Stenographisches Protokoll

74. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 14. Mai 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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74. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 14. Mai 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 14. Mai 1997: 9.01 – 22.17 Uhr


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74. Sitzung / Seite 2

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird

2. Punkt: Pflanzenschutzmittelgesetz 1997

3. Punkt: Bericht über den Antrag 384/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Veredelung und Vermarktung der bäuerlichen Urproduktion

4. Punkt: Bericht über den Antrag 357/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend nationale Aufstockung der EU-BSE-Kompensation

5. Punkt: Bericht über den Antrag 359/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Frühvermarktungsprämie

6. Punkt: Bericht über den Antrag 278/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Maßnahmen gegen die Abwanderung aus der Landwirtschaft

7. Punkt: Wasserrechtsgesetznovelle Deponien

8. Punkt: Österreichischer Waldbericht 1995

9. Punkt: Bericht über den Antrag 180/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Änderung des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 970/1993

10. Punkt: Immissionsschutzgesetz – Luft

11. Punkt: Protokoll über den Beitritt des Fürstentums Monaco zum Übereinkom-men zum Schutze der Alpen

12. Punkt: Bericht über den Antrag 34/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Neugestaltung der Verpackungsverordnung

13. Punkt: Bericht über den Antrag 36/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Novellierung Altlastensanierungsgesetz

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 13

Ordnungsrufe 183, 185

Geschäftsbehandlung

Einwendungen der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic gegen die Tagesordnung gemäß § 50 der Geschäftsordnung 13

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung 13

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 13

Dr. Peter Kostelka 14

Mag. Doris Kammerlander 15

Dr. Andreas Khol 16

Mag. Dr. Heide Schmidt 16

Ing. Mathias Reichhold 17

Einwendungen finden keine Mehrheit 18

Verlangen der Abgeordneten Edith Haller und Genossen hinsichtlich des Antrages 305/A (E) gemäß § 26 Abs. 7 der Geschäftsordnung 36

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2017/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 37

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 129

Redner:

Edith Haller 129

Bundesminister Rudolf Edlinger 131

Gabriele Binder 132

Dr. Sonja Moser 133

Hermann Böhacker 134

Dr. Volker Kier 135

Karl Öllinger 136

Antrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortung von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten, insbesondere um zu untersuchen, ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet – erteilt wurden, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 175

Bekanntgabe 37

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 37

Redner:

Rudolf Anschober 175

Anton Leikam 177

Johannes Zweytick 178


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Mag. Johann Ewald Stadler 179

Mag. Dr. Heide Schmidt 180

Mag. Doris Kammerlander 182

Ablehnung des Antrages 183

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung der Bundesregierung, insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz, sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Chaden, Abdul Rahman Ghassemlou und Dr. Fadel Mahmud Rasoul am 13. Juli 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 184

Bekanntgabe 37

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 37

Redner:

Mag. Dr. Heide Schmidt 184

Rudolf Anschober 186

Dr. Helene Partik-Pablé 187

Hans Helmut Moser 189

Ablehnung des Antrages 190

Absehen von der 24stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschußberichte 681, 682, 683 und 684 d. B. gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung 37

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 38

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang erstens mit der Besetzung von Vorstandsfunktionen bei Banken, die im Einflußbereich der öffentlichen Hand stehen, zweitens mit politischen Einflußnahmen auf die Geschäftstätigkeit dieser Banken, drittens mit der Gebarung der Oesterreichischen Kontrollbank hinsichtlich der Exportfinanzierung beziehungsweise der Exportgarantien und viertens mit Preisabsprachen der wichtigsten österreichischen Geschäftsbanken gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 190

Bekanntgabe 63

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 63

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 191

Dr. Hans Peter Haselsteiner 193

Dr. Michael Krüger 194

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 195

 


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74. Sitzung / Seite 4

Ablehnung des Antrages 196

Unterbrechung der Sitzung 106

Aktuelle Stunde (14.)

Thema: "Aktueller Stand der EU-Regierungskonferenz"

Redner:

Dr. Michael Spindelegger 19

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 21

Maria Rauch-Kallat 23

Peter Schieder 25

Reinhart Gaugg 26

Dr. Martina Gredler 27

Mag. Doris Kammerlander 28

Dkfm. DDr. Friedrich König 29

Dr. Irmtraut Karlsson 30

Elfriede Madl 31

Hans Helmut Moser 32

Karl Öllinger 33

Ausschüsse

Zuweisungen 36, 85

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordnete Maria Rauch-Kallat 36

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Postenschacher und Freunderlwirtschaft (454/A) (E) 99

Begründung: Dr. Jörg Haider 100

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 104

Debatte:

Bundesminister Rudolf Edlinger 107, 128

Dr. Ewald Nowotny 109

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 111

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 113

Dr. Alexander Van der Bellen 115

Elfriede Madl (tatsächliche Berichtigung) 117

Dr. Hans Peter Haselsteiner 118

Mares Rossmann (tatsächliche Berichtigung) 120

Reinhart Gaugg 120

Mag. Cordula Frieser 122

Andreas Wabl 123

Mag. Helmut Peter 124

Mag. Johann Ewald Stadler 126

Ablehnung des Dringlichen Antrages 454/A (E) 129

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (580 d. B.): Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung,

 


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74. Sitzung / Seite 5

die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird (671 d. B.) 38

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (563 d. B.): Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (673 d. B.) 38

Berichterstatter: Franz Kampichler 39

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 384/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Veredelung und Vermarktung der bäuerlichen Urproduktion (676 d. B.) 38

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 357/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend nationale Aufstockung der EU-BSE-Kompensation (677 d. B.) 38

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 359/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Frühvermarktungsprämie (678 d. B.) 38

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 278/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Maßnahmen gegen die Abwanderung aus der Landwirtschaft (679 d. B.) 39

Redner:

Ing. Mathias Reichhold 39

Rudolf Schwarzböck 44

Mag. Helmut Peter 47

Heinz Gradwohl 49

Andreas Wabl 50

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 55

Karl Freund 58

Ing. Mathias Reichhold (tatsächliche Berichtigung) 60

Anna Elisabeth Aumayr 60

Matthias Achs 62

Dr. Volker Kier 63

Johannes Zweytick 65

Ing. Monika Langthaler 67

Marianne Hagenhofer 73

Franz Koller 74

Franz Kampichler 75

Dr. Martina Gredler 76

Emmerich Schwemlein 78

Robert Wenitsch 78

Sophie Bauer 80

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 81

Annahme der Gesetzentwürfe in 671 und 673 d. B. 83

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 676, 677, 678 und 679 d. B. 85

Zuweisung des Antrages 384/A (E) an den Wirtschaftsausschuß 85


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74. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Einführung einer Abgabe auf Pestizide – Ablehnung 68, 85

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen – Ablehnung 72, 84

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Forschungsschwerpunkt biologisches Saatgut – Ablehnung 69, 81, 84

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 671 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend umfassende Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut (E 55) 84

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (400 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (Wasserrechtsgesetznovelle Deponien) (672 d. B.) 85

Redner:

Anna Elisabeth Aumayr 85

Jakob Auer 87

Dr. Volker Kier 89

Otmar Brix 89

Ing. Monika Langthaler 90

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 92

Ing. Mathias Reichhold 94

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 94

Robert Wenitsch 95

Rudolf Schwarzböck 96

Annahme des Gesetzentwurfes in 672 d. B. 96


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74. Sitzung / Seite 7

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1995 (III-69/674 d. B.) 97

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 180/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Änderung des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 970/1993 (675 d. B.) 97

Redner:

Mag. Dr. Udo Grollitsch 97, 149

Georg Schwarzenberger 137

Mag. Helmut Peter 139

Rainer Wimmer 141

Rudolf Anschober 142

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 144

Georg Wurmitzer 145

Franz Koller 147

Arnold Grabner 147

Kenntnisnahme des Berichtes III-69 d. B. 150

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 675 d. B. 150

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 674 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Gestaltung des österreichischen Waldberichtes (E 56) 150

 

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (608 d. B.): Immissionsschutzgesetz – Luft, IG-L (681 d. B.) 151

11. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (583 d. B.): Protokoll über den Beitritt des Fürstentums Monaco zum Übereinkommen zum Schutze der Alpen (Beitrittsprotokoll) (682 d. B.) 151

12. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 34/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Neugestaltung der Verpackungsverordnung (683 d. B.) 151

13. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 36/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Novellierung Altlastensanierungsgesetz (684 d. B.) 151

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 151

Matthias Ellmauer 153

Mag. Helmut Peter 155

Otmar Brix 156

Ing. Monika Langthaler 157

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 159

Ing. Monika Langthaler (tatsächliche Berichtigung) 161

Karlheinz Kopf 161

Dr. Volker Kier 163

Georg Oberhaidinger 165

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 167

Franz Stampler 168

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 169

Josef Schrefel 171

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 172

Annahme des Gesetzentwurfes in 681 d. B. 173

Genehmigung des Staatsvertrages in 682 d. B. 174

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 683 und 684 d. B. 174

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 35

665: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern

680: Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden

685: Fremdengesetz 1997 – FrG

686: Asylgesetz 1997 – AsylG

689: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

691: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (2. BDG-Novelle 1997), das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Gehalts

 


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74. Sitzung / Seite 8

gesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Universitäts-Organisationsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Bundesgesetz BGBl. Nr. 148/1988 geändert werden

697: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

698: Bundesgesetz über die Einbringung der Anteilsrechte des Bundes an den Bundesstraßengesellschaften in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und der Einräumung des Rechts der Fruchtnießung zugunsten dieser Gesellschaft (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997); Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz, das BIG-Gesetz, das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesministeriengesetz 1986, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften und das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert werden

699: Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997

700: Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Postenschacher und Freunderlwirtschaft (454/A) (E)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440, zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 970/1993, neuerlich geändert wird (Forstgesetz-Novelle 1997) (455/A)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Gewährleistung der umgehenden Realisierung bereits projektierter Bauvorhaben (456/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I und der BGV II (457/A) (E)

Franz Hums, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Bahn-Betriebsverfassung (Bahn-Betriebsverfassungsgesetz – BBVG) (458/A)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung (459/A)

Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung (460/A)

Anfragen der Abgeordneten

Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend den gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Stellenwert der Familienfrauen (2390/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Ermessensspielraum der Führerscheinentzugsbehörde (2391/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Präsidenten des Rechnungshofes betreffend Schmälerung von gemeinnützig erwirtschafteten und für Zwecke des ge

 


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74. Sitzung / Seite 9

meinnützigen Wohnbaus bestimmten Vermögens im Bereich der GIWOG – Gemeinnützigen Industrie-Wohnungsgesellschaft mbH, Linz (2392/J)

Mares Rossmann und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Unterstützung vom Verein Zebra durch die AK (2393/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Knoten Obersteiermark (2394/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schmälerung von gemeinnützig erwirtschafteten und für Zwecke des gemeinnützigen Wohnbaus bestimmten Vermögens im Bereich der GIWOG – Gemeinnützigen Industrie-Wohnungsgesellschaft mbH, Linz (2395/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vorsteuerbefreiung beim Kauf von Transportbegleitfahrzeugen (2396/J)

Hans Helmut Moser und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Seminar des Landesschulrates im Hotel Panhans (2397/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Klubobmann Khol in den Fängen des linksalternativen, grünanarchistischen Netzwerks des Terrors (2398/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzamt Hartberg (2399/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Anteil der Agrarausgaben der Europäischen Union gemessen an den Gesamtausgaben der Gemeinschaft, wie sie im 37. Grünen Bericht 1995 auf Seite 19 ausgewiesen sind (2400/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend den Anteil der Agrarausgaben der Europäischen Union gemessen an den Gesamtausgaben der Gemeinschaft, wie sie im 37. Grünen Bericht 1995 auf Seite 19 ausgewiesen sind (2401/J)

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Toleranzsemester – Ausklammerung des Architekturstudiums und anderer Studienrichtungen mit überdurchschnittlich langer Studiendauer (2402/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend außerordentliche Abschreibung der EVN für das Kraftwerk Freudenau (2403/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Transit von Rüstungsgütern in den Iran (2404/J)


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74. Sitzung / Seite 10

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Finanzierung der Dauerausstellung im Technischen Museum Wien (2405/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Privatisierungspläne und Zielsetzungen bei den Bundesmuseen (2406/J)

 

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Reduzierung der Ausstellungsfläche des Museums Moderner Kunst im geplanten Museumsquartier (2407/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Errichtung einer Lehrkanzel für Theorie und Anwendung der Graphik (2408/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Transparenz und Kriterien der Mittelvergabe an Museen (2409/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend den desaströsen Zustand des Pathologisch-anatomischen Bundesmuseums im "Narrenturm" (2410/J)


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74. Sitzung / Seite 11

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend zukünftige Ausgestaltung der österreichischen Sicherheitspolitik (2411/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Personenschutz für den früheren Bundeskanzler Dr. Vranitzky (2412/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personenschutz für den früheren Bundeskanzler Dr. Vranitzky (2413/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Wohnungskosten des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Vranitzky (2414/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Wohnungs- und Reisekosten des Bundeskanzlers (2415/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Auslandsdienstreisen des Bundeskanzlers (2416/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Bezugsfortzahlung gemäß § 14 des Bezügegesetzes (2417/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Vergabe von BUWOG-Wohnungen im Bereich des Bundesministeriums für Inneres (2418/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf des Freizeitzentrums Piberstein an einen SPÖ-Bürgermeister (2419/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Vereinfachungen im Bereich der Statistik (2420/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Vereinfachungen im Bereich der Statistik (2421/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2422/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Flugsicherungsgebühren der Austro Control (2423/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zahlungen an die EU und Rückflüsse aus der EU (2424/J)

 

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Fehlentwicklungen im Bereich des Konkursrechts (2425/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Renovierung des Bahnhofs Wiener Neustadt (2426/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Altlasten in Wiener Neustadt (2427/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die "Nordspange Wiener Neustadt" (2428/J)

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Edeltraud Gatterer und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Behindertenfreundlichkeit des Parlaments (11/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2103/AB zu 2160/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (2104/AB zu 2122/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (2105/AB zu 2125/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Genossen (2106/AB zu 2215/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (2107/AB zu 2136/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen (2108/AB zu 2152/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2109/AB zu 2166/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen (2110/AB zu 2184/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (2111/AB zu 2134/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2112/AB zu 2169/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (2113/AB zu 2195/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Brigitte Tegischer und Genossen (2114/AB zu 2129/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (2115/AB zu 2194/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen (2116/AB zu 2139/J)

 


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74. Sitzung / Seite 12

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (2117/AB zu 2181/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (2118/AB zu 2206/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (2119/AB zu 2131/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (2120/AB zu 2146/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Johann Schuster und Genossen (2121/AB zu 2218/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2122/AB zu 2196/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2123/AB zu 2222/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (2124/AB zu 2135/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2125/AB zu 2137/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen (2126/AB zu 2199/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2127/AB zu 2225/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mares Rossmann und Genossen (2128/AB zu 2311/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen (2129/AB zu 2138/J)


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen und eröffne die 74. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 72. und der 73. Sitzung vom 6. Mai 1997 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Preisinger, Rosenstingl, Mag. Barmüller und Dr. Gusenbauer.

Zur Geschäftsordnung hat sich Frau Abgeordnete Petrovic gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir haben schriftlich Einwendungen gegen die Tagesordnung erhoben. Wir beantragen die Absetzung der Tagesordnungspunkte 7 bis 10, um Raum für eine Erklärung der Bundesregierung in Sachen Kurdenmorde zu schaffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Sie haben die Einwendungen, die sich auf eine Änderung der ausgegebenen Tagesordnung beziehen, gehört. Da diese Tagesordnung in der Präsidialsitzung einvernehmlich festgelegt wurde, kann ich diesem Änderungswunsch vom Präsidium aus nicht beitreten.

Die Geschäftsordnung sieht vor, daß in einer Debatte über Einwendungen die Redezeit 5 Minuten beträgt und daß die Zahl der Redner auf drei pro Fraktion begrenzt werden kann – von dieser Möglichkeit mache ich Gebrauch.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Redezeit: 5 Minuten.

9.03

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern ist den Fraktionsvorsitzenden der Parlamentsparteien ein Bericht der Bundesregierung in Sachen Aufklärung der Vorkommnisse im Zusammenhang mit den Kurdenmorden von 1989 in Wien zugekommen. Der Justizminister vermerkt im Zusammenhang mit dem Bericht, daß diese Unterlagen der Oberstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Wien zugeleitet worden sind.

Wir haben bei Durchsicht dieses Berichtes festgestellt, daß die Erklärungen, die der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten in diesem Zusammenhang mündlich vor dem Hohen Haus abgegeben hat, teilweise in erheblichem Widerspruch zu den Ausführungen in diesem Bericht stehen. Das bedeutet, daß entweder die seinerzeit mündlich gemachten Ausführungen des Außenministers falsch sein müssen oder dieser Bericht. Ich denke, es geht nicht an, daß dieser Umstand, nämlich Widersprüche in den Ausführungen, einfach so im Raum stehen bleibt.

Eigentlich hätten wir erwartet, daß die Regierung angesichts der nun hervorgekommenen Tatsachen von sich aus die Gelegenheit ergreift, vor diesem Hohen Haus dazu Stellung zu beziehen. In unseren Augen wäre es eine Selbstverständlichkeit, mit dem Parlament, mit dem Hohen Haus die Vorkommnisse von 1989 im Lichte des Berliner "Mykonos"-Urteils zu erörtern.

 


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Ich weise noch einmal darauf hin – wir haben im Rahmen einer Dringlichen Anfrage ja hier darüber diskutiert –, daß die Vorwürfe, die nach wie vor im Raum stehen – sie wurden auch durch diese Berichte nicht entkräftet –, sehr schwerwiegend sind.

Es heißt in einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin, daß die Geschehnisse von Wien und Berlin durch einen roten Faden verbunden sind und daß auszuschließen ist, daß die Morde von Wien auf Konflikte unter kurdischen Oppositionsgruppen zurückzuführen sind.

Mittlerweile hat die Regierung auch zugegeben, daß es ein Fehlverhalten, daß es Fehlleistungen der Behörden gab. Es ist aber nicht damit getan, daß die Gerichte ermitteln, sondern es geht um die Frage der politischen Verantwortung für die seinerzeitigen Vorkommnisse. Es geht weiters um die Frage, wie lange eine derartige Angelegenheit und die Klärung der politischen Verantwortung dafür in Österreich verschleppt werden können.

Formal besteht für die Opposition nur die Möglichkeit, die Absetzung von Tagesordnungspunkten zu verlangen, was ich hiemit tue. Das eigentliche Begehren, das wir stellen, ist jedoch, daß die Regierung – spät, aber doch – von sich aus endlich Klarheit, und zwar hier vor diesem Haus, in diese Angelegenheit bringt.

Herr Bundesminister! Ich fordere Sie auf: Geben Sie diesem Haus Rechenschaft! Erklären Sie die Widersprüche, die ich in einer 5-Minuten-Debatte hier nicht im einzelnen darstellen kann. Erklären Sie doch, warum Sie im Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage etwas ganz anderes geantwortet haben, als Sie jetzt in Ihrem schriftlichen Bericht ausgeführt haben.

Herr Bundesminister! Sie fügen dieser Republik und diesem Haus schweren Schaden zu, wenn Sie nicht endlich von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine lückenlose Aufklärung dieser Angelegenheit vor dem Hohen Haus zu bieten. (Beifall bei den Grünen.)

9.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Gleiche Redezeit.

9.08

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Intervention der Kollegin Petrovic ist in höchstem Maße unglaubwürdig.

Wir haben in der Präsidiale – ich gebe zu, das ist nur ein formales Argument – mehrfach ausdrücklich Einvernehmen darüber erzielt, daß es keine Einwendungsdebatten gibt, wenn wir, so wie heute und morgen, die Tagesordnung einvernehmlich festlegen. Ihre Fraktion hat so wie auch alle anderen Fraktionen zugestimmt. Und Ihre heutige Vorgangsweise hat daher nur den einen Sinn: eine materielle Debatte unter diesem formellen Vorwand zu inszenieren, obwohl Sie mit keinem einzigen Argument auf diesen umfangreichen Bericht Bezug genommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Petrovic! Sie haben ausschließlich bekannte Tatsachen einer Presseaussendung eines Gerichtes der Bundesrepublik Deutschland zitiert, aber nicht einen einzigen Akt, die hier (der Redner zeigt den Bericht) in überreicher Fülle beigelegt sind – mit einer Ausnahme: nämlich jenem des Außenministeriums, das bereit ist, diese Akten noch nachzureichen; ich ersuche den Herrn Außenminister, das zu tun.

In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen wirklich sagen: Ich verstehe die Grünen nicht! – Sie verlangen, daß die Wasserrechtsgesetznovelle und andere wichtige Tagesordnungspunkte, die die Voraussetzung dafür sind, daß noch vor dem Sommer die Rechtsgrundlage für wichtige Umweltinvestitionen geschaffen wird, von der Tagesordnung abgesetzt werden, und das nur aus einem einzigen Grund: weil Sie keine Dringliche Anfrage mehr stellen können, obwohl Sie zu Beginn dieses Jahres, dieser Tagungsperiode fünf zur Verfügung hatten.


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Meine Damen und Herren von den Grünen! Das ist eine Skandalisierungspolitik, die mit den Fakten nichts zu tun hat. Lesen Sie den Bericht, schaffen Sie die Voraussetzungen dafür, daß unabhängige Gerichte eine entsprechende Entscheidung treffen können, aber betreiben Sie nicht unter Hinweis auf längst bekannte Fakten eine Skandalisierungspolitik! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich verstehe nicht, wie Sie von einer Schädigung des Ansehens der Republik sprechen können. Diese würde nur dann eintreten, wenn man Behauptungen aufstellte, die nicht beweisbar sind, und sich nicht einmal die Mühe machte, einen sorgsam vorgelegten Bericht im Detail durchzugehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Gleiche Redezeit.

9.11

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Kostelka! Selbstverständlich stimmt es, daß in der Präsidiale Einvernehmen erzielt worden ist, aber es ist auch Usus, daß – und das wissen Sie genauso gut wie wir –, wenn neue Fakten sozusagen auftreten, etwas diskutiert werden kann.

Neu ist, daß dieser Bericht nun vorgelegt wurde. Und wir sind davon ausgegangen, daß dieser Bericht auch parlamentarisch behandelt wird. Das ist ja wohl das Mindeste, was man erwarten kann, wenn Sie sich schon nicht aufraffen können, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzurichten, der die einzig richtige Antwort auf diese ganze Malaise wäre, in der sich die Regierung befindet. Das Mindeste, das man voraussetzen kann, ist, daß Sie das nach Ihrer Selbstuntersuchung und dem Versuch der Selbstreinigung Ihrer Fehler wenigstens parlamentarisch behandeln.

Daß Sie nicht einmal bereit sind, die Berichte der drei Ministerien mit den heute zuständigen Ministern hier im Nationalrat zu diskutieren, wirft ein sehr bezeichnendes Licht auf Ihr Verständnis. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Herr Kollege Kostelka! Es kommen einem ja Tränen der Rührung, wenn Sie ausgerechnet das Wasserrechtsgesetz als Beispiel heranziehen, um zu zeigen, was wir heute durch die Absetzung von der Tagesordnung versäumten. Eineinhalb Jahre hat die Koalition dieses Gesetz verschleppt, und dank der ÖVP werden diese Maßnahmen nicht im Jahr 2004, sondern erst 2008 in Kraft treten. – Das ist Ihr Verständnis von Dringlichkeit und Zeit. (Abg. Schwarzenberger: Warum sind Sie gegen Umweltschutz?)

Daher ist das, was Sie hier machen, sehr unglaubwürdig. Sie stellen sich hier heraus und sagen: Wie schrecklich, was die Opposition da verlangt! Sie verschweigen aber, worum es eigentlich geht: Sie und Ihr Kollege Khol haben bisher die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verweigert, nämlich mit dem Argument: Die Ministerien prüfen nun! Daß sich inzwischen die Öffentlichkeit in Österreich und so ziemlich alle Medien darüber lustig machen und meinen, daß die Prüfung einer eigenen Angelegenheit durch sich selbst doch nur zu dem Ergebnis führen kann, daß man nichts verschuldet hat, lassen Sie völlig außer acht. Daß heute zu Recht erwähnt wird, daß in Zukunft jeder seine Steuern selbst überprüft und sich dann selbst sozusagen ausstellt, daß er rechtmäßig gehandelt hat, lassen Sie außer acht.

Ihr Argument: Zuerst sollen die Ministerien prüfen, und dann diskutieren und schauen wir weiter! wird jetzt noch brüchiger und noch fadenscheiniger, wenn Sie nicht einmal bereit sind, diesen Bericht zu diskutieren, dieses Konvolut, das seit gestern auf dem Tisch liegt und in zwölf Punkten eindeutig aufzeigt, daß zumindest Außenminister Schüssel hier – ich sage das einmal so – eine abweichende Haltung gegenüber dem Bericht eingenommen hat, die Unwahrheit gesagt hat. Eines von beiden stimmt nicht: entweder der Bericht oder das, was der Außenminister gesagt hat.


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Sie sind nicht einmal bereit, darüber zu diskutieren. Sie sind nicht bereit, über die Verfehlungen im Justizministerium und im Innenministerium zu diskutieren. Ich frage Sie: Was haben Sie eigentlich zu verbergen? (Beifall bei den Grünen.) Wovor fürchten Sie sich denn? Vor welchen Konsequenzen fürchten Sie sich? Vorher sind Sie so groß hinausgegangen und haben gesagt, daß Sie einen Bericht über alle Ministerien erstellen und dann der Öffentlichkeit vorlegen werden. Was ist denn das Parlament wert? Ich frage die Kolleginnen und Kollegen: Was sind Sie sich denn selbst wert? Welches Selbstwertgefühl haben Sie, daß Sie sich damit zufriedengeben, daß Sie in der Zeitung einen Bericht lesen dürfen und dann über Fernsehen darüber informiert werden, was in diesem Bericht steht? – Es wird Ihnen aber das Recht genommen, hier in diesem Haus darüber zu diskutieren! Sie sind der Souverän, und Sie verweigern sich selbst das Recht, darüber zu entscheiden, worüber Sie hier diskutieren. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

9.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Gleiche Bedingungen.

9.15

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenstand einer Einwendungsdebatte ist es, daß eine Fraktion beantragt, daß die Tagesordnung verändert wird, daß ein anderer Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung gesetzt wird.

Ich glaube, daß heute der Versuch der Grünen vorliegt, durch mißbräuchliche Anwendung der Geschäftsordnung eine vorgezogene Debatte betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder eine Kurdendebatte zu erzwingen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. )  – Ich lasse mich nicht darauf ein, im Rahmen einer Einwendungsdebatte eine Debatte betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder eine andere Debatte zu führen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Achs. )

Ich halte es auch für an den Haaren herbeigezogen, zu versuchen, einen Tagesordnungspunkt, den es noch gar nicht gibt und den Sie gar nicht formuliert haben, den Sie gar nicht formulieren können (weiterer Zwischenruf des Abg. Wabl ), weil Sie über Ausschüsse gehen müßten, auf die Tagesordnung zu pressen.

Es zeigt sich auch sehr klar, meine Damen und Herren, wo die Prioritäten der Grünen liegen: Die Prioritäten der Grünen liegen in einer Skandalisierung der Politik; die Prioritäten der Grünen liegen im Aktionismus; die Prioritäten liegen darin, einen Kurden-Untersuchungsausschuß zu verlangen, obwohl alle Fakten auf dem Tisch liegen.

Die Deponieverordnung, das Wasserrecht, die Umweltschutzgesetze – all das interessiert die Grünen nicht, das kann auch im Herbst oder nächstes Jahr in Kraft treten. Worum es den Grünen hier geht, ist Aktionismus, und es geht ihnen darum, unsere Republik schlechtzumachen.

Ich sage es noch einmal: Es ist hier die Wahrheit gesagt worden, es gibt nichts, was zu untersuchen ist, die Fakten liegen auf dem Tisch. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Hinsichtlich der Bewertung sind wir anderer Meinung, und diese Bewertungen können Sie im Rahmen einer Dringlichen Anfrage mit dem Minister diskutieren, das aber im Rahmen einer Einwendungsdebatte tun zu wollen, ist ein Mißbrauch der Geschäftsordnung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. Redezeit: 5 Minuten.

9.18

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich meine, wenn man den Parlamentarismus ernst nimmt, dann muß man auch seine Spielregeln ernst nehmen. Wenn wir einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß verlangen, dann tun


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wir das deswegen, weil wir glauben, daß das Parlament der richtige Ort dafür ist, solche Dinge aufzuklären.

Ich bleibe dabei, daß die Vorgänge rund um die Kurdenmorde einer parlamentarischen Aufklärung bedürfen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Und ich bin der Auffassung, daß der Bericht, der gestern vorgelegt wurde, das nur noch bestätigt hat. Ich habe aber nicht die Absicht, jetzt auf diesen Bericht einzugehen, weil das – und das ist auch meine Auffassung – einen Mißbrauch der Spielregeln darstellen würde, die ich jedoch ernst nehme.

Ich möchte nicht auf der einen Seite für den Parlamentarismus eintreten, auf der anderen Seite aber dann, wenn es mir gerade ins Konzept paßt, die Spielregeln nicht ernst nehmen. Dabei geht es um die Glaubwürdigkeit der Politik, und ich meine, auch die Grünen wären gut beraten, Parlamentarismus und Spielregeln als zusammengehörend zu sehen. Wenn ich ja zum Parlamentarismus sage, dann sage ich auch ja zu seinen Spielregeln. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Denn ich will mich auch darüber aufregen können – das heißt, ich will mich nicht aufregen müssen –, ich will ein reines Gewissen haben, wenn ich den Mißbrauch der Geschäftsordnung durch die Freiheitlichen hier geißele, aber dann darf ich nicht mit den gleichen Mitteln arbeiten – und ihr tut das!

Eine Einwendungsdebatte bedeutet nämlich, wirklich eine Änderung der Tagesordnung zu verlangen. (Abg. Wabl: Ein "schrecklicher Mißbrauch" des Parlaments!) Der Bericht der Minister, den ich auch für notwendig halte, würde eine Änderung der Tagesordnung aber nicht einmal so erforderlich machen. Denn: Die Tagesordnungspunkte, die wir heute zu erledigen haben, könnten wir ja auf der Tagesordnung lassen, egal, ob es das Wasserrechtsgesetz oder sonst irgendeines ist, wir bräuchten nichts weiter zu tun, als die Redezeit zu verlängern. Mir wäre die Sache es wert, hier fünf Stunden länger zu sitzen, fünf Stunden länger zu diskutieren, gerade über die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses. Die Einwendungsdebatte aber ist nicht das geeignete Instrument, weil wir damit die Minister nicht zur Berichterstattung zwingen können.

Wir werden heute unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wieder stellen – und wir werden ihn so lange stellen, bis hier ein Umdenken stattfindet! Sie wissen auch, daß wir eine Debatte dazu führen werden. Nach den Regeln der Geschäftsordnung findet diese eben erst nach Beendigung der Tagesordnung statt. Wahr ist, daß zu diesem Zeitpunkt dann die Journalisten hier nicht mehr anwesend sein werden. Ich rede aber nicht nur für Journalisten, sondern zur Überzeugung dieses Hauses. Und wenn es einem um die Sache geht, dann hätte man bis dahin warten können. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. Redezeit: 5 Minuten.

9.21

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Auf die Angriffe von Frau Dr. Schmidt möchte ich nicht eingehen, sondern nur sagen: Sie profiliert sich zunehmend als verlängerter Arm der Regierung in der Opposition. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr wohl möchte ich aber die Einwendungsdebatte der Grünen zum Anlaß nehmen, zu hinterfragen, wie ernst es die Regierungskoalition mit den Interpellations- und Kontrollrechten – auch der Opposition – in diesem Hohen Haus nimmt.

Es ist ja bezeichnend, daß viele Affären in dieser Republik Ihrer Ansicht nach nicht im Parlament diskutiert werden sollen, so zum Beispiel die Affäre Praschak, die die Abgründe dieser Republik im Bankenwesen aufgezeigt hat. Es geht um Preisabsprachen bei den Banken, weiters um Absprachen in der Kontrollbank. Es geht um steuerbegünstigte Ausschüttungen von Gewinnen und Provisionen und um parteipolitische Einflußnahme bei der Postenbesetzung sowie


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bei operativen Geschäften. – Das sind Punkte, die die Öffentlichkeit sehr wohl interessieren und die im Hohen Haus diskutiert werden sollten.

Ein weiteres Beispiel in diesem Zusammenhang wäre der Ständige Unterausschuß des Rechnungshofausschusses, in dem Akten einfach nicht vorgelegt werden, auch wenn das Bundesheer fragwürdige Kompensationsgeschäfte macht. (Abg. Koppler: Warst du dabei?)

Wozu brauchen wir denn dann noch ein Parlament? Zu welchem Zweck wollen Sie von der Koalition das Parlament mit Ihrer Mehrheit mißbrauchen? Warum geben Sie dem Parlament nicht die Chance, seinen Kontrollrechten nachzukommen und Affären aufzudecken? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Minderheitsrechte des österreichischen Nationalrates entsprechen nicht dem europäischen Standard! In diesem Bereich gilt es noch viel zu leisten! Sie sind aber – das auch an die Adresse der Grünen – einmal mehr Opfer der Geschäftsordnungsreform, einer "Reform", der Sie selbst zugestimmt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Haus hat einfach Prioritäten zu setzen. Wenn Sie sich die Tagesordnungspunkte 7 bis 9 ansehen, so merken Sie, daß das Tagesordnungspunkte sind, die wirklich nicht mehr aktuell sind. Denn: Wir diskutieren einen Waldbericht aus dem Jahr 1995. Wir diskutieren weiters auch über einen Antrag des Abgeordneten Peter, wobei ich glaube, daß er es verschmerzen würde, wenn das Thema Mountainbiking vertagt würde. Wir diskutieren einmal mehr über eine Novelle zum Wasserrechtsgesetz, gegen welche die Länder schärfsten Protest eingelegt haben. Viele Landeshauptleute haben bereits angekündigt, daß sie den sogenannten Konsultationsmechanismus einschalten werden. – Wozu sollen wir also heute über eine Novelle diskutieren und diese beschließen, wenn sie auf Länderebene höchst umstritten ist und in der Umsetzung große Probleme bringen wird?!

Ich bin daher dafür, daß diese Punkte von der Tagesordnung genommen werden, daß in diesem Hause Prioritäten gesetzt werden und daß vor allem das Vertuscher-Kartell, welches zwischen Rot und Schwarz offenbar besteht, heute aufgebrochen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. (Abg. Ing. Langthaler: Eine Wortmeldung!) – Wenn ich erklärt habe, daß niemand mehr zu Wort gemeldet ist und auch hier beim Präsidium niemand mehr gemeldet war, dann bleibt es bei dieser Entscheidung.

Wir gelangen also zur Abstimmung über den Antrag von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic, die Tagesordnungspunkte 7 bis 10 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag der Abgeordneten Petrovic auf Absetzung dieser Tagesordnungspunkte zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Damit bleibt es bei der ausgegebenen Tagesordnung.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

"Aktueller Stand der EU-Regierungskonferenz"

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Spindelegger. Ich erteile es ihm. Redezeit: 10 Minuten.


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9.26

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Wir haben dieses Thema für die Aktuelle Stunde vorgeschlagen, weil es scheint, daß sich die Regierungskonferenz der Europäischen Union Anfang Juni dem Ende zuneigt und daher in diesem Haus noch einmal Gelegenheit sein sollte, über dieses für Österreich so wichtige Thema ausführlich zu diskutieren.

Ich darf zu Beginn festhalten, was bei dieser Regierungskonferenz der Europäischen Union einmal anders ist.

Als der Rat 1994 in Korfu eine Reflexionsgruppe zur Vorbereitung der Regierungskonferenz eingesetzt hatte, war für uns noch gar nicht absehbar, wie Österreich tatsächlich mit Beginn 1995 als vollberechtigtes Mitglied an dieser Konferenz teilnehmen kann. Ich glaube, daß es für uns einen Qualitätssprung gegeben hat, wobei man zunächst einmal festhalten muß: Wir können bei dieser Regierungskonferenz der Europäischen Union als vollberechtigtes Mitglied teilnehmen, und das ist eine wesentliche Steigerung unserer Möglichkeiten, um in der Europäischen Union mitzubestimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. )

Ich möchte mich mit einigen Inhalten beschäftigen, die aus unserer Sicht bei dieser Regierungskonferenz ganz besonders wichtig sind. Als ersten Punkt möchte ich die größere Bürgernähe Europas herausgreifen, die für Österreich und vor allem für die Österreichische Volkspartei einen ganz besonderen Stellenwert hat.

Wir von der Österreichischen Volkspartei haben verlangt, daß in dieser Regierungskonferenz die Erwartungen und Anliegen der Bürger im Mittelpunkt stehen sollen. Ich möchte das anhand von drei Punkten näher erläutern.

Ich glaube, daß die demokratische Einbindung der Institutionen stärker betont werden muß, und darf hiebei sagen, daß das Europäische Parlament nach dieser Regierungskonferenz sicher mit mehr Rechten – vor allem im Mitentscheidungsverfahren – aussteigen muß, als das zuvor der Fall war. Es ist wohl keinem Bürger verständlich zu machen, daß er die Möglichkeit hat, einen Abgeordneten zum Europäischen Parlament unmittelbar zu wählen, der aber dann bei der Kompetenzfrage der Mitentscheidung im Gesetzgebungsverfahren keine volle Teilnahmemöglichkeit hat. Das ist daher ein wesentlicher Punkt, die Demokratie zu stärken.

Der zweite Punkt betrifft die Frage der Stärkung des Ausschusses der Regionen. Da werden wir bei der Regierungskonferenz vielleicht nicht den großen Erfolg landen. Ich denke aber dennoch, daß Österreich als föderalistisch organisierter Bundesstaat besonderes Interesse daran haben muß, daß die Regionen in Europa in Form dieses Ausschusses ein stärkeres Mitspracherecht bekommen. Ich glaube, daß die derzeitige Regelung noch zu schwach ausgeprägt ist.

Es zeigt sich für uns auch, daß wir in dieser Frage Anerkennung von jenen Staaten bekamen, die eine ähnlich föderale Struktur wie Österreich aufweisen. Wir können es sicher schon als Erfolg verbuchen, daß uns in dieser Frage besondere Aufmerksamkeit und Anerkennung gewidmet wurden.

Ich meine aber auch, daß das Demokratieelement nicht das einzige ist, wodurch die Bürgernähe verstärkt wird, sondern wir sollten auch an Vereinfachungen denken.

In diesem Zusammenhang führe ich etwa Verfahrensvereinfachungen in der Frage der Mitbestimmung des Parlaments an. Dublin II zeigt, daß durchaus bereits Maßnahmen vorgeschlagen wurden, wonach man sich künftig auf 3 Verfahren beschränken und nicht wie bisher 20 Verfahren anwenden wird.

Mitentscheidung, Zustimmung und Anhörung sollten wirklich genügen und bewirken, daß alles übersichtlicher wird und auch die Transparenz von Entscheidungen der Europäischen Union steigt.


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Ich glaube aber auch, daß wir Vereinfachungen im Antragsverfahren generell durchsetzen müssen. Jeder, der in Österreich an einem Programm teilnehmen wollte und einen Antrag gestellt hat, weiß, wie schwierig Verfahren oft in Gang zu setzen und Anträge auszufüllen sind. Er weiß auch, wieviel an Kosten das verursacht und wie das oft in Relation zu dem steht, was man an Fördermitteln bekommen kann.

