anstrengungen zu unternehmen haben, um ein Nulldefizit zu erreichen, aber wir werden es schaffen! Und diese Regierung hat die notwendigen Maßnahmen gesetzt, um es zu schaffen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einige Worte zu Verwaltungsreform und Bürokratieabbau. Ich glaube, hier haben wir die Grundsätze des "new public management" anzuwenden. Nur einige Stichworte dazu: umfassende Bürgerorientierung, eine Bürgercard, flexibles Personalmanagement, Benchmarking, internationale und nationale Verwaltungsvergleiche, Einführung geeigneter betriebswirtschaftlicher Instrumente wie Controlling, Kostenrechnung – Dinge, die wir zum Teil schon angepackt haben, Dinge, die schon verhandelt werden und die wir letzten Endes auch durchsetzen werden. (Abg. Eder: Die Aufzählung ist nichts Neues! Das Durchsetzen ist das Problem!)  – Wir haben ja schon damit begonnen, Herr Kollege Eder, das wissen Sie besser als alle anderen.

Bedeutsam ist natürlich letzten Endes auch die Entwicklung im Bereich Forschung und Innovation. Bereits jetzt ist die Innovationskapazität der heimischen Industrie relativ hoch innerhalb der EU. 31 Prozent der Erlöse stammen von neuen beziehungsweise modernisierten Produkten. Die Innovationsrate der Industrie liegt mit 67 Prozent über dem EU-Durchschnitt! Österreich hat sich auch da klar und deutlich positioniert.

Die Entscheidung, in welchen Standort ich letzten Endes investiere, hängt natürlich von den Kosten und von den Erträgen ab. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das dürfen wir in Zukunft nicht vergessen: Moderne Wertschöpfung kann nicht nur über physische Produkte gemessen werden, wie das Beispiel des qualitativen Wachstums der USA zeigt: eine Verdreifachung des Bruttosozialproduktes bei unveränderter Tonnage der Produktion!

Gerade wenn man komparative Vorteile für wissensintensive Tätigkeiten in den Vordergrund stellt, dann sind Dinge wie gute Ausbildung, Motivation, Sicherheit und Lebensqualität wichtig. – Alles Aspekte, die wir in Österreich bieten können, die uns in Österreich wettbewerbsfähig machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in diesem Bereich hat die Bundesregierung Vorsorge getroffen. Wir werden die F&E-Quote bis zum Jahre 2005 schrittweise auf 2,5 Prozent des BIP anheben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft trägt zum Budget 2001 zirka 17,8 Milliarden Schilling bei. Wir bekennen uns dazu, denn für die Wirtschaft ist es notwendig, dass das Budget nachhaltig – ich betone: nachhaltig! – konsolidiert wird, dass wichtige Maßnahmen für die Erhaltung und die Weiterentwicklung des Standortes gesetzt werden, dass durch soziale


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Treffsicherheit letzten Endes auch die Kosten gesenkt werden können. Wir brauchen einen ausgeglichenen Staatshaushalt bis zum Jahre 2002, damit es auch längerfristig zu einer Senkung der Lohnnebenkosten, auch der Lohnstückkosten – da gebe ich Ihnen zum Teil auch Recht – sowie zu einer weiteren Senkung der gesamten Steuerabgabenquote kommt. Den Beginn dafür läuten wir mit diesem Budget 2000 ein.

Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber auch die praktischen Erfolge – ich denke da wiederum an die USA – zeigen uns deutlich, dass eine Haushaltskonsolidierung nur unter zwei grundsätzlichen Bedingungen stattfinden kann: Zum einen ist dazu ein robuster und nachhaltiger Aufschwung notwendig, zum anderen sollen die Regierungen im Aufschwung in ihrer Ausgabenpolitik dann eher einen restriktiven Kurs fahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in Bezug auf Einsparungen speziell für dieses Kapitel, aber auch für das gesamte Budget 2001 den richtigen Zeitpunkt gewählt, und wir haben auch ein sozial ausgewogenes Budget erstellt. Darüber können wir glücklich und zufrieden sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

13.13

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe heute im "Morgenjournal" mit Interesse vernommen, dass wir heute das Budgetkapitel "Arbeit und Soziales" debattieren. Ich habe mir gedacht: Das ist genau das, wovor wir gewarnt haben. Und ich warne jetzt noch einmal: Wir diskutieren nicht über "Arbeit und Soziales", sondern – leider! – über "Wirtschaft und Arbeit" und erleben damit auch die Konsequenzen einer Zergliederung von Ministerien, die, wie Sie anhand der Budgetvoranschläge erkennen können, zum Teil nur mehr Rumpfministerien oder, wie im Bereich Wirtschaft und Arbeit, eine Kombination darstellen, die, wie ich meine, eine gefährliche Mischung beinhaltet. Aber ich komme am Beispiel des Insolvenzentgeltfonds auf die Konsequenzen dieser Mischung später noch zu sprechen.

Damit soll und will ich natürlich auch ausdrücken, dass wir Grüne nach wie vor gegen diese Aufgliederung der Ministerien, gegen die Zuordnung von Ressort- und Sektionsverantwortlichkeiten sind. Das ist falsch gelaufen! Auch wenn Sie, Herr Bundesminister, die Kompetenzen in Ihrem Ministerium dadurch aufwerten konnten: Es ließe sich in vielen Bereichen aufzeigen, dass diese Aufgliederung nicht gut ist.

Ich will Ihnen jetzt gar nicht die Äußerungen, die Sie in der Vergangenheit dazu gemacht haben und die für sich genommen schon diskussionswürdig wären, vorhalten, denn diese Debatte haben wir schon geführt, sondern ich komme gleich zu jener Äußerung meines Vorredners, bei der ich mir gedacht habe: Von welcher Zeit spricht Kollege Puttinger eigentlich? Er hat gesagt: Wir mussten Maßnahmen ergreifen, um die Staatsquote zu senken.

Meine Damen und Herren! Kollege Puttinger! Sie haben offenbar die Debatte in den letzten Tagen versäumt. Die Staatsquote wird nicht durch irgendwelche Maßnahmen der Bundesregierung gesenkt, sondern die Staatsquote wird erhöht. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik, obwohl Sie mit dem Versprechen angetreten sind, die Staatsquote zu senken. – Das ist unrichtig, Herr Kollege Puttinger! (Beifall bei den Grünen.) Sie erhöhen die Staatsquote! (Abg. Dr. Puttinger: Sie sprechen von einem Jahr!)  – Die Staatsquote ist eindeutig erhöht. Aber vielleicht haben Sie das verwechselt mit den Staatsschulden, die Sie zu senken beabsichtigen.

Dazu fiele mir nur die Anmerkung ein: Wie versuchen Sie das? Mit welchen Maßnahmen haben Sie in den letzten Monaten versucht, diese zu senken? Dabei fällt mir die UMTS-Versteigerung ein. – Ein Flop sondergleichen! Falsch angelegt von vorne bis hinten! Diskutieren wir einmal darüber, was das wirtschaftlich Sinnvolle an dieser Art der Versteigerung war! Okay, der Herr Finanzminister hat damals gesagt: Der schlechte Ertrag bei der UMTS-Versteigerung wirkt sich wahrscheinlich positiv auf den Verkauf der 25 Prozent der Telekom aus. – Und das war der


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nächste Flop, den wir erleben mussten! Die Telekom ist verschleudert worden. Aber das ist noch immer nicht mein Thema.

Ich komme nun zu jenem Bereich im Kapitel "Wirtschaft und Arbeit", der mich besonders interessiert, nämlich zur Arbeitslosenversicherung. Da wird nämlich auch verschleudert – eine Anfragebeantwortung durch den Herrn Bundesminister belegt das ja noch: Seit dem Jahre 1996 bis zum Jahre 2002, also inklusive des nächsten Voranschlages, den wir dann im Frühjahr beschließen werden, werden der Arbeitslosenversicherung 60 Milliarden Schilling entnommen. Das entspricht in Summe den Ausgaben für zwei Jahre Arbeitslosengeld und Notstandshilfe! Zwei Jahre Arbeitslosengeld und Notstandshilfe – soviel entnehmen Sie im Zeitraum von 1996 bis 2002 und sagen gleichzeitig: Die Arbeitslosenversicherung ist überfordert! Da müssen wir den Menschen Leistungen kürzen! Sie zahlen zu wenig ein – wie am Beispiel der Debatte über die Sperrfristen in den Saisonbereichen und jetzt über Ihre Ermächtigungsverordnung beziehungsweise über die anderen Maßnahmen, Senkung der Familienzuschläge, zu demonstrieren wäre.

Herr Bundesminister! Das ist einfach nicht richtig, es entspricht nicht den Tatsachen! Und Ihr Argument – das war auch das Argument der alten Regierung –: Diese Entnahmen erfolgen deshalb, weil damit die vorzeitigen Alterspensionierungen abgedeckt werden müssen!, wird durch eine andere Anfragebeantwortung widerlegt. Wir haben vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen die Kosten der Wanderversicherung in der Pensionsversicherung, den so genannten Wanderbericht, abgefragt. Dieser Bericht musste bis zum 31. Oktober vorliegen.

Aus diesem Bericht geht klar hervor: Die Deckungslücke durch die Arbeitslosenversicherung beträgt 9 Milliarden Schilling. Ich vergleiche das mit dem Budgetvoranschlag: Dem Budget 2001 werden aber 11 Milliarden, sogar mehr als 11 Milliarden entnommen, und im Jahr 2002 entnehmen Sie 16 Milliarden. Die Deckungslücke durch vorzeitige Alterspensionen beträgt aber nur 9 Milliarden!

Dabei interessiert mich schon – und auch da gehe ich nicht mit diesem Bericht des Sozialministeriums konform –: Wie wirkt sich das verteilungspolitisch aus? Das Geld, das Sie der Arbeitslosenversicherung entnehmen, Herr Bundesminister, diese 11 Milliarden für 2001 beziehungsweise 16 Milliarden für 2002, wird von den Einkünften der unselbständig Beschäftigten genommen, wandert in die Pensionsversicherung und wird dort auf alle Pensionsversicherungen im Sinne der vorzeitigen Alterspensionen verteilt.

Das ist Umverteilung, Herr Bundesminister! Mir ist nicht bekannt, dass die vorzeitigen Alterspensionen in anderen Pensionsbereichen – bei den Selbständigen, bei den Bauern – irgendeine Entsprechung erfahren, dass etwa die Bauern zur Kasse gebeten werden, dass Selbständige zur Kasse gebeten werden, wenn sie eine vorzeitige Alterspension beanspruchen.

Man kann doch nicht unter dem Titel Kostenwahrheit – das wird von Ihnen propagiert – in den Topf der Arbeitslosenversicherung hineingreifen, aus diesem Topf etwas herausnehmen und es auf alle Pensionsversicherungen verteilen! Das ist unsauber. Ich wiederhole: Das ist unsauber! (Beifall bei den Grünen.)

Jeder, der etwas von Kostenwirtschaft versteht, wird darauf dringen müssen, dass, wenn schon irgendwo Kosten verursacht werden, diese auch sauber zugeordnet werden. Da wird nicht sauber zugeordnet, da wird von den unselbständig Beschäftigten beziehungsweise auch von den Unternehmen in Richtung aller Pensionsversicherungen umverteilt. Das ist eine unsaubere Umverteilung! – Das ist Punkt eins.

Punkt zwei: Ich hätte schon noch die dezente Frage zu stellen, warum die Arbeitslosenversicherung für etwas verantwortlich gemacht wird, was sie selbst in ihrem Bereich gar nicht beschlossen hat. – Der Beschluss über die vorzeitigen Alterspensionen, die Einführung von vorzeitigen Alterspensionen ist nicht durch die Arbeitslosenversicherung erfolgt. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Arbeitslosenversicherung von sich aus beschlossen hätte, vorzeitige Alterspensionen einführen zu wollen, weil das die Arbeitslosenversicherung entlastet. Das ist ein


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Beschluss der Politik, genauso wie die Abgeltung von Ersatzzeiten für Präsenzdienst und für Karenzzeiten.

Soll dann nicht auch die Politik die Verantwortung übernehmen? Sprich: Ist es nicht Aufgabe des Bundesgesetzgebers, wenn er solche Beschlüsse über vorzeitige Alterspensionen fasst, die ich im Prinzip für richtig und wichtig halte, die Verantwortung und auch die Kosten dafür zu übernehmen – und nicht einfach irgendeiner Versicherung, in der zufälligerweise in irgendeinem Jahr Geld übrig ist, Geld zu entnehmen, weil man sieht, dass es geht, dass man da Geld entnehmen kann? (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Sie wissen: Das, was Sie mit dem künstlichen Hochhalten der Arbeitslosenversicherungsbeiträge machen, degradiert die Arbeitslosenversicherung mit diesen riesigen Entnahmen einmal mehr zu einer Arbeitslosensteuer, und zwar deswegen, weil Sie den Arbeitslosen im Leistungsbereich nicht jene Versicherungsgarantien geben – geben wollen, geben können –, die sie brauchen. Ein Arbeitsloser – egal, wer es ist – braucht die Garantie, dass er in dem Moment, in dem er arbeitslos wird, sofort eine Entschädigung erhält. Er braucht auch die Garantie, dass sich die Entschädigung an seinem letzten Einkommen orientiert. Es wurde schon 1996 eingeführt, dass sie sich nicht am letzten Einkommen orientiert, sondern das Einkommen des Vorjahres oder des Vorvorjahres als Grundlage genommen wird.

Jetzt wissen wir aber auf der anderen Seite, dass immer mehr Menschen Jobs wechseln. Es gibt 700 000 bis 1 Million Fälle von Arbeitswechsel pro Jahr. Das heißt, die überwiegende Mehrheit der ÖsterreicherInnen verliert innerhalb von zwei bis drei Jahren zumindest einmal ihren Job. Das ist so, dafür gibt es Bestätigungen: 2,7 Jahre ist die durchschnittliche Arbeitsdauer – 2,7 Jahre! Es gibt Branchen, in denen der Arbeitswechsel noch häufiger ist, und genau von denen rede ich.

Da gibt es eine Person, die einen Job hat, bei dem sie in einem Jahr 9 000 S monatlich verdient, und Gott sei Dank kann sie es sich im nächsten Jahr in einem anderen Job verbessern, wo sie 20 000 S verdient. Das Arbeitslosengeld erhält sie aber nur auf der Grundlage der 9 000 S, wenn sie nach dem 20 000-S-Job – was sehr vielen passiert – wieder arbeitslos wird. – Und da reden Sie davon, dass das eine Versicherungsleistung ist? Es ist Zufall, welche Entschädigung man in der Arbeitslosenversicherung erhält. Das hat mit dem Versicherungscharakter nichts mehr zu tun, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Sie müssten im Interesse der Beschäftigten und in diesem Fall auch im Interesse der Wirtschaft die Beiträge schon längst gesenkt haben. Aber Sie weigern sich, weil Sie von den Arbeitslosen beziehungsweise den Arbeitslosenversicherten und den Unternehmen Geld in Richtung der Pensionen transferieren wollen. (Abg. Haigermoser: Da sind irgendwelche Knoten in Ihren Akten!) – Ich bin froh, dass ich nicht Ihre Knoten habe, Herr Kollege Haigermoser! (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds: Den Ankündigungen, Herr Bundesminister, können wir entnehmen, dass Sie planen, die Zwangsarbeiterfrage so zu lösen, dass die Bundesregierung dem Topf des Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds 3,7 Milliarden Schilling entnimmt.

Ursprünglich war eine Aufteilung der Kosten für die Finanzierung der Zwangsarbeiterentschädigung in 50 Prozent Wirtschaft und 50 Prozent Staat geplant. Jetzt stellt sich heraus, dass die Wirtschaft außer ein paar 100 Millionen von sich aus nichts aufbringen kann und will. Das ist etwas, was wir schon vorausgesehen haben (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl ), denn freiwillig wird sich niemand so einfach bereit finden. (Abg. Dr. Puttinger: Wer zahlt denn das? – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Was machen Sie jetzt? – Sie nehmen einen Beitrag, nämlich den Beitrag der Unternehmen, den diese für Insolvenzen bezahlen, um ArbeitnehmerInnen im Fall von Insolvenz abzusichern, her, transferieren aus diesem Topf Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds 3,7 Milliarden und sagen, das ist der Beitrag der Wirtschaft – 3,7 Milliarden Schilling! (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. ) Dazu kommt noch 1 Milliarde von der Verstaatlichten, noch ein paar 100 Millionen Schilling von der Post und anderen halbstaatlichen Unternehmen, und das war es dann schon.


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Herr Kollege Maderthaner! Wo bleibt denn die Verantwortung der Wirtschaft (Abg. Ing. Maderthaner: Woher kommt das Geld?), die von den Zwangsarbeitern während der Zeit des Nationalsozialismus profitiert hat? – Es ist doch wohl auch der Wirtschaft zumutbar – moralisch, rechtlich und politisch zumutbar –, dass sie einen Beitrag für die Zwangsarbeiter leistet (Beifall bei den Grünen) und dass nicht alles aus den Staatskassen genommen wird, und zwar zu Ungunsten derer, die bei einer Insolvenz aus dem Betrieb hinausfliegen und um ihre Ansprüche geprellt werden. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Die Konsequenz dessen, dass 3,7 Milliarden aus diesem Bereich transferiert werden, ist absehbar: Der Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds hat für 2001 ein Defizit – je nachdem, wann Sie diese 3,7 Milliarden herausnehmen – in der Höhe von 2 bis 3 Milliarden zu erwarten, und wir haben dann nächstes Jahr eine Debatte über die Streichung von Leistungen im Falle der Insolvenz, so wie wir sie im jetzigen Budgetvoranschlag beziehungsweise in den Begleitgesetzen schon bei der Auflösung von Ansprüchen im Fall der Kündigung beziehungsweise Insolvenz hatten. Diese Debatte werden wir dann haben, und es sind die Beschäftigten, die die Kosten dafür tragen müssen. Das ist die Konsequenz einer feigen Politik gegenüber der Wirtschaft, gegenüber Unternehmen, die tatsächlich profitiert haben – und das waren nicht nur staatliche und halbstaatliche Unternehmen.

Eine abschließende Bemerkung gestatten Sie mir noch: Sie machen mit dieser Politik, die wir schon in den vergangenen Jahren kritisiert haben – nämlich in Töpfe hineinzugreifen, nichts zu ändern, keine Kostenwahrheit, keine Kostenzuschreibung zu machen –, einfach weiter, und das ist – wie am Beispiel der Arbeitslosenversicherung und am Beispiel des Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds zu beweisen war – eine grobe Umverteilungspolitik, die die Betroffenen, die Ansprüche aus Versicherungen und Fonds zu erwarten hätten, schädigt. (Beifall bei den Grünen.)

13.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

13.27

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Öllinger als Wirtschaftsexperte ist wohl eine Chuzpe, meine Damen und Herren! Mehr möchte ich zu Öllinger nicht sagen, wiewohl mir einiges einfiele, aber ich möchte mir heute einen Ordnungsruf ersparen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das schaffen Sie eh nicht! – Abg. Mag. Kogler: In bewährter Manier!)

Meine Damen und Herren! Ich setze mich gerne mit Argumenten auseinander. (Abg. Silhavy: Das ist etwas Neues!) Frau Kollegin Kubitschek! Sie haben quasi die Höhe der Lohnnebenkosten heruntergespielt und meinten, nur die Lohnstückkosten seien ein wirtschaftspolitischer wichtiger Parameter. – Sie können die Wirtschaftswissenschaften nicht umdrehen! Sehr wohl ist es notwendig, die Lohnnebenkosten in zunehmendem Maß zu senken. Puttinger hat es auch formuliert: In einer Dienstleistungsgesellschaft sind diese Dinge wichtig. – So viel dazu.

Als einem, der mit jeder Faser seines Denkens an einer funktionierenden, gesunden Landwirtschaft interessiert ist, hat mir auch eines aufgestoßen: dass Sie es wieder einmal nicht unterlassen konnten, die Landwirtschaft in die Ziehung zu nehmen, und gemeint haben, da gehöre nichts gefördert, und die Landwirtschaft müsse allein gelassen werden. – Gerade in Zeiten wie diesen ist es ungeheuerlich, wenn Sie meinen, dass man bei den gesunden Lebensmitteln und der Unterstützung der Produzenten sparen sollte. Die Bundesregierung wird das nicht tun! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hohes Haus! Ich bin mit Puttinger nahezu in allem auf einer Linie, und ich möchte auch zu Beginn meiner Ausführungen etwas betonen. Es ist auch eine neue Qualität dieser Koalition, dass wir hervorragend zusammenarbeiten und sich eine Reformkoalition und keine Streitkoalition gefunden hat, meine Damen und Herren! Das erscheint mir für die Bürger dieses Landes wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Die heutige Diskussion zum Kapitel Wirtschaft und Arbeit verlangt natürlich auch von der Reformkoalition der Freiheitlichen mit der ÖVP, einige grundsätzliche Positionen festzuzurren. Aus freiheitlicher Sicht ist noch einmal festzuhalten, dass die Staatswirtschaft ausgedient hat, meine Damen und Herren von der linken Reichshälfte! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mehr privat, weniger Staat. Kein Geringerer als der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Fritz hat formuliert: Die alte Sozialpartnerschaft ist mausetot! – Ich kommentiere das nicht weiter, meine Damen und Herren. Unsere Antwort ist zweifelsohne: Es muss ein Ordoliberalismus neuer Qualität geschaffen werden, welcher den Gefahren des globalen Neokapitalismus etwas entgegensetzt. Meine Damen und Herren! Das ist zweifelsohne ein Schlagwort, aber da müssen praktische Antworten gefunden werden.

Wenn die alte Sozialpartnerschaft mausetot ist, dann muss ich – wenn ich ein Bekenntnis zu einer Sozialpartnerschaft abgebe – fragen, was danach kommt. Ich sage, diese Sozialpartnerschaft gehört neu definiert, und zwar dergestalt, dass sie sich vom alten Prinzip des Sozialdiktats verabschiedet und die Entscheidungen wieder ins Parlament kommen. Da gehören sie nämlich hin, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir sind auf dem besten Wege dazu, sind aber in enger Verbundenheit mit den Sozialpartnern. Das ist die neue Qualität.

Zweitens – das erscheint mir besonders wichtig, meine Damen und Herren, und diese Forderung, so meine ich, ist beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und bei der Frau Staatssekretärin bestens aufgehoben –: Die Kalkulierbarkeit und die langfristige Strategie der Politik müssen wieder eingeführt werden, um den Wirtschaftsstandort Österreich für nationale und internationale Wettbewerber glaubwürdig zu gestalten und damit die Sicherheit des Arbeitsplatzes zu garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Arbeit für alle gibt es nämlich nur in gesunden Betrieben. Herr Öllinger! Ich weiß, dass Sie einem marxistischen Wirtschaftskonzept anhängen, aber das soll Ihre Sache sein, nicht die unsere. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Eder: Das glaubst du jetzt selbst nicht, was du redest!) – Dass wir die Aufräumarbeit der Schuldenpolitik der alten sozialistischen Koalition übernommen haben, ist, wie ich meine, in der Zwischenzeit aktenkundig.

Meine Damen und Herren! Drittens erscheint Folgendes ganz wichtig, Frau Kollegin Kubitschek: Dem Entstehen von Oligopolen zum Schaden der Volkswirtschaft muss verstärkt die Aufmerksamkeit geschenkt werden, weil eine derartige Entwicklung, zu Ende gedacht, zu einem "kommunistischen Kapitalismus" führen würde, wie es ernst zu nehmende Volkswirtschafter formuliert haben.

In diesem Zusammenhang scheint mir die Forderung der Arbeiterkammer diskussionswürdig und diskussionsfähig zu sein. Wir Freiheitlichen haben ja schon lange daran gearbeitet beziehungsweise darauf gedrängt, das Wettbewerbsrecht in Österreich auszubauen – auch mit Ihrem Vorschlag eines Anwalts hiefür. Ich hätte aber schon gerne gehört, dass die Arbeiterkammer, als es darum ging, neue Machtkonzentrationen auf dem Mediensektor hintanzuhalten, auch ein mahnendes Wort gesprochen hätte. Da hätte sie nicht auf Tauchstation gehen dürfen, meine Damen und Herren! Sie wissen, was ich meine.

Meine Damen und Herren! Wenn die Arbeiterkammer postuliert, dass eine mangelhafte Wettbewerbspolitik für Unternehmen und Konsumenten enorm überhöhte Preise, eine eingeschränkte Produktauswahl, Druck auf Konkurrenz- und Zulieferbetriebe bis zur Verdrängung auf dem Markt und damit den Verlust von Arbeitsplätzen und Lohndruck fördern würde, dann bin ich bei Ihnen, dann sind wir bei Ihnen. Nur möchte ich von diesen Forderungen weg und hin zu praktischen Umsetzungsstrategien kommen. Es ist bedauerlich, wenn diese praktischen Umsetzungsstrategien nicht bis in die letzten Winkel dieser Republik durchgedrungen sind.

Zum Beispiel geht eine Koalition aus SPÖ, Grünen und bedauerlicherweise auch der FPÖ der Stadt Salzburg gerade einem derartigen Oligopol in Salzburg mit einer ausufernden Quadrat


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meterzahl für einen Verbrauchermarkt nach. Damit werden die Oligopole gefördert, wenn die Konzentration auf der grünen Wiese so fortschreitet. Ich bedauere das, ich sage das auch im Hinblick auf meine Partei dort.

Meine Damen und Herren! Eine lebendige Handelslandschaft der Vielfalt unter Einbeziehung des Mittelstandes ist ein wesentliches Standbein einer funktionierenden Volkswirtschaft. Sie bestreiten das. Hohes Haus! Meine Damen und Herren von der linken Reichshälfte, von der vereinigten Linken! Sie bestreiten ... (Abg. Dr. Khol: Drittel! – Abg. Eder: Wer bestreitet was? Wer bestreitet was?) – Entschuldigung, des vereinigten linken Reichsdrittels, ich korrigiere mich gerne. Eine der zentralen Aufgaben positiver Wirtschaftspolitik ist – das ist unbestritten, außer bei Ihnen – eine Budgetpolitik ohne Schulden, und dazu bekennen wir uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ihre Schuldenpolitik hat abgedankt und hat uns genug an Negativem eingebrockt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Deswegen ist diese Reformkoalition so wichtig, damit auch unsere Kinder und Enkel eine entsprechende Zukunft haben.

Meine Damen und Herren! Erste Erfolge zeichnen sich bereits ab (Abg. Eder: Wo?), wiewohl – noch einmal unterstrichen – die Wirtschaft die Hauptlast des Sanierungskonzeptes zu tragen hat. (Abg. Eder: Sag es gleich, sonst vergisst du es!)  – Ich komme schon noch dazu.

Meine Damen und Herren! Dazu gehört aber auch der soziale Friede, den Sie immer wieder einmahnen, denn die Wirtschaft lebt, aber nicht Ihre Berufsdemonstranten von der linken Seite. Ich sage nur stellvertretend: Die Brandfackel-Aussage des Herrn Kaske spricht für sich. – Danke, meine Damen und Herren, darauf können wir gerne verzichten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Passen Sie auf Ihren Knoten auf!)

Sie wollten wissen, was denn schon an Positivem passiert ist. Ich sage es Ihnen: Österreich hat weniger Pleiten im EU-Vergleich. Während Österreich im Vorjahr, während Ihrer Regierungszeit, bei Insolvenzen noch ein kräftiges Plus von 22 Prozent zu verkraften hatte, ging die Zahl der Firmenpleiten und Privatkonkurse heuer im ersten Halbjahr um 3,8 Prozent auf 4 000 Fälle zurück.

Übertitel: "Wirtschaftslage Mittelstand". Der Mittelstand wächst weiter. 61,5 Prozent der Mittelständler beurteilen die Wirtschaftslage mit gut. Für das nächste Halbjahr rechnen 50,2 Prozent der kleineren und mittleren Unternehmen mit steigenden Umsätzen.

Meine Damen und Herren! Das ist natürlich nicht nur ein Verdienst der Bundesregierung, auch die internationale Konjunktur spielt mit, aber wir begleiten diese hervorragenden Zahlen nicht so, wie Sie von den Sozialdemokraten es getan haben, denn Sie haben den Bremsklotz hineingelegt.

Meine Damen und Herren! Weiters – für uns besonders wichtig –: Der öffentliche Dienst ist um 50 Milliarden Schilling zu teuer. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Die Bundesregierung, das Kabinett Schüssel/Riess-Passer I, arbeitet daran, diese 50 Milliarden Schilling herunterzudrücken, damit der Wirtschaftsstandort Österreich gefestigt und ausgebaut wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Wo denn? – Abg. Böhacker: Wifo-Studie! – Abg. Öllinger: Woher haben Sie das? Kaffeesud wahrscheinlich! Oder Astrologie!)

Ich komme auch kurz zum Bereich Forschung und Entwicklung. Wir wissen, die Quote ist zu gering. Aber wenn wir festhalten, dass immerhin 50,2 Milliarden Schilling für die Forschung in Österreich zu Buche schlagen, dass diese Quote noch steigt und wir mit dieser Steigerung 1,79 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen – zweifelsohne noch steigerbar –, dann sind wir auch hier auf dem richtigen Weg.

Meine Damen und Herren! Noch eine Anmerkung zum sozialdemokratischen Vorwurf des Ausverkaufs der Heimat, der Wälder und so weiter. Diese Geschichte gehört auch zur Wirtschaft. Ihnen sei ins Stammbuch geschrieben: Sie von der SPÖ haben es geschafft, als Erste öster


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reichische Bodenschätze zu "privatisieren" – unter Anführungszeichen –, indem Sie Herrn Androsch zum Salzbaron gemacht haben. (Beifall der Abgeordneten Dolinschek und Achatz. )

Meine Damen und Herren! Ich beurteile das nicht weiter, ich stelle es nur in den Raum. Jetzt herzugehen und bei der notwendigen Privatisierung von Teilen der Bundesforste zur Arrondierung von Bauernwäldern davon zu sprechen, dass der Wald ausverkauft würde, da sind Sie auf frischer Tat ertappt worden! Das ist ein hanebüchener Vorwurf gewesen und ist durchschaut, meine Damen und Herren!

Die Zahlungsbilanz verbessert sich. Ich könnte noch zuhauf positive Dinge anführen. Versprochen sind etwa die völlige Marktöffnung im Gasbereich, die Marktöffnung beziehungsweise Wahlfreiheit für Kunden im Strombereich, Gewerbeordnung, One-Stop-Shop, Berufsausbildungsgesetz, erste Erfolgsbilanzen. Es gibt also Wegmarkierungen der Freiheitlichen mit der ÖVP gemeinsam, meine Damen und Herren, die sich sehen lassen können, Pflöcke, die hineingeschlagen wurden, die sich diametral von der sozialistischen Politik unterscheiden. Ich bin glücklich darüber, dass Österreich endlich eine demokratisch gewählte Regierung hat, die die Kraft hat, dieses Land wirtschaftspolitisch weiterzubringen.

Zum Schluss darf ich allen Unternehmerinnen, allen Unternehmern und deren Mitarbeitern dafür danken, dass Sie trotz einer sozialistischen Verschwendungspolitik dieses Land zu einem blühenden gemacht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

13.40

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist immer ganz nett, wenn man nach Herrn Kollegen Haigermoser sprechen kann, denn er bemüht sich immer, sehr viele Themen in kurzer Zeit anzusprechen. Ich gestehe ihm zu, dass er dadurch nicht jedes Thema bis zur Endkonsequenz diskutieren kann. Ich höre ihn noch, wie er in Opposition hier geredet hat, als es um die Landwirtschaft ging. Heute erklärt er, wir dürfen die Landwirtschaft nicht allein lassen. – Das hat nie jemand gewollt!

Was Sie immer gewollt haben, Herr Kollege Haigermoser, und was wir immer gewollt haben, war, dass man von den Mitteln, die über die Landwirtschaft verteilt werden, den Kleinbauern und den Gebirgs- und Bergbauern, die nämlich gerade jene sind, die das gesunde Vieh und die Kühe auf der Weide halten, mehr zur Verfügung stellt, als das bisher geschieht, und den Großbauern, die vielleicht große Industriebauern sind, ein bisserl weniger gibt. Nur darum ging es, und ich glaube, da haben wir auch keine Differenz, Herr Kollege Haigermoser! (Beifall bei der SPÖ.)

Witzig wird es nur dann, wenn Sie in Ihren Reden Ihr eigenes Feindbild suchen, denn da brauchen Sie einige Zwischenrufe, von denen es heute von unserer Seite nicht so viele gegeben hat. Dann stellen Sie sich die Fragen quasi selbst, das ist ganz witzig zum Zuhören, aber das ist nur eine persönliche Anmerkung.

Ich darf noch eines feststellen: Die SPÖ, Kollege Haigermoser, hat Herrn Dr. Androsch nicht zum Salzbaron gemacht, sondern Herr Dr. Androsch ist anscheinend ein sehr cleverer und guter Wirtschaftsfachmann, der sich selbst aus eigener Kraft zu einem Industriellen hinaufkatapultiert hat. (Abg. Haigermoser: Ich habe nichts gesagt!) Wenn Sie das im Zusammenhang mit den Bundesforsten bringen, dann muss man schon sagen, anscheinend ist der Herr Generaldirektor der Bundesforste, Herr Dipl.-Ing. Ramsauer, auch ein kluger Mann, denn er geht jetzt zum Androsch-Konzern, zu jenem Androsch also, den die SPÖ "gemacht" hat. Also gar so schlimm kann es dort auch nicht sein. – Auch bei solchen Äußerungen können wir nur schmunzeln; ich habe das auch so aufgefasst, dass Sie das in diesem Sinne gebracht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaftssituation in Österreich – das haben bisher alle Redner festgestellt – ist gut. Ich meine, dass diese gute Situation noch verstärkt


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werden sollte. Darüber sind wir, wie ich denke, auch alle einer Meinung. Das sollten wir also gemeinsam versuchen und tun.

Wir haben nur in einzelnen Bereichen der Wirtschaft unterschiedliche Auffassungen, vor allem in einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor des Landes, den wir vor einigen Tagen anlässlich der Budgetbegleitgesetze diskutiert haben: nämlich wie wir in Zukunft mit der gemeinnützigen Wohnwirtschaft in Österreich umgehen werden. Das ist doch ein sehr wesentlicher Wirtschaftsfaktor unseres Landes. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen – anscheinend auch innerhalb der Koalitionsregierung – darüber, wie man mit dem WGG weiter umgehen wird.

Ich hoffe, dass diese Diskussion sehr intensiv und so geführt wird, dass es zu einem positiven Ergebnis kommen kann. Fest steht, meine sehr verehrten Damen und Herren: Gerade in diesem Wirtschaftsbereich haben wir 80 Prozent der Wertschöpfung im Land. Das ist ein ganz wichtiger Bereich, bei dem wir sehr heikel sein sollten.

Ganz wichtig ist auch die Kontinuität und die Langfristigkeit dieses Wirtschaftsbereiches. Die Kontinuität gerade auch im Wohnungsneubau und in der Wohnungserhaltung – das wissen wir alle, teilweise auch leidgeprüft – ist sehr notwendig. Wenn diese Kontinuität abreißt, wenn zum Beispiel durch irgendwelche Veränderungen großräumiger Art die Wohnbautätigkeit nachlässt, dann passiert es sehr schnell, dass zwar nicht gleich nachhaltig, aber doch nach fünf bis zehn Jahren die Nachfrage wieder sehr steigen kann und man dann nicht sofort wieder 15 000, 20 000 oder 30 000 Wohnungen jährlich aus dem Boden stampfen kann, sondern da ist es eben notwendig, dass die Unternehmen, die Betriebe, die Zulieferanten wissen, dass die Kontinuität gewahrt bleibt, dass sich auch die Ingenieure, die Techniker, die Architekten auf ein gewisses jährliches Volumen einstellen können, das sie in diesem Segment abarbeiten können.

Wenn das abreißt, dann stellen diese alle um auf andere Tätigkeiten, etwa auf den Industriebau, und wenn man dann den Wohnbau braucht, kommt man nicht mehr dazu. Das heißt also, der Abverkauf der gemeinnützigen Wohnwirtschaft ist meiner Meinung nach der falsche Weg. Wir brauchen ein langfristiges Denken in der Wohnwirtschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen – diese Diskussion sollten wir sehr intensiv gemeinsam führen – überlegen, was mit dem WGG, mit dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz in Zukunft geschehen soll. Wenn wir meinen, dass dieses Segment auch dem Markt überlassen werden kann, dann ist das durchaus eine realistische Überlegung. Man muss aber auch wissen, was dann die Folgen sind. In der freien Marktwirtschaft muss jeder Unternehmer, auch wenn er Wohnwirtschaft betreibt, natürlich mit Erlös arbeiten. Ohne Erlös gibt es kein Geschäft auf dem freien Markt. Das ist so, und dazu stehen wir auch. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Aber was bedeutet das dann für jene, die in diesem Wohnsegment sind? – Auf diese müssen wir gemeinsam achten. Da haben Sie von der Freiheitlichen Partei, noch in der Opposition, sehr darauf geachtet. Jetzt stimmen Sie schon ein bisserl leichter zu, 106 000 Familien sozusagen in die Marktwirtschaft zu entlassen.

Was bedeutet denn das? – Das bedeutet für diese 106 000 Familien, aber auch, wenn wir nächstes Jahr beim WGG weitertun, für 500 000 weitere Familien klarerweise höhere Zinsbelastungen, denn Kapital um 3,5 Prozent Zinsen bekommen Sie nirgends auf der Welt, das müssen die Bauträger selbst aufbringen. (Abg. Böhacker: Wer sagt das?) Diese werden daher einen wesentlich höheren Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag verlangen müssen.

Es wird die Wohnsicherheit in Frage gestellt sein. Die Marktmieten oder die angemessenen Mieten, wie man so schön sagt, werden im Durchschnitt nicht bei 27 bis 30 S liegen, sondern dann ganz einfach bei 70 und 120 S. Wir werden es bei den Bundeswohnungen ja sehen, wenn sie entlassen werden und der Herr Finanzminister 30 Milliarden Schilling erlösen will und glaubt, das werden die Mieter kaufen können. – Dafür war ich immer. Mieter in ihren eigenen Wohnungen sollen ihre Wohnungen kaufen können; überhaupt kein Problem. Aber wenn man ganze Häuser oder Gesellschaften mit den Mietern verkauft, das WGG verändert und anschließend


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erlaubt, die Mieten zu erhöhen, dann wird es für so manche Mieter sehr kritisch werden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Eines sage ich Ihnen auch: Die Rechnung, die hier aufgestellt wird, ist ganz einfach: Die Kleinen, die in den Wohnungen sind und sich nicht helfen können, müssen zahlen, und die Großen, die das große Kapital haben, werden verdienen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

13.47

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen des Hohen Hauses! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Eder! Niemand möchte 106 000 Familien oder auch mehr gewissermaßen ungeschützt der Marktwirtschaft aussetzen. Ganz im Gegenteil: Wir verfolgen dasselbe Ziel wie Sie, nämlich privates Wohnungseigentum zu erleichtern, besser als bisher zu ermöglichen. Es ist durch die WGG-Novelle sichergestellt, dass weiterhin Schutzmechanismen für diese 106 000 Familien greifen; daran kann kein Zweifel bestehen.

Aber ich möchte mir doch ein wenig Zeit nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, um mich mit den sehr konstruktiven Äußerungen der Hauptrednerin der sozialdemokratischen Oppositionsfraktion, der Frau Abgeordneten Kubitschek, auseinander zu setzen:

Frau Abgeordnete! Sie haben völlig Recht in vielem, was Sie sagen, zum Beispiel dass die Anzahl der Betriebsansiedelungen durch die Austrian Business Agency ein ganz wichtiger Indikator für die Entwicklung des Standortes Österreich ist. Da war es natürlich wesentlich, zu sehen, sehr geehrte Frau Abgeordnete, wie sich insbesondere im Lichte der Sanktionen in den ersten Monaten dieses Jahres diese Betriebsansiedelungen entwickeln würden.

Weniges hat mich so sehr beruhigt wie die Aussage der APA, dass lediglich drei oder vier von insgesamt 500 laufenden Projekten sistiert oder sogar zurückgezogen worden sind. Da kann man immer noch fragen: War das nur die so genannte Sanktionspolitik, oder war es etwas anderes?

Wir konnten im ersten Halbjahr, in den ersten neun Monaten des Jahres 2000 absolute Rekordzahlen, Verdoppelungen, Verdreifachungen der geschaffenen Arbeitsplätze verbuchen. Ob da jetzt die Vaterschaft zu 100 Prozent bei der alten, zu 100 Prozent bei der neuen oder zu je 50 Prozent bei beiden Regierungsformen liegt, ist mir relativ gleichgültig. Mir geht es um die Qualität des Standortes Österreich und um die Arbeitsplätze in diesem Land, sehr geehrte Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dasselbe gilt für die Lohnnebenkosten und die Lohnstückkosten. Beides hängt miteinander zusammen, das eine kann das andere senken. Da, so glaube ich, war es ganz wichtig, dass die herbstliche Lohnrunde, eingeleitet von den Metallern, zwar an der oberen Kante dessen, was gerade noch verträglich ist, gelegen ist, vielleicht sogar eine Spur darüber, aber dass insgesamt natürlich über die Jahre die Entwicklung der Lohnstückkosten beweist, dass der Standort Österreich gut ist und dass es sich lohnt, entweder hierher zu kommen oder hier zu bleiben, hier zu produzieren.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Anderer Meinung bin ich hinsichtlich des Themas Privatisierung. Zum Ersten haben wir mit der Privatisierung der P.S.K. eine sehr erfolgreiche Maßnahme gesetzt, und zum Zweiten war es auch im Hinblick auf das sehr schwierige Börse-Umfeld insgesamt und das Telekom-Umfeld im Besonderen natürlich nicht einfach, die Privatisierung der Telekom Austria anders zu gestalten, als es geschehen ist. Der Finanzminister und auch ich haben uns sicher mehr Erlös erwartet, aber diese relativ niedrigen Erlöse, der relativ niedrige Ausgabekurs von 9 Euro pro Aktie haben den Vorteil, dass hoffentlich zumindest längerfristig entsprechende Kursphantasien für die Anleger gegeben sind. Sicher hingegen bin ich mir, sehr geehrte Frau Abgeordnete, in einem: dass es vor allem sozialdemokratische Minister – ich muss


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hier auf Bundeskanzler a.D. Klima zu sprechen kommen – waren, die so viel Zeit verzögert und verloren haben, dass wir mit der ganzen Sache viel zu spät dran waren.

Der damalige Verkehrs- und spätere Finanzminister Klima hat es verabsäumt, die Gelbe Post von der Telekom zu trennen, so wie das anderswo in Europa der Fall war (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und er hat es verabsäumt, die notwendigen Schritte dafür einzuleiten. Jetzt haben wir den guten Wind ein wenig verpasst und sind spät dran. Das ist im Übrigen auch bei UMTS der Fall, denn auch da hat man anderswo früher deutlich mehr erlöst.

Zu einem Bereich, für den Sie im hohen Maße nicht verantwortlich sind, aber auf den Sie als Fraktion, als Partei Einfluss hatten, nämlich auf die Bank Austria, kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Telekom-Dienstleistungen werden weltweit angeboten. Der Strom kommt in der ganzen Welt aus den Steckdosen. Auch andere Dinge sind nicht so sehr an das Hauptstadt- und Headquarter-Thema gebunden wie Bankdienstleistungen. Ich muss Ihnen sagen, dass ich schon ein wenig gestaunt habe, als mir gestern ein Top-Manager der Nationalbank sagen musste, dass die Bankenaufsicht in Österreich für die Bank Austria nicht mehr zuständig sei; das sei mittlerweile die deutsche Bankenaufsicht. – Auch das lässt tief blicken, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Gerade für die Unternehmer, gerade für die mittelständische Wirtschaft ist es wichtig, woher die Bankdienstleistungen kommen, wo der Ansprechpartner ist und wo die Entscheidungen fallen. Und da ist mir Wien allemal lieber als eine Stadt außerhalb Österreichs. Die Zuständigkeit der Bankenaufsicht zeigt eben, wo in Zukunft die Entscheidungen getroffen werden. – Noch einmal: Es ist wahrlich nicht diese Regierung, die für diese Vorgänge und für diese Übertragung die Verantwortung zu übernehmen hat.

Nun zur Verdoppelung der F&E-Quote, sehr geehrte Frau Abgeordnete: Ich würde Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir eine F&E-Quote in der Höhe von 1,8 Prozent haben, das heißt, wir müssen sie nicht verdoppeln, um auf 2,5 Prozent zu kommen. Herr Abgeordneter Puttinger hat schon darauf hingewiesen: Wir setzen die notwendigen Schritte, ein Meilenstein-Konzept ist im Entstehen. Herr Finanzminister Grasser hat klargestellt, dass 10 Milliarden Schilling zusätzlich an öffentlichen Mitteln eingebracht werden, um den im Übrigen überproportional hohen öffentlichen Anteil an Forschung und Entwicklung weiter zu verbessern.

Ich sage Ihnen Folgendes, sehr geehrte Frau Abgeordnete Kubitschek: Ja, ich bin der Auffassung, dass eine Nulldefizit-Politik auch Ziel einer Standortpolitik ist. Es zeigt sich immer wieder, dass Budget-Defizite zuerst einmal zu Steuererhöhungen führen, die die Wirtschaft zu finanzieren, die die Wirtschaft zu zahlen hat. Herr Abgeordneter Puttinger hat schon gesagt, 18 Milliarden bezahlt die Wirtschaft im Zuge dieser Konsolidierung. Rechnet man die Vorauszahlungen noch dazu, dann kommt man auf wesentlich mehr, dann bewegt man sich in Richtung 30 Milliarden. Es ist letztlich sehr oft die Wirtschaft, es sind die Unternehmungen, die die Zeche zu bezahlen haben. Daher sage ich ganz klar: Ja, eine Nulldefizit-Politik ist auch ein ganz wichtiger Faktor einer erfolgreichen Standort-Politik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gebe Ihnen durchaus Recht, sehr geehrte Frau Abgeordnete, wenn Sie sagen, dass die Abgabenquote in dem Land zu hoch ist. Sie war zu hoch, und sie steigt jetzt vermutlich noch um einige Zehntel, sie wird die Grenze von 45 Prozent übersteigen. Es muss daher unser gemeinsames Ziel sein, diese Abgabenquote, bestehend aus Steuer- und Sozialabgaben, so bald wie möglich wieder zu senken. Ich glaube, dass das Jahr 2003 eine konkrete Zielorientierung dafür ist, dass wir letztlich wieder zu einer Abgabenquote kommen müssen, die unter 45 Prozent liegt. Eine Quote über 45 Prozent erachte ich als nicht standortverträglich.

In einem bin ich wiederum nicht Ihrer Meinung, nämlich dass es diese Regierung ist, die mit dem Konsolidierungskurs die Inflation hinauf- und das Wachstum heruntertreibt. Lesen Sie die Zeitungen, studieren Sie die Auswirkungen des Ölpreises auf diese beiden Indikatoren, dann werden Sie wissen, woher zumindest der Hauptteil des Windes kommt! Sie schütteln den Kopf und verneinen, aber es ist unbestritten, dass in einem OECD-Land wie Österreich ein Rohölpreis von 10 Dollar je Barrel die Inflationsrate etwa um einen halben Prozentpunkt erhöht und


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das Wachstum um ein Viertel Prozent verringert. Das ist ungefähr der Unterschied zu dem, was wir vor einem halben Jahr hatten. Von dort kommt der Hauptteil her. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weiters bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung, dass das Humankapital in diesem Land der entscheidende Standortfaktor für Österreich ist. Ich glaube, bei der heutigen Debatte über "Wirtschaft und Arbeit" kann man sich bei Österreichs Unternehmen dafür bedanken, dass sie einen erstaunlichen und beachtlichen Anteil zur Optimierung des Humankapitals geleistet haben. In schwierigen Zeiten wie derzeit gibt es um 5,7 Prozent mehr Lehrverträge als vor Jahresfrist, und das halte ich für ganz wichtig und erfreulich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete, als AK-Expertin im Wiener "Kurier" betreffend Wettbewerbsrecht – dabei gibt es ein hohes Maß an Übereinstimmung, wir werden darüber zu diskutieren haben – zitiert sind, dann hätte ich mir gewünscht, dass Sie zur aktiven und offensiven Europapolitik auch eine aktive und offensive Osterweiterungspolitik hinzugefügt hätten, weil das für den Standort Österreich seit zehn Jahren ein entscheidender Erfolgsfaktor ist.

Wir haben ein Handelsbilanzaktivum, einen positiven Saldo von Arbeitsplätzen und hervorragende Werte in Sachen Direct Investments. (Abg. Silhavy: Da müssen Sie einmal mit den Freiheitlichen reden! Da müssen Sie einmal mit Ihrem Koalitionspartner reden!) – Nein, nicht mehr da (der Redner deutet in Richtung Freiheitliche), sondern längst dort. (Der Redner weist in Richtung SPÖ.) Es gibt in Österreich keinen entschiedeneren Gegner der Osterweiterung als AK und ÖGB, die mit dem Killerargument kommen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), dass Beitrittskandidaten erst einmal 80 Prozent des österreichischen Lohnniveaus haben müssten, bevor es eine Freizügigkeit hinsichtlich der Arbeitskräfte geben dürfte. Nach dem Kriterium von AK und ÖGB wäre Spanien, wäre Griechenland, wäre Portugal heute noch nicht dabei. Daher geht es in Wirklichkeit darum, dass Sie von diesem Killerargument endlich Abschied nehmen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Letztes zu den Bemerkungen des Abgeordneten Öllinger. Es ist wohl nicht so, dass die Wirtschaft keinen erheblichen Beitrag zur Zwangsarbeiter-Entschädigung leisten würde! 6 Milliarden Schilling sind sehr viel Geld, das aufzubringen nicht einfach war. Vergessen wir nicht, dass ISG-Mittel ausschließlich von Arbeitgebern eingebracht, finanziert werden. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Sie sagen hier so lässig, locker und leger: "verstaatlichte Industrie". – Aus meiner Sicht gibt es in diesem Land keine verstaatlichte Industrie mehr! Der ÖIAG-Konzern mit vor allem börsennotierten Unternehmen finanziert 1 Milliarde Schilling, die E-Wirtschaft und andere finanzieren 400 Millionen Schilling, und zwar deswegen, weil es in diesem Bereich relativ viele Nachfolgeunternehmungen von solchen Betrieben gibt, die tatsächlich Zwangsarbeiter beschäftigt haben.

Die mittelständische Wirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat in Wirklichkeit im Großen und Ganzen nicht schon 1945 Vorläufer-Betriebe gehabt. Diese Unternehmungen sind zumeist 1947, 1948, 1950 oder danach gegründet worden. Das heißt, in diesem Bereich ist es eine wahrhaft freiwillige Leistung, dafür einzuzahlen. Ich glaube, dass der Kompromiss, der jetzt auf dem Tisch liegt, sehr gut ist und dass es wesentlich ist, dass letztlich die öffentliche Hand – Bund und Länder – und die Wirtschaft gemeinsam diese Zwangsarbeiter-Entschädigung tragen und finanzieren. Das ist ein ganz wichtiges Stück dieser erfolgreichen Regierungsarbeit der ersten neun Monate. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich komme zum Schluss und möchte als Arbeitsminister die Anmerkung machen, dass Standortpolitik letztlich auch Teil der Arbeitsmarktpolitik ist. Wir können stolz sein auf die Zahlen, die es in diesem Lande gibt. Gleichzeitig haben wir aber das Problem, dass uns die Arbeitsmärkte austrocknen, dass wir teilweise nicht mehr wissen, woher wir Führungskräfte bekommen, woher wir EDV-Spezialisten bekommen. Wir versuchen kurzfristig, Übergangsregelungen zu finden. Langfristig werden wir aber nicht mit den Leuten aus dem Ausland, die wir mit Flugzeugen hereinkarren, das Auslangen finden können. Das wird ein Qualifizierungs- und Ausbildungs


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thema und eine Herausforderung für dieses Land sein. Alles andere ist keine Lösung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber seien wir stolz darauf, dass wir gemeinsam – meinetwegen die alte und die neue Regierung – die Rahmenbedingungen dafür geschaffen haben, dass wir die niedrigste Arbeitslosenquote seit zehn Jahren haben, dass ältere Arbeitnehmer zunehmend beschäftigt werden, dass die Situation für Frauen besser ausschaut und dass wir bei den Jugendlichen überhaupt die Nummer eins in Europa sind. Sagen wir an diesem Punkt auch, dass die Kennzahlen unserer Wirtschaft – vielleicht mit Ausnahme des Ölpreises und der damit verbundenen Auswirkungen auf die Inflationsrate – so gut wie schon seit zehn Jahren nicht mehr sind.

Schauen und schielen wir daher nicht wie gebannt in die USA – nicht wegen des Wahlergebnisses und der Auszählfragen in Florida und sonst wo, sondern wegen der dortigen Konjunktur und der Euro-Dollar-Relation –, sondern seien wir uns auch in einer derartigen Phase der Stärke der österreichischen Volkswirtschaft bewusst! Das war und ist und soll die soziale Marktwirtschaft bleiben – ich füge hinzu: eine nachhaltige soziale Marktwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das war das Erfolgsmodell der Nachkriegszeit, und das ist es nach wie vor. Wir sind keine Marktwirtschaft, die das Soziale außer Acht lässt oder etwas in den Hintergrund rückt, wie das etwa in den USA der Fall ist. Wir sind keine Marktwirtschaftler, die der Marktwirtschaft wegen sogar die Demokratie weniger stark anstreben, wie das in vielen Ländern Asiens der Fall ist. Wir sind eine soziale Marktwirtschaft mitteleuropäischen, österreichischen Zuschnittes – und deswegen: Besinnen wir uns dieses Modells! Besinnen wir uns dieses Modells, seien wir uns aber auch dessen bewusst, dass in den letzten Jahren der Markt wahrscheinlich ein wenig zu kurz gekommen ist und das Soziale nicht ein wenig zu weit durchgekommen ist – nein, das sage ich nicht! –, sondern dass wir den Fehler gemacht haben, sozial zu sein, indem wir die Solidarität verstaatlicht, indem wir die Hängematten, statt sie dichter zu schnüren, weniger elastisch gemacht haben.

Es sollte die Aufgabe sein, das soziale Niveau zu halten, aber die Eigenverantwortung zu erhöhen. Ich glaube, das sind Voraussetzungen, die für Österreichs Wirtschaft sehr gut sind. – Ich danke, Herr Präsident! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Edler zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Öllinger: Wo gibt es eine Hängematte? – Abg. Haigermoser: Hören Sie doch einmal mit Ihrer Wortklauberei auf!)

14.01

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Bartenstein hat erklärt, dass Arbeiterkammer und ÖGB die entschiedenen Gegner der aktiven Osterweiterung seien. (Abg. Böhacker: So ist es! Tumpel und Co!)  – Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: AK und ÖGB bekennen sich zur aktiven Osterweiterung (Rufe bei der ÖVP: Aber!), nur wollen sie den freien Zugang zum Arbeitsmarkt geregelt haben und lange Übergangszeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Aber erst in 20 Jahren! – Abg. Dr. Trinkl: Das hat der Herr Minister gesagt: Ihr seid die größten Bremser!)

14.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

14.02

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich in der Debatte zum Kapitel "Wirtschaft und Arbeit" rede, möchte ich zunächst einmal meiner Freude Ausdruck verleihen, dass wir überhaupt ein solches Ministerium Wirtschaft und Arbeit haben. Auch das war ein


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Signal für "Österreich neu regieren", meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Prammer: Klassenkampf hat jetzt eine neue Handschrift!)

Das ist kein altes Klassenkampfdenken: da Kapital, da Arbeit!, sondern Arbeit und Kapital sollen unter einem Dach sein. Arbeit und Wirtschaft bedingen sich gegenseitig. Nur Wirtschaft schafft Arbeit, und ohne Arbeit gibt es keine Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich stimme völlig mit dem Herrn Wirtschaftsminister darin überein, dass das wertvollste Kapital, das wir in Österreich haben, das Humankapital ist, die menschlichen Ressourcen unserer Mitarbeiter. Wenn wir fleißige, tüchtige Unternehmer haben, die dieses Potential motivieren können, dann ist das eigentlich das Geheimnis unseres wirtschaftlichen Erfolges, meine Damen und Herren! Und ich schließe mich dem Dank des Kollegen Haigermoser an die Unternehmer und ihre Mitarbeiter an. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin auch froh – ich sage das ganz offen –, dass wir dieses alte Besitzstanddenken damit überwunden haben. Der Arbeitsminister muss unbedingt jemand vom ÖGB sein, und der Wirtschaftsminister muss unbedingt von der Wirtschaftskammer kommen. Wir haben auch das überwunden. Wir haben ein gemeinsames Dach als Kooperation, und auch das ist ein wichtiges Signal dieser neuen Regierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es entspricht auch der tatsächlichen Entwicklung in der Arbeitswelt, in der die Grenzen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber immer mehr verschwinden, weil man oft nicht weiß, ist das ein Arbeitnehmer, oder ist er eigentlich schon freiberuflich tätig, oder hat er einen Gewerbeschein. Ich stimme mit jenen Zukunftsforschern überein, die meinen, die Arbeitswelt der Zukunft wird dreigeteilt sein: ein Drittel stabile Beschäftigungsverhältnisse, ein Drittel mehrere Teilzeitbeschäftigungen und ein Drittel, von dem man gar nicht weiß, ob es jetzt Unternehmer, freiberuflich Tätige, Arbeitnehmer oder alle drei Elemente in einer Person sind – auch das wird es geben. Daher ist dieses Signal so wichtig, Wirtschaft und Arbeit unter einem Dach zu haben.

So erfreulich diese Entwicklung ist, meine Damen und Herren, so unerfreulich sehe ich die Entwicklung, die sich in Teilbereichen der Sozialpartnerschaft abspielt – darüber muss man auch reden, wenn man über die Kooperation von Wirtschaft und Arbeit redet. Ich mache gar kein Hehl daraus, ich selbst bin in der Sozialpartnerschaft groß geworden, habe mich immer dazu bekannt, sie hat historische Verdienste.

Aber, meine Damen und Herren, Kernidee der Sozialpartnerschaft war von Beginn an: Setzen wir uns lieber an den Verhandlungstisch, als auf der Straße zu demonstrieren. Das ist der Urgedanke der Sozialpartnerschaft, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn jetzt der ÖGB am 5. Dezember – Ähnliches hat er bereits im Juni gemacht – den Verhandlungstisch verlässt und auf der Straße demonstriert, Menschenketten um das Parlament organisiert, wenn Straßenblockaden und ein damit Verkehrschaos vorausgesagt werden – eine Trennung, wer ist ÖGB und wer sind die Chaoten, ist da nicht mehr möglich –, dann, muss ich sagen, ist die Sozialpartnerschaft, sofern dieser Kurs fortgesetzt wird, in Zukunft tot. Dessen müssen sich jene bewusst sein, die das organisieren, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Gewerkschaft als Speerspitze der Opposition gegen das Parlament und die Regierung bedeutet das Ende der Sozialpartnerschaft. Ich glaube, das muss man aufzeigen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Wenn wir heute das Kapitel "Arbeit und Wirtschaft" diskutieren, dann ist es, glaube ich, auch ganz wichtig, aufzuzeigen, dass das, was "Österreich neu regieren" heißt, eine Doppelstrategie ist. Diese Doppelstrategie besteht einerseits aus Budgetkonsolidierung – keine neuen Schulden! –, andererseits aber auch darin, den Wirtschaftsstandort zu stärken.

Auch da haben wir ein Wechselspiel: Ein Wirtschaftsstandort kann nicht attraktiv sein, wenn in diesem Land die Staatsfinanzen nicht in Ordnung sind. Umgekehrt würde man auf Dauer keine


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Sanierung der Staatsfinanzen erreichen, wenn der Wirtschaftsstandort nicht attraktiv ist, denn letztlich können nur Arbeit und Einkommenschancen auch Budgetkonsolidierung auf Dauer garantieren.

Daher ist dieser Weg der Regierung, nämlich eine Doppelstrategie: Budgetkonsolidierung und gleichzeitig den Wirtschaftsstandort offensiv stärken, der einzig richtige Weg – und diese Regierung hat den einzig richtigen Weg eingeschlagen, meine Damen und Herren!

Ich freue mich daher – um nur ein paar Zahlen zu nennen –, dass in diesem Budget der Aufwand für Forschung und Entwicklung, wenn wir alles zusammenrechnen, von 49 Milliarden auf 60 Milliarden Schilling steigen wird. Der Finanzminister hat es unlängst auch öffentlich gesagt: Wenn die Ausgaben für Infrastruktur von 31 auf 36 Milliarden Schilling steigen, dann sind wir auf dem richtigen Weg, der lautet: sparen, aber gleichzeitig in die Zukunft investieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte auch eines sehr deutlich sagen: Der Herr Wirtschafts- und Arbeitsminister hat unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, wie diese Förderungsmittel zu verteilen sind. Ich anerkenne, dass der Schwerpunkt der Forschungsförderung nicht im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ist, aber dass die wirtschaftsnahen Förderungen, also dort, wo der Praxisbezug gegeben ist, die industriellen Kompetenzzentren, die Cluster-Projekte, die kooperativen Forschungsinstitute im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit angesiedelt sind. Ich stimme daher der Forderung des Herrn Wirtschaftsministers, in den nächsten drei Jahren jedes Jahr 500 Millionen Schilling für diese wirtschaftsnahen Forschungsprojekte auszugeben, voll zu. Wir brauchen auch Theorie, aber Wirtschaftspraxis kann durch nichts ersetzt werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Es freut mich auch, dass es dieser Regierung in diesen wenigen Monaten gelungen ist, jene Ziele zum Teil sehr erfolgreich in Angriff zu nehmen und zum Teil jene Weichen zu stellen, zu denen ich mich immer bekannt habe: Liberalisierung, Deregulierung, Privatisierung. Liberalisierung heißt mehr Freiheit und weniger Bevormundung, Privatisierung heißt mehr Privat und weniger Staat, Deregulierung heißt mehr Freiheit und weniger Bürokratie.

Lassen Sie mich eines auch sehr deutlich sagen – ich habe versucht, das unlängst in einer Fernsehdiskussion zu sagen –: Die Privatisierung ist kein Instrument zur Budgetkonsolidierung, sondern sie ist primär ein gesellschaftspolitisches Instrument. Die einzige Garantie für den Rückzug der Politik aus der Wirtschaft, die einzige Garantie zur Entpolitisierung der Wirtschaft ist die Privatisierung. Immer dann, wenn der Staat Eigentümerfunktionen hat, fallen natürlich sehr starke politische Aspekte an. Politische Perspektiven sind etwas anderes als betriebswirtschaftliche oder unternehmensstrategische Überlegungen. Daher ist Privatisierung gesellschaftspolitisch, aber auch industriepolitisch richtig.

Industriepolitik ist in der heutigen Zeit nicht das Hineinregieren des Staates in industrielle Unternehmen, sondern ist Standortpolitik, ist die Schaffung von möglichst attraktiven Voraussetzungen, damit sich investives Kapital ansammelt. Genau das brauchen wir, um Einkommenschancen und Arbeitsplätze in diesem Land zu haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Letztlich spielt es natürlich auch budgetpolitisch eine Rolle, wobei budgetpolitisch nicht bedeutet, einen Einmalerlös aus dem Verkauf des Familiensilbers zu haben, wie das demagogisch behauptet wird, sondern es geht um den Dauereffekt. Ob ich über Jahre hinweg aus dem Budget, wie es in den siebziger und achtziger Jahren der Fall war, defizitäre Staatsbetriebe subventioniere oder von dann gewinnorientierten Betrieben Jahr für Jahr Steuern kassiere, ist ein wesentlicher budgetpolitischer Aspekt der Privatisierung, das hat nichts mit einem einmaligen Erlös zu tun, meine Damen und Herren! – Aus all diesen Gründen bekennen wir uns und bekennt sich diese Regierung zur Privatisierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr froh bin ich auch darüber, dass es dem Minister gelungen ist, dass es auf Grund der Maßnahmen im Bereich der Liberalisierung – Gas, Strom, Telekom – zu Kostenreduktionen kommt. Viele Konzerne in Österreich, die weltweit ihre Rankings, ihre Benchmarking-Studien haben,


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sagten immer: Ihr seid zwar in Österreich relativ teuer, habt aber viele Vorteile, nur: ihr seid halt wahnsinnig teuer bei Energie und Telekom. – Die Maßnahmen dieser Regierung haben diesen Standortnachteil mehr oder weniger beseitigt beziehungsweise werden ihn in den nächsten Jahren beseitigen, meine Damen und Herren! Das ist zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein letztes Wort: Ich möchte das als jemand, der sich immer dazu bekannt hat, auch sehr deutlich sagen, und ich weiß, es wird von der sozialdemokratischen Fraktion auf sehr polemische, populistische Weise anders argumentiert: Ich freue mich, dass Minister Bartenstein den Mut hatte, das Thema Arbeitnehmerschutzgesetz anzugreifen. Wir haben uns immer dazu bekannt und gesagt: Ja zur Gesundheitsvorsorge, Ja zum Arbeitnehmerschutz, Ja zur Arbeitsmedizin, aber genauso deutlich sagen wir Nein zur Bürokratie, Nein zum Papierkrieg und Nein zur Schikane, meine Damen und Herren! – Nach diesen Grundsätzen wird dieser Minister mit unserer Unterstützung Deregulierung betreiben. – Herr Minister! Glück auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

14.12

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner Stummvoll hat, wie einige andere auch, querfeldein die möglichen Diskussionspunkte im Bereich der Wirtschaftspolitik angeschnitten. Das ist das Wesen einer Wirtschaftsdebatte, vor allem bei diesem Budgetkapital, und das ist meiner Meinung nach auch in Ordnung.

Aber von Ihnen, Herr Minister, hätte ich mir in einigen Punkten ein paar klarere Aussagen gewünscht. Wenn Stummvoll Recht hat, dass das der einzig richtige Weg ist, den die Wirtschaftspolitik und die Budgetpolitik zu gehen hätten, und dass kein anderer zulässig sei, dann erhebt sich doch die Frage, was die Bundesregierung bisher in diesem Bereich gemacht hat. (Abg. Dr. Fekter: Zulässig schon, aber schlecht ist er!) Man kann es Ihnen nicht ersparen, jedes Mal, wenn Sie hier so dick auftragen, Ihnen folgende Frage vorzuhalten: Wo waren Sie bisher? (Beifall bei den Grünen.)

Klubobmann Khol argumentiert meines Erachtens in diesem Punkt noch durchaus passabel. Er stellt sich wenigstens hin und sagt: Mit der alten Mannschaft und – es war ja hauptsächlich eine Mann schaft – mit dem alten Partner ist es so nicht gegangen, und deshalb gab es den Bruch und so weiter. (Abg. Schwarzenberger: Die waren nicht mehr reformfähig!)  – Herr Kollege Khol! Es wäre aber schon redlicher, würden sich die Regierungsmitglieder der ÖVP – ich bin nicht der Meinung, dass die Politik so geändert hätte werden müssen, wie es jetzt von dieser Wendekoalition gemacht wird – nicht ständig in Reih und Glied hier aufstellen und so tun, als ob Sie nirgends dabei gewesen wären. Das ist etwas, was mich nachdenklich stimmt. Das ist ein Problem der Glaubwürdigkeit, das Sie zu verantworten haben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Bartenstein hat gesagt, dass es nicht nur diese Regierung ist, die sich die Arbeitsplätze auf den Hut stecken kann! – Bundesminister Dr.  Bartenstein  – in Richtung des Abg. Mag. Kogler –: Sie haben mir nicht zugehört!?) – Doch, ich habe Ihnen zugehört, aber mir ist das bei weitem nicht ausreichend. (Abg. Dr. Fekter: Haben Sie nicht aufgepasst, was Bartenstein gesagt hat?) – Natürlich habe ich zugehört. Sie könnten mir auch kurz zuhören.

Diese Diskrepanz, die die Abgeordneten Ihrer Fraktion hier zum Ausdruck bringen und wie wenig einsichtig man sich auf Seiten der Regierungsmitglieder geben will, müssen Sie selbst klären. Aber ich als jemand, der von der Wirtschaftskammer oder auch vom Wirtschaftsbund der ÖVP vertreten werden wollte, würde mir dazu einiges denken. Denn die Art und Weise, wie einige Regierungsmitglieder ihre Fahne nach dem Wind hängen, würde ich jedenfalls nicht wollen. Das würde bei mir ein Glaubwürdigkeitsproblem der angesprochenen Minister auslösen. Aber das müssen Sie regeln. (Beifall bei den Grünen.)


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Aber auch in der Sache selbst mangelt es durchaus an Klarheit, vor allem wenn es um die Auseinandersetzung mit dem neuen Koalitionspartner geht. Deshalb ist es so wichtig, dass man die Glaubwürdigkeit auch an dem diagnostiziert, wie das vergangene Verhalten war.

Wie ist es denn jetzt mit der EU-Osterweiterung? – Wir können uns darauf verständigen, dass, wenn das, was der Gewerkschaftsbund fordert, eingehalten wird, die Osterweiterung lange dauern wird. Das ist einfach ein praktischer Befund der ökonomischen Daten. Wenn das zur Bedingung erhoben wird, dann würde ich Ihnen durchaus Recht geben. Aber das ist nicht mein Problem, sondern es ist Ihr Problem, weil Sie einen Koalitionspartner haben, der in dieser Frage ein ganz anderes Spiel spielt.

Sie wissen ganz genau, was die freiheitliche Fraktion in Fragen der EU-Osterweiterung treibt. Dazu finden Sie kein Wort. Da zeigen Sie lieber mit dem Finger auf die linke Seite dieses Hauses, und das finde ich ein bisschen eigen. Sie sollten endlich, da Sie jetzt den Anspruch erheben, der Erste in dieser Regierungsmannschaft zu sein oder sein zu wollen, auch entsprechend vorgehen. In der alten Regierung haben Sie sich hinstellen und sagen können: Wir sind die Zweiten, hin und wieder muss man aus der Koalition austreten und Neuwahlen ansetzen, wenn gerade die Umfragen passen. Es ist halt einmal schief gegangen, und das zweite Mal ist mit einem falschen Wahlversprechen sozusagen der Hintereingang in die Regierung gefunden worden. Ich will aber nicht das behaupten, was Gusenbauer gesagt hat, das mache ich selbstverständlich nicht. Ich bin auch nicht seiner Meinung. Aber dass Sie unter dem mehrfachen Bruch von Wahlversprechen in diese Regierung geklettert sind, das ist auch evident, ist aber in einer Demokratie legitim. Die Wähler und Wählerinnen sollen sich ihren Teil denken. (Beifall bei den Grünen.)

Aber was ist jetzt mit der Osterweiterung? – Wir können es mit einem weiteren Beispiel dafür belegen, dass Sie sich von den Freiheitlichen in die Enge zwingen lassen, Herr Minister, und zwar ist das in der Frage der sehr beschränkten zusätzlichen Beschäftigung von qualifizierten ausländischen Fachkräften. Wir wissen ganz genau, welche Positionen Sie und der Wirtschaftsbund dazu vertreten haben. Wer aber setzt sich durch? – Das ist mit freiem Auge erkennbar: Ohne großen Aufwand, nur mit dem üblichen Gegröle, das eine besondere Allianz von Wirtschaftsfeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit ausweist, schaffte es: die freiheitliche Fraktion!

Dieser Politik beugen Sie sich in dieser Koalition. Und angesichts dessen stellen Sie sich her und reden von Deregulierung, von der Osterweiterung und den schönen Werten, die in Ihre Philosophie passen? – Das ist unglaubwürdig! (Beifall bei den Grünen.)

Zu einem anderen Bereich würde ich noch gerne – wir haben uns heute auf sehr knappe Redezeiten beschränkt, das wird Sie wahrscheinlich freuen – eine Grundsatzfrage aufwerfen, Herr Minister, die Sie hoffentlich auch noch beantworten werden. Wir waren in letzter Zeit mehrmals gemeinsam bei diversen Privatisierungsdebatten – unter anderem steht auch die Änderung der Ladenöffnungszeiten Ihrer Meinung nach an.

Sie haben es nicht nur einmal, aber einmal ganz klar mit folgender Formulierung auf Ihren Punkt gebracht: Deregulierung ist ein Wert per se. – Es stimmt mich nachdenklich, dass man das schon losgelöst von allem Möglichen in den Raum stellt: Deregulierung ist ein Wert per se. Dazu passt Kollege Stummvoll mit seiner gebetsmühlenartigen Aufzählung von Werten, die offensichtlich von der ÖVP im Bereich der Wirtschaftspolitik vertreten werden sollen.

Ich behaupte, das ist ein völliger Unsinn. Abgekoppelt von irgendetwas ist nichts ein Wert per se, und vor allem gerade in diesem Bereich nicht. (Abg. Dr. Fekter: Bildung schon!) Es gibt viele Bereiche der Wirtschaftspolitik, die in der heutigen Zeit Probleme machen. Ich spreche den Umweltbereich, aber auch den Energiebereich und die Konzentrationstendenzen in diversen Branchen an: Da gibt es ein eklatantes Marktversagen. Sie kennen das. Wir brauchen uns diesbezüglich nicht gegenseitig die Wirtschaftslehrbücher vorzutragen. Aber in diesem Fall wäre selbst für einen gestandenen Marktwirtschaftler die logische Konsequenz, dass es in eben diesen Bereichen allein schon deshalb einen starken Staat braucht, weil sonst die Marktwirtschaft gar nicht in der ihr angedichteten Effizienz arbeiten könnte.


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Dazu gibt es aber nichts. Im Gegenteil: Sie stellen sich nicht hin und sagen, wir würden einen starken Staat brauchen, um Umweltregulierungen voranzutreiben. – Selbstverständlich braucht es einen Staat, um die Ökosteuerreform voranzutreiben, nämlich als Finanz- und Budgetgesetzgeber. Das wäre selbstverständlich. Es geschieht aber nichts. Sie haben auf diesem Gebiet abgedankt.

Es ist auch kein Wunder, dass Sie nur mehr von der sozialen Marktwirtschaft, die angeblich auch noch zu sozial gewesen sei, und von der ökosozialen Marktwirtschaft, von der Ihre Vorgänger ständig gepredigt haben, reden. Sie haben aber sowieso nur gepredigt, wir wissen das. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Nachhaltig!) – Nachhaltig ist ein moderner Begriff, den hätte ich überhört. Ich würde mir diesen freudschen Hörfehler durchaus zugestehen, weil die Politik, die Sie propagieren, nichts damit zu tun hat, das ist jedenfalls augenscheinlich, daher braucht man auch das Ohr nicht mehr dazu. (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme zum Schluss: Deregulierung ist kein Wert per se. – Dazu sollten Sie Stellung nehmen. Ich vermisse einfach die klare Ausrichtung einer modernen Wirtschaftspolitik, die auch die Umweltpolitik integriert. Selbstverständlich! Es ist keine Rede mehr von Ökologisierung des Steuersystems. Und das ist besonders schmerzlich, Herr Minister, was Ihre Person betrifft, da Sie ja früher Umweltminister waren. Die ÖVP hat gemeinsam mit der FPÖ dieses Thema einfach versenkt. Früher war es wenigstens noch ein Lippenbekenntnis, jetzt ist es nicht einmal mehr das. (Abg. Dr. Fekter: Wenn ihr an der Regierung seid, könnt ihr es dann umsetzen!)  – Frau Kollegin Fekter, das wird Sie freuen, ich weiß. (Beifall bei den Grünen.) Also nehmen Sie bitte dazu Stellung!

Ein letzter Punkt, Herr Kollege Bartenstein. Der Energiesektor braucht ja wirklich eine andere Anleitung, auch, wie ich meine, eine politische. In dieser Hinsicht ist ein schweres Staats- und Politikversagen festzustellen, weil ja nicht einsichtig ist, warum ein Haufen von egoistischen und föderalistisch verblendeten Landeshauptleuten eine gescheite österreichische Lösung aufhält. Das wissen Sie ganz genau, und auch da ist keinerlei Politik seitens des Bundes erkennbar, sie führt jedenfalls zu keinen Ergebnissen. (Abg. Dr. Fekter: Wenn es einmal einen grünen Landeshauptmann gibt, kann er das alles umsetzen!) Dazu sollten Sie auch Stellung nehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

14.21

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Wenn Herr Kollege Kogler meint, dass die Osterweiterung blockiert würde oder sich Positionen geändert haben, dann empfehle ich ihm, im Regierungsübereinkommen der Regierungsparteien nachzulesen. (Abg. Mag. Kogler: Das habe ich gerade vorhin gemacht!) Darin ist es ganz klar festgehalten. Wenn Sie möglicherweise das Problem mit Tschechien und Temelin meinen, dann gebe ich Ihnen Recht, dass das zeitlich nicht so exakt fassbar ist, denn da hängt es sehr wohl davon ab, ob bei diesem Kernkraftwerk dem Sicherheitsbedürfnis der Österreicher Rechnung getragen wird und ob es möglich sein wird, das Energiekapitel abzuschließen oder nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin nicht der Verteidiger des Herrn Bundesministers für Wirtschaft, aber ich glaube, dass ihm Unrecht geschieht – und das wissen Sie –, wenn Sie die Ökologisierung ansprechen und jene Maßnahmen, die die Regierung zu setzen hat, und dabei beispielsweise das ElWOG völlig außer Acht lassen, mit denen sehr wohl im entsprechenden Ausmaße auf den Einsatz erneuerbarer Energie Bedacht genommen wurde. Aber das sind Dinge, die Sie als Grüner offensichtlich negieren müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Wirtschaft leistet einen gewaltigen Beitrag zu den, wie ich meine, zwingend notwendigen Sanierungsmaßnahmen, zur Sanierung des Staatshaushaltes – dies zugegebenermaßen nicht mit überschwänglicher Begeisterung, sondern einfach in dem Wissen, wie wichtig es ist, für die Zukunftssicherung unseres Landes zu sorgen, die sich, wie ich


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meine, bislang als unsoziale, verantwortungslose Schuldenpolitik der vergangenen 30 Jahre unter sozialistischen Regierungschefs und sozialistischen Finanzministern dargestellt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beiträge der Wirtschaft liegen immerhin in einer Größenordnung von zusätzlich 18 Milliarden Schilling im Vergleich zum bisherigen Steuern- und Abgabenaufkommen aus dem Bereich Wirtschaft. Aber ich denke, dass es gut angelegtes Geld ist, eine Investition in die Zukunft unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich dass im gleichen Zuge eine Verwaltungsreform stattfindet, dass es zu Verfahrensvereinfachungen kommt, dass es Vereinfachungen im Anlagenrecht und einen entsprechenden Bürokratieabbau gibt und dass natürlich auch Forschung und Entwicklung in entsprechendem Maße gesteigert werden.

Und das, sehr geehrte Damen und Herren, findet statt! Das ist Standortsicherung, das ist die Absicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich und gleichzeitig auch eine Sicherung der Arbeitsplätze.

Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den Sozialdemokraten, müssten jetzt normalerweise aus Ihrer Oppositionsrolle heraus in Begeisterungsrufe ausbrechen, und zwar angesichts der Daten, die Sie kennen, des Regierungsprogramms, das Sie kennen, und wenn Sie die Politik verfolgen, die bislang in diesen ersten neun Monaten passiert ist. (Abg. Dr. Glawischnig: Warum?) Ich weiß schon, dass ich nicht allzu viel Verständnis für dieses Ansinnen bei Ihnen finden kann, dass Ihre Freude möglicherweise gedämpft ist. (Abg. Dr. Glawischnig: Warum müssen wir uns freuen?) Aber, sehr geehrte Damen und Herren, Sie wissen, was Sie hinterlassen haben, nämlich 2 200 Milliarden Schilling Schulden, also die Voraussetzung für die Arbeit der neuen Reformregierung, die mit dem Aufräumen beginnen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie berufen sich immer auf den Wohlstand, den Österreich hat. – Ja, das ist richtig. Österreich hat einen ausgezeichneten Wohlstand, allerdings einen Wohlstand auf Pump und auf Kosten künftiger Generationen. Das vergessen Sie immer dazuzusagen. Ich freue mich jedenfalls, dass die zukunftssichernden Maßnahmen, die sich in sozialer Ausgewogenheit darstellen, wobei auf die steuerliche Leistungsfähigkeit Rücksicht genommen wird, greifen.

Wir sind zugegebenermaßen in der glücklichen Situation, dass wir eine gute Konjunkturentwicklung haben, positive Auswirkungen auf die Wirtschaft, positive Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation, den Arbeitsmarkt. Dass es seitens der Wirtschaft, die sich in einer schwierigen Situation befindet und bereit ist, ihre Beiträge zu leisten, natürlich auch Wünsche gibt, ist völlig klar. Es ist klar, dass es ein Wunsch der Wirtschaft ist, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden, was in Aussicht gestellt ist und sicher auch in dieser Legislaturperiode realisiert wird. Es wird darauf gepocht und daran festgehalten, dass die Umsetzung tatsächlich erfolgt.

Es ist erforderlich, von einer Politik der ständigen Erhöhung von Abgaben und Steuern zu einer Politik zu kommen, die es ermöglicht, Steuern zu senken und Abgaben zu mindern. Es wird erforderlich sein, etwas sehr Unglückliches, was unter einem sozialistischen Finanzminister passiert ist, nämlich die Einführung des 13. Umsatzsteuertermins für die österreichischen Unternehmungen, zu beseitigen – ein Einmaleffekt, der einmal einen entsprechenden Betrag für das Budget gebracht hat, ohne natürlich nachhaltig – im positiven Sinne – zu wirken. Der Finanzminister ist nun vor das Problem gestellt, dass er, wenn er diesen 13. Umsatzsteuertermin wieder rückgängig macht, einmal 17 Milliarden Schilling aufzubringen hat.

Es ist ein Wunsch, die Reduktion des bürokratischen Aufwandes tatsächlich umzusetzen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang – es wurde dies auch im Ausschuss angesprochen –, Herr Bundesminister, an die Interstat-Meldungen, die Betriebe machen müssen. Ich mahne ein, Forschung und Entwicklung wirklich entsprechend zu forcieren, und zwar in dem Wissen, dass in diesem Fall ein Hebeleffekt von eins zu neun erzielt wird, das heißt, ein eingesetzter Schilling hat letztlich 9 S zur Folge. Aber ich bin sehr zuversichtlich – die Zahlen weisen dies aus, das


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Budget sieht auch eine entsprechende Steigerung der Mittel für Forschung und Entwicklung vor –, dass wir uns auf einem guten Weg befinden.

Frau Staatssekretärin Rossmann darf ich für ihre Initiativen danken. Ihr ist es gelungen, entsprechende Impulse zu setzen, die sich positiv auf dieses so wichtige Wirtschaftssegment Tourismus ausgewirkt haben. Die Zahlen beweisen das. Ich darf sie beglückwünschen, dass es ihr gelungen ist, im Bereich Österreich-Werbung sozusagen für Ordnung zu sorgen und die Österreich-Häuser zu initiieren, also Synergieeffekte zu nutzen und Kosten zu sparen.

Ich darf sie auch dazu beglückwünschen, dass sie den Gedanken der Modullehre geboren hat, einen, wie ich meine, zukunftsweisenden Weg.

In Summe bin ich froh darüber, sehr geehrte Damen und Herren, dass es diese Wende-Regierung mit dieser aktiven Politik gibt, die wirklich eine Wende herbeiführt. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg, und ich darf Sie dazu beglückwünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte.

14.30

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne beim Schlusssatz des Kollegen Haigermoser, der sehr demaskierend war. Er sagte Dank den Unternehmern, die Österreich trotz Verschwendungspolitik zu einem blühenden Land gemacht haben. – Demaskierender kann man den Widerspruch in seinem Denken nicht zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir ein blühendes Land haben – ich bekenne mich dazu, und ich glaube, da sind wir uns alle einig –, dann frage ich mich, was die ständigen Wortmeldungen, in denen von "bankrottnahe", "Sanierungsfall" und Ähnlichem mehr gesprochen wird, sollen. Also ich glaube, an diesem Satz hat man deutlich gesehen, wie es in Österreich wirklich aussieht.

Die Wahrheit ist: Österreich ist ein blühendes Land – Gott sei Dank! –, und wir hoffen, dass es dies in einigen Jahren auch noch sein wird. Leicht wird es ja nicht sein, aber bitte.

Herr Bundesminister! Aktualität. Ich möchte mich mit dem Außenhandel beschäftigen. Eine Meldung, die ich vor einigen Tagen gehört habe, hat mich höchst beunruhigt: EU-USA vor bisher größtem Handelskonflikt. Ich glaube, wir wissen, worum es geht: 64 Milliarden Schilling Strafzölle werden als Folge dieses unsäglichen Bananenstreits von der EU eingeklagt.

Worauf ich hinaus will, ist: Was können wir tun? Was kann Österreich im Rahmen der EU zu einer Verhinderung eines Handelskrieges beitragen? Manche Kommentatoren schreiben bereits – um es auf Wienerisch zu sagen –, der Bananenkrieg sei ein Lercherl im Vergleich zu dem gewesen, was kommen würde, würde das wirklich fortgesetzt werden. Und das muss verhindert werden, denn ich glaube, wir sind uns alle – und zwar alle in diesem Haus und auch außerhalb dieses Hauses – einig, dass der Export die Triebfeder in der österreichischen Wirtschaft war, die Voraussetzung für den Aufstieg in diesem Lande, und dass wir alles tun müssen, dass der erfolgreiche Weg der Steigerung der Exportquote, der sich heuer fortgesetzt hat, auch in Zukunft weitergegangen werden kann. Noch lange gehören wir nicht zu den Top-Exportländern, aber wir sind auf einem guten Weg.

Noch vor zehn Jahren hätte sich niemand träumen lassen, dass Österreich Ende der neunziger Jahre die 30-Prozent-Exportquote übersteigen wird. Wir sind, wie ich meine, auf dem Weg zu 34, 35 Prozent. Jedes Prozent mehr Anteil bei unserer Exportquote bedeutet 30 000 Arbeitsplätze mehr. Funktioniert der Export, funktioniert auch die Exportwirtschaft.

Wann immer Sie also etwas tun, was gegen den Protektionismus und für einen fairen Wettbewerb ist, werden Sie unsere volle Unterstützung haben! Ich möchte Ihnen das in aller Form mitteilen.


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Ich habe vom Erfolg in der Entwicklung unserer Exportwirtschaft gesprochen. Wenn man die letzten fünf Jahre betrachtet, dann zeigt eine Zahl deutlich, was hier in Österreich, im angeblich bankrotten Wirtschaftsland Österreich allein in den letzten fünf Jahren geschehen ist: Um 41,3 Prozent sind unsere Exporte gestiegen, während im Vergleich dazu der Welthandel um nur 6,3 Prozent gestiegen ist – eine respektable Entwicklung!

In diesem Zusammenhang muss ich ein paar Sätze zum Kollegen Puttinger – er ist zwar nicht da, aber vielleicht hört er es, oder es wird ihm mitgeteilt – sagen: Ich wundere mich einmal mehr, dass man Realitäten nicht zur Kenntnis nimmt. Er will die Tatsachen nicht zur Kenntnis nehmen, kritisiert die Politik der Vergangenheit und tut so, als ob die Beschlüsse, die einerseits zu einer erfolgreichen Exportpolitik und anderseits zu erfolgreichen Rahmenbedingungen geführt haben, der so genannten sozialistischen Diktatpolitik entsprächen. Bitte, will er wirklich der Öffentlichkeit vermitteln, dass es einen Ministerratsbeschluss geben hätte können, ohne dass die ÖVP-Minister dabei gewesen wären? Will er vermitteln, dass es einen Mehrheitsbeschluss in diesem Haus ohne Zustimmung der ÖVP hätte geben können? Das ist eine derartige Verweigerung der Realität, die im Februar begonnen hat.

Ich kann mich noch genau erinnern: Als wir im Jänner hier den letzten Budgetvollzugsbericht diskutiert haben, hat sich Kollege Stummvoll an dieses Rednerpult gestellt und in bewundernder Form über den Kollegen Edlinger gesprochen, davon, welch erfolgreiche Finanzpolitik wir zustande gebracht haben. Ich habe noch im Ohr, dass er davon gesprochen hat, dass Minister Edlinger "Punktlösungen" gelungen seien. Ein paar Monate später schaut es so aus, als ob das alles nichts gewesen wäre.

Ich weiß, Sie, Herr Minister Bartenstein – das respektiere ich –, argumentieren hier differenzierter. (Abg. Mag. Trattner: Eine Punktlandung kennen wir vom Budget!)  – Nicht ich habe das gesagt, sondern ich zitiere. Es ist nachzulesen, was gesagt worden ist. Ich will damit nur sagen, das ist es ja nicht.

Noch einige Sätze zur Exportwirtschaft, denn in fünf Minuten kann man nicht alles unterbringen. Die Entwicklung zeigt uns vor allem eines: Eine Ostpolitik würde ich mir wünschen! Herr Bundesminister – ich weiß, Sie waren in der Slowakei –, der Kampf um die Ostmärkte wird groß werden, denn dort ist Potential vorhanden. Ich weiß schon, Russland hat sich positiv entwickelt, die Slowakei, Ungarn, Polen. Die anderen GUS-Staaten sind extrem abgefallen, und auch da müssen wir etwas tun.

Den zweiten Problembereich in regionaler Hinsicht sehe ich im arabischen Raum, dort tut sich nicht viel. Diesbezüglich müssen wir auch aktiver werden. Das werden wir dann morgen bei der außenpolitischen Debatte sagen.

Der dritte Bereich ist generell der Dienstleistungsbereich. Wenn man sich Ihre sehr löbliche Dokumentation im Außenhandelsbericht genau ansieht, dann erkennt man, dass da Nachholbedarf gegeben ist. Und Kramer sagt mit Recht, in diesem Bereich muss mehr getan werden.

Ein Schlusssatz noch zum Thema Osterweiterung. Dass die Kollegen von der Gewerkschaft und von der Arbeiterkammer ihre Sorgen zum Ausdruck bringen, ist nicht nur ihr legitimes Recht, sondern sogar ihre Pflicht. Ich sage nur, die sozialdemokratische Fraktion, die Sozialdemokratische Partei steht voll zur Osterweiterung. Der Grund dafür ist Folgender: Wir verfolgen die Entwicklung ganz genau. Einer Aussendung von Kammerpräsidenten Nettig erst vor einigen Tagen ist zu entnehmen, welche Entwicklung die Ostregion, Wien, Niederösterreich in den letzten zwei, drei Jahren genommen hat. Dazu ist nur zu sagen, man sollte sehr rasch eine ordentliche und vernünftige Osterweiterungspolitik machen! Dazu werden Sie unsere Zustimmung finden.

Einer Sorge darf ich noch Ausdruck verleihen. Darüber wird zu wenig diskutiert, weil wir dank unserer Mitgliedschaft bei der Euro-Zone nicht solch ein Problem haben. Sie wissen, was ich meine, nämlich die Entwicklung der Leistungsbilanz. Wir haben zwar ein chronisches Leistungsbilanzdefizit, angesichts dessen aber, dass sich dieses innerhalb eines Jahres um 10 Prozent verschlechtert hat, auf 85 Milliarden Schilling gestiegen ist und bereits 3 Prozent des BIP, also


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des Bruttoinlandsprodukts, ausmacht, müssen für Sie, Herr Bundesminister für Wirtschaft, die Alarmglocken läuten! Da muss man die Ursache dafür untersuchen und danach fragen, wo wir gegensteuern können, denn längerfristig schlägt sich das wieder in der Rechnung der Gesamtwirtschaft nieder.

In diesem Sinne würde ich Sie bitten, dass Sie sich dazu äußern, was Sie im Bereich EU, USA und Leistungsbilanz vorhaben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

14.37

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Rahmen des Budgetkapitels Wirtschaft und Arbeit vor allem zum Thema Arbeit sprechen. Dies fällt einem zugegebenermaßen leicht, wenn man auf die Daten der Arbeitsmarktentwicklung blickt, die sich auch im Budgetansatz wiederfinden, wo für die Ämter des AMS etwa der gleiche Betrag – es ist eine leichte Abnahme zu verzeichnen –, für die aktive Arbeitsmarktpolitik, für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ein deutlich gestiegener Betrag, aber auf Grund des drastischen Rückgangs der Arbeitslosigkeit erfreulicherweise ein wesentlich geringerer Betrag für Arbeitslosenunterstützungen budgetiert werden konnten. Das spiegelt sich in den Arbeitsmarktdaten, die mit 3,1 Prozent unter dem vom NAP gesetzten Ziel von 3,5 Prozent mit Ende dieses Jahres liegen, und bei der besten Jugendbeschäftigung wider.

Ich bin schon neugierig auf die endgültigen Daten im Dezember über die Lehrabschlüsse, wozu es ja jetzt schon wieder Horrormeldungen gibt. Der Zwischenstand zeigt fast 8 Prozent mehr Abschlüsse als im Vorjahr! Und wenn wir heuer keine Bevölkerungsexplosion hatten, die an uns unbemerkt vorbeigegangen ist, dann muss dies zu höheren Gesamtzahlen führen.

Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit: 30 Prozent bei unter zwölf Monaten, 40 Prozent bei über zwölf Monaten – auch durch Projekte wie "Integra", die hier noch vor wenigen Monaten als Zwangsarbeit und Ähnliches denunziert wurden. Danke, Herr Bundesminister, für diesen Ansatz, für diese Arbeit, die Menschen, die lange aus dem Arbeitsprozess ausgegliedert waren, wieder Arbeit und Einstieg verschafft hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich sage es noch einmal: Abschaffung der vorzeitigen Alterspension im Juli. (Abg. Mag. Posch: Für die Piloten!) Was wurde uns hier prophezeit? – "Sie machen kaltschnäuzig aus alten und kranken Menschen Arbeitslose." Jetzt besagt der Arbeitsmarktbericht über das dritte Quartal, dass in der Personengruppe über 55 Jahre mit 24 Prozent der höchste Zuwachs zu verzeichnen war. – Das ist das wahre Ergebnis einer Politik, die Sie zu torpedieren versucht haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich gebe schon zu, da spiegelt sich natürlich auch die positive Konjunkturentwicklung wider: 2,8 Prozent Wirtschaftswachstum – eine Konjunktur, die aber auch darauf zurückzuführen ist, dass wir von der Steuerreform und von der Familiensteuerreform nichts zurückgenommen haben. Es wäre Unsinn gewesen, einfach etwas zurückzunehmen, ohne etwas an der Struktur der Ausgaben zu ändern. Wir haben ganz bewusst in die Inlandsnachfrage und in die Binnenkonjunktur investiert, wodurch sich diese positive Arbeitsmarktlage auch ergibt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner. )

Der Aufschwung lässt sich allerdings meiner Meinung nach auch in Verbindung bringen mit einem wirtschaftlichen und politischen Klima, das klare Ziele setzt und Entscheidungen trifft. (Abg. Mag. Kogler: Der Klima hat noch nie Ziele gesetzt!)

Herr Bundesminister, ich bewundere Ihren Respekt vor Ihrer Amtsvorgängerin und dass Sie auch immer darauf hinweisen – das hat schon seine Richtigkeit, und ich möchte das nicht hundertprozentig bestreiten –, dass Sie eine gute Arbeitsmarktlage und -politik geerbt haben. (Abg. Edler: Da schau her!) Aber ich kann mich noch daran erinnern, als wir eineinhalb, ja zwei


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Jahre lang das Altersteilzeitmodell verhandelt haben, wobei nichts weitergegangen ist. Ich bin dankbar dafür, jetzt eine Regierung vorzufinden, in der wieder klare Entscheidungen fallen.

Meine Damen und Herren gerade von der SPÖ! Wenn Sie in wenigen Minuten neuerlich eine Dringliche Anfrage (Abg. Mag. Kogler: Antrag!) wegen des Heizkostenzuschusses stellen, dann möchte ich auf Folgendes hinweisen: am 14. September thematisiert, am 19. September von dieser Bundesregierung beschlossen. Ich sehe schon ein, dass Sie hier auch mitpunkten wollen, Kollege Edler, aber gewöhnen Sie sich daran, dass diese Bundesregierung gerade in arbeits- und sozialpolitischen Fragen Entscheidungen in einer Geschwindigkeit fällt, die Sie mit freiem Auge gar nicht mehr wahrzunehmen in der Lage sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Flexible Märkte sind auch bei den Arbeitsmärkten mit mehr Erfolg verbunden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Edler und Mag. Posch. ) Und ich finde es völlig richtig, dass jetzt eine Lösung getroffen wurde, die auch bei den Saisonbeschäftigten nicht einfach hinnimmt, dass von Wirtschaft und Arbeit – das weiß ich schon – geplante Zwischenarbeitslosigkeit als fixer Lohnbestandteil akzeptiert wird, sondern mit der durchgehende und dauernde Beschäftigungsverhältnisse im Vordergrund unserer Maßnahmen stehen. (Abg. Mag. Posch: Da schau her!) Das, meine Damen und Herren, muss das Ziel einer Arbeitsmarktpolitik sein, die Arbeit für jene schafft, die Gott sei Dank arbeiten können – ich habe gestern mit einer Betriebsrätin aus einem modernen Technologiebetrieb gesprochen, die sagte, dass man in ihrem Unternehmen pro Bewerber wahrscheinlich zehn Plätze im IT-Bereich vergeben könnte –, die aber auch all jenen, die auf Grund von Ausbildungs- oder sonstigen Mängeln nicht arbeiten können, aber wollen, entsprechende Hilfe und Unterstützung gibt, und die diejenigen, die arbeiten können, aber nicht wollen – auch solche gibt es –, stärker in die Pflicht nimmt. Auch das, meine Damen und Herren, kommt dazu und ist mir in den letzten Jahren zu kurz gekommen.

Das wäre eine Arbeitsmarktpolitik, die es wert wäre, dass Spitzenvertreter des ÖGB bei dieser Debatte dabei sind und sich nicht nur mit den Donnerstags-Chaoten gegen diese Regierung verbünden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Edler und Mag. Gaßner. )

Lassen Sie mich das noch zum Schluss sagen: Es ist das legitime Recht einer Gewerkschaft, für ihre Ziele und ihre Interessen einzutreten, auch mit gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen, seien sie noch so absurd, wie etwa der Warnstreik der Eisenbahner für das 53. Lebensjahr als Pensionierungsalter. Ein legitimes Recht! (Abg. Mag. Kogler: Das bestimmen Sie?) Aber am 5. Dezember wird ja nicht einmal der Versuch unternommen, ein arbeitnehmerpolitisches Ziel in den Vordergrund zu stellen. Hier gibt sich dieser ÖGB einfach dafür her, als Speerspitze gegen diese Regierung anzutreten. Das haben die Arbeitnehmer in diesem Land nicht verdient! – Glück auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

14.45

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Eingangs möchte ich mit einem Satz zu dem ständig gemachten "Chaoten-Vorwurf" Stellung nehmen, weil es wirklich so eine absurde Diskussion ist. Ich möchte einmal versuchen, Ihnen vor Augen zu führen, wie absurd das eigentlich ist. (Abg. Mag. Trattner: Aber nicht Zerstörung!)

Wir haben uns im vorigen Jahrhundert und in diesem Jahrhundert darauf geeinigt, dass es Bürgerrechte und Menschenrechte gibt. Dazu gehört die Versammlungsfreiheit, und dazu gehört das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wenn jetzt Herr Dr. Pühringer an der Grenze in Oberösterreich an einer Demonstration teilnimmt, eine Studentin in Wien oder jemand in Klagenfurt an einer Demonstration teilnimmt, dann ist das ein Bürgerrecht. Und ich bitte, das einfach einmal zu respektieren und solche Rechte, die die Grundpfeiler unserer Demokratie darstellen, nicht immer wieder zu diffamieren (Abg. Dr. Fekter: Das tun wir nicht!), indem man Menschen,


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die diese Rechte wahrnehmen, als "Chaoten" bezeichnet. – Verstehen Sie nicht, dass dadurch unsere demokratiepolitischen Prinzipien untergraben werden? Es gibt ein Versammlungsrecht und ein Recht auf freie Meinungsäußerung. (Abg. Mag. Trattner: Auf Zerstörung ausgerichtet!) Ich bitte Sie, das wirklich einmal zu respektieren. Das sind die Basispfeiler unserer Verfassung! (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Zum Bundesministeriengesetz vielleicht noch ein kurzer Satz. Herr Stummvoll ist ins Schwärmen gekommen angesichts der Zusammenlegung der Bereiche Wirtschaft und Arbeit und hat gemeint, dass es sich, da diesem Ministerium ein ehemaliger Umweltminister vorstehe, oberflächlich betrachtet um ein echtes Nachhaltigkeitsministerium handle. Aus meiner Sicht ist dies leider nicht der Fall. Wir haben die Zusammenlegung der Bereiche Wirtschaft und Arbeit schon öfters kritisiert. Sie wissen es. Der dahinterstehende Gedanke und die Gefahr ist Beseitigung vorwiegend sozialpolitischer Anliegen durch Integration. Mit der umweltpolitischen Orientierung in diesem Ressort bin ich auch nicht sehr zufrieden. Mir scheint es manchmal so zu sein, dass Bartenstein jene Forderungen, die der ehemalige Umweltminister Bartenstein an den damaligen Wirtschaftsminister gerichtet hat, vergessen hat.

Das wird jetzt Frau Fekter nicht freuen. Aber ich zitiere nur! Damals ist Minister Bartenstein angetreten, den scheinbaren Gegensatz zwischen Umwelt und Wirtschaft aufzulösen, und eine Grundvoraussetzung dafür sei die öko-soziale Steuerreform. Ich zitiere Umweltminister Bartenstein: Die öko-soziale Steuerreform ist Grundvoraussetzung für eine öko-soziale Marktwirtschaft. Das sei eines seiner zentralen Anliegen, Arbeitsanliegen, die er jedenfalls umzusetzen gedenke. Die Zeit sei reif für eine ökologische Steuerreform, allerdings nicht zum Budgetlöcherstopfen. – Ich habe ungefähr noch zehn solcher Zitate von Ihnen als Umweltminister vorliegen.

Auch andere Forderungen, die vor allem aus energie- und klimapolitischer Sicht sehr relevant gewesen wären: Least-Cost-Planning in der Energiepolitik, Europäische Energieagentur zur Förderung von Energieeffizienz und Alternativenergien, Generalsanierung der Einspeisetarife (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das ElWOG!) waren große Forderungen von Umweltminister Bartenstein. Weiters: ökologische Spreizung der Normverbrauchsabgabe, möglichst schnelle Verabschiedung des Klimaschutzpakets. (Abg. Dr. Fekter: Das haben wir gemacht!)

Frau Fekter, das wird Sie auch nicht freuen, aber es ist leider eine Tatsache, dass es im ElWOG auf Grund realpolitischer Gegebenheiten nicht geglückt ist, die Struktur optimal zu gestalten. Dies hat der Minister im Ausschuss auch bestätigt. Es ist uns nicht einmal gelungen, eine bundeseinheitliche Netzgesellschaft zu errichten. Also schon sehr wesentliche Voraussetzungen sind in diesem Gesetz nicht geglückt. Dafür sind die Fragmentierung, die Bundesländerstruktur und die Eifersüchteleien unter den Landeshauptleuten und unter den Energiegesellschaften maßgeblich verantwortlich. Das kann man nicht vom Tisch wischen. Es ist leider so unerfreulich! (Beifall bei den Grünen.)

Dass eine konsistente Energie- und Klimapolitik auch ein wirtschaftspolitischer Auftrag ist – das ist auch noch ein Zitat vom damaligen Umweltminister Bartenstein –, also umwelt- und beschäftigungspolitische Maßnahmen und Ziele darin vereint werden können, dass das volkswirtschaftlich hoch effiziente Mixtures sein können, das ist klar! Wir wissen, dass Investitionen in Klimaschutz regionale Wertschöpfung bedeuten, Arbeitsplätze bedeuten, dass es eine hohe Umwegrentabilität hat, dass es eine Frischzellenkur für die österreichische Wirtschaft ist, dass es neue Exportmärkte für zukunftsfähige Produkte eröffnet.

Ich war bei der Klimakonferenz in Den Haag. Da hat die deutsche Wirtschaft eine Präsentation gehabt. Sie haben nicht nur leuchtende Augen, sondern mittlerweile auch schon goldene Nasen gehabt: die Anlagenbauer, die Windmühlenbauer, die Contracting-Firmen, die Beratungsfirmen. Es tut sich auf diesem Gebiet also irrsinnig viel, weil es ein Klimaschutzprogramm gibt, hinter dem nicht nur ein Umweltministerium, sondern die gesamte dortige Bundesregierung steht. Das würde ich mir in Österreich auch wünschen: dass der Klimaschutz nicht an die Länder oder an den Umweltminister mit 75 Millionen Schilling zusätzlichem Budget delegiert wird, sondern dass das auch als wirtschaftspolitische Gesamtaufgabe – Stichwort: Nachhaltigkeit – verstanden wird. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich möchte noch kurz auf zwei andere Punkte eingehen: In der vorherigen Debatte hat Kollege Hofmann zwei Sätze zur Atompolitik gesagt. Das Wirtschaftsministerium wird ja in diesem Monat die Stromversorgung für alle Bundesgebäude neu ausschreiben. Es wird eine europaweite Ausschreibung sein. Es sind bis jetzt keine – und ich betone: keine – Vorkehrungen dahin gehend getroffen worden, dass wir nicht in Zukunft in den österreichischen Bundesschulen, in den österreichischen Universitäten einen sehr hohen Anteil an Atomstrom haben werden. Mein Vorschlag wäre gewesen, Herr Bundesminister, dabei verstärkt Ökostrom nachzufragen, diesen Markt zu beleben, und gerade mit den Bundesgebäuden dabei anzufangen und auch Preisnachlässe durch eine gemeinsame Ausschreibung zu erreichen. Das war auch ein Vorschlag an Minister Molterer. Die grüne Parteizentrale in der Lindengasse ist auf 100 Prozent Ökostrom umgestellt – auch mein Haushalt, im Übrigen!

Ein letzter Punkt: die Gewerbeordnung. Dazu möchte ich nur noch einen Satz sagen – weil das so als die große "Erfolgsstory" der letzten neun Monate, die unter dem Motto "neu regieren" standen, hervorgehoben worden ist –: Wenn ich in mein Fitnessstudio gehe, dort mit dem netten Herrn hinter der Bar kurz zwei Sätze rede und das Stichwort "neu regieren" fällt, dann fragt er: Was hat sich geändert? Ich habe immer noch meine Scherereien, ich brauche immer noch sechs Konzessionen: für das Schwimmbad, für die Sauna, für das Solarium, für die Geräte, für die Bar und für die T-Shirts, die ich verkaufe. – An dieser typischen Problematik, die wir schon seit Jahren diskutieren, hat sich auch jetzt, mit der FPÖ in der Regierung, absolut nichts geändert. Der Hintergrund – das wissen wir – ist eine Pfründewirtschaft: Man versucht, viele neue Berufe von den Märkten einfach abzuschotten.

Das betrifft auch all die neuen Berufe im E-Bereich und vor allem auch Berufe wie Solateure und all jene, die miteinander verschränkte Aufgabenbereiche wahrnehmen können. Daran hat sich also überhaupt nichts geändert – Stichwort "Standortpolitik". Wir wissen auch, dass externe Finanzierungs- und Investmentberatungsfirmen sagen, dass in Österreich einerseits diese Problematik maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass nicht mehr investiert wird – wir sind, glaube ich, das OECD-Schlusslicht, was die Firmenneugründungen betrifft –, aber auch noch eine andere Problematik, die am besten durch ein Zitat von Alexander Van der Bellen charakterisiert werden kann, nämlich "Wirtschaftsfeindlichkeit und Xenophobie", und bei der es um die rigorosen Ausländerbeschäftigungs-Regelungen geht.

Noch ein allerletzter Satz zu Herrn Tancsits: Wie Sie das Projekt "Integra" als Erfolgsprojekt darstellen können, ist mir ein völliges Rätsel! Ich möchte nicht, dass auf dem Rücken von Arbeitslosen Projekte, die so schwer vom Stand wegkommen – bis Oktober ist es in Wien nicht gelungen, auch nur einen einzigen Arbeitsplatz für einen Langzeitarbeitslosen zu bekommen! –, als irgendwelche Erfolge dargestellt werden, die es bis zum heutigen Tag noch nicht gibt.

Das war jetzt ein Schnellschussparcours durch die aus unserer Sicht immer noch unbefriedigende Wirtschaftspolitik. (Abg. Dr. Fekter: Aber Sie kennen die Arbeitslosenrate schon?)

Ein besonderer Vorwurf sei hier noch ausgesprochen: Das Umweltengagement hat der ehemalige Umweltminister Martin Bartenstein bei der Garderobe zum Wirtschaftsministerium abgegeben! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

14.54

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Glawischnig, ich würde Sie bitten, nicht in denselben Fehler zu verfallen wie manche Abgeordnete der Opposition, nämlich, von der Regierung zu verlangen, innerhalb von acht Monaten alle Fehler der Vergangenheit gutzumachen. Sie wissen ganz genau, dass gerade wir Freiheitlichen immer gegen diese eklatante Bürokratie, die Sie da geschildert haben, aufgetreten sind und dass wir im Laufe unserer Regierungstätigkeit sicher auch etwas dagegen tun werden. In acht Monaten aber kann man, wie gesagt, nicht die Welt erneuern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Zum Herrn Abgeordneten Heindl möchte ich auch ein paar Worte sagen: Sie haben einen Widerspruch im Schlusssatz des Herrn Abgeordneten Haigermoser gesehen, der einerseits von der Verschwendungspolitik der sozialdemokratisch dominierten Koalition gesprochen und andererseits festgestellt hat, dass Österreich ein blühendes Land ist. – Ich sehe darin deshalb keinen Widerspruch, weil die Unternehmer ungeheuer viel geleistet haben, um Österreich zu einem blühenden Land zu machen! Sie wissen ganz genau, Herr Abgeordneter: Die Fehler der Politik haben so lange keine gravierenden Auswirkungen, solange die Unternehmer durch eine kluge und gute Wirtschaftsführung diese Fehler ausgleichen können. Das ist in Österreich immer wieder geschehen. Die österreichischen Unternehmer haben wirklich sehr, sehr viel leisten müssen, um die Fehler der Wirtschaftspolitik der vergangenen Regierung ausgleichen zu können. (Abg. Dietachmayr: Und die Arbeitnehmer nicht?)

Jetzt haben wir durch diese neue Regierung auch neue Rahmenbedingungen geschaffen. So wird es beispielsweise künftig keine Neuverschuldung geben, die Auftragslage hat sich verbessert, und wir haben trotz struktureller Maßnahmen ein Wirtschaftswachstum, das sich mit jenem anderer EU-Staaten messen kann. (Abg. Huber: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden ausgebeutet!)  – Sind Sie nicht froh darüber, Frau Abgeordnete, dass es in Österreich aufwärts geht? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Sind Sie nicht froh darüber, dass die Arbeitslosigkeit gesunken ist, dass wir jetzt eine Beschäftigungssituation haben wie in den vergangenen zehn Jahren nicht? (Abg. Dietachmayr: Aber das ist nicht das Verdienst dieser Regierung!) Darüber müssten eigentlich auch die Sozialdemokraten sehr froh sein! (Abg. Dietachmayr: Das ist nicht das Verdienst dieser Regierung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierung hat wichtige Impulse gesetzt. Sie hat durch den Abbau des Defizits das Vertrauen gestärkt. Das stärkt doch auch das Vertrauen der Unternehmer! Sie wissen ganz genau, dass das psychologische Element in der Wirtschaft etwas sehr Wichtiges ist.

Ich möchte noch ein paar Worte über die Lohnnebenkostenpolitik, über die heute schon sehr viel gesprochen worden ist, sagen. Es ist ja ein erklärtes Ziel der Regierung, die Lohnnebenkosten zu senken. (Abg. Dietachmayr: Das Weihnachtsgeld, das Urlaubsgeld!) Leider Gottes muss ich immer wieder sehen, dass für die Sozialdemokraten die Lohnnebenkosten als ein Klassenkampfthema herhalten müssen (Abg. Dietachmayr: Was wollen Sie konkret senken?), insofern als sie behaupten, dass von den Armen zu den Reichen geschaufelt wird (Abg. Dietachmayr: So ist es!), wenn man der Wirtschaft die Möglichkeit gibt, die Lohnnebenkosten zu senken. (Abg. Dietachmayr: Nennen Sie mir eine Maßnahme!) Ziemlich kurzsichtig finde ich auch die Aussage der Frau Abgeordneten Kubitschek, die heute gemeint hat, sie würde der Senkung der Lohnnebenkosten nicht nachtrauern, denn in Wirklichkeit wären die Stückkosten maßgebend und nicht die Lohnnebenkosten. (Abg. Dietachmayr: So ist es!)

Ich möchte Sie schon darauf aufmerksam machen, dass gerade in Österreich als einem Land, in dem der Dienstleistungssektor einen so großen Raum einnimmt, den Lohnnebenkosten wirklich eine sehr gravierende Bedeutung zukommt, dass es natürlich darauf ankommt, wie hoch die Lohnnebenkosten sind. Wir liegen bei den Lohnnebenkosten nun einmal im europäischen Spitzenfeld!

Dass die wirtschaftspolitische Kompetenz bei den Sozialdemokraten nicht sehr gut ausgebildet ist, haben wir ja beim "Bank Burgenland"-Skandal und auch bei ihren eigenen Finanzen gesehen. (Abg. Dr. Mertel: Jetzt entschuldigen Sie sich aber!)  – Deshalb sind Ihre Aussagen im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik ja auch nicht sehr bedeutend.

Ich möchte aber noch etwas sagen: Meine Hoffnung ist, dass durch eine Senkung der Lohnnebenkosten auch ein nachhaltiger Faktor in der Beschäftigungspolitik erzielt wird, denn es gibt ja sehr viele Unternehmer, die wegen der hohen Lohnnebenkosten keine Arbeitnehmer einstellen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass dann, wenn die Verbilligung bei den österreichischen Arbeitskräften gegeben ist, nicht mehr ununterbrochen der Ruf nach ausländischen Arbeitskräften erfolgen wird. (Abg. Dietachmayr: Es wäre besser, Sie würden über etwas reden, bei dem Sie sich auskennen!) Natürlich wollen die Unternehmer ausländische Arbeitskräfte, weil sie


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vermuten, dass diese billiger sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Huber: Wie billig sollen denn die Arbeitskräfte noch werden?)

Ich möchte noch etwas sagen: Es hat nichts mit Xenophobie zu tun, die uns immer wieder vorgeworfen wird, dass wir gegen die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte sind. Ich finde aber, dass es eigentlich eine ungeheure Arroganz der hoch industrialisierten Länder ist, zu sagen: Wir brauchen jetzt EDV-Fachleute, also holen wir sie uns aus Indien. – Am nächsten Tag brauchen wir Pensionszahler für unser System: Na gut, holen wir sie uns aus dem Ausland! – Das ist doch wirklich keine Politik, die Sie mit Ihrem Menschenbild gutheißen können, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Stummvoll. )

Wir müssen doch in allererster Linie versuchen, die Arbeitnehmer, die unsere Wirtschaft braucht, auf unserem österreichischen Sektor aufzubringen. Solange ältere Arbeitnehmer über 50 in Österreich keinen Job bekommen, so lange bin ich überhaupt dagegen, dass eine ausländische Fachkraft nach Österreich geholt wird. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )

Sehr geehrter Herr Minister! Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, das Humankapital, von dem Sie gesprochen haben, etwas besser, moderner und so weiter auszurichten, denn wir haben nichts von einem Humankapital, das nicht richtig eingesetzt werden kann, weil die Ausbildung nicht vorhanden ist. Da aber hinken wir nach. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich möchte Ihnen etwas sagen: Es wird immer wieder davon gesprochen, dass es in Indien so hervorragende EDV-Spezialisten gibt. In Indien sind bereits vor zwei Jahren die Aufwendungen für die Ausbildung in diesem Bereich verdoppelt worden, um dem Ruf nach mehr Fachkräften Rechnung zu tragen. Ich glaube, dass Sie als Wirtschaftsminister und als Arbeitsminister wirklich darauf achten müssen, dass unsere Ausbildung mit der Wirtschaft konform geht, dass sich mehr Leute aus der Wirtschaft auch bereit ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Soll ich Sie unterbrechen, oder wollen Sie die Rede beenden? Dann würde ich Sie aber bitten, zum Schlusssatz zu kommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich bin schon beim Schlusssatz!) – Bitte!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Ich würde Sie bitten, dafür zu sorgen, dass mehr Leute aus der Wirtschaft ihre Kapazität wahrnehmen, um junge Menschen auszubilden, damit sie auch auf unserem modernen Arbeitsmarkt eine Zukunft haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche jetzt die Verhandlungen über die Beratungsgruppe IX, damit die Diskussion des Dringlichen Antrages, so wie angekündigt, um 15 Uhr beginnen kann.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend die Erhöhung des Pendlerpauschales, des Kilometergeldes und der Auszahlung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses (331/A) (E)

Präsident Dr. Heinz Fischer: In diesem Sinne gelangen wir zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 331/A (E) des Abgeordneten Nürnberger.

Dieser Antrag ist inzwischen allen Abgeordneten schriftlich zugegangen, sodass sich eine Verlesung durch einen Schriftführer erübrigt.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:


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"Die Belastungspolitik der Bundesregierung führt vor allem für das untere Drittel der österreichischen Einkommensbezieher – entgegen den gebetsmühlenartig wiederholten Unwahrheiten der Regierungsmitglieder – zu massiven realen Einkommenseinbußen. Ein Hauptgrund dafür liegt in den drastisch gestiegenen Kosten für Verkehr und Energie. Durch die Steigerung der Benzin-, Diesel- und Heizölpreise seit dem Dezember 1999 werden die österreichischen Verbraucher mit zusätzlichen Kosten in der Höhe von zweistelligen Milliardenbeträgen belastet. Statt diese massiven Preiserhöhungen durch Entlastungsmaßnahmen für Pendler, Pensionisten und untere Einkommensgruppen auszugleichen, wurden von der Bundesregierung zusätzliche Belastungen beschlossen, welche die Kosten im Bereich des Energieverbrauchs und des Verkehrs explodieren lassen.

Durch die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer um 1.300,- ATS für einen durchschnittlichen PKW, durch die Erhöhung des Preises für die Autobahnvignette um 450,- ATS und durch die gestiegenen Treibstoffpreise, die dem Finanzminister Umsatzsteuereinnahmen von zusätzlich 2 Mrd. ATS bringen, werden Berufspendler, die zur Erreichung ihrer Arbeitsstätte den privaten PKW benötigen, über Gebühr belastet. Aber auch Pendler, die auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind, sind mit massiven Erhöhungen der Tarife für Zeitfahrkarten konfrontiert.

Das Pendlerpauschale und das Kilometergeld wurden bisher immer nach deutlichen Verkehrskostensteigerungen angepasst. Jetzt aber stiehlt sich die Regierung aus der Verantwortung, indem lediglich das ,große‘ Pendlerpauschale um rund 20 Prozent (befristet) und erst für das Jahr 2001 erhöht wird. Das große Pendlerpauschale ist aufgrund der strengen Anspruchsvoraussetzungen nur 20 Prozent der Pendler zugänglich. So fallen z.B. Arbeitnehmer, die in einer Region eines Verkehrsverbundes wohnen, in der Regel aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten heraus. Die Erhöhung nicht auch beim so genannten ,kleinen‘ Pendlerpauschale wirksam werden zu lassen bedeutet nicht nur, die Steuererhöhungen voll auf die Berufspendler durchschlagen zu lassen, sondern ihnen auch den berechtigten Anspruch auf steuerliche Geltendmachung der erhöhten Aufwendungen zu verweigern.

Das Kilometergeld ist in der Vergangenheit immer angepasst worden, wenn sich der Autokostenhaltungsindex um mehr als 10 Prozentpunkte seit der letzten Kilometergeldänderung erhöht hat. Obwohl dieser Umstand bereits eingetreten ist, verweigert die Bundesregierung den Arbeitnehmern die gerechtfertigte Erhöhung. Im öffentlichen Dienst und auch im Bereich der privaten Dienstgeber (durch die Übernahme des amtlichen Kilometergelds in den Kollektivverträgen) wird die Entschädigung für die dienstliche Inanspruchnahme des privaten PKWs von der Höhe des amtlichen Kilometergelds bestimmt. Die Weigerung der Bundesregierung, das Kilometergeld zu erhöhen, bedeutet nichts anderes als Vertretern und anderen auf Dienstreisen auf den PKW angewiesenen Arbeitnehmern die Möglichkeit zu nehmen, ihre Kostenmehrbelastung von den Dienstgebern refundiert zu erhalten.

Obwohl die OPEC eine höhere Förderquote beschlossen hat, ist der Rohölpreis weiter gestiegen. Die Heizölpreise bleiben ebenfalls auf Rekordniveau (Ofenheizöl +53,8 Prozent, Heizöl leicht +58,5 Prozent im Vergleich zum Oktober 1999). Auch Erdgas ist empfindlich teurer geworden (+10,3 Prozent im Vergleich zum Oktober 1999). Die betroffenen Konsumenten können mit den notwendigen Käufen nicht mehr zuwarten und müssen daher die Last der Preissteigerungen in vollem Umfang tragen.