Wir müssen uns aber auch dafür einsetzen – und das haben wir getan –, daß Themen, die unsere Bürger besonders betreffen, in den Vertrag aufgenommen werden. Dabei denke ich etwa an die Frage Umweltschutz, wo einige Formulierungen, die Dublin II schon als Vorschlag für diese Regierungskonferenz gebracht hat, durchaus auch auf unsere Initiative zurückgehen. Ich denke da etwa an die Zielbestimmungen in Richtung Nachhaltigkeit, die uns von der ÖVP ein besonderes Anliegen sind.

Ich möchte einen zweiten Punkt bezüglich dieser Regierungskonferenz ansprechen, der für mich als christlichen Arbeitnehmervertreter besondere Bedeutung hat, nämlich die Beschäftigungspolitik. Beschäftigungspolitik aus österreichischer Sicht soll nicht heißen, daß die Europäische Union Kompetenzen an sich ziehen und Österreich mit seinen Maßnahmen in den Hintergrund gedrängt werden soll. Nein, wir wollen, daß sich die Europäische Union zum Ziel eines hohen Beschäftigtenstandes bekennt, hohe Sozialstandards verlangt und die Koordinierung und Kontrolle in der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten ausübt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich darf mit Freude registrieren, daß im Zusammenhang mit Dublin II bei Entscheidungen, die dort vorgeschlagen wurden, der österreichischen Position ein breiter Raum an Zustimmung gewährt wurde. Beschäftigungspolitische Leitlinien des Rates, jährliche Bewertung der Maßnahmen der einzelnen Mitgliedsländer oder Fördermaßnahmen zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Beschäftigungspolitik sind nur einige Punkte, die zukünftig im Vertrag zur Beschäftigungspolitik Aufnahme finden sollen. Und das möchte ich als wirklichen Erfolg Österreichs bei diesen Verhandlungen herausstreichen (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. )

Meine Damen und Herren! Ich glaube aber, daß wir uns in der Praxis ständig um die Umsetzung dieser Beschäftigungspolitik bemühen müssen. Im Zusammenhang mit dieser Umsetzung ist ein großes Vorhaben, das im Vertrag verankert ist, mit großem Augenmerk zu bedenken, nämlich der Ausbau der Transeuropäischen Netze. Hiebei handelt es sich um ein Investitionsvolumen, das ungeheuer große Ausmaße annimmt. Es soll dadurch die Infrastruktur innerhalb der Europäischen Union modernisiert werden. Das hätte auch beschäftigungspolitische Effekte, die uns in Österreich besonders guttun würden.

Wenn ich daher Diskussionen verfolge, in denen gesagt wird, daß auch dort der Rotstift angesetzt werden müsse, kann ich nur sagen: Wir Österreicher – mit einer Nord-Süd-Verbindung über den Brenner, der ein noch engerer Flaschenhals werden wird, als das in der Vergangenheit ohnehin schon der Fall war – brauchen unbedingt diese Transeuropäischen Netze. Das möchte ich besonders festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte jetzt noch auf einen dritten Punkt eingehen, der für uns von Bedeutung ist, nämlich die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Als Erwartungen Österreichs haben wir dazu formuliert, daß wir die Vorbereitungen in bezug auf die Entscheidungen verbessern wollen, daß wir weiters eine effektivere Beschlußfassung der Europäischen Union in diesen Fragen anstreben, eine wirkungsvollere Durchführung der GASP befürworten und auch Fortschritte bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik erwarten.

Wenn man sich dazu die Schlußfolgerungen von Dublin ansieht, so merkt man, daß uns vieles von dem, was dort bestimmt wurde, entgegenkommt. Ich möchte aber doch folgendes festhalten: Die eine Seite der Medaille ist die Frage, ob der "politische Arm" der Europäischen Union, die Entscheidungen dort, tatsächlich unserem Interesse nach einem stärkeren Engagement im Bereich der Sicherheitspolitik entgegenkommt.


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74. Sitzung / Seite 21

Diese politische Seite ist aber eben nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist der "militärische Arm". Meine Damen und Herren! Machen wir uns nichts vor: Bei dieser Regierungskonferenz wird sich keine neue Europa-Armee herauskristallisieren, sondern der "militärische Arm" wird die "NATO neu" sein. Darum würde ich mir sehr wünschen, daß wir in diesem Haus in realistischer Weise darüber diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend möchte ich festhalten, daß wir auf Erfolge verweisen können, was die bisherigen Ergebnisse von Dublin II betrifft, und sich damit zeigt, daß Österreich auch als kleines Land in einer großen Gemeinschaft seine Spuren hinterlassen kann.

Ich wünsche unserem Verhandlungsteam und insbesondere dem Vizekanzler und Außenminister für diese Regierungskonferenz sehr viel Glück und Erfolg im Interesse Österreichs! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Gegenstand der Aktuellen Stunde hat sich der Herr Vizekanzler zu Wort gemeldet. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Vizekanzler.

9.35

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Europa ist ein Projekt, es ist ein unfertiges Projekt, und dieses unfertige Projekt wird im Laufe von sogenannten Vertragskonferenzen oder Regierungskonferenzen weiterentwickelt. Die Konferenz, die jetzt läuft und zum ersten Mal mit österreichischer Mitwirkung die Europäische Union nachhaltig – so hoffe ich jedenfalls – verändern wird, ist sehr interessant, denn das Projekt Europa nimmt damit weitere Gestalt an.

Wir haben schon einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, in dem Freihandel getrieben werden kann, in dem es gleiche Standards, gleiche Normen und gleiche Regeln gibt.

Wir wollen einen gemeinsamen Sozialraum, in dem es Mindeststandards für soziale Spielregeln gibt, und wir wollen eine gemeinsame Außenpolitik. Es wird irgendwann einmal auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik auf europäischer Ebene geben. Und wir arbeiten gerade fieberhaft an der Erarbeitung einer europäischen Währung.

Sie dürfen nicht glauben, daß es diese Dinge nicht schon einmal gegeben hat: In der österreichisch-ungarischen Monarchie zum Beispiel hat es viele dieser Elemente bereits gegeben. Sehr unterschiedliche Länder hatten eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Verteidigungspolitik, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum und eine gemeinsame Währung. – Europa vollzieht also heute das nach, was schmerzlich durch zwei Weltkriege verlorengegangen ist.

Österreich nimmt jetzt zum ersten Mal an diesem Projekt teil – und wir engagieren uns auch sehr. Wir haben in der bisherigen Regierungskonferenz auch manches erreicht.

Erlauben Sie, daß ich zunächst einmal allen danke, die an diesem gemeinsamen Projekt mitarbeiten: Das sind sämtliche Ministerien, unter denen auch die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert; das Bundeskanzleramt, das Außenamt, aber auch alle anderen Ressorts haben gut zusammengearbeitet. Ich möchte mich aber ausdrücklich auch bei den fünf Parlamentsfraktionen bedanken, die ja, wie wenige andere nationale Parlamente, die Arbeit an dieser Regierungskonferenz zum Teil mit konstruktiven, aber auch mit kritisch-konstruktiven Beiträgen begleitet haben. Insgesamt ist das Ergebnis ein sehr gutes. Herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Was waren nun die wichtigsten Ziele, die sich Österreich gesetzt hat? Erlauben Sie mir, zu sagen: Es waren nicht vor allem die Machtspiele und Machtdemonstrationen der Großen – wer wird stärker: die Kommission, das Parlament, der Rat? Wie viele Stimmen soll jedes Land haben? – In Wirklichkeit interessiert das die Öffentlichkeit herzlich wenig. Wir haben uns darauf konzentriert, was dem Bürger am wichtigsten ist. Mein Freund Spindelegger hat schon gesagt,


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daß das derzeit wichtigste Thema in Europa das Schaffen von Arbeitsplätzen ist: Jobs absichern, neue Möglichkeiten eröffnen.

Zweites großes Thema sind die Menschenrechte. Österreich hat sich in diesem Bereich besonders engagiert. Und dieses Thema wird wichtiger werden, wenn wir die Gemeinschaft der 15 auf vielleicht 20 oder gar 25 Länder ausdehnen werden.

Das dritte Thema war der Umweltschutz. Wie können wir höhere Standards halten oder sogar neue schaffen?

Das vierte wichtige Anliegen – gerade, wenn sich das internationale Verbrechertum stärker organisiert – ist die Frage, wie wir mehr Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Justizbehörden sowie den Gerichten schaffen, ohne bei der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik die Möglichkeit einer Notbremse aufzugeben, sodaß wir unsere Grenzen – in nationalem Interesse – dichtmachen können.

Ein sehr wichtiges Thema war die bessere Koordination der Außenpolitik, die leider bei manchen Themen in der Europäischen Union überhaupt nicht gut funktioniert.

Wichtig war uns Österreichern eine vertragliche Verankerung des Tierschutzes. Da waren wir am Anfang völlig allein; jetzt aber traut sich eigentlich keiner mehr dagegen zu sein. Offiziell ist es noch nicht, aber ich hoffe, daß wir ein gemeinsames Vertragsprotokoll in diesem Sinn zustande bringen.

Eine ebenso wichtige positive Botschaft: Die Gleichstellung von Mann und Frau ist sicher über den heutigen Artikel 119, also über: gleichen Lohn für gleiche Arbeit hinausgehend. Es soll auch positive Maßnahmen zur Herstellung dieser Gleichheit geben.

Das sind die positiven Meldungen, und ich meine, daß darin große inhaltliche Dinge enthalten sind, die man auch richtig gewichten muß. Die Koordination auf europäischer Ebene durch ein eigenes Beschäftigungskapitel kann natürlich nicht glauben machen, daß damit konkrete Arbeitsplätze geschaffen werden, aber es ist wichtig, daß wir auch auf europäischer Ebene darauf achten, daß wir unsere Beschäftigungspolitik besser aufeinander abstimmen.

In bezug auf die Menschenrechte ist vieles gelungen.

Hinsichtlich des Umweltschutzes besteht ein Teilerfolg darin, daß wir das gemeinsame Anliegen der nachhaltigen Entwicklung als Vertragsziel verankern; die Standards weiterzuentwickeln, bleibt noch offen.

Was den Bereich der inneren Sicherheit betrifft, ist es wichtig, daß die europäische Polizeieinheit Europol operativ tätig wird. Wichtig ist weiters, daß der Europäische Gerichtshof eine stärkere Position bekommt. Vermutlich wird das Schengener Abkommen besser in den Europäischen Vertrag integriert werden können.

Im Bereich der Außenpolitik werden kleine Schritte zur Verbesserung erfolgen: eine bessere Planungseinheit und ein besseres Vorbereiten der Entscheidungen. Es wird ein kontinuierlicher Vertreter der Europäischen Union eingesetzt werden, der die europäische Außenpolitik besser koordinieren kann. Wir wollen auch die Petersberg-Aktionen – Sicherung gegen Krisen sowie Frieden schaffende und erhaltende Aktionen – in den Vertrag aufnehmen.

Weiterführende Maßnahmen, wie sie manche Mitgliedsländer vorgeschlagen haben, etwa eine Verschmelzung von EU und Westeuropäischer Union, werden vor allem wegen des Widerstandes Großbritanniens und der Skepsis mancher nordischer Staaten in diesem Vertrag sicherlich nicht möglich sein.

Am letzten Tag dieses Treffens werden sicher die besonders heiklen Institutionen-Fragen zur Sprache kommen. Dabei wird es für uns kritisch werden, denn – das muß man offen auf den Tisch legen – da besteht ein echter Konflikt zwischen den kleinen und den großen Ländern. Die


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großen Länder wollen eine Veränderung der Kommission in der Weise herbeiführen, daß nicht mehr jedes Mitgliedsland automatisch seinen Kommissär in der Kommission hat. Das lehnen wir strikt ab. Wir glauben vielmehr, daß die Kommission nur dann glaubhaft für ganz Europa sprechen kann, wenn jeder Mitgliedstaat mit Sitz und Stimme darin vertreten ist. Da "fährt die Eisenbahn drüber". Mag das am Ende auch noch so kritisch werden: Ich kann mir nicht vorstellen, daß Österreich – wie auch andere kleine Länder – in dieser Frage nachgeben kann und darf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die zweite kritische Frage wird die Umgewichtung der Stimmen sein. Es ist wahr, daß heute die kleineren Staaten im EU-Rat ein überproportionales Stimmgewicht haben. Österreich hat vier Stimmen, hingegen haben die Deutschen, obwohl die Bevölkerungszahl zehnmal so groß ist, nur zehn Stimmen. Daraus resultiert ein Stimmenverhältnis von 4 : 10, wogegen das Bevölkerungsverhältnis 1 : 10 ist. Das ist selbstverständlich ein Vorteil für Österreich. Doch kommt darin eine bewußt eingesetzte Balance zum Ausdruck, derzufolge die kleineren Staaten mit größerem Nachdruck sprechen können und vertreten sein sollen. Das hat sich als ein gutes Prinzip in der Geschichte der Europäischen Union erwiesen.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß man ohne Notwendigkeit – und eine sachliche Notwendigkeit dafür gibt es nicht – daran etwas ändert. Vorstellen könnte ich mir aber, daß man eine weitere Barriere zusätzlich einführt, indem man bei jeder Abstimmung nicht nur überprüft, ob es eine qualifizierte Mehrheit gibt, sondern überdies nachfragt, ob durch die Stimmen im Ministerrat auch eine entsprechende Bevölkerungsmehrheit repräsentiert wird. Dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Wenn sich bei einer Abstimmung herausstellt, daß dieser Entscheid auch von ungefähr 60 Prozent der europäischen Bevölkerung getragen ist, dann ist das meiner Meinung nach ein zusätzliches demokratisches Kriterium, das den Abstimmungen in der Union guttun würde. Am Ende würde ich einen solchen Kompromiß akzeptieren. Ich hoffe, daß auch das Parlament dabei mitgehen würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme zum Schluß. – Eine wichtige Rolle in den Institutionen spielt auch das Machtverhältnis oder das Kräftegleichgewicht zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten. Österreich setzt sich sehr stark für mehr Rechte für das Europäische Parlament ein, ohne dabei die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der nationalen Parlamente in Frage stellen zu wollen.

In dieser Frage werden wir einen Teilerfolg heimbringen, das sage ich ganz offen: Es wird mehr Mitentscheidungen geben. Der große Durchbruch wird aber aufgrund der Skepsis vor allem unter den großen Mitgliedsländern ausbleiben. Wir wollen aber in einem Vertragsprotokoll zusätzlich verankern, daß den nationalen Parlamenten, auch dem österreichischen, eine starke Stimme in der europäischen Mitentscheidung gesichert wird.

Das sind im Umriß die Ergebnisse vor dem "Endspiel", in dessen Rahmen zwei Außenminister-Runden und zwei Klausuren im Europäischen Rat stattfinden werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Stellungnahme und Information.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Nach § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung sind die Redezeiten mit 5 Minuten begrenzt.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat. – Bitte.

9.45

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Regierungskonferenz zur Europäischen Union, die im März 1996 in Turin begonnen hat, soll mit dem europäischen Gipfeltreffen in Amsterdam im Juni 1997 abgeschlossen werden.


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Im Zuge der Verhandlungen zur Regierungskonferenz hat sich Österreich als ein reform- und integrationsorientiertes Mitglied der Europäischen Union gezeigt. Wie der Herr Außenminister soeben gesagt hat, bringt die Regierungskonferenz zwar nicht die zu Anfang erwartete totale Umgestaltung der Europäischen Union mit sich, aber sie hat viele wichtige Schritte zu deren Vertiefung gesetzt, die die unabdingbare Voraussetzung für eine Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Länder darstellt.

Die abgeschlossene Regierungskonferenz 1996 und ihre Ergebnisse werden eine gute Grundlage für eine konstruktive und erfolgreiche Arbeit Österreichs in seiner Zeit der EU-Präsidentschaft 1998 bilden, wenn grundsätzliche Strukturreformen im Bereich der Gemeinsamen Außenpolitik, der Mittelverteilung und des Strukturpakets anstehen werden und von Österreich als Vorsitzland bewältigt werden müssen.

Meine Damen und Herren! Die Mitgliedstaaten sind mit großer Gelassenheit an die Regierungskonferenz herangegangen. Allen war klar, daß die Europäische Union auf einer festen, unbestrittenen Grundlage steht, sodaß nicht mehr grundsätzliche Fragen, sondern weitere Verbesserungen des Lebens aller Europäer im Vordergrund standen. Es ging um die Vertiefung der politischen Zusammenarbeit in Europa und um eine stärkere Verknüpfung, unter anderem in den Bereichen der Außenpolitik, aber in besonderem Maße auch in bezug auf Justiz und Sicherheit, das heißt im Bereich der dritten Säule. Vor allem in diesem Bereich müssen die Strukturen der Europäischen Union der heutigen Zeit angepaßt werden. Die Bekämpfung der internationalen Kriminalität, des Drogenhandels und des Terrorismus sind wichtige Aufgaben, die wichtigen Anliegen jedes einzelnen Bürgers der Europäischen Union entsprechen.

Bereits der Maastricht-Vertrag aus dem Jahr 1992 sieht in seinen Bestimmungen einen Zeitpunkt zur neuerlichen Revision der Verträge vor. Darin ist auch festgehalten, daß mit Hilfe einer Generalklausel die Mitgliedstaaten jegliche gewünschte Änderung der Verträge zum Thema der Konferenz machen können. Diese Möglichkeit hat Österreich intensiv genützt. Österreich hat zu allen Themen der Regierungskonferenz, vor allem aber zu den oben genannten, seine Standpunkte in den Leitlinien und Grundsatzpositionen zur Regierungskonferenz festgelegt.

Im Bereich der dritten Säule hat Österreich in zweierlei Hinsicht eine Weiterentwicklung gefordert: Zum einen betrifft das die Übertragung der Aufgaben aus dem Bereich der inneren Sicherheit in die erste Säule – das bedeutet Vergemeinschaftung –, zum anderen eine stärkere Nutzung gemeinschaftlicher Institutionen im Bereich der dritten Säule.

Für eine Vergemeinschaftung hat Österreich folgende Bereiche vorgeschlagen: Visa-Politik, Asylfragen, Kontrollen der Außengrenzen, Bekämpfung des Drogenhandels und Zusammenarbeit im Zollbereich. Die strafrechtlichen Angelegenheiten sollten jedoch im Bereich der dritten Säule bleiben.

Die Möglichkeit der Mehrheitsentscheidung sollte schrittweise auf die dritte Säule ausgedehnt werden, vor allem zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität.

Der Dialog mit den mittel- und osteuropäischen Ländern sollte ausgebaut werden, vor allem im Bereich Justiz und Inneres: Migrationspolitik, Grenzkontrolle, polizeiliche Ausbildung und Standardisierung von Asylverfahren.

Österreich hat sich deutlich für eine Weiterentwicklung bestehender Strukturen und für eine Vergemeinschaftung wesentlicher Politikbereiche ausgesprochen.

Aber auch in bezug auf wichtige Anliegen, die innerhalb Österreichs besonders ernst genommen werden, konnte der Außenminister bedeutende Initiativen starten: bezüglich Umweltschutz, Tierschutz, Menschenrechtsfragen und der Integration behinderter Menschen.

Der österreichische Vorstoß zur Aufnahme einer Antidiskriminierungsklausel für behinderte Menschen hat leider noch nicht gleich hohe Resonanz bei den Mitgliedstaaten gefunden wie die österreichisch-britische Initiative zur Verankerung des Tierschutzes in den EU-Verträgen. Beim


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Umweltschutz konnten Teilerfolge erzielt werden, die vor allem eine stärkere Verankerung des ökologischen Prinzips in der gemeinsamen Politik mit sich bringen.

Österreich hat damit unter Beweis gestellt, daß auch kleinere Mitgliedstaaten maßgebliche Impulse zur Weiterentwicklung der Europäischen Union geben können. Bereits mit seinem ersten großen Auftreten als EU-Mitgliedstaat im Rahmen dieser Konferenz hat Österreich schlagend seine Kompetenz zur Durchsetzung von Lösungen im Bereich drängender Probleme unter Beweis gestellt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, bitte beachten Sie die Redezeit.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (fortsetzend) : Abschließend: Österreich hat sich als vollwertiges, engagiertes und aktives Mitglied der Europäischen Union erwiesen. Auf die Arbeit des Außenministers und seines Hauses können die Österreicherinnen und Österreicher zu Recht stolz sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Gleiche Redezeit – vielmehr: nicht gleiche Redezeit, sondern 5 Minuten. (Abg. Schieder  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Die gleiche Redezeit bitte! – Heiterkeit.)

9.51

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde bietet uns Gelegenheit, uns die Position Österreichs innerhalb der Europäischen Union näher anzusehen und uns die Frage zu stellen, wie es Österreich als neuem Mitgliedsland ergeht, wie es sich einbringt und wie es uns gelingt, die Linie zu beeinflussen.

Meine Damen und Herren! Die Antwort ist eine positive. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß hiebei das erste Wort das eines Lobes und der Anerkennung sein muß, und zwar für alle, die in Brüssel unsere gemeinsam festgelegte und im Parlament zur Kenntnis gebrachte Position vertreten, sowie für alle, die unsere Position in unserem Land in den verschiedensten Dienststellen, aber auch im Bereich der Sozialpartner vorbereiten und mit Argumenten unterstützen. Vor diesem Hintergrund sind die vier Punkte zu sehen, die ich nun ansprechen möchte.

Der erste Punkt betrifft die aktive Beschäftigungspolitik beziehungsweise entsprechende vertragliche Regelungen hiefür im revidierten Maastricht-Vertrag. Diese Frage ist von Österreich angesprochen und vehement vertreten worden. Die Zahl derer, die für die Aufnahme eines Sozialabkommens und eines Beschäftigungskapitels eintreten, hat sich inzwischen vergrößert; mit der neuen englischen Regierung ist auch in diesem Bereich neue Dynamik eingezogen. Herr Vizekanzler, vielleicht könnten Sie uns sagen, wie Sie in diesem Bereich die Möglichkeiten einschätzen.

Der zweite Punkt betrifft das Institutionelle: die Zusammensetzung der Kommission und die Neugewichtung der Stimmen. Der österreichische Standpunkt ist klar: Es muß dabei bleiben, daß jedes Land einen Kommissar stellt, und eine Neugewichtung der Stimmen lehnen wir ab; aber wir sind offen gegenüber der Einführung des Systems der doppelten Mehrheit. Herr Vizekanzler! Ich bin froh darüber, daß Sie das heute hier so nachdrücklich gesagt haben, und ich bin auch froh darüber, daß Sie dies bei der Tagung am 29. und 30. April in Luxemburg ebenso deutlich ausgesprochen und überdies darauf hingewiesen haben, daß im EGV die derzeitige Praxis, daß jeder Mitgliedstaat einen EuGH-Richter stellt, ausdrücklich geregelt werden sollte.

Der dritte Bereich ist einer, von dem ich glaube, daß unsere Haltung nachzujustieren wäre, nämlich die Frage der Flexibilität im Bereich der ersten Säule. Die Bundesarbeitskammer hat recht, wenn sie darauf verweist, daß die österreichische Position immer diejenige war, die Flexibilität nur als Ausnahme zu sehen und ihr im Anwendungsfall nur Übergangscharakter zu geben, weil die gemeinsame Rechtsbasis des Binnenmarktes gewahrt werden muß.


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Beschäftigt man sich näher mit den einzelnen Bereichen, dann sieht man, daß das System der Flexibilität entweder ohnedies begrifflich ausgeschlossen ist, weil es sich um Binnenmarkt-Gesetzgebung handelt, oder aber sinnlos ist, wie zum Beispiel bei Grundlagen für freiwillige Maßnahmen. Andererseits ist dieses System entweder hemmend bei der Kompromißfindung, weil es nicht zu wirtschaftlich motivierten Maßnahmen führt, oder es ist gar schädlich, zum Beispiel dort, wo es Standortnachteile beinhaltet. Deshalb sollte die Flexibilität der Beschlußfassung mit einer auf bestimmte Staaten eingeschränkten Geltung im Rahmen der ersten Säule abgelehnt werden, und es sollte statt dessen eine Prüfung erfolgen, für welche Bereiche durch Einführung von qualifizierten Mehrheiten vermieden werden kann, daß es infolge des Erfordernisses der Einstimmigkeit zu Blockaden kommt.

Den vierten und letzten Punkt darf ich aus Zeitgründen nur kurz ansprechen. Herr Vizekanzler, vielleicht könnten Sie Auskunft darüber geben, warum Sie auf der Tagung der Außenminister am 29. und 30. April in der Frage des künftigen Verhältnisses zwischen EU und WEU unter jenen waren, die dem Ansatz der Vorsitzendenseite zustimmten, statt daß Sie sich, dem Beispiel von Staaten mit einer ähnlichen Einstellung und Verfassungslage wie Österreich, nämlich Finnlands, Irlands oder Schwedens folgend, für den irischen Ansatz ausgesprochen hätten.

Da meine Ausführungen so viel Lob enthalten haben, möge mir auch eine kritische Anmerkung erlaubt sein: Es interessiert mich, warum es gerade Österreich sein mußte, das sich in der Frage der Neugestaltung des Verhältnisses zwischen EU, WEU und NATO die meisten Sorgen und Gedanken darüber machte, ob es schon entsprechende Kontakte mit den Vereinigten Staaten von Amerika gegeben hätte. Es ist gut, wenn wir uns in all diesen Fragen solidarisch verhalten, doch weiß ich nicht, ob wir päpstlicher als der Papst sein sollen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reinhart Gaugg. – Bitte.

9.57

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das, was wir soeben in der Aktuellen Stunde erlebt haben, ist ein Mißbrauch parlamentarischer Einrichtungen. Ich werde das sogleich begründen.

Mit einer an Penetranz grenzenden Sicherheit lehnen Sie jede Initiative zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ab, egal, ob es die Morde an den Kurden oder den Fall Praschak betrifft. Da "fahren Sie darüber" mit Ihrer Mehrheit, obwohl das ein aktuelles Erfordernis wäre. Der Grund dafür ist, daß Sie Angst vor Aufdeckung haben. Und unter diesen Umständen ist nicht einzusehen, daß die heutige Aktuelle Stunde damit vertan wird, eine Huldigung an den Herrn Vizekanzler für unfertige Projekte zu veranstalten; er selbst hat diese Unfertigkeit in seinen Ausführungen angesprochen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unfertige Projekte und Ankündigungen sind es, Themen, die bloß andiskutiert worden sind: vom Tierschutz bis hin zur Beschäftigungspolitik, die während der letzten halben Stunde nicht länger als eine Minute Inhalt der Diskussion war! Nur eine einzige Minute hat man der Beschäftigungspolitik gewidmet und gemeint, daß sie wichtig wäre und daß sie in der EU zum Thema wird.

Dazu kann ich nur sagen: Von der Bundesregierung erwarte ich mir Lösungen in der Frage der Beschäftigung. Diese Lösungen aber fehlen! Das Peter-Prinzip kann nicht funktionieren. Mit dieser Regierung wird es uns nicht gelingen, Arbeitsplätze zu schaffen. Wir leiden unter steigender Arbeitslosigkeit und haben ein sinkendes Angebot an Arbeitsplätzen, aber die Regierung schiebt alles auf Dublin II ab, damit das Problem dort gelöst wird. So wird und so kann das nicht gelingen! Die Glaubwürdigkeit dieser Regierung nähert sich dem Nullpunkt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Glaubwürdigkeit der Regierung leidet deshalb, weil es dem Herrn Vizekanzler wesentlich besser anstehen würde, uns heute hier zu sagen, welche Versprechungen anläßlich des EU-Beitrittes erfüllt wurden. Welche EU-Beitrittsversprechungen wurden bis zum heutigen Tag von Ihnen und Ihren Regierungskollegen erfüllt? – Keine!


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Es tut mir leid, das feststellen zu müssen, aber es besteht Ihrerseits anscheinend keine Lernfähigkeit. Vom "Umfaller Schüssel" wurde schon des öfteren gesprochen, und das bestätigt sich immer wieder: sei es anläßlich der Übernahme der CA durch die Bank Austria, sei es in der NATO-Frage oder sei es im Bereich der EU. Auch wird immer wieder darauf verwiesen, daß künftig etwas geschehen werde, aber danach geschieht nichts mehr. Deshalb ersuche ich Sie dringend, in Hinkunft ausschließlich dann vor den Nationalrat zu treten, wenn Sie fertige Arbeiten vorzeigen können und Ergebnisse erzielt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wünschte mir, daß Sie und Ihre Regierungskollegen in der Frage der EU ein ebensolches Engagement zeigten, wie Sie es dort zeigen, wo Sie es schaffen, den Postenschacher in Österreich fröhliche Urständ feiern zu lassen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie betreiben eine perfekte Beschäftigungspolitik für Ihre Sekretäre und Funktionäre. Diese beherrschen Sie in Perfektion, und zwar in allen Bereichen: bei den Österreichischen Bundesbahnen, bei der Oesterreichischen Nationalbank, bei allen Banken, Versicherungen und verstaatlichten Betrieben. Wo auch immer es möglich ist, werden Ihre eigenen Sekretäre versorgt. Ich würde mir wünschen, daß derartige Versorgungsposten auch allen anderen österreichischen Arbeitnehmern angeboten werden, und zwar zu ähnlichen Bedingungen, nämlich mit Gagen in Millionenhöhe.

Ich meine, es stünde Ihnen, Herr Vizekanzler, gut an, wenn Sie uns Lösungen in der Frage der Beschäftigungspolitik innerhalb der EU, speziell in Österreich, anböten, die zu einer größeren Zahl von Beschäftigten in unserem Land führen könnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

10.01

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wundert mich, daß man sich selbst so loben kann, Herr Bundesminister. Daß anscheinend auch bei Ihrem Regierungspartner Zweifel bestehen, zeigt sich daran, daß sich beim Schlußapplaus nur zwei Sozialdemokraten gefunden haben, die Sie unterstützt haben.

Mein erster Punkt ist folgender: Sie sagen, daß die Europäische Union jetzt in einer wichtigen Phase sei, daß Österreich sich voll eingebracht habe. Ich frage mich aber, warum die letzte Positionierung der Regierung vom April 1996 stammt und es seitdem keine gemeinsame Erklärung der Regierung mehr gegeben hat.

Zweiter Punkt: Warum ermöglichen es die Koalitionsparteien nicht, eine gemeinsame Stellungnahme zu erarbeiten? Wir haben uns erlaubt, im Hauptausschuß Anträge zur GASP, zu Grundrechten, zu Institutionen, zu Fragen der Justiz und Inneres einzubringen, um im Parlament zu einer gemeinsamen Stellungnahme zu kommen. Dies war nicht möglich. Allerdings ist dies in anderen Parlamenten, etwa in Italien, sehr wohl möglich. Dort haben sich die Parlamentarier darauf verständigt, daß sie, wenn die Kompetenzen vom Europäischen Parlament nicht ausgebaut werden, einer Ratifizierung nicht zustimmen werden. (Abg. Schieder: Eine gemeinsame Stellungnahme gibt es nur, wenn es eine gemeinsame Auffassung gibt!) Ich hätte mir gewünscht, Herr Kollege Schieder, daß auch wir uns zu dieser Position durchringen. (Abg. Schieder: Ihre Anträge hat es nicht einmal einen Tag vor der Sitzung gegeben! Das haben sich die anderen nicht anschauen können! Das war nicht ernst gemeint!) Natürlich ist es ernst gemeint, Herr Schieder. Sie wissen das genau. Sie waren mit mir im Ausschuß. Aber ich möchte fortfahren, da die Unterhaltung mit Ihnen bis jetzt noch nicht gefruchtet hat. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu den Grundrechten: Ein europäisches Volksgruppenrecht wäre durchaus noch hinzuzufügen; das ist nicht erwähnt worden. Der Tierschutz ist ebenfalls eine wichtige Angelegenheit. Warum hat sich Österreich noch nicht dazu durchgerungen, den Tierschutz bundesweit zu koordinieren? Er ist nach wie vor Ländersache, aber das wäre doch die erste Stufe.


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In puncto Beschäftigung ist es natürlich wichtig, ein Beschäftigungskapitel zu haben – Sie können es auf jede Wand der Kommission draufsprayen –, aber solange die Europäische Union mehr Geld für den Tabakanbau, für Seidenraupen und für Textilpflanzen als für Beschäftigung ausgibt, muß ich sagen, stinkt es von der Machbarkeit her. Deshalb würde ich mir wünschen, daß Sie eine klare Stellungnahme abgeben, daß nichtobligatorische und obligatorische Aufgaben in einem behandelt werden, das heißt, daß das Europäische Parlament bei nichtobligatorischen Aufgaben ein Mitentscheidungsrecht bekommt. Nur auf diese Weise werden wir den Mißbrauch in den Griff bekommen, nur so haben wir die Garantie, daß die Beschäftigungsinitiativen, die von der Europäischen Union gestartet werden, auch adäquat finanziert werden. Es ist doch erbärmlich, was wir uns da vorspielen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen. )

Sie versuchen wirklich andauernd, das Parlament auszuschalten, wo es nur geht. Nicht nur, daß wir bis jetzt im Hauptausschuß keine gemeinsame Position erarbeiten konnten, Herr Kollege Schieder – ich hätte mir das wirklich gewünscht –, nicht nur, daß Sie dagegen sind, daß man Untersuchungsausschüsse dort einsetzt, wo offensichtlich nicht nur von einigen, sondern von vielen Leuten in Österreich die Notwendigkeit einer parlamentarischen Bewertung gesehen wird, sondern es geht noch weiter. Es geht um die Rechte jener Bürger, die sich in die EU integrieren, es geht um die Rechte jener Personen, die einwanderungswillig sind.

Da gibt es interessanterweise eine Resolution, die im Europäischen Parlament am 30. Jänner 1997 verabschiedet worden ist. In dieser Resolution verlangt man, daß Nicht-EU-Bürger nach einer Integration von fünf Jahren das kommunale Wahlrecht bekommen. Dafür sind wir von allen möglichen Fraktionen sehr angegriffen worden. Allerdings haben interessanterweise bei dieser Abstimmung alle ÖVP-Mitglieder, die anwesend waren, unterzeichnet: Stenzel, Schierhuber, Rübig, Flemming, Rack et cetera. Alle österreichischen Sozialdemokraten haben mitgestimmt, und – man glaubt es kaum – Hager, Kronberger, Linser, meines Wissens drei FP-Mandatare im Europäischen Parlament, haben sich auch dafür eingesetzt – und ich lobe sie dafür –, daß die EU-Ausländer, die nach fünf Jahren integriert sind, das kommunale Wahlrecht erhalten. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum. )

10.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Sie hat das Wort.

10.07

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine schwierige Debatte, denn wenn ich mich hier umschaue, stelle ich fest, daß nicht gerade alle von der Idee gefesselt sind, heute in einer Aktuellen Stunde über die Regierungskonferenz zu diskutieren. Das mag vielleicht daran liegen, daß eine Aktuelle Stunde unter Umständen nicht die geeignete Form ist, eine sehr, sehr komplexe Materie in 5-Minuten-Beiträgen zu diskutieren. Das kann nur Makulatur bleiben, was auch immer jeder Redner oder jede Rednerin hier am Rednerpult sagt.

Das zeigt aber auch eines der Defizite auf, auf das schon meine Vorrednerin eingegangen ist, nämlich daß es eigentlich keine echte parlamentarische Auseinandersetzung zum Thema Regierungskonferenz gegeben hat. Es hat einige eher mühevolle Debatten im Hauptausschuß gegeben, aber keine gesamtparlamentarische Auseinandersetzung. Ich glaube, daß der Informationsstand sehr unterschiedlich ist, was natürlich auch daran liegt, daß es sich bei der zur Verhandlung stehenden Materie um eine sehr komplexe Angelegenheit handelt.

Als diese Regierungskonferenz im vorigen Jahr begonnen hat, haben, so meine ich, viele von Ihnen ganz andere Vorstellungen damit verbunden als das, was in diesem Jahr behandelt und beraten wurde und was vermutlich nun herauskommen wird. Ich meine, daß viele von Ihnen und auch viele andere in der Bevölkerung, die gehört haben, daß es eine Regierungskonferenz auf europäischer Ebene gibt, sich fragen, worüber diese Konferenz eigentlich berät. – Sie berät, wie dieses Europa von morgen auszuschauen hat. Damit werden natürlich Visionen verbunden. Wie soll dieses Europa ausschauen? In welche Richtung soll es sich entwickeln? Wie soll die Zu


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kunft nach dem Zusammenbruch der Regime in Osteuropa, nach dem Niederbrechen des Eisernen Vorhanges aussehen? Was wird wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch daraus entstehen? Was wird vor allem im Rahmen der Sicherheitspolitik aus diesem Europa werden? Was wird beraten werden?

Wenn Sie sich heute anhören, was der Herr Minister von der Regierungskonferenz berichtet, so handelt es sich um sehr viele formelle Details, um Einzelbestimmungen, bei denen es um Mehrheiten geht und so weiter. Daraus formt sich aber noch kein Bild, wie nun dieses Europa in den nächsten Jahren ausschauen wird. Es ist meiner Meinung nach eines der ganz großen Mankos an dieser Regierungskonferenz, daß es nicht gelungen ist – Frau Kollegin Rauch-Kallat hat das aus Sicht einer Regierungspartei richtig gesagt –, zu einer großen Umgestaltung dieser Europäischen Union zu kommen. Das ist eines der großen Mankos, denn die Erwartungen, die mit der Regierungskonferenz geweckt wurden, gingen in Richtung große Umgestaltung dieser Europäischen Union. Aber diese große Umgestaltung – das weiß man heute, sozusagen im Endspiel befindlich, bereits – wird es nicht geben. Es wird schwierig sein, die Richtung zu erkennen, in die die Weiterentwicklung gehen wird. Ich möchte nur drei Beispiele herausgreifen, um das noch einmal zu untermauern. Ich möchte mit dem beginnen, was für alle Österreicherinnen und Österreicher am greifbarsten und am nächsten ist, nämlich mit der Frage der Außen- und Sicherheitspolitik. Damit ist natürlich die Frage der Neutralität, die Frage eines möglichen Beitrittes zu einem Militärblock wie der NATO verbunden.

Im Prinzip ist in dieser Frage nichts entschieden worden. Es sind nur Details über Mehrheitsentscheidungen und -findungen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik festgelegt worden, doch wie diese gemeinsame europäische Sicherheitspolitik aussehen und wie diese Außenpolitik funktionieren soll, dazu gibt es weder einen Entwurf noch eine klare Aussage. Diesbezüglich war die jüngste Geschichte nicht gerade ruhmreich.

Eine Erwiderung auf die Ausführungen eines meiner Vorredner, der gemeint hat, natürlich wird es sich um die NATO-Neu handeln, und dieses Haus soll diese Frage würdig diskutieren. Ich frage mich immer wieder, was an dieser NATO denn neu ist, solange diese NATO nach wie vor ein Militärpakt und kein Freundschaftsverein ist und solange dieser Militärpakt nach wie vor am atomaren Erstschlag und an der nuklearen Aufrüstung festhält. Was ist an diesem Militärpakt neu, und warum soll er heute für Österreich attraktiver sein als vor einigen Jahren?

Die Anregung, es möge im Hohen Haus darüber diskutiert werden, kann ich nur aufgreifen und an die Regierungsparteien zurückgeben. Richten wir doch eine Enquete-Kommission ein, die sich mit diesen Fragen befaßt! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Das zeigt mir wieder – das ist mein Schlußsatz –, daß es nicht möglich ist, in 5 Minuten auch nur über einen Punkt der ganz wesentlichen Bereiche der Regierungskonferenz hinauszukommen. Ich würde mir wünschen, daß wir uns wenigstens nach der Regierungskonferenz in einer ausführlichen Debatte mit deren Ergebnissen befassen können. (Beifall bei den Grünen.)

10.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. König. – Bitte.

10.12

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zu Recht gesagt worden, daß die Regierungskonferenz in die Schlußrunde geht, daß jetzt in Kürze Kompromisse gefunden werden und Entscheidungen fallen müssen. Daher ist es nun wahrscheinlich die Gelegenheit, seitens dieses Hauses festzulegen, was denn unserer Meinung nach die essentiellen Dinge sind, die bei dieser Regierungskonferenz über Erfolg oder Mißerfolg entscheiden. Ich habe es bedauert, daß von den Oppositionsparteien diese Möglichkeit nicht wahrgenommen wurde.

Ich möchte von meiner Warte aus drei Punkte festhalten, die ich für die Frage für entscheidend halte, ob diese Regierungskonferenz ein Erfolg wird oder sich – was ich nicht hoffe – in Kleinigkeiten erschöpft und damit zum Mißerfolg wird.


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Die erste und entscheidende Frage ist jene nach einer grundsätzlichen Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat, und zwar durchaus mit qualifizierter doppelter Mehrheit. Es darf keine Blockade geben. Die Europäische Union muß entscheidungsfähig bleiben, auch wenn sie erweitert wird. Das Scheitern dieses Anliegens könnte das Scheitern der Erweiterung bedeuten und damit das Scheitern der Ausdehnung der Friedensordnung, die wir in Westeuropa durch die Europäische Union haben, auch auf Osteuropa, das so sehr darauf wartet, miteinbezogen zu werden.

Das zweite wesentliche Anliegen – das hängt mit dem ersten eng zusammen – ist die volle Gleichberechtigung des Europäischen Parlaments bei allen Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene, die vom Rat mit Mehrheit entschieden werden. Mir wäre da eine Anreicherung zuwenig, denn es geht darum, daß Transparenz und demokratische Kontrolle wieder das Vertrauen der Bürger in die Entscheidungen der EU festigen. Das ist keine Abwertung des nationalen Parlaments, denn wir haben die Kontrolle durch unsere Vertreter im Ministerrat, sondern es ist die notwendige Ergänzung durch das direkt gewählte Europäische Parlament. In dieser Frage bin ich mit der Abgeordneten Gredler, die mir leider nicht zuhört, einig, nur glaube ich, es wäre schön gewesen, sie hätte das auch im Namen ihrer Fraktion sagen können.

Die dritte entscheidende Frage ist, daß wir bei dieser Regierungskonferenz Lehren aus der Tragödie im früheren Jugoslawien ziehen. Wenn es nicht gelingt, Voraussetzungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu schaffen, die es in Zukunft verhindern, daß die Europäische Union in Krisensituationen in unserer unmittelbaren Nähe handlungsunfähig ist, dann wird die Enttäuschung über die EU – der Fall Exjugoslawien hat ja sehr zur Abwertung der EU in der Bevölkerung beigetragen – bestehen bleiben. Ich stelle fest, daß man bei den Geschehnissen in Albanien dazugelernt hat, aber es geht um die Institutionalisierung, die es möglich macht, daß in Zukunft in diesen Fragen rasch regiert und reagiert wird. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Schieder. )

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können heute sagen, daß es richtig war, daß wir mit allem Nachdruck darauf hingearbeitet haben, in der ersten Runde der Erweiterung mit dabeizusein und jetzt mitgestalten zu können. Wir sollten uns – ich appelliere auch an den Herrn Vizekanzler – in diesen drei entscheidenden Punkten nicht von diesem Weg abbringen lassen, der in den Leitlinien der Regierungserklärung enthalten ist, die man nicht zu ändern braucht, weil sie nach wie vor gültig sind und weiter verfolgt werden müssen.

Ich möchte noch etwas hinzufügen: Stillstand in der Europäischen Integration würde die Gefahr der Renationalisierung mit sich bringen. Jeder weiß, welche Folgen das haben könnte. Es ist daher ganz entscheidend, daß diese Regierungskonferenz ein Erfolg wird, daß sie den Erwartungen der Menschen innerhalb der EU und in den neuen demokratischen Staaten in Zentral- und Osteuropa entspricht und daß wir bei der Regierungskonferenz Zukunftsvisionen setzen, die realistisch sind und für deren Umsetzung die Voraussetzungen bei der Regierungskonferenz geschaffen werden müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. – Bitte.

10.18

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Zu Recht wurde vom Herrn Vizekanzler betont, daß Österreich sich besonders auf die Ausformulierung und Durchsetzung der Grundrechte und der Menschenrechte konzentriert hat. Ich möchte dies in vier Punkten noch näher ausführen und bekräftigen.

Erster Punkt: Nach Dublin II soll ein neuer Artikel 6a in die Verträge eingeführt werden, der ein Diskriminierungsverbot nicht nur – wie Frau Abgeordnete Rauch-Kallat ausgeführt hat – wegen Behinderung, sondern auch der sexuellen Ausrichtung wegen vorsieht. Ich bin der Ansicht, daß wir von österreichischer Seite dieser Dublin II-Formulierung ohne Vorbehalte und umfassend Nachdruck verleihen sollten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Schmidt. )


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Zweitens: Gleichstellung von Männern und Frauen. Dazu wurde eine Reihe von notwendigen Ergänzungen vorgeschlagen, die einfach die leider veraltete Richtliniengesetzgebung, was diesen Bereich betrifft, auf den neuesten Stand auch der bereits beschlossenen UNO-Konventionen zu bringen hat. Da sticht besonders eine Ergänzung des Artikels 119 hervor, in dem genau jene oft diskutierten Maßnahmen, die der Gleichstellung im praktischen Arbeitsleben dienen sollen, nämlich spezifische Vergünstigungen für Frauen zum Ausgleich von Benachteiligungen, verankert werden sollen. Auch dieser Ergänzung und den verschieden anderen notwendigen Anpassungen der Ergänzung des Vertrages sollte Österreich hundertprozentige Unterstützung zukommen lassen.

Dritter Punkt: die Ausarbeitung eines sehr schnellen und wirksamen Mechanismus gegen Menschenrechtsverletzungen innerhalb der EU. In diesem Punkt bin ich mit dem Status quo noch nicht ganz zufrieden, denn das Verfahren ist zu langwierig, und politische Veränderungen können sehr schnell erfolgen. Wir können das gegenseitige Asylrecht nicht aufgeben – obwohl ich diesem Gedanken, ein geeintes Europa brauche kein gegenseitiges Asylrecht, sehr wohl zustimme –, wenn es keinen entsprechend schnellen und wirksamen Mechanismus gibt. In dieser Frage sind, wie Abgeordneter Schieder bereits gesagt hat, noch weitere Verhandlungen und Nachjustierungen nötig.

Letzter Punkt: ein humanitäres Völkerrecht. Im – durchaus ausführlichen – Kapitel über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik muß das humanitäre Völkerrecht verankert werden, und zwar nicht, weil ich glaube, daß es innerhalb der Europäischen Union einmal zur Anwendung kommen könnte, sondern um zu zeigen, daß die Staaten der Europäischen Union in einer Zeit, in der humanitäres Völkerrecht geringgeachtet und verletzt wird, hinter diesem stehen. Deshalb also soll es verankert werden: nicht, weil ich glaube und hoffe, daß es nie angewendet wird, sondern um diese Bekräftigung zu zeigen.

Wenn es uns von österreichischer Seite gelingt, neben der Aufnahme eines Beschäftigungskapitels auch die Verankerung dieser Menschen- und Grundrechtsanliegen durchzusetzen, dann, so meine ich, zeigen wir auch unserer Bevölkerung, daß die Europäische Union weit mehr ist als eine Wirtschaftsunion, eine Union der Unternehmen, eine Union der Währung, der Kriterien von Maastricht – die etwas in Verruf geraten sind –, nämlich eine Union der Demokratie und der Menschenrechte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

10.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Elfriede Madl. Sie hat das Wort.

10.22

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Auch ich halte die heutige Aktuelle Stunde für eine Jubelveranstaltung der ÖVP zum EU-Beitritt. Der Herr Bundesminister hat uns heute bekundet, wie wichtig es war und ist, daß Österreich nun als Vollmitglied der EU mitverhandeln darf.

Herr Bundesminister! Die Österreicher warten heute noch immer auf die positiven Auswirkungen des EU-Beitrittes und auf den von Brigitte Ederer versprochenen Tausender. Verspürt haben die Österreicher hingegen nur Auswirkungen negativer Art.

Herr Bundesminister! Sie haben in Ihren Ausführungen schamhaft und wohlweislich verschwiegen, daß seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die Arbeitsplatzsituation in der EU, speziell aber in Österreich sehr schlecht geworden ist. Sie haben ebenso schamhaft und wohlweislich verschwiegen, wie es um die Verhandlungen steht, die Beschäftigungskriterien beziehungsweise die Beschäftigungssituation speziell in Österreich in den Katalog der Konvergenzkriterien im Vorfeld der Währungsunion aufzunehmen.

Darüber haben Sie uns heute nichts mitgeteilt. Herr Abgeordneter Schieder hat Sie diesbezüglich heute schon gefragt, eine Antwort sind Sie ihm schuldig geblieben. Ich bin gespannt, ob diese Antwort noch kommen wird. Auch haben Sie uns nicht gesagt, inwieweit Sie mit den


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anderen Ländern, die sich nun ebenfalls immer mehr dafür stark machen, vertraglich festzulegen, daß die Arbeitsplatzsituation zu den Konvergenzkriterien zählt, zusammenarbeiten werden.

Das ist aber kein Wunder, denn nach der neuesten Studie, die die Arbeiterkammer in Oberösterreich durchgeführt hat, befürchten 89 Prozent der Arbeitnehmer – ich bitte die Sozialdemokraten, einmal zuzuhören, sie sind ja angeblich die Vertreter der Arbeitnehmer (Abg. Böhacker: Schon lange nicht mehr!) , jedenfalls behaupten sie das immer von sich –, daß die Arbeitslosigkeit durch die Einführung des Euro steigen wird. 89 Prozent der arbeitenden Menschen befürchten das (Abg. Böhacker: Wer hat das festgestellt?) , aber nicht nur, weil sie desinformiert sind, wie Sie behaupten, sondern weil sie es am eigenen Leib verspüren und die Entwicklung in den letzten eineinhalb Jahre verfolgen konnten.

Auch die Auswirkungen des Euro auf die eigenen Lebensumstände halten 39 Prozent der Arbeitnehmer für negativ, nur 22 Prozent der Arbeitnehmer sehen positive Auswirkungen. Wissen Sie, wo diese positiven Auswirkungen zum Tragen kommen? – Bei Auslandsreisen, bei Einkäufen im Ausland und im Geldverkehr wird es Erleichterungen geben.

Herr Bundesminister! Wenn die Arbeitslosigkeit weiter steigt und viele Länder bei der Währungsunion nicht mithalten können und wenn es eine Euro-Einführung der zwei Geschwindigkeiten geben wird, dann wird die Arbeitslosigkeit noch mehr steigen. Ich frage Sie nun: Was habe ich als Arbeitslose von einem günstigeren Einkauf im Ausland? Ich kann dann nicht mehr so leicht, wie es die Österreicher bisher gewohnt waren, ins Ausland reisen, und auch beim Geldverkehr bringt einem Arbeitslosen die Erleichterung gar nichts.

Herr Bundesminister! Sie haben heute gesagt, Sie seien so bürgernah und würden die Probleme der Bürger in Brüssel vertreten. Wenn schon 89 Prozent der Arbeitnehmer in Österreich befürchten, daß sie nach Einführung des Euro arbeitslos werden, dann frage ich Sie: Wieso führen Sie keine Volksabstimmung durch, die den Euro in Österreich auch festigen könnte? Wieso machen Sie das nicht? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Weil Sie die Umfragedaten kennen und ganz genau wissen, daß die Beschäftigungspolitik und die Arbeitslosenzahlen wahrscheinlich nicht in den Katalog der Konvergenzkriterien aufgenommen werden und es somit noch mehr Arbeitslose in Europa geben wird.

Wir fordern nach wie vor: Fragen Sie das österreichische Volk, ob es den harten Schilling aufgeben will und der Einführung des Euro zustimmt! – Ich bin schon gespannt auf Ihre Antwort. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte sehr.

10.27

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde macht wirklich Sinn, da wir am Vorabend der Regierungskonferenz von Amsterdam über deren möglichen Ergebnisse sprechen können. Sie soll aber nicht dazu dienen, irgendwelche Glückwunschadressen an den Außenminister zu richten. Ich hätte mir von den Vertretern der Regierungsparteien eine Bestandsaufnahme erwartet, und diese wäre meiner Ansicht nach auch wirklich notwendig gewesen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Gerade in der Frage der Ergebnisse der Regierungskonferenz hätte es zu einer umfassenden Mitwirkung und Einbindung des Parlaments kommen können und sollen, und es wäre ganz besonders wichtig gewesen, auch die Bevölkerung und das Parlament umfassend zu informieren. Ich bedaure, daß dies bis dato nicht wirklich geschehen ist, und auch diese Aktuelle Stunde wird nicht ausreichen, derartige Informationen zu geben.

Herr Kollege König – du bist jetzt leider nicht da (Abg. Dr. König: O ja!), ah ja, da bist du –, es wäre wirklich günstig gewesen, zum Beispiel die drei bereits angesprochenen Punkte, nämlich


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die Frage der Mehrheitsentscheidungen, die Frage der vollen Einbindung des Europäischen Parlaments in die Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union sowie auch die Frage, ob die Regierungskonferenz tatsächlich die Voraussetzungen für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik schafft, umfassend zu diskutieren. Leider ist das aufgrund der mit 5 Minuten festgesetzten Redezeit nicht möglich.

Eines zeigt sich aber schon jetzt: Die Regierungskonferenz wird die erwarteten Ergebnisse bedauerlicherweise nicht bringen. Die Worte des Herrn Außenministers zeigen, daß man schon jetzt darangeht, die sehr hohe Erwartungshaltung zurückzunehmen, weil die Ergebnisse sehr bescheiden sein werden.

Herr Kollege Schieder! Es wäre im Sinne eines breiten politischen Konsenses in der österreichischen Außenpolitik vielleicht zweckmäßig gewesen, hätten wir im Hauptausschuß gemeinsame Stellungnahmen erarbeiten können.

Wir Liberale haben Stellungnahmen beantragt und sie zur Diskussion gestellt, Stellungnahmen beispielsweise im Zusammenhang mit der Institutionenreform und der Verankerung der Grundrechte, Stellungnahmen im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder in Fragen der Justiz- und der Innenpolitik, weil es notwendig und Aufgabe dieses Parlaments ist, die Verhandler in Brüssel mit entsprechenden Richtlinien auszustatten. Das, meine Damen und Herren, hätte Sinn gemacht, das hätten wir Liberale erwartet, da wir sehr engagiert und sehr pointiert für die Europäische Integration eintreten und darin die Perspektiven unseres Landes sehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sagen ja zur Europäischen Union, wir sagen ja zur Europäischen Integration (Abg. Böhacker: Das hast du nicht immer gesagt!) und befürworten deren Fortschreibung, da wir nur dann in der Lage sein werden, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, wenn wir diesen Lösungsansatz gemeinsam mit den anderen Staaten Europas suchen, sei es in Fragen der Wirtschaftspolitik, in sozialen Fragen, beim humanitären Völkerrecht, welches meine Vorrednerin angesprochen hat, in Fragen der Migration und der inneren Sicherheit – so manche Panne bei der Aufklärung der Kurdenmorde wäre nicht passiert, hätte es in der Frage der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene eine bessere Kooperation gegeben – oder in Fragen der gemeinsamen äußeren Sicherheit. All das können wir nur gemeinsam im Verbund mit den europäischen Staaten lösen.

Ich bedauere es aufrichtig, daß gerade in Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik die Ergebnisse nicht so sein werden, wie wir uns das erwartet haben, denn es wäre notwendig gewesen, tatsächlich zu einer Weiterentwicklung in Fragen der Sicherheitspolitik, in Fragen der Verteidigungspolitik zu kommen. Ich hätte mir schon erwartet, daß diese Regierungskonferenz essentielle Ergebnisse in Richtung einer Verschmelzung der Westeuropäischen Union mit der Europäischen Union bringt, und ich hätte mir erwartet, daß gerade Österreich auch einen entsprechenden Beitrag leistet. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Das ist leider nicht passiert. Wir bedauern das, und ich erwarte von Ihnen, Herr Außenminister, daß wir die Zeit, die bis zur abschließenden Konferenz noch bleibt, und die beiden Außenministerkonferenzen im Interesse einer gedeihlichen österreichischen Außenpolitik nützen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Karl Öllinger. – Bitte sehr.

10.33

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Kollegin Abgeordnete Kammerlander hat Sie schon darauf hingewiesen: Die Debatte plätschert dahin, weil ihr der Sinn fehlt, das Gemeinsame, das Sinnstiftende, das Bild von Europa, das wir brauchen, wenn wir dieses Europa mit den Hirnen und Herzen gewinnen wollen. Es ist Ihr Problem, meine Damen und Herren von der Regierung, daß


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es Ihnen nicht gelingt, das Bild eines Europas vor uns auszubreiten, für das es sich zu kämpfen lohnt.

Ich erinnere nur an die Beitrittsdebatte vor ein paar Jahren, als Sie uns glaubhaft machen wollten, wir bräuchten dieses Europa, um endlich den Europastecker durchsetzen zu können. Das ist schiefgelaufen! Schiefgelaufen ist auch das Bild eines Europas der offenen Grenzen, das Sie damals vor dem Beitritt gezeichnet haben. Wir brauchen ein Europa der offenen Grenzen! Das, Herr Außenminister, haben Sie mit Schengen gründlich verhindert. Dieses Europa ist nur für den Kapitalverkehr offen, aber nicht für Personen, die sich innerhalb Europas oder an dessen Außengrenzen bewegen.

Ich erinnere mich noch an etwas anderes: Es gab doch auch einmal irgend etwas mit einem Europa, in das die Österreicher ihre vorbildlichen Vorstellungen von Sozialpolitik einbringen wollten. Dafür sind wir doch vor einigen Jahren ausgezogen. Sie von der Regierung haben gemeint: Wir werden diesem Europa gewiß auch unsere Vorstellungen von Sozialpolitik nahelegen und beibringen. Ich erinnere mich dumpf daran, da gab es doch ein Kapitel, das sich mit Sozialpolitik beschäftigt hat. Irgendwann ist es still und heimlich entsorgt worden, weil es nicht einmal innerhalb der beiden Regierungsparteien vertreten wurde und daher auch nicht nach Europa mitgenommen werden konnte.

Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Ich kenne die Reden und Ankündigungen, in denen von diesem Europa gesprochen wird und in denen immer dann, wenn es um die Beschäftigung geht, die Stimme etwas gesenkt und beteuert wird: Wir haben 20 Millionen Arbeitslose, wir wissen, es ist ein ernstes Problem, wir werden aber sehr wohl eine Politik entwickeln, die sich mit dieser ernsten und dramatischen Situation beschäftigen wird. Ich kenne diese Ankündigungen schon zur Genüge, aber es reicht nicht, Herr Außenminister, daß Sie uns neuerlich – wie auch Kollege Schieder – versichern, es werde ein Kapitel geben, in dem nicht nur die hohe Beschäftigung, sondern sogar die Vollbeschäftigung stehen wird. (Abg. Schieder: Ich habe nichts versprochen! Da haben Sie nicht aufgepaßt!)

Ich zittere vor Ehrfurcht und Begeisterung, Herr Kollege Schieder, aber es überzeugt mich in keiner Weise, wenn irgendwo in einem Kapitel die Vollbeschäftigung festgeschrieben ist, denn was diesem Kapitel fehlt, sind der Ernst, die Instrumente, mit denen die Vollbeschäftigung oder eine Sozialunion in Europa durchgesetzt werden könnten. Wir müßten uns darüber unterhalten, daß in allen Protokollen und Regierungserklärungen immer nur in dramatischem Ton auf die Arbeitslosigkeit und die Notwendigkeit für die EU beziehungsweise ihre Mitgliedsländer hingewiesen wird, eine entsprechende Beschäftigungspolitik zu betreiben,

Wiederum steht nun eine Regierungskonferenz bevor, in deren Vorfeld Sie mehrere Male versprochen haben, es werde zu einer gemeinsamen Beschäftigungspolitik der EU kommen. Sie kommt nicht, und angesichts der dramatischen Situation – nicht der Arbeitslosenzahlen, sondern eines Stabilitätspaktes, der eine Beschäftigungspolitik geradezu verhindert – reicht es eben nicht, sie nur in einem Kapitel festzuhalten!

Sie müßten, wenn Sie dieses Problem ernst nähmen, einen Beschäftigungspakt festschreiben, der nicht nur Instrumente enthält, mit denen man Beschäftigungspolitik betreibt, der nicht nur Instrumente enthält, mit denen man eine gemeinsame Sozialpolitik in Europa versucht, sondern der auch Sanktionen vorsieht. Wir brauchen Sanktionen nicht nur im Stabilitätspakt, sondern es müßten Sanktionen auch für all jene Mitgliedsländer festgeschrieben werden, die in ihrer Beschäftigungs- und Sozialpolitik nachlässig sind.

Warum gehen Sie das nicht an? Warum unterhalten Sie sich auf europäischer Ebene nicht einmal darüber, zur Geldbeschaffung die Idee einer Devisentransferbesteuerung im Sinne der Tobin-Tax aufzugreifen, von der zwar oft gesprochen wird, die durchzusetzen aber offensichtlich kein Regierungsvertreter in einem entscheidenden Gremium wirklich die Absicht hat. Es wäre ein wirksames Instrument, um erstens die Devisentransfers zu besteuern (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) und zweitens all jene Elemente der Politik durchzusetzen, von denen Sie zwar reden, die Sie aber nicht durchsetzen und nicht ernst nehmen.


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Meine Damen und Herren! Wenn dieses Europa wirksam werden soll, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit beachten!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... dann müssen Sie etwas dafür tun. (Beifall bei den Grünen.)

10.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Ich danke nochmals dem Herrn Vizekanzler.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2390/J bis 2395/J.

2. Anfragebeantwortungen: 2103/AB bis 2129/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (680 der Beilagen),

Fremdengesetz 1997 – FrG (685 der Beilagen),

Asylgesetz 1997 – AsylG (686 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (2. BDG-Novelle 1997), das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Universitäts-Organisationsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Bundesgesetz BGBl. Nr. 148/1988 geändert werden (691 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (697 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Einbringung der Anteilsrechte des Bundes an den Bundesstraßengesellschaften in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und der Einräumung des Rechts der Fruchtnießung zugunsten dieser Gesellschaft (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997); Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz 1982, das BIG-Gesetz, das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesministeriengesetz 1986, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften und das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert werden (698 der Beilagen),

Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997 (699 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird (700 der Beilagen),


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Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1997 geändert werden (689 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuß:

Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 2280/97, Hv 1384/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Maria Rauch-Kallat wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB (üble Nachrede).

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Finanzausschuß:

Petition Nr. 20 betreffend "Initiative 96 Entschuldung", überreicht vom Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer;

Gesundheitsausschuß:

Bürgerinitiative Nr. 6 betreffend "Gentechnologie – nein danke!";

Verkehrsausschuß:

Bürgerinitiative Nr. 7 betreffend "Tieflegung der Verbindungsbahn im 13. Wiener Gemeindebezirk anstatt Bau des Lainzer Tunnels".

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuß:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern (665 der Beilagen).

C) Verlangen gemäß § 26 Abs. 7 GOG hinsichtlich

Antrag 305/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Schaffung einer "ewigen Anwartschaft" in der Arbeitslosenversicherung.

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, daß die Abgeordneten Dr. Haider und Genossen das Verlangen gestellt haben, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 454/A (E) der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Postenschacher und Freunderlwirtschaft dringlich zu behandeln.


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Gemäß der Geschäftsordnung wird dieser Dringliche Antrag um 15 Uhr zur Beratung aufgerufen werden.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2017/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2017/AB der Anfrage 2043/J der Abgeordneten Haller und Genossen betreffend steuerliche Mehrbelastung durch den Herrn Finanzminister durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung soeben die Behandlung eines Dringlichen Antrages festgelegt wurde, wird diese kurze Debatte über die Anfrage der Frau Abgeordneten Haller im Anschluß an die Debatte über den Dringlichen Antrag stattfinden.

Ankündigung von Anträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Des weiteren hat Abgeordneter Anschober gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß zur Prüfung der Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Kurdenmorden einzusetzen.

Es liegt auch das von fünf Abgeordneten nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Weiters hat Frau Abgeordnete Dr. Schmidt – ebenfalls nach § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung – verlangt, einen Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Kurdenmorden einzusetzen.

Auch hier liegt nach § 33 Abs. 2 das Verlangen vor, eine Debatte durchzuführen.

Nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung gleichfalls nach Erledigung der Tagesordnung und im konkreten Fall nach Behandlung des Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch Herrn Abgeordneten Anschober statt.

Absehen von der 24stündigen Auflagefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Um die Punkte 10 bis 13 der heutigen Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es erforderlich, mit Zweidrittelmehrheit von der 24stündigen Auflagefrist Abstand zu nehmen.

Bei den Punkten 10 bis 13 handelt es sich um den Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (608 der Beilagen): Immissionsschutzgesetz, den Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (583 der Beilagen): Protokoll über den Beitritt des Fürstentums Monaco zum Übereinkommen zum Schutze der Alpen, sowie um Berichte des Umweltausschusses über den Antrag 34/A (E) der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend Verpackungsverordnung und den Antrag 36/A (E) der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend Novellierung Altlastensanierungsgesetz.

Wir stimmen also darüber ab, ob für diese Vorlagen von der 24stündigen Auflagefrist Abstand genommen werden soll.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die mit der Abstandnahme von der Auflagefrist einverstanden sind, ein Zeichen zu geben. – Das ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, über die Punkte 1 bis 6, 8 und 9 sowie 10 bis 13 der Tagesordnung eine gemeinsame Debatte durchzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden die Debatten über die Punkte 1 bis 6, 8 und 9 sowie 10 bis 13 zusammengefaßt.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt:

Es wurde eine Tagesblockredezeit von 8 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120, FPÖ 104, ÖVP 112, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden. Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Tagesblockzeit so festgelegt.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (580 der Beilagen): Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird (671 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (563 der Beilagen): Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 ( 673 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 384/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Veredelung und Vermarktung der bäuerlichen Urproduktion (676 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 357/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend nationale Aufstockung der EU-BSE-Kompensation (677 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 359/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Frühvermarktungsprämie (678 der Beilagen)


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6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 278/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Maßnahmen gegen die Abwanderung aus der Landwirtschaft (679 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es liegt mir die Mitteilung vor, daß Herr Abgeordneter Kampichler in seiner Funktion als Berichterstatter eine Druckfehlerberichtigung vorbringen möchte. – Bitte, Herr Berichterstatter.

Berichterstatter Franz Kampichler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Berichte des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft liegen Ihnen schriftlich vor.

Zum Ausschußbericht 676 der Beilagen bringe ich folgende Druckfehlerberichtigung zur Kenntnis: Im verteilten Ausschußbericht hat der Satz "Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit." zu entfallen.

Namens des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft stelle ich somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Abschlußbericht unter Berücksichtigung der von mir soeben vorgebrachten Druckfehlerberichtigung zur Kenntnis nehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.

Gibt es weitere Wünsche auf Berichterstattung? – Das ist offenbar nicht der Fall.

Dann rufe ich als ersten Redner Herrn Abgeordneten Ing. Reichhold auf. Die freiwillige Redezeit wird auf 10 Minuten eingestellt. Ist das richtig? (Abg. Ing. Reichhold: Vielleicht brauche ich etwas länger!) Dann lasse ich es bei den 20 Minuten, und es obliegt Ihnen, wieviel davon Sie benutzen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.46

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zu Beginn etwas Erfreuliches:

Herr Bundesminister Molterer! Sie haben heute Geburtstag, und ich darf Ihnen alles Gute wünschen, viel Gesundheit und in Hinkunft auch mehr Erfolg in der Agrarpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Der Herr Minister wird sehr viel Kraft brauchen, auch an seinem Geburtstag, denn das heutige Konvolut, welches wir zu beschließen haben (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger ) , wurde im Ausschuß, Herr Vorsitzender, auch mit einem wirklichen Kraftakt eingeleitet. Ich möchte hier in Anwesenheit des Präsidenten meinen Protest dagegen einlegen, wie die Sitzungen im Landwirtschaftsausschuß gehandhabt werden. Im letzten Moment werden Tagesordnungen abgeändert, es kommen umfangreiche Regierungsvorlagen auf den Tisch, und es werden zum Teil während der Debatte im Ausschuß ebenso umfangreiche Abänderungsanträge eingebracht. (Abg. Schwarzenberger: Auch von den Freiheitlichen! Dazu ist der Ausschuß ja da, daß Abänderungsanträge gestellt und behandelt werden können!)

Herr Kollege Schwarzenberger, Sie müssen zugeben, daß die Arbeit im Ausschuß unter diesen Umständen nicht seriös bewältigbar ist. Deshalb haben wir auch bei der Beschlußfassung und bei der Debatte über das Pflanzenschutzmittelgesetz den Ausschuß verlassen, um damit auch unseren Protest kundzutun, weil es uns unmöglich ist, so kurzfristig die umfangreichen Gesetzesmaterien im Detail studieren zu können.

Nun zum Saatgutgesetz samt Nebengesetzen: Das ganze Werk ist zwar übersichtlich gegliedert, aber der Inhalt ist negativ. Bereits im Jahr 1993 hat die Koalition die damalige Novelle zum Sortenschutz- und Pflanzenzuchtgesetz als Jahrhundertreform gefeiert, als Eintrittskarte in


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den Europäischen Wirtschaftsraum und in die Europäische Union. Vier Jahre später wird die neuerliche Novellierung wie folgt begründet – Zitat –: "Weil die geltenden Rechtsvorschriften unzureichend, veraltet, kostenintensiv und weitreichend nicht EU-konform sind." – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von der Jahrhundertreform aus dem Jahre 1993 ist nicht mehr viel übriggeblieben.

Schon damals haben die Freiheitlichen die Novellen als bauernfeindlich kritisiert, weil es eine erhebliche bürokratische Erschwernis für kleine Züchter gab, den Einstieg in die Anerkennung zu schaffen. Die Konzerne dominieren, und mit dem jetzt zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetz wird sich diese Tendenz zweifellos noch verstärken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schon damals wollte die Koalition das Recht auf Austausch bäuerlichen Saatgutes ersatzlos streichen. Erst im letzten Moment wurde dieser Passus durch die Wachsamkeit nicht zuletzt der freiheitlichen Abgeordneten wieder herausgestrichen.

Die Saatgutvermehrung ist tief in der bäuerlichen Tradition verankert. Die besten Flecken auf einem Acker wurden immer dafür reserviert, um sie für den Wiederanbau beziehungsweise für den gegenseitigen Austausch zu verwenden. Das entspricht der Tradition bäuerlichen Denkens, das war etwas Heiliges, das von Generation zu Generation weitervererbt wurde.

Damit soll nun Schluß sein, denn da haben jetzt die großen Konzerne die Hand drauf. Auch die diesmalige Korrektur im Gesetz ist nur eine halbe, daher wird es einen gemeinsamen Abänderungsantrag der Grünen und der Freiheitlichen zu diesem Thema geben.

Herr Bundesminister! Wir müssen leider feststellen, daß der lange Atem der Züchterlobbies bis in Ihr Büro reicht, sonst hätten Sie einen derartigen Entwurf dem Parlament nicht vorlegen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Sortenzulassung wird noch bürokratischer, noch aufwendiger und im Bund zentralisiert. Es wird ein sehr aufwendiges Zulassungsverfahren eingeführt. Die vor drei Jahren novellierten Zuchtbücher und Sortenverzeichnisse haben eigentlich nur mehr Museumswert. Sie werden 20 Jahre aufgehoben, aber die darin enthaltenen Sorten sind nur mehr vier Jahre nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes zugelassen.

Und was kommt dann? – Dann kommt das EU-Saatgut-Regime: EU-genehmigte Sorten, EU-Zulassung, EU-Kennzeichnung, EU-Patente, Gebührenregelungen, Lizenzvorschreibungen. Die Europäische Union fegt auch in diesem Bereich die nationale Gesetzgebung völlig hinweg.

Herr Bundesminister! Dieses neue Saatgutgesetz wird in Zukunft nur mehr der Treibriemen für die Vollziehung des europäischen Rechts sein. Unser Parlament hat nichts mehr zu bestimmen, zumal ja auch Ihnen als Minister die Verordnungsermächtigung zukommt.

Auch die Länder äußern massive Bedenken und wollen dieses Gesetz beeinspruchen. Ich zitiere aus der Stellungnahme des Amtes der Kärntner Landesregierung und des Verfassungsdienstes, in der folgende Meinung vertreten wird: "Es ist verfassungsrechtlich wohl als bedenklich zu bewerten, wenn das Inkrafttreten einer Verfassungsbestimmung von der Erlassung einer Verordnung abhängig gemacht wird. Damit würde das Wirksamwerden des Parlaments von der Initiative eines Vollzugsorganes abhängig sein."

Das ist die parlamentarische Realität nach dem EU-Beitritt: ein Parlament, das – wie wir heute in den Debatten schon gehört haben –, entmündigt, entmachtet wird. Das Kartell der Vertuscher verlagert alle Untersuchungen außerhalb dieses Hauses, und das zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Gesetzesvorlagen, die wir hier zu beschließen haben. (Abg. Haigermoser: Ein rot-schwarzer Strick ist daraus geworden!) Das ist für mich ein echtes demokratiepolitisches Problem.

Auch inhaltlich wird dieses Saatgutgesetz von den Bundesländern schwer kritisiert – zum Beispiel von Tirol –, die natürlich berechtigte Sorge haben, daß aufgrund der Zentralisierung ihre


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regionalen Interessen, die sie bisher sehr ausgiebig wahrgenommen haben, in diesem Bereich nicht mehr voll zum Durchbruch kommen werden.

Darüber hinaus sollen die Züchter verstärkt zur Kasse gebeten werden, und die Abwälzung der Mehrkosten auf die Bauern ist vorprogrammiert. Die bisherigen Gebühren hatten pro Jahr Einnahmen von 2,4 Millionen Schilling zur Folge. Jetzt sollen Einnahmen von 36 Millionen Schilling angepeilt werden. Das bedeutet eine fünfzehnfache Erhöhung der Gebühren, und Sie können sich ausrechnen, wer die zusätzlichen Kosten zahlen wird: sicher nicht der Züchter beziehungsweise die Züchtervereinigungen, sondern natürlich werden auch diese Kosten über die Preise wieder auf die Bauern abgewälzt.

Auch die derzeitigen Vollzugskosten sollen – so lese ich in den Erläuterungen – von 77 Millionen auf 72 Millionen Schilling reduziert werden. Nur frage ich Sie, Herr Bundesminister, wie Sie das bewerkstelligen wollen, wenn Sie gleichzeitig 14 Bundesbedienstete aufnehmen müssen, um in der Saatgutanerkennungsbehörde die notwendigen Auflagen zu erfüllen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Abänderungsantrag der Koalition werden – so steht dort geschrieben – "Bauernrechte gesichert". In der Tat haben Sie im letzten Moment – ich erwähnte es schon – den Austausch von Saatgut unter Bauern herausgenommen. Aber davon zu sprechen, daß Bauernrechte gesichert sind, wo es sich doch nur um einen ganz kleinen Bereich handelt, der für die Landwirtschaft selbst nicht von großer Relevanz ist – es ist nur eine unterstützungswürdige Aktion für die vielen Idealisten, die in diesem Bereich genetisches Material sichern –, halte ich für überzogen. Bauernrechte werden in diesem Fall nicht gesichert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben unter § 28 Abs. 1 dieses Abänderungsantrages auch festgestellt, daß Sie ein Schlupfloch für gentechnisch verändertes Saatgut offen lassen. Unter dem Titel "Bewilligung von Versuchssaatgut" ist eine Umgehung der bisherigen Freisetzungsbestimmung möglich, denn Sie, Herr Bundesminister, haben ja in Hinkunft auch in diesem Bereich die Verordnungsermächtigung.

Damit komme ich nun zu dem Punkt, der uns alle am meisten bewegt, und das ist die Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saatgutes. 90 Prozent der Konsumenten sind gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. Eine überwältigende Mehrheit der Bauern lehnt den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Über 1 Million Menschen haben das Volksbegehren unterschrieben. Sie, Herr Bundesminister, predigen das Öko-Land Österreich, und was passiert in diesem Gesetz? – Sie haben nicht einmal das Mindestmaß dessen erreicht, was man angesichts der Meinung der österreichischen Bevölkerung verlangen muß, nämlich die Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saatgutes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben zwar in einem Entschließungsantrag in Aussicht gestellt, daß es im Herbst einen Entwurf – kein Gesetz, einen Entwurf – geben wird, wonach laut EU-Rechtsbestimmungen in der Sortenliste aufscheinen soll, welches Saatgut verändert wurde und welches nicht.

Wie gesagt, es ist ein Entwurf, und unsere Recherchen haben ergeben, daß die EU-Rechtsvoraussetzungen in diesem Jahr keinesfalls erfüllt sein werden, weil die Novel-Seed-Verordnung noch in weiter Ferne ist und nicht geklärt ist, ob dann auch auf europäischer Ebene eine obligatorische Kennzeichnung des Saatgutes möglich sein wird, weil – und das ist ja kein Geheimnis – die Interessen der Lobbies auch in Brüssel massiv im Vordergrund stehen und die Chancen dieses Entschließungsantrages meines Erachtens gleich Null sind.

Es ist das alles also nur eine Beruhigungspille für die 1,2 Millionen Menschen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, eine Beruhigungspille für die Konsumenten, denen man vorgaukeln will, daß mit diesem Entschließungsantrag auch die Kennzeichnung sichergestellt sein wird.

Wir Freiheitlichen haben dazu einen Abänderungsantrag eingebracht. In diesem Abänderungsantrag verlangen wir im § 15 Abs. 1 Z 7, daß die chemische und/oder biologische Be


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handlung, die Behandlung mit ionisierenden Strahlen, die gentechnische Veränderung des Saatgutes zu kennzeichnen ist.

Sie haben, wenn Sie das Volksbegehren ernst nehmen, die Möglichkeit, diesen Antrag heute zu unterstützen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zusammenfassend festhalten: Es ist ein Gesetz, das, entgegen Ihren Beteuerungen, bürokratiefreundlich, aber föderalismusfeindlich ist, ein Gesetz, das verfassungsrechtlich bedenklich ist und für mich ein weiterer Schritt zur Entmündigung des Parlaments sein wird. Es ist ein EU-Diktat, das multinationale Konzerne zwar bevorzugen wird, aber die Bauern weiter in die Abhängigkeit treibt, eine Gentechnikkennzeichnung, die in Wahrheit keine ist, sondern vielmehr ein Schlag ins Gesicht all jener, die das Volksbegehren unterstützt und unterschrieben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme nun zu einer zweiten wichtigen Gesetzesmaterie, zur Novellierung der Regierungsvorlage zum Pflanzenschutzmittelgesetz 1997. Abgesehen davon, daß ich die Vorgangsweise gerade bei diesem Gesetz, Herr Vorsitzender Schwarzenberger, für wirklich undemokratisch halte, haben wir nach eingehendem Studium auch inhaltlich schwere Bedenken.

Im § 26 Abs. 5 beispielsweise sind bei gentechnischen Freisetzungen auch nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel anwendbar, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, ob Sie sich das so genau angeschaut haben. Das ist eine Umgehung der derzeitigen Situation, und ich glaube, daß das Gesetz allein schon wegen dieses Paragraphen nicht zu unterstützen ist.