Die höheren Energiepreise belasten die österreichischen Haushalte enorm. Seit der Ölpreisexplosion im September des Vorjahres belaufen sich die Treibstoffmehrkosten auf rund 14 Milliarden ATS. Und für Heizöl und Erdgas müssen in der kommenden Heizsaison rund 8 Milliarden ATS mehr ausgegeben werden.

Am schlimmsten trifft es MieterInnen und BesitzerInnen von Wohnungen und Eigenheimen mit niedrigem Einkommen, die auf Heizöl angewiesen sind. Verglichen mit dem Vorjahr ist der Preis je Liter um rund 3,50 ATS gestiegen. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von rund 4.000 Liter für die Beheizung eines durchschnittlichen Eigenheimes in einer Heizsaison belaufen sich die Mehrkosten somit auf rund 14.000,- ATS.


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Der Finanzminister profitiert von diesen massiven Belastungen der Haushalte in Form höherer Mehrwertsteuereinnahmen um mehr als 2 Milliarden ATS.

Ein Teil dieses Geldes muss aus unserer Sicht unverzüglich an NotstandshilfebezieherInnen, KarenzgeldbezieherInnen, PensionistInnen, Kranke, Menschen mit Behinderungen, ArbeitslosengeldbezieherInnen, BezieherInnen von Opferrenten, die ein Haushaltseinkommen von unter 12.000,- ATS netto im Monat haben, von der Sozialversicherung, dem Arbeitsmarktservice bzw. dem Bund als Heizkostenzuschuss durch eine Einmalzahlung von 1.500,- ATS ausgezahlt werden, um die ölpreisbedingten Mehrkosten für die Monate Oktober, November und Dezember 2000 abzudecken.

Wenn bis zum 15. Dezember 2000 die Verkaufspreise für Heizöl und Erdgas nicht gesunken sind, sollte durch eine Verordnung für den Rest der Heizperiode (Jänner, Feber, März und April 2001) ein zusätzlicher Betrag von 500,- ATS pro Monat für die definierte Personengruppe ausgezahlt werden.

In den Sozialhilfegesetzen der Bundesländer sind gleichwertige Regelungen auf landesgesetzlicher Ebene zu schaffen und die erhöhten Mittel auszubezahlen. Die finanzielle Bedeckung der zusätzlichen Kosten für die Bundesländer soll durch Überweisungen aus dem Bundesbudget gedeckt werden. Im Rahmen der Amtshilfe sollen den Ländern jene Daten zur Verfügung gestellt werden, die für die Administration des Heizkostenzuschusses benötigt werden. Die finanzielle Bedeckung ist durch die gestiegenen Mehrwertsteuereinnahmen aus den erhöhten Treibstoffpreisen sichergestellt.

Die massiven Verteuerungen im Energie- und Verkehrssektor für die österreichischen Verbraucher müssen vor dem Hintergrund der Belastungslawine gesehen werden, welche die österreichische Bundesregierung mit den drei Belastungspaketen und den Pensionskürzungen ausgelöst hat. So wurde durch die Erhöhung der Verbrauchssteuern und Gebühren im Belastungspaket Nummer 1 das untere Einkommensdrittel doppelt so hoch belastet wie das oberste Einkommensdrittel. Arbeitnehmergruppen, die einem hohen Risiko der Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses ausgesetzt sind – und diese Arbeitnehmergruppen gehören überwiegend zum unteren Einkommensdrittel –, werden durch die Urlaubsaliquotierung, den Entfall des Postensuchtages sowie die Besteuerung der Urlaubs- und Kündigungsentschädigung besonders betroffen. Die Einführung des Selbstbehaltes in der Krankenversicherung wird ebenfalls das untere Einkommensdrittel stärker als die höheren Einkommensgruppen belasten, da untere Einkommensbezieher einen höheren Prozentsatz ihres verfügbaren Einkommens für Gesundheitsausgaben aufwenden müssen. Die De-facto-Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages geht massiv zu Lasten der kleinen und mittleren Einkommen: Um sich 63,- ATS im Monat (750,- ATS pro Jahr) an Steuern zu ersparen, müssten diese Gruppen jährlich 1.000,-Euro = 13.760,- ATS in eine private Pensionsvorsorge investieren. Das ist für untere Einkommensgruppen unmöglich, da das untere Einkommensdrittel über ein Nettoeinkommen bis zirka 10.000,- ATS im Monat verfügt. Darüber hinaus trifft die beschlossene Besteuerung der Unfallrenten die unteren Einkommensgruppen überproportional, wie auch die Kürzung der Familienzuschläge.

Die Belastungspakete 2000/2001/2002 betreffen daher das untere Einkommensdrittel mindestens doppelt so stark wie das oberste Einkommensdrittel. Auch die von der Bundesregierung mit heuer 34 Millionen ATS und im nächsten Jahr 50 Millionen ATS auf Kosten der österreichischen Steuerzahler durchgeführte Desinformationskampagne über ihre Budgetpolitik wird diese Tatsachen auf Dauer nicht verschleiern können.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Dringlichen Antrag:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert,


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anstelle der unzureichenden Anhebung des Pendlerpauschales eine generelle Erhöhung des Pendlerpauschales um ein Drittel vorzunehmen,

das Kilometergeld um 50 Groschen zu erhöhen sowie

in der Regierung dafür einzutreten, einen Heizkostenzuschuss in der Höhe von 500,- ATS monatlich für BezieherInnen eines Haushaltseinkommens unter 12.000,- ATS während der Heizperiode zu beschließen."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordnetem Nürnberger als Erstantragsteller zur Begründung des Antrages das Wort. Seine Redezeit ist mit 20 Minuten begrenzt. – Bitte.

15.01

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Lassen Sie mich an den Beginn meiner Ausführungen vor allem im Hinblick auf die gestrigen Äußerungen von Herrn Abgeordnetem Spindelegger und die heutigen Ausführungen von Herrn Tancsits ein paar Pressemeldungen stellen:

OTS-Aussendung 0127 vom 2. November: Arbeiterkammer-Fraktionen "laden zu Protestversammlung: ,Jetzt reicht’s: Soziale Gerechtigkeit statt Soziale Treffsicherheit‘ – gemeinsamer Widerstand gegen Ungerechtigkeiten unter dem Deckmantel ,Sparen + soziale Abfederung‘."

Frage – Schwierigkeitsstufe 1 –: Welche Kammerfraktionen waren das? – Die ÖAAB-Fraktionen der ÖVP, repräsentiert durch Präsidenten Dinkhauser sowie die Vizepräsidenten Dirnberger und Gajdosik aus Wien, Niederösterreich und Tirol, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Eine weitere Pressemeldung – APA 0163 –: "ÖAAB-Betriebsräte verlangen von Mandataren Nein zu Bartenstein-Plänen." – "Einzelaktionen – wie von Abgeordnetem Michael Spindelegger, der im Sommer ,mutig‘" – "mutig" unter Anführungszeichen – "gegen die Verschlechterungen bei den Pensionen gestimmt habe – würden ,künftig von der Basis nicht mehr toleriert, da müssen in Zukunft alle mittun‘, fasst Dirnberger eine ,Sofortmaßnahme‘ als Ergebnis der Protestversammlung (...) zusammen."

ÖAAB-Obmann Fasslabend: ",Ich verlange eine faire Lastenteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern‘, betonte der ÖAAB-Bundesobmann."

Lieber Herr ÖAAB-Bundesobmann! Wo waren wir denn bei der "Aktion Fairness"? (Abg. Dr. Khol: Die haben wir schon beschlossen!)  – Ich habe erst vor wenigen Tagen hier aus einer Broschüre der Bundeswirtschaftskammer berichtet (Abg. Dr. Khol: Die ist ja schon beschlossen!): 2,8 Milliarden Schilling Körberlgeld aus den Taschen der Arbeitnehmer in die Taschen der Arbeitgeber, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Khol: Die ist ja schon beschlossen, die Aktion Fairness!)  – Das ist die Lastenverteilung eines Herrn ÖAAB-Bundesobmannes! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Sie sind so selten hier, deshalb ...!)

Und jetzt eine andere Frage: Was unterscheidet Herrn Abgeordneten Verzetnitsch, Herrn Abgeordneten Riepl, einige andere Abgeordnete, die dem ÖGB sehr nahe stehen, und vor allem mich von einem Spindelegger und einem Tancsits? – Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind noch von keinem einzigen unserer Funktionäre und Mitglieder an unsere Pflicht, an unsere Verantwortung erinnert worden! Wir fühlen uns eben – wie es auch Präsident Verzetnitsch gestern formuliert hat – einzig und allein unseren Wählern verantwortlich und wissen, dass wir in erster Linie Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir verstehen eben unter Interessenvertretung jener Klientel, für die wir uns zuständig fühlen, dass wir auch sehr oft eine andere Meinung, eine andere Haltung als unser Klubobmann ein


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nehmen, weil wir ein Rückgrat haben – auch in der eigenen Partei, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Schwarzenberger: Und der Klubobmann nicht?) Aber die Spindeleggers und Tancsits haben ja ein Rückgrat wie ein Musikschlüssel, wie ein Notenschlüssel! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Der Klubobmann hat kein Rückgrat?)

Jetzt zum eigenen Thema. Sie haben die Ehre, Herr Staatssekretär, den Herrn Bundesminister zu vertreten. Ich zitiere jetzt ein paar Pressemeldungen, die an den Herrn Bundesminister gerichtet sind; aber Sie tragen ja seine Maßnahmen mit, daher beziehen Sie sie bitte auch auf sich.

Presseaussendung vom 17. November – also ein paar Tage alt –: "Grassers Märchenstunde kostet Arbeitnehmer Milliarden" – Bezug nehmend auf Grassers Aussage bei seinem Tirol-Besuch, wonach das Budget vorwiegend ausgabenseitig saniert würde.

Was glauben Sie, wer das gesagt hat? – ÖVP- und ÖAAB-Mitglied Dinkhauser, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Derselbige Fritz Dinkhauser – AK-Präsident in Tirol und ÖVP-Mitglied –: "Arbeitnehmer würden mit Milliarden belastet." "Heftige Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung und Finanzminister Karl-Heinz Grassers."

Dann bringt derselbige Fritz Dinkhauser – Mitglied der ÖVP – Zahlen. Ich will Ihnen jetzt nicht alles vorlesen, sondern nur die wichtigsten Zahlen, die Ihr ÖVP-Mitglied nennt, erwähnen. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

"Wenn man die arbeits- und sozialrechtlichen Belastungen zusammenrechne, kämen die Experten auf 34,4 Milliarden Schilling Belastungen im kommenden Jahr. Unternehmen und Selbständige müssten hingegen lediglich einen Beitrag von rund 7,1 Milliarden Schilling leisten." – "Im Jahr 2003 steige der Beitrag der Arbeitnehmer nach heutiger Berechnung sogar auf 43 Milliarden Schilling, während die Unternehmen" – und jetzt hören Sie zu, Herr Ex-Generalsekretär Stummvoll! – "um 3,4 Milliarden Schilling entlastet werden sollen." – Fritz Dinkhauser, ÖVP-Mitglied. (Abg. Edlinger: Das ist die Arbeit der Regierung! Der Gaugg ...!)

Und jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu der Märchenstunde – diesen Ausdruck erlaube ich mir auch zu gebrauchen –, wonach zwei Drittel der Menschen, vor allem der Arbeitnehmer, von den Maßnahmen der Bundesregierung nicht betroffen seien. – Das Gegenteil ist der Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde Ihnen dann aus einer Studie der Arbeiterkammer, die brandneu ist (Ruf bei der ÖVP: Die ist sehr "objektiv"!) – warte ein bisschen, bis ich ausgeredet habe, denn dann ersparst du dir solche Zwischenrufe! – und auch auf Aussagen von Wirtschaftsexperten des Wirtschaftsforschungsinstitutes aufbaut, zitieren. – Ich hoffe ja nicht, dass Sie die Glaubwürdigkeit dieser Wirtschaftsfachleute in Zweifel ziehen wollen. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Bevor ich aber auf das gesamte Maßnahmenpaket, das die Belastungspolitik dieser Regierung zum Ausdruck bringt, eingehe, möchte ich kurz auch einige Ausführungen zu der großen Steigerung der Preise für Benzin, Diesel, Heizöl, Energie und Verkehr machen. Diese Preissteigerungen wirken sich natürlich wiederum als Einkommenseinbußen, reale Einkommenseinbußen, jener Menschen aus, die das geringste Einkommen in unserem Land haben. Ich gebe schon zu – darauf brauchen Sie mich nicht aufmerksam zu machen –, dass wir natürlich das Problem steigender Rohölpreise haben – das ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen –, aber der Finanzminister macht sich ja aus diesen Preissteigerungen bei Energie, Benzin, Diesel ein Körberlgeld von rund 2 Milliarden Schilling, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Damit man ein bisschen Gespür bekommt: Mit wie viel Schilling wirkt sich denn das auf solch einen Haushalt mit einem durchschnittlichen Einkommen, dessen Angehörige sich gemeinsam – weil sie brav gearbeitet haben, viel selbst gemacht haben und weil viele Freunde mitgeholfen haben – ein kleines durchschnittliches Einfamilienhaus schaffen konnten, aus? – Die brauchen pro Saison rund 4 000 Liter Heizöl. Da nun der Heizölpreis vom vorigen Jahr auf heuer um rund 3,50 S gestiegen ist, beträgt allein die Mehrbelastung eines derartigen Haushaltes mit einem


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mittleren Einkommen in der kommenden Heizsaison 14 000 S! Das ist mehr als ein Netto-Monatslohn! Den müssen sie allein dafür ausgeben, damit sie nicht in der Kälte sitzen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Edlinger und Hornek. )

Jetzt kommen Sie mir bitte ja nicht mit dem Argument: Dann sollen sie eben auf Gas oder auf Strom ausweichen! – Dort liegt die Steigerung nämlich in genau der gleichen Dimension!

Daher verlangen wir – denn wir glauben, das ist gerechtfertigt –, dass der Finanzminister aus seinem Körberlgeld von 2 Milliarden Schilling jenen Menschen in unserem Lande, deren Nettoeinkommen unter 12 000 S liegt, für die Monate Oktober bis April einen monatlichen Heizkostenzuschuss von 500 S ausbezahlt – und zwar allen! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie bitte die Tricks weg, nur denjenigen etwas zu geben, die in Bundesländern wohnen, die auch etwas tun – die können das ohne weiteres tun.

Nächster Bereich in Ihrem Belastungspaket betreffend die Steigerungen der Kosten für Verkehr: Neben Diesel und Benzin haben Sie ja auch den Vignettenpreis, die Versicherungssteuer et cetera erhöht. (Abg. Wattaul: Wer hat den Diesel erhöht?) Am härtesten trifft das die Pendler. Darauf wird aber meine Kollegin, Frau Pfeffer, die aus einer Region kommt, in der es sehr viele Pendler gibt, noch im Besonderen eingehen.

Wie aber reagieren Sie, die blau-schwarze Regierung, darauf? – Sie wollen sich aus Ihrer Verantwortung ziehen, obwohl Sie auch da, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Körberlgeld haben! Was haben Sie gemacht? Sie haben als Alibihandlung das große Pendlerpauschale um 20 Prozent erhöht, obwohl Sie ganz genau wissen, dass davon nur 20 Prozent der Betroffenen profitieren können.

Jetzt rufe ich Ihnen in Erinnerung: Wie haben denn bisher vorhergehende Regierungen unter Beteiligung, unter Federführung der Sozialdemokratie reagiert, wenn es Verkehrskostensteigerungen gegeben hat? – Dann haben wir das Pendlerpauschale angepasst und haben das Kilometergeld angepasst. Aber beim Kilometergeld (Abg. Wattaul: Sie haben ja auch 2 000 Milliarden Schulden gemacht!) – wollen Sie irgendetwas sagen, haben Sie etwas zu sagen? (Rufe bei der SPÖ – in Richtung des sich neben den Bänken der Freiheitlichen bewegenden Abg. Wattaul –: Niedersetzen! Sitzen!)  –, meine sehr geehrten Damen und Herren, sparen Sie ja auf zweifache Art und Weise: erstens insofern, als Sie es Ihren Bundesbediensteten nicht zahlen müssen, und zweitens – und das ist wiederum typisch für Sie –, indem Sie dadurch natürlich auch die privaten Arbeitgeber nach Möglichkeit zu entlasten versuchen, weil – und ich weiß, wovon ich spreche – zum Beispiel in fast allen Kollektivverträgen des Bereiches Metall das amtliche Kilometergeld die Grundlage für Fahrtkostenvergütungen ist. Wenn man das amtliche Kilometergeld erhöhen würde, dann müssten unsere privaten Arbeitgeber das auch im Kollektivvertrag erhöhen. Daher erhöhen Sie es nicht, weil Sie wieder darauf achten, dass genug Geld in die Taschen der Arbeitgeber fließt. – Das ist das zweite Argument, das dahinter steckt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind hier in guter Gesellschaft, weil auch der Ihnen nahe stehende Autofahrerklub ÖAMTC, ebenso wie natürlich auch der uns nahe stehende ARBÖ, eine Erhöhung des Kilometergeldes fordern.

Daher verlangen wir mit unserem heutigen Dringlichen Antrag – und da werden Sie ja zeigen können, ob Ihnen die Pendler ein bisschen am Herzen liegen – eine Erhöhung des Kilometergeldes um 50 Groschen und eine Erhöhung aller Pendlerpauschalen um ein Drittel! Der Finanzminister kann das locker aus dem Körberlgeld zahlen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler  – auf die Galerie weisend –: Es ist leider kein Journalist oben – nur einer!)

Lassen Sie mich nun einige Fakten aus der Studie, die ich erwähnt habe, zitieren, und dann kommen Sie heraus und sagen, dass die Zahlen nicht stimmen! – Das wird Ihnen nicht gelingen.


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Die Nettoeinkommen in Österreich machen 1 266 Milliarden Schilling aus. Davon hat das untere Drittel 192 Milliarden Schilling, das mittlere Drittel 384 Milliarden Schilling und das obere Drittel 689 Milliarden Schilling zur Verfügung (Abg. Gaugg: ... nach 30 Jahren SPÖ!) – also unten 15 Prozent und oben rund 55 Prozent. (Abg. Gaugg: Verantwortlich dafür ist die SPÖ!)

Auswirkungen des Belastungspaketes Nummer 1 – zum Beispiel Tabakabgabe in Höhe von 1,2 Milliarden Schilling –: Das untere Drittel wird mit 0,13 Prozent des Familieneinkommens belastet, das obere Drittel mit 0,07 Prozent. – Elektrizitätsabgabe: Unteres Drittel 0,45 Prozent, oberes Drittel 0,18 Prozent. – Ich kürze das jetzt ab und nehme die Gesamtsumme all dieser Auswirkungen: Das untere Drittel wird mit 1,6 Prozent belastet, das obere Drittel mit 0,8 Prozent.

Marterbauer und Walterskirchen – also keine Arbeiterkammer- oder Gewerkschaftsexperten, sondern Wifo-Experten – errechneten, dass durch die Anhebung der indirekten Steuern das untere Drittel der Menschen doppelt so hoch belastet ist wie das obere Drittel.

Drei Maßnahmen treffen die Arbeitnehmer bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Und wer muss denn sehr oft in einem Jahr sein Beschäftigungsverhältnis beenden? – Saisonbeschäftigte! Diese haben in der Regel sehr geringe Einkommen und gehören zum unteren oder zum mittleren Einkommensdrittel. (Abg. Gaugg: Wie gibt es denn das nach 30 Jahren SPÖ?) Sie werden zur Kasse gebeten bei der Urlaubsaliquotierung, beim Entfall des Postensuchtages und bei der Besteuerung von Urlaubs- und Kündigungsentschädigung! – Nicht die Hände zusammenschlagen, denn das geht in die Tausende von Schilling, meine Damen und Herren! (Abg. Gaugg: Wie gibt es denn das? Nach 30 Jahren SPÖ, da müsstet ihr doch alle im Paradies leben! – Abg. Mag. Trattner: Wie habt ihr denn das gemacht?)

Selbstbehalt in der Krankenversicherung – zum Beispiel auch Ambulanzgebühr –: Schon jetzt muss für private Gesundheitsausgaben das untere Einkommensdrittel 4,1 Prozent und das obere Drittel 2,4 Prozent aufwenden. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso habt ihr das gemacht? – Abg. Mag. Trattner: Wieso habt ihr 30 Jahre lang zugeschaut?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Belastungspaket Nummer 2: Da ist das härteste Stück, das ich herausgreife – erklären Sie uns jetzt, Herr Staatssekretär, warum auch nur ein einziger Arbeitnehmer von dieser Belastung nicht betroffen sein soll! –, die Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages. Und Sie behaupten, dass zwei Drittel nicht betroffen sind! Sie werden natürlich auch argumentieren: Er kann sich ja die Hälfte zurückholen, er braucht ja nur – Sie nicken – in eine private Pensionsvorsorge einzubezahlen. – Wie jemand, der 10 000 S oder 12 000 S netto im Monat verdient (Abg. Mag. Trattner: Was verdienen denn Sie?), 13 000 S jährlich an Prämie zahlen können soll – wofür er mehr als einen Netto-Monatslohn investieren müsste! –, das müssen Sie mir erklären! (Abg. Mag. Trattner: Wie viel haben Sie denn? – 120 000 oder 240 000?) Den Arbeitnehmer, der sich das leisten kann, müssen Sie mir zeigen, Herr Staatssekretär! (Beifall bei der SPÖ.)

Belastungspaket Nummer 3: Da ist der härteste Brocken dabei, die geplante Besteuerung der Unfallrenten. Ich rufe Ihnen in Erinnerung: Die Unfallversicherung haben sich die Arbeitgeber als ihre Haftpflichtversicherung gegründet. Daher ist die Unfallrente einer Entschädigungszahlung, wie sie geleistet wird, wenn bei einem Unfall mein PKW beschädigt wird oder kaputtgeht, gleichzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man weiß, dass die durchschnittlichen Bezieher einer Unfallrente daraus einen Betrag in der Größenordnung von 3 000 bis 4 000 S erhalten und Sie sich dort 2 Milliarden Schilling holen und dass Sie sich im Gegenzug bei den Stiftungen, deren Gesamtvolumen 500 Milliarden Schilling beträgt, auch nur 2 Milliarden holen, und man von Ihnen dann zu hören bekommt, dass das keine Umverteilung ist, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, weiß man wohl nicht mehr, was eine Umverteilung nun eigentlich sein soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich das Resümee, das in dieser Studie gezogen wird, wiedergeben: Der These von Minister Grasser, wonach die Maßnahmen zur Erreichung des Nulldefizits 75 Prozent der Bevölkerung nicht belasten würden, kann nicht zugestimmt werden. Indirekte Steuern, Ge


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bühren und Selbstbehalte belasten das untere Einkommensdrittel doppelt so hoch wie das obere. Von den Sparmaßnahmen im Rahmen der sozialen Treffsicherheit gehen negative Umverteilungswirkungen aus, insbesondere von der Kürzung der Familienzuschläge und der Besteuerung der Unfallrenten. – Eine genauso negative Umverteilung bewirkt die Kürzung der Absetzbeträge. Die nicht ganzjährig Beschäftigten habe ich bereits angesprochen.

Nun zum letzten Punkt, in dem das Ganze ein bisschen in Zahlen gegossen wird. Darin wird gesagt, dass das untere Einkommensdrittel mit 8,5 Milliarden Schilling betroffen ist, die Besserverdiener dagegen nur mit 4,5 Milliarden Schilling. – Jetzt rufen Sie sich in Erinnerung, wie die Einkommensverteilung aussieht: 15 Prozent zu 55 Prozent, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Was machen Sie als Regierungspartei angesichts dieser Fakten? – Sie nehmen zig Millionen Schilling Steuergeld in die Hand, machen riesengroße Plakat- und Werbeaktionen und wollen die Menschen für dumm verkaufen, indem Sie ihnen falsche Argumente und falsche Zahlen liefern, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das keine Umverteilung von unten nach oben ist – und ich bin sicherlich weit darüber erhaben, hier klassenkämpferisch zu sein ... (Heiterkeit bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. ) Herr Bauernbundpräsident, du kannst leicht lachen! Du bekommst für deine Klientel mehr, als du bisher bekommen hast, aber den Arbeitnehmern werden Milliarden aus der Tasche gezogen! Da kann ich leicht lachen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die Bauern haben ohnedies nur mehr ... Prozent, hat die Kubitschek von Ihrer Partei gesagt!)

Meine Damen und Herren der Regierungsparteien! Ich fordere Sie auf: Kommen Sie heraus und nennen Sie mir, wenn es geht, namentlich einen Arbeitnehmer in diesem Land, der von Ihren Maßnahmen nicht betroffen ist! (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Das müssen doch viele sein, wenn Sie den Menschen einreden wollen, dass 75 Prozent der Menschen nicht betroffen sind.

Einem Argument von Ihnen möchte ich hier auch gleich vorbauen: Der Herr Bundesminister kommt ja immer so gern mit Taferln und Ähnlichem – Sie, Herr Staatssekretär, werden das wahrscheinlich auch tun –, um uns dann vorzurechnen, dass den Menschen mehr übrig bleibt. – Da darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass es ja Gott sei Dank eine Steuerreform gegeben hat, denn sonst wären Sie in einem noch größeren Argumentationsnotstand! Nur einer Steuerreform, die die Sozialdemokratie geprägt hat, gegen die Sie gestimmt haben und die wir beschlossen haben, haben Sie das zu verdanken. – Das ist die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Schlechte Argumentation! – Abg. Mag. Trattner: Fußballer-Zitate sind das! – Abg. Ing. Westenthaler: Fußballer-Zitate von Nürnberger! – Ruf bei den Freiheitlichen: Hat er seine Millionen schon gezählt? – Abg. Ing. Westenthaler: Es geht um Milliarden!)

Nun lassen Sie mich auch noch ein paar Bemerkungen, weil das heute auch schon gefallen ist, zur Menschenkette des Österreichischen Gewerkschaftsbundes am 5. Dezember anbringen. Herr Dr. Stummvoll! Nur einen einzigen Satz zu Ihnen – Ihre Aussage zur Menschenkette habe ich auch gehört –: Dem neuen Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer ist herzlich dazu zu gratulieren, dass er Sie als Generalsekretär abgehalftert hat, und ich bin froh, dass Sie in der Sozialpartnerschaft heute nichts mehr zu reden haben! Ihre Aussagen zur Sozialpartnerschaft haben sich selbst disqualifiziert! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Tancsits, bei der Menschenkette gäbe es keine Arbeitnehmerziele, keine Arbeitnehmerinteressen. (Abg. Steibl  – eine Ausgabe der "Kleinen Zeitung" in die Höhe haltend –: Sind das Arbeitnehmerinteressen?) Ich frage Sie: Welche Interessen sollten denn Arbeitnehmer haben, die derart belastet werden, denen nichts abgegolten wird? Ich versichere Ihnen, und das richtet sich auch an die Adresse von Klubobmann Khol: Sie werden die Arbeiterkammer, den ÖGB und die Gewerkschaften in diesem Land nicht mundtot machen können. (Abg. Schwarzenberger: Das ist Klassenkampf wie in der Ersten Republik!) Wir werden es uns nicht nehmen lassen, am 5. Dezember – und wir verbürgen uns dafür – mit


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einer friedlichen Menschenkette die Öffentlichkeit auf diese Ihre unsozialen Maßnahmen aufmerksam zu machen. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Weiter zusammen mit den Chaoten! – Abg. Schwarzenberger: Der Architekt der blau-schwarzen Koalition! – Abg. Ing. Westenthaler: Nichts gegen Nürnberger! Er ist einer der "Väter" der blau-schwarzen Koalition! – Abg. Mag. Trattner: Ohne Nürnberger säße die SPÖ noch in der Regierung!)

15.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand des Dringlichen Antrages hat sich in Vertretung des Herrn Finanzministers, der sich im Ausland befindet, Staatssekretär Dr. Finz zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Staatssekretär.

15.22

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich gebe Herrn Abgeordnetem Nürnberger Recht, wenn er sagt: Die Kosten im Energie- und Verkehrsbereich haben sich erhöht. Das kann man an jeder Tankstelle nachlesen. Völlig richtig! Richtig ist auch, dass diese Erhöhung hauptsächlich und primär nicht bei uns, sondern im Ausland verursacht wird. Die Erdölproduzenten verursachen diese Erhöhung, und es findet daher ein Abfluss von Kaufkraft in das Ausland statt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wo ich Ihnen schon nicht mehr Recht gebe – darauf werde ich noch näher eingehen –, ist der Vorwurf, dass sich der Finanzminister ein "Körberlgeld" macht. Das ist eine unrichtige Behauptung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Was ist falsch dran, dass es höhere Steuern gibt?)

In Ihrem Dringlichen Antrag wird auf die motorbezogene Versicherungssteuer und die Kosten für die Autobahnvignette Bezug genommen. – Auf diese beiden Erhöhungen wirkt sich ein höherer Ölpreis nicht aus, weil sie verbrauchs- und kilometerunabhängig sind. (Abg. Edlinger: Die Umsatzsteuer-Einnahmen haben sich erhöht!) Ich komme schon noch auf die Umsatzsteuer zu sprechen; Sie haben mir das Stichwort geliefert.

Der frühere Finanzminister, ein gewisser Edlinger, hat eine Erhöhung der Mineralölsteuer vorgeschlagen. (Oh-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Bei einer Fahrleistung von 20 000 Kilometern pro Jahr – das ist realistisch –, Verbrauch acht Liter pro 100 Kilometer, war bis 2001 eine Anhebung um 1 S geplant. Das hätte eine jährliche Belastung von 1 920 S ergeben. (Abg. Schwarzenberger: Das hätten die Autofahrer bei Ihnen gezahlt!)

In Relation dazu ergibt die motorbezogene Versicherungssteuer für einen durchschnittlichen Personenkraftwagen – Sie erwähnen es selbst in Ihrem Dringlichen Antrag – nur eine Erhöhung von 1 300 S. – Ihr Vorschlag hätte eine um 600 S höhere Belastung bedeutet! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Ach so ist das also, Herr Edlinger!)

Umsatzsteuer: angeblich 2 Milliarden Schilling an Mehreinnahmen. – Diese Rechnung kann nur jemand anstellen, der allein mit dem Benzinpreis rechnet, jedoch nicht berücksichtigt, dass es bei einem höheren Benzinpreis zu einer Verlagerung kommt; das Verbraucherverhalten bleibt doch nicht stabil. Zwar gibt es bei einem höheren Benzinpreis Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer auf Mineralölprodukte, aber dafür werden weniger andere Produkte gekauft. Es hat ja niemand mehr Geld in der Tasche – und es kommt daher in diesen Bereichen zu Mindereinnahmen. (Abg. Reitsamer: Aha! – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung SPÖ –: Das kann Edlinger nicht verstehen!)

Außerdem – das wissen Sie doch ohnehin – handelt es sich dabei um eine gemeinschaftliche Bundesabgabe. Von diesen bleiben uns ohnehin nur zwei Drittel. Was Sie in Ihrem Antrag jedoch ganz vergessen haben, ist, dass ein höherer Mineralölpreis auch höhere Ausgaben für den Bund bedeutet – als ob wir keine höheren Heizkosten, als ob wir keine höheren Ausgaben bei Benzin und keinen höheren Dieselpreis zu bezahlen hätten! In Wirklichkeit bleibt uns doch gar nichts von dieser Erhöhung! Das ist ein Nullsummenspiel! (Widerspruch bei der SPÖ.)


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Obwohl wir das Geld also nicht haben, haben wir aus sozialen Gründen festgelegt: Keiner soll deshalb im kalten Zimmer sitzen, weil die Erdölproduzenten den Ölpreis erhöhen, und niemand soll nicht zu seiner Arbeitsstätte kommen. Wir haben daher sehr treffsicher die Pendlerpauschale erhöht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Nur um 20 Prozent – und nur das große!)

Die Pendlerpauschale hat die frühere Kfz-Pauschale ersetzt, ist nunmehr eine verkehrsmittelunabhängige Pauschale. Damit soll jedem die Nutzung von Massenverkehrsmitteln nahe gelegt werden; deren Preise sind ja weitaus weniger angestiegen als die Benzinpreise. Es ist daher nicht gerechtfertigt, einen Benzinpreis zu ersetzen, wo eigentlich gar kein Benzinpreis zu ersetzen ist. Das spricht gegen eine Erhöhung der allgemeinen Pendlerpauschale. Dagegen wird die große Pendlerpauschale in jenen Fällen gewährt, in denen die Benutzung von Massenverkehrsmitteln unzumutbar wäre, oder dort, wo kein Massenverkehrsmittel zur Verfügung steht, wo also die Benutzung eines PKW unumgänglich ist. In diesen Fällen ist eine Abgeltung für die gestiegenen Benzinkosten natürlich sehr gerechtfertigt, und dem sind wir auch nachgekommen, indem wir eine Erhöhung im Ausmaß von 20 Prozent durchgeführt haben: Bei zwei bis 20 Kilometer werden wir in Hinkunft, also im Jahre 2001, 3 600 S ausbezahlen – bisher 2 880 S –, zwischen 20 und 40 Kilometer 14 400 S statt bisher 11 520 S, in der Kategorie 40 bis 60 Kilometer 24 480 S statt 20 160 S und über 60 Kilometer 34 560 S statt 28 800 S jährlich.

Zum Kilometergeld: An und für sich fällt die Erhöhung des Kilometergeldes in den Kompetenzbereich der Frau Vizekanzler; ich möchte jetzt dennoch darauf eingehen. Aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen ist anzumerken, dass die derzeitige Berechnung des Kilometergeldes auf einem falschen System beruht. Unser Kilometergeld liegt wesentlich höher, als das in Deutschland der Fall ist, weil bei dieser Form der Berechnung von Durchschnittskosten ausgegangen wird – und nicht berücksichtigt wird, dass ein Privater sein Kfz für sich benützt und nur in einem bestimmten Ausmaß seinen eigenen PKW für dienstliche Zwecke, für berufliche Zwecke zur Verfügung stellt. Er hat daher von vornherein mit Fixkosten, beispielsweise Versicherungskosten, zu rechen. Wenn er das Fahrzeug für dienstliche Zwecke zur Verfügung stellt, hat er deswegen keinen höheren Versicherungsbeitrag zu zahlen. Die Vignette kostet auch nicht mehr. Es ist daher auf ein neues System umzustellen, das echt verbrauchsgemäß nur von Grenzkosten ausgeht, nur von den tatsächlich mehr anfallenden Kilometern. Solange sich das in einem bestimmten Kilometerbereich bewegt, steigt auch der Abschreibungswert nicht, weil der Kilometerwert relativ unabhängig ist, während der Abschreibungswert nach der Zeitdauer berechnet wird. (Abg. Verzetnitsch: Das gibt es aber sonst nirgends, was Sie uns da vorrechnen, und für die Wirtschaft gilt es auch nicht!) In Deutschland gibt es das.

Hinsichtlich der Heizkosten ist die Bundesregierung davon ausgegangen, dass den sozial Bedürftigen zu helfen ist, obwohl die gestiegenen Kosten durch das Ausland verursacht werden und, wenn man extern verursachte Kosten im Inland ersetzt, immer die Gefahr besteht, dass man die Inflation antreibt. Das muss man bei dem ganzen Problem mit berücksichtigen, dass niemand etwas davon hat, wenn wir einen Kostenersatz leisten, für den wir kein Geld zur Verfügung haben. (Abg. Edlinger: Das ist ein schönes Argument und noch dazu sehr ideologisch! – Abg. Dr. Khol: Das ist für den Edlinger zu kompliziert! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Das gilt auch nur in dem Ausmaß, in dem es intern verursacht ist. Sonst ergibt sich ein Multiplikator-Faktor – schauen Sie, was in Deutschland gemacht wird – für ein Anheizen der Inlandsinflation. (Abg. Ing. Westenthaler: Dem muss man es einfacher vorrechnen!) Wir werden den zweckgebundenen Zuschuss zu den Heizkosten, den die Länder gewähren, verdoppeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben für diesen Zweck einen Bundeszuschuss im Gesamtausmaß von 600 Millionen Schilling vorgesehen. Die Entscheidung, welcher Personenkreis in den Genuss derartiger Zuschüsse gelangen soll und in welcher Höhe Hilfe geleistet wird, liegt in der alleinigen Zuständigkeit der Länder. Die organisatorische Abwicklung obliegt ebenfalls den Ländern. Die Bundesdienststellen werden im Rahmen der Amtshilfe den Ländern beziehungsweise Gemeinden für jede technisch und organisatorisch mögliche Hilfeleistung zur Verfügung stehen.


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Anträge der Länder auf Gewährung des Bundeszuschusses sind innerhalb einer Woche nach Kundmachung der Novelle zum Finanzausgleichsgesetz 1997 beim Bundesministerium für Finanzen zu stellen. Die Auszahlung erfolgt noch zu Lasten des Haushaltsjahres 2000, also eine schnelle Hilfe, spätestens im Jänner 2001, damit das noch in dieser Heizperiode wirksam wird.

Nach meinem Wissensstand haben schon alle Länder entsprechende Vorkehrungen getroffen. Von Wien ist mir noch nichts bekannt. Aber ich hoffe, dass es auch dort so sein wird. (Oho-Rufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Reitsamer. )

Ich hoffe, dass ich damit Ihre Anfrage beantwortet habe. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Staatssekretär. Es war keine Anfrage, sondern es ist ein Antrag, und Sie haben dankenswerterweise eine Stellungnahme dazu abgegeben.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam: kein Klub mehr als 25 Minuten, kein Redner mehr als 10 Minuten. Bei tatsächlichen Berichtigungen kein Redner mehr als 2 Minuten.

Letzteres gilt jetzt für Herrn Abgeordneten Stummvoll, der sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat. – Bitte.

15.33

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Nürnberger, wichtigster Geburtshelfer dieser Regierung, hat in seinem Debattenbeitrag in der ihm eigenen vornehmen Wortwahl gemeint, der Präsident der Bundeswirtschaftskammer habe mich als Generalsekretär abgehalftert.

In diesem einen Satz stecken zwei Unwahrheiten, Kollege Nürnberger! Erstens ist unwahr, dass ich abgehalftert wurde. Präsident Leitl hat immer die Auffassung vertreten: Funktionstrennung zwischen Sozialpartnerschaft und Parlament. Ich habe dem entsprochen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie könnten sich daran ein Beispiel nehmen ... (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Stummvoll! Bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt und den tatsächlichen Sachverhalt!

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (fortsetzend): Die zweite Berichtigung ist, dass Kollege Nürnberger eigentlich wissen müsste, dass es keine Bundeswirtschaftskammer mehr gibt, sondern die Wirtschaftskammer Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Gemessen an den tatsächlichen Berichtigungen Einems war dies eine Meisterleistung!) Das ist ein sehr subjektiver Standpunkt, Herr Klubobmann.

Frau Abgeordnete Bures gelangt nun zu Wort. – Bitte.

15.34

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Danke vielmals, sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wundert mich natürlich nicht, dass der eigentlich Zuständige, Bundesminister Grasser, jener Herr, der in die Geschichte dieses Landes als der Herr mit dem kalten Herzen eingehen wird, heute bei dieser Diskussion nicht anwesend sein wird. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Der ist im Ausland, das wurde doch bereits gesagt!) Herr Staatssekretär!


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Ihren Ausführungen nach, die Sie soeben dargeboten haben, sind Sie jedoch eine würdige Vertretung des Herrn Grasser. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nämlich nicht um die Beantwortung irgendwelcher Fragen gegangen, darauf hat Sie bereits der Präsident aufmerksam gemacht, sondern darum, ob Ihnen bewusst ist, welche Probleme viele Menschen in diesem Land auf Grund des hohen Benzinpreises, vor allem auf Grund des hohen Heizölpreises haben. Bislang hat sich nämlich gezeigt, dass die hilfsbedürftigen Menschen sich von dieser Bundesregierung keine Lösung ihrer Probleme erwarten dürfen. Sie haben absolut kein Verständnis für die Probleme der Leute, weil Sie im goldenen Käfig sitzen, weil es Ihnen um Abcashen und nicht um Hilfe geht. Mit Hilfe sind Sie zögerlich, und das in allen Bereichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär! Sie haben die Frage nach den Verursachern des hohen Benzin- und Heizölpreises aufgeworfen. Das seien doch nicht Sie, Sie hätten damit eigentlich gar nichts zu tun. Ganz so ist es natürlich nicht. Sie hätten die Möglichkeit, Reglementierungen zu treffen. Vor allem aber hätten Sie die Möglichkeit, da Sie zwar vielleicht nicht zu den Verursachern, jedenfalls aber zu den Profiteuren dieser Situation gehören, weil Sie nämlich massive Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer haben – die belaufen sich auf rund 2 Milliarden Schilling –, wenigstens einen Teil des Geldes jenen, die es bezahlen, auch wieder zurückzugeben, nämlich jenen Menschen, die den niedrigen und unteren Einkommensgruppen angehören. (Beifall bei der SPÖ.)

Das sind jene Menschen, die ohnedies durch Ihre Belastungen massiv betroffen sind. Diese Mär, dass jene Familien, die unter 30 000 S verdienen, gar nicht betroffen wären, die nimmt Ihnen doch niemand ab, da lachen ja die Hühner. Das ist sozusagen ohnedies gelaufen. Da können Sie 80 Millionen Schilling in eine Inszenierungskampagne stecken oder 100 Millionen. Das ist insgesamt das Problem dieser Bundesregierung: Im Mittelpunkt stehen Belasten, Abcashen, Inszenieren. Das unterscheidet Sie von uns. Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt sowie Problemlösungen für die Leute, die nicht über ein solches Einkommen verfügen, wie Sie es beziehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Haha! Um Gottes willen!)

Diese Menschen sind massiv betroffen von Ihren Belastungen. Und daher stimmt es auch nicht, dass das volkswirtschaftlich ein Nullsummenspiel ist, dass Sie keine Mehreinnahmen haben. Die Steigerung bei den Konsumausgaben, von denen jeder Einzelne betroffen ist, durch eine Inflationsrate, die hausgemacht ist, die mit Ihrer Steuerquote, mit Ihrer Abgabenquote massiv zu tun hat, führt dazu, dass die Sparquote geringer wird, weil diese Menschen ihre Sparbücher auflösen müssen, um sich das Leben leisten zu können, auf Grund der Belastungen, die Sie gesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär! Ich weiß nicht, ob Sie wissentlich die Unwahrheit sagen oder ob es Ihnen ganz einfach so passiert ist (Oho-Rufe bei der ÖVP), aber davon zu reden, dass es zu keiner Erhöhung des Autohaltungskostenindex gekommen sei, das ist völlig absurd. Natürlich hat das etwas damit zu tun, dass die Menschen seit zwei Tagen fast doppelt so viel für die Autobahn-Vignette zu bezahlen haben, und natürlich hat das etwas damit zu tun, dass die motorbezogene Autosteuer um 1 300 S erhöht wurde. Natürlich hat all das dazu geführt, dass der Autohaltungskostenindex um mehr als 10 Prozent gestiegen ist. Wissen Sie, was der Unterschied zu früheren Regierungen ist? Wenn es auch da oder dort Kritik gegeben hat, so wurde das Kilometergeld in der Vergangenheit natürlich erhöht, wenn die Kosten um mehr als 10 Prozentpunkte gestiegen sind. Heute ist diese Bundesregierung zwar wie in allen Bereichen auch beim Abcashen schnell, beim Helfen jedoch weniger.

Ich fordere Sie auf, das Kilometergeld zu erhöhen, weil das auch im Interesse vor allem jener Menschen ist, die es brauchen, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Das klingt so technisch: die kleine Pendlerpauschale, die große Pendlerpauschale. Sagen Sie es: 80 Prozent der Pendler bekommen keinen Schilling und wissen nicht, ob sie sich den Benzinpreis noch leisten können. Das ist Tatsache! (Beifall bei der SPÖ.)


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Pensionisten: Da haben Sie jämmerliche 0,8 Prozent Erhöhungen beschlossen. Dabei waren Sie auch noch zynisch und haben von Übergenuss von Pensionserhöhungen in den letzten Jahren gesprochen. Ich kann Ihnen viele Pensionistinnen und Pensionisten nennen, die kleine Pensionen haben. (Abg. Wenitsch: Warum gibt es so kleine Pensionen nach 30 Jahren Sozialdemokratie?) Über ein Viertel bekommt weniger als 7 500 S. Die sitzen heute nicht im warmen Nest, die haben bei dem Heizölpreis vielleicht Schwierigkeiten, dafür zu sorgen, dass sie eine warme Wohnung haben.

Sie treffen damit Mieterinnen und Mieter, vor allem von Wohnungen, in denen man auf Heizöl angewiesen ist. Diese treffen Sie ohnedies mit Ihren massiven Verschlechterungen im Mietwohnungsbereich, mit Ihren Verunsicherungen und Erhöhungen bei Mieten. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie ist das mit Ihrer Miete? 56 S pro Quadratmeter! Sehr wenig!)

Es betrifft auch all jene, die auf Grund des gestiegenen Heizölpreises mit Mehrkosten von 14 000 S rechnen müssen. Für Familien stellt das ein echtes Problem dar. Ich fordere Sie daher auf, sich nicht Ihrer Verantwortung zu entziehen und zu sagen: Da sollen jetzt die Länder tätig werden und die paar Groschen aufwenden. – Nehmen Sie die Mehreinnahmen, die Sie aus diesen hohen Heizölpreisen erzielen, und geben Sie sie den Menschen, deren Einkommen unter 12 000 S liegt, damit diesen jene Belastungen erspart bleiben, die sie sich womöglich nicht leisten können und folglich diesen Winter in einer kalten Wohnung verbringen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Schröpfaktion, die Sie hier starten, Ihre Hilflosigkeit und Zögerlichkeit, wenn es darum geht, die Probleme der Menschen auch tatsächlich anzupacken, sind ein politischer Skandal. (Zwischenruf des Abg. Großruck. ) Das ist ein politischer Skandal, wie Sie ihn eigentlich nicht wöchentlich, nicht täglich, sondern – wie wir es auch heute erleben – stündlich liefern. Es gibt keine Rücksichtnahme, es gibt keine Hochachtung für Menschen. Wenn ich mir die Diskussion von vorhin mit Ihrem FPÖ-Landesparteiobmann Schnell in Erinnerung rufe, dann muss ich feststellen, dass Sie wirklich nicht Halt machen vor der Missachtung von Menschen beziehungsweise vor deren Würde – nicht einmal vor dem Amt und der Person des Bundespräsidenten!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fordere Sie auf, diesem Antrag zuzustimmen. Das ist ein Antrag, in dem es um konkrete Hilfestellung geht. Ich halte ihn auch nicht für unmäßig, sondern ich halte ihn für einen sehr dringlichen Antrag, der rasch zu beschließen ist, denn im Frühjahr einen Heizkostenzuschuss zu beschließen, würde zu spät sein. Das würde aber Ihrer zynischen Politik entsprechen.

Ich fordere Sie auf, dem Antrag auf generelle Erhöhung der Pendlerpauschale um ein Drittel, auf Erhöhung des Kilometergeldes um 50 Groschen und Gewährung eines Heizkostenzuschusses von zumindest 500 S monatlich für alle, die ein Einkommen von unter 12 000 S in diesem Land beziehen, zuzustimmen. (Abg. Gradwohl: Hilflosenzuschuss!) Wenn Sie diesem Antrag nicht zustimmen, dann bestätigt das eigentlich Ihre Politik: eine sehr asoziale Politik und vor allem eine Politik der sozialen Inkompetenz. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Miete haben Sie uns nicht erklärt! 56 S pro Quadratmeter!)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

15.43

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es widerspricht nicht nur der langjährigen Tradition, dass bei Budgetdebatten Dringliche Anträge gestellt werden – aber gut, die Zeiten ändern sich. Was mir jedoch wirklich schleierhaft ist, ist, dass Sie heute in einem Dringlichen Antrag das fordern, was zum Großteil mit 1. Jänner in Kraft tritt. Das ist für mich nicht verständlich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kostelka: Wo? Na wo denn? In welchem Land?)


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Noch unverständlicher ist, dass Sie zum Beispiel den Heizkostenzuschuss und die Verbesserung der Pendlerpauschale abgelehnt haben. Da versteht dann wirklich niemand, dass Sie heute etwas anderes fordern. (Abg. Dr. Mertel: Was reden Sie denn?)

Nun zu den Ausführungen von Kollegin Bures und Kollegen Nürnberger. Frau Kollegin Bures! Die ÖVP steht dafür, dass bei ihrer Politik die Menschen im Mittelpunkt stehen. Sie sind da jedoch nicht derselben Meinung wie Ihr Kollege Nürnberger. Dieser hat zum Beispiel bei der Unfallrente den Vergleich mit dem kaputten Auto gebracht. Dazu muss ich sagen: Für uns sind Menschen und Maschinen in jeder Beziehung sehr, sehr unterschiedlich. (Abg. Dietachmayr: Aha!) Sie sollten – Sie sitzen ohnehin nebeneinander – mit ihm besprechen, was für Sie wichtiger ist und ob man in diesem Haus Menschen mit Maschinen vergleichen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Staatssekretär Dr. Finz hat schon ausgeführt, dass die Benzinpreise natürlich alle belasten, dass sie aber nicht hausgemacht sind. In einer globalen Welt hängen wir eben von Wirtschaftskreisläufen, von hohen Benzinpreisen ab. Es ist traurig, dass die Erhöhung der Fördermenge der OPEC nicht wirklich zu einer Entlastung geführt hat und dass wir heute einen sehr hohen, einen fünfmal gestiegenen Benzinpreis haben.

Das wirkt sich natürlich auch auf Benzin, Heizöl und Erdgas, auf das Heizen generell aus. Natürlich sind sozial Schwache, Pendler – ich pendle selbst aus einem Bundesland nach Wien –, kinderreiche Familien, die mehrere Räume oder ein Haus heizen müssen, Alleinerzieher und Pensionisten besonders belastet. Wir wissen das, wir wissen, dass sie da Mehrausgaben haben.

Aber Sie müssen auch der Regierung zugestehen, dass sie dieses Problem sofort erkannt und auch angefasst hat und versucht hat, wirklich eine Lösung zu finden.

Herr Ex-Minister Edlinger! Ich bin mir sicher, dass Sie dieses rosarote Papier kennen – das waren noch rosarote Zeiten. Damals haben Sie gesagt, es muss zu einer Erhöhung der MÖSt kommen, und zwar zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Jahres 2000: und zwar für Benzin um 60 Groschen pro Liter, für Diesel um 50 Groschen pro Liter – Mehraufkommen von 2 Milliarden für den Finanzminister; mit Wirksamkeit ab dem Jahr 2001 wird als nächster Schritt die MÖSt für Benzin um weitere 40 Groschen pro Liter, für Diesel um 30 Groschen pro Liter erhöht. – Gesamtaufkommen 6,5 Milliarden. (Rufe bei den Freiheitlichen: Oho! – Abg. Ing. Westenthaler: Der Edlinger wollte die Autofahrer schröpfen! Gott sei Dank gibt es den Edlinger nicht mehr!)

Daher frage ich mich schon, warum Sie es zum Beispiel nicht als wesentlichen Schritt, als ersten Schritt der Regierung anerkennen, dass sie nein zur Erhöhung der Mineralölsteuer sagten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der zweite wesentliche Schritt war sicher, dass sich diese Regierung unverzüglich zu einer Verbesserung beziehungsweise zu einem Heizkostenzuschuss bekannt hat. Sie wissen, dass dies in der Kompetenz der Länder liegt.

Die ÖVP beziehungsweise diese Regierung steht dazu, dass wir die Länder in ihren Anliegen unterstützen, sie jedoch in ihren Entscheidungen nicht bevormunden wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Deswegen haben wir beschlossen, umgehend Schritte zu setzen, um diese schwierige Lage zu bewältigen. Wir werden deshalb den Heizkostenzuschuss der Länder verdoppeln.

Ich glaube, die größte Freude mit diesem Ansatz müssen eigentlich die Wienerinnen und Wiener haben, wo es sehr viele ältere Leute gibt – Ihnen sind ja die Pensionisten so wichtig. Ich glaube, dass die Initiative der Regierung bewirken wird, dass es endlich auch in Wien eine Unterstützung von Seiten der Stadt geben wird. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wird immer wieder von Ihrer Seite von sozialer Kälte, von einem kalten Herzen gesprochen. – Diese Regierung steht dazu, dass es soziale Gerechtigkeit gibt, und – wie der Herr Staatsse


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kretär gesagt hat – wir garantieren, dass es keinen kalten Raum in Österreich geben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Pendlerpauschale: Der Herr Finanzminister hat schon ausgeführt, dass es eine Erhöhung der großen Pendlerpauschale geben wird. Ich möchte jedoch – da die Benzinpreise nicht nur Landessache sind – auch etwas über die Landesgrenzen hinausblicken, besonders dort, wo Ihre Schwesterparteien an der Regierung sind: In Belgien beträgt der Benzinpreis zum Beispiel 15,62 S, in Italien 15,41 S, in den Niederlanden 16,78 S, und – man höre und staune! – im Land des Tony Blair beträgt der Dieselpreis 18,74 S. Ich glaube, das sollten wir in dieser Debatte auch festhalten.

Mir persönlich ist es wichtig, zu versuchen, Unterstützung zu geben. Ich glaube, man muss in dieser Debatte auf alle Fälle unterstreichen, dass diese Regierung – trotz Sparbudget – soziale Maßnahmen setzt, dass sie sofort erkennt, wann Sondermaßnahmen zu setzen sind, wie zum Beispiel beim Heizkostenzuschuss oder der Pendlerpauschale.

Die Sprachwahl Ihrerseits wird auch immer härter. Sie schreiben im Dringlichen Antrag: "entgegen den gebetsmühlenartig wiederholten Unwahrheiten der Regierungsmitglieder". – Sie sind leider nicht lernfähig, denn an und für sich hätte es in einer Budgetdebatte diesen Dringlichen Antrag gar nicht geben müssen.

Wenn man schon von "gebetsmühlenartig" spricht, dann muss man sagen: Sie wiederholen Sachen gebetsmühlenartig, die schon längst gelöst sind, die Sie immer wieder einfordern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Wo denn?)

Trotz Ihrer Anschuldigung betreffend gebetsmühlenartiger Wiederholung muss ich sagen: Sie versuchen, den Österreicherinnen und Österreichern wiederholt einzureden – gebetsmühlenartig –: Es geht euch so schlecht! Es geht euch so schlecht! Es geht euch so schlecht! (Abg. Edlinger: Das kommt schon!)

Eines sage ich Ihnen: Wenn Sie so weiter machen, dann wird das auf alle Fälle auf Ihre Partei zutreffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer. – Bitte.

15.51

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die doch sehr geringe Präsenz der Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei ist wohl ein deutlicher Hinweis darauf (Zwischenrufe bei der SPÖ), dass selbst die hinteren Reihen schon gelernt haben, was es in den nächsten eineinhalb Jahren zu sagen gibt. Etwas anderes als eine Wiederholung der schon immer wieder von Ihnen gebetsmühlenartig geführten Debatte für jene, die weiter hinten sitzen, damit sie es auch verstehen und draußen verkaufen können, obwohl es nicht stimmt, kann das ja nicht sein.

Aber offensichtlich haben auch sie das schon mitbekommen und wollen den x-ten Aufguss nicht mehr hören. Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, warum in den sozialdemokratischen Reihen so wenige zu finden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Bevor ich mich jedoch mit diesem nicht mehr neuen Dringlichen Antrag beschäftige, habe ich – vor allem auch für die Zuhörer – eine, wie ich meine, sehr sensationelle Meldung (Abg. Dr. Grünewald: Trag was bei!), und zwar im Zusammenhang mit dem Lieblingsthema von Pilz: Ein der Staatsanwaltschaft vorliegendes, offizielles und amtliches Gerichtsgutachten bestätigt nun, dass der berühmte angebliche Brief des Haider-Leibwächters Horst Binder an Jörg Haider – meine Damen und Herren: gut aufpassen, das ist amtlich bestätigt – tatsächlich gefälscht ist. (Rufe bei den Freiheitlichen: Ach so! Gefälscht! Das ist ein Wahnsinn!)


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Ich verstehe die Enttäuschung bei den Grünen. Damit ist das Hauptindiz für die Vorerhebungen gegen den Landeshauptmann von Kärnten als Fälschung enttarnt, und die ganze Sache bekommt eine neue Dimension, von der Sie, Kollege Öllinger, nicht gerne hören, weil die Vorwürfe gegen Jörg Haider zusammenbrechen. (Abg. Mag. Stoisits telefoniert von ihrem Platz aus. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Frau Stoisits ruft schon den Pilz an!) Jetzt wird offensichtlich, dass diese Geschichte von langer Hand geplant wurde und es wieder einmal darum ging, FPÖ-Mandatare vor einer Wahl zu diffamieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Von wem hat Horngacher die Geschichte bekommen?)

Von wem hat Horngacher die Geschichte bekommen? Wir werden nachfragen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Schweitzer! Ich habe Ihnen selbstverständlich die Möglichkeit zu geben, etwas, was Ihnen wichtig ist, in mehreren Sätzen zu sagen. Aber das Thema des Dringlichen Antrages ist die Pendlerpauschale. Darauf mache ich pflichtgemäß aufmerksam.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Ja, Herr Präsident! Ich will nur noch einen Satz sagen: Damit ist das Ende der Skandalisierung angebrochen, aber ein Start für einen neuen Skandal gegeben. Ich bin schon neugierig, wo die handelnden Personen dann zu finden sein werden.

Nun zum Kollegen Nürnberger. Herr Kollege Nürnberger! Wir haben uns in der FPÖ darauf verständigt, dass wir Sie nie kritisieren werden – egal, was Sie hier auch behaupten. Schließlich sind Sie der Gründervater dieser Reformkoalition, und ich danke Ihnen noch einmal für das damalige Nein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch die Historiker werden es entsprechend zu bewerten wissen, wenn sie später einmal die Geschichtsbücher schreiben werden: Sie sind ein Hauptverantwortlicher für die Sanierung Österreichs durch diese Reformkoalition. – Nochmals besten Dank dafür.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mir die Debatten, die sich ja seit Beginn der Budgetkonsolidierung wiederholen, anhöre, dann fällt mir auf, dass von Ihnen immer wieder das Gleiche kommt. Sie demonstrieren gegen einen Reformkurs, der gekennzeichnet ist durch eine Lohnsteuersenkung, die schlussendlich dazu führt, dass trotz einiger weniger Maßnahmen gerade für die Bezieher kleiner Einkommen unter dem Strich mehr übrig bleibt, als es bisher der Fall war. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Dietachmayr. )

Sie wollen eine Belastung der "kleinen Leute" verkaufen. Tatsache ist: Unter dem Strich bleibt für die so genannten Kleinverdiener und Kleinstverdiener mehr übrig, als das unter Ihrer Regierung der Fall war. Das werden Sie nicht wegdiskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie demonstrieren hier und mit Ihren Helfershelfern auf der Straße gegen das von dieser Regierung eingeführte Familiengeld. Uns sind Familien ein Anliegen, Ihnen offensichtlich nicht.

Sie demonstrieren hier und auch draußen gegen die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. All das sind Reformen, die diese Bundesregierung innerhalb kürzester Zeit umgesetzt hat.

Kollegin Pfeffer wird zu dem, was ich jetzt sage, noch einiges bemerken können, weil ja dieser Heizkostenzuschuss in die Kritik der Opposition geraten ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt beinahe überall Landesregelungen, und dankenswerterweise hat sich unser Finanzminister Karl-Heinz Grasser dazu bereit erklärt, die durch Landesgesetze verfügten Heizkostenzuschüsse zu verdoppeln.

Frau Kollegin Pfeffer! Wo hat Herr Finanzminister Karl-Heinz Grasser diese Möglichkeit nicht, den Heizkostenzuschuss zu verdoppeln? Es gibt ein Bundesland in Österreich, wo Karl-Heinz Grasser den Heizkostenzuschuss nicht verdoppeln kann. Welches Bundesland ist das? (Abg.