Auch eine Verlängerung der Dauer der Zulassung alter Wirkstoffe findet sich in diesem Gesetz wieder. Vielleicht können Sie, Herr Bundesminister, mir erklären, was genau damit gemeint ist. Aus § 10 in Verbindung mit § 2 Ziffer 16 geht hervor, daß Pflanzenschutzmittel mit alten Wirkstoffen bis zum 26. Juli des Jahres 2003 erlaubt sein werden. Also alles, was vor dem 26. Juli 1993 in irgendeinem Mitgliedstaat der Europäischen Union erlaubt war, ist bis zum Jahr 2003 anwendbar.

Laut dieser Gesetzesvorlage – es kann sein, daß es anders ist, der Herr Bundesminister wird es wohl noch erklären; das ist offenbar ein EU-Diktat – hat sich Österreich den Standards der Europäischen Union zu unterwerfen, und ich frage mich, wozu wir in diesem Haus endlose Debatten über das Atrazin-Verbot geführt haben, wenn jetzt alte Wirkstoffe wieder zugelassen werden sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch dem Wunsch nach einem Direktimport, wie das vielleicht manche Bauern im Hinterkopf meinen, wird in diesem Gesetz nicht stattgegeben. Der Direktimport aus Drittländern ist nicht möglich, was an sich für viele Bauern ein guter Anreiz und auch einer der wenigen Vorteile, den die EU geboten hätte, war, um im Wettbewerb mit den Konkurrenten im Ausland bestehen zu können, denn im § 2 Absatz 1 Ziffer 10 in Verbindung mit § 4 ist ganz klar geregelt, daß nur über Firmen beziehungsweise nur in einer sehr bürokratischen gewerberechtlichen Vorgangsweise der Import dieser Mittel erlaubt ist. Das heißt, ein Direktimport ist nicht möglich – offenbar ein Kniefall gegenüber dem Raiffeisenverband, der da schöne Geschäfte macht. Soviel ich weiß, sitzen fast alle Präsidenten der Landwirtschaftskammern auch per Statut in den Vorständen der Raiffeisenorganisation. (Abg. Schwarzenberger: Auch Ihr Vater war ein Raiffeisen... !) Ja, aber der hätte das sicher nicht mitgetragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund der umfangreichen Materie und aufgrund der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit kann ich die Anträge, die jetzt noch zu besprechen wären, nur streifen.

Ein Anliegen ist mir ein Antrag, den wir schon vor langer Zeit eingebracht haben, nämlich betreffend die Verdoppelung der BSE-Ausgleichsprämie. Wir fordern, den nationalen Anteil auf die BSE-Ausgleichsprämie, den die Europäische Union bereits gezahlt hat, endlich auszuzahlen.


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Wir haben diesen Antrag vor dem Hintergrund eingebracht, daß die österreichische Rinderwirtschaft in einer sehr tiefen Krise steckt. Ich habe den Ausführungen des Kollegen Willibald Sauer sehr aufmerksam zugehört, der, als er in Kärnten war, dort sicher auch die Stimmung mitbekommen haben wird, wie schwer es jetzt die Rinder haltenden Betriebe haben. (Zwischenruf des Abg. Sauer. ) Ja, die Zuchtveranstaltung. Aber die Rinder haltenden Betriebe befinden sich – und da wirst du mir recht geben – mit dem Rücken an der Wand, die Preise für Rinder sind europaweit im Keller – verursacht nicht durch die österreichischen Bauern, sondern durch die Briten, die durch die Verfütterung von Tiermehl die BSE-Krise hervorgerufen haben.

Wir fordern, daß die Beträge, die seitens der Europäischen Union bereits ausgezahlt worden sind, verdoppelt werden. Das ist eine Möglichkeit, die die Europäische Union der österreichischen Bundesregierung überlassen hat.

Die Finanzierung kann für uns keine Frage sein, denn die Europäische Union hat uns 2,6 Milliarden Schilling an Sonderzahlungen aus dem Titel des Umweltprogramms erstattet. Von diesen 2,6 Milliarden Schilling hat aber jetzt der Finanzminister 1,56 Milliarden Schilling, also 60 Prozent, eingesteckt, um damit das Budget zu sanieren und somit die Maastricht-Kriterien zu erreichen.

Herr Kollege Schwarzböck! Du hast vor der letzten Nationalratswahl bei einer Demonstration, zu der 15 000 Bauern nach Wien gekommen sind, mit uns gemeinsam diese Gelder gefordert, und jetzt sind sie weg. Ich frage mich, warum du nicht wieder demonstrierst? Wozu war diese Demonstration eigentlich gut, wenn jetzt das Geld, das den Bauern zusteht, der Finanzminister für das Budget verwendet.

Das sind Gelder, die wir für die Bauernschaft fordern! In vielen Ländern in Europa, so zum Beispiel in Frankreich, wurden diese EU-Prämien mit nationalen Mitteln verdoppelt, und natürlich ist das Fehlen dieser Verdoppelung in Österreich ein Wettbewerbsnachteil für die österreichische Landwirtschaft. Daher haben wir diesen Antrag eingebracht, und ich appelliere an alle, diesen Antrag im Interesse der österreichischen Rinderbauern zu unterstützen (Beifall bei den Freiheitlichen) – dies auch vor dem Hintergrund, daß jetzt seitens der Europäischen Union Erstattungen rückwirkend um 5 Prozent gekürzt werden, wodurch viele Hoffnungsmärkte, die aufgebaut worden sind, wieder zusammenbrechen, so zum Beispiel Kroatien. Das hat sich gut angehört, aber durch die Erstattungskürzungen seitens der Europäischen Union ist natürlich auch für die österreichische Landwirtschaft, insbesondere für die Bauern, ein Wettbewerbsnachteil gegeben.

Die Frühvermarktungsprämie habe ich bereits angesprochen. Die holländischen Kälber dürfen 134 Kilogramm schwer werden, die österreichischen nur 82 Kilogramm – ein weiterer Wettbewerbsnachteil, über den neu zu verhandeln ist.

Letzter Punkt: Abwanderung in der Landwirtschaft. Es werden jährlich 10 000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft wegrationalisiert, und diese werden natürlich im ländlichen Raum fehlen. Laut einer Umfrage wollen 40 Prozent der Bäuerinnen in der Landwirtschaft nicht mehr tätig sein.

Herr Präsident! Ich komme zum Schluß. Es ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung. (Abg. Schwarzenberger: 20 Minuten! Nicht freiwillig! Das steht in der Geschäftsordnung!)


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter, verzeihen Sie, die 20 Minuten Redezeit, die nach der Geschäftsordnung maximal zur Verfügung stehen, sind abgelaufen. Ich bitte um Ihren Schlußsatz.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (fortsetzend): Ich sehe ein, ich bin im Irrtum. Herr Bundesminister! Sie haben keine Visionen, Sie gehen zwar mit vier Punkten hausieren, die aber sehr allgemein gehalten sind. Wir fordern die verfassungsrechtliche Absicherung der im Europavertrag zugesicherten EU-Gelder. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Ing. Reichhold zur Regierungsvorlage betreffend Saatgutgesetz 1997 vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Reichhold, Aumayr, Mag. Haupt und Genossen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

In Art. I 2. Hauptstück 2. Abschnitt § 15 Abs. 1 lautet Z 7:

"7. die chemische und/oder biologische Behandlung, die Behandlung mit ionisierenden Strahlen, die gentechnische Veränderung des Saatgutes."

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzböck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.07

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Glückwunsch meines Vorredners, des Abgeordneten Reichhold, an den Herrn Bundesminister zu seinem heutigen Geburtstag war in der Art, wie er vorgetragen wurde, und vom Inhalt her symbolisch für die Grundhaltung der FPÖ in der Politik, auch in der Agrarpolitik. Er war süffisant, er war doppelbödig, und man kann nur den Kopf schütteln, wenn man sieht, daß sogar Glückwünsche dazu benutzt werden, diese Art von Politik zu transportieren. Ich glaube, daß ein Großteil der Österreicherinnen und Österreicher eine andere politische Kultur, mehr Stil bevorzugt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Saatgutgesetz und das zur Debatte stehende Pflanzenschutzmittelgesetz stellen einen weiteren Teil einer notwendigen EU-Rechtsanpassung dar, die mit Anfang Juli befristet ist. Es ist erfreulich, daß wir heute nach eingehenden Beratungen eine Reihe von Gesetzen beschließen können, die uns helfen sollen, Binnenmarktregeln weiterzuentwickeln, die es letztendlich dann auch ermöglichen, den Binnenmarkt noch stärker mit Leben zu erfüllen. Natürlich sind im Rahmen dieser EU-Anpassungen auch Diskussionen über die Frage berechtigt, wo wir mit unseren nationalen Zielsetzungen in der Agrarpolitik beziehungsweise in der Wirtschaftspolitik stehen.

Mit dem Pflanzenschutzmittelgesetz ist zwar ein weiterer Fortschritt erzielt worden, ich meine aber, daß gerade aus der Sicht funktionsfähiger Binnenmarktregelungen im Betriebsmittelrecht derart breite Mehrfachkompetenzen, wie sie laut diesem Pflanzenschutzmittelgesetz nach wie vor gelten, natürlich zu Verzögerungen führen müssen, und es ist wohl klar, daß die Vision nicht nur in der Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes, sondern auch in der Verwirklichung von hohen Konsumentenschutz- und Gesundheitsstandards bestehen muß, daß eine europäische Anerkennung von höchsten gesundheitlichen Standards und Konsumentenschutzniveaus das tatsächliche Ziel unserer politischen Bemühungen sein muß.


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Herr Kollege Reichhold! Sie verlangen den Direktimport. Sie haben sich in Ihren Ausführungen sachlich derart überpurzelt und widersprochen, daß es fast nicht mehr notwendig ist, darauf einzugehen. Sie kritisieren, daß die Dauer der Zulassung alter Wirkstoffe weiter verlängert werden soll, und Minuten später beklagen Sie, daß in Österreich keine Direktimporte aus Nachbarländern, aus dem Binnenmarkt möglich sind. Das ist ein derart eklatanter Widerspruch, daß es dazu nichts zu sagen gibt.

Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß es dem Landwirtschaftsminister gelungen ist, die Frau Gesundheits- und Konsumentenschutzministerin und den Herrn Umweltminister zu überzeugen, daß es sinnvoll ist, daß in Ländern, mit denen Verwaltungsübereinkommen bestehen, keine Doppelprüfungen aufrechterhalten werden sollen und Vereinfachungen durchgeführt werden können, was uns ja auch hilft, viel rascher an moderne, ökologisch orientierte Pflanzenschutzmittel heranzukommen. Der Weg führt ja hin zu umweltverträglicheren, wertvolleren, ökologisch interessanteren Pflanzenschutzmitteln, und wir müssen in der österreichischen Landwirtschaft sowohl interessenspolitisch als auch im Interesse der Konsumenten daran interessiert sein, daß wir ökologischere Pflanzenschutzmittel – noch dazu aus Ländern mit einem sehr hohen und vergleichbaren Standard, wie zum Beispiel aus der Bundesrepublik Deutschland – so rasch wie möglich auch in Österreich verwenden können.

Meine Damen und Herren! Wer meint, daß wir im Konsumentenschutz oder im Gesundheitsschutz Sicherheitsvorkehrungen riesigen Ausmaßes gegenüber Entwicklungen in Deutschland brauchen, der ist eingeladen, sich die Ressourcen von Untersuchungsbehörden und Prüfbehörden daselbst anzuschauen oder die Kontrollinstanzen in deutschen Industriebetrieben kennenzulernen. Ich hatte vor Jahren die Möglichkeit, bei Bayer Leverkusen das Forschungs- und Kontrollinstitut Monheim zu besuchen, und ich muß sagen, ich würde mir für viele österreichische Universitäten derartige finanzielle Möglichkeiten, wie es sie dort gibt, wünschen. Es sind ganz einfach auch größere Relationen in großen Wirtschaftsräumen zu sehen, und wenn riesige deutsche Industriebetriebe mit zweistelligen Milliardenbeträgen in diesem Bereich forschen und prüfen und die deutsche Verwaltung und Administration mit ihren riesigen finanziellen Mitteln über diese Möglichkeiten der Industrie hinweggeht, zu meinen, eine Sonderprüfung all dieser Regelungen in Österreich würde zu neuen Erkenntnissen führen, ist eine gewagte Behauptung.

Ich bin selbstverständlich auch der Meinung, daß wir dort, wo es einen Sinn hat, den nationalen Spielraum zu nutzen, dies tun sollten, aber Räder zu erfinden, die schon jahrelang laufen, mit der Erkenntnis, daß im Grunde genommen keine Änderungen aus österreichischer Sicht notwendig sind, ist eine Vorgangsweise, die den Weg zu ökologisch interessanteren Pflanzenschutzmitteln verlangsamt und die eher kontraproduktiv ist.

Ich bin überzeugt, daß diesbezüglich Vertreter der grünen Fraktion eine andere Haltung an den Tag legen werden; ich habe mich auch betreffend das Saatgutgesetz mit dem Kollegen Wabl im Ausschuß schon auseinandergesetzt. Es tut mir leid, daß immer gesellschaftspolitische Fragen über mögliche ökologische Fortschritte gesetzt werden. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Das spüren wir auch im Tierschutzbereich, Herr Kollege Wabl. Für mich war es erschütternd, daß in Fragen der Straffreiheit für Werbung im Bereich sexueller Praktiken mit Tieren Frau Kollegin Petrovic den liberalen Zugang zu dieser Rechtsmaterie über den Tierschutzgedanken gestellt hat. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Ich stelle auch in diesem Fall fest: Sowohl betreffend das Saatgutgesetz als auch betreffend das Pflanzenschutzmittelgesetz überwogen in der Diskussion im Ausschuß gesellschaftspolitische Radikalveränderungstendenzen alle kurzfristigen ökologischen Vorteile, die wir in einem Konsens gemeinsam erreichen könnten und viel schneller herbeiführen würden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch nicht verwunderlich, daß bei den Verhandlungen über das Saatgutgesetz massiv versucht worden ist, die sensibilisierte Diskussion zum Gentechnik-Volksbegehren und zur Anwendung oder Verhinderung der Gentechnik in Österreich voll zu implizieren, und es war zu erwarten, daß wir die notwendigen Weiterentwicklungen im Rahmen des Saatgutgesetzes weniger diskutieren als die Frage, ob damit die Gentechnik in Österreich verhindert oder befürwortet wird.


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Wir haben aus der Sicht der Regierungsparteien mit einem ganz klar formulierten Entschließungsantrag – übereinstimmend mit dem Herrn Bundesminister – das Ersuchen gestellt, der Landwirtschaftsminister möge so rasch wie möglich im Rahmen des Saatgutgesetzes in der Sortenliste gentechnisch veränderte Sorten öffentlich machen.

Kollege Reichhold! Es ist doch logisch, daß dann, wenn in Österreich die Sensibilisierung so ist, wie Sie es dargestellt haben – und da gebe ich Ihnen recht –, allein die Veröffentlichung genügen würde, daß allen Gegnern der Gentechnik ... (Abg. Ing. Reichhold: Der Entschließungsantrag ist ein Wiener Schmäh!) Entschuldige, wenn sogar der Bundesminister im Ausschuß persönliches Interesse daran bekundet und von sich aus verspricht, daß er alles unternehmen wird, diesem Entschließungsantrag Rechnung zu tragen, dann wird doch jederzeit eine Diskussion, eine öffentliche Kampagne geführt werden, wenn irgendwo Sorten verfügbar sind, die gentechnisch verändert worden sind.

Aber warum sind wir diesen Weg gegangen? – Weil wir mit Nachdruck die Novel-Seed-Verordnung, eine europäische Kennzeichnung für gentechnisch verändertes Saatgut, so rasch wie möglich umsetzen wollen. Doch wenn Sie auf der einen Seite für Entbürokratisierung und Vereinfachung auftreten und auf der anderen Seite österreichische Zwischenschritte für zwei, drei Monate verlangen, die im Grunde genommen nur zu einer Verunsicherung führen würden, dann ist es klar, worum es Ihnen in Wirklichkeit geht – nicht um eine sachliche Auseinandersetzung, sondern um Verunsicherung.

Meine Damen und Herren! Der Minister wird in den nächsten Wochen und Monaten, ich hoffe, spätestens bis zum Herbst, die Veröffentlichung von gentechnisch veränderten Sorten in der Sortenliste vornehmen. Bis zum Herbst wird es keinen Saatguthandel geben (Zwischenruf der Abg. Aumayr ) , weil der nächste größere Anbau frühestens Ende August, Anfang September erfolgen wird, und bis dahin hat hoffentlich der Herr Minister zeitgerecht gehandelt. Vielleicht ist in der Zwischenzeit auch die Novel-Seed-Verordnung europaweit umgesetzt, worüber ich mich freuen würde. (Abg. Aumayr: Wir wollen überhaupt kein gentechnisch verändertes Saatgut!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf auch noch darauf verweisen, daß Herr Kollege Reichhold gemeint hat, daß im vorliegenden Saatgutgesetz der Föderalismus zu kurz kommen würde. Auch da muß ich sagen: Sie richten es sich, wie Sie es brauchen. Im Saatgutgesetz möchten Sie Föderalismus, im Tierschutzrecht sind Sie vehement für eine Bundeskompetenz, aber im Grunde genommen geht es Ihnen darum, dort zu punkten, wo Meinungsumfragen oder andere Hinweise eine Mehrheit der Bevölkerung konstatieren. Sachlichkeit hat Sie noch selten geplagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lange bevor Sie hier Anträge zum nationalen BSE-Ausgleich eingebracht haben, haben wir denselben schon gefordert. Wir sind in Gesprächen und in Verhandlungen, auch als Interessenvertreter, mit dem Landwirtschaftsminister und mit dem Finanzminister.

Sie haben gefragt, warum ich als Interessenvertreter im Dezember des Jahres 1995 zur Sicherung der EU-Förderungen demonstriert habe und jetzt für den nationalen BSE-Ausgleich nicht. Darauf gibt es nur eine Antwort: Da gibt es einen großen Unterschied: Damals gab es eine harte Auseinandersetzung in der Regierung (Abg. Ing. Reichhold: Nationalratswahl!) , weil die SPÖ nicht verhandlungsbereit war, ja sogar zugesagte Lösungen in Frage gestellt hat. Jetzt sind wir in Verhandlungen mit dem Finanzminister, und während Sie hier verbale Forderungen aufstellen, sorgen wir dafür, daß es zu einem nationalen BSE-Ausgleich kommt. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das war bisher schon der Weg des Erfolges, und das wird auch weiterhin der Weg des Erfolges sein. Ich kann Ihnen jetzt schon versichern, daß ich natürlich als Bauernvertreter, aber auch als Abgeordneter der ÖVP dann wieder zum Demonstrationsrecht greifen werde, wenn berechtigte Forderungen abgelehnt werden oder man nicht bereit ist, Gespräche zu führen. (Abg. Ing. Reichhold: Wenn es keine Rinderbauern mehr gibt!)


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Eine Regierung, vor allem eine Koalitionsregierung, lebt im Grunde genommen davon, daß in Verhandlungen und Gesprächen die Dinge weiterentwickelt werden, und eine Regierung würde sich ad absurdum führen, wenn die Diskussionen in Dauerdemonstrationen ausgetragen würden. (Abg. Ing. Reichhold: Bei der nächsten Nationalratswahl sehen wir uns am Ballhausplatz wieder!)

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß wir heute mit einer Reihe von Gesetzesbeschlüssen den Prozeß des Wirksamwerdens des Binnenmarktes unter Aufrechterhaltung sehr hoher nationaler Standards weiterentwickeln können, denn wir registrieren momentan gerade in der wirtschaftspolitischen Diskussion in sehr vielen Bevölkerungskreisen Urängste. Es wird befürchtet, daß wir im weltweit liberalen Wettbewerb unter Umständen in Österreich unverzichtbare Regelungen nur mehr schwer halten können. Der beste Weg, die österreichische Ausprägung in der Politik auch als Mitglied der EU im Binnenmarkt zu sichern, ist der, mit einer österreichischen Politik Europa österreichischer zu machen und dann als Europäer gemeinsam die Welt europäischer zu machen.

Dort sollten Sie sich eingliedern, und dort hätten wir auch sehr viel zu tun. Diese Gesetze sind ein wesentlicher Schritt in diese Richtung. Ich hoffe, daß wir letztendlich damit weitere sehr hochstehende Standards in die Europäische Union transportieren können und damit europaweit Politik und Standards auch österreichischer machen können. (Beifall bei der ÖVP.)

11.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

11.21

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe heute die Auszeichnung, Herrn Abgeordneten Barmüller vertreten zu dürfen, der als verhindert gemeldet ist, und ich darf nun den liberalen Standpunkt zu den in Behandlung befindlichen Gesetzesmaterien formulieren.

Die Ausführungen meines Vorredners Schwarzböck waren sehr interessant, vor allem seine Perspektive, österreichische Politik in die Europäische Union hineintragen zu wollen. Ich finde diese Idee gut. Ich glaube auch, daß es besser ist, aktiv zu sein, als sich vor Handlungen zu fürchten.

Was das Saatgutgesetz selbst betrifft, finden es wir bedenklich, daß zwar sehr wohl die neuen Sorten und hochwertiges Saatgut als Zielvorstellung in das Gesetz hineingeschrieben wurden, aber die Artenvielfalt und historische Sorten eigentlich darin kein Ziel sind. Die Entwicklung wird sicherlich in Richtung der neuen Sorten gehen, aber dennoch sollte die Artenvielfalt – letztendlich als Genreservoir – erhalten werden. Wir finden es bedauerlich, daß das im Gesetz nicht als Ziel formuliert wurde.

Warum ein Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft immer noch ein Amt sein muß, verstehe ich nicht, Herr Bundesminister. Das ist doch ein klassischer Bereich, den man im Sinne eines Outsourcings ausgliedern und im Sinne der Privatwirtschaftsverwaltung außerhalb Ihres Ministeriums führen könnte. Wann wird dort in dieser Richtung privatisiert? Das betrifft dieses Gesetz am Rande, weil zusätzliche Aufgaben erfüllt und dafür Bedienstete eingestellt werden. Ich glaube, Sie sollten das überprüfen.

Für einigermaßen bedenklich halte ich die Art und Weise, wie Sie in der verfassungsmäßigen Frage vorgehen. Ich darf Ihnen dazu aus den Erläuterungen etwas vorlesen. Dort steht wörtlich: "Die ausschließliche Betrauung der Landwirtschaftskammern mit Vollziehungsaufgaben erscheint im Hinblick auf das Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis von 1963 verfassungswidrig." – Das heißt, es gibt ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, das ganz klar normiert, daß die Vollziehung in der Landwirtschaftskammer nicht der Verfassung entspricht. (Bundesminister Mag. Molterer: Ausschließlich!) Ja, ausschließlich, richtig.

Weiters heißt es dazu: "Eine Verfassungsbestimmung soll daher ermöglichen, daß die Landwirtschaftskammern in bestimmte Abschnitte des erstinstanzlichen Verfahrens zur Vollziehung


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des Saatgutgesetzes 1997 eingebunden werden können." – Sie brauchen also, um dieses Saatgutgesetz vollziehen zu können, eine Änderung der Bundesverfassung. Das ist bitte der Punkt!

Sie schreiben dann in den § 39 Abs. 4 tatsächlich eine Verfassungsbestimmung hinein, sodaß Sie wirklich, um das Saatgutgesetz umsetzen zu können, die Verfassung ändern müssen. Das ist ein Thema, Herr Bundesminister, auf dem die Liberalen so lange herumreiten und draufbleiben werden, so lange es geht! (Beifall beim Liberalen Forum.)

In § 39 Abs. 4 heißt es: "(Verfassungsbestimmung): Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft kann durch Verordnung festsetzen, daß zur Durchführung einzelner Teile ...". – Das heißt, diese Verfassungsbestimmung wird erst dann in Kraft treten, wenn der Bundesminister eine Verordnung erläßt. Was das mit Rechtsstaatlichkeit in einem zivilisierten Staat zu tun hat, verstehe ich nicht. Wenn unter "Inkrafttreten" steht: "Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juni in Kraft. § 39 Abs. 4", wo es um die Verfassungsbestimmung geht, "tritt mit Erlassung einer Verordnung, spätestens aber mit 1. Juli 1998 in Kraft." – Das heißt, der Herr Bundesminister hat es in der Hand, durch eine Verordnung eine Verfassungsbestimmung in Kraft treten zu lassen oder nicht in Kraft treten zu lassen.

Herr Bundesminister! Das halte ich für eine schlechte politische Kultur, vor allem für eine Kultur, die verfassungsrechtlich nicht in Ordnung ist. Wir werden das Saatgutgesetz daher auch ablehnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir bedauern darüber hinaus, bei aller positiven Haltung zur gentechnologischen Forschung und Entwicklung, daß dieser Entwurf auch keine Kennzeichnungsregelung gentechnisch veränderten Saatguts enthält.

Dem Pflanzenschutzmittelgesetz in der vorliegenden Form wird die liberale Fraktion keine Zustimmung geben. Im wesentlichen meinen wir, daß es wirklich zu diskutieren und zu überprüfen wäre, bei aller Bekenntnis zur Europäischen Union, wie es andere europäische Staaten mit der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln halten. Wir haben da einige Bedenken, die auch Barmüller im Ausschuß entsprechend artikuliert hat.

Der Antrag des Herrn Abgeordneten Wabl, der ebenfalls zur Diskussion steht, wird dem Wirtschaftsausschuß zugewiesen. Dabei geht es um die bäuerliche Urproduktion. Herr Kollege Wabl, wir werden im Wirtschaftsausschuß weiter darüber diskutieren, nur eines sei jetzt schon festgehalten: Landwirtschaft hat sich bis vor wenigen Jahren – ob gut oder schlecht, sei jetzt nicht untersucht – im wesentlichen als Produktionsbetrieb verstanden, das heißt, als ein halbes Unternehmen, ein Unternehmen, das nur in der Produktion tätig und wo die Vermarktungsfunktion delegiert war. Wenn ein landwirtschaftliches Unternehmen von der Urproduktion in die Lebensmittelproduktion und den Vertrieb geht, gilt es selbstverständlich als Gewerbebetrieb und ist diesem gleichzustellen.

Darum haben wir im Wirtschaftsausschuß einen Antrag zu einer vollständigen Änderung der Gewerbeordnung eingebracht, um dort, wo es nicht direkt um Leib und Leben geht, wo nicht schon andere Schutzbestimmungen außerhalb der Gewerbeordnung die Sicherheit des Konsumenten garantieren, den Bauern die Möglichkeit zu geben, mit einem einfachen Anmeldeverfahren, mit einer einfachen Haftpflichtversicherung, die wenig kostet – nämlich fast nichts –, weil sie sich am Umsatz mißt, das Gewerbe anzumelden und dann selbstverständlich denselben Spielregeln zu gehorchen wie ein kleiner Fleischermeister oder wie ein kleiner Handelsbetrieb. Die Bauern werden lernen müssen, daß sie Unternehmer sind. Willkommen, ihr Landwirte, im Unternehmerstand! Hervorrangend, ihr seid Unternehmer geworden, die beide Funktionen auf dem Markt erfüllen: Produktion und Vertrieb und Vermarktung. (Abg. Wabl: Wenn es eine vereinfachte Gewerbeordnung gibt, ja!)

Ich hoffe, daß wir in diesem Sinne Ihren Antrag im Wirtschaftsausschuß diskutieren werden, und wir verstehen, daß eine Vereinfachung der Gewerbeordnung die Voraussetzung für eine wirkliche Deregulierung ist, für eine wirkliche Produktions- und Handelsfunktion – dort, wo sie der Konsument wünscht, und nicht dort, wo sie eine veraltete Zunftordnung festhält. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Es wurden drei Anträge von den Freiheitlichen eingebracht. Ich möchte vor allem auf den Antrag des Herrn Ing. Reichhold eingehen. Er betrifft Maßnahmen gegen die Abwanderung aus der Landwirtschaft. Ing. Reichhold formuliert darin wörtlich: "Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, all den in Österreich in Land- und Forstwirtschaft arbeitenden Menschen gerechten Lohn und soziale Sicherheit zu garantieren."

Mathias Reichhold, was ist ein gerechter Lohn? – Entweder sind die Bauern Unternehmer, und wenn sie Unternehmer sind, dann ist ihr gerechter Lohn der Gewinn, den sie machen. Der Gewinn, den sie machen, hängt davon ab, wie niedrig sie ihre Kosten halten und wie hoch ihre Erträge sind. Ich halte nichts von Formulierungen wie "gerechter Lohn". Es gibt keinen gerechten Lohn. Wer stellt das fest? Beschließt der Nationalrat den gerechten Lohn der Landwirtschaft? (Abg. Ing. Reichhold: Wir sind 60 Prozent unter dem durchschnittlichen Lohn eines Industriearbeiters!) Das mag schon sein. (Abg. Ing. Reichhold: Wenn du willst, daß alles abwandert ... !)

Ich bin sehr dafür, daß wir den Bauern ihre positiven externen Effekte, die sie an die Gesellschaft abgeben, selbstverständlich entgelten – dort, wo sie da sind. Ich glaube aber nicht, daß die Bauern ausschließlich Umweltschützer sind. Die Bauern in der Parndorfer Ebene mit 100 Hektar großen Feldern, wo alle Feldraine umgeschnitten worden sind, sind sicher keine Umweltschützer, sondern vielmehr Umweltverwüster. (Abg. Ing. Reichhold: Um die geht es uns auch nicht!) Es gibt aber sehr viele Bauern, vor allem die Hörndlbauern in den Berggebieten, die im ländlichen Gebiet eine sehr wichtige ökologische Funktion haben.

Ich möchte noch auf eines hinweisen, Mathias Reichhold: Die Forderung nach einer gerechten Entlohnung ist bitte eine Nullformulierung (Abg. Wabl: Das stimmt so nicht!), eine Formulierung, die nicht aussagt, worum es geht, und die vor allem vergißt, daß der Bauer Unternehmer ist. Er ist ein Selbständiger und kein staatlicher Angestellter – in deinem Entschließungsantrag ist aber von einem Betriebsstandort die Rede. Ich meine, wir sollten die Rahmenbedingungen der Bauern ändern, damit die Bauern aus ihrer Arbeit Ertrag und Gewinn erzielen können. Die Forderung nach einem gerechten Lohn halte ich maximal für Populismus. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Marizzi. )

11.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.29

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die heute vorwiegend diskutierten und in Verhandlung stehenden gesetzlichen Maßnahmen – und meine Vorredner haben das schon ausgeführt – stellen vorwiegend EU-Rechtsanpassungen beziehungsweise notwendige Schritte dar, um dem EU-Recht gerecht zu werden. Allerdings kann ich nicht umhin, auf einige Bemerkungen meiner Vorredner einzugehen, und zwar aus Sicht der sozialdemokratischen Fraktion.

Präsident Schwarzböck hat hier gesagt, im Jahre 1995 sei der damalige und auch jetzige Koalitionspartner der Österreichischen Volkspartei nicht zu seiner Vereinbarung gestanden. Ich möchte diese seine Behauptung in meiner Rede berichtigen.

Herr Kollege Schwarzböck! Es ist damals wie auch heute festgestanden, daß die sozialdemokratische Fraktion zu den EU-Vereinbarungen im Bereich der Landwirtschaft steht. Es hat die damalige Demonstration nicht den von Ihnen angesprochenen Kern getroffen, sondern war eine im Zuge des Wahlkampfes aus Ihrer Sicht anscheinend notwendige Aktion. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Heute seid ihr ja wieder im koalitionären Ehebett!)

Herr Kollege Reichhold! Wer mit wem verheiratet ist, obliegt denen, die heiraten, und da ich nicht glaube, daß Sie in irgendeiner Form eine Beistandstätigkeit haben (Abg. Ing. Reichhold: Ich bleibe ledig!), verzichte ich auf Ihre jetzt vielleicht auftauchenden Beistandskundgebungen oder sonstigen Versuche, Ratschläge zu erteilen.


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Herr Kollege Reichhold, ich verstehe in gewisser Weise Ihre Argumentation hier am Rednerpult nicht: Auf der einen Seite tritt die Freiheitliche Partei vehement und sehr massiv dagegen auf, daß Subventionen verteilt werden, daß Subventionen überhaupt gewährt werden, daß die öffentliche Hand Subventionen ausschüttet, auf der anderen Seite fordern Sie hier am Rednerpult eine Verdoppelung gewisser Subventionen und eine verfassungsmäßige Festschreibung von Einkommenssituationen für eine Berufsgruppe. Ich frage Sie: Was ist mit den anderen Berufsgruppen? – Ich weiß nicht, wie Sie sich verhalten würden, wenn es darum ginge, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den verschiedensten Branchen verfassungsmäßige Einkommenssicherungen durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Aber das ist nicht versprochen worden!) Herr Kollege Reichhold! Populismus ist ja nicht verboten, aber der sachlichen Diskussion nicht dienlich.

Ein weiterer Punkt, der von Ihnen, Kollege Reichhold, angesprochen wurde, betrifft die gesetzlichen Grundlagen der Gentechnologie. Ich kann für meine Fraktion hier feststellen: Aus konsumentenschützerischer Sicht wäre uns natürlich eine weitergehende Kennzeichnung viel lieber, auch aus der Sicht der Bauern (Abg. Aumayr: Da hätten Sie nur zuzustimmen brauchen!), aber mit diesem Entschließungsantrag, der im Ausschuß beschlossen wurde, ist doch ein erster wichtiger Schritt gesetzt. Ich fände es nicht gut, wenn wir im Landwirtschaftsausschuß hergehen würden und das gesamte Hohe Haus präjudizieren würden, obwohl wir wissen, daß es einen Sonderausschuß geben soll, daß ein Unterausschuß des Gesundheitsausschusses eingesetzt werden wird, der sich mit eben dieser Materie beschäftigen und befassen wird. (Abg. Ing. Reichhold: Schwache Aussage!) Die Vorgaben, die aufgrund der Verhandlungsergebnisse zustande kommen werden, werden ebenso für den Landwirtschaftsausschuß und damit auch für uns Gültigkeit haben. (Abg. Leikam: Guter Mann, der Gradwohl!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als sozialdemokratische Fraktion werden – wie im Ausschuß, so auch hier, obwohl wir, wie gesagt, in einigen Punkten Erweiterungen beziehungsweise verstärkte Maßnahmen gerne gehabt hätten – diesen gesetzlichen Bestimmungen und Maßnahmen unsere Zustimmung erteilen. Wir sind zuversichtlich, daß in jenen Bereichen, in denen wir uns mehr wünschen, durch Verhandlungen – und zwar durch sachliche Verhandlungen, Kollege Reichhold – eine Verbesserung der Situation zu erreichen sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)

11.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

11.34

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Schwarzböck ist leider nicht da. (Abg. Steibl: Er hört mit!) Er hört mit. Ohne Lauschangriff kann er mithören.

Meine Damen und Herren! Kollege Reichhold hat schon darauf Bezug genommen, wie die politische Kultur oder Unkultur im Landwirtschaftsausschuß aussieht. (Abg. Schwarzenberger: Viel besser als im Rechnungshofausschuß!) Wir haben dort noch nie so brachial die Geschäftsordnung eingesetzt, die Opposition geknebelt, die Opposition warten lassen. Wir haben dort noch nie so unpünktlich angefangen, wie Sie das regelmäßig tun. Sie fangen nämlich dann an, wenn Ihre Leute hereinkommen. Das gibt es, soviel ich weiß, in anderen Ausschüssen nicht, Herr Kollege. (Abg. Aumayr: Ja!)

Sie haben auch in der letzten Ausschußsitzung gesagt: Sollen wir schon anfangen? Da war bereits eine halbe Stunde vergangen! Und dann sagt der Herr Vorsitzende: Wir haben da noch ein kleines Gesetz, das Pflanzenschutzmittelgesetz!, und handelt nach dem Motto: Dafür brauchen wir zwar eine Zweidrittelmehrheit, aber die haben wir ja zum Glück. Was interessiert uns da die Opposition? Was interessiert uns da politische Kultur? Wir haben in den letzten Wochen und Monaten ohnedies alles niedergebügelt. (Abg. Schwarzenberger: Bei Ihrem eigenen Antrag sind Sie nicht einmal anwesend gewesen!) Wir haben den Ausschuß im Rechnungshof, wir haben den Untersuchungsausschuß zugemauert, wir haben sämtliche Interpellationsrechte auf Null reduziert, indem wir hier Unwahrheiten verbreiten. Ja was brauchen wir


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denn im Landwirtschaftsausschuß noch ein Agreement, daß wir eine Tagesordnung gemeinsam festlegen und daß wir auch den Sitzungsbeginn gemeinsam festlegen? Wozu denn? Wir haben die verfassungsmäßige Zweidrittelmehrheit, wir können machen, was wir wollen! Und das tun wir auch, das gebrauchen und mißbrauchen wir auch! – Das ist Ihre Politik!

Ich weiß schon, daß Ihnen das alles ziemlich gleichgültig ist. Sie werden nur irgendwann einmal den Kippunkt übersehen, Herr Kollege Schwarzenberger. (Abg. Schwarzenberger: Sie sind bei Ihrem eigenen Antrag nicht einmal anwesend gewesen!) Sie sind damals zu Kreuze gekrochen, um Ihr ÖPUL durchzubringen. Da waren Ihnen die Oppositionsleute angenehm und recht. Ich habe mit dem Minister sogar einen Termin in der Nacht bekommen, nur damit das verhandelt werden kann. Solche Termine gibt es nicht mehr. Es gibt überhaupt keine Termine auf diese Art mehr, denn Sie bestimmen, wann geredet wird und wann nicht geredet wird. (Abg. Dr. Ofner: Warum schreien Sie so? – Abg. Schwarzenberger: Warum sind Sie bei Ihrem eigenen Antrag nicht einmal anwesend gewesen?)

Der einzige Zwischenruf, den ich jetzt im Augenblick akzeptieren kann, ist der vom Kollegen Ofner. Sie haben recht. Ich habe hier einen Lautsprecher, das vergesse ich immer. Danke für Ihre Anregung. Ich werde mich mäßigen. (Abg. Leikam: Das ist Erregung öffentlichen Ärgernisses!)

Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat heute Geburtstag. Ich halte ihn persönlich auch für einen anständigen Menschen. Doch damit bin ich bei dem merkwürdigen Satz des Kollegen Schwarzböck angelangt, der meinte, die Grünen setzen gesellschaftspolitische Fragen über ökologische Fragen. (Abg. Schwarzenberger: Das stimmt auch!)

Kollege Schwarzböck und Kollege Schwarzenberger, Kollegen von den Schwarzen! Ich habe nie geglaubt, Herr Kollege Schwarzenberger, daß Sie die Artenvielfalt reduzieren, weil Sie ein schlechter Mensch sind. Ich habe nie geglaubt, daß Tiere auf österreichischen Straßen gequält werden, weil Sie im Innersten Ihres Herzens ganz finster, ein Finsterling sind. Ich habe nie geglaubt, daß die Maikäfer und die Schmetterlinge und die Marienkäfer und alle möglichen anderen Insekten von Ihnen bösartigerweise auf den Feldern mit der Hand oder mit dem Finger ausgedrückt werden, weil Sie so ein Sadist sind. Das habe ich nie geglaubt. Ich habe immer gewußt, daß das gesellschaftspolitische Zusammenhänge sind, daß es um Interessen, um Machtkämpfe geht – und das ist der entscheidende Punkt: Die Grünen denken vernetzt, und deshalb sehen sie auch gesellschaftspolitische Zusammenhänge! (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, daß viele Dinge auswechselbar sind. Sie sind kein Finsterling, Herr Schwarzenberger, Sie liegen nur falsch. Das ist das Problem! (Abg. Dr. Petrovic: Na ja!)