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Schwarzenberger: Das könnte Wien sein!)  – Es ist das Burgenland. (Abg. Ing. Westenthaler: Das sozialistische Burgenland!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ewig lang unter sozialistischer Führung unter Landeshauptmann Stix. Er hat es verabsäumt, einen Heizkostenzuschuss per Landesgesetz zu schaffen. Daher haben wir von der von den Freiheitlichen und der ÖVP geführten Regierung nicht die Möglichkeit, einen entsprechenden Zuschuss zu verdoppeln. (Abg. Ing. Westenthaler: Die haben sie vergessen, die Burgenländer!) Die Burgenländer leiden darunter, dass Stix in dieser Frage säumig war. Das ist am Heizkostenzuschuss zu kritisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist aber ein weiteres, noch rot-geführtes Bundesland zu kritisieren, wenn es um die Belastung der kleinen Leute geht. Nirgendwo werden derart unsozial hohe Kindergartenbeiträge eingehoben wie in Wien. Es liegt in der Hand der Stadt Wien, es liegt in der Hand des Herrn Bürgermeisters Häupl, soziale Maßnahmen zu setzen und die Kindergartenplätze für die Kleinverdiener, für die Niedrigverdiener entsprechend billiger zu machen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten! In von anderen Parteien geführten Bundesländern liegen die Kindergartenkosten bei weit unter 1 000 S. Hier in Wien zahlt man 3 000 bis 4 000 S pro Monat, im Burgenland 450 S, in Niederösterreich in allen Gemeinden unter 1 000 S. Da gibt es Handlungsbedarf. Im sozialdemokratischen Wien kann der Bürgermeister für die Kleinverdiener noch sehr viel tun. (Abg. Ing. Westenthaler: Der wird nächstes Jahr abgewählt! – Abg. Edlinger: Sie haben ja keine Ahnung!)

Herr Kollege Nürnberger! Eine Frage hätte ich Ihnen gerne noch gestellt: Wo waren Ihre Dringlichen Anträge in den Jahren 1996 und 1997, als Belastungspakete mit einer Gesamtsumme von 100 Milliarden Schilling beschlossen wurden? Reine Steuererhöhungen! Wo waren die Dringlichen Anträge der österreichischen Gewerkschaft des Herrn Nürnberger? Überall hat diese Gewerkschaft mit dem Herrn Nürnberger und allen seinen Gewerkschaftsvertretern, die hier sitzen, mitgestimmt. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Edler. )

Kollege Edler! Erinnern Sie sich? – 100 Milliarden Schilling Belastung haben Sie damals, ohne mit der Wimper zu zucken, mitbeschlossen. Heute entpuppt sich der ÖGB – für uns natürlich nicht wirklich überraschend – als Kampfmaschine – allerdings als wenig erfolgreiche – gegen diese Reformregierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung bereitet innerhalb weniger Monate zwei Reformbudgets vor (Abg. Edlinger: Drei Belastungspakete, Herr Schweitzer!), unter dem Aspekt: nie wieder Schulden, nie wieder Zinsen. Was tun Sie? – Sie kommen heraus und kritisieren ohne Argument, Sie beklagen das Tempo. (Abg. Edlinger: Ich beklage kein Tempo! – Weitere Zwischenrufe des Abg. Edlinger. )

Herr Kollege Ex-Finanzminister! Wann denn sonst Sanierung, wenn nicht in Hochkonjunkturzeiten? Seitdem diese Bundesregierung im Amt ist, haben wir die niedrigste Arbeitslosenrate seit langem. Beinahe Vollbeschäftigung, ein Hoch bei der Seniorenbeschäftigung, ein Hoch bei der Jugendbeschäftigung. Die Jugendarbeitslosigkeit konnte drastisch gesenkt werden. (Abg. Edlinger: Und das bei dieser Regierung! Stellen Sie sich vor, was das für ein klasses Land ist!)

Es gibt, weil man dieser Bundesregierung eben so viel zutraut, eine Unzahl von neuen Betriebsgründungen und viele neue Arbeitsplätze. Die Investoren haben großes Vertrauen in die Reformkraft dieser Bundesregierung. Während Ihrer Regierungszeit hat es dieses Vertrauen nicht gegeben.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, diese Bilanz kann sich sehen lassen, diese Bilanz ist im Interesse der österreichischen Bevölkerung. Ihre Bilanz ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Der Schlusssatz: Herr Kollege Edlinger! Herr Kollege Nürnberger! Ihre Bilanz von 30 Jahren SPÖ-Regierung lautet: Sie haben 144 Mil


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lionen Schilling pro Tag Schulden gemacht. – Das kann jeder. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Sima zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.01

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeordneter Schweitzer hat in seiner Rede von der unsozialen Politik der Wiener SPÖ gesprochen und davon, dass es für Kleinverdiener nicht möglich sei, günstige Kindergartenplätze zu bekommen.

Das ist falsch. Herr Kollege Schweitzer! Ich weiß es aus eigener Erfahrung: Wenn man in Wien wenig verdient, kostet der Kindergartenplatz nichts. (Rufe bei den Freiheitlichen: Mit einem 100 000-S-Einkommen! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wie Sie wissen, habe ich einmal bei Global 2000 gearbeitet, wo man nicht besonders viel Geld verdient. Ich habe es trotzdem nie in Anspruch genommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf jeden Fall ist es so, dass man, wenn man in Wien wenig verdient, für den Kindergartenplatz nichts bezahlt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aber auch keine tatsächliche Berichtigung!) Es gibt eine soziale ...

16.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Die Behauptung war: unsozial. Sie haben gesagt, das ist nicht der Fall. Die tatsächliche Berichtigung ist daher beendet.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Ruf: Das war eine tatsächliche Bestätigung! – Abg. Edlinger  – in Richtung der Freiheitlichen –: Sie hat keinen Millionär als Vater! Ihr habt alle Millionäre als Väter! Sie ist ein armes Madl!)

16.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 84 Millionen Schilling wendet diese Bundesregierung heuer und im nächsten Jahr für einen Propaganda-Feldzug auf. Wissen Sie, wie viel die Bundesländer Burgenland und Kärnten pro Jahr den SozialhilfebezieherInnen zur Verfügung stellen? – Das Bundesland Burgenland 17 Millionen Schilling für so genannte Dauerhilfe, das Bundesland Kärnten 42 Millionen.

Es wäre – und das ist nicht billige Polemik – wirklich dem Thema angemessen, auch darüber nachzudenken, ob die 84 Millionen Schilling, die nur für Propaganda aufgewendet werden, nicht besser für zwei Bundesländer aufgewendet werden sollen, um denen, die von der Sozialhilfe leben müssen, das Leben erträglich zu machen. Das wäre eine Möglichkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Sehr sozial!)

Meine Damen und Herren! Ich habe diese beiden Bundesländer nicht zufällig ausgewählt, sondern deshalb, weil sowohl das sozialdemokratisch dominierte Burgenland (Abg. Mag. Schweitzer: Schon wieder das Burgenland!) als auch das inzwischen freiheitlich dominierte Kärnten jene Bundesländer sind, die im Bereich der Sozialhilfe wesentlich weniger – bezogen auf ihre sonstigen Ausgaben – aufwenden als alle anderen Bundesländer, obwohl sie die ärmsten Bundesländer sind.

Kärnten wendet die Hälfte der normalen Sozialhilfeausgaben, die andere Bundesländer aufwenden, auf, ebenso das Burgenland. Das ist erschreckend wenig. Ich komme noch einmal auf das Thema Sozialhilfe zurück, weil es in der Behandlung dieses Antrages nicht unwesentlich ist.

Bei der Behandlung dieses Antrages lässt sich sagen – dazu ist im Dringlichen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion viel ausgeführt –: Diese Regierung unternimmt nichts beziehungsweise sehr wenig, um Personen mit niedrigem Einkommen zu entlasten und gegen die


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massiven Verteuerungen im Energie- und Verkehrsbereich abzusichern. Der Vorschlag der Sozialdemokraten ist leider auch keine geeignete Grundlage, um etwas zu unternehmen.

Meine Damen und Herren! Das möchte ich Ihnen erläutern, weil ich finde, dass, wenn man solch einen Antrag stellt und ihn auf das unterste Drittel der Einkommen bezieht – und das meinen Sie auch, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion –, man die Finger davon lassen sollte, das Kilometergeld um 50 Groschen pauschal für jeden Mann und jede Frau in Österreich, die mit dem PKW fahren, zu erhöhen. Das hat nichts mit sozialer Absicherung gegen Verteuerungen im Energie- und Verkehrsbereich zu tun. (Beifall bei den Grünen.)

Ich mache Ihnen eine einfache Rechnung. Ich kaufe einen PKW um 250 000 S und fahre – anders, als der Herr Staatssekretär das vorgerechnet hat – pro Jahr 100 000 Kilometer beruflich veranlasste Reisen. 100 Kilometer mit dem PKW verursachen – mit sieben Litern gerechnet – Benzinkosten in der Höhe von 100 S. – Das ist für Mittelklasse-PKW durchaus ausreichend. Das macht bei 100 000 Kilometern reine Benzinkostenabgeltung 100 000 S. – Ein klarer Fall. 250 000 S kostet der PKW.

Jetzt nehme ich noch alle Kosten dazu, die mir der PKW sonst noch verursacht, dann komme ich auch bei diesen teuren Benzinpreisen auf Kosten von 400 000 S im Jahr. Kilometergeldentschädigung erhalte ich jetzt schon 490 000 S. Ich kann also auch bei der bestehenden Kilometergeldabrechnung noch immer ganz gut verdienen: 90 000 S bei 100 000 Kilometern. – Zugegeben, das Beispiel ist sehr einfach und simpel, aber es zeigt, dass das Kilometergeld in seiner bestehenden Form eine völlig überholte Einrichtung ist. Zu Recht! (Zwischenruf des Abg. Schieder. )

Der Punkt ist der – ich gebe Ihnen trotzdem noch Recht –, dass es für Personen mit niedrigem Einkommen, die beruflich veranlasste Reisen machen müssen, unter Umständen ein Problem sein könnte. Aber Sie schlagen eine pauschale Erhöhung um 50 Groschen vor, und die ist sicher nicht gerechtfertigt.

Zweites Beispiel: Sie schlagen eine generelle Erhöhung des Pendlerpauschales vor. Meine Damen und Herren! Auch damit habe ich ein Problem, darüber kann man diskutieren. Es wird von uns im Rahmen dieser Debatte ein Antrag vorgestellt werden. Aber ich habe ein Problem damit, da das große Pendlerpauschale natürlich auf den PKW bezogen ist. Nur: Wo findet zum Beispiel eine Billa-Verkäuferin, die 70 oder 80 Kilometer fahren muss, dies jedoch nicht mit dem PKW tun kann, weil ihr das Gefährt zu teuer ist – sie kann sich das Autofahren nicht in jedem Fall leisten –, eine Entsprechung?

Wo hat die NotstandshilfebezieherIn eine Entsprechung? – Diese Personen betrifft das Pendlerpauschale überhaupt nicht. Wo hat der Sozialhilfebezieher oder die Sozialhilfebezieherin beim Pendlerpauschale eine Entsprechung? (Abg. Edlinger: Die arbeiten nicht! Die betrifft das nicht!) Das betrifft sie nicht, obwohl sie auch in Wien, ja quer durch die Bundesländer reisen müssen, um sich einen Arbeitsplatz zu organisieren, um sich vorstellen zu können. Die Entschädigungen, die es für diese Gruppen beim Arbeitsmarktservice gibt, sind teilweise schon längst abgeschafft. (Abg. Dietachmayr: Sozialhilfe und Pendlerpauschale passen nicht zusammen!)

Meine Damen und Herren! Ich halte den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, so Leid es mir tut, in diesen Punkten für nicht durchdacht und auch nicht auf das unterste Einkommensdrittel bezogen. – Es ist so.

Jetzt bringe ich Ihnen noch ein Beispiel, weil mich das besonders ärgert, und ich habe nicht zufällig mit der Sozialhilfe begonnen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel.  – Abg. Dietachmayr: Das eine ist Sozialhilfe, das andere ist das Pendlerpauschale! Das passt nicht zusammen!) – Auch Sozialhilfebezieher brauchen eine bestimmte Mobilität. Sie werden doch diesen Leuten zugestehen, dass sie sich durch ein Bundesland bewegen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe das Beispiel der Notstandshilfebezieherin gebracht, ich habe das Beispiel der Billa-Verkäuferin gebracht. Die haben alle nichts von Ihrem Pendlerpauschale. (Rufe bei der SPÖ: Das sind Sozialhilfebezieher!)


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Ich habe von der Sozialhilfebezieherin nicht in diesem Zusammenhang gesprochen, obwohl auch eine Sozialhilfebezieherin oder ein -bezieher ein Recht auf Mobilität hat. (Abg. Edlinger: Schon, aber er braucht kein Pendlerpauschale!)

Ich bringe Ihnen noch ein Beispiel: Im Dringlichen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion heißt es – und dem wäre ja zuzustimmen –:

"In den Sozialhilfegesetzen der Bundesländer sind gleichwertige Regelungen auf landesgesetzlicher Ebene zu schaffen und die erhöhten Mittel auszubezahlen." – Das bezieht sich auf den Heizkostenzuschuss. Das ist auch okay.

Aber ich sage Ihnen eines – und das ist das, was mich an der sozialdemokratischen Politik so ärgert, genauso wie es mich an der ÖVP-Politik ärgert –: Im Bundesland Burgenland – und wir diskutieren ja auch etwas wahlbezogen – wird die Sozialhilfe unter Regress gestellt. Das heißt, jede burgenländische Sozialhilfebezieherin, jeder burgenländische Sozialhilfebezieher muss entweder die Sozialhilfeleistung dann, wenn sie/er ein bisschen Einkommen hat, zurückzahlen, oder die Verwandten werden dazu veranlasst, die Sozialhilfe zu bezahlen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Sagen Sie nicht "nein", in Kärnten ist es genauso, Frau Kollegin Mertel! Das ist furchtbar, und das ist wirklich eine schlimme Praxis, die es noch immer gibt. Dass das ausgerechnet in einem Bundesland, das unter SPÖ- und ÖVP-Verwaltung steht, in dem aber die Sozialpolitik im Wesentlichen von den Sozialdemokraten gemacht wird, der Fall ist, und zwar im Burgenland, wo in einem Sozialhilfegesetz des Jahres 2000 – es ist also neu gemacht worden – noch einmal der Regress verankert wurde, und zwar auch gegenüber den Angehörigen, das finde ich besonders schlimm.

Ich sage Ihnen: Ich wäre nicht draufgekommen, hätten mich nicht Angehörige von burgenländischen Sozialhilfebeziehern, die hier in Wien wohnen und von 13 000 S, 14 000 S Pension leben müssen, auf der Straße angesprochen und mir gesagt: Das darf doch nicht wahr sein, dass von uns die burgenländische Landesregierung für unser Kind, das im Burgenland lebt und ein Pflegefall ist, Regress fordert.

Da sage ich auch: Das darf doch wirklich nicht wahr sein! – Das ist aber Realität, meine Damen und Herren. Aber wenn man tiefer in die Sache geht und dem untersten Drittel helfen will – und das nehme ich Ihnen ab, das will ich auch ernst nehmen –, dann muss die Sache durchdacht sein. Ich kann leider nicht feststellen, dass dieser Ihr Dringlicher Antrag durchdacht ist. (Beifall bei den Grünen.)

Ich gestehe Ihnen zu, dass dort, wo es um den Heizkostenzuschuss geht, die größte Plausibilität in diesem Ihrem Dringlichen Antrag für mich gegeben ist. Ja, überlegen wir, was wir tun können, um wegzukommen vom Bezug der Sozialhilfe auf den Bezug von unteren Einkommen für alle Personen. Aber, bitte, eine Bemerkung dazu auch noch: Nehmen wir auch jene PolitikerInnen in die Pflicht, die in den letzten Jahren den Bürgerinnen und Bürgern eingeredet haben, dass das Günstigste und Ökologischste eine Ölheizung ist. (Beifall bei den Grünen.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

16.13

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Würden wir eine Bundesregierung haben, die ihre Versprechungen vor der Wahl ernst nimmt und sie in die Tat umsetzt, dann wäre die Debatte zum vorliegenden Dringlichen Antrag sicherlich ein sehr wichtiges Ereignis für die Pendler in unserem Land. Die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Gewährung eines Heizkostenzuschusses sind ja Maßnahmen, die eigentlich zur Ergänzung und zur Abrundung der sozialen Maßnahmen dienen.


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Lieber Kollege Schweitzer, ich weiß nicht, ob du dich im Haus befindest (Abg. Böhacker: Sicher!), aber du wirst sicher erfahren, was ich dir jetzt sage, nämlich dass die Sozialhilfe im Burgenland vierzehnmal gewährt wird, wobei der 14. Bezug als Heizkostenzuschuss angesehen wird. Er beträgt für einen Alleinstehenden 5 020 S und für eine Familie mit zwei Kindern 9 500 S. Ich glaube, das kann sich schon sehen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie gesagt, im Normalfall müsste dies eine sehr positive Diskussion hier im Hohen Haus, aber auch in der Öffentlichkeit sein, doch die derzeitige Bundesregierung und Mehrheit in diesem Hohen Haus hat gezeigt, wie vergesslich Schwarz und wie wortbrüchig Blau sein kann. Der eine vergisst, dass er in die Opposition gehen wollte, und der andere bricht sein Wort reihenweise, weil möglichst viele Regierungsmitglied sein wollen. Inzwischen sitzen ja schon drei Ersatzleute auf der Regierungsbank.

Hohes Haus! Diese Koalition der Vergesslichen und Wortbrüchigen hat es offenbar auf die burgenländischen Arbeitnehmer abgesehen. Sie wissen, dass viele Burgenländerinnen und Burgenländer gezwungen sind, in den Ballungszentren zu arbeiten. (Abg. Großruck: Nicht nur Burgenländer!) Wir waren immer das Land der Pendler, und wir sind es im großen Maße auch heute noch. Rund 40 000 Menschen pendeln täglich nach Wien. Aus meinen unzähligen Gesprächen mit Pendlern weiß ich, wie treffsicher Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, gearbeitet haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Erhöhung der Kfz-Steuer auf das durchschnittlich Doppelte trifft unsere Menschen sehr hart. Nicht nur der Pendler ist auf das Auto angewiesen, sondern die meisten von uns, weil es nicht genügend Angebote an öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. (Abg. Großruck: Wer war denn jahrzehntelang Verkehrsminister?) Dazu kommt noch der fast doppelte Preis für die Autobahnvignette. Auch das ist ein gezielter Schlag gegen die Pendler.

Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär in Vertretung des Herrn Bundesministers, schauen untätig zu, wie die Benzinpreise hinaufklettern. Sie weigern sich, einzugreifen und den Menschen zumindest die Spitzen dieser Benzinpreisorgien zu ersparen. Damit Ihnen keiner bei Ihrer Treffsicherheit entkommt, haben Sie sofort auch die Zuschüsse zu den Verkehrsverbünden gekürzt. Das bedeutet eine Verteuerung der Bus- und Bahntarife um mehr als 10 Prozent. Allein diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, kosten die Pendler aus dem Burgenland insgesamt mehr als 250 Millionen Schilling im Jahr – 250 Millionen Schilling, die den burgenländischen Familien fehlen.

Aber damit ist es ja nicht genug: Sie haben auch noch die Stromsteuer verdoppelt. Fast 13 Groschen pro Kilowatt haben Sie aufgeschlagen, und das sind allein für die burgenländischen Haushalte 71 Millionen Schilling pro Jahr.

Wenn ich an die Kostensteigerung beim Heizöl denke, dann muss ich Ihnen, Herr Staatssekretär, wieder die Frage stellen: Warum unternehmen Sie nichts? Warum machen Sie nicht von Ihren gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch? Insgesamt, meine Damen und Herren, zahlen die Menschen dank Ihrer treffsicheren Maßnahmen mehr als 800 Millionen Schilling im Jahr mehr an Steuern, Abgabentarifen und Preiserhöhungen.

Heute wollen Sie diese Serie von Wortbrüchen, Sozialbelastungen und Steuern für die kleinen Familien mit diesem Antrag auf Erhöhung der Pendlerpauschale und des Heizkostenzuschusses überdecken. Sie verteilen Almosen, nachdem Sie die Menschen an die Grenzen der Armut getrieben haben. Wo ist da Ihre christlich-soziale Einstellung, meine Damen und Herren von der ÖVP? Ich bin der Meinung, Sie haben nicht mehr das Recht, sich christlich-sozial zu nennen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie räumen die Brieftaschen der Bezieher kleiner Einkommen aus und tun so unschuldig, als ob es die einzigen Maßnahmen wären. Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren von der Koalition, dass die Rechnung für diese Politik der Grauslichkeiten präsentiert wird. Heute wissen die Menschen, was Schwarz-Blau bedeutet. Es ist eine Politik nach dem Motto: Nehmt es den Kleinen und beschenkt die Großen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Am kommenden Sonntag, meine Damen und Herren, wählen die Burgenländerinnen und Burgenländer ihren neuen Landtag. (Die Rednerin trägt ein rot-goldenes Klebeetikett mit der Aufschrift: "Hans Niessl und das Team Burgenland. Voller Einsatz für das Land.") Wir sind überzeugt davon, dass die burgenländischen Menschen die richtige Wahl treffen werden. (Abg. Haigermoser: Halleluja!) Sie werden sich nicht für diejenigen entscheiden, die durch kosmetische Korrekturen bei der Pendlerpauschale und beim Heizkostenzuschuss ihr Belastungsprogramm verstecken wollen. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, wollen Ihre Vergesslichkeiten und Wortbrüche ganz beschämt verbergen. Das wird Ihnen nicht gelingen, denn Sie sind die Koalition der Wortbrüchigen und Vergesslichen. Wir hingegen sind die Bewegung der Verlässlichen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Halleluja!)

Die Entscheidung im Burgenland wird Ihnen das bestätigen, und mit Recht werben wir neben unserem sozial ausgewogenen Programm des Fortschrittes und der Ausgewogenheit mit dem Slogan: Rot-Gold statt Schwarz-Blau! (Beifall bei der SPÖ.)

16.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Professor Bruckmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.20

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Lassen Sie mich einige wenige Sätze zur merkwürdigen Forderung Nummer drei dieses Dringlichen Antrages sagen, die da lautet: "Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, in der Regierung dafür einzutreten, einen Heizkostenzuschuss ... zu beschließen."

Kollege Nürnberger, der Sie sich in die Finsternis hinter der letzten Bank zurückgezogen haben (Heiterkeit), hier haben sich mir zwei Betrachtungsweisen aufgedrängt: eine liebenswürdigere: Sie erinnern mich an den kleinen Prinzen bei Antoine de Saint-Exupéry, der der Sonne befiehlt, aufzugehen (Heiterkeit bei der ÖVP), und die weit weniger liebenswürdige: Ich möchte Sie fragen, wo Sie die letzen Wochen zugebracht haben. (Abg. Nürnberger: Entschuldigen Sie sich!) Sicherlich nicht in Österreich, sondern in irgendeinem tibetanischen Kloster, wo es weder Zeitungen noch Radio noch Fernsehen gibt (Beifall bei der ÖVP), denn diese Forderung ist bestenfalls ein halblauter Böllerschuss, der völlig ins Leere geht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Offenbar nehmen die Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion den eigenen Antrag nicht allzu ernst, denn sehr stark besetzt sind ihre Bänke nicht. (Abg. Dr. Khol  – dazu, dass Abg. Mag. Prammer soeben den Saal verlässt –: Jetzt geht auch noch die Prammer weg!)

Ich darf nun die Genesis dieses Heizkostenzuschusses in Erinnerung rufen. Angesichts der gestiegenen Heizkosten haben am 12. September 2000 das Präsidium des Österreichischen Seniorenbundes und zeitgleich der ÖAAB beschlossen, genau diesen Antrag zu stellen, nämlich die Bundesregierung einzuladen und aufzufordern, einen Heizkostenzuschuss für schwächere Einkommensschichten zu gewähren. (Abg. Edler: Sie werden ausgeschlossen, habe ich gehört!) Am nächsten Tag, am 13. September 2000, hat der Pensionistenverband eine wortgleiche Aufforderung gerichtet, ohne aber darauf hinzuweisen, dass er mehr oder weniger nur wiederholt, was am Tag vorher gesagt wurde. Dasselbe gilt auch für den Herrn Vorsitzenden Gusenbauer, der tags darauf ebenfalls diese Forderung erhoben hat.

Am 19. September 2000 bereits ist ein diesbezüglicher Regierungsbeschluss erfolgt, und zwar der Beschluss, Zuschüsse, die die Bundesländer gewähren, zu verdoppeln. Ich möchte ausdrücklich sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der alten Koalitionsregierung eine derartig rasche Vorgangsweise realisierbar gewesen sein dürfte.

Am selben Tag, am 19. September 2000, hat der ÖVP-Parlamentsklub in Purbach getagt und ausdrücklich diese Gewährung eines Heizkostenzuschusses gutgeheißen. Am 17. Oktober 2000 ist die Regierungsvorlage als Teil des Finanzausgleiches beschlossen worden und hat in dieser Form in die Budgetbegleitgesetze Eingang gefunden, und ich darf Sie doch daran erinnern, dass Sie den Budgetbegleitgesetzen nicht Ihre Zustimmung gegeben haben. Wenn Ihnen an diesem


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einen Paragraphen so viel gelegen wäre, hätten Sie ja eine getrennte Abstimmung darüber verlangen können.

Es wird aber noch absurder: Wie Vorredner bereits ausgeführt haben, ist die Gewährung von Heizkostenzuschüssen eigentlich Landessache, und was diese betrifft, sind in Österreich fast alle Bundesländer längst aktiv geworden. (Abg. Loos: Wie schaut das im Burgenland aus?) Einige zahlen bereits den Heizkostenzuschuss aus. Es sind nur zwei, bei denen nicht dasselbe gesagt werden kann. Was Wien betrifft, fand ich nichts anderes als eine Presseaussendung vom 7. November 2000, in welcher Folgendes steht: "Stadt Wien beabsichtigt 1 000 S als Einmalzahlung." Und weiter unten heißt es in derselben Presseaussendung:

"Da die Stadt nur über die Daten der Sozialhilfeempfänger verfügt, warte man nun auf die Übermittlung von Daten der in der Bundeshauptstadt lebenden Langzeitarbeitslosen und Mindestpensionsbezieher durch das Sozialministerium." – So viel zu Wien.

Was das Burgenland betrifft, hat die Bundesregierung bisher überhaupt nichts gehört, dass in diesem Punkt irgendetwas beschlossen worden wäre, was dann allenfalls zu verdoppeln wäre. (Abg. Loos: Wer ist im Burgenland Sozialreferent?) Als gelernter Statistiker drängt sich mir in diesem Fall der Begriff der Korrelation auf zwischen der Parteizugehörigkeit des jeweiligen Landeshauptmannes auf der einen Seite und jenen Bundesländern, die diesbezüglich noch kaum etwas getan haben, auf der anderen Seite. In den anderen sieben Bundesländern sind sehr wohl Heizkostenzuschüsse schon unterwegs. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loos: Die "wirklich" sozialen!)

Herr Abgeordneter Nürnberger! Ihr Dringlicher Antrag hat einen falschen Adressaten. Bitte lassen Sie ihn von Ihren Parteifreunden in der Gemeinde Wien und im burgenländischen Landtag einbringen!

Ich möchte noch hinzufügen, dass auch auf Gemeindeebene auf diesem Gebiet schon außerordentlich viel geschehen ist. Mir hat der Bürgermeister von Grieskirchen eine Information zur Verfügung gestellt, von der er ausdrücklich gesagt hat, das sei keine Ausnahme, sondern etwas, das in vielen, in unzähligen Gemeinden in Österreich, zumindest in jenen, die über einen ÖVP-Bürgermeister verfügen, realisiert werde. Ich lese nur einige Titel der Aktionen vor, die auf Gemeindeebene erfolgen: "Stiftung Grieskirchner helfen Grieskirchnern", "Sozialmieteaktion", "Gemeindewohnbeihilfe", "Sozialbrennstoffaktion", "Förderung von Anlagen zur Nutzung alternativer Energieträger", "Zuschuss für Überprüfungsmaßnahmen bei Heizanlagen." (Abg. Großruck: Und so weiter und so fort!)

Hohes Haus! Es handelt sich hier um ein klares Beispiel sozialer Treffsicherheit auf allen drei Ebenen: auf Gemeindeebene, auf Landesebene und auf Bundesebene, denn auch die beschlossene Verdoppelung des Heizkostenzuschusses auf Bundesebene ist ausschließlich auf sozial schwächere Schichten ausgerichtet. (Beifall bei der ÖVP.)

Lieber Kollege Nürnberger! Ich möchte zusammenfassend sagen: Es handelt sich bei Ihrem Dringlichen Antrag nicht nur um einen halblauten Böllerschuss ins Leere, sondern um einen Rohrkrepierer, aber lassen Sie mich ähnlich freundlich schließen, wie ich begonnen habe: Werter "kleiner Prinz" Rudolf Nürnberger, Sie brauchen der Sonne nicht zu befehlen, aufzugehen. Sie scheint schon längst, sie scheint schon wesentlich stärker, als Sie wahrnehmen wollen, auch wenn Sie davon bisher noch nichts bemerkt zu haben scheinen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

16.27

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Pfeffer – ist sie da?, ich kann sie nicht sehen (Ruf bei der SPÖ: Augen auf!)  – war wirklich lieb: Sie stellte sich hier herunter und


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hielt eine burgenländische Landtagswahlrede und meinte, Rot-Gold wäre das Richtige. Was Rot sein soll, ist mir bekannt. Von Rot – das weiß ich – wurde das Burgenland in den Ruin geführt, nämlich mit einer Bankhaftung in der Höhe von 4,9 Milliarden Schilling, die die Burgenländer dank Ihrer Politik im Burgenland in der Person des Herrn Landeshauptmannes Stix noch zu zahlen haben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Egghart: Das ist "Verlässlichkeit"!)

Bei Gold stellt sich die Frage: Was verbindet die SPÖ mit Gold? – Wahrscheinlich kommt es im folgenden Umstand zum Ausdruck: Frau Abgeordnete Sima hat gemeint, wie sie aus eigener Erfahrung wisse, zahlen Einkommensschwächere in Wien nicht so viel für den Kindergartenplatz. Folglich zählt sie innerhalb der SPÖ zu den einkommensschwächeren Abgeordneten. (Abg. Binder: Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist auch so! Und dieser heutige Dringliche Antrag – und das sage ich Ihnen klar und deutlich – stellt wieder einmal eine einzige Selbstanklage dar, noch dazu eingebracht von zwei Privilegienrittern der ersten Güte!

Herr Nürnberger, der sein Dasein nicht nur aus dem Einkommen als Abgeordneter fristet, sondern ein hoch bezahlter ÖGB-Funktionär ist (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Gold!), hat es auch gewagt, einen Vergleich mit der Unfallrente und einem Blechschaden bei einem PKW anzustellen. Welch krause Vergleiche! Vergleichen Sie die Unfallrente mit der Invaliditätspension, dann kommen Sie schon woandershin! Warum haben Sie zugelassen, dass Invaliditätspensionen besteuert werden und Unfallrenten nicht? Das ist eine soziale Ungerechtigkeit!

Noch etwas: Wenn Sie schon einen Blechschaden mit Menschen vergleichen (Abg. Silhavy: Haben Sie wirklich so wenig Ahnung?), dann muss ich sagen: Wenn Sie an Ihrem Fahrzeug einen Blechschaden haben, dann erleiden nicht Sie einen Schaden, sondern der Österreichische Gewerkschaftsbund, weil das, womit Sie fahren, ein Dienstauto ist. Das sind Ihre Privilegien, die Sie nach wie vor hegen und pflegen! Das ist die SPÖ, wie sie leibt und lebt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Schauen wir jetzt, wie das in die Parteizentrale in der Löwelstraße aussieht! (Abg. Silhavy: Bleiben Sie beim Thema!) Dort zahlt man pro Quadratmeter 56 S Miete und beklagt noch sein karges Dasein. Das ist Funktionärswesen der SPÖ!

Ältere SPÖ-Abgeordnete und auch andere werden sich noch erinnern können: Da hat es einmal ein Symbol der SPÖ mit drei Pfeilen gegeben. Zunächst haben sich die Pfeile nach unten gerichtet, und jetzt ist der erste Pfeil weggebrochen, das war der "Konsum". Dieser Pfeil ist zerbrochen. Der zweite Pfeil, die Partei, ist löchrig geworden, nämlich auf Grund des Schuldenstandes, den Ihre Partei hat, und die dritte Säule, der Österreichische Gewerkschaftsbund, hat es in den letzten Jahren verabsäumt, wirklich im Interesse der österreichischen Bevölkerung, der Arbeitnehmer tätig zu sein. Da war das große "Schweigen der Lämmer".

Irgendjemand hat da heute behauptet, man hätte sich gegen den Klubobmann – ich weiß nicht, gegen welchen, gegen den Gusenbauer oder gegen den Kostelka – aufgelehnt, aber davon haben wir nie etwas gehört. Das ist nicht ein einziges Mal zum Tragen gekommen, mit der einen Ausnahme, dass der Baumeister der neuen Koalition, Herr Nürnberger, gegen eine Anhebung des Frühpensionsalters um zwei Jahre war. Das war die einzige Meldung, die jemals zu Stande gekommen ist. Das Ergebnis ist bekannt: Ein hartes Dasein auf Oppositionsbänken ist der SPÖ in den nächsten Jahren gesichert, aber Sie verschließen die Augen vor der Wirklichkeit!

Sie wollten eine Budgetsanierung, Sie haben das Pickerl eingeführt, Sie haben das Taschengeld der Heiminsassen halbiert (Abg. Brix: Und Sie? Haben Sie es erhöht?) und trotzdem Schulden über Schulden gemacht. Wir müssen Maßnahmen treffen auf Grund einer Steuerreform, die durchgeführt wurde, die aber die jetzige Regierung finanzieren muss. Sie, Herr Ex-Finanzminister Edlinger, wollten das mit einer Erhöhung der Mineralölsteuer machen. Eine Erhöhung von mindestens einem Schilling pro Liter Benzin und Diesel wäre den Arbeitnehmern sicher gewesen.

Aber es gibt ja auch die Möglichkeit – und das wird auch hin und wieder gemacht –, in den Ländern Arbeitnehmerförderungsmittel zusätzlich zur Fahrtkostenpauschale der einzelnen Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Und wenn hier von ÖAMTC und ARBÖ die Rede ist: Die


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könnten mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Mitgliedsbeiträge senken. Das wäre ein wesentlicher Beitrag und eine Erleichterung für die Kraftfahrer in dieser Republik. (Abg. Riepl: Das rote Licht blinkt schon!)

Aber letztlich lässt dieser heutige Dringliche Antrag der SPÖ tief blicken. (Abg. Silhavy: Oje!) Sie bejammern den eigenen Seelenzustand, in dem Sie sich befinden, denn Sie haben alle jene Maßnahmen, die Sie heute hineingeschrieben haben, während Ihrer Regierungszeit nicht umgesetzt. Das ist der größte Vorwurf, den ich Ihnen mache.

Eines würde ich mir wirklich erwarten, und das wollte ich dem Herrn Nürnberger noch mit auf den Weg geben und ins Stammbuch schreiben: Wir wollen weder die Arbeiterkammer noch den ÖGB mundtot machen, wir wollen nur eines erreichen: dass der ÖGB und die Arbeiterkammer ehrlicher sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

16.33

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu einer Verbesserung der Situation der PKW-Pendler und derjenigen, die mit fossilen Brennstoffen heizen – denn genau so muss man ihn nämlich differenzieren –, ist aus meiner Sicht ein Antrag, der nicht mehr dem Stand der Zeit entspricht. Nicht deswegen, weil ein ähnlicher Antrag schon einmal da war, und nicht deswegen, weil eine Regierungsmaßnahme gesetzt wurde, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Beantragten hat, sondern deswegen, weil diese Art, das Pendlerproblem lösen zu wollen, letzten Endes absolut nicht zukunftsfähig ist.

Zu diesem Schluss kommt man dann, wenn man die Situation von Pendlern und die Notwendigkeit zum Pendeln wirklich analysiert. Das Pendlerproblem ist einfach Symptom einer grundlegenden Fehlentwicklung und -orientierung in der Wirtschaftspolitik der letzten Jahre, weil große Ballungszentren wesentlich mehr an Förderungen abholen konnten als die Region, weil das, was mit irrwitzigem Aufwand zum Beispiel an Ziel-1-Förderungen im Burgenland verbaut wurde, von der Arbeitsplatzrelevanz her sehr, sehr gering war und weil es nicht im ausreichenden Ausmaß gelungen ist, Pendler in ihren Heimatorten weiter zu beschäftigen beziehungsweise dieses enorme Fernpendeln, das wir in dieser Region vorfinden, wirklich zu vermindern.

Wenn ich nun allerdings nur für die PKW-Pendler eine Erhöhung der Pauschale anstrebe und die Situation der öffentlichen Verkehrsmittel in diesem Raum so lasse, wie sie ist, nämlich eingefroren auf einem enorm schlechten Stand beziehungsweise unter der Drohung, weitere Linien, zum Beispiel bei der ÖBB, auch in Regionalverkehren insgesamt wegen so genannter mangelnder Rentabilität zu streichen, dann ist dieser Antrag ein Antrag zur Förderung des Autoverkehrs, der wiederum enorme volkswirtschaftliche Kosten im Straßenbau verursacht, der Unfallfolgekosten verursacht und der ökologisch dazu beiträgt, dass das Klimaschutzziel Österreichs – und Minister Molterer hat sich dazu bekannt, diese Ziele weiter zu verfolgen – nicht erreichbar sein wird.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie gehen das Problem nur ganz isoliert für die PKW-Pendler an, aus meiner Sicht zudem in einer Art und Weise, die völlig negative Effekte hat. (Beifall bei den Grünen.)

Deswegen möchte ich einen Antrag einbringen – auf den zweiten Teil des Antrages, in dem es um die Heizkosten und die Vorschläge, die Sie hier machen, geht, wird meine Kollegin Eva Glawischnig noch genauer eingehen –, der mehr in die Zukunft schaut und auf die gegenwärtige Situation nicht vergisst. Das ist ein Entschließungsantrag betreffend Verbesserung der Situation der PendlerInnen, grundsätzliche Lösung der PendlerInnenfrage und innovative, nachhaltige klimaschutzförderliche Ansätze in der Raumwärmefrage.


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Und genau darum geht es! Der Vergangenheit hinterherzurennen, als die Benzinpreise noch anders waren, hat ja schließlich auch dazu geführt, dass raumordnungsmäßig nichts geschehen ist, dass sich die Situation für die Pendlerinnen und Pendler, und zwar für jene, die über kein Auto verfügt haben und auch heute nicht darüber verfügen, verschlechtert statt verbessert hat und auf Dauer auf keinen Fall durch eine rein autobezogenen Abgeltung gelöst werden kann. (Beifall bei den Grünen.)

Damit würde man Prozesse blockieren beziehungsweise Spiralen noch beschleunigen, die heute schon zugunsten des Straßenbaus und des reinen Autogebrauchs laufen und die jeden ausschließen – und das, bitte, sich immer wieder vor Augen zu halten –, der nicht selbst zu jeder Zeit über ein eigenes Auto verfügt. Und um diese Menschen geht es mir, wenn ich über Pendlerinnen und Pendler rede. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lichtenberger, Glawischnig, Freundinnen und Freunde, eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend Erhöhung des Pendlerpauschales, des Kilometergeldes und der Auszahlung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses, betreffend Verbesserung der Situation der PendlerInnen, grundsätzliche Lösung der PendlerInnenfrage und innovativer, nachhaltiger und klimaschutzförderlicher Ansätze in der Raumwärme

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen zur kurzfristigen Entlastung der Pendler in jedem Fall verkehrsträgerneutral auszugestalten und ein Konzept für die Einführung einer verkehrsträgerunabhängigen Entfernungspauschale anstelle der gegenwärtigen und weiterhin geplanten einseitigen PKW-Förderung zu entwickeln. Bis zur Umsetzung dieses Modells wird die Bundesregierung aufgefordert, die Förderung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs massiv auszuweiten sowie Fahrgemeinschaften und betriebliche Verkehre stärker als bisher zu fördern.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, neben der nötigen Entlastung bedürftiger Haushalte von den Folgen der Ölpreiserhöhung die Förderung zur Nutzung erneuerbarer Energieträger zulasten der Förderung fossiler Energieträger insgesamt massiv auszubauen und insbesondere im Raumwärmebereich für die Umstellung von Ölheizungen zu Biomasseheizungen und deren bestmögliche Förderung zu sorgen sowie die thermische Gebäudesanierung zu forcieren.

*****

(Beifall bei den Grünen.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, unterfertigt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte.

16.39

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Vorredner – speziell von der Volkspartei, Edeltraud Gatterer und Professor Gerhart Bruckmann – haben in der Sache Ihres Dringlichen Antrages, nämlich in der Sache Pendlerpauschale und Kilometergeld, aber auch betreffend Heizkostenzuschuss schon ausführlichst berichtet.

Um bei der Sache zu bleiben und doch zusammenfassend das eine oder andere noch zu wiederholen, möchte ich hier festhalten: Nur wer schnell hilft, hilft doppelt! Diese Bundesregierung hat daher zur Abgeltung der gestiegenen Treibstoffkosten eine Erhöhung der großen Pendler


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pauschale mit 1. Jänner 2001 beschlossen, und zwar um jeweils zehn Prozent, insgesamt somit bei der Veranlagung im Jahre 2001 um 20 Prozent.

Nur wer schnell hilft, hilft doppelt! Nach diesem Motto – jetzt ein wenig auch zur länderbezogenen Realität kommend – hat auch Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic agiert und die Pendlerbeihilfe bereits am 17. Juli 2000 erhöht. (Abg. Mag. Kogler: Nein, sie hat die Ölheizungen propagiert!) In der Steiermark gibt es folgende Beihilfe – Werner Kogler, du weißt es nicht, aber ich werde es dir erklären (Abg. Mag. Kogler: Ich weiß es ganz genau!)  –: Den Beziehern der Pendlerbeihilfe des Landes Steiermark wird wegen der besonders gestiegenen Fahrtkosten im Jahre 2000 zusätzlich zur Pendlerbeihilfe eine Einmalzahlung bis zu 4 300 S gewährt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle wissen, dass die Gewährung von Heizkostenzuschüssen in die Kompetenz der Länder fällt, und die Bundesregierung hat den Zweckzuschuss für Raumheizungen an die Länder verdoppelt: Es stehen nunmehr zirka 600 Millionen Schilling zur Verfügung.

Und wieder: In der Steiermark hat Frau Landeshauptmann Klasnic sofort gehandelt und Beziehern niedriger Einkommen eine Beihilfe zu den Heizkosten zur Verfügung gestellt. (Abg. Öllinger: Sie hat ein schlechtes Gewissen wegen der Ölheizungsförderung!)

Lieber Öllinger! Bereits am 9. Oktober – wir sind heute in Wien, und hier scheint mir einiges säumig zu sein (Abg. Mag. Kogler: Sie wollen ablenken von der Klasnic!), aber es liegt nicht an mir, sondern es fällt einfach auf – hat die Steiermark einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Haushalte mit Ölheizung in der Höhe von 2 400 S und für Gasheizungen in der Höhe von 1 200 S beschlossen. Ich meine, rechtzeitig. Und vor allem: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Dieser Heizkostenzuschuss wird bereits vor Weihnachten an die Betroffenen zur Auszahlung gelangen. Das ist eine Art des neuen Regierens.

Dasselbe gilt auch für Niederösterreich und andere Bundesländer mit ÖVP-Landeshauptleuten. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Mit ÖVP-Landeshauptleuten, Frau Kollegin! Seien Sie glücklich, dass Sie in der Steiermark zu Hause sind!

Während sich die Abgeordneten der SPÖ Texte für einen Dringlichen Antrag überlegt haben, haben wir bereits Beschlüsse gefasst, und ich darf Ihnen sagen: Werden Sie sportlich, erhöhen Sie Ihr Tempo! – Wir werden aber immer einen Schritt schneller sein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: Sie brauchen eine neue Orientierung! Das ist Ihr Problem! Sie gehen in die falsche Richtung!)

Herr Nürnberger, Sie würde ich ersuchen: Fordern Sie den Wiener Bürgermeister, Herrn Häupl, auf, sich um die Wiener Bevölkerung zu kümmern und ebenfalls einen Heizkostenzuschuss für die durchaus vorhandenen ärmeren Wienerinnen und Wiener zu beschließen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Heiterkeit beim Redner!)

Besonders verwundert bin ich über die Aussage, dass das Kilometergeld in der Vergangenheit immer angepasst wurde, wenn sich der Autokostenhaltungsindex um mehr als 10 Prozentpunkte seit der letzten Kilometergeldänderung erhöht hat. Herr Edlinger, Finanzminister außer Dienst, Sie werden mir Recht geben, wenn ich nun festhalte, dass das amtliche Kilometergeld im Jahre 1989 4 S betrug, dass dieser Betrag im August 1994 auf 4,60 S und im Juni 1997 auf 4,90 S erhöht wurde.

Ich habe hier eine Presseaussendung aus dem Jahre 1997, in der steht: Sparmaßnahmen des Bundes – meine Damen und Herren, hören Sie genau zu! – haben aber bei der letzten Erhöhung eine Verzögerung um ein Jahr gebracht. – Was sagen Sie dazu, Herr Edlinger? Hat sich damals der Herr Finanzminister auch aus der Verantwortung gestohlen?

Wie bereits eingangs erwähnt, wurde das Kilometergeld in der Vergangenheit immer dann angepasst, wenn sich der Index seit der letzten Kilometergeldänderung um mehr als zehn Prozentpunkte erhöht hat. Ich versichere Ihnen, dass auch ich mich dafür einsetzen werde, dass das Kilometergeld bei Überschreiten der zehn Prozentpunkte erhöht werden soll. Und Sie


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können mir glauben: Wir werden nicht so lange warten, wie der vorherige Finanzminister, Herr Edlinger, damit gewartet hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Edlinger: Dann müssen Sie den Antrag unterstützen!)

Wir nehmen die Sorgen der Bevölkerung sehr ernst, aber die Bundesregierung hat leider keinen Einfluss auf die Preisgestaltung bei Benzin-, Diesel- und Heizölpreisen. Überall in Europa ist es zu massiven Erhöhungen gekommen: ohne Einflussnahme der jeweiligen Regierungen, ohne bewusste Erhöhungen von Abgaben auf fossile Energien. Ich erinnere an Presseaussendungen der OMV vor kurzer Zeit, die stolz vermeldet, dass im heurigen Geschäftsjahr bis September 2000 ein Rekordgewinn von 4,9 Milliarden Schilling eingefahren wurde. Leider keine Einnahmen für den Finanzminister! (Abg. Edlinger: Zu blöd!)

Das ist kein Blödsinn, Herr Bundesminister außer Dienst! (Abg. Edlinger: Das habe ich gar nicht gesagt!) An Sie möchte ich ohnehin noch die Frage richten, wie Sie sich das vorgestellt haben mit der Erhöhung der Mineralölsteuer und den daraus resultierenden Mehrkosten von 1 920 S gerade für die Pendler.

Und noch eine abschließende Frage an die Grünen: Sie haben immer eine Benzinpreiserhöhung auf 25 S und mehr gefordert. (Abg. Öllinger  – mit der entsprechenden Geste –: Das hat sooo einen langen Bart! Ein alter Bart!) Hätte diese Erhöhung die Pendler nicht getroffen? – Ich meine, dass die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen sind und ernst genommen werden müssen. Ich meine aber auch, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen bis zum heutigen Tage bereits Maßnahmen ergriffen haben, um die größten Nöte abzufedern.

Daher stelle ich fest, dass sich der Dringliche Antrag bereits erledigt hat und somit nichts beschlossen werden muss. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Er hat das Wort.

16.46

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kollege Nürnberger! Auch wenn wir Ihnen als Hebamme dieser Regierung-neu zu Dank verpflichtet sind, gestatten Sie mir ein paar Worte zu dem, was Sie hier vor kurzem von diesem Rednerpult zum Schlechtesten gegeben haben. Zusammenfassend kann man nur eines sagen: Klassenkampf tiefster Sorte!

Aber, Herr Kollege Nürnberger, uns stört das grundsätzlich überhaupt nicht mehr. Machen Sie nur so weiter, denn mit dieser Politik, die Sie heute hier gezeigt haben, haben Sie seit 1986 eine Wahl nach der anderen verloren! Und wenn Sie so weitermachen, sind wir Ihnen noch einmal zu Dank verpflichtet.

Oder: Wenn Sie, Herr Kollege Nürnberger, meinen, die Steuerreform sei von der rot-schwarzen Koalition beschlossen worden (Abg. Nürnberger: Richtig!), so ist das richtig, formal richtig, aber Sie müssen dazusagen, dass Sie nicht einen einzigen müden Schilling an Finanzierung für diese Steuerreform gehabt haben. Geben Sie das doch endlich einmal zu! 30 Milliarden Schilling musste diese neue Reformregierung trotz schwierigster finanzieller Rahmenbedingungen im Budget für diese Steuerreform im Jahr 2000 bereitstellen. Was Sie gemacht haben, war budgetpolitische Zechprellerei und keine Steuerreform für die Bürger! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie, seit Sie in der Opposition sind, pausenlos Dringliche Anträge oder Anfragen einbringen, die immer schon mehr als dürftig waren und sich schlussendlich immer als politische Rohrkrepierer oder als politisches Waterloo für die SPÖ herausgestellt haben – dieser heutige Dringliche Antrag, meine Damen und Herren von der SPÖ, ist an Seichtheit wirklich nicht mehr zu überbieten.


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Außerdem demaskieren Sie sich mit diesem Dringlichen Antrag wieder vollends. Sie wollen mit Ihrem Heizkostenzuschuss Trittbrettfahrer spielen am erfolgreichen Kurs dieser Regierung-neu (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), aber Sie sind wieder einmal zu spät dran, Sie haben wieder einmal den Anschluss verpasst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und noch eines, meine Damen und Herren: Während Sie von der SPÖ noch an seichten Dringlichen Anträgen basteln, hat diese neue Reformregierung längst gehandelt. Das ist der Quantensprung, das ist die Qualitätsverbesserung: Wir handeln, statt zu reden, und zwar für die Bürger und nicht gegen die Bürger, wie Sie es bisher immer getan haben.

Aber ich muss hier eingehen auf die Präambel zu diesem Dringlichen Antrag im Zusammenhang mit dem Heizkostenzuschuss. Da schreiben Sie doch glatt: "Wenn bis zum 15. Dezember 2000 die Verkaufspreise für Heizöl und Erdgas nicht gesunken sind, sollte durch Verordnung ...", und so weiter und so weiter. – Na, das schaue ich mir an, wer da zu entscheiden hat!

Und was heißt das, "wenn die Preise nicht gesunken sind"? – Sie wissen ganz genau, dass Sie, wenn Sie heute zehn Heizölhändler anrufen, zehn verschiedene Preise genannt bekommen. Welchen Preis nehmen Sie? Wie hoch muss denn die Senkung der Verkaufspreise sein? 1 Groschen, 2 Groschen, 10 Groschen, 1 Schilling? Muss diese Senkung nachhaltig sein oder nur vorübergehend? – Allein mit dieser Präambel ist die Begründung dafür gegeben, dass dieser Antrag vollinhaltlich abzulehnen ist.

Interessanterweise stellen Sie beim Heizkostenzuschuss auf das Haushaltseinkommen ab. Das tut mir ja für die Sozialdemokraten direkt weh. Wenn wir irgendwo einmal das Haushaltseinkommen haben – etwa im steuerlichen Bereich – oder zu diesem Haushaltseinkommen hingehen wollen, weg von der Individualbesteuerung – ein Aufschrei von den Sozialdemokraten! Frauen zurück an den Herd!, heißt die Devise aus Ihrer Sicht. Und da wollen Sie auf das Haushaltseinkommen abstellen? – Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, das ist blanke Doppelbödigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Kilometergeld. – Kollege Verzetnitsch – oder war es Kollege Nürnberger? – hat gemeint, für die Wirtschaft gilt das nicht. – Selbstverständlich gilt das Kilometergeld für die Wirtschaft nicht, sondern dort sind die tatsächlichen Kosten zu verrechnen! Übrigens hat jeder in Österreich das Recht, die tatsächlichen Kosten zu verrechnen, wenn ihm das amtliche Kilometergeld zu wenig ist.

Es gibt ein Beispiel, wie es besser gemacht werden könnte. Sie haben in den letzten Tagen bei der Debatte über die Budgetsanierung immer wieder Deutschland als Vergleich herangezogen und gemeint, es müsse nicht alles so rasch gehen. – Schauen Sie sich die Kilometergeldregelung in Deutschland an! Bis 6 000 Kilometer 2,80 S, von 6 001 bis 10 000 Kilometer 3,70 S, und darüber hinaus gilt wieder 2,80 S. Dagegen ist das österreichische Kilometergeld mit 4,90 S ja wahrlich fürstlich!

Aber weil Sie sich immer so über die Belastung alterieren, meine Damen und Herren, muss ich Ihnen etwas sagen, auch wenn Sie es nicht gerne hören wollen: Die Steuer- und Abgabenbelastung betrug im Jahre 1999 44,7 Prozent. Sie wird dank der Arbeit dieser Bundesregierung bis zum Jahre 2002 auf 44,4 Prozent sinken. Sie haben mit Ihrer falschen Budgetpolitik die höchste Steuer- und Abgabenquote in dieser Republik erreicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Die restliche Redezeit der Grünen beträgt 9 Minuten. – Bitte.

16.51

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Böhacker! (Abg. Böhacker: Ich bin ganz Ohr!) Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich finde, das mit dieser neuen Reformregierung ist irgendwie schon ein bisserl übertrieben. Gestatten Sie mir, Ihnen das zu sagen.


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Wenn Sie in irgendeiner Form etwas Zukunftsorientiertes und Wegweisendes in diesem Bereich hätten machen wollen, dann hätte das ganz anders ausschauen müssen. Also im Augenblick sind Sie noch dabei, bestimmte Staaten, die OPEC-Länder zum Beispiel, mit Heizkostenzuschüssen und weiteren Zuschüssen zu einem überalteten Energie- und Verkehrssystem weiter zu subventionieren. (Abg. Böhacker: Sollen wir nichts geben? Die Grünen wollen nichts geben! Soziale Kälte!)

Eine wirkliche neue Reformregierung hätte zumindest bis zum Jahre 2005 oder 2010 vorausgedacht, um diese Abhängigkeit mittelfristig ein bisschen zu reduzieren und endlich auf andere Energieträger zu setzen! Das wäre Reformpolitik! (Beifall bei den Grünen.)

Ich finde das sehr ärgerlich. Ich bin aber auch nicht ganz glücklich mit dem Dringlichen Antrag der Sozialdemokratie. (Das auf dem Rednerpult stehende Wasserglas fällt um.)  – Hoppala! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind umwerfend!) Genau dieser Aspekt nämlich, gerade weil wir jetzt die Klimakonferenz in Den Haag hinter uns haben, wo wir genau ... (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind umwerfend, Frau Kollegin!)  – Das weiß ich, danke, Herr Westenthaler.

Es ist wirklich bedauerlich, dass man das Grundübel nicht beim Namen nennt, nämlich die Endlichkeit von fossilen Ressourcen, die letztendlich die Abhängigkeit schafft und die Monopolsituation provoziert. Das will man nicht wahrhaben. Wir wissen, dass wir spätestens im Jahre 2010 das Maximum des Fördervolumens von Erdöl erreicht haben werden, und von diesem Zeitpunkt an wird der Preis weiter steigen. Ich habe das hier schon einmal gesagt.

Was heißt das jetzt für eine reformorientierte Bundesregierung oder für reformorientierte Regierungsparteien? Wie wird diese Abhängigkeit verringert? – In diesem Zusammenhang wundert es mich, dass man gerade in den Bundesländern die Alternative, die es in Österreich gibt, nämlich die Biomasseförderung, in einer wirklich unverantwortlichen Form vernachlässigt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich rechne Ihnen jetzt kurz etwas vor. Aktueller Heizkostenvergleich: Man nehme ein Haus mit 150 Quadratmeter Wohnnutzfläche, 20 Kilowattstunden Nutzenergie für die Raumheizung und vergleiche folgende Energieträger: Biomasse, Erdgas und Heizöl extra leicht. – Am schlechtesten schneidet Heizöl extra leicht ab, das kostet diese Familie 17 500 S im Jahr, die Beheizung mit Erdgas kostet noch immer 14 000 S, und mit Biomasse fährt man mittlerweile schon am günstigsten, mit ihr kostet es nämlich 10 000 S. Daher verstehe ich nicht, warum es in einzelnen Bundesländern, und zwar auch in ÖVP-dominierten Bundesländern, nach wie vor keine Umstiegsförderungen für Biomasse gibt, aber sehr wohl für Erdöl und für Erdölkessel. Wir haben das in der Steiermark gesehen, da hat sogar Frau Landeshauptfrau Klasnic dafür geworben, und das verstehe ich von der Logik her nicht.

Kurz zur SPÖ: Es ist auch in den Ländern Wien und Burgenland ganz besonders schlimm. Da gibt es nämlich überhaupt keine Biomasseförderung, dabei gäbe es viele Einsatzgebiete, wo man das machen könnte. Das wäre eine echte Maßnahme, um die Abhängigkeit zu verringern!

Ich habe hier die Quote im Bundesländervergleich; das können wir uns auch kurz ansehen. Burgenland: 2 Prozent der Holzheizungen, Wien: 0 Prozent der Holzheizungen, obwohl es in Wien genauso Streusiedlungen und Möglichkeiten des Einsatzes gibt. Der Grund dafür – ich hoffe, dass man ihn irgendwann überwinden kann – ist anscheinend, dass Biomasse-Holzheizungen nach Landwirtschaft riechen, und Landwirtschaft riecht nach ÖVP, daher wird das in SPÖ-dominierten Bundesländern nicht als Chance erkannt. Man verzeihe mir diesen Zynismus, aber es scheint so zu sein, vor allem im Burgenland und in Wien. (Beifall bei den Grünen.)

Unser Antrag richtet sich jetzt darauf, nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben und einen Heizkostenzuschuss zu gewähren, sondern auch eine Umstiegsförderung zu gewähren. Ich möchte Sie auch gerne fragen, vor allem die Kollegen von der ÖVP, was denn dagegen spricht, den Umstieg auf Biomasse bei Heizanlagen zu fördern. Man kann damit mittelfristig auch soziale Fragen lösen, indem man einerseits die Abhängigkeit reduziert und andererseits heimische erneuerbare Energieträger fördert. Es würde sich auch günstig auf den Klimaschutz auswirken, auf die regionale Wertschöpfung und so weiter; ich sage jetzt nicht mehr alles. Aber das wäre


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die zweite Hälfte dieses Schrittes gewesen – abgesehen von der Frage der sozialen Treffsicherheit, die Kollege Öllinger schon angesprochen hat.

Ich möchte Sie ehrlich und ernsthaft fragen, warum man einem solchen Vorschlag nicht nähertreten kann: der flächendeckenden Förderung eines Umstiegs im Raumwärmebereich, nämlich des Umstiegs von Öl- auf Biomasseheizungen; vorwiegend Pellets-Heizungen, die sich vom Komfort mittlerweile von Ölheizungen überhaupt nicht mehr unterscheiden. Diese Frage ist vor allem auch an die hinteren Reihen in der ÖVP gerichtet, an die Landwirtschaftsabteilung: die Frage, ob Sie dem nicht in irgendeiner Form nähertreten können. – Gut. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Abschluss: Dass sozialpolitische Maßnahmen wichtig sind, ist angesichts der sehr dramatischen Preissituation völlig richtig. Wir haben den Heizkostenzuschuss in diesem Sinne auch nicht grundsätzlich verdammt, sondern wir haben gesagt, das ist etwas, bei dem man die Konsumentinnen und Konsumenten nicht dafür verantwortlich machen kann, dass es in der jahrelangen Energiepolitik, in diesen zehn, 15 Jahren, seit es absehbar ist, falsche Weichenstellungen gab. Das ist ein Versäumnis der Politik gewesen, und nicht der Menschen.

Daher: Ein Heizkostenzuschuss ist gut, aber ich bitte Sie trotzdem, auch den zweiten Teil des Weges zu gehen. Dies ist auch an die Adresse der SPÖ gerichtet, in deren Antrag das ja nicht vorkommt, nämlich diese generelle Verringerung der Abhängigkeit von einem Produkt, das in einem monopolisierten Markt gehandelt wird, das klima- und umweltschädlich ist und das bei uns soziale Fragen aufwirft. Das sollte man nicht weiter subventionieren, sondern man sollte den Umstieg, den Ausstieg daraus einfach in Angriff nehmen.

In den letzten 15 Jahren haben Sie das versäumt. Es gab in dieser Zeit immer ÖVP-Energieminister, soweit ich mich zurückerinnern kann. Ich hoffe, dass dieser Erdölschock – der ja eigentlich kein Schock ist; man weiß das seit den siebziger Jahren – endlich der Anlass dazu ist, in diesem Bereich einen völlig anderen und neuen Weg einzuschlagen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

16.58

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es kam auf Grund der internationalen Entwicklung in den letzten Monaten zu einer weltweiten Erhöhung der Rohölpreise, und das blieb auch nicht ohne Folgen für Österreich. Die Preissteigerung bei den Fertigprodukten, bei den Treibstoffen und Heizölen, hat sich entsprechend ausgewirkt.