Entschuldigung, Herr Ofner, ich war schon wieder laut. Doch eines möchte ich Ihnen sagen: Sie lesen hier und sind der einzige hier, der sich an meiner Lautstärke stößt. (Abg. Dr. Ofner: Ich lese die Antwort auf eine Anfrage, die Sie an den Minister gerichtet haben!) Das ist sehr wichtig. Aber ich habe mir gedacht, daß Sie mir bei meinen gesellschaftspolitischen Ausführungen ein bißchen zuhören würden. Aber es macht nichts, daß Sie sich für andere Dinge interessieren, das ist schon in Ordnung. Mich stört es nicht, daß Sie hier lesen, aber Sie stört es, wenn ich zu laut rede. (Abg. Dr. Ofner: Wenn Sie mir sagen, daß die Anfrage nicht wichtig war, schmeiße ich sie weg!) Das ist wunderbar, was Sie lesen! Machen Sie weiter so.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schwarzenberger! Kollege Rudolf Schwarzböck ist jetzt endlich wieder da. Es hat ihn offensichtlich mitten ins Herz getroffen, daß hier für die Aufhebung des Werbeverbots für Sodomie gestimmt worden ist. Meine Damen und Herren, in einer Kultur ... (Abg. Schwarzenberger: Das war nicht sehr schön! Wir lehnen Unzucht mit Tieren ab!)

Herr Kollege Schwarzböck! Ersparen Sie mir, darüber zu philosophieren, was es bedeutet, daß jemand wie Sie ein Gesetz verteidigt, nach dem in der Republik Österreich noch nie jemand verurteilt worden ist. Das ist totes Recht! Und daraus machen Sie eine Ideologiefrage, eine gesellschaftspolitische Frage. Herr Kollege Schwarzböck! Das übergehen wir im Laufschritt. (Abg. Schwarzböck: Frau Kollegin Petrovic sagt ganz andere Dinge dazu!)


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Meine Damen und Herren! Nun komme ich zum wichtigsten Thema, dem Saatgutgesetz. Kollege Reichhold hat schon angemerkt, wie merkwürdig es ist, daß Sie im Zusammenhang mit dem Saatgutgesetz sehr wohl dafür sind, daß in Zukunft das Saatgut gekennzeichnet wird, wenn es chemisch oder biologisch verändert ist, daß Sie aber nicht bereit waren, einem Gesetzesantrag der Grünen, einem Abänderungsantrag der Grünen, zuzustimmen, in welchem gefordert wird, daß das Saatgut auch dann, wenn es gentechnisch verändert wird, gekennzeichnet wird. Kollege Keppelmüller von den Sozialdemokraten, der zwar nicht unbedingt ein Landwirtschaftsexperte ist, der aber als Chemiker meines Erachtens versteht, daß, wenn die chemische Veränderung gekennzeichnet werden muß, auch die gentechnische Veränderung gekennzeichnet werden muß, hat gesagt: Bitte, warum nehmen wir das nicht hinein? – Und dann wurde wortreich verteidigt, warum man das nicht tun kann.

Meine Damen und Herren! Sie haben dann einen sehr windigen und sehr breit gestreuten Entschließungsantrag – ich habe einmal von einem ÖVP-Minister gehört, was von Entschließungsanträgen zu halten ist – gemacht, in dem Sie zum Ausdruck bringen, daß Sie diesbezüglich im Herbst eine Gesetzesvorlage einbringen werden, weil es erst dann notwendig sein wird.

Diese Art der Ausrede, diese Unfähigkeit und diese Entmündigung, die Sie da betreiben, ist letztklassig! Herr Kollege Schwarzböck, bitte kommen Sie mir nicht wieder mit Ihren gesellschaftspolitischen und ökologischen Widerparten, indem Sie sagen, die Grünen würden dies und jenes bevorzugen, es seien gesellschaftspolitische Machtinteressen, die da eine Rolle spielen.

Sie wissen ganz genau, was Sie der Industrie, jenen, die bei Ihnen lobbyieren, schuldig sind. Das ist nämlich das Problem! Deshalb geht in der ökologischen Frage sowenig weiter und nicht etwa deshalb, weil Sie das nicht wollen, weil Sie nicht ebenso grün in Ihrem Herzen sind, sondern deswegen, weil Sie sich in anderen gesellschaftlichen Zwängen befinden und weil beim Herrn Minister schon längst die ganze Agrarindustrie lobbyiert hat und gesagt hat: Das, bitte, kommt nicht in Frage, das werden wir nicht zulassen! Da können zwei Millionen Menschen von Österreich unterschreiben, das interessiert uns nicht! Wir haben andere Interessen zu vertreten! – Das ist in Wirklichkeit das Problem, warum in ökologischen Fragen sowenig weitergeht! (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen. )

Meine Damen und Herren! Es geht heute um nicht weniger und nicht mehr als um die Frage, ob die Rechte der Landwirtschaft, der Bauern und der Bäuerinnen gestärkt werden oder ob die Rechte der Agrarindustrie zementiert und gefestigt werden. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten haben wir heute wieder einmal zu entscheiden.

Herr Kollege Schwarzböck! Sie haben nicht mit aller Entschlossenheit die Rechte der Bauern vertreten, und das können Sie auch Ihrem Minister bescheinigen. Sie haben zwar – und das muß man konzedieren – aufgrund des politischen Drucks, der von der Umweltbewegung und von den Grünen und aus anderen Bereichen gekommen ist, zumindest das Landwirteprivileg zum Teil ... (Abg. Schwarzböck: Das war schon vor Monaten in der Stellungnahme der ...!) – Herr Kollege Schwarzböck, es gibt auch schon seit Monaten Druck. Es war nicht in der Gesetzesvorlage enthalten, und Sie mußten das aufgrund des Drucks der Umweltbewegung ändern. – Ich weiß, das ist mir schon klar: Sie ändern es immer, wenn der Herrgott es Ihnen direkt eingibt – oder Raiffeisen.

Meine Damen und Herren! Diese Frage wird heute entschieden werden, und ich frage mich, wie der Herr Keppelmüller und der Herr Gradwohl und die anderen Sozialdemokraten entscheiden werden, wenn es darum geht, ob der Biobauer, die Biobäuerin, wenn er oder sie Saatgut kauft, tatsächlich unterscheiden kann, welches Saatgut das ist.

Herr Kollege Schwarzböck! Wenn Sie hinnehmen, daß es keine Sicherheit für den Biobauern oder für die Biobäuerin gibt, welches Saatgut er oder sie kauft, dann werden Sie erleben, daß es zu einer breiten Verunsicherung auf diesem Sektor kommt. Dadurch werden Sie das, was in Österreich in den letzten Jahrzehnten mühsam aufgebaut worden ist, einen mühsam erar


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beiteten Erfolg, zunichte machen. (Abg. Schwarzenberger: Biobauern können Futtermittel nur von Biobauern kaufen, und diese haben ein eigenes Kontrollsystem! – Abg. Ing. Reichhold: Es geht um Saatgut!)  – Herr Kollege Schwarzenberger! Wenn das stimmt, was Sie jetzt gesagt haben, dann frage ich Sie: Wozu brauchen wir dann den Entschließungsantrag? (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Wozu vertrösten Sie dann auf die EU-Instanzen, wenn dem ohnehin so ist, wie Sie es sagen? Wozu? (Abg. Schwarzenberger: Auch die Nicht-Biobauern sollen solche Informationen bekommen!)  – Ah! Die Nicht-Biobauern sollen genau wissen, was gentechnisch verändert ist. Und dafür sorgen Sie jetzt mit diesem Entschließungsantrag. Da sage ich nur: Ich gratuliere! Ich hoffe, das glauben Ihnen alle.

Meine Damen und Herren! Wir haben das Problem, daß die Saat der Erde, das, was seit Jahrtausenden von vielen Bauern und Bäuerinnen gezüchtet und immer wieder optimiert worden ist, immer mehr in die Hände weniger Multis gerät. Aber das sind gesellschaftspolitische Fragen! Das passiert nicht deswegen, weil Sie böse sind, nicht deshalb, weil Sie den äthiopischen Kleinbauern nicht mögen – den haben Sie noch nie gesehen –, sondern deswegen, weil Sie die Multis sehen, die Ihnen in den Ohren liegen und Ihnen sagen: Wir brauchen Patente auf Lebewesen und Tiere! – Das, Herr Kollege Schwarzböck und Herr Kollege Schwarzenberger, sehen Sie ein, doch das ist das Problem, denn durch die Patentierung von Pflanzen und Tieren wird nämlich eine schleichende und wachsende Enteignung der gesamten ländlichen Bevölkerung betrieben. Das ist das Problem! Sie nehmen zur Kenntnis, daß Tausende von Pflanzen verschwinden und nur mehr die Multis die Genreserven und das Saatgut in ihren Händen halten, und diese Besitzstände sichern Sie mit Ihren Gesetzen ab. Aber das wollen wir nicht hinnehmen!

Kollege Schwarzenberger! Ich habe es schon gesagt: Die Sicherheit der Biolandwirtschaft wird damit nicht garantiert. Sie werden zwar wieder wortreich beklagen, daß Sie sich durchaus um das Volksbegehren und um jene Menschen, die es unterschrieben haben, kümmern werden, aber Sie werden es nicht umsetzen. Sie werden sagen: Ja selbstverständlich, wir tun alles, aber wir sind nicht gegen die Wissenschaft! – Das hat angeblich irgend jemand behauptet. Ich habe noch von keinem Volksbegehrensbetreiber gehört, der gesagt hätte, er sei gegen die Wissenschaft, ich habe nicht einmal gehört, daß jemand gesagt hätte, er sei gegen die Gentechnik. Nennen Sie mir nur einen! Das ist nicht der Fall, das ist nur eine wunderbare Propaganda. Keiner von diesen Leuten ist gegen die Wissenschaft, keiner von diesen Leuten ist gegen die Gentechnik an sich, keiner von diesen Leuten ist dagegen, daß die Gentechnik auch in bestimmten Bereichen der Medizin eingesetzt wird. Aber Sie suggerieren, es herrsche da eine Wissenschaftsfeindlichkeit. Sie suggerieren, daß man da internationale Forschungsstätten abhält.

Wissen Sie, was die einzige und klare Forderung ist? – Daß es im Bereich der Landwirtschaft diese Technologie nicht geben soll, weil sie sehr viele Nachteile und Risken mit sich bringt, vor allem Risken, die wir noch nicht kennen. Ich habe auch bis vor kurzem, bis vor einigen Jahren nicht gewußt, daß das Rindfleischessen lebensgefährlich sein kann. Aber ich weiß auch viele Dinge im Zusammenhang mit der Gentechnik nicht, im Zusammenhang mit dem Saatgut und mit der Pflanzenveränderung. Aber warum soll man eine Technologie anwenden, deren Risken man noch nicht kennt und für welche überhaupt keine Veranlassung besteht? Wenn Sie mir erklärten, daß sonst die Hungersnot ausbrechen würde, würde ich sagen, dieses Risiko ist kleiner als das Risiko, sehr viele Menschen sterben zu lassen. Aber dieses Argument stimmt überhaupt nicht! Das wurde zwar allzu oft ins Treffen geführt, aber es stimmt überhaupt nicht! Sie haben auch heute im Zusammenhang mit dem Pflanzenschutzmittelgesetz argumentiert, Kollege Schwarzböck, Sie wollen deshalb vereinfachte Bestimmungen haben, damit wir aus anderen Ländern ökologischere beziehungsweise ökologisch verträglichere Pflanzenschutzmittel bekommen. Wenn das Ihre Intention wäre, dann könnten wir diesen Weg ja gemeinsam beschreiten. Aber das ist nicht Ihre Intention, Sie geben vielmehr einem Druck nach.

Meine Damen und Herren! Das Erbe – und das sind das Saatgut und die Artenvielfalt – gehört allen Menschen, nicht nur den Multis und Raiffeisen, Herr Kollege Schwarzenberger. Ich und meine Fraktion und die Umweltbewegungen und viele Sozialbewegungen werden dafür kämpfen, daß diese Enteignung nicht stattfindet. Wir müssen ein ganz neues Teilen entwickeln,


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und nicht ein neues Patentieren und ein neues Aneignen, wie das bei der letzten GATT-Runde beschlossen worden ist. Die letzte GATT-Runde, die Uruguay-Runde war ein weiterer Schritt zur Besitzstandssicherung der Multis. Das war kein weiterer Schritt zur Sicherung des Erbes der Menschheit und zu einer gerechteren Verteilung.

Damit komme ich zu Helmut Peter, der hier gegen das Wort "gerecht" im Zusammenhang mit den Löhnen für die Landwirte in den Ausführungen des Kollegen Reichhold polemisiert hat. (Abg. Motter: Nein, nein!) Meine Damen und Herren! Das Wort "gerecht" hat einen tiefen Sinn, und Kollege Peter hat schon recht, wenn er meint, daß es nicht so präzise ist, wie er sich das als Wirtschafter wünscht. Aber in einer politischen Auseinandersetzung ist die Frage, was gerecht ist und was nicht, leicht zu beantworten. Das ist leicht meßbar und eruierbar.

Wenn Menschen, die in einem bestimmten Bereich arbeiten, nicht einmal das herausbekommen, was sie einsetzen, nämlich nicht einmal den Deckungsbeitrag, wenn sie nicht einmal das, was sie an Betriebsmitteln einsetzen, abgegolten bekommen, dann kann man sicher davon ausgehen, daß das ungerecht ist.

Natürlich kann man der Meinung sein, daß wir unsere Bauern gar nicht brauchen. Ich habe schon mit vielen Menschen geredet, die gesagt haben: Wir brauchen keine Bauern, wir importieren alles! In einer Zeit, in der die Autobahnen und der freie Verkehr und der Handel so günstig und so billig sind, brauchen wir doch keine Bauern mehr! Wozu brauchen wir also die paar Bauern in Österreich noch? Zur Landschaftspflege – wunderbar! –, damit, wenn die bayrischen und die italienischen Touristen kommen, ein paar wunderschöne alte, bärtige Männer mit Pfeife und alte Frauen herumrennen und ein bißchen mit der Sense die Landschaft pflegen? Dafür brauchen wir sie vielleicht noch, aber doch nicht zur Produktion von Nahrungsmitteln!

Meine Damen und Herren! Wenn das der Hintergrund Ihrer Argumentation ist, dann sagen Sie es. Aber wenn Sie wollen, daß es in den landwirtschaftlichen Betrieben gerechte Einkommen gibt, dann müssen wir darüber diskutieren, was gerecht ist, anstatt nur dagegen zu polemisieren. Da trifft der Vorwurf des Populismus leider allzu oft zu. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Der trifft wahrscheinlich bei den meisten Parteien zu, bei Ihnen allerdings allzu häufig! (Abg. Aumayr: Na geh!)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen eine Kennzeichnung von Saatgut. Herr Minister Molterer! Ich kann Ihren Standpunkt einfach nicht teilen, und ich bin neugierig, mit welchem Argument Sie hier diesem Forum begründen werden, daß Sie Ihrer Fraktion und den Regierungsparteien empfohlen haben, der von uns geforderten Erweiterung dieses Gesetzes nicht zuzustimmen.

Man muß sich das einmal vorstellen: Drei Worte: chemisch, biologisch und – das haben wir dazugesetzt – gentechnisch verändert. Der Minister hat gesagt, letzteres könne man nicht hineinnehmen, weil die EU noch etwas anderes wollen könnte. – Das muß man sich einmal vorstellen! So weit ist es mit der Souveränität dieses Hauses und dieser Republik schon gekommen! (Beifall bei den Grünen.) Der Minister kann das dritte Wort "gentechnisch" nicht dazusetzen! 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben unterschrieben, und der Minister kann die Worte "gentechnisch verändert" nicht dazusetzen! (Abg. Aumayr: Er will nicht!)

Meine Damen und Herren! Das muß man sich einmal vergegenwärtigen! Wenn ich jetzt von allem anderen absehe, so reduziert das das politische Gewicht unseres Hauses. (Abg. Öllinger: Des Ministers!)

Wir haben hier außerdem einen Antrag auf Abgabe von Pestiziden eingebracht. Da werden leider die Sozialdemokraten und die ÖVP – die Ökologen der ÖVP – nicht mitgehen können – die Freiheitlichen leider auch nicht. Dieser Antrag stellt einen wesentlichen Beitrag zur ökologischen Steuerreform dar. Wir werden verlangen, daß es keine Patentierung von Pflanzen und Tieren geben darf. Wir werden dadurch erreichen, daß die Konsumentinnen und Konsumenten in den Läden bei gesunden Lebensmitteln sicherer werden zugreifen können, daß die Bauern


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ein wichtiges Standbein, nämlich den Bereich der Saatgutvermehrung und des Saatguthandels, erhalten, daß die Artenvielfalt erhalten bleibt und daß die Reduzierung von gefährlichen Lebensmitteln weiter vorangetrieben werden kann. Diese Lösungen werden wir anstreben und nicht das, was die Regierung heute kleinmütig und äußerst bescheiden vorantreibt! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

11.54

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute zwei wichtige Rechtsmaterien, die die Landwirtschaft in zwei relevanten Fragen, nämlich in der Frage "Saatgut" und in der Frage "Pflanzenschutzmittel" betrifft.

Es ist richtig, daß beide Gesetzesmaterien für die Entwicklung und für die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind. Es ist für mich klar, daß die österreichische Landwirtschaft – die Bäuerinnen und die Bauern – die grundsätzliche Strategie, die Österreich in der Agrarpolitik anwendet, offensiv mitträgt, nämlich daß wir die Frage der ökologischen Orientierung ernst nehmen, und daß wir in der österreichischen Landwirtschaft nicht alles, was machbar ist, machen wollen (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Achs ), weil nicht alles Machbare gut ist.

Meine Damen und Herren! Es ist aber genau so klar – und vor dieser Debatte können und dürfen wir uns nicht drücken –, daß die österreichische Landwirtschaft, die österreichischen Bauern diesen Weg nur dann gehen können, wenn auch die wirtschaftliche Grundlage stimmt, weil eine ökologische Orientierung allein, ohne wirtschaftliche Lebensfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft, keine dauerhafte Orientierung wäre. Nur dann, wenn die wirtschaftliche Orientierung stimmt, kann die ökologische Zielsetzung verwirklicht werden. Und genau diesem Zwecke dienen diese beiden Gesetzesmaterien.

Das Pflanzenschutzmittelgesetz ist eine Weiterentwicklung des jetzt geltenden Pflanzenschutzmittelgesetzes und hat zum Ziel, in einem fünfjährigen Zeitraum neuerlich eine Senkung des Einsatzes der Pflanzenschutzmittel herbeizuführen – und nicht, wie hier behauptet wurde, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auszuweiten.

Meine Damen und Herren! Es ist offensichtlich in Vergessenheit geraten, daß die österreichischen Bauern zwischen 1991 und 1994 bereits um 20 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt haben, und das auf einem Niveau, das international ohnehin bereits sehr tief ist. Und ich sage: Gott sei Dank!

Das Ziel ist, auch in Zukunft mit weniger Pflanzenschutzmitteln auszukommen. Aber es ist gleichzeitig das Ziel, Pflanzenschutzmittel – weil bessere auf dem Markt sind, weil moderne und ökologisch verträglichere Produkte entwickelt werden – rascher zuzulassen. Und es ist das Ziel, die besseren Pflanzenschutzmittel zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Das heißt: weniger Produkte, bessere Produkte, aber diese zu wettbewerbsfähigen Bedingungen. Das ist das Ziel des Pflanzenschutzmittelgesetzes, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Achs und Leikam. )

Ich mache auch darauf aufmerksam, daß dieses Pflanzenschutzmittelgesetz in weiten Passagen auch mit den NGOs besprochen wurde. Es ist auf Anregung der NGOs die Zielsetzung dieses Pflanzenschutzmittelgesetzes erweitert worden, ebenso ist die Frage der Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln besprochen worden.

Es gibt einen Punkt, bei dem wir unterschiedlicher Auffassung sind, nämlich in der Frage der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die nach wie vor ein Verfahren benötigen und die aus Ländern kommen, in denen vergleichbare Bedingungen herrschen und mit denen ein Verwaltungsübereinkommen besteht. Dieses Verwaltungsübereinkommen besteht derzeit mit einem


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einzigen Land, und zwar mit Deutschland. Es kann wohl niemand davon ausgehen, daß dort verantwortungslos umgegangen wird. Wir haben zusätzlich sogar noch die Regelung, daß ein Zulassungsverfahren durchgeführt werden muß, im Rahmen dessen überprüft werden soll, ob die Bedingungen, die Österreich vorschreibt, auch erfüllt werden.

Herr Kollege Reichhold! Nur einige Klarstellungen: § 26 regelt die Frage der wissenschaftlichen Forschung. Um ein Pflanzenschutzmittel beurteilen zu können, ob es eine richtige oder falsche ökologische Wirkung hat, muß man einen wissenschaftlichen Versuch machen. § 26 regelt – extrem eingeschränkt – die Frage, unter welchen Bedingungen derartige Versuche überhaupt gemacht werden können.

Zu dem von Ihnen angesprochenen § 10: § 10 verkürzt die Dauer der Zulassung für einzelne Wirkstoffe, indem sie mit dem Jahr 2003 befristet wird. Im geltenden Pflanzenschutzmittelgesetz gibt es Zulassungsfristen bis zu 10 Jahren. Er verkürzt also die Frist; Sie haben behauptet, er verlängert sie.

Wenn Sie das Gesetz lesen, dann werden Sie im § 17 sogar eine Verordnungsermächtigung finden, wonach der Landwirtschaftsminister Wirkstoffe verbieten kann, wenn sie unseren Zulassungskriterien nicht entsprechen. Ich mache darauf aufmerksam, daß es das Landwirtschaftsministerium unter meiner Führung war, das das Verbot von Atrazin wieder veranlaßt hat, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu welchem das Verbot aufgehoben war. Das heißt, der Landwirtschaftsminister und das Ressort nehmen für sich in Anspruch, in besonderer Weise die ökologische Vertretbarkeit im Bereich der Pflanzenschutzmittel auch umzusetzen und durchzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zum zweiten Gesetzestext, den wir hier heute behandeln: zum Saatgutgesetz. Dieses Gesetz regelt das Inverkehrbringen von und die Zulassungskriterien für Saatgut.

Wir haben – und darüber bin ich froh – den Abänderungsantrag nicht ob einer göttlichen Eingebung oder sonst etwas gemacht, sondern aus der Erkenntnis heraus, daß es sinnvoll ist, daß in der Frage Nachbarschaftshilfe und Genressourcen zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden.

Ich kann Sie beruhigen, Herr Kollege Wabl: Es sind gerade jene Unternehmen, von welchen Sie immer sagen, daß sie auf uns solch großen Einfluß hätten, die mit diesem Abänderungsantrag nicht gerade glücklich sind. Vielleicht beruhigt Sie das (Abg Leikam: Den Wabl kann man nicht beruhigen!) und bestätigt noch mehr die Richtigkeit dieses Abänderungsantrages.

Ich mache eine Politik, die sich weder nach diesen Einflüssen noch nach anderen richtet, sondern die ich für richtig halte. Und ich bin froh darüber, daß dieser Abänderungsantrag eingebracht wurde.

Ich bin auch froh darüber, daß wir den Entschließungsantrag haben, meine Damen und Herren. Ich möchte der Fairneß halber – und um Fairneß ersuche ich – klar sagen, daß dieser Entschließungsantrag aus zwei Teilen besteht. In der bisherigen Diskussion und auch in der öffentlichen Debatte ist nur vom zweiten Teil die Rede gewesen.

Im ersten Teil werde ich aufgefordert, eine Kennzeichnung auf der Sortenliste vorzunehmen und zu veranlassen, deutlich erkennbar zu machen, ob es sich auf der Sortenliste um gentechnisch veränderte Pflanzen handelt. – Wir nehmen Entschließungsanträge ernst.

Herr Kollege Wabl! Meine Damen und Herren! Seit gestern ist im Internet auf Basis dieses Entschließungsantrages ersichtlich gemacht, welche Sorten, die in Österreich zugelassen sind, gentechnisch verändert sind. Diese Information ist damit öffentlich zugänglich und wird einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Wabl, Schwarzenberger und Aumayr. ) Man sieht, daß die in Österreich zugelassenen Sorten und im österreichischen Sortenregister angeführten Sorten nicht gentechnisch verändert sind.


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Ich werde darüber hinaus, wie es der Entschließungsantrag vorsieht, auch einen Entwurf hinsichtlich der Kennzeichnung vorlegen.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen auch, warum ich diesen Weg für richtig halte: weil wir jetzt sofort auf Basis des Entschließungsantrages definieren können und sagen können, welche Sorte aus der Sortenliste nicht modifiziert ist. Das ist für die Bauern wichtig; für alle Bauern, auch für die Biobauern. Zweitens können wir eine Rechtsgrundlage schaffen, die der Zielsetzung, nämlich der umfassenden Kennzeichnung dieser Produkte, entspricht; einer Kennzeichnung, die auf europäischer Ebene intensiv vorbereitet wird.

Sie wissen, daß die Kommission aufgrund der österreichischen Initiative und aufgrund unseres Vorstoßes in der Europäischen Union erklärt hat, daß sie die Kennzeichnung in vier Bereichen verbessern wird:

Erstens: Sie überlegt, wie ein rechtliches Instrumentarium geschaffen wird, durch das bereits vor Novel-Food zugelassene Produkte nachträglich in dieses Kennzeichnungssystem eingebaut werden können – ein wichtiger Schritt, damit kein Freiraum einer nicht gekennzeichneten Produktschiene besteht.

Zweitens: Die Union arbeitet an der Novel-Seed-Kennzeichnung, das heißt an der Kennzeichnung von Saatgut. Wir werden selbstverständlich im österreichischen Saatgutgesetz diese Maßnahmen, die die Europäische Union setzt, so umsetzen, wie sie der Sicherheit und dem Wunsch etwa der Biobauern oder auch anderer optimal gerecht werden und diese entsprechend unterstützen.

Drittens: Es gibt die Initiative der Novel-Feed-Kennzeichnung, das heißt der Kennzeichnung von Futtermitteln; nicht nur der Kennzeichnung von Futtermittelkomponenten, sondern auch der Kennzeichnung bis hin zum Mischfutter. Für die Bauern ist es ja relevant, daß gekennzeichnet wird, ob ein Futtermittel gentechnisch modifiziert ist oder nicht.

Viertens: Es gibt in der Europäischen Union die Initiative der umfassenden Kennzeichnung durch Änderung der Richtlinie 220/1990. Ich würde es nicht einsehen, gäbe es nur eine Debatte etwa über die Frage Futtermittel oder Saatgut, aber keinerlei Kennzeichnung, wenn es sich um andere Produkte handelt, die für den Menschen mindestens genauso wichtig sind.

Die Position der Bundesregierung und meine Position in diesem Bereich sind klar: Wir wollen die umfassende Kennzeichnung, weil es für die Menschen wichtig ist, zu wissen, welche Produkte tatsächlich vorhanden sind und welche nicht.

Das Landwirtschaftsministerium wird sich auch weiterhin intensiv in dieser Frage – über die Kennzeichnung hinaus – engagieren und sich mit ihr befassen. Es ist im Bereich des Landwirtschaftsministeriums von mir etwa veranlaßt, daß wir im Bereich Risikoforschung und Gentechnologie einen wesentlichen Schwerpunkt setzen. Wir haben beispielsweise gemeinsam mit den Biobauern einen Forschungsschwerpunkt gesetzt, was die Frage der Züchtung von Sorten für den biologischen Landbau betrifft.

Es ist mir wichtiger, daß gehandelt wird, als daß hier schöne Worte gefunden werden. Wir haben im Bereich des Landwirtschaftsministeriums die richtigen Schritte gesetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, auch noch ein Wort grundsätzlicher Natur: Ich gebe dem Kollegen Wabl darin recht, daß hinsichtlich der Gentechnik eine differenzierte Diskussion notwendig ist, daß es ziemlich unbestritten ist, daß die Gentechnik etwa in der Medizin positive Effekte für die Gesundheit und für die Heilung von Menschen hat. Und Kollege Wabl hat zu Recht gesagt, daß die Frage der Gentechnik in der Landwirtschaft mit größter Sorge zu betrachten ist, weil es mögliche Risken gibt – daher bin ich dafür, daß wir genau diese Risken auch in der Forschung ermitteln. Aber es kann genauso sein, daß diese Technologie, wie in der Medizin, auch in anderen Bereichen, wie etwa der Umwelttechnologie oder auch der Ernährung, positive Effekte hat. Und ich würde es für unverantwortbar halten, uns aus der Emotion heraus


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der positiven Effekte, die wir im Bereich Umwelt, Ökologie oder Nahrungsmittelqualität haben, von vornherein zu berauben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich halte es für verantwortbarer, positive und negative Seiten zu sehen und nicht schwarzweißzumalen. Und das ist meine Position, die ich in dieser Frage einnehme. Ich respektiere selbstverständlich die Sorgen, wie ich etwa mit der Frage der Anweisung im Zusammenhang mit der Umsetzung dieses Entschließungsantrages nachweisen kann.

Ich bitte daher, sich bei all diesen Fragen nicht ausschließlich von Emotionen bewegen zu lassen, sondern die Rationalität genauso in den Mittelpunkt des politischen Handelns zu stellen. Wir dürfen uns nicht möglicher positiver Effekte durch falsche Entscheidungen selbst berauben. – Das ist meine grundsätzliche Position in dieser Frage, die sich in der Position der Bundesregierung ungeteilt widerspiegelt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Nächste Redner ist Herr Abgeordneter Freund. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.08

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Da sich Herr Bundesminister Molterer schon sehr intensiv und ausführlich mit den Themen Saatgut und Pflanzenschutz beschäftigt hat, möchte ich mich einem anderen Thema zuwenden, das wir auf der heutigen Tagesordnung finden, und zwar dem freiheitlichen Antrag betreffend Maßnahmen gegen die Abwanderung in der Landwirtschaft, in dem der Bundesregierung vorgeworfen wird – damit ist selbstverständlich auch Herr Bundesminister Molterer gemeint –, daß für die Landwirtschaft überhaupt nichts unternommen wird und nicht gegengesteuert wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich stelle dazu folgendes fest: Die Landwirtschaft unterliegt natürlich genauso wie die Wirtschaft dem Wettbewerb, und Strukturveränderungen sind da nicht zu vermeiden.

Was sind nun die Ursachen für die Abwanderung aus der Landwirtschaft? – Der schnelle und hohe technische Fortschritt in der Produktion von Pflanzen und auch von Lebensmitteln, die technische Mechanisierung, der Einzug der Computertechnik und die Automatisierung, die Ertragssteigerung und ein enormer Lebensmittelüberhang in den westlichen Industrieländern in Europa und in Übersee, die fortschreitende Liberalisierung des Weltmarktes bei Agrarprodukten, die niedrigen Weltmarktpreise für Agrargüter, die Bildung und auch die Ausbildung in nicht bäuerlichen Berufen sowie die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes. All dies fördert die Abwanderung aus der Landwirtschaft.

Die Abwanderung aus der Landwirtschaft gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg in ganz Europa, und sie setzt sich weiter fort. Das heißt aber nicht, daß man das als gegeben hinnehmen muß und keine Gegenstrategie anwenden soll, zumal ja der allgemeine Arbeitsmarkt als nicht mehr aufnahmefähig erscheint. – Einfach nur Untätigkeit dem Landwirtschaftsminister vorzuwerfen, ist unreell und zurückzuweisen.

Ja, wir haben eine schlechte Situation den Grünlandsektor betreffend, im Rinderbereich und bei der Milchproduktion, die katastrophalen Auswirkungen der BSE-Krise in Europa – kein einziger Fall von BSE in Österreich, und trotzdem ein Preisrückgang bei den Rindern von bis zu 20 Prozent. Der Milchpreis, den die österreichischen Bauern erhalten, gehört EU-weit zu den schlechtesten, weil wir auf dem Markt noch keine zufriedenstellende Position haben. Von den Lebensmittelketten werden Milch und Milchprodukte zu einem Schleuderpreis, unter dem Einstandspreis angeboten; zum Beispiel kostet Schlagobers jetzt 6,90 S, vor dem EU-Beitritt kostete es 23 S. Hochqualitative Produkte von den heimischen Bauern kommen dadurch unter die Räder. Was vielleicht für so manchen Konsumenten positiv sein mag, ist für den heimischen


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Milchbauern katatstrophal. Es ist zu befürchten, daß, wenn dieser vernichtende Preiskampf bei Grundnahrungsmitteln nicht aufhört, viele Bauern mit der Milchproduktion aufhören.

Es ist dann auch die Grünlandbewirtschaftung in Gefahr. Das bedeutet: Es gibt dann keine gepflegten Wiesen, aber eine Verwilderung der Kulturlandschaft. Negative Auswirkungen auf den Fremdenverkehr sind die Folge. Maßnahmen zur Rettung der Gründlandbewirtschaftung sind daher unbedingt notwendig.

Es ist absolut unverständlich, warum die Bauern in Österreich bei der hohen Qualität von Rindfleisch nur diese niedrigen Auszahlungspreise für Schlachtrinder von den Schlachthöfen erhalten; das verstehe ich überhaupt nicht. Wir müssen Maßnahmen setzen, damit es in diesem Bereich zu einer Verbesserung kommt.

Ich freue mich, daß der Herr Bundesminister in dieser Sache aktiv ist, daß er sich auch dafür einsetzt, daß es zu einer Aufstockung der Grünlandprämie und Prämien für weibliche Rinder kommt.

Ich begrüße es auch, daß sich Minister Molterer dafür einsetzt, daß die BSE-Ausgleichszahlungen erhöht werden.

Selbstverständlich begrüße ich es auch, daß sich Minister Molterer mit uns gemeinsam dafür einsetzt, daß die Milchquotenregelung europaweit aufrecht bleibt, sonst würden wir zusätzlich unter Druck geraten, weil in anderen Ländern die Milchproduktion leichter stattfinden kann. In diesem Bereich darf es zu keiner gänzlichen Liberalisierung kommen, da die Produktionsvoraussetzungen zu unterschiedlich sind.

Die Produktionskosten sind in Österreich für die Bauern noch viel zu hoch. Die im Vergleich zu unseren europäischen Kollegen strengen Auflagen für die Produktion von Lebensmitteln benachteiligen unsere Bauern eklatant. Die heutigen Regierungsvorlagen können das vielleicht ein wenig lindern. (Abg. Aumayr: Wo?)

Wir haben in Österreich strenge Tierschutzgesetze, die durch die Bundesländer geregelt werden. Jeder Bauer hat Interesse an der besten Tierhaltung. Sie von den Freiheitlichen unterstützen das Bundestierschutzgesetz, obwohl Sie genau wissen, daß damit die Spaltenbodenhaltung und die Anbindehaltung verboten werden sollen. (Abg. Aumayr: Das ist ein Blödsinn! Du hast das gar nicht gelesen! So ein Blödsinn!) Das würde wieder kleinere Bauern dazu zwingen, die Produktion einzustellen, weil das enorm hohe Kosten für Umbauten und Investitionen bedeuten würde. Diese Ihre Haltung verstehe ich daher überhaupt nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Frau Kollegin Aumayr! Sie sollten einmal aus Ihrem Schneckenhaus herauskommen, in das Sie sich verkrochen haben, und der Realität ins Auge sehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Ich stehe zu den bäuerlichen Familienbetrieben, die ökologisch und naturnah produzieren. Das österreichische Umweltprogramm, an dem sich 85 Prozent aller Bauern beteiligen, sichert hochwertige Lebensmittel sowie gesunden Boden und Wasser. Rückläufiger Düngereinsatz und chemischer Pflanzenschutz sind die Folge dieses Programms. Das ergibt aber auch weniger Ertrag pro Hektar. (Abg. Böhacker: Wer hat dir diese Sonntagsrede geschrieben?) Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Sie wissen das natürlich nicht, weil Sie nicht aus der Landwirtschaft sind, glauben aber, Sie müßten Zwischenrufe machen. (Abg. Aumayr: Er ist Nebenerwerbsbauer wie du!)

Ich glaube, daß die Bundesregierung gut damit beraten ist, das Umweltprogramm, das nach fünf Jahren ausläuft, weiterzuführen und auszubauen, da es einfach notwendig ist, einen gewissen Ausgleich zu schaffen, da die Erträge eben zurückbleiben.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es gäbe noch eine Vielzahl von Dingen aufzuzählen, die sehr wichtig sind, wodurch wir Arbeitsplätze für die Bauern schaffen könnten – etwa durch die neue Gewerbeordnung (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), wo es darum


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geht, die Bewirtschaftung im ländlichen Raum aufrechtzuerhalten. Es ist einfach notwendig, den Arbeitsplatz Bauernhof zu sehen, so wie es überhaupt notwendig ist, den gesamten ländlichen Raum in unserer Politik aus einer neuen Sicht zu sehen.

Ich glaube auch, daß es notwendig ist, den jungen Bauern wieder Mut zu machen, denn das ewige Nur-Kritisieren und Alles-in-Frage-Stellen, wie Sie von den Freiheitlichen das machen, wird unsere jungen Bauern nicht auf den Höfen halten. (Abg. Ing. Reichhold: Die ganze Rede war eine einzige Kritik! Zu 70 Prozent war das eine einzige Jammerei!) Sie glauben, durch Kritik und Schlechtmachen könnten Sie hier Stimmung machen. (Abg. Ing. Reichhold: 70 Prozent deiner Rede waren Jammerei!) Wir sollten die Dinge hier positiv sehen und mit unserer Politik mit dazu beitragen – wie uns das unser Landwirtschaftsminister vorgibt –, daß wir die Einkommenssituation aufrechterhalten beziehungsweise verbessern. – In diesem Sinne herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Reichhold gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Sie kennen die Geschäftsordnung. Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

12.16

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Abgeordneter Freund hat in seiner Rede, in der er die Situation der Landwirtschaft so bejammert hat, festgestellt, daß wir Freiheitlichen ein Bundestierschutzgesetz unterstützen, wonach die Anbindehaltung verboten wird. – Das ist falsch.

Wir unterstützen ein Bundestierschutzgesetz auf der Grundlage des Tiergesundheitsindex nach Bartussek. Und wenn Sie sich damit auseinandergesetzt hätten, würden Sie wissen, daß die Anbindehaltung dort sehr wohl erlaubt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. Auch Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. – Bitte.

12.17

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Minister! Herr Präsident! Ich habe hier jetzt einen Zettel gefunden, den Herr Kollege Freund vergessen hat. Irgendeiner seiner Kollegen hat ihm wahrscheinlich etwas mitgegeben, damit er dann weiß, was er zu sagen hat, wenn er am Rednerpult steht. "Kommen Sie heraus aus dem Schneckenhaus, und stellen Sie sich der Realität!" – Haben Sie diesen Zettel vergessen, Herr Kollege Freund? Das ist ein bißchen blamabel. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Reichhold  – den Zettel nehmend –: Das kommt ins Archiv! – Abg. Auer: Das war die Schrift vom Reichhold!)  – Das kommt ins Archiv, ja.

Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege Freund: Sie haben hier in Ihrer Rede die Freiheitlichen angeweint wie die Grabsteine über Ihre eigene Politik, über die Folgen der Politik Ihres Ministers. Sie haben keinen einzigen konstruktiven Vorschlag für den Arbeitsplatz Bauernhof eingebracht. Sie müssen sich Ihre Rede in Ruhe noch einmal durchlesen, dann werden Sie erkennen: Es ist vom Anfang bis zum Ende nur eine einzige Jammerei ohne einen einzigen Vorschlag.