Die sozialdemokratische Fraktion, Herr Abgeordneter Nürnberger und Frau Abgeordnete Pfeffer, haben sich bemüßigt gefühlt, einen Dringlichen Antrag einzubringen und Entlastungsmaßnahmen für Pendler, Pensionisten und untere Einkommensgruppen vorzuschlagen.

Ich bin hier voll bei Ihnen und muss Ihnen sagen, eine generelle Erhöhung des Pendlerpauschales um ein Drittel, wie Sie es fordern, wäre mir auch sehr recht. Aber alles ist halt einfach nicht möglich, denn nach 30 Jahren sozialistischer Finanzpolitik und sozialistischer Sozialpolitik hat sich ein Schuldenberg angehäuft, mit dem das einfach nicht mehr möglich ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie fordern eine Erhöhung des Kilometergeldes um 50 Groschen. Wir liegen derzeit in Österreich bei 4,90 S. Ich frage mich, wo bei diesen beiden Komponenten, bei der generellen Erhöhung des Pendlerpauschales und bei der Erhöhung des Kilometergeldes die soziale Treffsicherheit bleibt, denn das amtliche Kilometergeld kommt allen Managern zugute, und diese fahren bekanntlich mehr Kilometer und verdienen wesentlich mehr als die so genannten kleinen Pendler.


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Das ist extrem ungerecht, ist nicht sozial treffsicher, aber wenn das Budget es zulässt, dann bin ich sehr wohl dafür, dass auch dort eine Erhöhung kommt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Erhöhung des großen Pendlerpauschales dürfte Ihnen entgangen sein. Da wurde bereits eine Anhebung durchgeführt, und zwar um etwas mehr als 10 Prozent. Das betrifft genau jene, die kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung haben, wenn sie ihren Arbeitsplatz aufsuchen. Für zwei bis 20 Kilometer wurde es von 2 880 S auf 3 240 S erhöht, für 20 bis 40 Kilometer von 11 520 S auf 12 960 S, und so geht das weiter: für 40 bis 60 Kilometer von 20 160 S auf 22 320 S und für über 60 Kilometer von 28 800 S auf 31 680 S. Das finde ich sehr moderat, zielführend und ebenfalls treffsicher.

Zum Heizkostenzuschuss in der Höhe von 500 S pro Monat während der Heizperiode für Haushaltseinkommen unter 12 000 S kann ich nur eines sagen: Es ist so, dass der Bund sehr wohl einen Heizkostenzuschuss gewährt. Im Prinzip ist der Heizkostenzuschuss eine Ländersache, und in jenen Bundesländern, in welchen ein Heizkostenzuschuss gewährt wird, verdoppelt der Bund diesen Heizkostenzuschuss. Mit Erstaunen stelle ich aber fest, dass gerade in jenen zwei Bundesländern, die von den Sozialdemokraten dominiert werden, nämlich in Wien und im Burgenland, keine Länderlösung in dieser Frage in Sicht ist. Wieso haben Sie das verschlafen? – Wenn es dort einen Länderzuschuss gäbe, dann würde der Bund auch dort diesen Betrag verdoppeln. Aber so entfällt das ganz einfach. Ich betone: Das ist ein Versäumnis der jeweiligen Landesregierungen!

Noch einmal zurück zur motorbezogenen Versicherungssteuer. Die Erhöhung haben Sie in Ihrem Antrag festgeschrieben: bei einem durchschnittlichen PKW 1 300 S. Das ist in Ordnung, das ist so. Ich gebe Ihnen Recht. Ich war mit dieser Erhöhung auch nicht ganz zufrieden. Auch die Erhöhung der Gebühr für die Autobahnvignette von 550 S auf 1 000 S passt mir nicht ganz. Aber ich muss Ihnen eines sagen: Das ist noch wesentlich moderater als jene Regelung, die Sie mit der Mineralölsteuererhöhung geplant haben, denn diese würde 1 920 S ausmachen, und das ist genau um 620 S mehr als die jetzige Erhöhung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das, was Sie machen, ist extrem unsozial. Ich empfinde es als eine Täuschung der so genannten kleinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Pendler in Österreich, es ist schändlich, dass Sie sie so hinters Licht führen, auch mit Ihren Aussendungen von Seiten des Gewerkschaftsbundes und der Arbeiterkammer. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger zu Wort gemeldet. Die Uhr ist wunschgemäß auf 9 Minuten eingestellt. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Pensionsmillionär! Hat immer auf die Kleinen vergessen! – Abg. Dr. Pumberger: Eigentlich müsste er Adam Riese heißen!)

17.04

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich schon ein bisschen weit hergeholt, wenn jemand in Interpretation des Dringlichen Antrags, den wir vorgelegt haben, meint, eigentlich sei er erledigt, weil auf Grund der Maßnahmen der weisen Bundesregierung ohnehin all die Maßnahmen gesetzt würden, die in diesem Antrag verlangt werden und notwendig wären.

Eine solche Interpretation zeigt eigentlich, dass es bislang nicht möglich war, bei Ihnen auch nur ansatzweise gedankliche Vorgänge in Gang zu setzen, die doch einigermaßen nachdenklich stimmen müssten, wenn immer wieder von vielen – nicht nur von der Opposition; ich hatte ja gestern die Möglichkeit, das durchaus auch mit Zitaten von Zeitungskommentatoren zu belegen – darauf hingewiesen wird, dass diese Regierung unter dem Deckmäntelchen der sozialen Treffsicherheit zum größten Umverteilungsschritt seit 30 Jahren angesetzt hat. Das muss man, glaube ich, in aller Offenheit sagen.

Wenn dann der Herr Finanzminister etwa zu der Zielsetzung des Nulldefizits selbst sagt, es gehe um eine Form, in die Trickkiste der Budgetpolitik zu greifen, dann finde ich es schon sehr


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stark, dass zur Befriedigung dieser Argumentation der Bundesregierung in erster Linie die soziale Schwachen herzuhalten haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Zweiten: Immer wieder wird hier von Seiten der Regierungsparteien erklärt, dass wir eigentlich mit unserer Argumentation ins Leere stoßen, weil angeblich durch die weisen Entscheidungen dieser Bundesregierung das unterste Einkommensdrittel im Jahre 2000 mehr haben wird als 1999. – Nun, das ist formal nicht falsch, aber auf der anderen Seite möchte ich Sie doch bitten, darüber nachzudenken, was gewesen wäre, wenn diese Bundesregierung nicht ein Umverteilungsprogramm eingeleitet hätte, sondern wenn sie eine sozial ausgewogene Konsolidierung durchgeführt hätte, so wie wir das etwa mit unserem Alternativantrag zum Ausdruck gebracht haben. (Abg. Mag. Kukacka: Dann hätten wir noch mehr Schulden gehabt!)

Wir hätten nämlich im steuerlichen Bereich dort Maßnahmen gesetzt, wo in anderen europäischen Ländern die Steuern höher sind: etwa bei den Stiftern und ähnlichen Kapitaleignern, was weniger stark in das soziale Gefüge dieses Landes eingegriffen hätte. Dass sie das nicht tut, mache ich dieser Bundesregierung massiv zum Vorwurf. (Beifall bei der SPÖ.)

Betreffend die Steuerreform und die Familienreform sagen Sie immer, sie wären nicht finanziert gewesen. Das konnten sie auch nicht sein, weil es ein Budget 2000 damals noch nicht gab! Aber selbstverständlich hätte die vorige Bundesregierung genauso für deren Finanzierung Sorge getragen. Aber das Entscheidende ist, dass die Steuerreform und die Familienreform des Jahres 2000, gesetzt von der vorigen Bundesregierung, das untere Einkommensdrittel in besonderem Maße berücksichtigt haben, aber das haben Sie zum Teil – und zwar in einem erheblichen Ausmaß! – zurückgeführt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Außerdem: Schämen Sie sich nicht? Ich muss mich schon sehr wundern, wenn sich Herr Dr. Bruckmann als Pensionistenvertreter hier herausstellt und erklärt, dass angesichts eines dreiprozentigen Wachstums und einer Inflationsrate von fast 2,5 Prozent eine Pensionsanpassung von nur 0,8 Prozent erfolgt! Das ist der größte Pensionsraub in der Geschichte dieses Landes, meine Damen und Herren! Auch das muss man in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie hier andere Bundesländer kritisieren, dann muss ich Ihnen sagen: Sie haben anscheinend keine Ahnung, Herr Schweitzer, denn in Wien zum Beispiel zahlt ein Drittel der Eltern überhaupt nichts für den Kindergarten, und ein Drittel zahlt sozial gestaffelt bis zu 2 500 S. Das zahlen Eltern, die über 28 000 S Nettoeinkommen haben, und das halte ich für sozial gerechtfertigt. Daher ist Ihr Vorwurf völlig ins Leere gegangen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weiters: Ich weiß nicht, wie viele Bundesländer in der Tat pro Monat 861 S an Heizkostenzuschuss für alle Geldleistungsbezieher nach dem Wiener Sozialhilfegesetz zahlen. 6 027 S an Heizkostenzuschuss bekommen die sozial Schwachen in Wien, und da können Sie sich schon anhalten, wenn Sie andere Bundesländer im Vergleich dazu sehen.

Ich finde, den Kostendruck und die soziale Schere setzt diese Bundesregierung an, und es wäre ihre verdammte Pflicht, den sozial Schwachen entsprechend zu helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Grünen klauben natürlich auseinander – wie ich finde, äußerst interessant –, was eigentlich unter dem Titel sozialer Treffsicherheit geschieht; ich meine dies jetzt aber im positiven Sinne des Wortes, und nicht so, wie Sie von den Regierungsparteien das meinen, nämlich die sozial Schwachen zu treffen, sondern wir meinen damit, den sozial Schwachen zu helfen.

Es mag schon sein, dass der Bereich der alternativen Energiequellen etwas wäre, bei dem man sich zusammensetzen und worüber man sich sehr intensiv unterhalten sollte. Aber, liebe Frau Abgeordnete Glawischnig: Die Heizkosten und die Fahrtkosten steigen jetzt ins Unermessliche! Sie selbst haben gesagt, man müsste über eine mittelfristige Position nachdenken. Dazu haben Sie uns als Partner. Aber was wir wollen, ist, dass in allernächster Zeit, jetzt und heute und hier, jene, die durch die Heizkostenerhöhung, durch die Erhöhung der Energiekosten und


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Treibstoffkosten – da geht es um Menschen, die das Auto beruflich brauchen – letztendlich massiv belastet werden, einen Ausgleich erhalten, der es ihnen möglich macht, weiter so zu leben wie bisher.

Die Regierung hat in diesem Bereich in besonderem Maße hineingeschnitten, und zwar durch die Erhöhung der Motorversicherungssteuer um 51 Prozent, der Gebühr für die Autobahnvignette um 81 Prozent und der Energieabgabe um 106 Prozent. All das ist ein Konvolut von Erhöhungen, angesichts dessen man über alternative Energiequellen wirklich nachdenken muss.

Frau Abgeordnete Gatterer! Ich greife den Ball gerne auf, wenn Sie mir immer wieder unterstellen, ich hätte die Mineralölsteuer erhöht. Gnädige Frau! Sie haben aus einem rosa Papier zitiert. Das ist jenes Papier, das zwischen SPÖ und ÖVP besprochen worden ist, und ich möchte Ihnen schon in aller Deutlichkeit sagen – wenn er nicht auch an Erinnerungslücken leidet, dann wird Herr Kollege Molterer es Ihnen bestätigen –, dass ihr es wart, die die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer wolltet. Ich habe immer gesagt, dass das verkehrspolitisch falsch ist. Ich habe immer die Meinung vertreten, dass wir die MÖSt im Gleichklang zu unserem wichtigsten Partner, nämlich Deutschland, schrittweise anheben sollten, aber unter einer völlig anderen Preisstruktur, die es vor einem Jahr gegeben hat. Ich halte die motorbezogene Versicherungssteuer nach wie vor für eine Maßnahme, die verkehrspolitisch kontraproduktiv ist und die die Leute extrem belastet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Weil er mit dem schweren Auto viel mehr zahlen muss!)

Sie werden ganz sicherlich – davon bin ich überzeugt – unseren Antrag ablehnen, weil die Realisierung desselben Sie auf Ihrem Wege stört. Ihre Maßnahmen setzen unter dem Titel "soziale Treffsicherheit" zum radikalen Abbau des Sozialstaates an. Sie schonen die Reichen – Ihre Steuerstruktur in diesem Bereich liegt 25 Prozent unter dem EU-Durchschnitt –, und Sie schlagen die Armen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es Proteste gibt und Sie dann sagen, die Gewerkschaft überziehe ihre Positionen, dann möchte ich Ihnen schon etwas ins Stammbuch schreiben, Herr Dr. Stummvoll, und Sie fragen: Was sagt denn Ihr Obergewerkschafter Neugebauer – heute in der "Kleinen Zeitung" nachzulesen –: Diese Regierung bettet sich in eine Situation ein, die zu eskalieren droht. – Das sagt Ihr Arbeitnehmervertreter, und dem habe ich nicht sehr viel hinzuzufügen – außer, dass es durch Ihre Politik in vielen Häusern in Österreich sehr kalt werden wird! (Beifall bei der SPÖ.)

17.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Restliche Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

17.13

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Edlinger! Ich glaube, Kollege Öllinger hat genau ausgeführt, warum der vorliegende Antrag nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist, und zwar aus sozialer Sicht, aus ökonomischer Sicht, aber durchaus auch aus ökologischer Sicht. Das sollte die ÖVP aber nicht dazu ermuntern, hier Redner herunterzuschicken, die nichts anderes zu tun haben, als fünf Minuten lang Huldigungen auszusprechen, und zwar so lang, dass es selbst Herrn Klubobmann Khol zu viel geworden ist. Der arme Kollege Zweytick hat dann eine Kopfwäsche über sich ergehen lassen müssen.

Hier Huldigungen über jene Landeshauptfrau zu verbreiten, die ... (Abg. Dr. Khol  – ironisch –: Das muss ich sofort tatsächlich berichtigen!)  – Das können Sie ruhig tatsächlich berichtigen, ich habe doch gesehen, was gespielt worden ist.

Die Landeshauptfrau hat in einer Zeitschrift, in der Lobbyisten Ölheizungen propagieren – (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) solche Herausgeber hat sie da gefunden! –, einen Kommentar hineinstellen lassen und mit ihrem Namen als Landeshauptfrau für den Anschluss von Ölheizungen geworben! (Zwischenruf.) Wie lange ist das her? – Das ist nicht einmal ein Jahr her.


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Diese Art – abgesehen davon, dass es nicht das Geschäft eines Landeshauptmannes oder einer Landeshauptfrau ist, Produktwerbungen zu betreiben; das halte ich an und für sich schon für sehr bedenklich – ist genau die Doppelzüngigkeit der ÖVP, die hier zum Tragen kommt. (Beifall bei den Grünen.)

Bei den Biomasseförderungen im Nahwärmebereich und bei den Einzelheizungsanlagen wird ein bisschen etwas getan, damit der Alibi-Effekt erreicht ist; nicht mehr. Doch bei der Ölheizungsförderung stellt sich die Frau Landeshauptmann hin und verabschiedet Gastkommentare in Lobbyisten-Zeitungen. – Das ist die Politik, die Sie zu vertreten haben!

Wir sind heute schon dabei gewesen, darauf hinzuweisen, dass die ÖVP, was das Stichwort "ökosoziale Marktwirtschaft" betrifft, längst abgedankt hat und sozusagen weder das Soziale noch das Ökologische – das schon gar nicht! – vor den Begriff "Marktwirtschaft" stellen wollte.

Herr Bartenstein, der vermutlich bald wieder kommen wird, ist uns ja betreffend diesen Bereich noch eine Antwort schuldig. Auch das ist ein kleines, aber gutes und treffendes Beispiel für die Haltung der ÖVP. (Beifall bei den Grünen.)

17.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.15

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Jetzt können wir nach über zwei Stunden Diskussion resümieren.

Die SPÖ hat heute einen Dringlichen Antrag vorgelegt, der inhaltlich zerpflückt wurde und nicht einmal die Zustimmung der Grünen findet. – Meine Damen und Herren! Eine "reife Leistung" der Sozialdemokratie in diesem Hause! Gratuliere! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten, meine Damen und Herren, hat die SPÖ heute wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, dass sie auf einem bestimmten Weg ist: auf dem Weg, eine linkspopulistische Partei zu werden (Abg. Haigermoser: "Sociology"!), der es nicht in irgendeiner Weise um Verantwortung geht, sondern die nur ein Thema hat, und das heißt Klassenkampf. (Abg. Ing. Westenthaler: "Sociology!") Meine Damen und Herren, auch das ist eine "reife Leistung" für eine Partei mit einer so großen Tradition! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Westenthaler. )

Zum Dritten, geschätzte Damen und Herren: Genosse Nürnberger hat heute hier wortreich und pathetisch die Kette verteidigt, die Kette, die am 5. Dezember gebildet werden soll. – Meine Damen und Herren, Sie können sich in Ketten legen, wann immer Sie wollen, wir werden Sie nicht daran hindern, aber wenn Sie versuchen, den Österreichischen Gewerkschaftsbund als einen überparteilichen Verein zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen als Ihre Vorfeldorganisation zu betrachten, dann wird das in einer Art und Weise eskalieren, die nicht gut ist, und Sie werden die Verantwortung dafür tragen, wenn viele diesen ÖGB verlassen.

Ich sage Ihnen noch einmal: Denken Sie daran, wie Sie heute mit diesem ÖGB, indem sie ihn als Ihre Vorfeldorganisation betrachten, umgehen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Wenn Sie, meine Damen und Herren vom ÖGB, das hier als gemeinsamen Beschluss mit der FCG darstellen (der Redner hält ein Flugblatt in die Höhe, das die Überschrift trägt: "Menschenkette – Lass dir das nicht gefallen!"), dann sage ich nur eines: Das ist falsch! Darin heißt es zum Beispiel: Die Regierung nimmt dir täglich dein Geld weg, die Regierung verschenkt dein Geld an die Reichen, die Regierung lässt dich im Regen stehen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Murauer: Bewusste Unwahrheiten!)

Niemals wurde das mit unserer Fraktion besprochen, und sie hätte sich auch niemals bereit erklärt, dem zuzustimmen. Das ist eine falsche Behauptung, die Sie gestern hier aufgestellt haben! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)


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Daher fordere ich Sie, meine Damen und Herren, noch einmal auf: Lassen Sie den ÖGB aus Ihrem parteipolitischen Spiel! (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Abgeordneter Nürnberger. Restliche Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß schon, Herr Abgeordneter Spindelegger, dass Sie ein bisschen Probleme haben, aber ich versichere Ihnen ... (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Ich werde Ihnen sagen, was der ÖGB ... (Weitere anhaltende Zwischenrufe.)

Ich muss ja eingestehen, wir Sozialdemokraten waren ja viel zu zahm in der Kritisierung der Politik Ihrer Regierung. Sie wollen nicht wahrnehmen, was Ihre eigenen Spitzenleute sagen. – So heißt es zum Beispiel in den Medien: Große Sorge an der Basis, ob Maßnahmen sozial gerecht sind. – So der ÖAAB. Oder: ÖAAB und AK-Fraktion wirft Regierung schlechten Stil vor. Dirnberger kritisiert bei Protestversammlung eiskaltes Drüberfahren über die Betroffenen.

Wissen Sie, was ich nie tun würde? – Ich würde einem Menschen niemals seinen Glauben vorwerfen oder diesen kritisieren. Das würde mir nie einfallen, weil ich davor höchsten Respekt habe. Wenn ein Mensch wallfahrten geht, dann soll er wallfahrten gehen, ich werde das immer akzeptieren.

Wissen Sie, was Herr Dinkhauser, ÖAAB-Präsident, zur Wallfahrt Ihres Bundeskanzlers gesagt hat? – In einem Artikel heißt es: In Richtung ÖVP bemängelte Dinkhauser, dass nur Wallfahrten nach Mariazell nicht genug seien. – Zitatende. Geschätzte Damen und Herren! Wir würden es uns nie erlauben, den Glauben eines Menschen anzugreifen.

Oder, ein weiteres Zitat: "ÖAAB/FCG! Kammerfraktionen aus Wien, Niederösterreich und Tirol kritisieren Einsparungspolitik der Regierung!"

Nun zu den Unfallleistungen: Herr Tancsits, Herr Fasslabend, Herr Spindelegger, Sie haben es anscheinend vergessen! Waren Sie nicht auf Ihrer Konferenz, wo es eine gemeinsame Resolution zu den Unfallrenten gab? Ich habe nur Ihre Position hier vertreten, weil Sie sich in Ihrer eigenen Regierung nicht durchsetzen können!

In dieser Resolution, die Sie einstimmig beschlossen haben, heißt es: Leistungen der Unfallversicherung sind keine Sozialleistungen, sondern ein Schmerzensgeld für verunfallte Arbeitnehmer. Zahlungen der AUV entbinden die Unternehmen von weiteren Schadenersatzleistungen, die die Arbeitnehmer sonst mühsam gerichtlich durchsetzen müssten. – Es geht dann noch weiter, zum Beispiel darüber, was das für ein schlechter politischer Stil in der eigenen Regierung ist. Vielleicht reden Sie einmal mit Ihren eigenen Spitzenfunktionären. Doch machen Sie sich um den ÖGB keine Sorgen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Vorsichtig!)

17.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Abgeordneter Dr. Khol. Restredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

17.20

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Nürnberger! (Abg. Nürnberger: Tu weg dein Taferl!) Sie haben am Schluss Ihrer Rede das Wort "Stil" genannt, und ich erinnere mich noch sehr gut an Ihren ersten Redebeitrag.

Herr Kollege Nürnberger! Auch ich mache mir Sorge um den Stil. (Abg. Edlinger: Mit Recht!)  – Mit Recht, ja! Niemand in diesem Haus will den Österreichischen Gewerkschaftsbund oder die Arbeiterkammer mundtot machen. Das haben Sie uns aber unterstellt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ganz im Gegenteil! Eine funktionierende Sozialpartnerschaft braucht starke Interessenvertreter, starke Wirtschaftsvertreter, starke Bauernvertreter und starke Arbeitnehmervertreter. Daher stehe ich als Gewerkschaftsmitglied auch zu meiner Gewerkschaft. Aber zu Demonstrationen zu gehen, zu denen die "Volksstimme" aufruft, zu denen das "TATblatt" aufruft und wozu die Gewerkschaft an ihrem letzten Aktionstag solche Plakate verteilt hat (der Redner hält ein Plakat des ÖGB in die Höhe, auf dem auf der rechten Seite Bundeskanzler Dr. Schüssel und Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer in schwarzen Mänteln mit einer Sense in der Hand abgebildet sind; weiters sind auf der linken Seite Schlagworte wie "Kapitalismus" und "Globalisierung" zu lesen), dazu darf ich Ihnen Folgendes sagen: Auf Kosten meines Mitgliedsbeitrages im Juni hat der Gewerkschaftsbund derartige geschmacklose Plakate mit sich geführt! (Abg. Murauer: Das müssen wir zahlen!)

Ich sage Ihnen: Heute am Vormittag haben in einer anderen Angelegenheit sehr viele Redner hier Stellung bezogen und haben sich distanziert. Ich habe Angst um den Gewerkschaftsbund, der solche Plakate mit sich führt und der keine Korrekturmaßnahmen trifft (Abg. Silhavy:  ... dagegen gestimmt!), mit jenen zu demonstrieren, die gewaltbereit sind, die sich im "TATblatt" äußern. (Abg. Murauer  – in Richtung der Abg. Silhavy –: Haben Sie nicht zugehört, Frau Kollegin?)

Seine Relation zum "TATblatt" ist schon Herrn Einem damals nicht gut bekommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Haigermoser nähern sich dem Rednerpult, um das ÖGB-Plakat genauer zu betrachten. – Abg. Dr. Pumberger: Skandal!)

17.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Verzetnitsch zu Wort gemeldet. Ich brauche Sie nicht an § 58 Abs. 2 GOG zu erinnern. Bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe des zu berichtigenden Sachverhaltes.

17.22

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Spindelegger hat behauptet, dass es keine gemeinsamen Beschlüsse zur Demonstration und auch zu diesem Text gibt. (Die Abgeordneten Ing. Westenthaler und Haigermoser: Distanzieren Sie sich von diesem Plakat!)

Ich stelle richtig: Am 9. November hat der Bundesvorstand mit den Stimmen aller Fraktionen die Maßnahmen für den 5. Dezember beschlossen. Eine Woche später hat in einer Aktionsgruppe auch ein Vertreter ... (Abg. Achatz: Distanzieren Sie sich von diesem Plakat!)  – Lassen Sie mich ausreden! Eines nach dem anderen. Ich soll ja im Sinne der Geschäftsordnung klarstellen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie können sich ruhig distanzieren!) – Eine Woche später hat der Vertreter der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, und das ist kein Parteienvertreter, an der Sitzung teilgenommen.

Der Vertreter der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, die zufälligerweise auch die Mehrheit in der ÖVP hat, hat außerdem an einer weiteren Sitzung teilgenommen. Ich darf Sie informieren, dass am 1. Dezember noch eine Sitzung stattfinden wird, an der diese Leute ebenfalls teilnehmen werden. (Ruf bei der ÖVP: Tatsächliche Berichtigung!)

Zweiter Punkt: Herr Abgeordneter Khol, wenn Sie schon zitieren, dann zitieren Sie richtig. Ich habe diese heutige Fotomontage in der "Kleinen Zeitung" zum Anlass genommen, in der Redaktion nachzufragen, woher diese stammt. Das ist erstens kein Plakat, und zweitens stammt es von einer Fotoagentur, deren Sitz mir nicht mitgeteilt werden konnte, weil man nicht mehr weiß, wo das überhaupt war. (Abg. Dr. Pumberger: Da putzen Sie sich wieder ab! Da können Sie nichts dafür!) Das nur zur Klarstellung. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie hätten sich wenigstens distanzieren können!)


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48. Sitzung / Seite 124

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 331/A (E) der Abgeordneten Nürnberger und Genossen betreffend die Erhöhung des Pendlerpauschales, des Kilometergeldes und der Auszahlung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses. (Abg. Dr. Pumberger:  ...! Ungeheuerlich! Das weiß er nicht mehr!)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Lichtenberger und Genossen betreffend Verbesserung der Situation der Pendler und Pendlerinnen. (Abg. Dr. Martin Graf: Ist das der 30-S-Benzinpreis-Antrag?)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Minderheit und damit abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlung über die Beratungsgruppe IX wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Abgeordneter Gartlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.25

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Wir kehren zurück zum Thema Wirtschaft des heutigen Budgettages. Ich möchte mich in einigen Sätzen mit der Technologiepolitik auseinander setzen, die jetzt wieder Thema ist.

Das erste Problem habe ich, nachdem diese Bundesregierung gebildet worden ist, bekommen, als diese Bundesregierung es entgegen allen Erwartungen aller Praktiker nicht realisieren konnte, einheitliche Kompetenzen oder eine Kompetenz in der Bundesregierung zu entwickeln. Im Bereich Technologiepolitik waren in der letzten Legislaturperiode ja zwei Ministerien verantwortlich. Leider ist eine weitere Zersplitterung der Kompetenzen erfolgt. Ich sehe auch für die nächsten Jahre diese Schwierigkeiten, die die Finanzierung und die Arbeitsprogramme in diesem Bereich umfassen.

Frau Bundesminister Forstinger hat auf meine Frage gemeint, der Rat für Technologiepolitik wäre ja ohnehin für die Koordinierung und die strategische Entwicklung verantwortlich. Ich denke aber, dass dieses beratende Gremium kein Ersatz für Technologiepolitik sein kann. Ich möchte Sie daher gerne Folgendes fragen, Herr Bundesminister: Wie stellen Sie es sich vor, dass die Effizienz dieser Abteilungen in Ihrem Ministerium und im Ministerium von Kollegin Forstinger in Zukunft noch gesteigert werden kann, ohne dass es zu diesen traditionellen Konkurrenzsituationen kommt?

Zweite Frage: Während ursprünglich 10 Milliarden Schilling für diese Aktivitäten in den nächsten drei Jahren zur Verfügung gestanden sind, sind es jetzt nur noch sieben. Das Programm, das Frau Bundesminister Forstinger jetzt dem Herrn Bundesfinanzminister vorgelegt hat, umfasst 8 Milliarden Schilling, die sie in den nächsten drei Jahren für die Technologiepolitik mit konkreten Maßnahmen und Projekten verbudgetieren will. Ich frage Sie: Wie viel werden Sie und Ihre technologiepolitische Abteilung in den nächsten Jahren von diesem Kuchen abbekommen, wenn doch da bereits eine Differenz von einer Milliarde Schilling besteht?

Wir wissen, dass die österreichische Forschungsquote in Summe unter dem europäischen Schnitt liegt. Eine besondere Spezialität besteht auch darin, dass die öffentlichen Forschungsausgaben überdurchschnittlich hoch und die betrieblichen Aktivitäten im F&E-Bereich im internationalen Vergleich eher gering und unterdurchschnittlich sind.


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48. Sitzung / Seite 125

Auch heuer ist die Forschungsquote, wie wir hören, höchstwahrscheinlich rückläufig, was nicht unlogisch wäre, weil die Ausgaben im heurigen Jahr geringer sind als im letzten Jahr.

Meine Frage an Sie, Herr Bundesminister, in dieser Sache lautet: Was gedenken Sie in Ihrem Bereich dazu beizutragen, dass die F&E-Quote in Österreich in den nächsten Jahren tatsächlich dort anlangen kann, wohin man sie als Regierung – sie wurde aber auch im Parlament beschlossen – bekommen möchte, nämlich auf 2,5 Prozent in den nächsten sechs Jahren?

Eine letzte Frage habe ich noch in diesem Zusammenhang. Der Freibetrag für Forschungsaktivitäten wurde im Jahre 1999 noch erhöht, und zwar von 12 Prozent auf 25 Prozent. Ich hätte auch da gerne gewusst, wie sich das bisher auf die Entwicklungen im betrieblichen Forschungswesen ausgewirkt hat.

Nicht zuletzt wird immer wieder sehr intensiv die Greencard für IT-Experten diskutiert, die aus den Entwicklungsländern zu uns kommen sollten. Ich glaube, dass es gerade in den benachbarten Reformländern sehr viele solcher Technologieexperten gibt, die wir suchen. Ich glaube, dass es auch gut wäre, wenn sich die österreichische Wirtschaft stärker als bisher in diesen Staaten engagieren würde. Das heißt, ich würde wirklich empfehlen, in diesem Bereich Maßnahmen zu setzen, damit die österreichischen Unternehmungen verstärkt in diese Regionen gehen und dort mit zum Aufbau beitragen und auch am Aufbau dieser Länder mitpartizipieren. Da würde sich natürlich der IT-Bereich in besonderem Maße eignen.

Meine Frage an Sie lautet: Denken Sie an Maßnahmen in diese Richtung? – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.30

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stehe noch ein wenig unter dem Eindruck der Rede des Herrn Finanzministers außer Dienst Edlinger, die dieser heute in der Debatte über den Dringlichen Antrag gehalten hat, denn dabei ist doch sehr deutlich geworden, dass seitens der SPÖ eine sehr undifferenzierte Strategie auch in dieser Gesamtbudgetdebatte gefahren wird.

Klar ist, Herr Minister außer Dienst Edlinger: Sie und Ihre Partei – eventuell auch gemeinsam mit uns – haben uns diese Situation im Finanzbereich hinterlassen, sodass eben eine umfassende Sanierung notwendig ist. Was tun Sie aber nun, Herr Kollege Edlinger? – Sie stellen sich nicht nur unwissend, sondern streiten überhaupt das Erfordernis einer Sanierung ab. Sie wollen keinesfalls an einer Sanierung mitarbeiten, bringen keine wirklich umsetzbaren Vorschläge ein – geschweige denn, dass Sie irgendwelche Alternativen böten. Obendrein stellen Sie von der SPÖ die Ergebnisse falsch dar – veranstalten aber jetzt eine Demonstration, womit Sie aber nur zeigen, dass Sie inhaltlich nichts zusammengebracht haben. – Das ist keine faire Oppositionspolitik, Herr Minister außer Dienst Edlinger! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang braucht man ja nur in andere Länder zu schauen, die bereits den Weg einer Budgetsanierung gegangen sind. Überall dort, wo eine Sanierung notwendig ist, gibt es für einen Finanzminister nur zwei Komponenten, mit denen er arbeiten kann. Die eine Komponente ist, die Einnahmen zu erhöhen, die andere Komponente ist, die Ausgaben zu senken. Das musste jedes Land – egal, ob sozialistisch oder anders regiert – in der Umsetzung so machen.

Es gibt da aber auch noch einen dritten Weg, eine dritte "Methode", aber diese ist leider die teuerste, nämlich zu sagen: Die Budgetsanierung ist doch gar nicht notwendig und nicht in diesem Umfang notwendig! – Zunächst habe ich mir, als ich das gelesen habe, gedacht, das wird nicht ganz stimmen, das ist eben so eine Pressedarstellung, aber nein: Das, was Sie von


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48. Sitzung / Seite 126

der SPÖ dazu den Medien gegenüber gesagt haben, haben Sie auch noch in einen Entschließungsantrag gefasst und haben genau das alles hier die ganze Woche lang auch so dargestellt. Sie von der SPÖ wollen sich also an Deutschland orientieren, an einem Land, das diesbezüglich an letzter Stelle im Vergleich aller Länder Europas steht. Das ist Ihr Vorbild!

Diesen Weg wollen Sie von der SPÖ vier Jahre lang gehen – und da kann ich Ihnen nur die Insolvenzzahlen Deutschlands nennen, die heute zwar schon genannt wurden, aber nicht ganz vollständig.

In Österreich haben wir jedenfalls eine Höchstzahl an Beschäftigten, die niedrigste Arbeitslosenrate überhaupt – plus eine entsprechende Verbesserung im Hinblick auf Insolvenzen: Im ersten Halbjahr 2000 gab es bei uns um 3,8 Prozent weniger Insolvenzen!

Wie sieht diese Situation in Deutschland aus, Herr Abgeordneter Edlinger? – In Deutschland macht die Steigerung der Insolvenzen 26 Prozent aus! – Das wollen Sie von der SPÖ sich zum Vorbild nehmen?!

Weiters kam es in Deutschland auch zu einer Revidierung des prognostizierten Wirtschaftswachstums. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland liegt bitte sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr hinter dem Österreichs!

Dazu kann ich Ihnen von der SPÖ nur sagen: Gingen wir hier in Österreich diesen Weg nach Ihrem "Vorbild", verlören wir bitte an Wettbewerbsfähigkeit. Gingen wir diesen Weg, käme uns das ausgesprochen teuer.

In diesem Zusammenhang wurde hier heute auch von der Leistung der Wirtschaft und vom Verhältnis Arbeitnehmer/Arbeitgeber gesprochen, davon, was diese denn so alles machen. – In Wirklichkeit ist es doch so: Eine große Gruppe von Unternehmern will natürlich null Neuverschuldung, weil dadurch eben der Standort profitiert. Langsam spricht es sich auch herum, was die Unternehmer alles zur Budgetsanierung beitragen. Erinnern möchte ich nur daran: Der IFB fällt weg, es gibt Änderungen im Bereich der Rückstellungen, der Verlustvorträge und so weiter. Was die Unternehmer betrifft, so bin ich aber dankbar dafür, dass wenigstens im Bereich BÜRGES Verbesserungen erzielt werden konnten, sodass da eben gerade die Klein- und Mittelbetriebe davon profitieren.

Noch lieber wäre es mir zweifelsohne gewesen, wenn, was die Lohnnebenkosten anlangt – nachdem die Zahl der Insolvenzen und die Arbeitslosenrate sinkt –, eine Vorleistung erbracht worden wäre. Sie von der SPÖ meinen allerdings sowieso: Lohnnebenkosten senken, nein, das braucht nicht zu sein! Für die Wirtschaft aber, meine Damen und Herren, stellt das einen entscheidender Punkt dar!

Sie, Frau Kollegin Kubitschek, haben das hier nicht richtig dargestellt, denn Sie behaupten immer, die Lohnstückkosten seien das Entscheidende. – Ja, die sind entscheidend für die Industrie, aber für den Dienstleistungsbereich etwa ist maßgeblich, wie es im Zusammenhang mit der Gesamtsituation bezüglich Lohnnebenkosten ausschaut. Warum? – Da können nicht solche Rationalisierungsschritte gesetzt werden, wenn es sich zum Beispiel um einen Dienstleister, etwa um einen Friseur handelt. Das geht gerade auch dann nicht, wenn dieser Dienstleiter sozusagen in Konkurrenz steht mit dem Schwarzarbeitbereich.

Eine Senkung der Lohnnebenkosten stellt daher gerade für solche Betriebe eine dringende Notwendigkeit dar. 2,8 Prozent Lohnnebenkosten bei uns – und im internationalen Schnitt 0,4 Prozent Lohnnebenkosten! Den Wettbewerbsnachteil, den die österreichische Wirtschaft dadurch erleidet, kann man in etwa mit 70 Milliarden Schilling beziffern.

Richtig ist: Was die Gewinnsteuern anlangt, liegen wir gut: an dritter Stelle; hinsichtlich der Gesamtabgaben jedoch an drittschlechtester Stelle. Daher, meine Damen und Herren: Eine differenzierte Vorgangsweise wäre da sehr wohl notwendig.


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In diesem Zusammenhang: Unter Herrn Finanzminister Edlinger – aber auch schon früher – ist ja da so direkt eine "Gewohnheit" eingerissen, nämlich jene, die Fonds auszuplündern. – Das sollte von dieser Regierung dringend eingestellt werden. Schauen wir uns doch beispielsweise den FLAF an, schauen wir uns an, warum dieser geschaffen wurde. (Abg. Edlinger: Arbeitslosenversicherung? Und was ist mit dem Insolvenzfonds?)  – Darauf werde ich gleich zu sprechen kommen.

Der FLAF ist deswegen geschaffen worden, weil im Jahre 1949 die Regierung die Ernährungsbeihilfe nicht mehr bezahlen konnte. – Jetzt, meine Damen und Herren, bekommt der FLAF, der rein aus Arbeitgeberbeiträgen finanziert wird, eine um die andere Leistung sozusagen umgehängt und muss für Studienbeiträge sowie einige andere Leistungen herhalten. (Abg. Edler: Lernen Sie Geschichte!)

Richtig wäre es, wie ich meine, da umzustellen und zu sagen: Wenn Familienleistungen in diesem Ausmaß notwendig sind – und dazu stehen wir –, dann sollen diese aber bitte aus dem Gesamtsteueraufkommen finanziert werden – und nicht, und zwar ausnahmslos, arbeitgeberseitig!

Dasselbe gilt für den Bereich EFZG, laut dem zur Rückerstattung der Krankenstandsleistungen ausschließlich die Unternehmen herangezogen werden. – Auch da ist nicht einzusehen, warum das nicht unter das allgemeine Budget fällt.

Meine Damen und Herren! Wir von der Wirtschaft stehen voll hinter dem Programm Budgetsanierung, und zwar zu allen Schritten, meinen allerdings, dass in einigen Bereichen sozusagen nachgeschärft werden müsste. Warum? – Weil uns das Anliegen Senkung der Lohnnebenkosten wichtig ist, das aber nur dann finanzierbar ist, wenn die Situation beim Gesamtbudget so ist, dass das überhaupt erst möglich wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Edlinger zu Wort gemeldet. Bitte § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu beachten und mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen.

17.37

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Mitterlehner behauptete hier, ich würde eine Budgetkonsolidierung ablehnen. – Das ist unrichtig!

Die Budgetkonsolidierung hat bereits 1996 begonnen. Dadurch wurde das Budgetdefizit – zum Großteil unter meiner Führung – um 3 Prozent reduziert. (Abg. Böhacker: 3 Prozentpunkte!)

Weiters meinten Sie, Herr Abgeordneter Mitterlehner, die SPÖ habe keinerlei Alternativen in dieser Richtung. – Auch das ist unrichtig!

In unserem diesbezüglichen Abänderungsantrag haben wir Alternativen klar dargelegt und aufgezeigt. Denn: Alternativen zum sozialen Kahlschlag dieser Regierung gibt es viele! (Beifall bei der SPÖ.)

17.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.38

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatsekretärin! Meine Damen und Herren! Wirtschaftspolitik hat sicherlich sehr viele Dimensionen. Heute haben ja mehrere Kollegen ganz unterschiedliche Ansatzpunkte dargelegt. Ich möchte jetzt versuchen, da sozusagen einen kleinen Bogen zu ziehen und noch einmal auf das einzugehen, Herr Minister Bartenstein, was Sie als Ihre Rahmenrichtlinien, als Ihre Ziele formuliert haben. Für mich lautet der Übertitel dieses "Bogens": nachhaltige soziale Marktwirtschaft, etwas, was Sie hier heute deutlich unterstrichen haben und zu dem Sie sich, zumindest verbal, bekennen. Zu diesem verbalen Bekenntnis möchte ich


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allerdings auch ganz konkrete Aktionsprogramme beziehungsweise ganz konkrete Manifestierungen sowie konkrete wirtschaftspolitische Schritte sehen.

Was eine nachhaltige soziale Marktwirtschaft betrifft, Herr Minister, würde ich aber doch auch noch ergänzend anbringen: ökologisch nachhaltige soziale Marktwirtschaft. Natürlich: Das Wort "Nachhaltigkeit" würde das schon einschließen, aber um das herauszustreichen, um das noch einmal zu betonen, möchte ich sagen: "Nachhaltigkeit" bedeutet implizit Ökologie – und "Ökologie" bedeutet implizit Steuerungsinstrumente.

Das alles muss man nicht nur immer wieder wiederholen, sondern auch zum Teil noch näher ausführen; die diesbezüglichen Ausführungen hat ja bereits meine Kollegin Glawischnig vorgenommen, sodass mir da nur mehr bleibt, das drei Mal zu unterstreichen und Ihnen – da Sie, Herr Minister Bartenstein, ja aus dem Umweltministerium kommen – noch einmal sozusagen dringend mit auf Ihre "Reise" geben, und zwar auf die Reise ins zweite Jahr Ihres Daseins als Wirtschaftsminister. – Im ersten Jahr hat man ja davon beileibe wenig gemerkt!

Ein wesentlicher Punkt dieser nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft ist sicherlich, dass der Rahmen, innerhalb dessen sich Wirtschaft abspielt, genau abgesteckt wird. Darauf hat schon mein Kollege Kogler hingewiesen: Es ist einmal klar zu definieren, was die Kernaufgaben des Staates sind und wo der Staat für optimale Standort-Rahmenbedingungen zu sorgen hat. Die Kernaufgaben sind die Setzung von Infrastrukturmaßnahmen, die Sicherstellungen im Ausbildungsbereich sowie die Sicherstellungen im Versorgungsbereich. Die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung sind sicherlich Ausbildungsfaktoren, ebenso die Fragen der Infrastruktur, die Fragen der Regulierung sowie die Frage – ich glaube, eine Kollegin hat das heute schon angesprochen – betreffend Kartellsituation in Österreich. Diesbezüglich haben Sie Handlungsbedarf! Sie sollten vor allem im Sinne der KonsumentInnen endlich einmal für ordentliche kartellrechtliche Regelungen sorgen, denn die EU hat schon einmal ihren Finger in unsere kartellrechtliche Wunde gelegt. Sie haben in dieser Hinsicht ein relativ schweres Erbe von Ihrem Vorgänger übernommen. (Beifall bei den Grünen.)

Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Natur auch für die KonsumentInnen sind konkret auch die Ladenschlusszeiten. Dazu habe ich heute noch zu wenig gehört. Das Problem der Ladenschlusszeiten hat eine soziale Dimension und eine marktwirtschaftliche Dimension, und gerade in dieser Frage überschneiden sie sich, stehen teilweise in Konkurrenz, in Opposition zueinander. Ich bekenne mich eindeutig zum sozialen Aspekt, da es nicht einzusehen ist, dass auch noch um Mitternacht Verkäuferinnen an den Kassen stehen, nur weil die eine oder andere Person gerade Lust darauf hat, um Mitternacht einkaufen zu gehen. Mit dieser Einstellung treffe ich mich, glaube ich, mit vielen Gewerbetreibenden im kleinen und mittleren Bereich, die auf Grund ihrer personellen Situation solche Ladenschlusszeiten, wie Sie sie anstreben – Liberalisierungsmuster, die teilweise den deutschen ähneln –, nicht mittragen. Es gilt, eindeutige Prioritäten zu setzen und nicht grenzenlos zu liberalisieren, sonst werden Sie Ihrer eigenen Forderung nach einer nachhaltigen, sozialen Marktwirtschaft nicht gerecht! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Sie haben auch das Wort "Humankapital" in den Mund genommen. Dieses Humankapital hat verschiedene Dimensionen. Es beinhaltet einmal den Ausbildungsaspekt – die Ausbildungsdimension sowohl im schulischen als auch im beruflichen Teil. Diesbezüglich bin ich der Meinung, dass das duale Ausbildungssystem in Österreich weiter ergänzt und verstärkt gehört. Da gibt es Ansatzpunkte für eine Reform. In Dänemark sind Modelle in Arbeit und bereits in Umsetzung, die uns in Österreich helfen könnten, für die Lehrlingsausbildung die optimale Variante zu finden. Derzeit gibt es nämlich verschiedenste Schwierigkeiten. Wir sehen das auch in den diversen Bundesländern, etwa in Oberösterreich, deutlich.

Außerdem beinhaltet das Humankapital den Aspekt der Forschung und der Technologie. Ich brauche nicht zu wiederholen, was viele meiner Vorrednerinnen diesbezüglich schon vorgebracht haben.


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Bei diesem Humankapital ist jedoch meines Erachtens der Schwerpunkt vor allem auf "human" zu setzen. Das Wesentliche ist, dass ich auch menschliche Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen habe. Ich finde, dass Sie mit Ihrer Schere – einerseits Wirtschaft, andererseits Arbeit – oft Gefahr laufen, die menschliche Schiene nicht recht zu erwischen beziehungsweise die menschliche Schiene, nämlich humane Rahmenbedingungen für die Arbeit, im Konkurrenzfall einer globalisierten Wirtschaft nicht in vollem Umfang einfordern. Sie hätten vor allem auf EU-Ebene Möglichkeiten, dafür markante Zeichen zu setzen. Es ist notwendig, dass wir in dieser Hinsicht Initiativen setzen. Gerade Sie als Wirtschaftsminister sollten auch für einheitliche Sozialstandards innerhalb der EU eintreten. Dann sind Sie für mich glaubwürdig, sowohl als Wirtschafts- als auch als Arbeitsminister. Sozialstandards helfen der Wirtschaft, helfen aber auch den ArbeitnehmerInnen. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Abschluss vielleicht noch ein paar Bemerkungen zu den oft zitierten Lohnnebenkosten. Da überlappen sich nämlich sowohl ökonomische als auch budgetäre Aspekte. Es gibt dafür das eine Rezept, das ich nur wiederholen kann, nämlich die ökosoziale Steuerreform! Damit dienen Sie der Wirtschaft, damit dienen Sie den Menschen, und dadurch können Sie auch dem Budget etwas zukommen lassen. Sie müssen sozusagen endlich wieder Hand anlegen, damit diese Aspekte vermehrt umgesetzt werden.

Zum Schluss: Wir haben in der ökosozialen Steuerreform den Bereich der Wohnbauförderung nicht extra behandelt. Das ist ein Extra-Kapitel, in dem sich ebenfalls sowohl Humanes als auch Wirtschaftliches treffen kann. Ihr Kollege Herr Minister Grasser hat die Wohnbauförderung jetzt gänzlich den Ländern überlassen. Aber gerade Sie als Wirtschaftsminister müssten ja Interesse daran haben, dass in dessen Folge Aufträge im Sinne von Althaussanierungen, im Sinne von Wärmedämmung, im Sinne von Energieeffizienz der Wirtschaft zugute kommen!

Die Verpflichtungen der Länder, in diesem Bereich gerade im Sinne des Klimaschutzes aktiv zu werden, sind daher massiv einzufordern. An Ihrer Stelle hätte ich den Ländern auch eine Latte gelegt, die in Millionenbeträgen definiert ist, eine Latte, die jedes Bundesland zu erreichen hat, eine Latte, deren Form und Höhe nicht jedem Bundesland überlassen wird, sondern eine generelle Vorschrift.

In dieser Hinsicht haben Sie leider versagt, und zwar auch im Sinne der Wirtschaft, die ja Arbeitsplätze im Baugewerbe sichern könnte und vor allem Erträge und Aufträge lukrieren könnte. Das wäre eine Chance gewesen. Ich hoffe, Sie holen sie nach – zumindest im nächsten Budget. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schoettel-Delacher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

17.46

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben heute immer wieder gehört, die Wirtschaft trage nichts zur Budgetsanierung bei. Aber wir alle, die wir hier sitzen, wissen genau, dass dies nicht den Tatschen entspricht. Die Wirtschaft steuert immerhin rund 18 Milliarden Schilling zu dieser Budgetsanierung bei, denn sie hat erkannt, dass es notwendig ist, zuerst das Budget zu sanieren, bevor weitere wichtige, neue Schritte folgen können.

Die Wirtschaft setzt darauf, dass solche Schritte tatsächlich auch folgen werden, denn die Wirtschafts- und Arbeitspolitik dieser Regierung ist eine grundlegend neue. Sie möchte keine Mauern um unser Land bauen, sondern die Globalisierung für uns und unser Land nutzen. Sie möchte nicht alles bis in kleinste Detail geregelt wissen, sondern sie ermöglicht durch Deregulierung der Wirtschaft, den Marktzutritt zu Bereichen, wo Wettbewerb nötig und möglich ist. Sie möchte keine unnötigen Einschränkungen der Wirtschaft durch unzählige Bewilligungsverfahren und übertriebene Bürokratie, vielmehr arbeitet sie an einem gezielten Abbau der Bürokratie und plädiert für weniger Verwaltungsebenen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Dank dieses Reformwillens sehe ich nun auch die Möglichkeit, einmal über eine neue Arbeitswelt nachzudenken. Wir müssen aufhören, die Menschen ständig zu entmündigen und ihnen ihre Eigenständigkeit abzusprechen. Ob Mitarbeiterbeteiligungsmodell, flexible Arbeitszeiten, neue Sozialordnung oder andere wichtige Themenbereiche – entscheidend ist, dass sich die Bürokratie der Dynamik der Wirtschaft anpasst! Das wiederum geht nur, wenn veraltete Strukturen aufgehoben beziehungsweise bestehende Gesetze auf ein vernünftiges und gerechtes Maß zurückgeführt werden.

Dass neue Ideen auch Erfolg haben können, zeigt sich am Beispiel Australiens. Dort wurde sowohl der Arbeitsmarkt als auch die Arbeitsverwaltung grundlegend geändert. Seither wächst die Beschäftigung rapide. Australien ist davon ausgegangen, dass ein zentrales Lohnfindungssystem heute nicht mehr zeitgemäß ist, und hat individuelle Verträge als Alternative zu kollektiv ausgehandelten Verträgen ermöglicht. Dies schuf mehr Flexibilität in den Betrieben, was wiederum zu Produktivitätsgewinnen führen konnte. Diese Produktivitätsgewinne schufen wiederum Spielräume für Lohnsteigerungen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines Sicherheitsnetzes. Lohnnebenkosten, die zu Jobkillern werden können, sind in Australien unbekannt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die rechtliche Absicherung von Betriebsvereinbarungen, gekoppelt an unabdingbare Rahmenbedingungen, müssen ein Ziel in der neuen Arbeitswelt sein. Maximalarbeitszeit, Durchrechnungszeiträume, lebensphasengerechte Arbeitszeit mit Änderung der Gehaltspyramide, mobile Arbeitszeit statt Teilzeitarbeit und betriebliche Partnerschaft sind einige jener Themen, mit denen wir uns in Zukunft dringend beschäftigen sollten, um der Dynamik der Wirtschaft gerecht zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben nun die Gelegenheit, mit den unzähligen Geboten und Verboten aufzuräumen, um mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zu fördern. In den nächsten Jahren sollten wir verstärkt auf weniger staatlichen Dirigismus und dafür mehr auf marktwirtschaftliche und private Initiativen setzen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Böhacker  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Oberhaidinger –: Wieder ein sachlicher Beitrag! – Abg. Oberhaidinger: Ich hoffe! – Abg. Böhacker: Ich weiß es!)

17.50

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Erfreulicherweise – das ist zumindest den Zeitungen zu entnehmen – hat Landeshauptmann Schausberger jetzt unterschrieben und seine Einwände aufgegeben. Es kann also nur mehr eine Frage der Zeit sein (Abg. Böhacker: Spät, aber doch!), dass das novellierte ElWOG in Kraft treten wird. Spät, aber doch! Das hat mich gefreut. – Herr Minister, du hast mir mitgeteilt, dass du dich von ihm nicht junktimieren lassen wirst. Ich gratuliere, du bist fest geblieben, wir werden das ElWOG bekommen.

Es sollte angeblich noch mit 1. Dezember dieses Jahres in Kraft treten. Ich hoffe sehr, dass die verbleibende Zeit ausreicht, um den Strommarkt, wie vorgesehen, mit 1. Oktober 2001 öffnen zu können. Ich habe im Budgetausschuss angefragt, wo denn der Ansatz für den zu erwartenden Gründungsaufwand für den Strommarkt-Regulator angeführt ist. Es wurde mir schriftlich mitgeteilt, dass dies aus Umschichtungen bereitgestellt werde. Allerdings kann ich mir in Zeiten eines Sparbudgets schlecht vorstellen, wo darin 50 Millionen Schilling so ohne weiteres zu verstecken sind. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. ) Ich hätte gerne gewusst, aus welchem Ansatz diese 50 Millionen Schilling kommen sollen. Vielleicht ist es möglich, auch über das "Wie" Auskunft zu bekommen.

Was mich in der letzten Zeit besonders beunruhigt, ist, dass in der Region Voitsberg-Köflach zurzeit, wie es heißt, um 1 000 Arbeitsplätze gekämpft wird – und das in einer Region, in der seit den siebziger Jahren ein Kohleliefervertrag besteht, der für beide Vertragspartner eigentlich bisher als wasserdicht gegolten hat. Es war uns allen bei den Verhandlungen zum ElWOG I klar,


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dass es auf Grund der sinkenden Strompreise für die ÖDK oder in weiterer Folge für den Verbund auf Sicht nicht möglich sein wird, die vergleichsweise hohen Kohlepreise zu verdienen.

Wir haben daher, Herr Minister, im § 69 Abs. 5 unter dem Titel "stranded investments" für die Verstromung von Braunkohle ausdrücklich Betriebsbeihilfen vorgesehen. Sie wurden in einer Größenordnung von 2,8 Milliarden Schilling auch in Brüssel beantragt. Das ist etwa zwei Jahre her, seither ist nichts mehr davon zu hören. Ich weiß nicht, was in Brüssel mit unserem diesbezüglichen Antrag gemacht wird. In Österreich heben wir aus diesem Titel bereits Betriebsbeihilfen ein, und in der Region Voitsberg-Köflach zittern 1 000 Menschen um ihren Arbeitsplatz. Da stimmt etwas nicht!

Vielleicht liegt es auch daran, dass dein Vorgänger, wie ich weiß, mit "stranded investments" nicht sehr viel Freude gehabt hat. Minister Farnleitner hat diesbezüglich in Brüssel sicher nicht übermäßigen Druck gemacht. Ich würde dich aber wirklich bitten, in diesem Zusammenhang in Brüssel ein paar Schäuferl nachzulegen. Ich glaube, es ist wirklich höchste Zeit, dass dazu einmal eine Entscheidung fällt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In der Zwischenzeit hat es in Österreich einige Veränderungen gegeben. Wie ich weiß – allerdings eher inoffiziell –, gibt es eine Einigung zwischen dem Verbund und der ÖIAG: Sie wollen von der Frist 2008 auf 2004 zurückgehen. – Offiziell gibt es darüber keine Auskünfte, inoffiziell wird darüber gemunkelt. Dazu kommt, dass der Verbund die ÖDK, also die Draukraftwerke, in die Austrian Hydro Power mit hineingenommen hat, und die Gewährung einer Betriebsbeihilfe an die Adresse Austrian Hydro Power – die ÖDK wird es in der Form ja nicht mehr geben – erscheint mir nahezu ausgeschlossen. Dazu kommt außerdem, dass die kalorischen Kraftwerke nicht ebenfalls hineingenommen worden sind. Voitsberg, St. Andrä und Zeltweg sollten verkauft, unter Umständen stillgelegt werden.

Man hat also einige Maßnahmen gesetzt, die es meiner Meinung nach, soweit ich das ElWOG richtig interpretiere, nahezu ausschließen, dass tatsächlich noch an irgendwen Betriebsbeihilfen gewährt werden können. Meine Fragen an dich lauten: Wie schaut es aus, wie wird Brüssel auf die geänderten Umstände reagieren? Wird es positiv reagieren? Wenn ja, wer ist der Begünstigte? Wenn nein, was geschieht mit den 1 000 Beschäftigten in der angesprochenen Region? (Beifall bei der SPÖ.)

Kollegin Sophie Bauer kommt aus dieser Region, sie kennt die dortigen Probleme zur Genüge. Die Region ist mit Arbeitsplätzen nicht gerade reichlich gesegnet, daher kämpft sie um jeden Arbeitsplatz. Wir sollten sie von hier aus auch entsprechend unterstützen!

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Abschließend noch eine Frage zur Bergbaubehörde. Formal, als Sektion im Wirtschaftsministerium, ist sie ja aufgelöst, soweit ich richtig informiert bin, ebenso die Berghauptmannschaften. Dennoch gibt es im Budget nach wie vor einen Ansatz für Personal, der sogar steigt! Im Jahre 2000 gab es dafür 18,6 Millionen Schilling, im Jahre 2001 wird es dafür 19,6 Millionen Schilling geben, das ist also eine Steigerung um eine Million Schilling – obwohl es diese Sektion und die Berghauptmannschaften formal im Grunde genommen nicht mehr geben dürfte. Dazu kommt, dass im Mineralrohstoffgesetz vorgesehen ist, dass ein Teil des Bergrechtes von den Bezirksverwaltungsbehörden vollzogen wird.

Hat man davon wieder Abstand genommen? Sollte das so nicht erfüllt werden? Will man unter Umständen über eine Hintertür die Berghauptmannschaften wieder einrichten? Oder warum sonst ist für diesen Personalstand, den es eigentlich nicht mehr geben dürfte, ein eigener Ansatz vorgesehen?

Ich hoffe, dass ich auf diese Fragen einigermaßen zufrieden stellende Antworten bekomme. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.


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17.58

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass auch ich einige grundlegende Überlegungen zum Thema Budget, zum Thema Staatsverschuldung und zur Frage des richtigen Zeitpunktes für die wichtige Sanierung der Verschuldung anstelle.

Meine persönliche Überzeugung ist, dass wir mit der Sanierung der Staatsfinanzen schon viel zu lange gewartet haben und dass in der Vergangenheit gegenüber dem Bürger ein Schleier der Intransparenz über die Schuldenlast des Staates gelegt wurde. Erst Maastricht hat für den Bürger und für die Bürgerin unseres Landes Transparenz gebracht, vor allem was die Staatsverschuldung Österreichs im europäischen Vergleich anbelangt. Da war das Erschrecken sehr groß.

Österreich belegt im europäischen Vergleich in Hinsicht auf das Budgetdefizit den letzten Rang, aber noch viel unerfreulicher ist es natürlich für die österreichischen StaatsbürgerInnen, dass dieses Defizit für die österreichischen Steuerzahler hohe Zinsen und hohe Steuerlasten bedeutet. Wenn der sozialistische Minister außer Dienst Caspar Einem vorige Woche doch tatsächlich behauptete – und ich zitiere aus dem Stenographischen Protokoll, das ich mir habe ausheben lassen –, dass ein Staat ohne Staatsschulden entweder nichts in seine Zukunft investiere oder in der Gegenwart viel zu viel verlange, dann meine ich, dass Herr Dr. Einem entweder etwas verwechselt oder absolute Realitätsverweigerung betreibt.

Wir sind ja weit davon entfernt, keine Staatsschulden zu haben, sondern das, was wir mit den Budgetmaßnahmen jetzt anstreben, ist, dass wir im Jahre 2002 keine Neuverschuldung mehr dazubekommen, um die Steuerschulden von bereits 2 400 Milliarden Schilling nicht noch weiter ansteigen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird noch viel spannender, denn ich habe auch noch die Quelle gefunden, aus der Dr. Einem seine Weisheit, dass der Staat ohne Staatsschuld von seinen Bürgern zu viel verlangt, bezieht: Er hat ein Lehrbuch aus dem Jahre 1871 ausgegraben (Heiterkeit bei der ÖVP), von einem gewissen Lorenz von Stein. (Abg. Dr. Trinkl: Aber! Ganz "aktuell"!)