Herr Bundesminister! Dazu, daß Sie uns in Ihrer Rede den Entschließungsantrag sozusagen schmackhaft machen wollten, und auch zu der Tatsache, daß jetzt eine Liste von gentechnisch verändertem Saatgut im Internet abgerufen werden kann, frage ich Sie: Herr Bundesminister! Wer oder was hindert Sie daran, in diesen Entschließungsantrag – wenn es schon nicht jetzt in das neue Saatgutgesetz kommt, was ich ja nicht verstehe – zu schreiben, daß die Kennzeichnung nicht in der Sortenliste, sondern auf der Verpackung zu stehen hat?

Die Bauern – Sie sind doch selbst bäuerlicher Herkunft – fahren, wenn sie ihre Felder bestellen, ins Lagerhaus oder zum Produktehändler und kaufen Saatgut. Glauben Sie wirklich, Herr Minister, daß die Bauern, wenn das nicht auf der Verpackung steht, beim Bund anrufen und sich erkundigen, welches Saatgut da drinnen ist? Wie verläßlich ist dann diese Auskunft?


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Ich kann Ihnen sagen, wieso die Kennzeichnung nicht auf der Verpackung ist: weil Sie es nicht haben wollen, weil Sie es absolut nicht haben wollen! Das ist der einzige Grund dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. ) Ja, im Internet. Die Bauern surfen dann im Internet, Herr Minister.

Brüssel befiehlt – die ÖVP und die SPÖ folgen gehorsamst! Zu diesem Gesetz, Herr Bundesminister – das steht in den Erläuterungen –, gibt es keine Alternative. Es gibt keine Alternative, sondern es handelt sich hierbei um das x-te EU-Anpassungsgesetz.

Die Bürokratiekosten explodieren. Sie haben den Kopf geschüttelt, Herr Minister, als mein Kollege Reichhold gesagt hat, daß 14 zusätzliche Bundesbedienstete eingestellt werden müssen. (Bundesminister Mag. Molterer: Die werden nicht zusätzlich eingestellt!) Na selbstverständlich! Dann lesen Sie das Gesetz, Herr Bundesminister! Ich habe es hier, und da steht es drinnen: 14 Bundesbedienstete sind notwendig. Im Ausschuß haben Sie zu mir gesagt, sie werden nicht eingestellt, sondern es werden sozusagen Beamte aus dem Bestand herangezogen. Dann frage ich mich aber wirklich, Herr Bundesminister: Wenn jetzt 14 Bundesbedienstete ganz locker ein neues Gesetz administrieren und verwalten können, was haben denn diese 14 Bundesbediensteten bis jetzt gemacht? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: So ist es!)

Das alles, Herr Bundesminister, ist aber noch nichts gegen den vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Genlobby. Es wird keine Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saatguts geben – ein ganz mickriger Entschließungsantrag –, sondern mit der heutigen Beschlußfassung dieses Gesetzes tritt die Bundesregierung und mit ihr vor allem die SPÖ 1,2 Millionen Unterschriften zum Gentechnik-Volksbegehren wirklich mit Füßen. Allen Menschen, welche dieses Volksbegehren unterschrieben haben – und das waren 1 200 000 –, wird heute von der Bundesregierung klargemacht: Eure Sorgen interessieren uns nicht! Eure Wünsche interessieren uns nicht! Eure Meinung zählt für diese Bundesregierung nicht! Ihr könnt unterschreiben, soviel und was ihr wollt – wir machen, was wir wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und ganz bedenklich finde ich folgendes: Einige Abgeordnete der SPÖ – es sind gar nicht so wenige – werden heute dieses Gesetz mitbeschließen, obwohl sie vor einigen Wochen das Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben haben. Heute beschließen sie das Gegenteil von dem, was sie vor drei oder vier Wochen unterschrieben haben. Das ist mir wirklich unverständlich, und ich kann Ihnen nur sagen, sehr geehrte Damen und Herren vor allem von der SPÖ: Wundern Sie sich bitte nicht mehr, daß die Politikverdrossenheit in diesem Land solche Ausmaße annimmt! Wenn Sie hier herinnen Gesetze beschließen, die das Gegenteil dessen zur Folge haben, was Sie mittels des Volksbegehrens vor vier Wochen gefordert haben, brauchen Sie sich absolut nicht mehr darüber zu wundern.

So eine Chance für Österreich, Herr Bundesminister, so eine riesengroße Chance für dieses kleine Österreich – und Sie vergeben sie! Dieser Weg zur bäuerlichen Landbewirtschaftung, zur ökologischen Landbewirtschaftung ist gepflastert mit Tausenden von Arbeitsplätzen – mit Tausenden Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft, mit Tausenden Arbeitsplätzen in der Lebensmittelindustrie, in der Transportindustrie –, und Sie geben diese historische Chance heute einfach zugunsten der Genlobby, zugunsten der Konzerne auf. Sie, Herr Bundesminister, liefern heute die österreichischen Bauern den Konzernen und der Genlobby aus. Damit geben Sie die Eigenvorsorge mit Nahrungsmitteln à la longue aus der Hand, und das ist unverantwortlich, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie, Herr Bundesminister, vollziehen nicht den Willen der Konsumenten, Sie vollziehen auch nicht den Willen von 90 Prozent der Bauern, sondern Sie vollziehen den Willen der Genlobby und der Chemiekonzerne. Wo ist denn der Feinkostladen, von dem Sie beziehungsweise Ihr Vorgänger gesprochen haben? Es gibt ihn nicht, statt dessen kommen wir jetzt in Frankensteins Küche! Reicht Ihnen denn der Rinderwahnsinn noch nicht, reicht Ihnen die Schweinepest nicht, reichen Ihnen all diese Folgen der industriellen Landwirtschaft noch immer nicht? Müssen Sie sich wirklich am Saatgut vergreifen? Müssen Sie tatsächlich Saatgut, das in Jahrtausenden entstanden ist, gentechnisch verändern?


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Wofür denn, Herr Bundesminister? Brauchen wir wirklich höhere Erträge? Wer braucht denn höhere Erträge? Es ist ja der Überschuß in Europa das Problem, das ungeheure Kosten verursacht, es ist doch nicht der Mangel!

Es konnten auch keine ökologischen Gründe von Ihnen angeführt werden, denn es handelt sich bei gentechnisch verändertem Saatgut, so wie es jetzt auf dem Markt ist, nicht um Saatgut, das gegen Schädlinge resistent ist, sondern um Saatgut, das gegen bestimmte Chemikalien resistent ist, zum Beispiel gegen jene der Firma Monsanto. Da kann man dann Weizen oder Mais anbauen und Chemikalienduschen geben, bis nichts mehr kreucht und fleucht und kein Grün mehr auf dem Feld ist außer der Maispflanze, aber diese Maispflanze ist natürlich resistent gegen die Chemikalien dieser einen Firma.

Daher muß der Bauer dieses Saatgut kaufen, und zwar zu jedem Preis, er muß Lizenzgebühr zahlen, er muß für die Patente zahlen. Und Sie, Herr Bundesminister, haben mit diesem heutigen Gesetzentwurf genau den Weg in diese Richtung geebnet: in die totale Abhängigkeit von Konzernen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Achs. – Bitte.

12.26

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Heute stehen im Agrarbereich Gesetze zur Debatte, die wichtige und notwendige Bestimmungen beinhalten. So sieht das neue Saatgutgesetz klare Regelungen betreffend die Zulassung und Anerkennung und klare Vorgaben für die Beschaffenheit von Saat- und Pflanzengut vor. Durch einen Entschließungsantrag soll die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Pflanzen in Zukunft gewährleistet sein.

Wir treten für einen sachlichen Umgang mit dem Thema Gentechnik ein. Es geht um eine nüchterne Bewertung der Risken und um die Wahrung unserer Chancen im Wettbewerb. Tatsächlichen Schutz bietet nur eine klare Kennzeichnung gentechnisch veränderter Produkte. Und dazu bekennen wir uns.

Zum Pflanzenschutzgesetz halte ich fest, daß auch hier klare Regelungen getroffen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch auf die erfreuliche Entwicklung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hinweisen. Die österreichische Landwirtschaft ist in den vergangenen Jahren natürlicher geworden. Im Vorjahr gab es schon 18 700 Biobetriebe, das sind zwölfmal so viele wie noch im Jahre 1990. Bereits ein Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche wird biologisch bearbeitet, und der Markt der Bioprodukte entwickelt sich erfreulicherweise immer weiter. Österreich ist somit unangefochten das Bioland Nummer eins in Europa!

Es geht nun darum, daß unsere Bauern aus dieser Entwicklung auch wirtschaftlich Kapital schlagen können. Dazu ist eine verstärkte Liberalisierung erforderlich. Wir müssen unsere Bauern im härter gewordenen Wettbewerb unterstützen und ihnen den Rücken stärken. Nur so können wir die Abwanderung aus der Landwirtschaft stoppen und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sichern.

Natürlich hat der EU-Beitritt einen großen Strukturwandel bewirkt. Die österreichische Landwirtschaft hat diesen Wandel gut gemeistert. Durch die Ausweitung der Förderungen konnte der Strukturwandel sozial verträglich abgefedert werden. Die gemeinsame Agrarpolitik der Zukunft muß jedoch verstärkt die Vielfalt der bäuerlichen Leistungen berücksichtigen, die gemeinsame Agrarpolitik der Zukunft muß deutliche Signale setzen: Signale gegen eine verstärkte Industrialisierung der Landwirtschaft, Signale für eine bäuerlich strukturierte, den natürlichen Bedürfnissen der Menschen angepaßte Landwirtschaft.

Natürlich muß die Agrarpolitik auch finanzierbar sein. Gerade im Hinblick auf die bevorstehende Osterweiterung der Europäischen Union müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie diese neue Agrarpolitik aussehen soll. Es geht um einen beiderseitigen Reifeprozeß. Zum einen geht


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es um die Umsetzung von Reformvorschlägen, die wir Sozialdemokraten auch auf europäischer Ebene eingebracht haben – zum Beispiel die verstärkte Bemessung der Förderungen nach nationalen Gesichtspunkten –, zum anderen müssen die Reformländer auf die Integration vorbereitet werden. Alles andere wäre ein politischer und wirtschaftlicher Blindflug mit ungewissem Ausgang.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Landwirtschaft steht heute an einer Weggabelung. Sie kann den Weg der Massenproduktion wählen, der von einem ständigen Preiskampf bestimmt ist, sie kann sich aber auch für eine Spezialisierung und für eine hochwertige Qualitätsproduktion entscheiden. Für letzteres gibt es bereits ein typisches Beispiel, das ich erwähnen möchte, nämlich die Weinwirtschaft, die uns diesen Weg gezeigt hat.

Heimische Winzer haben durch die Qualität und Einzigartigkeit ihrer Produkte Erfolge zu verzeichnen, und diese Erfolge, meine Damen und Herren, finden natürlich auch in den Handelsbilanzen ihren Niederschlag. Die Nachfrage steigt, und das einstige Überschußprodukt Wein ist knapper geworden.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Landwirtschaft bringt gute Voraussetzungen mit, daß sie auch in Zukunft Bestand hat. Wir Sozialdemokraten bekennen uns zu einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft und zeigen uns mit den Anliegen der heimischen Bauern auch in Zukunft solidarisch. (Beifall bei der SPÖ.)

12.32

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt hat, einen Untersuchungsausschuß zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang

1. mit der Besetzung von Vorstandsfunktionen bei Banken, die im Einflußbereich der öffentlichen Hand stehen,

2. mit politischen Einflußnahmen auf die Geschäftstätigkeit dieser Banken,

3. mit der Gebarung der OeKB hinsichtlich der Exportfinanzierung beziehungsweise den Exportgarantien und

4. mit Preisabsprachen der wichtigsten österreichischen Geschäftsbanken

einzusetzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Wir fahren jetzt in der Debatte fort, und ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Kier das Wort. – Bitte.

12.33

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die in Verhandlung stehenden Themenstellungen zur Landwirtschaft bedürfen der nochmaligen Zuspitzung, denn ich meine, es ist einfach unbeachtet


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geblieben, daß der Abänderungsantrag, der im Zusammenhang mit der Saatgutkennzeichnung eingebracht wurde, tatsächlich ein Antrag ist, dem man nur zustimmen kann, und es ist eigentlich enttäuschend, daß es dieses Abänderungsantrages im Plenum bedarf.

Es wurde auch im Ausschuß schon versucht, diese Wortfolge mit der Kennzeichnungsregelung für gentechnisch verändertes Saatgut unterzubringen. Dort ist das vom Herrn Bundesminister ausdrücklich zurückgewiesen worden. Ich meine jedoch, das Hohe Haus wäre wirklich gut beraten, dem Bundesminister zu zeigen, daß wir die Gesetzgeber sind und es nicht angeht, daß wir ihm, einfach weil er meint, das könne er nicht brauchen, folgen.

Die Begründung, es könnte unter Umständen irgendwo unangenehm sein, kann ich nicht nachvollziehen. Was ist an der Kennzeichnung der gentechnischen Veränderung auf dem Saatgut für irgend jemanden bedenklich? Bedenklich ist das höchstens für jemanden, der die Befürchtung hat, daß ihm das durch Transparenz vielleicht einen Nachteil auf dem Markt zufügt. Ich bin jedoch der Meinung: Genau das ist die Aufgabe des Marktes! Durch diese Transparenz, daß etwas als gentechnisch verändert gekennzeichnet ist, soll der Markt eben die Leute in die Lage versetzen, zu reagieren.

Daher bin ich der Meinung, daß der Antrag der Kollegen Wabl und Reichhold eigentlich einstimmig angenommen werden müßte (Ruf bei den Freiheitlichen: Haben Sie eine Ahnung!) , denn alles andere ist völlig unplausibel. Es ist kein Verbot, es ist keine Einschränkung, es ist ausschließlich eine Kennzeichnung. Ich bin daher der Auffassung, das ist entweder vorauseilender Gehorsam in irgendeine falsche Richtung, oder es ist ich weiß nicht was.

Es würde diesem Gesetz nämlich sehr guttun, wenn es wenigstens in diesem Punkt repariert würde. Hinsichtlich eines weiteren Aspekts möchte ich noch einmal auf die Ausführungen meines Kollegen Helmut Peter zurückkommen. Es ist tatsächlich völlig unerträglich, was verfassungsrechtlich hier gemacht wird. Es ist völlig unerträglich!

Da gibt es das eindeutige Erkenntnis, daß es verfassungswidrig ist, wenn man die Landwirtschaftskammern in der vorgesehenen Form in den Vollzug einbindet. Zwar hat sich der Herr Bundesminister sofort am Wort "ausschließlich" festgemacht – da gebe ich ihm schon recht –, nur war im konkreten Fall der Verfassungsgerichtshof mit einem Fall befaßt, in dem eine Ausschließlichkeitsfrage drinnensteckt. Hier ist es zwar nicht mehr ausschließlich, aber nach wie vor wird eine Form der Selbstverwaltung, eine Form der Kammer – das ist ja eine bestimmte Rechtsform – benützt und in den staatlichen Vollzug eingebunden.

Dann sind ja hoffentlich wohl – vielmehr befürchte ich das – die Mitarbeiter der Landwirtschaftskammern im Weisungszusammenhang tätig, obwohl die Landwirtschaftskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine autonom organisierte Körperschaft ist. Und das eben ist verfassungswidrig! Da braucht man gar kein besonders geschulter Verfassungsjurist zu sein, um das zu erkennen, und der Verfassungsgerichtshof hat das daher auch ziemlich klar gesagt. Nun wird darauf geantwortet, indem die Verfassung geändert wird! Und das ist ein Präjudiz für die Kammern.

Sie wissen, daß das Liberale Forum in bezug auf die Kammern einen hohen Reformanspruch erhebt und der Meinung ist, daß man hier einiges verbessern und verändern müßte in Richtung gesetzliche Pflichtmitgliedschaft und so weiter – das will ich hier nicht diskutieren –, also Sie wissen, wir sind die letzten, denen man vorwerfen kann, daß wir uns schützend vor die reformunwilligen oder reformunfähigen Kammern stellen. Aber wenn Kammern einen Sinn haben sollen, dann müssen sie autonom sein, und wenn autonome Kammern in einen Weisungszusammenhang mit einem Bundesministerium gestellt werden, dann sind sie zumindest in dieser Frage nicht mehr autonom, sondern dann sind sie eben Erfüllungsgehilfen. Wobei das Wort hier vielleicht einen schalen Beigeschmack hat. Das meine ich gar nicht, sie sind einfach formal Erfüllungsgehilfen.

Mitarbeiter einer autonomen Kammer, die Vollzugsgehilfen eines Ministers sind, sind jedoch etwas, wo ich wirklich allen Mitgliedern des Hohen Hauses, denen an Kammern etwas liegt, zurufen möchte: Wehren Sie diesen Anfängen! Das kann zur Folge haben, daß sich der Ge


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setzgeber in beliebiger Form der Kammerorganisationen bedient, um vor allem selbst keine Bundesbediensteten einsetzen zu müssen – also quasi Personaleinsparung beim Bund –, und es wird Mißbrauch mit Kammerressourcen betrieben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich frage mich: Was habe ich davon, daß eine Kammer – im konkreten Fall die Landwirtschaftskammer, das nächste Mal ist es vielleicht die Arbeiterkammer, und ein anderes Mal ist es die Wirtschaftskammer – sich selber so gestalten kann, wie sie es im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufträge für richtig hält, wenn sie dann an die kurze Leine eines Ministeriums genommen wird?

Daher ist es nicht nur aus formalen Gründen verfassungsrechtlich unerträglich, daß wir hier eine Vorlage bekommen, mit der wir so etwas beschließen sollen, sondern es ist auch politisch ein schwerer Fehler. Ich appelliere eindringlich an die Kolleginnen und Kollegen beider Regierungsfraktionen, das nicht zu tun nur deswegen, weil es sich hier sozusagen um eine kleine, niedliche und herzige Kammer handelt, die aufgrund ihrer Größe nicht so stark auffällt. Sie machen einen schweren Fehler!

Ich wollte das von dieser Stelle aus gesagt haben, damit es nicht eines Tages heißt: Jessas na, jetzt ist uns das passiert! Sie werden sich nämlich wundern, wie begeistert die Kammern sein werden, wenn das um sich greift. Denn wenn so etwas einmal in den Verfassungsrang gehoben ist, dann wird der nächste Schritt beim nächsten Mal nicht mehr so schwierig sein. Da wird man sagen: Das haben wir doch damals auch gemacht. Und ich meine: Überlegen Sie, ob Sie das wirklich wollen!

Bevor ich zum Schluß komme, noch eine letzte Anmerkung zum Pflanzenschutzmittelgesetz. Ich bin der Meinung, daß der Fraktionsredner der ÖVP die Hierarchie der politischen Wertstellungen etwas durcheinandergebracht hat, indem er gemeint hat, hier werden gesellschaftspolitische Überlegungen vor den Umweltschutz gestellt. Ich bin der Auffassung, daß der gesamte Landwirtschaftsbereich überhaupt nur dann existieren kann, wenn man einen gesellschaftspolitischen Zugang dazu hat, denn wenn wir rein nach harten Zahlen oder nach irgendwelchen vordergründigen wirtschaftlichen Effekten vorgehen, dann dürften wir uns all das nicht leisten. Daß wir es uns leisten, das ist ein gesellschaftspolitischer Konsens, und daher steht für mich Landwirtschaftspolitik immer unter einem gesellschaftspolitischen Anspruch.

Es geht in diesem Bereich um die Menschen, es geht selbstverständlich um die Landschaft, und es geht auch um die artgerechte Tierhaltung. All das sind gesellschaftspolitische Zugänge, also Zugänge, die einer Werthaltung bedürfen, einer Werthaltung, die sogar etwas kostet, einer Werthaltung, bei der es nicht ums Geld geht, sondern darum, daß wir etwas gerne erhalten wissen wollen, daß wir etwas lebensfähig haben wollen.

Daher meine ich, Herr Kollege Schwarzböck, Gesellschaftspolitik und Landwirtschaftspolitik sollte man nicht trennen, denn Landwirtschaftspolitik ohne einen gesellschaftspolitischen Zugang kann nur ins Auge gehen. (Abg. Schwarzböck: Wer hat das behauptet?) Das wird utilitaristisch, und dann kann sich herausstellen, daß die Landwirtschaftspolitik – unter Umweltschutzaspekten betrachtet – möglicherweise zur flächenweisen Abschaffung von Betrieben führt. Denn Sie wissen ganz genau, daß viele Grundwasserprobleme, die wir derzeit haben, aus Bereichen der Landwirtschaft stammen, indem auf großen Feldern jahrzehntelang mit Kunstdünger Schindluder getrieben worden ist. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.4 2

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.42

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Volker Kier! Ich bin praktizierender Landwirt, und mein Herz hängt an dieser Landwirtschaft in Österreich. Selbstverständlich hängt die Existenz dieser in Österreich praktizierten Landwirtschaft von unserer Gesellschaft ab, denn die Gesellschaft ist


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es, die auch diese Landwirtschaft finanziert, und zwar über die Honorierung deren entsprechender Produkte.

Die österreichische Gesellschaft hat gerade deswegen sehr viel Verständnis und sehr viel Vertrauen in die heimische Landwirtschaft, weil wir auch in der Agrarpolitik in den letzten Jahren entscheidende Meilensteine gesetzt haben, die man vor allem auch in Europa herzeigen kann. Unsere diesbezüglichen Vorstöße finden auch in Europa Anhörung, und es wird auch entsprechend reagiert.

Ich bin praktizierender Landwirt. Daher kann ich heute hier aus der Praxis zu diesen Gesetzen, die beschlossen werden, sprechen, wie etwa zum Pflanzenschutzmittelgesetz.

Für uns Landwirte – Herr Dr. Kier, es wäre wichtig, daß Sie jetzt zuhören, damit Sie das wissen – sind die vereinfachten Zulassungsbestimmungen von nützlingsschonenden und biologischen Pflanzenschutzmitteln von zentraler Bedeutung. Das ist Fortschritt schlechthin.

Besonders für den Hopfenbau – ich nehme dies nur als Beispiel aus den Sparten der betroffenen Landwirte in Österreich – waren bisher zuwenig Spritzmittel registriert, sodaß ein ökologisch sinnvoller Pflanzenschutz im Hopfenbau nicht möglich war. Für die Peronospora-Primärinfektion war im Hopfenbau zum Beispiel nur Ridomil zugelassen, weshalb viele unserer Anlagen bereits enorme Resistenzerscheinungen zeigten. Aufgrund dessen mußte das Mittel vermehrt angewendet werden, um Erfolge erzielen zu können.

Nun können in optimaler Abfolge Applikationsmenge und Applikationsanzahl so niedrig wie nur möglich gehalten werden, was natürlich für den Umweltschutz von Vorteil ist. Auf Dauer gesehen werden durch die Zulassung ökologisch sinnvoller Pflanzenschutzmittel Produktionszweige gesichert, die sonst aufgrund fehlender Mittel in Österreich eventuell eingestellt werden müßten. Hier gibt es auch die sehr nützlichen tierischen Mittel, wie zum Beispiel die Florfliege, die auch einer Zulassung bedarf.

Mit Hilfe des neuen Gesetzes sollte es möglich sein, Indikationslücken, wie sie derzeit für den Gemüsebau, für den Steinobst- und Beerenobstbau, für den Hopfen-, Heilkräuter- und Gewürzpflanzenbau in großer Zahl vorliegen, einfach zu schließen. Ausländische Landwirte können nämlich bei diesen Kulturen vielfach erfolgreich Pflanzenschutzmittel zur Ertrags- und Qualitätssicherung einsetzen.

Es ist schon mehrmals gesagt worden, daß wir in den letzten vier Jahren einen 20prozentigen Rückgang an Pflanzenschutzmitteln erreicht haben. Ich bin davon überzeugt, daß wir mit dieser heutigen Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes schon in den nächsten ein, zwei Jahren eine weitere mindestens 20prozentige Reduzierung beim Pflanzenschutzmitteleinsatz erreichen können.

Aus der Sicht des Umweltschutzes ist außerdem die per Verordnung festzulegende Liste von Stoffen zu nennen, die in einem Pflanzenschutzmittel nicht enthalten sein dürfen. Herr Abgeordneter Wabl! Wir legen sehr wohl Wert auf die Umweltökologie und vor allem auf den Wasserschutz – selbstverständlich, Herr Abgeordneter Kier, im Zusammenhang mit einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung. Es ist auch Auftrag für uns Landwirte, die Gesellschaft ernst zu nehmen, und wir trachten auch deshalb darnach, weil hier ein überaus weitsichtiger und umsichtiger Landwirtschaftsminister das Sagen hat und weil wir dies mehrheitlich in Österreich wollen, aber auch die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher damit vertreten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Neuregelung ist für uns Landwirte der Abbau von Handelshemmnissen zwischen den Mitgliedstaaten, um die steigenden Produktionskosten einerseits und den Bürokratismus andererseits zu reduzieren.

Mit der Anpassung des österreichischen Rechts an das EU-Recht ist zu erwarten, daß die Chemielobby das Preisdiktat aufgeben muß und eine echte Marktöffnung für Pflanzenschutzmittel möglich wird. Außerdem wird in Zukunft ein Pflanzenschutzmittel, welches in einem der


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sogenannten Referenzländer schon zugelassen ist, automatisch auch in Österreich verkauft werden können. Damit wird es möglich sein, neue und bessere Wirkstoffmischungen auf dem österreichischen Markt gleichpreisig einzukaufen.

Aus landwirtschaftlicher Sicht sind auch die Neuregelungen im Saatgutgesetz, welche Verwaltungsvereinfachungen, einen Abbau an Bürokratie und raschere Zulassungsverfahren bewirken, zu begrüßen. Besonders hervorzuheben sind die gesetzliche Verankerung des Schutzes aller Saatgutsorten sowie die Auflistung im öffentlichen Teil der Sortenliste, ob es sich bei der zugelassenen Sorte um eine gentechnisch veränderte Pflanze handelt.

Aufgrund der Initiative unseres Landwirtschaftsministers wird es spätestens im Herbst einen Entwurf geben, der eine umfassende Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut entsprechend den Rechtsbestimmungen der EU ermöglicht. Derzeit arbeitet die EU-Kommission an Entwürfen für eine entsprechende Verordnung betreffend den Bereich Saatgut. Darüber hinaus forderte die ÖVP im Landwirtschaftsausschuß, einen Forschungsschwerpunkt "biologischer Landbau" zu setzen und dabei insbesondere auf die Herstellung von biologischem Saatgut zu achten.

Insgesamt bin ich davon überzeugt, daß wir mit der Neuregelung im Pflanzenschutzmittelgesetz eine schon seit Jahren bestehende Forderung unserer Landwirte im Sinne unserer Landschaft, der Ökologie und auch im Sinne unserer Gesellschaft erfüllt und gute Rahmenbedingungen im Saatgutgesetz geschaffen haben, die eine umweltbewußte Produktionsweise ermöglichen.

Ich darf mich abschließend herzlich bei unserem Landwirtschaftsminister Molterer bedanken und ihm alles Gute zu seinem Geburtstag sowie weiterhin viel Erfolg, Glück und Gesundheit wünschen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte.

12.49

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu beiden hier vorliegenden Gesetzentwürfen, dem Pflanzenschutzmittelgesetz und vor allem dem Saatgutgesetz, Stellung nehmen.

Zum Pflanzenschutzmittelgesetz: Seit vielen Jahren diskutieren wir darüber, daß jene Chemikalien, die angewendet werden, von zum Teil besonders hoher Giftigkeit sind. Wozu sind sie denn da? – Sie sollen Leben töten, nämlich jene Schädlinge, die in umgekehrter Weise Getreidesorten oder sonstige Sorten schädigen könnten.

Das heißt, wir sprechen hier von Chemikalien, die zum Teil eine sehr hohe Wirksamkeit und zum Teil eine sehr hohe Toxizität haben. Der Begriff "Pflanzenschutzmittelgesetz", in dem ja das Wort "Schutz" steckt, impliziert bei jenen, die es hören, daß das eigentlich eine sehr gute Sache ist, daß da nicht sehr viel Gefahr damit verbunden sein könne.

Ich spreche in diesem Zusammenhang lieber von Pestiziden und möchte immer wieder darauf aufmerksam machen, daß es sich hier um Chemikalien handelt, die zum Teil eine enorme Giftigkeit aufweisen, und daß vor allem in den letzten Jahren diese Toxizität nicht minimiert worden ist, wiewohl es aber gelungen ist, mehr Schädlinge mit geringeren Einsatzmengen zu vernichten, weil eben manche Substanzen – unter Anführungszeichen – "besser wirken". Immer wieder meinen Minister oder auch Koalitionsabgeordnete, der Einsatz von Pestiziden sei insgesamt zurückgegangen. Das stimmt zwar mengenmäßig zum Teil, ist aber noch lange keine Erfolgsmeldung, vor allem wenn man sieht, daß die eingesetzten Chemikalien und jene Substanzen, mit denen wir es nach wie vor zu tun haben, zum Teil von sehr großer Wirksamkeit und sehr hoher Toxizität sind.

Ich möchte ein vergleichbares Beispiel bringen, das jedem in diesem Zusammenhang einleuchtend erscheinen mag. Sie alle kennen die Aussagen von seiten der Waschmittelindustrie,


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daß jetzt weniger von den Tonnagen her verkauft wird, wobei aber nicht dazugesagt wird, daß es zum Teil konzentriertere Substanzen sind. Und genau da, Herr Minister, hilft es uns relativ wenig, wenn gesagt wird, insgesamt sei der Einsatz – auf die Tonnagen bezogen – in Österreich und in anderen Ländern zurückgegangen, wenn man nicht gleichzeitig berücksichtigt, daß es in einigen Bereichen um konzentriertere und noch giftigere Chemikalien geht. Das sind Chemikalien, die eine besondere Begutachtung brauchen, die eine besondere Prüfung brauchen. Und es gibt nicht in allen europäischen Ländern jene Standards, die es in Österreich bisher schon gegeben hat. Insofern ist es also tatsächlich problematisch, wenn in Österreich automatisch all jene Produkte zugelassen sind, die in anderen Ländern eine entsprechende Zulassungsbestimmung oder Lizenz haben.

Herr Minister! Sie meinten, daß die NGOs in den Prozeß eingebunden waren und die beteiligten Umweltorganisationen – so habe ich Sie jedenfalls verstanden – mit diesem Gesetz schon leben könnten. Dazu möchte ich nur eine Presseaussendung vom WWF und von Greenpeace vom 28. April 1997 zitieren, mit dem Titel: Ministereinigung gefährdet heimischen Trinkwasserschutz! WWF und Greenpeace: Nein zu giftigem Pestizidkurs der Regierung. Darin wird von einem "Pestizid-Kuschelkurs" der Bundesregierung, im speziellen von seiten des Landwirtschaftsministers gesprochen. Die Umweltorganisationen haben also eine sehr klare ablehnende Position bezogen, und auch für die Grünen sind nicht alle Frage beantwortet worden.

Was uns aber besonders wichtig erschienen wäre, wäre eine Regelung mit zu diskutieren und letztlich auch mit zu beschließen, die darauf abzielt, den Pestizideinsatz nicht nur von den reinen Tonnagen, sondern insgesamt auch von der Wirksamkeit her zu reduzieren. Aus unserer Sicht sollte man endlich ein marktwirtschaftliches Instrument einsetzen, und zwar eine Pestizidsteuer. Es gibt eine solche schon seit langer Zeit in Schweden, es ist auch jetzt eine solche in Dänemark beschlossen worden. Und jene Gelder, die aufgrund der Einführung der Pestizidsteuer gewonnen werden, sollten für den ökologischen Landbau und für den Bio-Landbau zweckgebunden eingesetzt werden. Für die dänische Regelung, die bereits beschlossen wurde, wurden für das Jahr 1996 immerhin 400 Millionen Schilling veranschlagt, und die entsprechenden Summen wurden zweckgebunden in die dänische Landwirtschaft zurückgepumpt, um speziell Umweltmaßnahmen zu fördern.

Die Grünen bringen zu diesem Thema einen entsprechenden Entschließungsantrag ein, den ich hiermit verlesen möchte:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wabl, Freundinnen und Freunde betreffend Einführung einer Abgabe auf Pestizide

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsminister und dem Finanzminister den Gesetzentwurf für eine Pestizidsteuer vorzulegen, der sich an der dänischen Regelung orientiert.

*****

Das wäre ein konkretes Beispiel neben der hier schon oft zitierten Energiesteuer, die ebenfalls notwendig wäre. Damit könnte man zeigen, wie wichtig und notwendig es ist, Ressourcen zu besteuern, die man minimieren will. Zum Teil könnte man dann das Geld zweckgebunden für ökologische Maßnahmen einsetzen oder auch dafür – das ist etwas, worüber wir auch sehr gerne in diesem Zusammenhang diskutieren wollen –, um konkret Lohnnebenkosten oder arbeitsbezogene Steuern zu reduzieren.

Der zweite Bereich, das Saatgutgesetz, ist eigentlich weit umfassender, als es sein Name – das sage ich für die nicht ganz so landwirtschaftlichen Experten hier – vermuten läßt. Das Saat


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gutgesetz hat sehr viel mit biologischer Artenvielfalt zu tun. Es wird in diesem Haus meistens dann über Artenvielfalt diskutiert, wenn wir Naturschutzberichte besprechen, aber nicht dann, wenn es ganz konkret um Gesetzesmaterien wie jenen von heute geht, die weit mehr Einfluß haben als naturschutzrechtliche Bestimmungen in bezug auf den Artenschutz.

Die Grünen haben in den letzten Wochen versucht, immer wieder in der Debatte um dieses Gesetz darauf aufmerksam zu machen, daß es im Zusammenhang mit dem Saatgutgesetz darum geht, Maßnahmen und entsprechende nicht nur EU-abgestimmte, sondern auch österreichische Initiativen zu setzen, um pflanzengenetische Ressourcen zu fördern. Wir bringen auch hier einen entsprechenden Entschließungsantrag ein, der verteilt wird und aufgrund dessen, weil er sehr umfassend ist, nicht verlesen werden soll, und zwar geht es dabei um den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Langthaler, Dr. Petrovic, Wabl, Freundinnen und Freunde betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen.

In diesem Antrag geht es vor allem darum, alternative Züchtungsinitiativen zu fördern und zu stützen. Es gibt entsprechende österreichische Initiativen, die biologische Artenvielfalt nicht nur zu erhalten, sondern überhaupt wieder zu initiieren, und es muß entsprechende Ansätze geben muß, die im Rahmen der Europäischen Union von Österreich ausgehen könnten.

Es gibt in verschiedenen Bereichen, aber nur in Expertengremien Vorschläge, und wir glauben, daß gerade Österreich mit seinem so hohen Anteil nicht nur an interessierten umweltorientierten Menschen, sondern auch an Biobauern eine Vorreiterrolle spielen müßte und entsprechende Initiativen setzen sollte.

Artenvielfalt und biologische Vielfalt hängen sehr stark mit dem biologischen Saatgut zusammen. Herr Minister! Auch dazu gibt es einen Entschließungsantrag der Grünen. – Ich muß leider eine Menge Entschließungsanträge verlesen, weil Kollege Wabl im Überschwang seiner Gefühle – das Thema ist ihm eine solche Herzensangelegenheit – nicht all seine Entschließungsanträge verlesen konnte. – Wir haben versucht, Ihnen diesen Antrag in den letzten Monaten in einigen Debatten betreffend das Gentechnik-Volksbegehren schmackhaft zu machen. Hier geht es darum, einen Forschungsschwerpunkt für biologisches Saatgut in Österreich zu institutionalisieren.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wabl, Ing. Langthaler, Freundinnen und Freunde betreffend Forschungsschwerpunkt biologisches Saatgut

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird aufgefordert, einen Forschungsschwerpunkt "Biologischer Landbau" zu setzen, diesen mit ausreichenden finanziellen Mitteln zu dotieren und dafür Sorge zu tragen, daß die Infrastruktur der entsprechenden Bundesinstitutionen für die Prüfung und Entwicklung von biologischem Saatgut in Anspruch genommen werden kann. Zentraler Aspekt dieses Forschungsschwerpunktes soll vor allem die Herstellung von biologischem Saatgut sein.

*****

Schwerpunkt unserer Diskussion über das Saatgutgesetz im Ausschuß und auch in den heutigen Ausführungen von Kollegen Wabl war zweifellos, daß wir erst vor wenigen Wochen ein sehr prominentes Volksbegehren zu einem Thema gehabt haben, das den Leuten sehr nahegeht. Der Einsatz der Gentechnik besonders im Lebensmittelbereich, besonders bei der Produktion von Gütern, mit denen wir unmittelbar in Berührung kommen, die wir essen, geht unter die Haut. Ich gebe Ihnen recht, Herr Minister: Auch ich bin absolut dafür, daß man jene Themen sehr sachlich und nicht emotional diskutieren soll. Es kommen nie gescheite Lösungen dabei heraus, wenn zu viele Emotionen mitschwingen. Umgekehrt ist es nur so, daß ich gerade


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aus Ihren Ausführungen nicht erkennen kann, weshalb Sie die gentechnischen, chemischen oder biologischen Veränderungen nicht in das Saatgutgesetz mit hineingenommen haben. Wenn es so ist – ich will Ihnen das gerne glauben, wie Sie es uns hier mitgeteilt haben –, daß es im Interesse der österreichischen Bundesregierung liegt, daß es auch in Ihrem Interesse liegt, daß es zu einer entsprechenden lückenlosen Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saatgutes kommt, dann ist es mir völlig unerklärlich, warum Sie das nicht hineinschreiben. Es steht überhaupt nicht im Widerspruch zu dem, was Sie vorhin gemeint haben: die notwendigen Initiativen, die Überzeugung, daß der Entschließungsantrag in diese Richtung geht, und daß das auch auf europäischer Ebene bereits diskutiert wird. Umso mehr wäre es gut und richtig, das jetzt bereits entsprechend hier zu fixieren. Man kann über viel reden, aber ob man etwas wirklich will und umsetzen kann, sieht man dann, wenn es konkret in einem Gesetz festgelegt ist.

Reden kann man über vieles, aber ob man etwas umsetzen kann und will, sieht man dann, ob es in einem Gesetz festgelegt ist. Das ist so, als ob wir immer davon reden, wie wichtig uns die Umwelt insgesamt ist, während die Prioritäten im Budget ganz anders liegen. Es werden nämlich 33 Milliarden Schilling für den Straßenbau aufgewendet, es ist aber kaum Geld für konkrete ökologische Verkehrsplanung vorhanden. Genauso ist es in diesem Zusammenhang.

Wenn Ihnen die Umwelt so wichtig ist, wie Sie es gerade vorhin in Ihrer Antwort auf die Abgeordnetenbeiträge gesagt haben, ist es umso weniger verständlich, daß Sie nicht bereits alles ganz konkret in das Gesetz hineingeschrieben haben. Wenn es zu einer etwas anderen europäischen Regelung kommt, die im Widerspruch zu unserer stehen würde, müßten wir halt noch einmal darüber reden. Aber bei vielem, was Ihnen offensichtlich politisch sehr wohl wichtig ist, was aber nicht unbedingt immer im Einklang mit der EU steht – ich erinnere an die leidvolle Geschichte der Anonymität der Sparbücher –, ist es offensichtlich auch kein Problem, andere Positionen als die der Europäischen Union einzunehmen.

Das Volksbegehren haben immerhin 1,23 Millionen Menschen unterschrieben, die genau solche Maßnahmen von der Bundesregierung verlangt haben, nämlich in diesem Bereich eine lückenlose Kennzeichnung zu gewährleisten. All jene Menschen werden Sie in hohem Maße zu jenen machen, die sich von der Regierung und von der Politik insgesamt nichts mehr erwarten. Ich glaube, daß die Bundesregierung Volksbegehren doch endlich ernster nehmen sollte.