Meine verehrten Damen und Herren! Wenn die sozialdemokratische Fraktion keine aktuelleren wirtschaftswissenschaftlichen Abhandlungen zur Verfügung stellt, dann darf man sich nicht wundern, dass wir nach 30 Jahren unter sozialdemokratischen Finanzministern derart verschuldet sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was hat denn dieser Herr von Stein 1871 nicht alles versäumt, was ja doch für die Beurteilung einer adäquaten Staatsverschuldung notwendig wäre? – Zwei Weltkriege, Staatsbankrott, industrielle Revolution, Aufbau eines Sozialsystems, die europäische Vereinigung und, und, und. Aber vor allem, sehr geehrte Damen und Herren, konnte sich Herr von Stein wahrscheinlich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorstellen, dass ein kleines Land wie Österreich 700 Milliarden Schilling für Sozialausgaben aufwendet.

Und genau das ist der Punkt: Schulden für Investitionen, die irgendwann Rückflüsse erwarten lassen, ja, aber die laufenden Ausgaben sind aus den laufenden Einnahmen zu decken. Ich möchte dazu Herbert Giersch zitieren, Professor für Wirtschaftspolitik, Gastprofessor an der Yale-Universität und bis 1989 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft.

Er hat gesagt: Wie es für Unternehmen und für Bürger außer Frage steht, können sich grundsätzlich auch Staaten und Gebietskörperschaften verschulden. Besondere Bedenken aber erheben sich so lange nicht, wie der Gegenwert der Schulden in Investitionen besteht, die sich rechnen. Soweit die Schulden jedoch dazu dienen, den öffentlichen Verbrauch zu finanzieren, und soweit sie mit Fehlinvestitionen verbunden sind, werden künftige Generationen von Steuerzahlern per saldo belastet, mehr belastet, als ihnen an Nutzen zufließt. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Zusammenhänge erkennt auch die österreichische Wirtschaft, und das ist der Grund dafür, dass auch die österreichische Wirtschaft zu


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einer raschen Sanierung dieser Staatsschulden beiträgt, und zwar in einem ganz beachtlichen Ausmaß. Ich habe mit vielen Kolleginnen und Kollegen gesprochen, und das wurde mir bestätigt. Es ist in den Reihen der Wirtschaft eine große Akzeptanz für eine rasche Sanierung der Staatsschulden vorhanden. Der Beitrag der Wirtschaft ist enorm, es wurde heute schon ein paar Mal angesprochen: 15 Milliarden Schilling aus den verschiedenen steuerlichen Maßnahmen und weitere 15 Milliarden Schilling theoretisch, wenn man die Nicht-Rückzahlung aus den arbeitgeberfinanzierten Fondsbeiträgen dazurechnen würde.

Die Wirtschaft anerkennt die Bemühungen der Regierung, die laufenden Ausgaben zu verringern, um in Zukunft – und das ist der Punkt – wieder Spielräume für sinnvolle Investitionen zu haben, Investitionen in den Wirtschaftsstandort Österreich zum Beispiel durch Senkung der Lohnnebenkosten im Jahre 2003.

Ein Wort noch zur ökosozialen Steuerreform, die Frau Dr. Moser angesprochen hat; sie ist derzeit leider nicht im Saal. Frau Dr. Moser, ökosoziale Steuerreform ist sicher ein interessantes Thema, ist sicher eine spannende Aufgabe für die Zukunft. Aber glauben Sie mir – ich sage das für einen Betrieb, der im europäischen Vergleich in absolutem Wettbewerb steht –, solche Maßnahmen, solche Ideen müssen im europäischen Gleichklang umgesetzt werden. Dann machen sie möglicherweise Sinn, und dann sind sie auch nicht wettbewerbsverzerrend für die österreichischen Betriebe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Abschließend noch zur Einfallslosigkeit der SPÖ zum Thema Lohnnebenkostensenkung und zum Thema Staatsverschuldung und Sanierung der Staatsverschuldung, die sich im Entschließungsantrag von voriger Woche manifestierte. Ich möchte dazu noch einmal Minister a. D. Edlinger aus seinem Interview in der "Presse" vom Mai 1999 zitieren, wo er wörtlich sagte: Ich glaube, dass es für die Standortsicherung wichtiger wäre, die Lohnnebenkosten herunterzukriegen.

Und dann liegt uns ein Entschließungantrag von voriger Woche vor, in dem eindeutig steht: Verzicht auf die Absenkung der Lohnnebenkosten. – Meine Damen und Herren! Verzicht, Abkehr, Rücknahme, also weiter Schulden machen!

Diese Zeiten sind vorbei, und ich bin froh darüber! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Die Uhr ist wunschgemäß auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

18.05

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herrn Minister Bartenstein kann ich nicht begrüßen, weil er ja nicht hier ist. Ich hätte ihn – und das hätte Herrn Minister Bartenstein schon sehr stark interessieren müssen – wieder fragen wollen, wie er es denn mit der Behindertenarbeitslosigkeit, die in Österreich noch immer weit über 40 Prozent beträgt, hält.

Er hat mir im Ausschuss auf die Feststellung, dass es in Österreich 27 345 arbeitslose Menschen gibt, gesagt, dass das gar nicht stimme, es seien nur 3 000, alle anderen seien Menschen mit so genannten Vermittlungshemmnissen. Die Frau Staatssekretärin nickt dazu. Das heißt, dass die Frau Staatssekretärin genauso wie Minister Bartenstein keine Ahnung hat von dem, was Sache ist.

Selbstverständlich sind diese 27 000 Menschen, die arbeitslos gemeldet sind, nur behinderte Menschen und nicht Menschen mit Vermittlungshemmnissen, wie zum Beispiel Mütter, die keinen Kinderbetreuungsplatz haben, beziehungsweise Frauen und Männer, die ihren Arbeitsort oder den angestrebten Arbeitsort nicht erreichen können, weil es weder ein öffentliches Verkehrsmittel gibt noch sie ein eigenes Auto haben. Das sind jene Menschen, die unter "vermittlungsgehemmt" fallen, aber, Frau Staatssekretärin, die sind in dieser Zahl von 27 000 arbeitslosen behinderten Menschen nicht enthalten, die sind gesondert angeführt.


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48. Sitzung / Seite 134

Weil aber Minister Bartenstein seit Monaten permanente Realitätsverweigerung praktiziert und nur "seine" 3 000 arbeitslosen behinderten Menschen im Kopf hat, tut er auch nichts in dieser Richtung. Seit es diese Bundesregierung gibt, seit Minister Bartenstein auch Arbeitsminister ist, hat er für die Beschäftigung von behinderten Menschen absolut nichts getan. Ich möchte Ihnen nur vorlesen, was es heißt, als behinderter Mensch arbeitslos zu sein.

Nichtbehinderte Menschen haben eine durchschnittliche Arbeitslosenperiode von 107 Tagen. Das heißt, wenn sie arbeitslos werden, sind sie im Schnitt 107 Tage zu Hause, bevor sie wieder eine neue Beschäftigung finden. Behinderte Menschen sind im Durchschnitt 220 Tage arbeitslos, und die Chance, arbeitslose Menschen zu vermitteln, beträgt nur mehr 35 Prozent. Bei nicht behinderten Menschen liegt die Chance, wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen, bei 86 Prozent. Das heißt, dass gerade auch in den letzten Monaten die Zahl arbeitsloser behinderter Menschen nicht gesunken, sondern weiterhin extrem angestiegen ist.

Aber der Herr Minister macht nichts. Das Einzige, was er macht, ist, dass er die Mittel im AMS abzieht, die natürlich sehr wichtig waren zur Vermittlung, zur Sicherung von Arbeitsassistenz für behinderte Menschen. Diese Mittel sind abgezogen. Es gibt keinerlei Ersatz für diese Mittel, und was die so genannte Behindertenmilliarde, von der immer wieder gesprochen wird, angeht, weiß kein Mensch, wofür sie da ist, ab wann das Geld zur Verfügung steht und vor allem wer für diese Milliarde zuständig ist. Ich möchte die Geschichte dieser Milliarde nur kurz anreißen.

Ministerin Sickl beziehungsweise Minister Haupt haben gesagt, dass sie diese Milliarde zur Verfügung stellen. Okay. Sie haben gesagt, dass sie sich dafür verantwortlich fühlen, dass diese Milliarde auch wirklich für Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt verwendet wird, und diese Milliarde bleibt in ihrem Zuständigkeitsbereich. Das war das Erste, was uns angekündigt wurde.

Das Zweite ist, dass Minister Bartenstein mit Recht sagt: Ich bin der Arbeitsminister. Wenn ihr wollt, dass ich behinderte Menschen beschäftige, dann muss ich von dieser Milliarde etwas kriegen, denn ohne dieses Geld kann ich keine neuen Arbeitsplätze oder Ausbildungsmöglichkeiten für behinderte Menschen schaffen. – Okay, darüber kann man diskutieren.

Und jetzt kommt der "Über-Drüber-Hammer": Jetzt meldet sich Frau Vizekanzlerin Riess-Passer und sagt: Die "Behindertenmilliarde" gehört mir, die soll von den Bundessozialämtern verwaltet werden, und ich bin die Chefin der Bundessozialämter.

Das heißt, diese Milliarde, die es ohnehin noch nicht gibt, wird jetzt schon so lange im Kreis getragen, rotiert in der Gegend, ohne dass klargestellt wird, für welche Projekte das Geld verwendet wird, geschweige denn, wer denn letztendlich zuständig ist. Offenbar ist niemand zuständig. Wir werden in einem Jahr wieder hier sein und werden diese "Behindertenmilliarde" vergeblich suchen (Beifall bei den Grünen), weil sie nämlich keine Arbeitsplätze geschaffen hat, und dann wird es genau umgekehrt sein, dann wird Minister Bartenstein sagen: Ich war nicht zuständig! Frau Riess-Passer wird sagen: Ich? Nein, ich nicht! Und Herr Minister Haupt – unter der Voraussetzung, dass alle diese drei noch ihren Posten haben (Heiterkeit bei den Grünen)  – wird sagen: Ja, ich habe sie nur hergegeben!

Das ist die Realität, so wird es ausschauen! Wenn uns diese Taktik, die Sie da spielen, meine Damen und Herren von der ÖVP, nicht schon so bekannt wäre, dann hätte ich wahrscheinlich gar nicht die Chance gehabt, schon jetzt, im Vorhinein, zu sagen, was passieren wird. Sie haben uns das ja jahrelang vorexerziert. Warum soll sich jetzt etwas ändern, wo Sie wieder in der Regierung sind? Warum denn? Es gibt doch keinen Grund dafür. Oder, Herr Puttinger? (Abg. Dr. Puttinger: O ja! Es gibt eine neue Koalition!) Sehen Sie, es gibt keinen.

Noch etwas ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen: Sie von der ÖVP haben geschworen, dass diese "Behindertenmilliarde" ausschließlich für den ersten Arbeitsmarkt verwendet werden soll. Diesen Schwur hat aber vor vier Wochen Ihr Sozialsprecher Feurstein bereits gebrochen. Er hat nämlich gesagt: Selbstverständlich schaffen wir mit dieser "Behindertenmilliarde" Arbeitsplätze in geschützten Werkstätten! – Und dass das nicht der erste Arbeitsmarkt ist, meine Damen und Herren von der ÖVP, müssten Sie eigentlich auch schon begriffen haben (Beifall bei den Grünen), dass das ein Ersatzarbeitsmarkt ist, aber nicht der erste Arbeitsmarkt.


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48. Sitzung / Seite 135

Meine Damen und Herren! Wenn Sie nicht bereit sind, diese Milliarde von Behinderten-ExpertInnen, sowohl der "Selbstbestimmt leben"-Bewegung als auch des Österreichischen Dachverbandes, nicht nur verwalten zu lassen, sondern auch deren Vorgaben zu akzeptieren, nämlich dahin gehend, wozu dieses Geld verwendet werden darf, dann haben wir in einem Jahr die Situation, dass diese Milliarde verschleudert ist, die Menschen keinen Arbeitsplatz haben, sondern Sie es höchstens geschafft haben, diese arbeitslosen Menschen in irgendwelchen Ausbildungsprogrammen zu parken, mit dem Drehtüreffekt, dass sie als arbeitslos hineingekommen sind und im nächsten Jahr wieder als arbeitslos auf dem Arbeitsmarkt Arbeit suchen. Dafür ist das Geld zu schade.

Außerdem, meine sehr geehrten Damen und Herren – und das möchte ich nicht unerwähnt lassen –, ist es eine Zumutung, behinderten Menschen 1,7 Milliarden durch die Besteuerung der Unfallrenten wegzunehmen und dann die Hälfte an eine andere Gruppe von Behinderten wieder auszuschütten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist wirklich eine sehr grausame Taktik, angesichts deren es einem kalt über den Rücken läuft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.15

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Haidlmayr ist ob ihrer prophetischen Fähigkeiten zu beneiden. Das zeichnet sich überhaupt in diesem Hohen Haus immer mehr ab: Bei allen Maßnahmen, die die Regierung trifft, meint die Opposition, sie seien schlecht, und sie werden kritisiert. Alle Maßnahmen, die die Regierung trifft, die Positives bewirken, werden in Frage gestellt. (Abg. Haidlmayr: Sie haben den Behinderten Geld weggenommen! Sie nehmen diesen Menschen 1,7 Milliarden weg! Schämen Sie sich!)

Frau Abgeordnete Haidlmayr! Ich kann Ihnen versichern, dass alle Genannten, die Frau Vizekanzler, Herr Minister Bartenstein und vor allem Herr Minister Haupt, dafür sorgen werden, dass diese "Behindertenmilliarde" diesen Menschen zugute kommt, auch wenn es Ihnen nicht passt, Frau Abgeordnete Haidlmayr. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das sage ich Ihnen auch einmal in aller Deutlichkeit, denn Sie haben die Wahrheit, die einzige Wahrheit hier herinnen nicht gepachtet! (Abg. Haidlmayr: Die habe ich nicht gepachtet, aber ich habe Erfahrung, und die geht Ihnen ab!)

Sie, Frau Abgeordnete Haidlmayr, haben mit der neuen Regierung bis dato, so nehme ich wohl an, positive Erfahrungen gemacht. Das, was derzeit im Bereich der Behinderten getan wird, hätte die Sozialdemokratische Partei in der alten Koalition längst tun können. (Abg. Haidlmayr: Nein, es sind keine positiven Erfahrungen! Auch Sie haben das Taschengeld nicht zurückgegeben! Sie sind noch viel schlimmer! – Abg. Böhacker: Ist das ein Redebeitrag der Abgeordneten Haidlmayr?)

Frau Abgeordnete, ich bin ja gerne bereit, mit Ihnen in einen Dialog einzutreten, aber ich habe Sie auch ausreden lassen. Sie können dann Vorwürfe erheben, wenn diese Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Ich erwarte mir aber von Ihnen, dass Sie auch entsprechendes Lob von dieser Stelle aus anbringen, wenn diese "Behindertenmilliarde" im Interesse der Beschäftigung behinderter Menschen umgesetzt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber mich würde einmal interessieren, wie sich die Vertreter der Oppositionsparteien fühlen, insbesondere jene, die jahrzehntelang in dieser Bundesregierung vertreten waren, nämlich jene der SPÖ. Nicht Gaugg sagt: Die Budgetsanierung ist oberstes Gebot, sonst kann Österreich bald Konkurs anmelden!, sondern das sagt der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner. Nicht Gaugg sagt: Ich habe fast ein schlechtes Gewissen. Mir geht es hier so gut, vielen in Österreich so schlecht. – Bundeskanzler i. R. Klima. Hochinteressant!


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48. Sitzung / Seite 136

Zehn Jahre lang war Klima verantwortlich, zunächst als Finanzminister und dann als Bundeskanzler, und er bejammert den Zustand Österreichs. Jetzt frage ich mich: Warum geht es vielen Menschen in dieser Republik schlecht? – Weil Sie zu lange in der Regierung waren! Das ist das große Pech für die österreichische Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber was haben Sie nicht alles prophezeit! Was haben Sie und Ihre ehemaligen Minister in dieser Republik alles prophezeit! Da waren einmal die Sanktionen. Die sind in sich zusammengebrochen. Sogar Herr Chirac kommt jetzt zu einem Höflichkeitsbesuch, und wenn er nur zwei Stunden dauert, und sagt: Die Sanktionen sind vorbei. Ich weiß, dass Sie das fürchterlich trifft. Ihre von Ihnen finanziell unterstützten Donnerstags-Demonstrationen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, nur kosten sie den Steuerzahler viel Geld. Sie mobilisieren am 5. Dezember unter Mithilfe von Gewerkschaftsgeldern noch einmal eine Großdemonstration, um aufmerksam zu machen. Aber in Wirklichkeit glaubt Ihnen überhaupt niemand mehr.

Und warum nicht? – Sie haben prophezeit, die Beschäftigungslage wird sich nicht bessern. – Wir haben eine gute Beschäftigungslage. Sie haben gesagt, die Universitäten werden leer sein, weil wir Studiengebühren einführen. – Wir haben eine Rekordanmeldung von Studenten im heurigen Jahr. Und Sie haben gesagt, die Wirtschaftsentwicklung, das Wirtschaftswachstum wird zurückgehen. – Nichts davon trifft zu. Unsere Daten sprechen eine deutlichere Sprache als jene der Bundesrepublik Deutschland. Das sei Ihnen einmal in aller Deutlichkeit gesagt, und das sollten Sie auch einmal anerkennen. (Abg. Edler: Das sagen wir schon seit zehn Jahren! Wie lange ...?)

Das werden Sie so lange hören, Herr Abgeordneter Edler, bis Sie es begreifen. Man kann Ihnen nämlich nicht oft genug sagen, dass gerade auch Sie einer jener sind, die ich in die Reihe der Privilegienritter einreihen muss. Sie waren nicht nur Abgeordneter in diesem Parlament, Sie waren auch noch in der Kammer der Arbeiter und Angestellten in Wien im Vorstand tätig, und dann sind Sie noch "Arbeitslosengeldbezieher" bei den Österreichischen Bundesbahnen. Sie können mir doch nicht einreden, dass Sie dort überhaupt noch irgendetwas tun im Interesse der Mitarbeiter und des Unternehmens ÖBB. Alles, was Ihnen übrig bleibt, ist, wie man so schön auf Wienerisch sagt, "matschkern". Das ist alles, was bleibt von Ihrer ehemaligen staatstragenden Funktion.

Ich sage Ihnen, auf Klaus Hübner als Wirtschaftstreuhänderpräsident aufbauend, Folgendes: Österreich hätte bald Konkurs anmelden müssen, wäre es nicht zu einer wirtschaftlichen Veränderung gekommen. (Zwischenrufe des Abg. Edler. ) Mit dem Budget 2001 ist eine erfolgreiche Einleitung der Sanierung des Hauses Österreich verbunden. Alle Forderungen, die Sie hier immer wieder aufstellen, hätten Sie längst umsetzen können, von der Pflegegeldvalorisierung und Ähnlichem mehr bis zu den Heizkostenzuschüssen. Warum sind da nie Initiativen von Ihrer Seite gesetzt worden?

Und was gab es da im Vorfeld des Budgets 2001 an Horrormeldungen! – Streichung der Wohnbauförderung, Anhebung der Mehrwertsteuer, Streichung der Familienbeihilfe ab dem 18. Lebensjahr – all das waren Schreckensmeldungen. Zu keiner dieser von Ihnen angekündigten Maßnahmen ist es gekommen, und trotzdem erfolgt eine Einsparung im Gesamtausmaß von 100 Milliarden Schilling!

Ich habe den Eindruck, dass gerade die letzten Redner der SPÖ jene waren, die sich diebisch freuen würden, würden wir im Jahre 2002 kein Nulldefizit schreiben. Das ist für mich umso unverständlicher, als die SPÖ bei der sagenhaften burgenländischen Landtagswahl, die heute schon ein paar Mal durch dieses Haus gegeistert ist, damit brilliert, dass sie im Burgenland bereits im Jahre 2000 ein Nullbudget zusammenbringen will. – Also, das ist wirklich geradezu ein Widerspruch in sich.

Tatsache ist, dass dieses Budget mit Augenmaß und zukunftsorientiert gestaltet wurde. Natürlich muss trotz des Sparens die soziale Treffsicherheit im Auge behalten werden, obwohl, wenn allgemein Sparen angesagt ist, viele betroffen sind. (Zwischenruf des Abg. Edler. )


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Und wenn all jene zeitgerecht ... (Abg. Mag. Prammer: Wieso haben Sie so oft den Saal verlassen bei solchen Sachen ...?) – Frau Ex-Frauenministerin Prammer! (Abg. Mag. Prammer: Ich möchte eine Antwort!) Von Ihnen bin ich als Mann und sind viele der Frauen in Österreich am stärksten enttäuscht, denn trotz jahrelanger Tätigkeit von Frauenministerinnen gibt es bei den Gehältern noch immer Unterschiede in der Größenordnung von 30 Prozent. Daher würde ich an Ihrer Stelle bei diesen Debatten nicht allzu sehr und allzu laut mitreden.

Wo waren Sie denn in den letzten Jahren? Was haben Sie im Interesse der Frauen umgesetzt? (Abg. Mag. Prammer: So ein Interesse, wie Sie haben, würde ich nie umsetzen!) War die einzige weibliche Leistung, die Sie erbracht haben, ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Prammer und Edler. ) – Bitte deutlicher! (Abg. Edler: Du hast dich nicht durchgesetzt beim Präsidenten! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) – Wollten Sie etwas sagen oder nur stören? (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Diese Machotour können Sie sich schenken! Sie sind ein ekelhafter Rüpel!)

Frau Abgeordnete Prammer! Sie reden und reden und reden, und wenn ich Sie dann frage, was Sie zu einem bestimmten Punkt sagen, kommt keine Meldung. Das ist so ähnlich wie damals, als Sie Ministerin waren: Auf keine konkrete Frage eine Antwort! – Das ist Ihnen geblieben!

Kollege Edlinger, Entschuldigung, Edler – Edler, das ist ja beinahe wie Edlinger –, wo sind in den letzten Jahren die Erfolge der Eisenbahner-Gewerkschaft? (Abg. Edler: Was hast du versprochen?) Wo waren Sie denn? Was haben Sie denn umgesetzt? – Im Gegensatz zu Ihnen waren wir sehr bemüht, die vierwöchige Sperrfrist bei den Arbeitslosen wegzubekommen. (Abg. Mag. Prammer: Wer hat sie denn eingeführt?) Das war ein ganz wesentlicher Bestandteil der Budgetverhandlungen für das Jahr 2001, und das hat auch die Anerkennung der Sozialpartner gefunden, auch wenn es Ihnen nicht passt. Wieder eine Maßnahme, die wir gesetzt haben.

Zehn Jahre lang hatten Sie Zeit, die Maßnahme im Bereich der Saisonbediensteten umzusetzen! Zehn Jahre Diskussion über ein Saisonverlängerungs-Beschäftigungsmodell – Sie sind keinen Millimeter weitergekommen. Auch bei der Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten sind Sie zehn Jahre lang keinen Millimeter weitergekommen! – Das sind Ihre Misserfolge in der Politik.

Heute schauen Sie neidvoll auf die neue Regierung und sagen: Na eigentlich hätten wir ja das alles machen können! Und dann kommen Sie mit Kleinigkeiten und sagen, es wäre fürchterlich, würde man nunmehr die Wartefrist von 26 auf 28 Wochen anheben. Daher muss ich Sie schon an das Jahr 1996 erinnern: Die damalige Regierung – und damit Sie von der SPÖ – hat die Frist von 20 auf 26 Wochen angehoben. Und da hat Ihr damaliger Hauptverband-Generaldirektor Leutner gemeint, man sollte die Krankenstandsbezahlung von zwölf Monaten auf sechs Monate reduzieren (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic ), um das Defizit in den Krankenkassen von 3,5 Milliarden Schilling wegzubekommen. – Das ist Ihre Form der Wirtschaftspolitik und ein weiterer Beweis dafür, dass Sie von Wirtschaftspolitik wenig verstehen.

Ich möchte nicht immer Ihre Parteikassen und den "Konsum" strapazieren, sondern ich gehe jetzt einmal von der Telekom-Aktie aus. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sie von der SPÖ haben den wenigsten Grund, sich darüber zu beklagen, dass der Start nicht 100-prozentig geglückt ist, denn Sie haben das Unternehmen in den letzten Jahren finanziell ausgehöhlt, damit der Start nicht gut funktioniert.

Außerdem – das sage ich auch in aller Deutlichkeit –: Diese Telekom-Aktie hat Zukunft, dieses Unternehmen hat eine Chance, nur muss man es arbeiten lassen. Natürlich ist der Ankauf einer Aktie kein "Lotto-Sechser". "Lotto-Sechser" kenne ich nur in Ihren Reihen, den Reihen der SPÖ.

Einen "Lotto-Sechser" hat Herr Scholten gemacht, er hat eine wohl dotierte Funktion außerhalb der Politik. Er hat ja in die Kontrollbank wechseln müssen, weil dort dringend ein dritter Vorstandsdirektor gebraucht wurde, obwohl es vorher nur zwei gewesen sind. Wie wir wissen, ist einer tragisch ums Leben gekommen.


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48. Sitzung / Seite 138

Auch ein gewisser Herr Krammer – der war doch einmal Sekretär des Herrn Bundeskanzlers Vranitzky – hat einen sagenhaften "Lotto-Sechser" mit der Vermittlung der Telecom Italia zur Telekom Austria gemacht, und Ähnliches mehr. – Das sind "Lotto-Sechser" in Ihren Reihen, die letztlich auf Kosten der Menschen dieser Republik gemacht wurden.

Wenn Sie meinen, mit vergangenen Leistungen brillieren zu können, kann ich nur sagen: Richten Sie Ihre Augen in die Zukunft, vor allem auch, was die Beschäftigung der österreichischen Arbeitnehmer anlangt. Flexibilisierung am Arbeitsplatz ist angesagt. Meine Kollegin Schoettel-Delacher hat schon darauf hingewiesen, dass wir mit mehr Flexibilität selbstverständlich auch mehr internationale Chancen auf Beschäftigung bekommen. Mit dem Zuzug ausländischer Fachkräfte, wie einige meinen, werden wir die Probleme nicht lösen können; da täuschen sie sich.

Noch ein Wort dazu: Ich höre immer wieder auch seitens der Wirtschaft – das wird fast zum Dogma erhoben –: Senkung der Lohnnebenkosten. – Das Senken der Lohnnebenkosten sollte uns nicht daran hindern, Flexibilität beim Denken beizubehalten.

Ich darf an Folgendes erinnern: Die Senkung der Lohnnebenkosten – was die EFZG-Zahlungen anlangt – war eine massive Forderung der Wirtschaft. Nunmehr müssen die Unternehmen während der Krankenstände der Arbeiter selbst zahlen, daher sind sie nicht mehr so begeistert. Es sind daher nicht alle Lohnnebenkosten eine sinnlose Maßnahme, sondern viele sind wichtig und zukunftsorientiert, damit die Wirtschaft in Schwung bleibt.

Zu den Ladenöffnungszeiten: Wir haben auch eine soziale und ethische Verantwortung, die wir auch in diesem Zusammenhang entsprechend wahrzunehmen und umzusetzen haben.

Ich bin überzeugt davon, dass wir auch mit der Neuregelung der Abfertigungen eine Dynamisierung am Arbeitsmarkt zustande bringen, weil heute viel Mobilität dadurch verloren geht, dass bei Selbstkündigung keine Abfertigung ausgezahlt wird. – All das sind Punkte, die Sie in den letzten Jahren hätten erledigen können.

Ich meine, dass eine solide Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik Arbeitsplätze auf Dauer erhält, Einkommen sichert und den sozialen Frieden unseres Landes erhält. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.26


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48. Sitzung / Seite 139

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. Ich darf auf § 58 Abs. 2 submissest aufmerksam machen. (Abg. Dr. Khol: Das nützt nichts! – Abg. Schwarzenberger: Vielleicht doch durchlesen, dann kapiert er es einmal!) Beginnen Sie mit der Wiedergabe des zu berichtigenden Wortlautes.

18.27

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gaugg hat in der Rede, die er soeben gehalten hat, behauptet, dass die Herren Krammer und Scholten einen "Lotto-Sechser" auf Kosten des Staates und des Steuerzahlers gemacht hätten.

Ich berichtige tatsächlich: Weder die Telecom Italia noch die Oesterreichische Kontrollbank sind im Eigentum des österreichischen Staates. Kosten, die diesen Unternehmen erwachsen, treffen nicht den österreichischen Steuerzahler, Herr Abgeordneter. (Abg. Gaugg: Das glaubt Ihnen niemand!)

Zweitens: Sie haben auch behauptet, die Donnerstags-Demonstrationen würden von der SPÖ finanziert.

Herr Abgeordneter! Wenn ich nur den Zahlen folge, die Ihre Partei gerne über unseren Finanzstand berichtet, muss ich sagen: Das könnten wir uns gar nicht leisten. Das ist blanker Unsinn. (Beifall bei der SPÖ.)

18.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Prammer zu Wort gemeldet. – Auch Sie, Frau Abgeordnete, kennen sicherlich die Geschäftsordnung.

18.28

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gaugg hat in seinen Ausführungen behauptet, die SPÖ hätte zehn Jahre lang Zeit gehabt, die so genannte Vier-Wochen-Sperre für befristete Dienstverhältnisse und nach einvernehmlicher Beendigung der Dienstverhältnisse zu beseitigen. (Abg. Gaugg: Die Saisonbeschäftigung zu verlängern! Das haben Sie verhindert!)

Ich berichtige tatsächlich: Erstens gab es keine derartige Sperre, und zweitens hat die SPÖ mit dieser Idee des FPÖ-Finanzministers nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

18.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.29

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich meine, dass es doch etwas mehr geben muss, als dass jeder Redner des rechtskonservativen Bündnisses hier letztlich nichts anderes macht, als darauf hinzuweisen, worauf diese Regierung aufbauen müsse und dass dies so schrecklich sei.

Ich möchte daran erinnern, dass Österreich, als wir 1970 die Hauptverantwortung in dieser Republik übernommen haben, im unteren Drittel beim Wohlstandsvergleich in Europa gestanden ist und dass es 30 Jahre später an der dritten Stelle der Staaten Europas steht – und damit zu den reichsten Staaten zählt. (Beifall bei der SPÖ.) Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann nicht auf eine falsche Politik zurückzuführen sein, sondern es muss eine richtige Politik gewesen sein – wenngleich man im Nachhinein immer über Details diskutieren kann.

Noch etwas möchte ich sagen: Das Erreichte wurde nicht von der Politik allein erreicht – da gab es wohl Rahmenbedingungen –, sondern durch die Arbeit der Österreicherinnen und Österreicher. Ich finde es beschämend, dass diese Arbeit der Österreicherinnen und Österreicher, die dazu geführt hat, dass man sich diese Stellung in Europa erarbeitet hat, so herabgewürdigt wird, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch sagen, dass diese Diskussion über die einzelnen Budgetkapitel natürlich schwierig zu führen ist, weil es nicht nur darum geht, ob jetzt eine Position des Kapitels niedriger oder höher dotiert wurde, wie zum Beispiel im Bereich der Forschung, was absolut positiv zu vermerken ist, oder in vielen Bereichen der Wirtschaft, der Infrastruktur, was wirklich wichtige Beiträge sind. Aber, meine sehr geschätzten Damen und Herren, man kann diese Budgetdiskussion nur führen, wenn man die Metaebene jeweils einbezieht, denn in Wirklichkeit haben wir doch das Problem, dass man bei diesem Budget sehr deutlich spürt, welche gesellschaftspolitische Konzeption dahinter steht.

Diese Regierung stellt also hier nicht nur das Budget 2001 vor, sondern auch die dahinter stehende gesellschaftspolitische Konzeption, die darin besteht, dass der Bereich der Wirtschaft entsprechend stärker berücksichtigt wird und der Bereich der sozial Schwächeren stärker belastet wird. Daher braucht man, um das begreiflich zu machen, eine Art Crash-Programm, und daher braucht man, so wie Sie das tun, die Darstellung, dass man auf einem Scherbenhaufen aufbauen muss. Und das finde ich beschämend, noch dazu, wo diese Behauptungen von Mandataren erfolgen, die 13 Jahre lang in der Regierung mitgearbeitet haben und letztlich sehr stolz darauf waren, dass sie mitarbeiten durften, meine sehr geschätzten Damen und Herren, sehr stolz darauf waren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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48. Sitzung / Seite 140

Ich möchte euch noch etwas sagen: Reden wir einmal vom Schuldenaufbau! In der Zeit von 1970 bis 1983 wurden rund 370 Millionen Schilling Schulden aufgebaut. In der Zeit der ÖVP-Mitregierung ... (Abg. Dr. Khol: Milliarden!) Milliarden, natürlich Milliarden! In der Zeit der ÖVP-Mitregierung von 1987 bis 2000 waren es 1 200 Milliarden Schilling, um das klar zu sagen, das Dreifache! Und hauptsächlich waren es Ihre Ressorts, die überzogen haben. Nur das einmal zur Klarstellung, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß, Herr Bundesminister Bartenstein ist sicher nicht jemand, der zu den Marktfundamentalisten gehört. Was mich aber überrascht, ist, dass die Politik jetzt so marktfundamental erfolgt und dass letztlich diese ÖVP sie auch so mitträgt, diese ÖVP, die auch ein anderes Erbe sozusagen mitträgt, ein Erbe, das durchaus zu schätzen ist, nämlich die Tatsache, dass sie Wirtschaft immer auch mit einer sozialen Verantwortung verbunden hat, was auch aus der christlich-sozialen Lehre hervorgeht. Diesbezüglich gab es einen Konsens, und unsere vergangenen Regierungen haben sich immer darauf bezogen – um das klarzustellen –, dass die Akzeptanz der Regierung im Konsens der Gesellschaftspolitik zu sehen war.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Genau das ist jetzt nicht mehr der Fall, sondern, ganz im Gegenteil, diese gesellschaftspolitische Konzeption des Gemeinsamen soll hier ganz massiv verlassen werden und soll auf eine Polarisierung, auf eine Konfrontation hinauslaufen. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas: Ich bin etwas überrascht, dass man nicht erkennt, dass, wenn man nach diesem neoliberalen Wirtschaftsmodell vorgeht, in Europa eigentlich ein anderes Erfordernis gegeben ist, nämlich das Erfordernis, ein europäisches Wirtschaftsmodell, ein "Weltwirtschaftsmodell Europa" mit einem entsprechenden Wirtschaftsbekenntnis, aber auch mit einem klaren sozialen Bekenntnis zu entwickeln. Da müssen wir aufbauen, diese Identität brauchen wir in Europa, und dieser Aufgabe haben wir uns zu stellen. Und ich bin jedem sehr dankbar, der diese Spaltung der Gesellschaft erkennt und letztlich auch dagegen antritt. Und dieses Programm, das Sie hier vorlegen, läuft auf eine Spaltung der Gesellschaft hinaus.

Jetzt möchte ich noch eine letzte Bemerkung machen. Es wurde heute über Aussagen des Herrn Parteivorsitzenden Schnell der Freiheitlichen in Salzburg diskutiert, und da war ich schon vom Verhalten der ÖVP überrascht. Aber da muss ich noch etwas sagen: Ich war von einem ganz anderen Ausdruck auch schon überrascht – neben diesem Neoliberalismus, den man 1 : 1 sozusagen in einen Marktfundamentalismus hineinbringt –, nämlich davon, dass auch von einem Dr. Khol gesagt worden ist: Die "rote Krake" hat wieder zugeschlagen. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) In einer anderen Diskussion! Also offensichtlich ist durch diese Koalition auch die Sprache von den Freiheitlichen auf die ÖVP etwas übergegangen. Und dagegen muss man sich wehren, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) Nein, das wurde konkret von Dr. Khol gesagt. Das hat er wörtlich gesagt, ich kann mich ganz genau erinnern, sonst hätte ich es nicht zitiert.

Ich möchte noch eine Bemerkung machen, die mir wichtig erscheint, weil man glaubt, vom Markt so viel zu verstehen. Wenn ich mir die Details Ihrer politischen und wirtschaftspolitischen Handlungen ansehe, so bin ich eigentlich unangenehm berührt (Abg. Neudeck: Für Sie machen wir es ja auch nicht!), sowohl was die Vergabe der Lizenzen als auch was die Telekom-Privatisierung betrifft. Aber ich bin vor allem – und deshalb habe ich mich zu diesem Kapitel auch zu Wort gemeldet – unangenehm berührt davon, dass wir in Österreich noch immer keine Lösung in der Energiefrage und vor allem keine österreichische Lösung haben. Wenn die Situation so weitergeht, laufen wir Gefahr, dass sich hier zwei Gruppen bilden, wobei in Wirklichkeit keine Gruppe ohne die andere so erfolgreich sein könnte, dass das im vollen Interesse Österreichs wäre.

Und zum Zweiten – das ist sehr wichtig –: Das, was jetzt sozusagen nicht im Rahmen einer österreichischen Lösung durchgesetzt werden kann, sind Übernahmekandidaten für Beteiligungen, die keine österreichische Lösung in unserem Sinne darstellen. (Beifall bei der SPÖ.)


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48. Sitzung / Seite 141

Ich halte es für wirklich bedenklich, meine sehr geschätzten Damen und Herren, wenn dann gerade jene Unternehmen, die meistens "schmutzige Energie", also Atomenergie und andere nicht so saubere Energie, erzeugen, jene Unternehmen aufkaufen oder sich einkaufen, die saubere Energie erzeugen, wie das bei den österreichischen EVUs der Fall ist, und sich über Preise den Eintritt erzwingen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Daher ist meine konkrete Aufforderung an Bundesminister Bartenstein, eine österreichische Lösung im Interesse der Wirtschaft, der Standortsicherung und letztlich auch der Ertragssicherung in diesem Bereich zu schaffen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Und wie war das mit Zwentendorf?)

18.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf zu Wort gemeldet. Ich darf Sie bitten, mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen.

18.38

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Bauer hat hier vom Rednerpult aus behauptet, unsere Regierungspolitik gehe von der Fiktion aus, dass wir auf dem hinterlassenen Scherbenhaufen aufbauen wollen. – Das ist unrichtig!

Richtig ist vielmehr, dass wir nicht auf dem von den Sozialdemokraten hinterlassenen Scherbenhaufen aufbauen wollen, sondern diesen wegräumen wollen, und das ist der feine Unterschied! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Faul: Ein "Niveau" ist das! "Intelligente" Meldung, Herr Graf!)

18.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

18.39

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Mag. Kubitschek hat sich als erste Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt betreffend das Budget für den Bereich Wirtschaft und Arbeit beklagt darüber, dass im Regierungsübereinkommen die Interessen des ländlichen Raumes zu umfangreich verankert seien. Frau Abgeordnete Kubitschek ist zwar jetzt nicht anwesend, aber ich nehme an, dass Kollegen ihr das mitteilen werden: Sie sollte zur Kenntnis nehmen, dass in Österreich in den Gemeinden unter 20 000 Einwohnern 5 Millionen Menschen leben. Und mit Recht wurde daher in der Regierungserklärung insbesondere diesem ländlichen Raum entsprechender Wert beigemessen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie hat nebenbei auch die Landwirtschaft erwähnt und hat ländlichen Raum sofort nur auf Landwirtschaft eingegrenzt. Sie hat erklärt, die Landwirtschaft bringt nur 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und gefragt, weshalb man der Landwirtschaft so viel Zeit widmet. Man muss aber berücksichtigen, dass von der Landwirtschaft auch viele Leistungen erbracht werden, die im Bruttoinlandsprodukt nicht erfasst werden.

Auch der deutsche Bundeskanzler Schröder hat bei der Beschlussfassung der Agenda 2000 im April 1999 in Berlin gesagt: Ihr in Österreich mit eurer Schrebergartenlandwirtschaft werdet keine Zukunft haben. Auch die Landwirtschaft wird akzeptieren müssen, dass sie sich industrialisieren muss. – Wir sind hier anderer Auffassung.

Ich bin der Auffassung, dass die österreichischen Bauern mit dieser umweltgerechten Wirtschaftsweise nicht die Letzten von gestern, sondern die Ersten von morgen sein werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Stenographisches Protokoll
48. Sitzung / Seite 142

Das zeigt auch die Situation, die wir derzeit – dieses Thema wurde ja gestern hier sehr emotional bearbeitet – mit der BSE-Krise in ganz Europa haben. Es ist wirklich kein Zufall, dass Österreich noch keinen einzigen BSE-Fall hat.

Aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass für jede Arbeitskraft in der Landwirtschaft drei Arbeitskräfte im vor- und nachgelagerten Bereich tätig sind. Das Wirtschaftsforschungsinstitut, und zwar Professor Schneider, hat festgestellt, dass in Österreich in der Landwirtschaft und von der Landwirtschaft verursacht 660 000 Menschen beschäftigt sind. Das sind immerhin 20 Prozent aller Beschäftigten in Österreich.

Auf unseren 220 000 Bauernhöfen leben rund 950 000 Personen – diese arbeiten nicht alle in der Landwirtschaft; da sind Kinder dabei, sind alte Menschen dabei und sind viele Menschen dabei, die als Arbeitnehmer irgendwo tätig sind, aber am Bauernhof ihre Wohnstätte haben –, und auch diesen Menschen sollten wir eine Chance geben.

Ich möchte mich jetzt aber der wichtigen Energiefrage zuwenden. Auch der heutige Dringliche Antrag hat zu einem Teil die Energiefrage betroffen.

Der Deutsche Bundestag hat eine Studie in Auftrag gegeben, und diese Studie hat ergeben, dass etwa Anfang 2000 der Höhepunkt der Förderung in den Nicht-OPEC-Ländern überschritten wurde, dass das dort noch vorkommende Erdöl immer spärlicher fließen wird. Bei den OPEC-Ländern wird die Förderung noch bis etwa 2004/2005 steigerbar sein, aber ab dann wird auch die Förderung des Erdöls in den OPEC-Ländern pro Jahr um 1 bis 2 Prozent zurückfallen, während wir weltweit eine Steigerung des Verbrauchs an Erdöl in Höhe von 1,5 Prozent pro Jahr haben.

Das heißt – darauf werden wir uns einstellen müssen –, dass der Preis des Rohöls weiterhin hoch bleiben wird. Er ist in den letzten zwei Jahren von 10 Dollar pro Barrel auf 30 Dollar pro Barrel gestiegen und wird in den nächsten Jahren kaum mehr unter 25 Dollar, wenn überhaupt unter 30 Dollar sinken. Und darauf sollten wir uns an und für sich einstellen. Es gibt Möglichkeiten, auf andere Energiequellen umzusteigen.

Ich habe hier eine genaue Aufstellung. Wir haben heute sehr intensiv über die Heizkosten diskutiert. Ein Beispiel: Ein Einfamilienhaus hat bei einer Hackgutheizung – man geht von etwa 35 Schüttraummetern pro Jahr und einem Preis von 250 S aus – Heizkosten von rund 8 750 S pro Jahr. Es gibt auch bereits eine modernere Hackgutheizung, die so genannte Pelletsheizung. Bei 5,4 Tonnen Jahresverbrauch – ich habe mich versichert, mit diesen Mengen ist das Auslangen zu finden – und einem Preis von etwa 2,30 S würden diese Brennstoffkosten etwa 12 690 S betragen.

Bei Heizöl-extra-leicht, mit 2 625 Litern gerechnet – nicht mit 4 000 Kilogramm pro Haushalt gerechnet, wie es Abgeordneter Nürnberger getan hat –, mit einem Preis von 8 S sind 21 000 S dafür zu berappen.

Daran sieht man, dass selbst ohne Förderungen der Mut zum Umstieg vorhanden sein sollte. Wir haben im Budget 300 Millionen Schilling vorgesehen, um auf umweltfreundliche, auf erneuerbare Energie umzustellen, und es wäre bei entsprechenden Rahmenbedingungen möglich, dass wir bis zum Jahr 2010 etwa 40 Prozent des Wärmebedarfes aus erneuerbarer Energie decken, 4 Prozent der Stromproduktion – im ElWOG haben wir diese Größe verankert – und etwa 4 Prozent des Treibstoffes aus Biomasse gewinnen.

Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass wir uns diesen Energiefragen stellen. In Richtung erneuerbarer Energie wären enorme Chancen auch für die österreichische Landwirtschaft gegeben. Wir haben einen Jahreszuwachs allein beim Holz von rund 30 Millionen Festmetern, während die Nutzung 16 bis 18 Millionen Festmeter ausmacht. Das heißt, wir haben mehr als 50 Prozent mehr Zuwachs, als genutzt wird. Hier wären beträchtliche Chancen vorhanden, und die Wertschöpfung würde in Österreich bleiben und nicht an die OPEC-Länder und an die Öl-Multis weitergegeben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.47


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
48. Sitzung / Seite 143

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwemlein. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

18.47

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn wir über das Kapitel Wirtschaft sprechen, ist es nahe liegend, auch über den Bereich der Freizeit- und Tourismuswirtschaft zu sprechen. In Anbetracht der Katastrophe von Kaprun muss ich klarerweise zu diesem Themenbereich auch etwas sagen.

Da ich der einzige Abgeordnete aus dem betroffenen Bezirk bin, hoffe ich, dass Sie Verständnis haben, wenn ich die Möglichkeit nutze, mich von dieser Stelle aus bei allen Einsatzkräften zu bedanken. Sie haben in all den Tagen eine wirklich bewundernswerte Leistung vollbracht, und dafür ein herzliches Dankeschön! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Tatsache aber ist, dass jetzt jene Stimmen laut werden, die uns eigentlich über Parteigrenzen hinweg einen sollten. Es schreibt "NEWS" – ich nehme an, Sie haben es schon gelesen – unter der Überschrift "Dann droht der Region der Ruin": Das Dorf hält zusammen, die Trauer jedoch wird langsam von Existenzangst verdrängt.

Ich glaube und bin eigentlich überzeugt davon, dass das Wesentliche – und das erwarten jetzt die Menschen, erwartet die Region berechtigterweise – Solidarität ist, und wir dürfen sie nicht mit der Existenzangst allein lassen, sondern wir müssen von dieser Stelle aus Solidarität beweisen.

Meine Damen und Herren! Daher sollte das nicht eintreten, was auch die "Salzburger Nachrichten" geschrieben haben: "Hilfe für Kaprun: Bloß leere Worte?" Ich zitiere: "... die Symbolik ist ernüchternd. Nicht nur für Kaprun, sondern für die ganze Region. Solidarität ist offenbar wesentlich schneller versprochen als in die Tat umgesetzt."

Daher lade ich Sie ein, meine sehr geehrten Damen und Herren: Gehen wir gemeinsam zur Tat über! Ich bringe daher den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schwemlein und GenossInnen betreffend Programm zur Bewältigung des Unglücks in Kaprun ein.

Meine Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag beschäftigt sich mit einigen Hauptpunkten. Das erste ist die Soforthilfe für die Angehörigen der Opfer. Natürlich weiß ich und wissen Sie alle, dass bereits Geld von der Gletscherbahn zur Verfügung gestellt wurde, aber Tatsache ist, dass wir über Lippenbekenntnisse hinaus ein deutlicheres gemeinsames Signal brauchen, nämlich einen Sonderfonds, den die Bundesregierung auf alle Fälle installieren sollte, um den Menschen unbürokratisch und schnell helfen zu können.

Darüber hinaus müssen wir uns auch um die Seilbahngesellschaft kümmern. Nicht zu Unrecht wird in den "Salzburger Nachrichten" festgestellt: "Wenn es allein nur bei den Lippenbekenntnissen bleibt, treiben wir diese Gesellschaft, die der größte Arbeitgeber in der Gemeinde Kaprun ist, in den Konkurs!" – Ich glaube, dass das niemand hier herinnen haben will.

Ein nächster wesentlicher Punkt ist, dass selbstverständlich damit zu rechnen ist, dass wir in der Region einen Nächtigungsrückgang verzeichnen werden. Meine Damen und Herren! Jetzt sage ich gleich vorweg: Ich bin nicht dafür, dass man eine Situation schlechter redet, als sie ist – im Gegenteil, ich bin froh darüber, dass es Signale dafür gibt, dass die Situation doch nicht so dramatisch und negativ ist –, aber Tatsache ist, dass es im Augenblick in Kaprun bereits zirka 50 Arbeitslose aus den Tourismusbetrieben gibt. Daher müssen wir uns auch um die Seilbahngesellschaft kümmern.

Ich möchte niemanden zu überzogenen Forderungen gegenüber der Gesellschaft auffordern, aber das Wesentliche ist, dass man die entsprechenden Geldmittel zur Verfügung stellt. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )  – Kollege Böhacker! Ich lade dich ein, dem über Parteigrenzen hinweg zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Stenographisches Protokoll
48. Sitzung / Seite 144

Nächster Punkt: Ersatz der Einnahmenausfälle. Wir müssen den Betrieben unbedingt helfen, damit sie überleben können. Alle Betriebe haben – das wird auch Kollege Böhacker bestätigen können – eine Plankostenrechnung, alle rechnen mit bestimmten Einnahmen, um das Fremdkapital bedienen zu können. Wenn es also Einnahmenausfälle gibt, sollten wir den Leuten unbedingt helfen. Es geht natürlich auch darum, für das AMS entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, damit mögliche Arbeitslosigkeit aufgefangen werden kann.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie – und ich spreche Sie hier bewusst über alle Parteigrenzen hinweg an –: Setzen wir ein Zeichen der Solidarität, helfen wir den Menschen von Kaprun und der umliegenden Region! (Beifall bei der SPÖ.)

18.5


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
48. Sitzung / Seite 145

2

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Schwemlein und Genossen ist schriftlich überreicht und genügend unterstützt. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen; der Antrag wird auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schwemlein und GenossInnen betreffend Programm zur Bewältigung des Unglücks in Kaprun, eingebracht im Zuge der Debatte zur Beratungsgruppe IX zum Bericht des Budgetausschusses (370 d. B.) über die Regierungsvorlage (310 d. B.): Bundesfinanzgesetz 200


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Stenographisches Protokoll
48. Sitzung / Seite 146

1

Das tragische Unglück in Kaprun, dem so viele – vor allem junge – Menschen zum Opfer gefallen sind, verlangt nicht nur unsere Trauer und unser Mitleid mit den Hinterbliebenen.

Es verlangt auch unsere Solidarität mit den Angehörigen der Opfer und mit den Menschen in der Region, die vieles noch durchzumachen haben.

Es verlangt unsere Solidarität, jene Netze bereitzustellen, die in besonderen Fällen von manchen Betroffenen gebraucht werden, um die ärgste Not abzuwenden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Programm zur Bewältigung des Unglücks in Kaprun vorzulegen, das insbesondere die folgenden Punkte beinhalten soll:

1. Soforthilfe für die Angehörigen der Opfer

Den Hinterbliebenen der Opfer muß rasche und vor allem unbürokratische Soforthilfe gegeben werden.

Dafür soll die Bundesregierung einen ausreichend dotierten Sonderfonds einrichten, aus dem in Not geratenen Angehörigen der Opfer sofort geholfen werden kann, bis die Ansprüche gegen Versicherungen oder gegen allenfalls Mitverantwortliche der Katastrophe geklärt sind.

Damit kann auch jener Imageschaden für Österreich abgewendet werden, der durch langwierige, auch in der Öffentlichkeit ausgetragene Verfahren von Angehörigen der ausländischen Gäste unter den Opfern zu erwarten ist.

2. Haftungsübernahme für die Seilbahngesellschaft

Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Land Salzburg bereits jetzt zu erklären, erforderlichenfalls zu gleichen Teilen Haftungen für allfällige Schadensersatzzahlungen der Seilbahngesellschaft zu übernehmen.

Damit soll einerseits im Interesse der Angehörigen der Opfer verhindert werden, dass ihre Ansprüche nicht durch Versicherungen oder die Lift-Gesellschaft voll gedeckt sind. Andererseits soll damit im Interesse der ohnehin stark getroffenen Region sichergestellt werden, dass das Lift-Unternehmen und seine Beschäftigten auch weiterhin eine tragende Säule der Tourismusregion bleiben.

3. Ersatz des Einnahmenausfalls für die Tourismusbetriebe der Region

Durch das Unglück wird die Region und seine Tourismusbetriebe mit einiger Wahrscheinlichkeit auch wirtschaftlichen Schaden erleiden. Das führt häufig auch zu existenzbedrohenden Situationen für die Betriebe, vor allem dann, wenn Kredite zu bedienen oder notwendige Investitionen zu tätigen sind.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, durch die Einrichtung entsprechender Förderinstrumente, den Tourismusbetrieben der Region Kaprun/Zell am See den Einnahmenausfall zu ersetzen, der durch Stornos oder einen Rückgang der Buchungen bzw. des Umsatzes im Vergleich zu durchschnittlichen Saisonen der Vorjahre entsteht.

4. Sonderprogramm des AMS

Der Arbeitsmarkt in der Tourismusbranche ist in den letzten Jahren ohnehin stark angespannt und konnte teilweise mit der Entwicklung des übrigen Arbeitsmarktes nicht Schritt halten. Ein regionales Katastrophenereignis wie jenes in Kaprun belastet mit seinen negativen wirtschaftlichen Folgen dann auch den regionalen Arbeitsmarkt im Tourismus in besonderem Maße. Zudem können soziale Härten gerade in dieser Branche leicht entstehen, da wegen saisonbedingter, vorangegangener Arbeitslosigkeit oft kein weiterer Anspruch besteht, der eine außergewöhnlich schlechte Saison abfedern könnte.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass im AMS im Bedarfsfall ein Sonderprogramm für den regionalen Arbeitsmarkt umgesetzt und entsprechend dotiert wird.

Dadurch sollen soziale Härten vermieden werden. Außerdem könnten damit aufgezwungene ,Stehzeiten‘ beispielsweise durch Fortbildungsmaßnahmen dennoch sinnvoll genutzt werden.

5. Sonderbudget für die Österreichwerbung und Einsetzung eines Sonderbeauftragten

Der entstandene Image- und Vetrauensschaden, der für die Region durch das Unglück international entstanden ist, ist evident. Es besteht daher akuter Handlungsbedarf für die Österreichwerbung, ein positives Image und das Vertrauen in die Region und seiner Anlagen wieder herzustellen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, der Österreichwerbung ausreichende Sondermittel zur Verfügung zu stellen, um eine internationale Imagekampagne für die Region bestreiten zu können, sobald die Ursachen für die Katastrophe bekannt sind.

Zur Umsetzung dieser Maßnahmen soll von der Bundesregierung ein Sonderbeauftragter bei der Österreichwerbung eingesetzt werden."

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Rossmann. – Bitte.

18.53

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zuerst auf die Ausführungen der Abgeordneten Haidlmayr einzugehen. Frau Abgeordnete! Sie haben die "Behindertenmilliarde" angezweifelt. Ich kann Ihnen sagen, dass zusammen mit den Behindertenvertretern, den Sozialpartnern, den Schulbehörden, den Ländern und den Unternehmern ein Integrationspaket mit Integrationshilfen vor allem für Jugendliche, die uns sehr am Herzen liegen, und für Ältere erarbeitet wird. (Abg. Haidlmayr: Wann denn?)  – Sie werden dieses Paket rechtzeitig vorgelegt bekommen, und Sie werden sich noch wundern, was darin alles zu finden sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auch diesbezüglich arbeitet die Regierung ein Versäumnis der letzten Jahrzehnte auf, und Sie müssen uns schon zugestehen, dass es etwas Zeit kostet, Versäumnisse aufzuarbeiten. Aber Sie werden es zeitgerecht bekommen.

Ich möchte auf die Ausführungen des Abgeordneten Schwemlein eingehen, mit dem ich in Kontakt stehe – sowohl was die tragische Angelegenheit in Kaprun als natürlich auch was die dramatischen Auswirkungen für diese Region betrifft. Ich kann Ihnen berichten, dass wir von Anfang an – mit "wir" meine ich mein Staatssekretariat, die Sektion und die "Österreich Werbung" – in engem Kontakt mit der Region, mit dem Bürgermeister stehen und dass wir gemeinsam ein Maßnahmenpaket für diese Region erarbeiten, dass wir die Wünsche der Region und des Bürgermeisters berücksichtigen werden.

Es wird erstmalig eine geballte Werbekampagne in den Monaten Jänner und Februar geben. Ich sage das deshalb, weil es erstmalig ist. Üblicherweise macht man in diesem berühmten "Jänner-Loch" keine Werbekampagne, sondern maximal erst wieder im Frühjahr. Wir machen es jetzt aber gezielt eben zu dieser Zeit, um vor allem den Spätbuchern noch den Anreiz zu geben, nach Österreich zu kommen.

Es wird Direct-mailing-Aktionen geben, es wird eine Printkampagne zusätzlich geben, es wird Einschaltungen in österreichischen und in deutschen Kinos geben und vieles mehr. Sie können dann von mir eine detaillierte Aufstellung bekommen.

Insgesamt wird der "Österreich Werbung" ein Sonderbudget in der Höhe von 8,9 Millionen zur Verfügung gestellt. Ich glaube, das ist ein erster, wirklich geballter Einsatz der Mittel.

Ganz wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass es eine Entlastung der Kräfte vor Ort gibt, dass die "Data Group", die die Information übernommen hat, die hervorragend gearbeitet hat, auch entlastet wird und ein Coaching von professioneller Seite her bekommt, und das ist gewährleistet. Wir stehen in engem Kontakt, und es ist uns wirklich ein großes Anliegen, dass diese Region gerade in dieser Phase auf keinen Fall, auch nicht von Seiten der "Österreich Werbung", im Stich gelassen wird.

Wir müssen die Angehörigen auch in weiterer Phase betreuen. Nach der ersten Phase der großen Trauer ist es erforderlich, dass auch von unserer Seite die weitere Betreuung wahrgenommen wird.

Ich möchte auf die allgemeine Entwicklung des Tourismus aus meiner Sicht zu sprechen kommen. Sie werden fragen: Was macht das Staatssekretariat? Wir sind seit 4. Februar im Einsatz, und ich möchte Ihnen einen kleinen Überblick auch zur Entwicklung des Tourismus im heurigen Jahr geben.

Wir haben – und das zeigt sich immer deutlicher – eine ganz klare Strukturschwäche. Das sind auch vielschichtige Versäumnisse der letzten zwei Jahrzehnte, und diese kommen jetzt immer mehr ans Tageslicht. Wir haben überall dort, wo in letzter Zeit investiert wurde, wo in Qualität investiert wurde, wo gezielte Angebote erstellt wurden, gezielte Marktaktivitäten gesetzt wurden, wetterunabhängige Angebote erstellt wurden, absolute Zuwächse, Zuwächse teilweise in zweistelliger Höhe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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48. Sitzung / Seite 147

Dort, wo das alles nicht geschehen ist, sind leider Rückgänge zu verzeichnen, und daher wird es in der nächsten Zeit unsere Aufgabe sein, ganz klare Maßnahmen zu setzen. Folgende Maßnahmen gegen diese Strukturschwäche sind von unserer Seite geplant:

Vorerst einmal eine Umstellung der Förderungen. Wir arbeiten daran, die Förderungsrichtlinien zu adaptieren, weg vom Gießkannenprinzip hin zu Strukturinnovationsförderungen, hin zu Kooperationen. Netzwerke in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, aber auch in Marketing-Hinsicht sind ganz wichtig. Wir haben – und das ist mir ein Anliegen, ich sage das noch einmal in diesem Haus, damit es wirklich alle wissen – eine durchschnittliche Auslastung der österreichischen Ferienhotellerie von nur 27 Prozent. Dass sich hier keine betriebswirtschaftliche Rechnung anstellen lässt, ist einfach logisch. Deshalb ist alles anzusetzen unter dem Titel "Saisonverlängerung", "Saisonverlängerung" und noch einmal "Saisonverlängerung". (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mich freut, dass es zu dieser sozialpartnerschaftlichen Einigung gekommen ist, im Zusammenhang mit neuen Arbeitszeitmodellen auch in Richtung Saisonverlängerung zu denken. Das ist ein wesentlicher Schritt.

Ein weiterer wichtiger Punkt wird es sein, dass wir dem gesamten Bereich des Destinationsmanagements weiterhin diesen Stellenwert einräumen. Wir haben einen ersten Meilenstein geschafft, wir haben erstmalig 14 österreichische Destinationen gefunden, die bereit sind, sich zusammenzuschließen, länderübergreifend, teilweise sogar staatsübergreifend, die gemeinsam ein gezieltes Marketing machen, die erstmalig ein Benchmarking im Tourismus machen – das ist ein Novum –, wodurch auch der entsprechende Know-how-Transfer erfolgt. Das heißt, in Zukunft hat man die Möglichkeit, professionell gecoacht neue Zielgruppen anzustreben, neue Märkte und neue Destinationen.

Ich glaube, das ist ein Meilenstein für jeden, der mit Tourismuspolitik zu tun hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Aber zu wenig!)  – Es ist ein Anfang!

Aber um speziell auch den Ganzjahrestourismus weiter im Auge zu behalten, könnte sich Österreich etablieren als klassische Well-in-Destination. Quer durch Österreich, in der Steiermark, in Niederösterreich, in Oberösterreich, wo auch immer, wäre dieser Wellness-Bereich eine Chance für uns, einen Ganzjahrestourismus zu adaptieren und Österreich zu positionieren als die klassische Well-in-Destination. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Daran arbeiten wir. Wir können damit reagieren auf die Bedürfnisse unserer Zeit, auf den Leistungsdruck. Viele aus dem Nahbereich sollten nach Österreich kommen, kurz Urlaub machen, um wieder fit zu werden, und das möglichst oft im Jahr.

Ein weiterer Meilenstein ist uns gelungen, und das sage ich durchaus mit ein wenig Stolz: Wir haben die Umstrukturierung der "Österreich Werbung" mit Jahresende abgeschlossen. Wir haben es geschafft, aus den Statuten aus dem Jahre 1954 moderne neue Statuten zu machen, schlanke Statuten. Das heißt, die "Österreich Werbung" ist in Zukunft in der Lage, betriebswirtschaftlich schnell zu entscheiden, und zwar in Form von viel mehr privatwirtschaftlichen Ansätzen. Ebenso ist es uns in Kooperation mit der Wirtschaftskammer gelungen, unsere langjährige und im Regierungsübereinkommen fest verankerte Forderung nach "Österreich-Häu-sern" im Ausland endlich umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Mitarbeiter der "Österreich Werbung" – nur ein Satz dazu – sind voll motiviert, tragen den gesamten Reformprozess mit, und auch das tragische Ereignis in Kaprun hat gezeigt, dass sie sofort bereit waren, das ganze Wochenende durchzuarbeiten und Maßnahmen zu erstellen.

Abschließend kann ich berichten, dass die Stimmungslage für die Wintersaison im Tourismus sehr positiv ist. Die Schi-Weltmeisterschaft in St. Anton wird auch etwas dazu beitragen, Österreich noch bekannter zu machen. Die Voraussetzungen sind gut. Ich möchte von dieser Stelle aus auch allen Beschäftigten, den unselbständig sowie den selbständig Beschäftigten – zirka 300 000 Menschen – in Österreich wirklich meinen Dank aussprechen, denn ohne sie wäre die Erfolgsstory des österreichischen Tourismus nie zu schreiben gewesen. Und wir arbeiten daran,


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48. Sitzung / Seite 148

dass die Erfolgsstory fortgeführt werden kann. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

19.02

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem Budget für das Jahr 2001 beziehungsweise mit dem Budgetbegleitgesetz wird der Staat neu organisiert. Der Staat wird schlanker gemacht, Bürokratie wird abgebaut. Ein ausgeglichener Haushalt ist sicherlich nicht Selbstzweck, sondern Ausgangspunkt für die Sicherung der Lebensqualität jüngerer und älterer Generationen in Österreich, und er ermöglicht einen fairen und gerechten sozialen Ausgleich für die Verwirklichung tatsächlicher sozialer Gerechtigkeiten. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Weitere Neuverschuldungen gehen ausschließlich zu Lasten der nächsten Generation. Der notwendige Umbruch in der Budgetpolitik wird nunmehr ganz bewusst gesetzt. Es gilt, die Arbeit und die Leistung der Aufbaugeneration zu bewahren, aber auch, Perspektiven für unsere Kinder und Enkelkinder zu schaffen. Und das passiert jetzt. Es waren einige Versäumnisse der alten Bundesregierung aufzuarbeiten. So mussten zum Beispiel Maßnahmen gesetzt werden, um den Saisonbeschäftigten in Österreich ein Arbeitszeit-Modell zu bieten, welches eine längere Beschäftigung beziehungsweise auch einen Durchrechnungszeitraum ermöglicht.

Die Frau Staatssekretärin hat ja gerade erwähnt, sie arbeitet verstärkt daran, den Ganzjahrestourismus weiter auszubauen. Das ist sehr lobenswert. Die ersten Schritte sind gesetzt worden: Es gibt einen längeren Durchrechnungszeitraum für Saisonbeschäftigte, und es gibt keine Wartezeit auf das Arbeitslosengeld; all das ist sozusagen wegverhandelt worden. Ein Drittel der Überstunden während der Saisonzeit und den halben aliquoten Urlaubsanspruch – maximal sieben Tage – am Ende der Saison zu konsumieren bedeutet, dass jene Personen, die im Tourismus beschäftigt sind, eben länger durchbeschäftigt sind und dass weniger Arbeitslosigkeit anfällt.

Es wird vor allem von der Gewerkschaft immer wieder bekrittelt, dass die Anwartschaft von 26 auf 28 Wochen angehoben worden ist. – Was soll das? Mir ist es immer noch lieber, die Anwartschaft basiert auf 28 Wochen und der aliquote Urlaubsanspruch kann gleich gewährt werden und nicht – so wie früher auch im Bau- und Baunebengewerbe – eben erst nach 47 beziehungsweise 46 Wochen; jetzt ist das nach einem halben Jahr möglich.

Es wird durch einen Ganzjahrestourismus im Wellness-Bereich und so weiter auch möglich sein, dass die Beschäftigten das ganze Jahr über arbeiten können und dass dieser Personenkreis dann auch eine Abfertigung bekommen könnte, natürlich eine "Abfertigung neu". Wir denken dabei daran, dass eine betriebliche Altersvorsorge gewährleistet wird; in diese Richtung müssen wir gehen.

Eine Vereinheitlichung der Rechte der Arbeitnehmer haben wir ebenfalls schon in Angriff genommen, wozu die alte Bundesregierung nicht in der Lage war. Wir haben eine Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten durchgesetzt. Die Aktion "Fairness" ist im Prinzip durchgesetzt worden. Es wird jetzt zwar oft beklagt, dass der Postensuchtag bei Selbstkündigung entfällt, aber ich meine, diesen Postensuchtag bei Selbstkündigung braucht überhaupt niemand, er geht niemandem ab.

Auch zum aliquoten Urlaubsanspruch ist zu sagen: Man kann, wenn man die Entgeltfortzahlung für Arbeiter und Angestellte in gleicher Weise – sechs Wochen voll und vier Wochen halb – regeln will, nicht alles haben wollen und nichts geben. Verhandlungen müssen so geführt werden, dass jeder seinen Teil dazu beiträgt, dass das unbürokratisch abläuft und dass jeder zu seinem Nutzen kommt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )


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48. Sitzung / Seite 149

Frau Silhavy, Sie wissen ganz genau, dass die Dienstgeber für Arbeiter bei der Krankenversicherung drei Zehntel weniger bezahlen, und sie fürchten, dass sie bei Krankenstand, zum Beispiel auch nach einem Freizeitunfall, dann sechs Wochen länger zahlen müssten. – Anders läuft es eben nicht! Man muss überall Abstriche machen. Sie waren bisher nicht in der Lage, das umzusetzen. Diese Bundesregierung hat das umgesetzt, und wenn Sie beweisen wollen, dass Sie etwas dazu beitragen können, dann setzen Sie endlich Maßnahmen, damit auch bei den Kündigungsfristen eine Gleichheit zwischen Arbeitern und Angestellten herrscht. (Weiterer Zwischenruf der Abg. Silhavy. )  – Das ist kollektivvertraglich zu regeln, und hier könnte der Gewerkschaftsbund Flagge zeigen. Das wäre ein Signal, dass er auch etwas dazu beiträgt und nicht nur alles kritisiert. Dort sind Sie säumig! Sie kritisieren die Bundesregierung, aber selbst bringen Sie überhaupt nichts weiter. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bei der Behinderten-Milliarde haben Sie auch nichts weitergebracht. Jetzt, durch diese Bundesregierung, wird eine Beschäftigungsoffensive für die Behinderten eingeleitet. 43 000 behinderte Menschen sind arbeitslos gemeldet! Es werden nun Maßnahmen gesetzt, damit dieser Personenkreis Arbeit findet. Schwerpunkte werden bei der Jugend und bei den Älteren gesetzt, bei den psychisch, geistig Behinderten und bei den Sinnesbehinderten. Diese Bundesregierung setzt Maßnahmen und bringt auch etwas weiter, und das ist das, was Sie stört. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

19.07

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Puttinger hat uns heute in der Früh in einem wunderbaren Exkurs erläutert, wie die Verwaltungsreform stattfinden wird und wie der Bürokratieabbau stattfinden wird. Kollege Dolinschek hat uns auch gerade erklärt, wie schlank der Staat jetzt werden wird. – Ich darf Ihnen ein bisschen den Unterschied zwischen Ihrem Wunschdenken und einer echten Umsetzung aufzeigen und das anhand des Bundesimmobiliengesetzes verdeutlichen.

Am Beispiel des Bundesimmobiliengesetzes möchte ich Ihnen sagen, worum es Ihnen von den Regierungsparteien wirklich geht. Es geht Ihnen um Geldbeschaffung um jeden Preis für das angestrebte Nulldefizit im Jahr 2002 und damit verbunden das Freispielen für Geschenkmöglichkeiten im Budgetjahr 2003. – Zuckerln für Ihre WählerInnen, für die WählerInnen der Regierungsparteien, für die, wie ich meine, wie ich heute gehört habe, "Einheitsregierungspartei", denn Kollege Haigermoser hat ja heute schon von der "Freiheitlichen ÖVP" gesprochen; Wahlgeschenke, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf Kosten der Österreicherinnen und Österreicher, die von Ihrem unsozialen Sparpaket betroffen sind.

Am Beispiel des Bundesimmobiliengesetzes zeigt sich ja diese riesige Mogelpackung, die Sie vorbereitet haben, denn anstatt zu mehr Effizienz, anstatt zu mehr Transparenz im Rahmen der staatlichen Immobilienverwaltung zu kommen, wurde diese Reform so zaghaft angegangen, dass dieses Gesetz überhaupt nicht greift und nur mehr auf die Partikularinteressen Rücksicht nimmt.

Die Doppelgleisigkeiten im Bereich der Immobilienverwaltung des Bundes werden nicht beseitigt. Ganz im Gegenteil, das Management aller Liegenschaften des Bundes ist nicht unter einem Dach; es würden sich hier sogar noch doppelte Verwaltungen aufbauen.

Insbesondere wurde verabsäumt – und das wurde auch von vielen Experten kritisiert –, die militärischen Liegenschaften und die vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten verwalteten Liegenschaften in die BIG einzugliedern und ihr zur Verwaltung zu übertragen. Stattdessen wird die Verwaltung und die Verwertung der militärischen Liegenschaften mit einem Heer von – geben Sie Acht – mehr als 1 200 Bediensteten sehr teuer und sehr aufwendig betrieben. Und diesen großen Aufwand auf Grund der Doppelgleisigkeiten kritisieren wir.


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48. Sitzung / Seite 150

Ich darf Ihnen ein paar davon aufzählen: Neben der BIG ist es das Immobilienmanagement, das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, das Bundesministerium für Landesverteidigung, das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und die Burghauptmannschaft; dazu kommen die ASFINAG, die land- und forstwirtschaftlichen Gebäude, die Strafvollzugsanstalten und letztlich die Flughäfen in den Bundesländern. Da frage ich Sie, Herr Puttinger: Wo bleibt der schlanke Staat?

Auch das Verhältnis der verwalteten Immobilien im Vergleich zu den betrauten Beamten zeigt ein erschreckendes Bild. So verwalten beispielsweise 70 Prozent der Beamten des Bundesministeriums für Landesverteidigung nur 40 Prozent der zu verwaltenden Flächen. Ich möchte doch meinen, diese Effizienzsteigerung und der schlanke Staat, den Sie gemeint haben, sind hier sicherlich nicht umgesetzt worden. (Abg. Dr. Puttinger: Wie viele Mitarbeiter hat der Staat jetzt weniger als vor einem Jahr? – Abg. Edler: Keine! Er hat sie ja noch! Er hat sie ja noch! – Abg. Dr. Puttinger: Das weiß er nicht! Antworten Sie doch! Ist er schlanker?) – Geplant sind 15 000 weniger, aber momentan sind es noch nicht weniger.

Das Finanzkonzept im Bundesimmobiliengesetz bringt Ihrem Finanzminister Einnahmen von mehr als 30 Milliarden Schilling; exakt sind es 30 plus drei. Aber letztlich – und da liegt der Hase im Pfeffer – muss die BIG dieses Kapital auf dem Kapitalmarkt aufnehmen, und dadurch werden die Schulden des Bundes letztlich zu Schulden der BIG. Das ist ein weiterer Beweis für die Mogelpackung dieser Regierung.

Aus der Sicht der Bauwirtschaft – das ist für Sie als Wirtschaftspartei auch wirklich wichtig – ist das Einfrieren der Neubautätigkeit beängstigend. Von dem gesamten österreichischen Bauvolumen in der Höhe von rund 140 Milliarden Schilling entfielen ungefähr 45 Milliarden Schilling auf die öffentliche Hand, und davon 17 Milliarden allein auf den Bund. Die Bauindustrie ist vom Rückgang der Großaufträge betroffen und wird diese rezessiven Maßnahmen ganz deutlich spüren. (Abg. Dr. Puttinger: Wie ist die Auftragslage? Wie ist die Auftragslage, bitte? – Plus 17 Prozent!)

Die Auftragslage ist momentan gut, aber wenn Sie Herrn Böhacker zuhören, dann wissen Sie, was die Zukunft bringt. Ich rede von der Zukunft, weil Sie die Neubautätigkeit in einem derartigen Maß zurückdrängen. (Abg. Dr. Martin Graf: Angstmache! Angstmache! Reine Angstmache!) – Das ist keine "Angstmache", sondern das sind Tatsachen, die die Bauindustrie betreffend werden. Böhacker hat das auch gesagt, lesen Sie das nach! Auch die Gewerkschaft Bau und Holz konstatiert das in ihren Unterlagen.

Das Resümee davon ist: Eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik darf den Faktor Bauwirtschaft für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung nicht vernachlässigen, wie Sie das tun. Die Investitionen in die Bauwirtschaft erzielen im gesamten wirtschaftlichen Vergleich die höchste Multiplikatorwirkung und, wie Sie selbst wissen werden, 80 Prozent an inländischer Wertschöpfung.

Daraus geht eindeutig hervor, dass das Sparen am Bau, wie Sie es hier betreiben, der falsche Weg in der Budgetpolitik ist. Investitionen in öffentliche Bauten und in die Infrastruktur sichern die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die Arbeitsplätze für die Bauwirtschaft in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

19.14

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zu Beginn eine Anmerkung zum Entschließungsantrag des Herrn Abgeordneten Schwemlein. Jeder und jede in diesem Plenarsaal wird sich vollinhaltlich den Einleitungssätzen dieses Entschließungsantrages anschließen. Es geht jetzt um Menschlichkeit, um erste Hilfe, um ein Sozialnetz für die Betroffenen – seien es Eltern, Ehepartner, aber auch für die Betroffenen, die nunmehr keine Arbeit haben.


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48. Sitzung / Seite 151

Ich möchte aber anmerken, dass einige Tage nach diesem fürchterlichen Unglück zum Beispiel im Zuge des Budgetausschusses betreffend Soziales schon von unserem Bundesminister Haupt und auch vom zuständigen Minister für den Katastrophenhilfefonds bestätigt wurde, dass es das vorrangige Ziel der Bundesregierung ist, ein umfassendes Programm zu erstellen, zu entwickeln – das ist auch schon geschehen –, damit vom Katastrophenhilfefonds wie auch vom Familienhärteausgleichsfonds sofort alles Erdenkliche getan wird, zumindest von der finanziellen Seite her. (Abg. Schwemlein: Sie sehen das viel zu eng!) Das heißt, es muss kurzfristig daran weitergearbeitet werden, und das wird es auch. Längerfristig werden wir abwarten müssen, was die privaten Versicherungen leisten können. Auch das hat die Regierung aber schon längst in die Wege geleitet. (Abg. Schwemlein: Das stimmt nicht!) Ihr Entschließungsantrag kommt daher ein bisschen zu spät – genauso wie der Antrag in Bezug auf den Heizkostenzuschuss. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Schlecht vorbereitet!)

Nun aber zum eigentlichen Thema. Es geht natürlich wieder um Wirtschaft und Arbeit im weiteren Sinn. Ich möchte noch einmal festhalten – das kann man nicht oft genug sagen –, eine Weiterführung der bisherigen Politik – damit meine ich eine Politik des Schuldenmachens – hätte eine wesentliche Gefahr für das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung in Österreich bedeutet. Es ist jetzt an der Zeit – das haben wir von der ÖVP gewusst –, eine effiziente Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.

Mit der Zusammenlegung der Ressorts Wirtschaft und Arbeit in einem Ressort unter Bundesminister Bartenstein wird dies auch gelingen. Es geht um einen Umbau im Sinne einer Erneuerung und Verbesserung der Strukturen. Es geht darum – um das so festzuhalten, wie Bundeskanzler Wolfgang Schüssel es gestern gesagt hat –: Sozial ist das, was Arbeit schafft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In der Folge möchte ich nur noch kurz auf drei Punkte eingehen, die mir sehr wichtig erscheinen. Erstens: die aktive Arbeitsmarktpolitik. Ich meine, dass Arbeitslosigkeit nicht – wie bisher leider oft üblich – "verwaltet" werden darf. Die aktive Arbeitsmarktpolitik braucht eine Aktivierung, muss in Bezug auf Arbeitssuchende forciert und darf nicht lahmgelegt werden. Da ist in erster Linie das AMS gefordert, seine Strukturen den Erfordernissen der modernen Arbeitswelt anzupassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dies ist nicht nur im Hinblick auf den erwarteten Arbeitskräftemangel wichtig. Das betrifft besonders auch die Frauen in diesem Bereich.

Zweitens: Wir brauchen Maßnahmen für eine wirkungsvolle Arbeitsmarktpolitik zu Gunsten von Frauen. Der Schwerpunkt Frauen ist in den europäischen Leitlinien für Beschäftigung und im Nationalen Aktionsplan verankert. Ich möchte auch anmerken, dass das Problem der Wiedereinsteigerinnen ein Schwerpunkt ist. In diesem Zusammenhang möchte ich zuerst den MitarbeiterInnen der Frauen-Grundsatzabteilung Dank aussprechen, die wichtige Arbeit leisten und die Entwicklung und Förderung von Frauenprojekten vorbereiten.

Nun habe ich noch eine Bitte, ein Ersuchen: Wir brauchen verbesserte und in der Folge auch mit anderen Förderstellen gekoppelte Vergaberichtlinien für Frauenprojekte – ich betone: auch für Frauenprojekte. Das gilt natürlich für alle, aber das ist wichtig, um sozial gerecht fördern zu können.

Abschließend möchte ich mich noch an die Opposition wenden. Es ist ein Irrtum, zu denken, dass durch die Sanierung des Staatshaushaltes Arbeitsplätze verschwinden würden. Es kann nur dort eine Arbeitsplatzsicherung geben, wo die öffentlichen Haushalte in Ordnung sind. (Beifall bei der ÖVP.)

19.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edler. – Bitte.

19.19

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Der Schlusssatz von Kollegin Steibl war, das muss ich sagen, eigentlich Ausfluss der


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48. Sitzung / Seite 152

Regierungspolitik der vergangenen Regierung und besonders von Ex-Finanzminister Edlinger. Aber Sie wollen das heute nicht mehr anerkennen. Wir nehmen das zur Kenntnis. Sie werden das draußen vor den Menschen einmal erklären müssen, denn diese glauben Ihre Version der Staatsverschuldung nicht. Sie glauben nicht, dass Sie nicht auch dabei waren. Wir haben gemeinsam, meine Damen und Herren von der ÖVP, Wertvolles für Österreich geschaffen, aber Sie bekennen sich nicht dazu. Sie verabschieden sich davon, und wir nehmen das zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Für mich war es eine Überraschung, dass einige Redner – sogar einige von der Ministerbank aus – heute gemeint haben, Österreich ist ein blühendes Land. Meine Damen und Herren! Jawohl, wir können stolz sein. Aber bilden Sie sich nicht ein, dass Sie das jetzt in den neun Monaten, seit Sie regieren, geschaffen haben! Das ist die Arbeit der letzten Jahre! Es sind Vergleiche mit Deutschland angestellt worden: Wir hatten schon immer bessere Wirtschaftsdaten, besonders was die Zahl der Arbeitslosen betroffen hat. Diesbezüglich haben wir immer wesentlich bessere Daten gehabt als unsere deutschen Freunde, und das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie haben von effizienteren Strukturen gesprochen – Kollege Faul ist darauf eingegangen –, was die BIG betrifft. Ich möchte das auch kurz streifen. Da hätten Sie eine Chance gehabt, meine Damen und Herren, besonders Minister Bartenstein – er ist nicht mehr da. Aber es ist richtig: Die ÖVP wollte sich für ihre Klientel die Immobilien der Botschaften behalten, die FPÖ die Immobilien der Landesverteidigung, um ihre Klientel zu begünstigen. Geben Sie das zu! Seien Sie ehrlich!

Kollege Stummvoll! Sie hätten, wenn Sie die Wirtschaft vertreten, dagegen Sturm laufen müssen, dass heute solche Konstellationen gebaut werden. Nirgends werden solche Konstellationen gebaut. Es gibt ein Dach darüber in der Hauptverantwortung, und es kann Divisionen geben. Aber da gibt es einen Wildwuchs von Verantwortung und Doppelgleisigkeit. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie haben vor einigen Tagen ein sehr grausliches Gesetz beschlossen, und Sie werden im Frühjahr wahrscheinlich sogar noch nachsetzen, was die Wohnungsgemeinnützigkeit betrifft. Das betrifft über 100 000 Familien! Ich habe schon vorige Woche in einer Rede gesagt, dass wir in den Gewerkschaften Hunderte Anrufe erhalten haben, da die Mieter verunsichert sind. Sie haben Recht! Es wird sich in der nächsten Zeit zwar noch nichts verändern, aber in einigen Monaten oder Jahren werden diese Mieter dort neuen Bedingungen ausgesetzt sein, und sie haben mit wesentlichen Verschlechterungen zu rechnen. Vor allem haben sie mit höheren Mieten zu rechnen.

Was ist, Kollege Graf, mit dem, was ihr immer versprecht, nämlich mit der Senkung der Mieten? Was für eine Politik ist das? Warum habt ihr dafür gestimmt? Ihr versprecht etwas und haltet es dann überhaupt nicht ein! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zum Ressort, das heute angesprochen worden ist, und auch dazu, was über die Bundesimmobiliengesellschaft abgewickelt wird: Schulbauten, Neubauten. Ich sage das als Wiener Abgeordneter aus dem Wahlkreis Nord, dem Bezirk Donaustadt. Kollege Graf weiß das ganz genau, aber hier setzt er als Vertreter der Regierungsparteien überhaupt keine Aktivitäten. Früher hat er sich komplett anders verhalten.

Was ist mit den Schulen in der Donaustadt, einem Bezirk, der sich wunderbar entwickelt? – Es gibt dort viele junge Menschen und eine hohe Qualität der Ausbildung der Schülerinnen und Schüler. Diese brauchen Ausbildungsplätze. Wir hatten in der alten Regierung ausverhandelt, dass eine neue Mittelschule in der Heustadelgasse gebaut wird. (Abg. Dr. Martin Graf: Die wird ja gebaut!) Sie haben das ein Jahr lang verzögert, da der Finanzminister nicht unterschrieben hat und die Bundesimmobiliengesellschaft daher nicht bauen konnte. (Abg. Dr. Martin Graf: Wir sind ja noch gar nicht so lange in der Regierung!) Wir haben dort eine HTL, die ausbaufähig wäre, aber von Ihrer Seite geschieht nichts. Sie betreiben eine Politik des Sparens am falschen Platz, besonders was die Bildung betrifft.


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Meine Damen und Herren! Zum Schluss kommend: Die Regierung beschließt Gesetze mit "Speed kills"-Methoden – Klubobmann Khol hat das wiederholt gesagt. (Abg. Neudeck: Was?) Er glaubt, die Menschen kommen nicht mit, sie verstehen Ihre Politik nicht. – Ich finde, es ist der größte Sozialabbau der Zweiten Republik, und die Menschen werden das sehr wohl in einigen Wochen spüren.

Der Herr Bundeskanzler regiert nicht, er moderiert nur. Er hat zum Wochenende eines gemacht, meine Damen und Herren, nämlich von dieser grauslichen Politik abgelenkt. Ich muss sagen, darin ist er wirklich perfekt, er kann von der grauslichen Politik wirklich ablenken. Er beginnt die Diskussion einer neuen Pensionsreform, die nicht notwendig ist, die nicht angebracht ist. Das ist ein Ablenken von Ihrer grauslichen Politik, meine Damen und Herren! Für Sie wird der Wahltag Zahltag werden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

19.24

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Über die günstige Arbeitsmarktsituation, die sich derzeit darstellt, ist heute schon sehr viel gesprochen worden. Eine derart günstige Arbeitsmarktsituation kann es natürlich nur dann geben, wenn die Wirtschaftslage günstig ist, das heißt, wenn die Wirtschaft, wenn die Betriebe in dieses Österreich, in dieses Land, in diese Regierung Vertrauen haben; dann wird in Österreich investiert, dann gibt es zusätzliche Arbeitsplätze. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein bisschen etwas kann das Arbeitsmarktservice natürlich auch beitragen, und das tut es auch. Dass sich das Arbeitsmarktservice in den letzten Jahren so positiv entwickelt hat, ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es eine Neuorganisation, eine Umgestaltung gegeben hat, weil es nicht mehr die alten Arbeitsämter gibt, in denen die Bediensteten teilweise die Firmen, die Betriebe nicht als Partner gesehen haben, so wie es sich jetzt darstellt, sondern eher als Gegner.

Einer der "Architekten" des neuen Arbeitsmarktservice ist heute hier. Es ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass es dieses Arbeitsmarktservice gibt. Ich danke Ihnen im Namen vieler Kollegen, Herr Dr. Stummvoll! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) – Sie kommen noch zu Wort, Frau Silhavy. Ihre Keiferei kenne ich schon zur Genüge, ich gehe nicht darauf ein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Ich möchte nur ganz kurz auf den Beschäftigungsrekord eingehen. Ende Oktober dieses Jahres waren in Österreich 3,157 Millionen unselbständig Beschäftigte in Arbeit. Das bedeutet, dass es – obwohl schon die Saisonarbeitslosigkeit eingesetzt hat, in der sich zirka 17 000 Personen befinden – um 49 000 Beschäftigte mehr gibt als im Jahresdurchschnitt des Vorjahres. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch kurz auf die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit eingehen. Die Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit geht natürlich Hand in Hand mit der guten Beschäftigungslage und mit den Projekten, die diese Bundesregierung bietet. Erfreulich für mich ist, dass es bei der Zahl der Langzeitarbeitslosen gegenüber dem Vorjahr eine Verringerung von 26 600 auf 15 100 gegeben hat, dass also 11 500 Personen weniger langzeitarbeitslos sind. (Beifall des Abg. Zweytick. )

Ein kleiner Mosaikstein dazu ist auch das Projekt "Integra". Dieses Projekt "Integra" der Bundesregierung, des Herrn Bundesministers Bartenstein, hat dazu beigetragen, dass viele Menschen wieder Vertrauen in die Arbeitsvermittlung, in das Arbeitsmarktservice und in diesen Staat gefunden haben.


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Ich lese Ihnen ganz kurz eine Stellungnahme aus dem neuesten Magazin des AMS-Steiermark vor, und zwar betreffend eine Untersuchung, eine Evaluation dieses "Integra"-Projektes, unter der Überschrift: "Sprungbrett in den Arbeitsmarkt". Was wird darin gesagt? Was sagen speziell die oststeirischen Amtsleiter dazu, die besonders intensiv mit diesem Projekt arbeiten?

Darin heißt es: Unsere Erfahrungen sind durchaus positiv, sowohl aus Sicht der Träger als auch aus Sicht der Arbeitsuchenden. Es ist erfreulich, wie hoch die Bereitschaft der Trägerorganisationen ist, einen sowohl arbeitsmarktpolitischen als auch soziologischen Beitrag für Langzeitarbeitslose und Langzeitbeschäftigungslose zu leisten. "Integra" ist eine wirksame Maßnahme, um Langzeitarbeitslose beziehungsweise Langzeitbeschäftigungslose wieder sinnvoll zu beschäftigen beziehungsweise sie am gesellschaftlichen Leben wieder teilhaben zu lassen. Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, sich Nachfolgemaßnahmen zu überlegen. – Ende des Zitates.

Ich gratuliere Herrn Bundesminister Bartenstein dazu, dass er diese Maßnahmen gesetzt hat, obwohl ein derartiger Widerstand geherrscht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

95 Prozent der Teilnehmer sind von dieser Maßnahme begeistert. Ich hoffe, dass auch 95 Prozent der Abgeordneten dieses Projekt gut finden. Auf die Meinung des Restes, der noch immer dagegen ist und dieses Projekt als Zwangsarbeitsprojekt ansieht, muss nicht unbedingt Wert gelegt werden.

Einen Satz noch – meine Redezeit geht zu Ende – zu den heutigen Aussagen, wonach auch die Behindertenmilliarde wie damals das Projekt "Integra" abzulehnen sei. Ich denke daran, welches Gekreische es damals gegeben hat. Von "Zwangsarbeit" war die Rede! Dasselbe passiert jetzt mit dem Projekt der Behindertenmilliarde. Es wird alles in Frage gestellt. – Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zusammenarbeit mit den beiden Ministerien, dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, sehr viel erreichen werden. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Die hohe Arbeitslosenrate bei den Behinderten werden wir in nächster Zeit senken können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

19.31

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! – Herr Kollege Staffaneller! Zu Ihrer "charmanten" Bemerkung fällt mir nur eines ein: Mir ist lieber, Leute keifen gescheit, als sie reden mit schwacher Stimme nicht gerade intelligente Luftblasen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: Frau Kollegin! Hören Sie sich selbst einmal an! – Zwischenruf der Abg. Achatz. )

Herr Bundesminister! Sie haben heute in Ihrem Debattenbeitrag ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Achatz und Haller. ) – Warum regen Sie sich so auf, meine Damen? Warum regen Sie sich so furchtbar auf? – Hören Sie zuerst einmal zu, dann können Sie es vielleicht beurteilen, wenn Sie dazu in der Lage sind, meine Damen!

Herr Bundesminister! Sie haben heute in Ihrem Beitrag hier im Hohen Haus behauptet, dass die Wirtschaft 18 Milliarden Schilling zum Budget 2001 beiträgt. Ich nehme an, Sie haben dabei vergessen, alle Geschenke, die Sie mittels Ihrer Politik an die Wirtschaft zurückgeben, gegenzurechnen. Faktum ist, dass im Jahr 2001 den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 34 Milliarden Schilling genommen werden und die Wirtschaft gerade ein Fünftel davon selbst dazu beiträgt.

Diese Regierung setzt Maßnahmen, hat einer der Redner Ihrer Regierungskoalition gesagt. – Das kann man tatsächlich sagen, es sind aber bedauerlicherweise Maßnahmen gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes.


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In der Arbeitslosenversicherung – Herr Bundesminister, wir haben das auch beim Budget bereits besprechen können, und Sie haben uns das auch dankenswerterweise sogar schriftlich beantwortet – unternehmen Sie einen einmaligen Raubzug, indem Sie beinahe 12 Milliarden Schilling für das Jahr 2001 aus dem Topf herausnehmen. Dafür werden Menschen, die den Arbeitsplatz verloren haben, bestraft. Das ist unsozial, und das ist ungerecht. Sie kürzen die Familienzuschläge, und Sie verlängern die Frist für die Anwartschaft für den zweiten Bezug. Sie treffen damit zielgenau jene Menschen, die diese Leistungen am dringendsten benötigen. Das, Herr Bundesminister, ist unausgewogen und unsozial. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber damit noch nicht genug, Herr Bundesminister! Sie wollen in Zukunft auch den günstigeren Fortbezug bei neuer Anwartschaft streichen, und Sie haben sich zu allem Überfluss auch noch eine recht saftige Verordnungsermächtigung herausgeholt, mit der Sie bei gewissen Wirtschaftszweigen, wenn sozusagen bestimmte Voraussetzungen nicht eintreten, per Verordnung ein Ruhen von 14 Tagen erreichen können, was natürlich wieder die arbeitslosen Menschen trifft.

Herr Bundesminister! Ich frage Sie: Wo wird da die Wirtschaft in die Pflicht genommen? Warum, Herr Bundesminister, wird gerade, wenn der Tourismusbereich solch ein großes Problem ist – Sie selbst haben uns die 2,5 Milliarden Schilling Defizit in der Arbeitslosenversicherung für diesen Bereich schriftlich bekannt gegeben –, die Tourismuswirtschaft nicht in die Pflicht genommen? Warum haben Sie keine Überlegungen dahin gehend angestellt, dass die Wirtschaft nicht mehr Quersubventionen in diesem Bereich bekommt, sondern dass sie selbst Anstrengungen unternimmt, um die Menschen länger zu beschäftigen und auch längere Saisonzeiten zu haben? – Darauf haben Sie keine Antworten gegeben.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, weil das heute schon sehr eigenartig deponiert worden ist. Es wurde großmundig und vollmundig verkündet, die Wirtschaft werde die Hälfte für die Zahlungen der Zwangsarbeiter aufbringen. Jetzt merken wir, dass 3,7 Milliarden Schilling vom IAG-Fonds genau für diese Maßnahme abgezwickt werden. 3,7 Milliarden Schilling werden aus einem Fonds genommen, bei dem wir mit einem Defizit in der Höhe von 1,2 Milliarden Schilling rechnen. Das heißt, damit erhöhen Sie das Defizit des Fonds vermutlich auf rund 5 Milliarden Schilling. – So viel zu Ihrer Defizitbekämpfung, wenn es um Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerinteressen geht.

Frau Dr. Partik-Pabl頖 sie ist leider jetzt nicht anwesend – hat sich heute überhaupt ein Gustostückerl geleistet, als sie gemeint hat, die Lohnnebenkosten seien nun das Thema unseres Klassenkampfes. Offensichtlich hat Frau Dr. Partik-Pablé wirklich keine Ahnung, was Lohnnebenkosten bedeuten, oder sie will es nicht wissen. Die Lohnnebenkosten zu senken, heißt, dass dort, wo Sie den Unternehmern Geschenke machen, die Arbeitnehmer dafür bestraft werden und weniger Leistungen, die ihnen aber zustehen würden, bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! All das ist Ihnen aber offensichtlich ohnehin bewusst. Warum sonst, so frage ich Sie, hat der neue so genannte Sozialsprecher Gaugg der FPÖ, obwohl er bei der Abstimmung über das Budgetbegleitgesetz im Plenarsaal war und auch sein nettes graues Kärtchen in der Hand hielt, seine Stimme nicht abgegeben? Hat er, obwohl er im Plenarsaal war, seinen Namensaufruf überhört? Teilt er vielleicht die Meinung, dass die Maßnahmen, die Sie treffen, einseitig sind und nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belasten?

Dann gibt es noch eine interessante Thematik. Der Herr Bundeskanzler versucht, eine neue Diskussion in Gang zu setzen, indem er meint, das Pensionsalter müsse um zwei Jahre angehoben werden. Sie haben überfallsartig eine Pensionsreform beschlossen, mit der Sie sogar die vorzeitige Pension bei geminderter Arbeitsfähigkeit abgeschafft haben. Das ist überfallsartig und rückwirkend passiert. Und auf einmal lese ich in der Zeitung: "Die vergoldete Wartezeit". Jetzt soll der Ausstieg aus dem öffentlichen Dienst mit 55 Jahren und 80 Prozent schmackhaft gemacht werden. Ist das Ihre Form des neuen Regierens? – Das ist sehr interessant.


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Aber wahrscheinlich stimmt das, was ich heute in "NEWS" als Überschrift gelesen habe: Grasser nach Diktat verreist. – Das ist eine sehr interessante Sache. Grasser ist nach dem Diktat verreist. Herr Minister Bartenstein! Unterliegen Sie dem Diktat des Herrn Finanzministers? – Offensichtlich schon! Oder sind Sie tatsächlich nur Wirtschaftsminister und kein Arbeitsminister, wie Sie sich zumindest offiziell auch noch nennen?

Meine Damen und Herren! Eines möchte ich Ihnen auch noch sagen: Es stimmt mich sehr nachdenklich, wenn Sie Organisationen, die erfolgreich die Interessen großer Gruppen der Bevölkerung in Österreich vertreten, wie es zum Beispiel der ÖGB tut, in diesem Hohen Haus mies machen, indem Sie im Zusammenhang mit einer friedlichen Menschenkette folgenden Satz sagen; der Bundeskanzler dieser Republik sagt das, und das, finde ich, ist ein wirklicher Skandal. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl hält ein Plakat in die Höhe. – Abg. Dr. Puttinger: Was ist das? Da heißt es: "Der Bundeskanzler soll gehängt werden!") 

Lesen Sie nach, was der Bundeskanzler dieser Republik im Zusammenhang mit der Menschenkette um das Hohe Haus gesagt hat. Er hat gesagt: "Man sollte sich durchaus diesbezügliche Schritte überlegen, ebenso die Sinnhaftigkeit, ja die Zulässigkeit mancher politischen Proteste." (Abg. Dr. Puttinger: Distanzieren Sie sich von so etwas! – Abg. Steibl: Distanzieren Sie sich! – Abg. Dr. Puttinger: Schämen Sie sich und distanzieren Sie sich!) Der Bundeskanzler dieser Regierung stellt in diesem Haus Grundrechte in Frage, und das ist ein Skandal in dieser Republik! (Beifall bei der SPÖ.)

19.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

19.38

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherung des Wirtschaftsstandortes ist das zentrale Anliegen dieser Bundesregierung. In nur zehn Monaten hat diese Bundesregierung vieles verwirklicht, um diesem Ziel auch näher zu kommen und um unsere Unternehmer auf den Märkten wettbewerbsfähiger zu machen. Nicht alles ist geschehen, Herr Edler von der Eisenbahn – ich weiß nicht, wo er jetzt hingegangen ist –, aber vieles hat diese Bundesregierung bereits umgesetzt. Die Menschen in diesem Land akzeptieren das, und die Wirtschaft vertraut dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch wenn Sie es nicht glauben: Die Wirtschaftszahlen, die Kennzahlen sprechen für dieses Vertrauen. Nur eine Wirtschaft, die Vertrauen in die Zukunft hat, ist auch bereit, zu investieren. Und das tut die österreichische Wirtschaft, weil sie Vertrauen in diese Bundesregierung hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit dem Beschluss vom 11. Juli dieses Jahres hat diese Bundesregierung einen neuen Meilenstein in der Weiterentwicklung der Wettbewerbsbedingungen dieses Landes gesetzt. Mit dem Beschluss, keine neuen Schulden mehr zu machen, trägt sie wesentlich dazu bei, dass der Wirtschaftsstandort Österreich auch in Zukunft sicher ist. Die Wirtschaft begrüßt diese Bemühungen, auch wenn die Wirtschaft – das soll hier in aller Deutlichkeit gesagt werden, vor allem meinen beiden Vorrednern, Herrn Edler und Frau Silhavy, die vielleicht nicht imstande sind, Budgets zu lesen ... (Abg. Silhavy: Wir sind in der Lage, Budgets zu lesen! Was ist mit der Reduktion des Krankengeldes?)

Sie haben hier gesagt, die Wirtschaft werde gefördert. – Die Wirtschaft zahlt Milliarden in diesen Konsolidierungstopf ein, weil die Wirtschaft und die Vertreter der Wirtschaft davon überzeugt sind (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy ), dass es notwendig ist, jetzt und heute zu sanieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist auch gemeint, meine Damen und Herren vom linken Reichsdrittel, wenn Herr Klubobmann Khol von "Sozialpartnerschaft neu" spricht. Ich möchte versuchen, dieses Thema in aller Ruhe abzuwickeln. Die Vertreter der Wirtschaft sind sich der Verantwortung bewusst, und die Vertreter der Wirtschaft tragen dieses Paket mit (Abg. Silhavy: Aus welcher Funktion kommen


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48. Sitzung / Seite 157

Sie denn?), auch wenn es ihnen nicht leicht fällt und auch wenn sie ihren Leuten gegenüber Erklärungsbedarf haben.

Meine Damen und Herren! Bei der Gewerkschaft ist das nicht so. Die Gewerkschaft bildet Menschenketten rund um das Parlament. Sie geht Arm in Arm mit jenen, die auch vor Gewalt und Zerstörung öffentlicher und privater Einrichtungen nicht zurückschrecken. Kollege Stummvoll hat Recht, wenn er davor warnt, die Sozialpartnerschaft vom Verhandlungstisch auf die Straße zu verlegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen aber eines: Sie werden diese Regierung nicht zu Sturz bringen, weder auf der Straße noch hier im Parlament! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie werden damit vielmehr das Gegenteil erreichen. Immer mehr Menschen werden sich hinter dieser Regierung sammeln, und immer mehr Menschen werden Sie hinter dieser Regierung finden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch wenn Herr Präsident Verzetnitsch, den ich sehr schätze, meint, es handle sich (der Redner hält ein Foto in die Höhe) um eine Fotomontage, so mag ihm dieses Bild als Warnung dienen, wohin ein Weg führen kann, wenn die Massen einmal auf der Straße marschieren. Nehmen Sie das bitte so heute mit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft bekennt sich nicht nur zur Verantwortung für einen soliden und konsolidierten Staatshaushalt, sondern die Wirtschaft bekennt sich auch zu ihrer Geschichte. Ich möchte eines hier festhalten: Die Mittel im IESG-Fonds sind reine Arbeitgeberbeiträge, und es kann nicht so sein, wie Herr Kollege Posch gestern hier verkündet hat, dass dadurch "Arbeitslose für Zwangsarbeiter sühnen".

Sehr geehrter Herr Kollege Posch! Die Wirtschaft trägt nicht nur diese 3,7 Milliarden Schilling bei, sondern auch die 1,5 Milliarden Schilling der ehemaligen verstaatlichten Betriebe kommen aus der Wirtschaft und sind Beiträge der Wirtschaft. Diese Firmen können das nur deswegen leisten, weil wir erzwungen haben, dass diese Betriebe privatisiert wurden und daher heute so erfolgreich arbeiten können. Ich als Bürger der Stadt Weiz bin stolz darauf, dass die Elin privatisiert ist und heute so erfolgreich arbeitet, dass sie weltweit eine Führungsposition innehat, die sie vor zehn Jahren bei weitem nicht haben konnte. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Daher muss die Privatisierung weitergehen.

Wir müssen darangehen, ein modernes Berufsrecht zu entwickeln, das zwei Anforderungen gerecht wird, meine sehr geehrten Damen und Herren: einerseits der Qualifikation, andererseits aber auch dem Wettbewerb.

Ich möchte, weil so viel über den freien Zugang zum Unternehmertum geredet wird, dazu Folgendes sagen: Ich bin auch ein sehr liberaler Mensch, aber wir werden nicht davon ausgehen können, dass die einzige Qualifikation eines Unternehmers darin besteht, dass er nichts kann. Davor sollten wir uns hüten. Immerhin sind 80 Prozent der Insolvenzen selbst gemacht, und 90 Prozent dieser Insolvenzen gehen auf mangelnde kaufmännische Grundkenntnisse zurück. Daher ist eine entsprechende Qualifikation für einen Unternehmer nicht nur Selbstschutz für ihn, sondern auch ein Schutz für seine Mitarbeiter und die Gläubiger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese hohe Qualifikation österreichischer Unternehmer legt auch die Grundlage für die enormen Leistungen der Wirtschaft im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit beziehungsweise für die Schaffung von Jugendarbeitsplätzen sowie auch für Arbeitsplätze im Bereich der Ausbildung. Ich bitte Sie, bei Ihren Überlegungen auch das zu berücksichtigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wirtschaftsminister Bartenstein hat es nicht notwendig, Frau Kollegin Silhavy – sie ist entfleucht –, irgendeinem Diktat zu unterliegen. Wir wissen, dass die Wirtschaft bei diesem Bundesminister in guten Händen ist. Wir wissen, dass diese Bundesregierung mit Minister Bartenstein jene Rahmenbedingungen schaffen wird, die es uns auch in Zukunft erlauben, erfolgreich zu sein. (Beifall bei der ÖVP.)


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48. Sitzung / Seite 158

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch einen Abänderungsantrag einbringen. Bei diesem Antrag handelt es um einen Antrag nach § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung, den ich kurz in seinen Grundzügen und Kernpunkten erläutern möchte.

Wir haben vorige Woche eine Änderung des Bundesimmobiliengesetzes beschlossen, daher können die sich daraus ergebenen Änderungen im ursprünglichen Bundesfinanzgesetz noch nicht enthalten sein. Der hier vorliegende Abänderungsantrag enthält nunmehr die betreffenden Ansätze im Bundesbudget zu dem Kapitel Bauten und Technik. Ich bitte einerseits den Herrn Präsidenten, diesen Antrag zur Verteilung zu bringen, und ich bitte andererseits, diesen Antrag in die Beratungen mitaufzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Dieser vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in sachlichem Zusammenhang und steht daher mit zur Verhandlung; er wird gerade verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Trinkl, Mag. Trattner und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (310 und Zu 310 der Beilagen), in der Fassung des Ausschussberichtes (370 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. In der Anlage I der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage sind die nachfolgenden Paragrafe und Voranschlagsansätze wie folgt einzufügen und die nachfolgenden Voranschlagsansätze wie folgt zu ändern:

     

Abzuändern

VA-

Aufgaben-

Bezeichnung

Von

Um

Auf

Ansatz

Bereich

 

Millionen Schilling

1/6404

 

Amt der Bundesimmobilien:

     

1/64040

37

Personalausgaben

-

+212,000

212,000

1/64048

37

Aufwendungen

-

+8,000

8,000

2/6404

 

Amt der Bundesimmobilien:

     

2/64044

37

Erfolgswirksame Einnahmen

-

+220,000

220,000

1/64530

37

Dienststellen der Bundesgebäudeverwaltung (betr.ähnl.Einr.); Personalausgaben

299,430

-299,430

-

1/64533

37

Dienststellen der Bundesgebäudeverwaltung (betr.ähnl.Einr.); Anlagen

9,443

-9,443

-

1/64537

37

Dienststellen der Bundesgebäudeverwaltung (betr.ähnl.Einr.); Aufwendungen (Gesetzl. Verpflichtungen)

0,270

-0,270

-


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1/64538

37

Dienststellen der Bundesgebäudeverwaltung (betr.ähnl.Einr.); Aufwendungen

52,653

-52,653

-

2/64534

37

Dienststellen der Bundesgebäudeverwaltung (betr.ähnl.Einr.); Erfolgswirksame Einnahmen

98,634

-98,634

-

     

Abzuändern

VA-

Aufgaben-

Bezeichnung

Von

Um

Auf

Ansatz

Bereich

 

Millionen Schilling

2/64537

 

Dienststellen der Bundesgebäudeverwaltung (betr.ähnl.Einr.); Bestandswirksame Einnahmen

0,072

-0,072

-

1/64758

 

Sonstige Bundesgebäude; Aufwendungen

1.047,380

+263,090

1.310,470

 

43

 

731,218

+263,090

994,308

           

2. Der Ausgaben- und Einnahmenparagraf 6450 lautet jeweils "Burghauptmannschaft Österreich".

3. Die durch die Änderung bedingten Betragsänderungen sind auch in den in der Anlage I sowie Ia, Ib und Ic enthaltenen Summenbeträgen entsprechend zu berücksichtigen.

Begründung:

Änderungen auf Grund des Bundesimmobiliengesetzes.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte. (Abg. Dr. Rasinger: Ein seltener Gast!)

19.46

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein paar Minuten möchte ich doch dem Herrn Bundesminister widmen. Vorerst möchte ich aber eine Bemerkung zu Herrn Abgeordnetem Trinkl machen.

Herr Abgeordneter Trinkl! Wenn Sie wollen, bekommen Sie noch ein ganzes Packerl Unterlagen. Beschäftigen Sie sich und diskutieren Sie einmal mit den Abgeordneten der Fraktion Christlicher Gewerkschafter des ÖAAB. Außer den paar ÖAAB-Abgeordneten, die hier im Parlament sitzen, gibt es keinen – nennen Sie mir einen! –, der diese Maßnahmen der Bundesregierung befürwortet. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) – Nein, es gibt keinen! (Beifall bei der SPÖ.) Sagen Sie mir einen! Es kommen noch ein paar Beispiele von mir. (Abg. Rosemarie Bauer: Da müssen sie mit euch anders reden als mit uns!)

Nehmen Sie bitte Folgendes zur Kenntnis: Herr Präsident Verzetnitsch hat sich von dieser Fotomontage distanziert. (Abg. Dr. Spindelegger: Wann denn?) Ich persönlich distanziere mich auch von derartigen Vorkommnissen. Etwas Derartiges wird es auch bei der Demonstration des


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ÖGB nicht geben. Aber unser Recht, friedlich zu demonstrieren, werden wir uns nicht nehmen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu Ihnen, Herr Bundesminister: Ich habe in den ersten Debatten, als Sie frisch angelobt waren, die Frage gestellt: Wer wird stärker sein – der Wirtschaftsminister oder der Arbeitsminister in Ihnen?

Ein paar Beispiele: Sie haben die Lohnrunde der Metallarbeiter in Ihrer ersten Beantwortung zitiert. Sie haben festgestellt, der Abschluss in der Höhe von 3,4 Prozent der Ist-Löhne liege an der oberen Latte. Alle Fachleute haben das bestätigt, alle Wirtschaftsjournalisten, die in diesem Land etwas von Wirtschaft verstehen, haben das bestätigt. Das hat sogar Herr Dr. Felderer bestätigt, dem man sicher kein Naheverhältnis zur Gewerkschaft nachsagen kann. Aber der Herr Minister musste natürlich eine Nachbemerkung machen, als er meinte: vielleicht eine Spur darüber. – Er kann es halt nicht lassen! Sein Herz, meine sehr geehrten Damen und Herren, schlägt für die Arbeitgeber.

Er hat mir bereits im Juni via APA, gerichtet an die Gewerkschaft Metall, mitteilen lassen – "Zuckerbrot und Peitsche" nennt man das –, dass er davon überzeugt ist, dass ich – das war an mich persönlich adressiert – mir der Verantwortung für diesen Standort Österreich bewusst bin.

Herr Bundesminister! Ich habe Ihnen von dieser Stelle aus versichert, dass ich mir der Verantwortung bewusst bin. Aber im gleichen Atemzug sei Ihnen auch versichert, dass wir uns noch mehr der Verantwortung, den Lebensstandard der Arbeitnehmer in diesem Lande zu sichern, bewusst sind. Ich halte fest: Trotz eines Herrn Ex-Generalsekretärs Stummvoll, der von der Wirtschaftskammer Österreich freiwillig gegangen ist (Abg. Dr. Stummvoll: Fragen Sie den Leitl!) – natürlich, das weiß ich ohnehin! –, darf ich Ihnen sagen, dass die Sozialpartnerschaft auf unserer Ebene funktioniert.

Wir haben 3,4 Prozent Ist-Lohn-Erhöhung – das wird wahrscheinlich niemand in diesem Land erhalten – ohne Streikdrohung, ohne Urabstimmung, ohne Muskelspiel bekommen. Mittels sachlicher Verhandlung haben wir das relativ rasch erreicht. (Abg. Dr. Stummvoll: Kollektivvertragspartnerschaft!) Ich habe großen Respekt, meine Damen und Herren, vor den Arbeitgebern in der Metallindustrie. Das betone ich von dieser Stelle aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Was soll man denn in der Öffentlichkeit noch mehr an Paradebeispielen dafür bringen, wo Ihr Herz sozusagen hinschlägt? – Jedenfalls: Diese Lobhudelei von Ihnen, Herr Ex-Generalsekretär Stummvoll, spricht ja für sich. (Abg. Dr. Stummvoll: Was denn?) Sie müssen allerdings den Menschen in unserem Lande erklären, wie das alles gehen soll! Sie sagen: Die Wirtschaft jubelt, jubelt und jubelt, welch guter Wirtschaftsminister Dr. Bartenstein ist! Nur: Für die Arbeiter tut er nichts! Und beides zusammen – Wirtschafts- und Arbeitsminister – wird wohl auch nicht gut gehen können. (Abg. Dr. Stummvoll: Weil sie Oppositionspolitik macht! – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. )  – Warten Sie ein bisschen, ich werde auch Sie nicht verschonen, Herr Minister, und Ihnen mitteilen, was Mitglieder Ihrer Partei sagen, so zum Beispiel Dinkhauser, Gajdosik oder Dirnberger. Diese verlangen von Mandataren: "Nein zu Bartenstein-Plänen!" All Ihre Mandatare sollten gegen die Verschlechterung beim Arbeitslosengeld stimmen.

"Man werde die Mandatare in die Pflicht nehmen", heißt es da – hör zu, Spindelegger! (Heiterkeit bei der SPÖ)  –, "gegen Verschlechterungen zu stimmen und den ÖAAB-Mandataren in Erinnerung rufen, dass ihre Loyalität in erster Linie den Arbeitnehmern gehört." – Zitatende.

Zum Thema "Arbeitslosenversicherung" sagte Dirnberger – ich zitiere –: In der Arbeitslosengeldkasse gibt es kein Defizit, sondern Überschüsse. Es besteht kein Bedarf, bei den Arbeitslosen zu sparen.

Und weiters meinte Dirnberger: Da geht es nur ums Abkassieren durch einen Minister, der von seiner inneren Einstellung her noch immer nicht den Sprung vom Lobbyisten der Industrie zum Arbeitsminister geschafft hat. Die ÖAAB-Abgeordneten im Parlament sollten ihm die Antwort geben. – Zitatende. Das sagen bitte ÖVP-Parteimitglieder, nicht ich! (Zwischenrufe bei der


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ÖVP.) Ich weiß, der Dinkhauser gefällt euch von der ÖVP nicht ganz. (Ironische Heiterkeit und neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Weitere Aussendung von Dinkhauser: Neo-liberaler Arbeitsminister soll seine Aufgabe nicht mit der eines Lobbyisten der Industrie verwechseln! – Aber damit lasse ich es jetzt bewenden, Herr Minister Bartenstein. Ich könnte Ihnen selbstverständlich noch eine Reihe weiterer solcher Beispiele bringen.

Herr Minister, ich für mich persönlich sage: Mich haben Sie nicht getäuscht! Und ich teile die Meinung eines Dirnberger, eines Gajdosik, eines Dinkhauser: Sie sind wirklich der Präponent der Arbeitgeber! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz: Sie sollten die Worte richtig verwenden! – Abg. Ing. Westenthaler: Das steht noch in keinem Wörterbuch! Eine neue Wortschöpfung!)

19.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

19.52

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Der Winter steht vor der Tür – das sagen ja derzeit weniger die Temperaturen als der Kalender –, und ich hoffe, dass der Tourismus vor einer guten Wintersaison steht. (Abg. Huber: Soziale Kälte ist angebrochen!)

Es gibt aber noch etwas, was sozusagen auf den bevorstehenden Winter hinweist, und zwar den immer wiederkehrenden Ruf der Tourismuswirtschaft nach zusätzlichen Arbeitskräften für den Wintertourismus. Der Tourismus braucht zusätzliche Arbeitskräfte, keine Frage, und es ist auch kein Geheimnis, dass gerade wir Freiheitlichen für diesen Bereich seit vielen, vielen Jahren immer ein Saisonier-Modell gefordert haben und dass die Vorstellungen von uns Freiheitlichen über die derzeitige Regelung hinausgegangen sind, weil das eben sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber Vorteile geboten hätte.

Es gibt von Herrn Bundesminister Bartenstein eine Saisonier-Verordnung, die seit 10. November 2000 in Kraft ist, wonach 3 570 Saisoniers für Österreich vorgesehen sind; darunter 1 300 für Salzburg und 1 100 für Tirol. Herr Bundesminister Bartenstein und Frau Staatssekretärin Rossmann haben auf ein weiteres Ersuchen der Tourismusbranche reagiert, und so gab es am 16. November eine Festlegung betreffend Zusatzkontingent. Ein entsprechender Entwurf wurde zur Begutachtung ausgesandt, dass eben für Salzburg zusätzlich 300 und für Tirol zusätzlich 400 Arbeitskräfte vorgesehen sind. – So weit, so gut.

Ich verstehe daher nicht ganz, Herr Bundesminister, dass es trotzdem Pressemeldungen, Presseaussendungen gibt, und zwar im speziellen Fall eine Presseaussendung des Obmannes des Wirtschaftsbundes Tirol, und zwar vom 21. November, in der dieser von Ihnen "mehr Flexibilität, mehr Raschheit" in diesem Bereich fordert. – Ich weiß nicht, liegt es am Informationsfluss, liegt es vielleicht daran, dass man da eine gewisse Wähler-Klientel beruhigen will, oder stellt das – und das würde mich wirklich beunruhigen – einen Rückfall zu alten Vorgangsweisen dar, wenn die Wirtschaft immer wieder zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland fordert? – Meine Kollegin Partik-Pablé ist ja heute darauf bereits eingegangen.

Eine solche Vorgangsweise hat ja letzten Endes dazu geführt, dass es in Zeiten der Hochsaison arbeitslose Mitarbeiter in der Tourismusbranche gab und dass selbst in Zeiten der Hochsaison diese Arbeitskräfte die Arbeitslosenentschädigung bis zum letzten Tag ausnutzen konnten. Ich mache da jetzt ganz bewusst keinen Unterschied zwischen in- oder ausländischen Arbeitskräften. Es war jedenfalls so, dass beispielsweise angelernte Maler lieber im Winter drei Monate lang Schifahren gingen, weil der Betrieb, in dem sie gearbeitet haben, zugesperrt hat – und das bitte, obwohl in der Tourismusbranche zum Beispiel immer wieder Hausmeister gesucht werden. Auch bei Liften werden doch stets zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. – Dabei geht es also um die Frage der Zumutbarkeit.

Das ist eine Sache, Herr Bundesminister, die mir immer sehr am Herzen liegt, eine Angelegenheit, um die sich unsere neue Bundesregierung kümmern muss. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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So zum Beispiel wurde es Frauen gegenüber sehr wohl als zumutbar angesehen, nach eineinhalb Jahren Karenz dem Arbeitsmarkt ganztags zur Verfügung zu stehen – andernfalls wurde ihnen das Arbeitslosengeld gestrichen. Es gab etliche solcher Fälle. Daher bin ich froh darüber, dass wir ab 1. Jänner 2002 das Kinderbetreuungsgeld einführen werden, sodass es den Frauen möglich sein wird, wenn sie wollen, zwei Jahre lang zu Hause zu bleiben, ihnen jedoch die Entscheidung freigestellt wird, vielleicht doch früher beziehungsweise nicht gleich voll in den Arbeitsprozess einzusteigen. Nochmals: Wenn die Frauen das wollen.

Es soll aber bitte nicht so sein, Herr Bundesminister – das ist mir ein besonderes Anliegen –, dass bei diesen Frauen bei den Weiterbildungsmaßnahmen gespart wird. Das sage ich jetzt vor allem in Bezug auf jene Frauen, die im Jahre 2001 durch die Streichung des Weiterbildungsgeldes gewissermaßen in ein "Loch" hineinfallen und unter Umständen ihren Arbeitsplatz verlieren.

Ich meine, man sollte unsererseits diese Frist dazu nutzen, verstärkt auf eine Höherqualifizierung dieser Frauen hinzuarbeiten und Fortbildungsmaßnahmen anzupeilen.

Eine Regelung hinsichtlich der Zumutbarkeit sollte diese Bundesregierung auch in einem anderen Bereich angehen, war es doch bisher so, dass es Arbeitslosen gegenüber als nicht zumutbar erachtet wurde, eine schlechter qualifizierte Arbeit anzunehmen, weil sie sich dadurch Nachteile eingehandelt hätten. – Ich hoffe jedenfalls, dass sich die derzeitige positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt fortsetzen wird. Und dann, Herr Bundesminister, wird es ein Gebot der Stunde sein, noch bestehende Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt besser – jedenfalls besser, als das bisher der Fall war – zu nützen, gerade eben in Zeiten der Hochsaison. Das wird dann der Tourismuswirtschaft insgesamt – und selbstverständlich auch dem österreichischen Steuerzahler – zugute kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

19.58

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hohes Haus! Aus Aktualitätsgründen, sehr geehrte Frau Abgeordnete Haller, möchte ich Bezug nehmen auf die von Ihnen zuvor gemachten Bemerkungen hinsichtlich der Saisonier-Verordnungen. Ursprünglich habe ich, nach Rücksprache mit den begutachtenden Stellen und auch auf Grund der Vorschläge des AMS, 3 570 solcher Saisoniers bewilligt, und zwar schon – das stellt ein Abgehen von der im Vorjahr geübten Praxis dar – mit Anfang November.