Was passiert, wenn Sie Unterschriften von über 1 Million zum Thema Gentechnik, Unterschriften von 600 000 Menschen zum Frauen-Volksbegehren oder, wie Sie es getan haben, Unterschriften von mehr als 500 000 Menschen in bezug auf die Tierschutzforderungen nicht entsprechend ernst nehmen? – Das bewirkt eine Demokratieverdrossenheit, die gerade jene Kräfte stützt, Herr Minister, die wir in diesem Land hoffentlich nicht an vorderster Front haben wollen!

Ich bringe deshalb einen Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Wabl und KollegInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. § 15 Abs. 1 Z 7 lautet:

"7. die chemische oder biologische Behandlung sowie die gentechnische Veränderung des Saatgutes,"

*****


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Weiters bringe ich einen Abänderungsantrag des Abgeordneten Wabl ein, der im letzten Ausschuß besonders fleißig war und sehr viele Abänderungsanträge eingebracht hat. (Abg. Wabl: Das war Katharina Fatzi!)

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Wabl und KollegInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Im § 2 Abs. 2 erster Satz wird "Vorrätighalten zum Verkauf" gestrichen.

2. Im § 2 Abs. 2 Z 1 wird "oder sonstigen Personenvereinigungen an deren Mitglieder" gestrichen.

3. § 2 Abs. 3 Z 3 lautet:

"3. die Abgabe von Saatgut, das nachweislich für Züchtungs-, Forschungs-, Versuchs-, Bildungs- oder Ausstellungszwecke bestimmt ist,"

*****

Hintergrund dieses Abänderungsantrag ist es, vor allem jene gemeinnützigen Vereine zu unterstützen, die sich schon jetzt für entsprechendes biologisches Saatgut und für die Erhaltung genetischer Ressourcen einsetzen und die aufgrund dieses Saatgutgesetzes, das Sie heute beschließen, aus unserer Sicht weit größere Hürden aufgebürdet bekommen. Ich teile diesbezüglich auch die Meinung meines geschätzten Abgeordnetenkollegen und Landwirtschaftssprechers Wabl, welcher meint, daß aufgrund des Gesetzes vor allem große Multis – sei das im Bereich der Agrarindustrie oder sei das im Bereich der Chemieindustrie – gestützt werden, entgegen den Interessen jener, die sich schon bisher, zum Teil unter großem persönlichen Aufwand, bemüht haben, sich für biologischen Landbau einzusetzen, während die Multis zu einer Entgiftung in der Landwirtschaft nichts beigetragen haben.

Herr Minister! Ich glaube, daß für die österreichische Landwirtschaft, um in einem verstärkten, verschärften Wettbewerb – ich denke, auf diesen nehmen Sie mit all diesen Novellen Rücksicht – entsprechend überleben zu können, die Ökologie als Markenzeichen dazu beitragen könnte. Ich habe auch im gesamten Bereich der Diskussion um die Gentechnik und in bezug auf Ihre Vorschläge zur Kennzeichnung, die meistens nicht lückenlos, sondern sehr lückenhaft war, nie verstanden, warum man nicht gesehen hat, daß man, wenn man im Bereich der Lebensmittelproduktion den Einsatz der Gentechnik rigoros verbieten würde, weil wir aus heutiger Sicht eben tatsächlich noch nicht genügend über die Risiken und die Gefahren wissen, die damit verbunden sind, nichts mehr zu kennzeichnen bräuchte.

Jeder, auch jeder in allen europäischen Ländern, wohin wir Lebensmittel exportieren – das sind nicht sehr viele, der Markt ist nicht sehr groß, aber er wird dann hoffentlich größer –, wüßte, wenn er zu einem Produkt greift, auf dem "Made in Austria" steht, daß er sicher sein kann, daß nichts drinnen ist, was vorher gentechnisch verändert wurde. – Das ist eine völlig eindeutige Positivkennzeichnung, ohne daß man noch lange philosophieren müßte, wie das kontrolliert oder auf die Verpackung geschrieben werden sollte et cetera. Darin läge tatsächlich eine große Chance für die österreichische Lebensmittelproduktion und auch für die österreichische biologische Landwirtschaft.

Genau das sollten wir als große Marktchance nützen. Ein kleines Land wie Österreich wird sich in vielen Bereichen tatsächlich im europäischen Wettbewerb anpassen müssen, und gerade im


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Bereich der Ökologie wäre es nicht nur im Sinne einer guten, besseren Umwelt, sondern es gäbe auch eine große Marktchance, eine große ökonomische Chance. Das nicht voll auszunutzen, in diesem Zusammenhang nicht wirklich zum Teil kompromißlos vorzugehen und diesen Vorteil, den man ja hat, zu nutzen, sondern diesen schrittweise aufzugeben, das ist für mich nicht nachvollziehbar. (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden mit den großen europäischen Multis nicht mithalten können. Sie sind zehnmal finanzstärker, sie haben weit mehr Einfluß, auch in Brüssel, als Sie es mit noch so gutem Engagement haben werden können. Wir sehen das in vielen Bereichen, sei das in der Energiewirtschaft, sei das in der Landwirtschaft, sei das in der Lebensmittelproduktion. Es gibt derzeit tatsächlich noch aus einer bestehenden Struktur, die zum Teil ökologisch stark stimuliert und aufgebaut ist, einen großen Wettbewerbsvorteil. Diesen sollte man nutzen.

Das haben Sie heute nicht getan. Wir bedauern das und müssen die Novelle zweifellos ablehnen. Wir hoffen, daß es wenigstens in den Unterausschüssen, die es aufgrund der Volksbegehrenergebnisse im Bereich der Gentechnik geben wird, gelingt, Sie davon überzeugen zu können, daß man heutzutage mit Umweltschutz tatsächlich auch einen großen Marktvorteil haben könnte. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die von Frau Abgeordneter Ing. Langthaler verlesenen Abänderungsanträge sowie der Entschließungsantrag betreffend Forschungsschwerpunkt biologisches Saatgut, der gleichfalls verlesen wurde, sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung miteinbezogen. Der Entschließungsantrag betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen ist in seinen Kernpunkten vorgetragen worden. Ich habe wunschgemäß die Verteilung dieses Entschließungsantrages veranlaßt. Dieser Entschließungsantrag wird gleichfalls in die Verhandlungen miteinbezogen.

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Langthaler, Dr. Petrovic, Wabl, Freundinnen und Freunde betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird ersucht, betreffend das Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen folgende Maßnahmen zu ergreifen:

1. In Anlehnung an die internationalen Verpflichtungen im Rahmen der FAO-Verhandlungen über pflanzengenetische Ressourcen (PRG) ist bis Ende 1997 ein Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine Sonderregelung für PRG zur Förderung der biologischen Vielfalt unter Berücksichtigung folgender Gegebenheiten beinhaltet:

a) Unter "pflanzengenetischen Ressourcen" (PRG) ist Saatgut von Sorten zu verstehen, die der Förderung der biologischen Vielfalt dienen.

b) Die Prüfung von Sortenkriterien wie Homogenität, Beständigkeit und Unterscheidbarkeit wird auf PRG nicht angewandt.

c) Wer PRG in Verkehr bringen möchte, hat dies der zuständigen Behörde anzuzeigen und auf Verlangen ein Muster zu hinterlegen bzw. verfügbar zu halten. Er hat zu gewährleisten, daß Keimfähigkeit, Saatgutgesundheit und technische Reinheit den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und daß das Saatgut artecht und bei Arten mit verschiedenen Formen formecht ist.


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d) Über die Herkunft der Sorte und die abgegebenen Mengen sind Aufzeichnungen zu führen, die drei Jahre aufbewahrt werden müssen.

e) Auf dem Etikett ist zu vermerken, daß es sich um "Saatgut zur Erhaltung der biologischen Vielfalt" (nicht zertifiziertes Saatgut) handelt, und für welche Zwecke es vorgesehen ist.

f) Bei der Festsetzung von Höchstmengen für das Inverkehrbringen von PGR ist zu berücksichtigen, daß die Möglichkeit des Inverkehrbringens nicht durch zu kleine Mengen behindert, sondern durch eine angemessene Höhe gefördert wird. Der Austausch von Kleinstmengen von PGR unter Mitgliedern von Personenvereinigungen zur persönlichen Verwendung ist ohne Einschränkung zulässig.

2. Alternative Züchtungsinitiativen sind staatlich zu fördern und zu unterstützen.

3. Im Rahmen der Europäischen Union sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, den im Landwirtschaftsausschuß des Europäischen Parlaments angenommenen und mit der EU-Kommission akkordierten Änderungsantrag (Bericht des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vom 20. Juli 1995, A4-0177/95, Änderungsantrag 14, Artikel 6 Nummer 12a (neu), Artikel 21a (neu) (Richtlinie 70/457/EWG) betr. die Richtlinie 70/457/EWG, zu unterstützen.

4. In die o.a. Richtung weisende Vorstöße von anderen EU-Mitgliedstaaten betreffend die Inverkehrbringung von Saatgut zur Erhaltung der genetischen Vielfalt sind auf EU-Ebene zu unterstützen.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

13.08

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Die Landwirtschaft wie die gesamte Weltwirtschaft unterliegen einem sehr raschen Umbruch. Das heißt, Betriebe, aber auch die Bauern haben sich neu zu orientieren, haben Marktnischen zu suchen. Die Direktvermarktung, die viele der Bauern anstreben, ist deshalb eine wichtige Säule der bäuerlichen Existenzsicherung. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Wir von der SPÖ stehen zu dieser zusätzlichen Existenzsicherung. Wir stehen deshalb auch dazu, weil mit dieser Schiene auch die Arbeitsplätze auf dem Bauernhof gesichert werden können – aber unter denselben hygienerechtlichen und steuerrechtlichen Voraussetzungen wie das Gewerbe. Daher mein dringender Appell an die Bundeswirtschaftskammer und an die Landwirtschaftskammer, die monatelangen Verhandlungen endlich zum Abschluß zu bringen, damit jene Bauern, die sich mit dem Gedanken der Direktvermarktung tragen oder diese bereits durchführen, wissen, an welche Bedingungen sie sich in Zukunft zu halten haben und wie sie sich auf dem Markt bewegen können.

Wenn ich davon lese beziehungsweise von den Bauern höre, daß sie in manchen Bereichen bis zu 50 Prozent Produktionsverfall oder Erzeugerpreisverfall hinnehmen mußten und müssen, ist das meines Erachtens ein klares Indiz dafür, daß die Gesamtvertretung der Bauern, nämlich die Raiffeisenvertriebsgenossenschaft, in diesem Bereich versagt hat.

Das heißt, auch in diesem Bereich ist Liberalisierung gefordert, und nicht nur, wie es lautstark überall verlangt wird, bei den Arbeitnehmern. Denn der Bauer als Unternehmer ist gefragt, und als selbständiger Unternehmer weiß der Bauer sehr genau, daß er beim Konsumenten eben durch Qualität Vertrauen erreichen kann und mit diesem Vertrauen auch den Markt erobern kann.

Wir von der SPÖ unterstützen den Konsumentenschutz insofern sehr stark, als er nicht nur ein Schutz für die Abnehmer, also für die Konsumenten, ist, sondern auch ein Schutz für jene


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Bauern, die sich an die hygienerechtlichen Richtlinien halten, die reell arbeiten und die ausschließlich österreichische Produkte einsetzen.

Ein letzter Hinweis: Laut einer Umfrage sind 82 Prozent der Österreicher gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft. – Herr Präsident Schwarzböck und Herr Schwarzenberger sind jetzt leider nicht da, ich wollte diese beiden Herren um etwas bitten. – Sie sichern das Einkommen der Bauern und somit den Direktverkauf dadurch, als Sie eben diese Maßnahme in dem Sinn bewerben, daß Sie vor die Bevölkerung hintreten, den Leuten sagen, sie brauchen keine Angst zu haben, sondern sie sollen bei den Biobauern einkaufen. – Die Bauern – das sagen sie mir immer wieder in einzelnen Gesprächen – wollen nicht ausschließlich von der Förderung leben, die Bauern wollen produzieren, sie wollen die Produkte selbst oder in Erzeugergemeinschaften vermarkten, und sie wollen auch ordentliche Preise dafür erhalten, und diese können sie erhalten, wenn Qualität und Ware stimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koller. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.13

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zum Saatgutgesetz: Die vor drei Jahren novellierten "Zuchtbücher" haben nur mehr Museumswert. Die darin enthaltenen Sorten gelten nur mehr für vier Jahre als zugelassen. Was ist dann? – Dann gilt die EU-Zulassung. Dann gibt es "EU-genehme" Sorten, dann gelten die EU-Patente und auch neue Gebührenregeln. Die Züchter werden verstärkt zur Kasse gebeten, und die Abwälzung der Mehrkosten auf die Bauern ist vorprogrammiert. Die bisherigen Gebühren betrugen 2,4 Millionen. Neue Jahresgebühren in der Höhe von 36 Millionen werden angepeilt. Kollege Zweytick hat davon gesprochen, daß es zu keiner Verteuerung kommt. Ich frage mich: Ist die Erhöhung der Jahresgebühren von 2,4 auf 36 Millionen keine Verteuerung?

Herr Minister! Sie sagten im Ausschuß, die Gebührenerhöhung sei gerechtfertigt, weil schon lange nicht mehr angeglichen wurde. Herr Minister! Das ist das Ende der österreichischen Saatzucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aus meiner Jugendzeit erinnere ich mich noch an die legendäre Wette des damaligen Außenministers Figl mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten Chruschtschow. Es ging darum, welches Land die Höchsterträge beim Mais erzielt. Der Austria-Hybrid-Mais aus der Saatzucht Gleisdorf hat haushoch gewonnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz enthält auch ein Schlupfloch für gentechnisch verändertes Saatgut unter dem Titel "Bewilligung von Versuchssaatgut". Das ist eine Umgehung der bisherigen Freisetzungsbestimmungen. Der Minister hat eine Verordnungsermächtigung. Chemische Zusätze beim Saatgut müssen gekennzeichnet sein, gentechnische Veränderungen aber nicht.

Am 15. April dieses Jahres beschloß der Steiermärkische Landtag folgendes – drei Punkte möchte ich anführen, mit denen dieses Saatgutgesetz mit Füßen getreten wird –: Für Landsorten muß ein neues, vereinfachtes Zulassungsverfahren gegeben sein.

Der nächste Punkt: Die teuren und aufwendigen Prüfverfahren für zertifiziertes Saatgut dürfen nicht für Landsorten verlangt werden, die meist nur in kleinen Mengen abgegeben werden. – Dies trifft auch nicht zu.

Für Kleinmengen und Regionalsorten ist ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vorzusehen. – All jene Punkte werden nicht erfüllt. Die Bundesländer lassen sich das nicht gefallen! Das wird im Bundesrat ein Nachspiel haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Nun zum Pflanzenschutzmittelgesetz: Ich werde Ihnen drei Gründe nennen, warum wir dieses Gesetz ablehnen: erstens einmal wegen der undemokratischen Vorgangsweise im Ausschuß. Ein solch wichtiges Gesetz wird wie die kurzfristige Vorlage eines Abänderungsantrages der Koalition überraschend als Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung gepreßt. Der zweite Punkt: Narrenfreiheit bei wissenschaftlichen Versuchen. Bei gentechnischen Freisetzungen dürfen nichtzugelassene Pflanzenschutzmittel angewendet werden, und zwar ohne Beschränkung. Monsanto und Konsorten werden sich über diese großkoalitionäre Gesetzgebung freuen. Der dritte Punkt ist die Erlaubnisverlängerung für alle alten Wirkstoffe. Pflanzenschutzmittel mit alten Wirkstoffen sind bis zum 26. 7. 2003 erlaubt, das ist also alles, was vor dem 26. Juli 1993 in irgendeinem Mitgliedstaat der EU erlaubt war.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun zum Antrag des Kollegen Wabl betreffend Veredelung und Vermarktung der bäuerlichen Urproduktion. Ich weiß schon, daß dieser Punkt in der Gewerbeordnung behandelt wird, aber es wäre eine Stärkung für die bäuerlichen Interessen gewesen, wenn dieser Antrag im Landwirtschaftsausschuß positiv behandelt worden wäre. Herr Kollege Schwarzenberger ist leider nicht hier, aber ich möchte ihm mitteilen: Das ist nur ein Abschieben der Verantwortung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Ablehnung des Antrages des Kollegen Reichhold betreffend Maßnahmen gegen die Abwanderung aus der Landwirtschaft beweist wieder einmal mehr die Doppelbödigkeit der ÖVP. In schönen Sonntagsreden wird dies immer wieder bekundet. Aber wenn gleichlautende freiheitliche Anträge gestellt werden, werden diese immer wieder abgelehnt. Das ist Ihre doppelbödige Politik. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haller: So ist es!)

13.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kampichler. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.19

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Obwohl sich meine Vorredner, vor allem jene aus meiner Fraktion, schon sehr intensiv mit dem Pflanzenschutzmittelgesetz auseinandergesetzt haben, möchte ich auch noch ganz kurz dazu Stellung nehmen, denn ich betrachte es als eines der wichtigen Gesetze, vor allem auch für unsere Gartenbaubetriebe.

Ich bin sehr froh, daß wir heute dieses Gesetz beschließen, denn es war seit langem ein Wunsch, vor allem auch der Landesgartenbauvereinigung Niederösterreich, daß endlich Regelungen getroffen werden und daß auch unseren Betrieben die letzten Erkenntnisse im Bereich Pflanzenschutz zur Verfügung stehen. Die Landesgartenbauvereinigung hat das Fehlen dieser Regelungen für Österreich sehr massiv beklagt, denn es hat auf diese Weise echte Probleme gegeben.

Wir haben für manche Kulturen überhaupt keine Mittel zur Verfügung. Mein Vorredner, Kollege Zweytick, hat bereits darauf hingewiesen. Die österreichischen Produzenten haben daher vielfach nicht die Möglichkeit gehabt, die positiven Entwicklungen auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes ebenfalls zu nutzen. Sehr viele umwelt- und nützlingsschonende Mittel sind in Österreich nicht registriert und können daher nicht angewendet werden. Das hat auch zu Wettbewerbsnachteilen für unsere heimischen Produzenten geführt. Denn Produkte aus dem europäischen Raum, wo diese Pflanzenschutzmittel bereits zur Verfügung stehen, werden natürlich auch in Österreich verkauft, und es ist dadurch für die ausländischen Erzeuger dieser Produkte natürlich zu einem entscheidenden Vorteil gekommen.

Geschätzte Damen und Herren! Mit diesem Gesetz gibt es eine wesentliche Verbesserung für unsere Betriebe, und zwar eine Verbesserung ihrer Marktposition. Wir regeln mit diesem Gesetz das Inverkehrbringen, die Einfuhr und die Werbung für Pflanzenschutzmittel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich sind zwei Punkte sehr wichtig: Wenn wir dieses Gesetz beschließen, können wir erstens unnötige Wiederholungen von Versuchen mit Wirbeltieren vermeiden und zweitens – das hat mich besonders beeindruckt – muß es nicht


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mehr unbedingt auch in Österreich eine Zulassung geben, wenn ein solches Produkt im europäischen Raum bereits erlaubt ist. Und zwar muß es in Österreich dann keine Zulassung geben, wenn Schäden irgendwelcher Art für Mensch, Tier oder Umwelt zu befürchten wären. Das heißt, wir können Produkte auch ablehnen. Ich teile daher in diesem Punkt die Befürchtungen der Oppositionsparteien nicht.

Im übrigen darf ich zu den Ausführungen meines Vorredners Koller feststellen, daß sich der Gesetzentwurf schon sehr lange im Parlament befindet. Es war selbstverständlich genug Zeit, um sich mit der Materie auseinanderzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich teile deshalb die Befürchtungen der Opposition nicht, weil ich meine, daß die Zulassungsregelungen sehr streng gehandhabt werden. Es müssen sehr viele Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Produkt bei uns in Österreich zugelassen wird, und zwar Voraussetzungen besonders in bezug auf Land- und Forstwirtschaft, auf Pflanzenschutz, Umwelt und vor allem auch in bezug auf die Witterungsverhältnisse. All diese Faktoren müssen mit jenem Mitgliedsstaat, in dem die betreffenden Produkte bereits zugelassen wurden, vergleichbar sein. Wir können mit diesem Gesetz aber auf den positiven Erfahrungen dieser Länder aufbauen. Mein Vorredner, Präsident Rudi Schwarzböck, hat bereits erwähnt, daß wir das Rad nicht neu zu erfinden brauchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein weiterer Punkt ist für mich auch sehr wesentlich. Durch Übergangsbestimmungen können jene biologischen Pflanzenschutzmittel, die derzeit von unseren biologisch geführten landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt werden, auch weiterhin verwendet werden. Es würde ansonsten zu gravierenden Wettbewerbsnachteilen für unsere Biobauern kommen. Auch das ist in diesem Gesetzentwurf geregelt und kann hintangehalten werden.

Wir können stolz darauf sein, daß Österreich im europäischen Raum im Bereich der Landwirtschaft einen sehr hohen Prozentsatz – ich glaube, den höchsten Anteil aller europäischen Länder – an Biobauern vorzuweisen hat, und es ist gut, daß mit diesem Gesetz auch die biologische Landwirtschaft geschützt und wettbewerbsfähig gehalten werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich vertraue in der Agrarpolitik auf unseren Bundesminister Willi Molterer, und ich möchte ihm selbstverständlich auch sehr herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren! (Bundesminister Mag. Molterer dankt dem Redner.) Er ist für mich der Garant für eine ökologische Agrarpolitik, und ich glaube, daß wir mit ihm die Chancen unserer Landwirtschaft auf dem europäischen Markt in optimaler Weise nützen können. (Beifall bei der ÖVP. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz ist ein wichtiges Gesetz für die Landwirtschaft, besonders auch für den Gartenbau. Es ist geprägt von den hohen Vorgaben des Umweltschutzes, es signalisiert Vorrang für Mensch, Tier und Pflanzen, und ich werde diesem Gesetz selbstverständlich sehr gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP. )

13.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

13.25

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Jetzt ist mir klar, warum wir heute so viel Zeit haben, um über Landwirtschaft zu sprechen: weil Sie Geburtstag haben. Ich könnte mir vorstellen, daß sich die Bauern in Österreich wünschen, Sie hätten öfters Geburtstag, damit im Parlament breiter Raum geschaffen wird, um über die Problematik der Landwirtschaft zu diskutieren. (Beifall beim Liberalen Forum. )

Ich lese heute in der "Presse", daß 63 Prozent der Österreicher die Umwelt als ziemlich zerstört empfinden. Da sind wir genau beim richtigen Punkt. Das sollte man nämlich als Signal wahrnehmen und die im Ausschuß erhobene Forderung von Herrn Thomas Barmüller, einen Unteraus


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schuß zum Thema Wald- und Wildproblematik einzusetzen, aufgreifen. Wenn die Sorgen der Österreicher so groß sind, dann ist es meines Erachtens hoch an der Zeit, dies zu tun, statt zu warten, bis wieder einmal eine Ausschußsitzung stattfindet. Das hätte man eigentlich gleich machen können. Es würde mich auch freuen, wenn dieser Unterausschuß so schnell wie möglich zu einem Ergebnis käme, weil dann von Ihrem Ministerium die weiteren Aktivitäten ausgehen könnten, Herr Minister.

Stichwort BSE: Der Entschließungsantrag ist natürlich überholt, aber die Problematik BSE ist nach wie vor aktuell. Wenn man sich etwa die Position der neuen Regierung in England ansieht, dann muß man schon sagen, daß diese sich sehr wohl im klaren darüber ist, daß sich die Haltung von Großbritannien in dieser Frage zu ändern hat. Man kann zwar nicht auf die Aufhebung des Exportverbotes drängen, solange dieses Problem in England nicht gelöst ist, aber sobald man dort die Situation wieder im Griff hat, wird England selbstverständlich darauf drängen, daß dieses Exportverbot wieder aufgehoben wird. Dann werden natürlich auch entsprechende Entwicklungen auf dem Fleischmarkt zu erwarten sein.

Das ist ein Problem, das wir wahrscheinlich in einem Jahr zu diskutieren haben werden, wenn wir merken werden, daß es den österreichischen Bauern in dieser Sparte nach wie vor sehr schlecht geht. Es muß uns einfach bewußt sein, daß der Konsument sein Verhalten bezüglich der Nahrungsmittel nicht nur aufgrund dieser Krise geändert hat, sondern auch vorher schon im Begriff war, es zu ändern.

Gestern wurde Österreich im Europäischen Parlament dafür gelobt, daß bereits 10 Prozent seiner Bauern biologische Landwirtschaft betreiben. Es ist besonders aufgefallen, daß das die Richtung ist, die wir einschlagen sollten, wenn wir in der Europäischen Union die gemeinsame Agrarpolitik des nächsten Jahrtausends besprechen. Ich meine, daß das ein sehr wichtiger Punkt ist, der unsere Argumentation und unsere Position stärkt, wenn wir zu verhandeln haben.

Auf der anderen Seite muß man dort, wo insuffiziente Regelungsmechanismen bestehen – und diese gibt es etwa in der Gentechnologie –, im Landwirtschaftsrat durchaus scharfe Positionen einnehmen. (Bundesminister Mag. Molterer spricht mit Abg. Ing. Reichhold. ) Auch wenn Sie, Herr Bundesminister, zurzeit abgelenkt sind, meine ich, daß Sie sehr wohl die Möglichkeit hätten, dort wesentlich schärfer zu argumentieren. In anderen Fragen nehmen zum Beispiel die Engländer oder die Franzosen sich ja auch kein Blatt vor den Mund.

Zur Kritik am Saatgutgesetz. Die Erhaltung der Artenvielfalt ist ebenso besonders wichtig für uns. An diesem Punkt möchte ich wiederum einen Querverweis auf die Gentechnologie einfügen. Es gibt noch zu wenig Studien, die belegen, inwieweit die Gentechnologie in der Landwirtschaft – auch wenn Sie noch immer nicht zuhören, Herr Bundesminister (Bundesminister Mag. Molterer: Ich höre die ganze Zeit zu, Frau Kollegin!) – Auswirkungen hinsichtlich der Freisetzungen hat. Meiner Ansicht nach sollten wir einen wesentlich größeren Teil unseres Forschungsbudgets, das wir in Österreich zur Verfügung haben, einsetzen, um die Auswirkungen der Gentechnologie auf die Artenvielfalt zu erforschen. Das wäre auch die richtige und positive Antwort auf die Aktionen, die es bezüglich Gentechnologie gegeben hat, eine Antwort zum Beispiel auf die 1,2 Millionen Unterschriften für das Gentechnik-Volksbegehren.

Bezüglich der Nichtprivatisierung des Bundesamtes und Forschungszentrums für Landwirtschaft und des Bundesamtes für Agrarbiologie frage ich mich, warum man aufstockt, wenn man privatisieren könnte. Ich halte das wirklich für einen Widerspruch, der heute auch schon einige Male aufgezeigt wurde. Ich denke, daß wir die Möglichkeit hätten, da etwas konsequenter vorzugehen.

Zum Schluß noch einmal kurz zur Gentechnologie. Eine Kennzeichnungsregelung ist das Minimum, das man verlangen können muß, wenn man in Brüssel über das Thema Saatgut spricht. Herr Bundesminister! Sehen Sie zu, daß Sie das in der Europäischen Union durchsetzen! Damit würden Sie Bürgernähe zeigen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.30


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

13.30

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Koller hat vorhin eine historische Wette angesprochen, was mich hellhörig gemacht hat. Es wird wohl so sein, daß wir damals diese Wette gewonnen haben, weil wir den besseren, ertragreicheren, größeren – oder wie immer zu bezeichnenden – Mais gehabt haben. Aber der Preis, den wir dafür bezahlen mußten, ist sehr wohl zu hinterfragen.

Wenn wir heute jene Gebiete in Österreich ansehen, in denen Mais intensiv angebaut wird, dann müssen wir feststellen, daß das dortige Grundwasser auf Jahrzehnte hinaus verseucht ist. Ich glaube, daß wir weniger danach trachten sollten, derartige Wetten zu gewinnen, sondern vielmehr darauf schauen und daran arbeiten müssen, daß wir unsere Umwelt in Ordnung halten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Dann muß man das Gesetz ablehnen, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren! Ganz kurz zum Saatgutgesetz. Herr Bundesminister! Ich beschäftige mich dabei nur mit einem Teilbereich, dessen Formulierung für mich regelrecht spannend ist.

In den §§ 38 und 39 wird dargestellt, daß die Saatgut-Anerkennungsbehörden die Möglichkeit haben, sich auch externen Personals zu bedienen, damit sie in der Lage sind, die entsprechenden Kontrollen vorzunehmen. Es wird in der Folge definiert, wer Feldbesichtigungen, Probeentnahmen und so weiter vornehmen kann. Ich habe mich beim Lesen dieses Gesetzestextes gefragt, welche Überlegungen da dahinterstecken.

In § 39 steht: Als fachlich befähigt gelten Personen, die ein einschlägiges Universitätsstudium haben. – Okay. Als nächstes kommen jene, die eine landwirtschaftliche Fach- oder Mittelschule absolviert haben. Da sind wir schon eine Stufe darunter. Danach folgen jene, die eine gleichwertige Ausbildung absolviert haben. Auf der nächsten Stufe – damit landen wir bei der untersten Stufe; für mich ist dies aber der absolute Höhepunkt! – finden sich jene Personen, die überhaupt keine Ausbildung haben, und zwar unter der Voraussetzung, daß sie – wie es da bezeichnet wird – durch Ausbildungs- und Nachschulungskurse auf den Stand der Wissenschaft und Technik gebracht werden.

Herr Minister! Ich wünsche uns, daß die Gruppe jener Personen, die ohne jegliche Ausbildung sind, eine relativ kleine ist, weil ich denke, daß wir es nicht schaffen werden, innerhalb kürzester Zeit einen so hohen Ausbildungsstand zu erreichen, daß wirklich nur qualifizierte Personen diese Tätigkeit ausüben. (Bundesminister Mag. Molterer: Das ist gefährlich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusammenfassend meine ich, daß wir den vorliegenden Gesetzen sehr wohl zustimmen können, gleichzeitig aber doch die eine oder andere kritische Bemerkung, die heute gefallen ist, im Hinterkopf behalten sollten. Was die Zukunft betrifft, ist es notwendig, daß wir mit der notwendigen Sensibilität an weiteren Gesetzesvorlagen arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

13.34

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesminister Mag. Molterer spricht mit Abgeordneten, die an der Regierungsbank stehen.) Herr Minister Molterer – wenn Sie vielleicht ein paar Minuten Zeit hätten? (Abg. Dr. Ofner: Er hat eh nur 6 Minuten, Herr Minister!)

Es ist traurig, Herr Minister, daß Sie mit der Regierungsvorlage zum Saatgutgesetz 1997 in keiner Weise auf die 1,2 Millionen Unterschriften zum Gentechnik-Volksbegehren, auf diese


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1,2 Millionen Bürger, die mit ihrer Unterschrift eindeutig ihre Haltung gegenüber der Gentechnik ausgedrückt haben, eingegangen sind.

Herr Minister! Ohne eine deutliche Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut haben die Bauern keine Chance, entsprechend dem Wunsch von mehr als 80 Prozent der Konsumenten – das darf man nie vergessen! – gentechnisch nicht verändertes Saatgut in Österreich anzupflanzen. Der gerade von Ihrer Partei vor dem EU-Beitritt propagierte "Feinkostladen Österreich" wird durch Ihre Regierungsarbeit hoffnungslos zerstört, Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das mag vielleicht im Interesse einiger multinationaler Konzerne liegen, aber es ist ganz sicher nicht im Interesse der österreichischen Bauern und der österreichischen Konsumenten! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In dem vom Kollegen Schwarzenberger im Ausschuß eingebrachten Entschließungsantrag wird gefordert – ich zitiere –: Noch im Jahre 1997 ist bis spätestens zur erfolgten Ernte ein Entwurf vorzulegen, der eine umfassende Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut, entsprechend den Rechtsbestimmungen der EU, ermöglicht. – Herr Minister! Was heißt denn "nach den Rechtsbestimmungen der EU"? Aus Ihrer angekündigten Vorreiterrolle innerhalb der EU ist eine Speichelleckerei geworden! Aber wir Freiheitlichen haben schon vor dem EU-Beitritt befürchtet, daß es nicht anders werden wird.

Herr Minister! Außerdem kann man die Regierungsvorlage nur als Verspottung der österreichischen Bauern und der österreichischen Konsumenten auffassen, die ihre Unterschrift zu diesem Gentechnik-Volksbegehren geleistet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie sind ja in guter Gesellschaft, Herr Minister, wie man (der Redner hält eine Zeitung mit dem Titel "Die Landwirtschaft" in die Höhe) etwa auch der Kammerzeitung der Niederösterreichischen Landeswirtschaftskammern, finanziert aus Zwangsbeiträgen der niederösterreichischen Bauern, entnehmen kann. (Abg. Schwarzenberger: Eine gute Zeitung!) Kollege Schwarzenberger! Diese Zeitung liest sich wie ein Märchenbuch der Gebrüder Grimm. Mehr ist sie nicht. Sie ist ein Märchenbuch der Gebrüder Grimm!

Kollege Schwarzböck! Sie stellen in dieser Zeitung – in diesem Fall: schwarz auf grün – eindeutig fest: Die Agrareinkommen sind um rund 10 Prozent gefallen. Schwarzböck schreibt: Sinkendes Bauerneinkommen verlangt massive Gegenmaßnahmen. – Sie haben recht, Kollege Schwarzböck, das stimmt schon. Aber warum kündigen Sie in dieser Zeitung etwas an, was Sie dann hier im Parlament nicht vertreten? Sie vertreten es nicht, ich kann es Ihnen beweisen.

Herr Kollege Schwarzböck! Sie fordern in dieser Zeitung weiters – ich zitiere –: Es ist höchst an der Zeit, daß der Bund seinen Anteil an BSE-Entschädigungszahlungen für die unverschuldet in Not geratenen Rinderbauern ausbezahlt. – Schön und gut. In dieser Frage sind Sie anscheinend einer Meinung mit uns Freiheitlichen – oder wir mit Ihnen. Wenn dem wirklich so ist, dann würde ich Sie heute schon bitten: Stimmen Sie dem Antrag Reichhold zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Antrag Reichhold fordert genau das, was Sie in dieser Zeitung fordern. Sie und alle Bauernvertreter der ÖVP haben heute die Gelegenheit, Ihre in der Kammerzeitung veröffentlichten Ankündigungen endlich einmal wahrzumachen. Stimmen Sie diesem Antrag zu! Genau Ihre Forderung hat der Antrag Reichhold zum Inhalt: Entschädigung für die unverschuldet in Not geratenen Rinderbauern.

Meine Damen und Herren! Mit diesen unverschuldet in Not geratenen Bauern könnte nämlich auch folgendes passieren ... (Bundesminister Mag. Molterer spricht mit Abgeordneten, die an der Regierungsbank stehen.) – Herr Minister, hätten Sie vielleicht ein paar Minuten Zeit?

Herr Minister! Zu der Gentechnikrichtlinie, die Sie beschließen werden, kann ich Ihnen folgendes schon heute sagen. Sie haben gesagt, das sei eine Chance für die Lebensmittelproduzenten. – Herr Minister! Wir Bauern werden von der EU gezwungen, einen bestimmten Teil unserer Anbauflächen zu brachen, das heißt, stillzulegen, auf diesem Teil nichts anzubauen und zu ernten. Und da wollen Sie mir einreden, wir brauchen die Gentechnik, um höhere Erträge zu erzielen?


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Wo ist da bitte die Logik? – Auf der einen Seite wollen Sie höhere Erträge pro Hektar erzielen, aber auf der anderen Seite werden die Bauern gezwungen, einen Teil ihrer Felder brachliegen zu lassen. Ich glaube, wir sollten uns wirklich einmal eingehend über die derzeitige Agrarpolitik unterhalten. (Abg. Aumayr: Ein Chaos!)

Meine Damen und Herren! Es darf nicht sein, daß österreichische Bauern durch die nationale Gesetzgebung gegenüber ihren Kollegen in den anderen EU-Staaten benachteiligt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die nationale Gesetzgebung verantwortet der Herr Minister Molterer mit seinen Freunden von der ÖVP. Das sage ich Ihnen ganz deutlich. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Schwarzböck! Kommen Sie Ihren Forderungen – Ihren vorgetäuschten Forderungen, möchte ich sagen –, die auch in dieser schönen Zeitung festgehalten sind, betreffend stabile Rahmenbedingungen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene endlich einmal nach! – Sie lachen. Ich weiß schon, die Bauern interessieren Sie nicht. Das ist mir schon klar. Sie interessieren ein paar multinationale Konzerne, aber nicht der österreichische Bauer. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie fordern hier brav stabile Rahmenbedingungen. Diese stabilen Rahmenbedingungen, die den Bauern vor dem EU-Beitritt versprochen wurden, haben Sie, Herr Minister Molterer, gemeinsam mit Ihrer Partei verraten. Sie haben die Bauern verraten und verkauft. Sie haben 15 000 Bauern hierher, nach Wien, gebracht, um Druck zu machen, damit sie ihre Gelder erhalten. Wir Freiheitlichen haben Sie in dieser Frage unterstützt. Aber Sie sind jetzt – gemeinsam mit den Kollegen der SPÖ – den Bauern schändlich in den Rücken gefallen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

13.41

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mein Debattenbeitrag bezieht sich auf den Antrag der Abgeordneten Reichhold und Genossen bezüglich der Abwanderung in der Landwirtschaft. Man muß zuerst einmal die wirklichen Ursachen festhalten. In der Zeit von 1990 bis 1996 ist in der Steiermark die Zahl der Vollerwerbsbauern um 9 Prozent und die Zahl der Nebenerwerbsbauern um 7 Prozent gesunken. In meinem Bezirk betrug der Rückgang bei den Vollerwerbsbauern 10 Prozent, bei den Nebenerwerbsbauern 4 Prozent.

Wenn man sich die unterschiedlichen Gründe für die Abwanderung anschaut, muß man ganz klar sagen – und das ist auch die Meinung der Bauern selbst –, daß eine soziale Absicherung daran nichts ändern würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt genug Bauern, die keine finanziellen Probleme haben, deren Kinder aber auch nicht zu Hause bleiben, weil sie studieren oder einen anderen Beruf ergreifen wollen beziehungsweise lieber in der Stadt leben.

Bei den Nebenerwerbsbauern gibt es ebenfalls verschiedene Gründe für eine Abwanderung, so zum Beispiel Arbeitsplatzveränderungen, partnerschaftliche Probleme aufgrund von Interessen der Frau oder des Mannes im Bereich der Freizeitwirtschaft oder Probleme im Zuge der Hofübergabe, also wenn etwa eine Aufteilung oder Auszahlung erfolgen muß.

Es gibt in unserem Bezirk jedes Jahr in der ersten Maiwoche eine Leistungsschau. Bei dieser Leistungsschau bieten auch die Bauern ihre selbsterzeugten Produkte zur Verkostung an. Das Interesse ist natürlich sehr groß, und es werden auch sehr viele Fragen gestellt. Ich bin am Sonntag den ganzen Vormittag in dieser Koje gestanden und habe mit den verschiedensten Bauern über das Problem Abwanderung gesprochen. Auch die Bauern selbst sind der Meinung, daß dann, wenn es den Eltern nicht gelingt, die Kinder davon zu überzeugen, daß die Freude an der Arbeit am Bauernhof ausschlaggebend ist, die Kinder zu diesem Beruf keine Beziehung


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bekommen. Die Eltern sollten den Stellenwert der Selbstgestaltung und den Umstand, daß dieser Beruf der Verwirklichung ihrer Wünsche bezüglich der Produkte dienen kann, in den Vordergrund stellen. Man sollte den Jungen klarmachen, daß sie in diesem Beruf nicht so sehr unter Zeitdruck stehen und nicht das tun müssen, was sie vom Vorgesetzten angeordnet bekommen, sondern frei entscheiden können.