Da man für diese Wintertourismus-Saison – zumindest vor dem traurigen Ereignis in Kaprun und wohl auch, weil man noch nicht wusste, dass der Winter heuer bei uns etwas später Einzug halten wird – sehr große Erwartungen hatte, meinte man vor allem in Tirol und Salzburg, mit der bisherigen Zahl an Arbeitskräften nicht das Auslangen finden zu können.

Da geht es wirklich nicht um Lobbyisten, und es geht es auch nicht um einseitige Interessen von Hoteliers auf der einen oder um solche der Tourismus-Gewerkschafter auf der anderen Seite. Meiner Ansicht nach gibt es dazu eine sehr ausgewogene Expertise einer Landesgeschäftsstelle des AMS. Diese ist übrigens sozialpartnerschaftlich besetzt und ist daher, wie ich meine, über jeden Zweifel erhaben. Und auf Basis deren Vorschläge sowie auf Basis der Empfehlungen meiner hiefür zuständigen Sektion habe ich heute eine so genannte Nachtragsverordnung erlassen, mit der 2 160 weitere Saisoniers bewilligt werden; dies im Übrigen im Einvernehmen mit Frau Tourismus-Staatssekretärin Mares Rossmann. Jedenfalls hoffe ich, dass jetzt auch in Bezug auf verschiedenste Notwendigkeiten betreffend Schi-WM in St. Anton das Auslangen gefunden werden kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gilt das aber jetzt nicht nur für Salzburg oder Tirol, sondern auch für die meisten anderen Bundesländer – es ist mir durchaus bewusst, dass Saisoniers inländische, österreichische Arbeitskräfte nicht verdrängen sollen; das ist nicht nur nicht das Ziel, sondern das soll vermieden werden –: Dabei geht es doch bitte darum, Tourismusbetrieben rasch dringend be


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nötigte Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, um so quasi durch die Saison zu kommen. Das haben wir heute in einem zweiten Schritt zu tun versucht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Plank. – Bitte.

20.01

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich beginne meine Ausführungen sozusagen mit einer "inoffiziellen" tatsächlichen Berichtigung:

Herr Kollege Gaugg, Herr Kollege Dolinschek und Frau Staatssekretärin Rossmann haben hier vor kurzem behauptet, die SPÖ hätte keine Behindertenpolitik betrieben.

Ich stelle richtig: Die SPÖ hat sehr wohl Behindertenpolitik betrieben, und in diesem Zusammenhang nur einige Stichworte: Behinderteneinstellungsgesetz, Einführung des Pflegegeldes – ein sozialpolitischer Meilenstein –, begünstigte Versicherung für Pflegende, Arbeitsassistenz, Behindertenbeirat. Dies, um wirklich nur einige wenige Beispiele anzuführen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe des Abg. Neudeck. )  – Darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Gerade vor dem Hintergrund dieser Bemerkungen frage ich mich: Was will diese Bundesregierung? Was wollen die Mitglieder dieser Bundesregierung, wenn sie Arbeitsmarktpolitik betreiben? Was will diese Bundesregierung im Besonderen, wenn sie verspricht – oder soll ich sagen: wenn sie droht?  –, Behindertenpolitik zu betreiben, wenn sie verspricht, mehr Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsprozess zu bringen, wenn sie nämlich gleichzeitig – in Beantwortung einer Anfrage – von Menschen "mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt" spricht! Ich wiederhole: "Menschen mit besonderen Schwierigkeiten"! Wer hat denn da bitte Schwierigkeiten – und wer macht sie diesen Menschen?

Geht es nicht um Menschen mit besonderen Bedürfnissen? Auf diese Bedürfnisse wird jedoch nicht beziehungsweise zu wenig Rücksicht genommen. Wer ist verantwortlich dafür, dass Rücksicht genommen wird? Wer muss diesen Menschen Antwort geben? – Das liegt im Verantwortungsbereich einer Bundesregierung! Das (in Richtung Regierungsbank) ist Ihre Verantwortung! Sie müssen Maßnahmen setzen, damit gerade diese Menschen nicht so viele Schwierigkeiten vorfinden. So sollten Sie zum Beispiel Arbeitgeber, Unternehmer in die Pflicht nehmen, damit diese ihrer Pflicht betreffend Einstellung von Behinderten auch tatsächlich nachkommen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es gibt ein Behinderteneinstellungsgesetz, und dieses hat sich bewährt. Aber jener Kollege, der das kritisiert hat, will das jetzt nicht hören. Die Antwort aus dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen – ich zitiere – lautet: Das Behinderteneinstellungsgesetz hat sich insgesamt bislang durchaus bewährt. – Zitatende. Das kann man doch wohl als Zustimmung zu diesem Gesetz sehen; da werden Sie mir Recht geben müssen.

Weiter heißt es hier aber auch: Vor dem Hintergrund sich ändernder Rahmenbedingungen erscheint es angezeigt, die Weiterentwicklung im Rahmen eines Arbeitskreises zu diskutieren. – Zitatende.

Die Bedingungen haben sich nicht geändert, die Bedingungen sind immer noch die gleichen: Die Menschen sind behindert, und sie möchten arbeiten. – Doch was heißt bitte "Weiterentwicklung" des Einstellungsgesetzes?

In seiner Beantwortung spricht Herr Minister Haupt davon, dass der Kündigungsschutz zu diskutieren sei. – Das kann ja nur heißen, dieser solle aufgeweicht werden, um Ihre Klientel zu schützen, damit Unternehmer behinderte Menschen leichter wieder loswerden können.


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Sie reden auch von den Ausgleichstaxen. – Die Mittel im ATF, so Ihre Anfragebeantwortung, stagnieren bei 760 Millionen Schilling. – Das ist zu wenig für ernst gemeinte Behindertenpolitik, das wissen auch Sie, und darum holen Sie sich ja auch Geld für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. 2 Milliarden Schilling holen Sie sich. Aber von wem? – Von behinderten Menschen, wie zum Beispiel von einem Menschen, dessen wesentliche Daten seines Schicksals ich Ihnen jetzt kurz aufzeigen möchte:

Arbeitsunfall mit 33 Jahren, 14 Monate Krankenhausaufenthalt, mit Rehab-Aufenthalten insgesamt vier Jahre. 30 Operationen, vier Jahre Rollstuhl, jetzt fallweise Streckenbewältigung auf zwei Krücken, ständig starke Schmerzen, ständig medikamentöse Behandlung, schwere psychische Schäden in dieser Zeit. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wollen Sie das nicht glauben? Zweifeln Sie an den Aussagen dieses Unfallrentners? (Abg. Großruck: Das, was Sie sagen, glaube ich nicht!)

Von diesem behinderten Menschen holen Sie sich das Geld, und der Klub ... (Abg. Großruck: Das ist ein Wahnsinn!) Ja, das finde ich auch: Ihre Politik!

Klubobmann Westenthaler stellt sich hier her und sagt, 1 Milliarde Schilling mehr wird für Behinderte ausgegeben. Aber wissen Sie, wie das finanziert wird? – 2 Milliarden Schilling nehmen Sie behinderten Menschen weg, und davon geben Sie ihnen 1 Milliarde Schilling sozusagen als Almosen wieder zurück. (Abg. Großruck: Reden Sie nicht so einen Stumpfsinn!)

Das ist eine Politik des Täuschens und Tarnens, aber keine echte Politik. Das ist Zynismus pur, Herr Kollege – und keine echte Politik für Behinderte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Von Stiftungs-Milliardären nehmen Sie 0,33 Prozent, von Unfallrentnern aber 33 Prozent, also das Hundertfache!

Der Gipfel des Zynismus wird mit folgender Maßnahme erreicht: Die Bundesregierung nimmt den Behinderten Geld weg und fordert dann von diesen, in einem Arbeitskreis mitzudiskutieren, was sozusagen mit diesem "Beutegut" geschehen soll. – Das ist Ihre Arbeitsmarktpolitik für behinderte Menschen! Die Behinderten finanzieren sich selbst ihre Arbeitsplätze!

Wir Sozialdemokraten hätten andere Antworten: Der ATF muss nicht stagnieren! Nehmen Sie die Unternehmer in die Pflicht – noch immer kaufen sich diesbezüglich viel zu viele frei. Erhöhen Sie die Zahlungen in den ATF auf einen angemessenen Betrag! Schon mit einer Erhöhung auf etwa 8 000 S müssten Sie Behinderten nicht Geld wegnehmen, sondern könnten den Behinderten wirklich helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. – Bitte.

20.07

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es drängt mich geradezu, auf Ausführungen einiger meiner Vorredner Bezug zu nehmen.

Frau Kollegin Plank, Sie haben hier das Schicksal eines Behinderten aufgezeigt, haben aber nicht dazugesagt, was mit diesem Behinderten ist. Sie haben also offensichtlich "vergessen", uns sein Schicksal weiterzuschildern. (Abg. Mag. Plank: Die Unfallrente wurde ihm weggenommen!)

Ich kann Ihnen jetzt sagen: Es müsste in den nächsten Tagen, wenn er nicht schon heute da ist, ein Brief von einem Behinderten einlangen, der uns schon mehrmals gebeten hat, diesen Kündigungsschutz aufzuweichen, damit er endlich eine Beschäftigung bekommt (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), weil er arbeiten will und arbeiten kann und er das als Schikane


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betrachtet. Jedenfalls klagt er das AMS an, dass ihm dieses keine Arbeit vermittelt beziehungsweise ihn niemand nimmt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Um auf die Ausführungen von Kollegen Edler zu sprechen zu kommen: Ich habe mich geradezu "gefürchtet", als er uns da so gedroht hat: Bei den nächsten Wahlen werdet ihr schon die "Watschen", die Rechnung für eure Politik bekommen!

In der Steiermark haben Sie von der SPÖ so viel Böses über diese Bundesregierung gesagt, haben Sie uns die "rote Karte" gezeigt – und die Bevölkerung hat doch in Wirklichkeit bereits über die Politik dieser Bundesregierung abgestimmt. Siehe eben Ergebnis der Landtagswahlen in der Steiermark!

Ob mit schriller Stimme oder ob gemäßigt, wie sich das heute bei Herrn Nürnberger angehört hat: Immer wieder haben Sie von der linken Seite dieses Hauses heute versichert, dass die Gewerkschaft friedlich demonstrieren und es eine friedliche Menschenkette geben wird.

Frau Kollegin Mikl-Leitner hat gestern mit einer Jugendgruppe diskutiert. Darunter war eine Studentin von der Sozialakademie, und diese hat Kollegin Mikl-Leitner erzählt, dass dort die Schüler von den Lehrern aufgefordert wurden, Torten zu backen oder welche zu kaufen und diese am 5. Dezember auf Polizisten beziehungsweise Politiker zu werfen. – Das ist Ihre "friedliche Demonstration", meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Steibl: Bravo! Das ist ein Wahnsinn!)

Abgesehen davon, dass ich es verabscheue, mit Lebensmitteln herumzuzwerfen, ist diese ach so "friedliche Demonstration" wieder einmal als Lüge enttarnt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Die heutige Diskussion, ebenso die gesamte Diskussion über das Budget, könnte bei Ihnen unter dem Motto stehen: Lasst mir meine Vorurteile, verwirrt mich nicht durch Tatsachen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Für besonders wichtig erachte ich es, auf jene Punkte hinzuweisen, die eine wesentliche Verbesserung im Bereich des Arbeitslosenversicherungsgesetzes darstellen, wobei Sie von der SPÖ da ja immer nur die Hälfte erzählen.

Eine der wichtigsten Verbesserungen für die Betroffenen ist der Wegfall der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Zuerkennung der Familienzuschläge. (Abg. Dr. Spindelegger: Wo ist denn Nürnberger?) Bislang war es so, dass jede Frau, deren Mann mehr als 14 663 S netto verdient hat, keinen Kinderzuschlag erhalten hat, jetzt erhält sie ihn und erhält damit pro Kind um 400 S mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das habe ich noch nie von Ihnen gehört, auch letztes Mal nicht bei der Debatte zum Budgetbegleitgesetz. Das ist für Sie unangenehm, weil es etwas Positives ist. Bei diesem Punkt hätte ich mir aber schon erwartet, dass Sie darauf hinweisen, denn eine Ihrer größten Forderungen ist doch der Wegfall des Partnereinkommens bei der Berechnungen von Transferleistungen. Da sind Sie also der Regierung etwas schuldig geblieben, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der nächste Punkt wäre die Sicherstellung, dass bei niedrigen Einkommen, nämlich jenen, die unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz von 8 312 S liegen, das Arbeitslosengeld mindestens 60 Prozent beträgt – bislang 54,9 Prozent – und sich bei Arbeitslosen in den vergleichbaren Einkommensklassen mit Kindern dieses Arbeitslosengeld in Zukunft bis auf 80 Prozent erhöht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was zeugt hierbei von sozialer Kälte? Dies wurde von Ihnen noch nie erwähnt; das ist der zweite Teil jener Wahrheit, die Sie immer bringen wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Steibl: Das verstehen die nicht!)

Die Vereinheitlichung des Familienzuschlags für Arbeitslose und Pensionisten auf nunmehr 400 S haben Sie auch immer kritisiert, denn Sie haben immer nur von jenen gesprochen, die weniger bekommen, aber Sie haben nicht von jenen gesprochen, die jetzt mehr bekommen.


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Immerhin betrifft das 60 000 Pensionisten, darunter 38 000 Invalide, die davon profitieren, und das sind Bezieher niedriger Einkommen, darunter viele Frauen. Auch das ist ein Teil der Wahrheit, der Ihnen offensichtlich nicht passt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insbesondere Herr Minister! (Die Rednerin wendet sich zur Regierungsbank.)  – Der Herr Bundesminister ist nicht mehr da. Liebe Frau Staatssekretärin, ich würde Sie bitten, meinen Wunsch weiterzuleiten, und zwar den Wunsch, dass man sich im Bereich des AMS, das jetzt zu Bundesminister Bartenstein ressortiert, die Frauenberatungsstellen besser anschaut, sich anschaut, ob die Förderungen ausreichend sind, dass man aber auch ein Controlling einführt, sodass man hier auch eine effiziente Handhabe hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Ich sage Ihnen auch warum. Beim Familienhearing, bei der Enquete, beim Expertengespräch hat nämlich Frau Mag. Moritz aus der Arbeiterkammer Wien behauptet, es gäbe österreichweit keine Beratungsstelle für den Wiedereinstieg. Ich habe mich gewundert und da nachgehakt, und sie hat sich dann offensichtlich korrigiert und gemeint, es gäbe keine Beratung für Frauen bezüglich Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie für Wiedereinstieg. Ich habe dafür einige Ohrenzeugen. (Abg. Steibl: Genau!)

Ich war zutiefst erstaunt, weil gerade in diese Frauenberatungsstellen, in diese Frauenvereine viele Mittel fließen. Da frage ich mich: Was tun die? Ich habe eine Verantwortung, und ich höre das auch immer wieder aus meinem eigenen Wahlkreis. Ich werde immer gefragt: Was tun die denn? Die vor Ort wissen das offenbar auch nicht, und dabei habe ich eigentlich immer gedacht, die wären dazu da, um den Frauen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Da es das AMS, also das Arbeitsamt, und AMS-Kosten sind, habe ich gemeint, es gehe hierbei um Beratung bezüglich Wiedereinstieg, es handle sich also um echte Hilfe. Das muss ich jetzt hinterfragen. Wie gesagt, Frau Mag. Moritz aus der Arbeiterkammer Wien hat mich da sehr unsicher gemacht, und ich würde daher bitten, diesen Bereich zu überprüfen. All jene, die gute Arbeit leisten, haben es nicht nötig, sich Vorwürfe gefallen lassen zu müssen. Ich denke, hier müsste man den Finger drauflegen und sich das auch wirklich genau anschauen, denn es ist Steuergeld, das da verwendet wird, und wir haben ein Anrecht auf Effizienz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte.

20.14

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! – Herr Präsident, ich war eigentlich sehr unangenehm berührt, dass es keinen Ordnungsruf gab, als ein Mann, ein Abgeordneter eine weibliche Abgeordnete der "Keiferei" bezichtigte. Wegen anderer Dinge werden Ordnungsrufe gegeben, Frauen kann man offensichtlich der Keiferei bezichtigen, und das ist keinen Ordnungsruf wert! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Freund: Na geh! – Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Es ist durchaus möglich und auch richtig, wenn Fraktionen keine Zustimmung zu einem Antrag geben wollen. Das muss man nicht einmal erklären. Nur: Dass man eine Opposition immer der Fundamentalopposition bezichtigt, wenn sie den Regierungsvorlagen nicht zustimmt, das ist für mich nicht mehr erklärbar. Wieso dürfen die einen schon und die anderen nicht? Oder sind Sie wirklich von Ihrer Überwertigkeit so überzeugt? Sie haben Recht, man soll auch keine Torten werfen, aber noch ärger war es, als echte Gewehrkugeln auf Menschen geworfen wurden beziehungsweise geschossen wurden und die Menschen daran starben.

Aber nun zu meinem eigentlichen Thema: Der Bundeskanzler erklärte, dass das Pensionsalter wegen der höheren Lebenserwartung weiter angehoben werden soll. Viele Menschen sind aber bedingt durch ihren Gesundheitszustand nicht mehr in der Lage, zu arbeiten, und auch auf dem Arbeitsmarkt nicht gefragt. Aus diesem Grund ist der Einsatz der Arbeitsmedizin besonders wichtig, um arbeitsbedingte Erkrankungen, Berufserkrankungen und das Burn-out-Syndrom zu verhindern. Die Zunahme von Pensionierungen wegen psychischer Probleme ist in den letzten


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Jahren auffällig gestiegen. Daher muss es eine wirksame Prävention und einen effizienten Arbeitnehmerschutz geben. (Abg. Großruck: Wer war denn in den letzten Jahren an der Regierung?)

Herr Großruck! Sie haben Medizin nicht fertig studiert, sonst würden Sie es vielleicht auch verstehen! (Abg. Großruck: Ich frage: Wer hat in den letzten Jahren den Bundeskanzler gestellt?)

Fühlt sich ein Betrieb durch den Arbeitnehmerschutz belastet, soll er vermindert werden. Die Wirtschaftskammer will den Arbeitnehmerschutz zerstören und die Menschen auch mehr ausbeuten. Schon 15-Jährige dürfen jetzt im Gastgewerbe bis 23 Uhr arbeiten. Haben Sie evaluiert, wie Nachtarbeit sich auf Jugendliche auswirkt? Nicht evaluierbar sind derzeit Langzeitwirkungen. Sorgen Sie dafür, dass auch das arbeitsmedizinisch untersucht wird, und veranlassen Sie Studien darüber, wie psychischer Druck, Akkordarbeit und lange Tagesarbeitszeit sich auswirken.

Sie wollen Kinder als Pensionszahler. Aber wie sollen Mütter die lange Tagesarbeitszeit und die Obsorge für ihre Kinder angesichts der kürzeren Kindergartenöffnungszeiten vereinen? Sicherheit und Gesundheitsschutz sollen nur mehr gelten, wenn es sich der Arbeitgeber leisten kann. Strafbar ist der Unternehmer nur unter Abwägung des Gesamtverhaltens. Damit wird der Arbeitnehmerschutz aufgehoben. Ebenso sollen Einsatzzeiten von Arbeitsmedizinern und Sicherheitstechnikern drastisch reduziert werden. Das gefährdet die Menschen! Der arbeitende Mensch verkommt jetzt zur Soyfer’schen Ausschussware, wie er es einst so treffend beschrieben hat.

Die Maximierung des Gewinnes Einzelner scheint Ihnen mehr wert zu sein als Gesundheit und Sicherheit vieler. Doch was ist der effiziente Arbeitnehmerschutz? – Ist es jener, der wirtschaftliche Gewinne maximiert und für den Dienstgeber gerade noch tolerabel ist – diesen Montag gab es wieder einen grässlichen Arbeitsunfall! –, oder denken Sie daran, dass Menschen auch ein bisschen leben wollen, nicht nur arbeiten, bis sie geschädigt, mit finanziellen Abschlägen oder auch tot aus dem Arbeitsprozess herausfallen?

Die Einsatzzeiten von Arbeitsmedizinern und Sicherheitstechnikern zu kürzen, ist gefährlich. Alle Arbeitsinspektionsberichte zeigen tödliche Unfälle und tödliche Erkrankungen auf, die Menschen vor allem dort treffen, wo Arbeitnehmerschutz nicht optimal eingehalten wurde. Die ausgezeichnete Arbeitsinspektion ist weiter aufzubauen.

Neben der Kontrolle gefährlicher Betriebe wünsche ich mir verstärkte Kontrollen hinsichtlich des Arbeitszeitgesetzes in den Spitälern. Viele KollegInnen klagen, dass das Arbeitszeitgesetz unterlaufen wird. Das ist gefährlich für PatientInnen und ÄrztInnen, wie wir an Behandlungsfehlern und erhöhten Selbstmordraten sehen.

Auch Alkohol ist ein Arbeitsplatzproblem. Setzen Sie sich dafür ein, dass an allen Arbeitsplätzen alkoholfreie Getränke ausgeschenkt werden. Zwecks Vorbildwirkung sollte auch im Parlament nur Alkoholfreies gereicht werden, denn gestern Abend dürfte der Alkoholpegel schon sehr hoch gewesen sein, wie man an der aufgeheizten Stimmung merkte! Alkoholfreie Parlamentarier haben Vorbildwirkung, alkoholfreie Arbeitsplätze verhindern Arbeitsunfälle. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Zellot: Das ist eine Zumutung!)

Besuche der Arbeitsinspektion anzukündigen, ist kontraproduktiv. Es wird dann der Arbeitsinspektor zufrieden gestellt, obwohl manches im Argen liegt. Wenn Wirtschaft und Arbeitnehmerschutz gemeinsam besorgt werden, dann ist die Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer, die in der schwächeren Position sind, zu wahren. Wir dulden nicht, dass die Gesundheit von ArbeitnehmerInnen im Interesse der Wirtschaft aufs Spiel gesetzt wird und dadurch die Menschen in Krankheit, Invalidität und Tod gedrängt werden. Die nächsten Arbeitsinspektionsberichte werden diese Folgen aufzeigen! (Beifall bei der SPÖ. – Ironischer Beifall des Abg. Großruck. )


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20.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brugger. – Bitte.

20.20

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Zur heutigen Debatte über Arbeit und Wirtschaft möchte ich vor allem als Arbeitnehmer sprechen und hierbei wiederum insbesondere über den viel diskutierten Facharbeiterbereich. Unbestrittenes Faktum ist, dass auf diesem Sektor ein nicht mehr übersehbarer Nachholbedarf besteht. Aber warum ist eine derartig eklatante Situation überhaupt entstanden?

Ich persönlich sehe die Ursache in einer Berufs- und Ausbildungspolitik, die am Markt vorbei agiert hat. Zu Beginn der siebziger Jahre hat eine Entwicklung eingesetzt, die sich in zwei Richtungen zu bewegen begann. Erstens setzte ein Studienboom ein, was damals durchaus zu begrüßen war. Auch ich habe in den siebziger Jahren studiert. Zweitens hat sich der Arbeitsmarkt speziell in den letzten 15 Jahren sehr stark verändert. Daraus resultierte eine scherenartige Entwicklung, die uns heute vor das Problem stellt, dass wir auf der einen Seite einen sehr hohen Anteil an Akademikern haben, was zweifelsohne sehr richtig und wichtig ist, und auf der anderen Seite einen sehr hohen Anteil an Arbeitern und Hilfskräften. Dadurch ist der Facharbeiterbestand sehr stark zurückgegangen. Was uns jetzt fehlt, sind hoch qualifizierte Facharbeiter, Techniker und Spezialisten, zum Beispiel in den Bereichen Maschinenbau, Stahlbau, Umwelttechnik, Gastronomie und natürlich im Spitzenbereich EDV und IT.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Das ist ein Versäumnis, das auch in Ihre 30-jährige Regierungszeit fällt. Was ich Ihnen vorwerfe und kritisiere, ist, dass Sie angesichts dieser Entwicklung nichts unternommen haben, um dem heute mehr als großen Problem entgegenzusteuern. Sie haben als Arbeitnehmervertreterpartei etwas zielstrebig betrieben, nämlich eine Schuldenpolitik der Extraklasse. Sie kennen die Zahlen: 2 200 Milliarden Schilling Gesamtverschuldung, 100 Milliarden Schilling Zinsen pro Jahr, 140 Millionen Schilling pro Tag und so weiter.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! So kann eine Arbeits- und Wirtschaftspolitik nicht gemacht werden. Diese neue Regierung dagegen hat bereits innerhalb kürzester Zeit die Weichen in die richtige Richtung gestellt, nämlich nach sozialen und wirtschaftlichen Aspekten. Beispiel: Kindergeld ab 1.1.2000, rascher Abbau der Altlasten und Erreichen eines ausgeglichenen Budgets, Investitionen für die Zukunft, beinahe Vollbeschäftigung, geringste Jugendarbeitslosigkeit, was sehr erfreulich ist, Altersarbeitslosigkeit reduziert um über 20 Prozent, im Jahr 2001 5,5 Milliarden Schilling für die Pensionisten, 15 Milliarden Schilling Lohnnebenkosten bis zum Jahr 2003 zur Verfügung gestellt, 10 Milliarden Schilling für Technologie und Forschung. Das ist die Antwort auf 30 Jahre Sozialdemokratie an der Regierung, die zeigt, wie man erfolgreich und effektiv eine Kursänderung jenes roten Arbeits- und Wirtschaftsflaggschiffes vornimmt, damit es nicht auf Grund läuft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Zum Abschluss möchte ich Ihnen ein altes Tiroler Sprichwort nahe legen: Sparen fängt man beim Deckel an, was bedeutet, wenn man von einem Vorratsbehälter den Deckel abnimmt und auf den Boden sehen kann, dann ist es zu spät. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Minister Bartenstein und vor allem der Regierung kann ich zu diesem mutigen und beleibe nicht einfachen Schritt nur gratulieren. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Dobnigg ist der nächste Redner. – Bitte.

20.24

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem in diesen Tagen hier im Hohen Haus diskutierten Budget hat diese Bundesregierung einmal mehr bewiesen, welch grundlegend falsche Budget-, Sozial-, Verteilungs- und Gesellschaftspolitik sie betreibt. (Abg. Großruck: Jawohl!) Sie von ÖVP und FPÖ haben zum wiederholten Male Ihr Gesicht der sozialen Kälte gezeigt. Jetzt können Sie auch "jawohl" schreien. (Beifall bei der SPÖ.)


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Diese falsche Politik erschüttert den in den letzten Jahrzehnten aufgebauten Sozialstaat Österreich in seinen Grundfesten. (Abg. Großruck: Wer sagt das?) Darüber hinaus übersieht diese Koalitionsregierung völlig, dass wichtige Investitionen in den Standort Österreich, in Forschung und Entwicklung durch eine derartige Budgetpolitik verunmöglicht werden. Die bereits beschlossenen und noch geplanten Gesetzesänderungen sind in einer Weise gestaltet, dass die Interessen der Solidargemeinschaft nachteilig berührt werden. (Abg. Großruck: Selber denken, nicht Bus lenken!)

Die Grundsätze der Rechtsordnung werden in vielen Punkten missachtet und die Rechte zur Stellungnahme und die Verhandlungsmöglichkeiten der Sozialpartner bewusst untergraben. Ein Skandal ist es beispielsweise, wenn der Bundesarbeitskammer, der nach dem Gesetz Mitwirkungsrechte am Zustandekommen von Gesetzentwürfen zukommen, eine Stellungnahmefrist von gerade vier Tagen zugestanden wird. Ich behaupte, dass dies ein weiteres typisches Beispiel für den fortlaufenden inakzeptablen Umgang dieser Koalitionsregierung mit den Arbeitnehmervertretern und den Sozialpartnern ist. Sie von ÖVP und FPÖ wollen die Sozialpartnerschaft zerschlagen. Wir Sozialdemokraten werden dies aber mit allen demokratischen Mitteln zu verhindern wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine der zahlreichen sozialpolitisch unausgewogenen Maßnahmen im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2001 ist die Änderung des Sonderunterstützungsgesetzes für Bergarbeiter. Hier wird in bestehende Sozialpläne, denen im Vertrauen auf die nunmehr aufgehobene Übergangsbestimmung von den Arbeitnehmern zugestimmt wurde, eingegriffen. Das bedeutet den Bruch des Vertrauensgrundsatzes – etwas, was diese Bundesregierung auch in vielen anderen Bereichen bereits vielfach und schamlos betrieben hat.

Bisher konnten auf Grund der geltenden Übergangsbestimmungen zur Aufhebung der Sonderunterstützung im Rahmen der vor dem Stichtag getroffenen Betriebsvereinbarungen noch weitere Anträge auf Zuerkennung der Sonderunterstützung eingebracht werden. Durch die nunmehr vorgesehene Änderung wird dies nur noch bis 31. Dezember möglich sein. Das bedeutet, dass dadurch soziale Härten und neben dem Arbeitsplatzverlust auch noch weitere Einkommensverluste von den Arbeitnehmern hingenommen werden müssen – dies von Personen, welche unter schwierigsten Bedingungen und auf Kosten ihrer Gesundheit ihren Lebensunterhalt verdienen müssen beziehungsweise mussten.

Die Lasten der wirtschaftlichen Rationalisierungsmaßnahmen der Unternehmen werden dadurch noch stärker und einseitiger, als dies ohnehin bereits der Fall ist, auf die betroffenen Arbeitnehmer überwälzt. Es zeigt sich einmal mehr, wie wenig Schwarz-Blau die Probleme und Sorgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer interessieren. Da werden Unterstützungsmaßnahmen kurzfristig abgedreht, während etwa für Bundesbeamte Sozialpläne – Stichwort Pension ab 55 – ausgehandelt werden.

Tausende Beamte sollen ebenfalls aus dem falschen Spargedanken dieser Regierung heraus abgebaut werden. Was ist das Gemeinsame dieser Vorgangsweise mit jener gegenüber den Bergarbeitern? – Sie von dieser Regierung haben in den letzten Monaten und Tagen immer wieder versucht, eine Berufsgruppe gegen die andere auszuspielen. (Abg. Mag. Schweitzer: Wer schreibt dir das zusammen?) Auch bei den geplanten Änderungen zum Nachtschwerarbeitsgesetz zeigt sich sehr deutlich der Grundsatz Ihrer rechtskonservativen Politik der Grauslichkeiten: Die Unternehmer werden großzügig entlastet, während die Arbeitnehmer in allen Bereichen geschröpft werden. (Zwischenruf des Abg. Großruck.  – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Wieweit Sie sich mit Ihrer Politik bereits von den Anliegen und Sorgen der arbeitenden Menschen entfernt haben, zeigt sich ebenso anhand der im Zuge der Privatisierung des Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds geplanten Schließung von IESG-Standorten. So ist etwa geplant, den Standort Leoben zu schließen, obwohl gewichtige Faktoren für die Aufrechterhaltung dieser Abteilung sprechen, wie etwa hoher Erledigungswert, kurze Verfahrensdauer, Bürgernähe und vieles andere mehr. Betroffene Arbeitnehmer werden nach Schließung des Standortes Leoben künftig neben Arbeitsplatzproblemen und finanziellen Problemen auch noch eine unzumutbar


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weite Anreise bis zur nächsten Dienststelle auf sich nehmen müssen, beispielsweise von einem Ende der Steiermark, zum Beispiel Schladming, bis nach Graz. Auch da gilt wieder Ihr Motto: Im Zweifel für die Wirtschaft. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind Ihnen völlig gleichgültig.

Werte Damen und Herren! Diese Regierungsparteien haben den Wählerinnen und Wählern vor der Nationalratswahl viel versprochen und alles gebrochen. Sie belasten die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher, haben alle über den Tisch gezogen und möchten diese Reibung noch als Nestwärme verkaufen.

Daher fordere ich die beiden Regierungsparteien auf: Verabschieden Sie sich von Ihrer arbeitnehmerfeindlichen Politik – zum Wohle der arbeitenden Menschen in diesem Lande! (Beifall bei der SPÖ.)

20.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Schultes ist der nächste Redner. – Bitte.

20.30

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass das Arbeitsinspektorat offensichtlich schon sehr lange nicht in diesem Haus war, weder in Begleitung eines Arbeiterkämmerers noch ohne Begleitung. Zumindest wurden die Sessel in der letzten Reihe nicht inspiziert, denn die sind wirklich mies. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber.  – Abg. Mag. Schweitzer: Da vorn sind sie auch nicht besser!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute über Arbeit und Wirtschaft. Wir reden darüber, wie es in Österreich sein kann und sein soll; wir reden nicht darüber, wie es ist. Ich gebe zu, dass wir von der ÖVP – und vielleicht auch die Kollegen von den Freiheitlichen – die Erfolge besonders gerne hervorstreichen, aber, meine Damen und Herren von der Opposition, so, wie Sie Österreich darstellen, sind wir nicht einmal dann, wenn ausländische Zeitungen über uns schreiben, die uns nicht wollen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hornegger. )

Meine Damen und Herren! Wir haben in Österreich Wirtschaftsdaten, um die uns sehr viele Länder der Welt beneiden. Wir haben bei uns in Österreich im letzten Jahr eine Exportsteigerung von mehr als 7,5 Prozent – trotz der Sanktionen, von denen Sie sehr genau wissen, wie sie zustande gekommen sind! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben bei uns in Österreich eine Lehrlingsentwicklung, um die uns viele Staaten beneiden. Niederösterreich ist das Land mit der geringsten Jugendarbeitslosigkeit von ganz Europa. Wir haben bei uns in Österreich viele Betriebe, die Arbeitskräfte suchen, weil unsere Wirtschaft dynamisch ist, weil sie in Umgestaltung ist und weil unsere Menschen – unsere Selbständigen, unsere Gewerbetreibenden, unsere Bauern und unsere Arbeitnehmer – etwas leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir führen hier heute eine Wirtschaftsdebatte, und wir haben einige Kollegen im Haus, die etwas davon verstehen. Wir haben auch Kolleginnen im Haus, die etwas davon verstehen. Ich hoffe, dass auch bei der Opposition die anwesenden Herrschaften – ich freue mich ganz besonders, dass Herr Pirklhuber anwesend ist (Abg. Großruck: Nein, nicht mehr!); o ja, er hat sich extra nach vorn gesetzt (Abg. Großruck: Ach, da ist er!)  – etwas von Politik verstehen. Das weiß ich; dass Sie von Wirtschaft etwas verstehen, das hoffe ich. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Aber eines ist sicher: Wenn es wirklich so ist, dann wissen Sie auch, dass wir in der Welt des Euro leben.

Die Welt des Euro ist eine andere Welt, als Sie sie gewohnt waren, als Sie 30 Jahre lang in Österreich das Sagen hatten. Die Welt des Euro ist eine Welt, in der es um Effizienz und Vergleichbarkeit geht. (Abg. Großruck: Gusenbauer lebt noch in der Welt des Rubel!) Das ist eine Welt, in der wir das alte Instrument der sozialdemokratischen Politik, nämlich die Inflation,


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nicht mehr spielen können. Das ist eine Welt, in der durch Umgestaltung, Entwicklung, Mut und Zuversicht das Land weiterentwickelt werden kann. (Abg. Edler: Das ist ungeheurer Unsinn! So ein Unsinn!)

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie deshalb: Arbeiten Sie mit und tragen Sie dazu bei, den Menschen Mut zu machen, und hören Sie endlich damit auf, Ihre möglicherweise vorhandenen persönlichen Probleme in diesem Haus auszuleben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir leben in einem Land, das 100 Milliarden Schilling an Zinsen zu zahlen hat – und Sie sagen, das sei gut so, Sie sagen, es soll noch mehr werden. (Abg. Heinzl: Wer sagt das?) Meine Damen und Herren! Das ist wirklich etwas ganz Besonderes. Sie wollen nämlich, dass die Schulden mehr werden. (Abg. Mag. Plank: Zitieren!) Sie wollen, dass die Zinsen mehr werden. Ihre Pressedienste lesen Sie hoffentlich selbst, damit Sie endlich erfahren, was Ihr Vorsitzender Ihnen zu sagen hat. (Abg. Faul: Wer hat Ihnen so einen Blödsinn aufgeschrieben?)

Meine Damen und Herren! Wirtschaften heißt, für das Land zu arbeiten. Unsere Wirtschaft schafft die Basis für unsere Erfolge. Unsere Wirtschaft ist die Basis unserer sozialen Leistungen. Unsere Wirtschaft ist die Basis der Gesundheitspolitik, der Umweltpolitik und unserer Kultur.

Meine Damen und Herren! Helfen Sie mit ... (Abg. Mag. Kogler: Wie ist das jetzt in der Umweltpolitik? Erklären Sie sich!)  – Habe ich gesagt!

Helfen Sie mit, dass die Menschen in diesem Land mutig sind, stolz sind und sich über ihre Leistungen freuen. Helfen Sie mit, dass das, was uns wichtig ist – Leistung, Nachhaltigkeit, sozialer Friede und Perspektiven für die Jugend –, weiterentwickelt wird. Es lohnt sich auch für Sie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek ist die nächste Rednerin. – Bitte.

20.35

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Präsident, darf ich Sie noch einmal bitten, sich das Protokoll der Rede des Herrn Abgeordneten Staffaneller kommen zu lassen – er hat eine weibliche Abgeordnete beschimpft (Abg. Mag. Schweitzer: Nein, nein!)  –, um vielleicht doch einen Ordnungsruf zu erteilen. (Abg. Binder: Ungeheuerlich!)  – Danke.

Meine Damen und Herren! Ich widme mich der Jugend. – Ungefähr 40 000 Jugendliche in Österreich haben schon eine Lehre begonnen oder werden dies tun, doch ist es knapp auf dem Lehrstellenmarkt, es sind nämlich zu wenige Lehrstellen vorhanden. Die Jugendlichen haben kaum eine Wahlmöglichkeit. Ich kann Ihnen sagen, dass Ihre Änderungen im Bereich der Berufsausbildung und der Jugendbeschäftigung daran schuld sind, meine Damen und Herren von der arbeitnehmerInnenfeindlichen Regierung!

Herr Bundesminister Bartenstein kann doch wohl kein ruhiges Gewissen haben, wenn er immer wieder behauptet, dass in Österreich für jeden Jugendlichen ein Ausbildungsplatz gesichert sei. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn er sich die Zahlen des AMS anschaut, dann wird er eines Besseren belehrt. Er sollte vielleicht ein bisschen weiter blicken als nur auf die Zahlen. Wenn ich hier eine Bartenstein‘sche Rechnung anstellen darf, dann kann ich zum Beispiel sagen: In einem Bezirk haben wir fünf Friseurlehrstellen, fünf Mechanikerlehrstellen und zehn Lehrstellensuchende. Dann haben wir ja kein Problem – so denkt Herr Minister Bartenstein. Das ist aber eine "Milchbubenrechnung", meine Damen und Herren, denn wer sagt denn, dass diese zehn Personen genau diese Berufe ergreifen wollen! – Das ist wohl wirklich nicht den Tatsachen entsprechend! (Beifall bei der


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SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Also eure Rechnung war nicht sehr erfolgreich, auf alle Fälle!) Tatsache ist, dass ungefähr 4 000 Jugendliche keine Lehrstelle finden werden, Herr Abgeordneter Schweitzer. (Abg. Mag. Schweitzer: Was sagen Sie zu eurer?)

Meine Damen und Herren! 1999 wurden in den Berufslehrgängen und in den Lehrstiftungen 4 000 Arbeitsplätze geschaffen, die die Wirtschaft nicht anbieten konnte. Zwei Drittel der Jugendlichen haben auf Grund dieser Maßnahmen nach einem Startprogramm wirklich eine Lehre erfolgreich fortsetzen können. Wenn Sie der Wirtschaft 2,3 Milliarden Schilling zugute kommen lassen und diese nur 352 Lehrstellen anbieten konnte, dann waren wohl diese 800 Millionen, die für diese Maßnahmen zur Verfügung gestellt wurden, von der Effizienz her nicht zu vergleichen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Fällt Ihnen "Euroteam" ein?)

Unser Antrag zum Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz ist nämlich wirklich eine Maßnahme gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Dieser wird bewusst nicht auf die Tagesordnung des Sozialausschusses genommen, weil Sie glauben, dass Sie mit Ihrem Lehrlings-Verschlechterungspaket punkten können. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum ist das ein Verschlechterungspaket?) Aber Ihre so genannten Alternativen sind erstens halbherzig, zweitens nur wirtschaftsfreundlich und drittens lehrlingsfeindlich.

Das lässt sich am Beispiel der Vorlehre sehr leicht nachvollziehen. Alle anderen Maßnahmen lasse ich jetzt weg. – Wenn sich ein junger Mensch auf eine Vorlehre einlässt, meine Damen und Herren – ich warne ausdrücklich davor, dass die jungen Menschen das tun! –, dann wird ihn wahrscheinlich Folgendes erwarten:

Der Unternehmer wird ihm sagen: Ich nehme dich nicht zwei, ich nehme dich gleich drei Jahre, aber nur, wenn du spurst! Du weißt, sechs Monate Probezeit; wenn nicht, dann bist du nämlich weg, ohne Angabe von Gründen, versteht sich! Wenn du brav bist, dann darfst du bleiben, aber Behaltefrist gibt es keine; Lehrvertrag gibt es nämlich auch keinen, wenn ich nicht will! Cash wird nicht erhöht; erstes Lehrjahr, drei Jahre der Cash vom ersten Lehrjahr – das steht alles in Ihrem Paket, das haben Sie alles beschlossen! –, einen anerkannten Lehrabschluss kannst du auch vergessen! Sollte ich dich nach drei Vorlehrjahren wirklich in eine Lehre nehmen, dann bekommst du nur sechs Monate angerechnet; so schaut es aus! Sonst noch Fragen? – So könnte sich das abspielen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Was heißt denn das, bitte? – Die Wirtschaft kann ab jetzt billige Hilfskräfte für niedrige Hilfsdienste rekrutieren und erspart sich dabei auch noch Geld. Am Beispiel einer Friseurlehre: 56 000 S erspart man sich im Gegensatz zu einer anerkannten Lehre (Abg. Dolinschek: Sie haben keine Ahnung von der Lehre! Sie sind Lehrerin!), wenn man den Lehrling als Vorlehrling drei Jahre lang ausbeutet. – Meine Damen und Herren, wie wollen Sie auf Qualität in der Lehrlingsausbildung setzen, wenn Sie die jungen Menschen so missbrauchen?

Ich sage Ihnen, von den 40 000, die heuer zur Diskussion stehen, wird wahrscheinlich die Hälfte betroffen sein. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen Lehrstellen mit Zukunft, wir wollen echte Chancen für Jugendliche, die in einem Betrieb eine Lehre machen wollen. (Abg. Dolinschek: Echte Chancen beim "Euroteam"!) Wir wollen den guten Ruf Österreichs in Bezug auf hoch qualifizierte FacharbeiterInnen nicht gefährden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Beschlüsse hingegen beweisen, dass Sie an Qualifikationen nicht interessiert sind. (Abg. Wenitsch: Frau Kollegin, wir brauchen kein "Euroteam"!) Das lässt mich auch an der Ihren zweifeln! (Beifall bei der SPÖ.)

20.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Neudeck ist der nächste Redner. – Bitte.

20.40

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Kollege Schwemlein hat im eigenen und im Namen seiner Genossen einen Entschließungsantrag be


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treffend das Unglück in Kaprun eingebracht. Ich glaube, es wäre pietätvoll, wenn Sie, Herr Kollege Schwemlein, nach dem Debattenbeitrag der Frau Staatssekretärin, in dem sie die bereits eingeleiteten Maßnahmen vorgestellt hat, Ihren Entschließungsantrag zurückziehen.

Die bereits veranlasste Soforthilfe der Generali Versicherung AG in Höhe von 50 Millionen Schilling ist bereits in der heutigen "Kronen Zeitung" vorgestellt worden. Ich glaube, dass das Unglück in Kaprun zu tragisch ist, um damit politisches Kleingeld zu wechseln. Wir werden daher Ihrem Antrag, Ihrem durchsichtigen Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Binder: Na geh!)  – Es ist ja "erfreulich", wenn Sie diesen Anlass auch noch zum Lachen finden – aber nur bei Ihnen.

Von Seiten der Opposition wird immer der ach so unsoziale Sparwille der Regierung hervorgestrichen. Jetzt wäre es wenig originell, den Mitgliedern der letzten Regierungen zum wiederholten Male den Schuldenstand vorzuhalten. Daher eine andere Frage an die sozialdemokratischen "Schuldenkaiser": Als vor mehr als fünf Jahren das Ausgleichsverfahren gegen den "Konsum" eröffnet wurde, war immer von anonymen Milliardenschulden bei dieser Pleite die Rede. Haben Sie sich damals um die mehr als 3 000 Gläubiger aus dem Inland und 400 Gläubiger aus dem Ausland gesorgt?

Die Dienstnehmer in den davon betroffenen Unternehmen mussten monatelang um ihren Arbeitsplatz bangen, weil sozialistisch dominierte Banken nach außen hin so taten, als würden sie den sozialistischen Riesen "Konsum" ewig stützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da waren Ihnen sowohl die kleinen Zulieferer als auch deren Arbeitnehmer völlig egal.

Das Gleiche ist für den rot dominierten Fall der Bank Burgenland festzustellen. Nach dem 15. Mai hat der Vorstand Gassner gegen die Einwände seiner Vorstandskollegen noch 30 Millionen Schilling an die Hom-Rusch-Firmen auszahlen lassen. Wo war da Ihre Sorge um die kleinen Sparer, die mit ihren Zinsen das Unvermögen der Verantwortlichen zu zahlen haben? – Die Zahlungen an parteinahe Zeitungen und SPÖ-Organisationen, die Herr Hom-Rusch geleistet haben soll, wurden gerne angenommen. Ihr schlechtes Gewissen in dieser Angelegenheit vermisse ich noch immer.

Zu Kollegen Eder: Wenn er nach Aufhebung des Gemeinnützigkeitsstatus bei Wohnbaugesellschaften im öffentlichen Besitz die Mieter bedauert, dann frage ich mich: Wo war sein Bedauern bisher? – Viele gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften waren mehr gemein als nützig. Wohnprojekte wurden in parteinahen Zeitungen seitenweise beworben, und das sicher nicht kostenlos, obwohl diese Projekte längst vermietet und vergeben waren. Die im internationalen Vergleich hohe Wohnbauförderung hilft nicht den wirklich bedürftigen Wohnungssuchenden, sondern ist eine reine Mittelstandsförderung.

Ich möchte von dieser Kritik die ÖVP gar nicht ausnehmen. Mit ist aber ein Partner in der Koalition allemal lieber, der die Fehler der Vergangenheit erkennt und mit positiven Vorschlägen für die Zukunft Österreich neu regieren will.

Zwei Sätze an die SPÖ zum Abend: Der SPÖ geht es nicht um den Schutz der Mieter, sondern um die Melkkuh, die die Gemeinnützigen bisher so trefflich abgegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich bin der Meinung: Besser, den Mietern die Wohnungen jetzt günstig zu verkaufen, als sie – wie die Genossenschafter des "Konsums" – in die leeren Kassen nachblicken zu lassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte. (Abg. Dr. Khol  – in Anspielung auf das purpurfarbene Kleid der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Sophie Bauer –: Frau Monsignora?)

20.44

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Im Budget sind wesentliche Einsparungsmaßnahmen auch im Bereich des Arbeitnehmerschutzes vorgesehen. Ich bin aber sehr froh darüber, dass Herr Bundesminister Haupt


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schon im Sozialausschuss gesagt hat, dass es zu keiner Senkung des Beitragssatzes zur Unfallversicherung von 0,2 Prozent kommen wird. Ich hoffe nur, dass auch Herr Bundesminister Bartenstein dazu stehen wird.

Es gibt von Bundesminister Bartenstein ein 50-Punkte-Programm, das er als "Reform des Arbeitnehmerschutzes" bezeichnet. Aus meiner Sicht kann vom Arbeitnehmerschutz aber keine Rede sein, denn wenn die Arbeitsinspektorate sich künftig wieder anmelden sollen, dann schützt der Herr Bundesminister in erster Linie die Arbeitgeber.

Mit dieser Aufweichung des Arbeitnehmerschutzgesetzes wird es wieder möglich sein, gesundheitsschädigende Chemikalien zu verwenden, weil sie von niemandem mehr geprüft werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden wieder Tätigkeiten verrichten, ohne auf den Schutz ihrer Gesundheit zu achten. Anstatt Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz weiter auszubauen, soll der Arbeitnehmerinnenschutz und Arbeitnehmerschutz demontiert werden, obwohl der Bundesminister weiß, dass es eine EU-Richtlinie gibt, in der alle Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte verpflichtet wurden.

Meine Damen und Herren! Allein in den letzten zehn Jahren konnte die Zahl der Arbeitsunfälle von über 170 000 pro Jahr auf rund 120 000 gesenkt werden. Das sind also 50 000 Arbeitsunfälle weniger in einem Jahr. Meine Damen und Herren, müsste das nicht dazu anregen, den in den letzten Jahren eingeschlagenen positiven Weg weiterzugehen? Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sind ein Gewinn für alle Beteiligten, aber auch für die gesamte Volkswirtschaft! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In diesem Bereich den Sparstift anzusetzen, ist ein total falscher Weg. Ich könnte aus meiner tagtäglichen Arbeit in den Betrieben noch viele Situationen aufzählen, in denen diese von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen sofort zur Verschlechterung des Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzes führen. (Abg Dr. Pumberger: Lieber nicht!) Das glaube ich ohnedies, wenn ich das aufzählen würde, dass Sie sich dann schämen müssten für Ihre Maßnahmen, die Sie setzen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg Dr. Pumberger: Daher lassen Sie es lieber bleiben!)

Der Bundesminister will, dass die Menschen länger in Beschäftigung bleiben, und der Herr Bundeskanzler spricht jetzt schon von einer weiteren Anhebung des Pensionsalters. Wie stellen Sie sich das aber vor, meine Damen und Herren, wenn gerade jene Bedingungen, die zu einer Verbesserung für die Beschäftigten am Arbeitsplatz beitragen sollen, jetzt durch Ihre Maßnahmen, sprich die geplante Aufweichung beim Arbeitnehmerschutz, verschlechtert werden? – Dieses Programm erinnert an die Steinzeit!

Meine Damen und Herren! Dasselbe gilt auch bei der so genannten Arbeitszeitgestaltung, bei der angeblich auf die Bedürfnisse der Arbeiter Rücksicht genommen wird. Ich sage Ihnen aber, meine Damen und Herren von der Regierung, die Beschäftigten und Arbeitssuchenden haben kaum eine Chance, dass bei einem Arbeitsantritt, wenn flexible Arbeitszeit verlangt wird, auch auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird. Ich sage Ihnen noch eines: Diese so genannten flexiblen Arbeitszeiten erzeugen Druck und Stress, und das bei Mindestverdiensten!

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Da Sie im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes den Sparstift ansetzen, werden wir Sozialdemokraten dem Budget nicht unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Gradwohl hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Gradwohl berichtigt die Bauer?)

20.48

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Neudeck hat in seinem Redebeitrag unrichtigerweise behauptet, dass der ehemalige Vorstandsdirektor der Bank Burgenland, Herr Gassner, ein Roter gewesen sei.


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Ich berichtige ihn tatsächlich: Laut "NEWS" 48/2000 hat der ehemalige Vorstandsdirektor Gassner 1977 für den FCG kandidiert und ist damit der ÖVP zuzurechnen, Herr Kollege. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Gahr ist der nächste Redner. – Bitte.

20.49

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatsekretärin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Viel wurde heute schon gesagt, und es sei mir erlaubt, zum Schluss noch einige Dinge einzufordern beziehungsweise klarzustellen.

Diese Bundesregierung mit dem Minister für Arbeit und Wirtschaft Martin Bartenstein fährt einen offensiven Kurs, um den Wirtschaftsstandort Österreich neu zu gestalten und für die Zukunft wettbewerbsfähig zu machen. Die Zahlen, die seit Antritt dieser Bundesregierung geschrieben werden, sprechen für sich: Es gibt einen hohen Beschäftigungsgrad, niedrige Arbeitslosigkeit, Vollbeschäftigung, geringe Jugend- und Altersarbeitslosigkeit, und das Wirtschaftswachstum lässt uns positiv in die Zukunft blicken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In einer Zeit der Budgetkonsolidierung, in der jeder seinen Beitrag dazu leisten muss – ich möchte auf das Wort "jeder" das Augenmerk lenken –, hat die Wirtschaft ihre Hausaufgaben gemacht. Eine gute Wirtschaftslage stimmt uns positiv. Die Wirtschaft hat ihren Beitrag geleistet und wird ihn auch in Zukunft leisten. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dennoch darf ich hier und heute zwei Feststellungen anbringen: Es ist eigentlich interessant, dass im Parlament nicht diejenigen kritisieren, die einen konstruktiven Beitrag leisten und in diesem Sinn etwas zahlen, sondern diejenigen, die inhaltlich und auch vom Finanziellen her eher wenig leisten und mit dem Finger auf andere zeigen. Ich habe dafür wenig Verständnis. Ich habe auch wenig Verständnis für Proteste, Drohungen und Polemiken und lehne die für nächste Woche geplante Protestaktion aufs Entschiedenste ab! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich kann den Herren von der Opposition nur empfehlen: Nützen Sie Ihre Zeit, setzen Sie Ihre Energie ein, holen Sie die Leute weg von der Straße und verwenden Sie Ihre Energie hier im Parlament! Hier ist sie besser angewandt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die österreichische Wirtschaft braucht keine Proteste. Sie braucht Spielraum, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Wir brauchen für die Wirtschaft Rahmenbedingungen. Jeder Mensch in der Wirtschaft mit seinen Arbeitern und Angestellten steht an der Front und muss sich in Zukunft auf dem europäischen Markt behaupten. Dazu brauchen wir mehr Leistung, weniger Verwaltung, mehr Fairness, weniger Sozialmissbrauch, mehr Eigenverantwortung und Gestaltung, mehr Innovation und Vision, mehr Offensive und keine Bremser! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden in die Ausbildung investieren müssen, zum Beispiel in Innovation und Kommunikationstechnologie. Sie sind der Schlüssel zu neuen Jobs und neuem Erfolg. (Abg. Silhavy: Er will ja das auch nicht!) Wir werden innovativen, aber auch allen anderen Unternehmen, unseren bisher bewährten und den zukünftigen Unternehmen helfen und sie durch optimale Rahmenbedingungen unterstützen. Arbeitsplätze von heute sind keine Garantie für morgen, sondern Visionen und Entscheidungen sind Jobs der Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ziel muss es sein, unsere öffentlichen Mittel effizient und nachhaltig einzusetzen, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu sichern und Österreich zum Marktplatz in Europa zu machen. Österreich, ein kleines Land in kleinen Märkten, ein ganz Großer in Europa – eine Vision, wie sie für die Zukunft lauten könnte!

Bundesminister Bartenstein mit seinem Team sei dafür gedankt: Die erste Zeit war sehr erfolgreich. Wir werden mit sozialem Verständnis und Entscheidungsfreude den Wirtschaftskurs


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vorgeben, wie wir hier im Parlament sind, mit allen Stärken und Schwächen. Aber ich kann zum Schluss behaupten: Diese Bundesregierung ist eine Erfolgsgarantie für Österreichs Zukunft! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte.

20.54

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die neue Bundesregierung wurde im Februar dieses Jahres angelobt. Sie ist angetreten, Österreich neu zu regieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Neu zu regieren heißt, eine Korrektur vorzunehmen, eine Korrektur mit dem Ziel, die Neuverschuldung des Bundes deutlich zu verringern und letztlich ein Nulldefizit herbeizuführen, das heißt, keine Schulden mehr zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun sind neun Monate vergangen, und die Regierung ist gut unterwegs, um dieses Ziel zu erreichen. Ich möchte das auch mit einigen Beispielen untermauern.

Im heurigen Jahr, dem Jahr 2000, wird die Neuverschuldung auf rund 54,6 Milliarden Schilling beziehungsweise 2,0 Prozent des BIP verringert werden. Im Budgetentwurf 2001, den wir ja derzeit behandeln, wird die Neuverschuldung auf rund 32,8 Milliarden Schilling beziehungsweise 1,1 Prozent des BIP zurückgeführt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In wenigen Monaten, im März 2001, wird hier im Parlament das Budget 2002 verhandelt werden. Es wird ein Meilenstein in der Budgetpolitik Österreichs sein: Nach 30 Jahren wird es gelingen, die Neuverschuldung auf null zurückzuführen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Keine Meilensteine! Das sind Gallensteine!)

Die Bundesregierung hat auch ein Budgetprogramm für den Zeitraum bis zum Jahr 2003 vorgelegt, und daraus möchte ich hier drei Punkte nennen. Erstens: die Reduzierung der Schulden – also keine neuen Schulden und eine deutliche Reduzierung des Zinsendienstes. Zweitens: die nachhaltige Sanierung des Staatshaushaltes, eine nachhaltige Sanierung durch strukturelle Maßnahmen, um letztlich Einsparungen vor allem bei den Ausgaben der einzelnen Ressorts zu erreichen. Staatssekretär Finz hat wiederholt darauf hingewiesen, dass mittels integrierter Standardsoftware, mit dem Programm SAP, die Voraussetzungen für ein zukunftsorientiertes Rechnungswesen eingeführt und geschaffen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der dritte Bereich sind die verstärkte Förderung im Bereich von Forschung und Technologie und die Anhebung der Forschungsquote auf 2,5 Prozent bis zum Jahre 2003.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Personalmanagement, strukturändernde Maßnahmen – wie ist da derzeit die Ist-Situation? – Derzeit beschäftigen sich rund 2 000 Mitarbeiter damit, 180 000 Bedienstete zu verwalten, und rund eine Million Reiserechnungen werden pro Jahr bearbeitet. Das Ziel dieses Prozesses ist die Schaffung einer umfassenden, durchgängig IT-unterstützten Personalbewirtschaftung. Der Nutzen oder die Vorteile dieses Projektes sind erstens einmal Personalcontrolling auf Bundes- und Ressortebene, bundesweite Synergien, einheitlich konzipierte Lösungen, Flexibilität bei der Adaptierung und auch die Basis für eine Kostenstellenrechnung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Projekt SAP ist eine wichtige Voraussetzung, um möglichst rasch zu einer nachhaltigen Budgetkonsolidierung zu kommen. Eine nachhaltige Budgetkonsolidierung sichert unseren Wirtschaftsstandort und eine hohe Beschäftigung. Eine nachhaltige Budgetkonsolidierung gibt uns aber auch den notwendigen Spielraum und somit die Voraussetzung zur Senkung der Lohnnebenkosten. Die Senkung der Lohnnebenkosten fördert


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Stenographisches Protokoll
48. Sitzung / Seite 177

natürlich die Motivation und die Leistungsfähigkeit unserer Unternehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden dem Budget 2001 sehr gerne zustimmen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen damit zur Abstimmung über die Beratungsgruppe IX des Bundesvoranschlags für das Jahr 2001.

Diese umfasst die Kapital 63 und 64 des Bundesvoranschlags in 310 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichts in 370 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Trinkl, Mag. Trattner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf einige finanzgesetzliche Ansätze des Kapitels 64, auf die Änderung der Bezeichnung des Ausgaben- und Einnahmenparagraphen 6450 sowie die dadurch bedingten Änderungen der Summenbeträge bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über die Beratungsgruppe IX – diese umfasst die Kapitel 63 und 64 des Bundesvoranschlags in 310 der Beilagen – in der Fassung des Spezialberichtes in 370 der Beilagen unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags der Abgeordneten Dr. Trinkl, Mag. Trattner und Genossen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 GOG schlage ich vor, die Abstimmung über den bei der Verhandlung der Beratungsgruppe IX des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsantrag sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schwemlein und Genossen betreffend Programm zur Bewältigung des Unglücks in Kaprun.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Dr. Khol: Der Schwemlein ist ja gar nicht da!)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 331/A bis 333/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1587/J bis 1604/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 30. November 2000, 9 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:


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48. Sitzung / Seite 178

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (310 und Zu 310 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (370 der Beilagen).

Zur Beratung kommen Beratungsgruppe VI: Bildung und Kultur, Wissenschaft; Beratungsgruppe III: Äußeres.

In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.02 Uhr