Die Forderung der FPÖ nach einer sozialen Absicherung ist für mich eine scheinheilige und unrealistische, denn die FPÖ behauptet in letzter Zeit verstärkt, Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu vertreten, aber ich habe noch nie gehört, daß die Freiheitlichen bei Betriebsstillegungen oder bei Arbeitsplatzverlusten auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine soziale Absicherung gefordert hätten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt auch eine Marktstudie, in der festgestellt wird, daß nicht die Subvention in der Zukunft entscheidend ist, sondern das gesunde Selbstbewußtsein der Jugend bei der Hofübergabe, das Durchsetzungsvermögen am Markt und vor allem eine möglichst enge Anbindung an den Konsumenten und dessen Vertrauen. Aber um dieses Vertrauen auch gewinnen zu können, ist eine uneingeschränkte Produktwahrheit unbedingt notwendig.

Deshalb möchte ich noch einmal festhalten, daß die Forderung der sozialen Absicherung nur eine Farce ist und der Antrag 278/A nicht einmal das Papier wert ist, auf dem er geschrieben wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

13.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

13.47

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe gleich zu Beginn einen Entschließungsantrag der Grünen betreffend bessere Förderung des biologischen Landbaues ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wabl, Ing. Langthaler, Freundinnen und Freunde betreffend Forschungsschwerpunkt biologisches Saatgut

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird aufgefordert, einen Forschungsschwerpunkt "biologischer Landbau" zu setzen, diesen mit ausreichenden finanziellen Mitteln zu dotieren und dafür Sorge zu tragen, daß die Infrastruktur der entsprechenden Bundesinstitutionen für die Prüfung und Entwicklung von biologischem Saatgut in Anspruch genommen werden kann. Zentraler Aspekt dieses Forschungsschwerpunktes soll vor allem die Herstellung von biologischem Saatgut sein.

*****

Meine Damen und Herren! Ich habe manchmal den Eindruck, wenn hier Diskussionen über die Landwirtschaft geführt werden, daß bei vielen im Hinterkopf noch dieses Bild vom Bauernhof mitschwingt, wie es in Kinderbüchern dargestellt wird: der Bauernhof mit einer Mischstruktur, ein bißchen Getreidebau, ein bißchen Tierzucht, von allen Tierarten ein wenig, und das Ganze hat einen sehr familiären, sehr schönen, ökologischen Charakter. – Die Realität sieht aber teilweise anders aus, meine Damen und Herren!

Eines vermisse ich bei diesen Landwirtschaftsdiskussionen immer, nämlich die Frage, wie die Landwirtschaft in zehn oder 15 Jahren aussehen wird. (Abg. Tichy-Schreder: Das können Sie heute nicht sagen!) Da diktieren beinharte ökonomische Gesetze. Frau Abgeordnete Tichy-Schreder! Es wird in zehn bis 15 Jahren keine konventionelle Landwirtschaft mehr geben! Es


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wird einerseits Industriebetriebe, Agrarindustrie geben – und andererseits hoffentlich auch einen starken Zweig der biologischen Landwirtschaft. Und dazwischen wird es gar nichts mehr geben. Das zeichnet sich schon heute ab. Und alle, die hier den Bäuerinnen und Bauern vorgaukeln, es werde ein bißchen von dem, ein bißchen von dem und ein bißchen Gentechnik und ein bißchen Biolandbau geben, die sagen nicht die Wahrheit, denn dagegen sprechen alle ökonomischen Statistiken.

Deswegen ist Ihre Vorgangsweise in bezug auf das Saatgutgesetz eine wirklich verantwortungslose: Nicht nur, daß Sie sich über die 1,2 Millionen Unterschriften derer, die das Gentechnik-Volksbegehren unterstützt haben, hinwegsetzen – die österreichische Bevölkerung ist ja leider schon gewohnt, daß die Regierung sich nicht sehr viel darum pfeift, was die Bevölkerung will –, das Arge daran ist, daß Sie damit auch einen ganzen Berufsstand, der ohnehin um seine Existenz ringt, eigentlich um die Interessen und um berechtigte Positionen prellen.

Herr Bundesminister! Sie tragen dafür die Verantwortung, daß diese klare Trennung biologischer Landbau mit entsprechenden Förderungen und Agrarindustrie in der österreichischen Praxis jetzt nicht realisiert werden kann, was das Saatgut betrifft.

Es ist doch unglaublich, daß zwar chemische Veränderungen des Saatguts zu kennzeichnen sind, nicht aber gentechnische. Und meine Frage ist, auch an die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion: Wie halten Sie es mit den Versprechen Ihrer Bundesministerin, die für Konsumentenschutz zuständig ist? Sie hat im Zusammenhang mit dem Volksbegehren erklärt, sie unterstütze zwar nicht das Volksbegehren – das hatte eine klare Linie: keine Freisetzungen in Österreich, keine Gentechnik in der Landwirtschaft und in der Nahrung, ein vorsichtiges Ja zur Gentechnik in der Medizin –, sie schließe sich diesem Standpunkt nicht an, wohl aber trete sie für eine lückenlose Kennzeichnung ein.

Jetzt auf einmal kommt ein Saatgutgesetz, in dem keine Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut vorgesehen ist, auch keine Kennzeichnung von bestrahltem Saatgut – und auf einmal gehen offenbar die SP-Minister im Ministerrat mit. Ich frage Sie: Was ist denn das, wenn nicht ein Bruch eines Versprechens? (Beifall bei den Grünen.)

Das ist doch eine Verhöhnung der Bevölkerung, wenn Sie vorher sagen: keine totale Absage an Freisetzungen, aber keine Freisetzungen, bevor wir nicht eine klare, eine verschuldensunabhängige Haftungsregelung und eine lückenlose Kennzeichnung haben!, und jetzt ein neues Gesetz, das keine Kennzeichnung vorsieht, vorgelegt wird und Sie wieder mitgehen! Wie weit soll denn das noch gehen?

Wir haben Sie hier im Parlament darauf aufmerksam gemacht: Die Gentechnik-Lobby war vorstellig bei den ÖVP-Ministern, sie war sowohl bei Minister Molterer als auch bei Minister Bartenstein, als auch bei Minister Farnleitner. Dort haben die Vertreter der Firma AgrEvo ganz klar gesagt: Wir werden im Herbst gentechnisch veränderten Winterraps aussetzen. Bei den SP-Ministern waren die gar nicht mehr, sie brauchen sie auch nicht mehr, sie können sich ja darauf verlassen, daß sie im Ministerrat und hier im Hohen Haus ohnehin alles mittragen.

Der Druck dieser Lobby ist stark, und Sie haben eine Zweidrittelmehrheit, Sie können alles beschließen. Sie können auch alle Ihre Versprechen gegenüber der Bevölkerung brechen. – Nur: Warum Sie das tun, warum Sie auch der eigenen Ministerin in den Rücken fallen, das ist mir wirklich nicht verständlich. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es ist uns ja schon des öfteren passiert – und immer wieder auch mit dem amtierenden Umweltminister –, daß gesagt wird: Jetzt machen wir einmal ein Gesetz, und all das, was die Haftung betrifft, und die Fragen, die daran anknüpfen, erledigen wir dann später. So war das beim Gentechnik-Gesetz und bei der versprochenen Einbeziehung in die verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung. Wir wissen, was dann kam: Das Gentechnik-Gesetz gibt es, es gibt aber keine verschuldensunabhängige Haftung, und es gibt keine Umweltverträglichkeitsprüfung.


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Sie wissen doch genau, was dann passiert: Da entsteht ja kein Vakuum, sondern jede Gesetzeslücke, jedes legistische Vakuum wird sofort durch den Markt aufgefüllt. Es gibt Firmen, die sofort diese Chance ergreifen. In Österreich kann man, in Österreich darf man, in Österreich gibt es keine Haftung, in Österreich gibt es keine lückenlose Kennzeichnung. Wunderbar! – Dieses Vakuum wird sofort aufgefüllt. Und wenn Sie dann im nachhinein kommen und sagen: Wir wollen kennzeichnen, wir wollen eine Umweltverträglichkeitsprüfung, wir wollen eine Haftung!, dann kommen sofort erpresserische Argumente – ich verwende dieses Wort bewußt –: Ja wenn ihr jetzt die Gesetze verschärft, dann werden wir uns überlegen, ob wir in Österreich noch investieren, dann werden wir uns überlegen, ob wir nicht die Arbeitsplätze verlagern! – Das wissen Sie ganz genau.

Warum begeben Sie sich in diese Erpreßbarkeit? Sie wissen doch, was passiert: Wenn Sie nicht gleichzeitig mit einem Gesetz die Frage der Haftung, die Frage der Produktkennzeichnung regeln, dann ist es später fast unmöglich, zumindest sehr, sehr schwer. Sie kennen die Argumente der Biochemie Kundl, Sie kennen die Argumente der Firma Immuno, Sie kennen die Argumente der Firma AgrEvo. Das ist ja nicht zum ersten Mal passiert, das heißt, Sie machen bewußt mit. Daß es da den Druck der Lobbies gibt, das wissen Sie, und Sie legen eine Seite der Medaille auf den Tisch, machen damit eine Türe auf und wissen, daß es die zweite Seite wahrscheinlich nicht geben wird beziehungsweise daß diese mit unendlichen politischen Schwierigkeiten verbunden sein wird.

Ich frage Sie wirklich: Wie weit soll das noch gehen? Jetzt betrifft es das Saatgutgesetz, beim Gentechnik-Gesetz ist es schon passiert. Sie werden diesem Gesetz – ich nehme es an – zustimmen, Sie sind an das Koalitionsübereinkommen gebunden, aber ich frage Sie wirklich: Wann kommt die Haftung? Wann kommt die Umweltverträglichkeitsprüfung? Wann kommt die lückenlose Kennzeichnung, die Ihre eigene Ministerin der Bevölkerung versprochen hat?

Mit einem neuen Gesetz wird ein Versprechen gebrochen, und das ist viel, viel schlimmer, als wenn wir mit einer schlechten alten Rechtssituation konfrontiert sind. Sie machen jeden Tag neue Gesetzeslücken auf, im Wissen, daß jetzt das Parlament gegen einen massiven Lobbydruck wird ankämpfen müssen und daß es nicht mehr sehr leicht sein wird, diese Versprechen zu erfüllen. Und ebenso schaut es mit der politischen Verantwortung aus.

Für die Bevölkerung ist klar: Wenn Sie hier mitstimmen, dann kann Frau Bundesministerin Prammer, dann kann der Bundeskanzler noch so oft sagen: Ich bin für die Kennzeichnung!, ganz offenbar wollen Sie diese Kennzeichnung nicht, denn sonst hätten Sie diesem faulen Kompromiß im Ministerrat und heute im Parlament nicht zugestimmt. (Beifall bei den Grünen.)

13.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist hiezu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen, und wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich darf bitten, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, und zwar werde ich über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 671 der Beilagen. Hiezu haben die Abgeordneten Reichhold und Genossen eine Abänderungsantrag eingebracht. Ferner haben die Abgeordneten Wabl, Ing. Reichhold und Genossen weitere Abänderungsanträge eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Abänderungsanträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Wabl, Ing. Reichhold und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 2 Abs. 2 1. Satz, § 2 Abs. 2 Z 1 sowie § 2 Abs. 3 Z 3 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.


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Ich lasse daher sogleich über die genannten Bestimmungen in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Dieser Antrag ist damit angenommen.

Die Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I § 15 Abs. 1 Z 7 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Wabl, Ing. Reichhold und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenso auf Artikel I § 15 Abs. 1 Z 7 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die dem zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Artikel I § 15 Abs. 1 Z 7 nun in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Dieser Antrag ist damit angenommen.

Da die restlichen Teile des vorliegenden Gesetzentwurfes eine Verfassungsbestimmung enthalten, stelle ich zunächst gemäß § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die verfassungsmäßig vorgesehene Anzahl der Abgeordneten fest.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht durch die Mehrheit.

Ich stelle abermals die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 671 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen. (E 55.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Langthaler und Genossen betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Forschungsschwerpunkt biologisches Saatgut.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.


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Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 673 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Im Falle Ihrer Zustimmung in dritter Lesung bitte ich Sie ebenfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Einführung einer Abgabe auf Pestizide.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 676 der Beilagen unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter vorgetragenen Druckfehlerberichtigung zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit.

Ich weise den Antrag 384/A (E) dem Wirtschaftsausschuß zu.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 677 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Bericht ist damit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 678 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft abstimmen, seinen Bericht 679 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (400 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (Wasserrechtsgesetznovelle Deponien) (672 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Aumayr. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete

14.03

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man soeben einem Gesetz zugestimmt hat, mit dem genau das Gegenteil dessen beschlossen


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wurde, was Sie mit Ihrer Unterschrift unter das Gentechnik-Volksbegehren gefordert haben, nämlich die Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saatguts? (Abg. Dr. Haider: Schlecht!) Wie fühlt man sich, wenn man sich solch einen totalen Umfaller leistet? Es ist mir wirklich unverständlich, wie man seine Meinung innerhalb eines Monats so ändern kann, und dies in der Hoffnung, die Leute draußen merken es nicht. Sie können sicher sein: Wir werden das den Menschen sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zur Wasserrechtsgesetznovelle Deponien. Der Umweltsprecher der ÖVP, Herr Abgeordneter Kopf, hat bei diesem Gesetz als Postbote agiert. Er ist mit einem klaren Auftrag aus dem Ländle gekommen, das Wasserrechtsgesetz zu ändern, weil dies die Vorarlberger gerne hätten. Und die wichtigste Forderung aus dem Ländle war, die Frist für das Deponieren von Hausmüll vom Jahr 2004 bis zum Jahr 2008 zu verlängern.

Wütende Proteste aus den anderen Bundesländern waren die Folge, aber Vorarlberg und Wien haben sich durchgesetzt. Den Grund für die Länderproteste kann man aber nicht so einfach wegwischen, Herr Kollege Kopf. Es fühlen sich die zuständigen Landesräte in den anderen Bundesländern wirklich "gepflanzt" (Abg. Kopf: Der FPÖ-Landesrat in Vorarlberg nicht!) , denn sie wissen schön langsam nicht mehr, woran sie sich eigentlich halten sollen.

Herr Kollege Kopf! Sie werden mir doch nicht erklären wollen, daß Sie bei der Bundesregierung bezüglich einer Gesetzesänderung vorstellig geworden sind, weil dies FPÖ-Landesrat Gorbach wollte. Das werden Sie mir doch wirklich nicht erklären wollen! Da dürften andere Interessen dahinterstecken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die anderen Landesräte fühlen sich wirklich "gepflanzt", denn sie haben der Bundesregierung gefolgt und den Umstieg eingeleitet. Jetzt haben sie massive Probleme, denn sie haben in die Müllverbrennung investiert, und nun ist die Frist für die Deponien einfach verlängert worden. Sie haben investiert, sie haben Millionen Schilling gebunden, und sie werden auch Schwierigkeiten bei der wirtschaftlichen Betreibung der Müllöfen haben, da sie zuwenig Müllaufkommen haben werden. Das ist selbstverständlich klar, wenn weiterhin in großem Ausmaß deponiert werden muß. Aber diese Dinge interessieren Sie wahrscheinlich überhaupt nicht, sondern da spielen echte Eigeninteressen eine Rolle.

Daß Landesräte massiv gegen diese Wasserrechtsgesetznovelle protestiert haben, ist aus einem Brief, den Herr Landesrat Aichinger geschrieben hat, klar ersichtlich. Herr Landesrat Aichinger aus Oberösterreich, zuständig für die Deponien, schreibt: "Schon aus grundsätzlichen Überlegungen halte ich dennoch ein Abgehen von dem bisher angestrebten Ziel, möglichst rasch zur nachsorgefreien Deponierung zu kommen, für ein falsches Signal. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, daß eine geordnete Abfallwirtschaft bei Zulassung von Ausnahmeregelungen nicht wirklich machbar sein wird. Ich kann deshalb nur weiterhin die seinerzeitig angestrebte Version unterstützen und darf den dringenden Appell an euch richten" – an euch, Herr Bundesminister! –, "vom Termin 1. 1. 2004 für die Anpassung der bestehenden genehmigten Deponien an die Deponieverordnung nicht abzurücken." – Genau das Gegenteil von dem, was Herr Landesrat Aichinger gefordert hat, beschließen Sie heute!

Herr Bundesminister! Es ist schon eigenartig, wie rasch Sie bereit sind, das Wasserrechtsgesetz zu ändern, wenn nur ordentlich Druck von seiten der Länder gemacht wird, dies hingegen aber nicht der Fall ist, wenn das gleiche Gesetz geändert werden müßte, um ganz klare Benachteiligungen für die Landwirtschaft endlich aus der Welt zu schaffen.

Es handelt sich um eine eklatante Ungerechtigkeit, von den Bauern Wasserschutzmaßnahmen zu fordern, deren Folge natürlich Bewirtschaftungsauflagen sind. Diese werden ihnen verordnet, und daraus resultieren massive Einkommenseinbußen. Und dabei wird von den Bauern 20 Prozent Selbstbehalt verlangt. Das heißt, Einkommensverluste von bis zu 20 Prozent hat der Bauer selbst zu finanzieren. Welcher Berufsgruppe noch mutet man eine solch eklatante Schlechterstellung zu?

Herr Landwirtschaftsminister! Werden Sie Ihrem Namen und Ihrem Amt gerecht, und schaffen Sie dieses himmelschreiende Unrecht endlich aus der Welt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Zu diesem Zweck bringen die Freiheitlichen folgenden Zusatzantrag ein:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Aumayr, Ing. Reichhold, Koller, Wenitsch, Dr. Salzl und Kollegen betreffend Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (Wasserrechtsgesetznovelle Deponien)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 400 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 672 der Beilagen wird wie folgt geändert:

1. § 33f Abs. 6 erster Satz lautet:

"(6) Wenn aus einer Verordnung gemäß Abs. 3 schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile in der sonst rechtmäßigen Nutzung von Anlagen und Grundstücken erwachsen, die eine Einkommensminderung bewirken, gewährt der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ab Ernte 1996 nach Maßgabe des jeweiligen Bundesvoranschlages Zuschüsse bis höchstens 50 Prozent der hierdurch bewirkten nachweislichen Einkommensminderung, wenn seitens des betreffenden Landes ein mindestens gleich hoher Zuschuß geleistet wird."

2. § 31d Abs. 7 entfällt.

*****

Ich appelliere vor allem an die Abgeordneten der ÖVP beziehungsweise des Bauernbundes, endlich Flagge zu zeigen und mitzuhelfen, daß eine echte Schlechterstellung für die Landwirtschaft bei Umweltschutzmaßnahmen aus der Welt geschafft wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Antrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.10

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war interessant, was Kollegin Aumayr zu einem Teil des Wasserrechtsgesetzes gesagt hat (Zwischenruf bei den Freiheitlichen) , und es war besonders interessant, was dazu zu Beginn der heutigen Tagesordnung seitens der Grünen und der Blauen vermeint wurde. Man meinte nämlich, es sei dies nicht wichtig, man könne dieses wichtige Umweltgesetz durchaus von der Tagesordnung absetzen. Das war eine Offenbarung, wie ernst man den Umweltschutz und die Sanierung des Wassers nimmt! (Abg.


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Aumayr: Das ist lächerlich!) Aber wir sind das ja gewohnt. Wir sind gewohnt, daß man für ein billiges Politspektakel selbstverständlich auch derart wichtige Dinge opfern würde. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Interessant war noch etwas, und das ist bemerkenswert: Kollegin Aumayr wirft Kollegen Kopf vor, daß er "Botschafter" des Landes Vorarlberg gewesen sei. Nun, dagegen habe ich einmal gar nichts. Es ist ja auch die Aufgabe eines Abgeordneten, für sein Bundesland optimale Gesetze zu erreichen. (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. ) Hier wirft man ihm vor, daß er versucht, die Interessen des Landes Vorarlberg durchzusetzen. (Abg. Aumayr: Was sind deine Interessen?) Dabei war dies das Interesse des blauen Landesrates in Vorarlberg, damit er seine fehlgeleitete Umweltpolitik ein wenig kaschieren kann.

Interessant ist außerdem noch: Heute höre ich das erste Mal, man sollte doch den zukunftsweisenden Weg der Verbrennung, der thermischen Verwertung und so weiter gehen. (Abg. Aumayr: Nein!) Da sollte man fortschreiten. Und in Salzburg, so vernahm ich, hat die FPÖ alle Bürgerinitiativen unterstützt, die gegen die Verbrennung aufgetreten sind. In Kärnten hingegen inseriert die blaue Landesrätin für die Verbrennung. Man sollte sich einmal einigen, was man will: Will man das, will man jenes, oder will man etwas anderes? Sagt uns das einmal, dann kann man zielgerichteter vorgehen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Im Ausschuß dagegen, im Plenum dafür! – Abg. Aumayr: Im Ausschuß hast du aber dagegen gestimmt!)

Meine Damen und Herren! Ich halte fest: Wir beschließen heute ein wichtiges Gesetz. Diese Wasserrechtsgesetznovelle ermöglicht die Deponieanpassung. Ich stelle klar, und damit kann ich auch Ihre Zwischenrufe beantworten, daß ich und auch Kollege Freund im Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft dagegen gestimmt haben. Wir haben aber – das steht im Protokoll, und so taub dürften Sie ja auch nicht sein – klar festgehalten, daß, wenn die Bedenken Oberösterreichs in diesem Zusammenhang ausgeräumt sind, hier im Plenum eine Zustimmung erfolgen wird. Dies ist geschehen, daher ist dieses Gesetz ein Kompromiß; das ist gar keine Frage. (Abg. Ing. Reichhold: Wieder umgefallen!) Dieser Kompromiß ist sehr eng gefaßt und fixiert letztlich klare Zielvorstellungen.

Zugesagt ist weiters, meine Damen und Herren, daß Herr Bundesminister Molterer den Begriff des "eingesammelten Restmülls" im § 31d Abs. 7 Ziffer 2 im Erlaßwege klarstellt, wonach unter diesen Begriff Hausabfälle, sperrige Abfälle oder haushaltsähnliche Gewerbeabfälle fallen. Es ist nämlich von Bedeutung, daß unter "eingesammeltem Restmüll" nicht nur der von der Müllabfuhr erfaßte Abfall, sondern auch der vom Abfallbesitzer selbst zu entsorgende Restabfall ähnlicher Art und Reaktionsweise zu verstehen ist.

Ich halte nochmals fest: Man könnte sagen, es ist ein Kompromiß zwischen Wien und Vorarlberg, mit dem Oberösterreich in der Mitte leben kann. Ich bitte dringend, auch zu berücksichtigen, daß eine Verbesserung der Förderung nicht nur für Neuanlagen, sondern auch für jene Anlagen ermöglicht wird, die bereits de facto als Pilotanlagen errichtet wurden. Ich nenne nur als Stichwort die Anlage in Wels.

Ich möchte klar festhalten, daß nicht jene auf der Strecke bleiben dürfen, die den Müll vorbehandeln. Und wenn die thermischen Anlagen wegen kurzfristig billigerer Deponierungsmöglichkeit nicht entsprechend ausgelastet werden können, liegt es im Interesse des Gemeinwohls, dem vorzubeugen. Denn wir alle, meine Damen und Herren, müssen uns vor Augen halten: Wir müssen mehr auf Nachhaltigkeit gehen. Verschweigen wir nicht die hohen Umweltkosten, welche die Deponierung mit sich bringt! Gehen wir den ehrlichen Weg! Was es wiegt, das hat es. Und die thermische Verwertung ist einfach die bessere Technologie für die Zukunft.

Wir sollten nicht Müllberge versiegeln, deponieren, die uns dann im Grundwasserbereich Schwierigkeiten bereiten, sodaß letztlich die Steuerzahler mit hohen Sanierungskosten belastet werden. Oberösterreich hat hier, glaube ich, vorbildhaft gehandelt, es ist in diesem Bereich Vorreiter gewesen, und wir sollten wegen oder gerade trotz des Kompromisses durch diese Novelle diese Zielsetzungen nicht unterlaufen.

Ein wesentlicher Schritt in Richtung transparenter Müllrechnung ist notwendig, damit die Kosten für das Sammeln und das Behandeln von Müll getrennt dargestellt werden können.

Und ein Nachsatz noch, meine Damen und Herren: Die beste Müllbeseitigung ist die Müllvermeidung. Da sind wir alle gefragt und gefordert. Vor 40 Jahren hat sich um diese Frage noch niemand gekümmert. Es war dies die Zeit des Aufbaus. Heute ist die Zeit der Müllberge. Wohlstand bringt auch Müllberge mit sich. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum führt ihr nicht das Pfandsystem ein?) Es ist daher notwendig, eine Änderung der Einstellung, eine Änderung des Bewußtseins zu erzielen. – Wir von der ÖVP stimmen diesem Gesetz gerne zu – auch wenn Sie noch so laute Zwischenrufe machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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74. Sitzung / Seite 89

14.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.17

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zwei Anmerkungen zur Wasserrechtsgesetznovelle machen.

Punkt eins: Dieser Kompromiß, den mein Vorredner jetzt dargestellt hat, war offenbar ein Kompromiß im letzten Moment, denn die Fristerstreckung vom Jahr 2004 auf das Jahr 2008 ist erst in letzter Minute vorgelegt worden. Es ist so, wie es ist, aber ich halte fest: Die ganze "Architektur" des Gesetzes und auch die Philosophie bei den Altlastensanierungsbeiträgen waren auf das Jahr 2004 ausgerichtet.

In der fraktionellen Besprechung haben wir uns auch noch mit den Gesamtkosten beschäftigt. Ich bringe schon in Erinnerung: Es handelt sich dabei ja um nennenswerte Gesamtbeträge, um laufende Kosten, die in mehrfacher Hinsicht wirksam sind, wenngleich sie offenbar dazu dienen sollen, noch höhere Kosten durch eine spätere Beseitigung von Schäden, die wir selber erzeugen, zu vermeiden.

Aber diese "Architektur" ist verrutscht, und ein Bundesland wie zum Beispiel Oberösterreich, das sich durchaus auf die Terminpläne festgelegt hat, erleidet letztlich einen Wettbewerbsnachteil durch die Fristerstreckung. Nun mag ja Vorarlberg weit weg sein. Ich bin aber einfach der Meinung, die Fristerstreckung ist dort vonnöten, wo man eben mehr Zeit braucht, um dasselbe zu tun, was andere in kürzerer Zeit gemacht haben. Und ich kann einfach nicht akzeptieren, daß das positiv gesehen wird. Ich verstehe schon, daß diejenigen, die den Kompromiß gebraucht haben, ihn erringen mußten, um ihre eigene Langsamkeit sozusagen ins Gesetz hineinzubringen. Aber es ist unerfreulich, wenn sich in diesem Fall plötzlich quasi eine Art Pseudoföderalismus, sage ich einmal, regt. Es ist zwar richtig, daß sich das Land um seine eigenen Versäumnisse kümmert und um eine längere Frist bemüht.

Aber Sie hätten sich darum kümmern sollen, daß die Versäumnisse gar nicht erst auftreten. Ich glaube nicht, daß sich die anderen Bundesländer in Zukunft bei ähnlichen Materien von vornherein Zeit lassen werden, weil man nachher ohnedies vielleicht eine Nachbesserung der Frist vornimmt, aber Sie wissen, was ich meine.

Es ist zwar verständlich, daß man den Kompromiß machen mußte, damit das alles ins Gesetz paßt, aber bei den niedrigeren Altlastensanierungsbeiträgen zum Beispiel, die sich jetzt unterschiedlich auswirken – bei den Ländern, die längere Fristen haben dürfen, günstiger, bei den anderen schlechter –, wurde keine Veränderung vorgenommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Jetzt komme ich zu einem Punkt, der uns ein besonderes Anliegen ist, weil es hier darum geht, daß es sich bei den Leuten, die das letztlich bezahlen müssen, nicht auswirkt. In den Bundesländern mit der längeren Frist ist jetzt die Belastung für die Betroffenen verlängert, und es wird für das gleiche Ergebnis mehr bezahlt, für ein Ergebnis, das in anderen Bundesländern in einer kürzeren Frist erreicht werden konnte, und das ist schade. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Brix. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.21

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn mein Vorredner, der Abgeordnete Kier, als er unter anderem davon gesprochen hat, daß die Bundesländer eine längere Erstreckungsfrist brauchen, um den geforderten Auflagen nachzukommen, damit auch Wien gemeint hat, dann biete ich ihm gerne eine gemeinsame Rundfahrt durch Wien an, um ihm zu zeigen, auf welchem aktuellen Stand die Bundeshauptstadt bereits ist, in welcher Weise sie ihre Anlagen betreibt und wie vorbildlich sie Abfall entsorgt. Das ist einmal das eine. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Und am Rautenweg?) – Eine mustergültige Deponie mit zwei Verbrennungsanlagen zusätzlich und mit einer Sondermüllverbrennungsanlage.


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Ich sage Ihnen eines gleich vorweg: Ich begrüße dieses Gesetz sehr, denn jetzt können wir endlich einmal auch alle bestehenden Anlagen sanieren. Es geht nicht nur um die Anlagen, die nach dem neuen Gesetz errichtet werden müssen, sondern jetzt ist endlich einmal Schluß damit, daß man das ganze Glumpert auf die "Gstätten" wirft, daß man zu irgendeiner Deponie fährt, wo man den Müll zu Dumpingpreisen los wird. (Abg. Ing. Reichhold: Und warum ist es dann verlängert?) – Moment, ich sag’ es dir gleich! – Ich bekenne mich zu einer Müllverbrennungsanlage, denn daran führt kein Weg vorbei. Schauen Sie sich einmal Deutschland und die Schweiz an, dort gibt es solche Anlagen mit einer ordentlichen Entsorgung. (Abg. Dr. Haider: Warum wollt ihr verlängern?)

Warum man verlängern will? Weil man verlängern kann, wenn man es in dem geplanten Zeitraum nicht schafft. Wenn man heute eine neue Verbrennungsanlage baut, so geht das nur mit den Bürgern. Ich glaube, wir alle bekennen uns dazu, daß wir nichts gegen den Bürger machen können, und daher muß man gegebenenfalls einen neuen Standort suchen. (Beifall bei der SPÖ.) Auch für einen neuen Standort braucht man die Zustimmung des Bürgers. Man kann nicht einfach in zwei Jahren eine solche "Hütt’n" hinbauen. Eine Müllverbrennungsanlage ist ja kein Schrebergartenhäuschen, sondern das ist etwas Vernünftiges, etwas Notwendiges.

Wenn die Grünen verlangen, daß dieser Punkt heute von der Tagesordnung abgesetzt werden soll, dann bekennen sie sich dazu, daß ihre Politik der Entsorgung ganz einfach gescheitert ist. Eine mechanisch-biologische Entsorgungsanlage, wie sie die Grünen vorgeschlagen haben, funktioniert einfach nicht. Noch einmal: Es führt kein Weg an einer anständigen Verbrennungsanlage vorbei. (Abg. Aumayr: Anständige Verbrennungsanlage? Unanständige Verbrennungsanlage?)

Herr Bundesminister! Man sollte daher meines Erachtens überlegen, ob es nicht eine Förderung für ordnungsgemäße Verbrennungsanlagen geben sollte. Man könnte dafür jenes Geld verwenden, das man vorgesehen hat, den Reinigungsgrad der Kläranlagen noch zu erhöhen. Ich glaube, das ist nicht nötig, denn unsere Kläranlagen haben bereits einen sehr hohen Reinigungsgrad. Das Geld, das dafür vorgesehen ist, könnte man also für die Förderung von Müllverbrennungsanlagen ausgeben.

Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz wird dazu beitragen, daß wir in Zukunft unsere Altlasten wirklich in den Griff kriegen, daß wir ordnungsgemäße Deponien haben, damit nicht mehr irgendwo etwas einfach hingeschmissen wird. Dieses Gesetz wird dazu führen, daß wir eine Entsorgungspolitik betreiben, die umweltgerecht ist, die umweltfreundlich ist und die dem Bürger dient. Ich glaube, diesem Gesetz, das eine echte Verbesserung darstellt, kann man nur zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.25

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs betonen, daß die Grünen die ursprünglichen Ziele dieser Novelle immer sehr begrüßt haben. Das erste Ziel war es nämlich, daß auch jene Deponien entsprechend saniert werden müssen, die nicht nach der Deponieverordnung, nach dem AWG entsprechend saniert und dem Stand der Technik angepaßt werden sollen, und auch die Verbesserung des Genehmigungstatbestandes für Deponien. Das haben wir auch in den vergangenen langen Verhandlungen immer wieder betont.

Unsere Kritik war einerseits, daß die Verhandlungen zu lange dauern, und zum anderen die Ausnahmeregelung für die beiden Länder, vor allem Vorarlberg und Wien, daß man die Frist vom Jahr 2004 auf das Jahr 2008 letztlich hinaufverhandelt hat. Und daß man uns, wissend, daß es um solche Zeiträume geht, in denen dieses Gesetz letztlich überhaupt erst wirksam wird, vorwirft, daß wir diesen Tagesordnungspunkt nicht heute, sondern das nächste Mal beschließen möchten, weil wir statt dessen heute eine ausführliche Debatte zu den gestern vorgelegten Kurden-Berichten wollten, das ist absurd.


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74. Sitzung / Seite 91

Selbstverständlich wollen wir prinzipiell diese Wasserrechtsgesetznovelle. Wenn man sich die Geschichte dieser Wasserrechtsgesetznovelle ansieht, wenn man sich ansieht, wie lange und mühsam die Verhandlungen waren und wann diese wesentlichen Ziele und damit auch die Wirksamkeit erreicht werden, dann weiß man, Ihr Argument, daß wir eine unbedingt notwendige ökologische Verbesserung verhindern wollten, ist völlig absurd.

Lassen Sie mich nur ganz kurz zu den damit in Verbindung stehenden Müllverbrennungsanlagen für Hausmüll Stellung nehmen. Herr Abgeordneter Brix! Ich habe nach wie vor keinen Anlaß zur Änderung der grünen Position, daß wir gegen die Hausmüllverbrennung sind. Sie haben als Beispiel Deutschland genannt. Dort hat das vor allem eines bewirkt: daß man bestehende Produkte letztlich einzementiert. Ich erinnere an all das, was wir über Hausmüllvermeidung diskutiert haben gerade in jenen Bereichen, die heizwertrelevant sind, und da ist es in erster Linie der Kunststoff. Der Bau von Hausmüllverbrennungsanlagen, nicht nur in Österreich, sondern vor allem in Deutschland und in anderen europäischen Ländern, hat selbstverständlich die Türe für noch mehr Kunststoffproduktion geöffnet. (Abg. Dr. Keppelmüller: Dänemark!)

Herr Abgeordneter Brix! Vieles wollen wir ja verwerten. Papier, das heizwertrelevant ist, wollen wir ja nicht im Hausmüll haben, das wollen wir größtenteils verwerten. Die Vegetabilien, die eine große Fraktion sind, nämlich rund 30 Prozent ausmachen, machen die ganze Anlage kaputt, die wollen wir überhaupt nicht drinnen haben. Die wollen wir letztlich auch verwerten und kompostieren.

Das Glas hat nicht wirklich etwas in einer Hausmüllverbrennungsanlage zu suchen, das macht nur Probleme, so wie die Vegetabilien. Daher: heraus und rezyklieren. Was wirklich übrig bleibt an großer Fraktion, das sind einerseits der Kunststoff und andererseits ein Restmüll, über den wir diskutieren können. Da kann man auch darüber diskutieren, ob man das verbrennt, thermisch behandelt oder was immer, aber nicht über eine Gesamtmüll-Verbrennungsanlage. Ich lasse mir viel eher Konzepte einreden, die es in verschiedenen Bundesländern gibt, wo es um Restmüll-Splitting geht und wo, kombiniert mit einer thermischen Verwertung, auch die gezielte Verwertung anderer ... (Abg. Dr. Keppelmüller: Das macht ja Wels!)

Herr Abgeordneter Keppelmüller! Vor kurzem fand eine Müll-Tagung statt, an der auch ein Betreiber der Abfallanlage Wels teilnahm. Er beklagte, daß diese Anlage erstens ein enormes Defizit verursacht, daß diese Anlage in keiner Weise rentabel ist, daß man sich dort völlig verkalkuliert hat. (Abg. Dr. Keppelmüller: Aber das Splitting machen sie!) Mit dem Zwang zur Müllverbrennung wollen Sie einen Wettbewerb vermeiden, der mechanisch-biologische Anlagen ermöglicht, der es ermöglicht, jene Fraktionen, die übrigbleiben, in Deponien nach dem Stand der Technik, die jetzt auch im Wasserrechtsgesetz geregelt sind – analog zur Regelung in der Deponieverordnung und im AWG –, zu entsorgen. (Abg. Brix: Das ist doch abgestürzt! Das gibt es doch nirgends!) Parallel dazu soll man selbstverständlich den Versuch mit Müllverbrennungsanlagen zulassen. Wir wollen doch kein dirigistisches Verbot.

Derzeit lassen Sie einen solchen Wettbewerb aber überhaupt nicht zu, einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Ich glaube, daß sich mechanisch-biologische Anlagen durchsetzen werden, wenn der Preis entscheiden soll. Und es ist auch möglich, Restmüllfraktionen zu haben, die auf der Deponie keine Probleme machen.

Ich bin überhaupt nicht dafür, daß wir bei Reaktordeponien bleiben, wie wir sie bisher gehabt haben, mit enormen Gasemissionen, mit Sickerwasserbildungen, mit hohen Kosten in der Sickerwasserbehandlung und der Methangaserfassung. Das wollen wir nicht. Wir wollen auch Deponien, wohin nur jene Frachten gebracht werden, die nicht mehr hochreaktiv sind. Da stimme ich mit Ihnen überein, nur glaube ich nicht, daß das ausschließlich und nur über Hausmüllverbrennung zu erreichen ist. Ganz im Gegenteil: Ich glaube, daß es ökologisch, aber auch ökonomisch sinnvoller ist, vor allem mechanisch-biologische Anlagen zu bauen (Abg. Dr. Keppelmüller: Vorzuschalten!) und auch entsprechend gesetzlich zu fördern. Das tun Sie aber nicht. Deshalb nach wie vor ein Nein zur Gesamthausmüllverbrennung, ein Ja zum Müllsplitting, in Teilen ein Ja zu dieser Wasserrechtsgesetznovelle. Aufgrund dieser aufschiebenden Wirkung um vier Jahre können wir aber leider nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.31


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74. Sitzung / Seite 92

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.31

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich freue mich über den sich für mich abzeichnenden Gesinnungswandel bei den Grünen, den ich schon seit einiger Zeit mitverfolge. Es ist ungefähr eineinhalb Jahre her, daß die damalige Abgeordnete Moser bereits bei einer Veranstaltung öffentlich zugegeben hat, daß sie an sich auch der Meinung sei, daß die Müllverbrennung – was die Emissionen betrifft – astrein sei, aber sie hat wie Kollegin Langthaler Bedenken gehabt, daß bei der Müllverbrennung sozusagen die Müllvermeidung zu kurz kommt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Die Kollegin Moser, die bei den Grünen war.

Mir kann niemand erklären, niemand weismachen, daß bei den Deponien, die wir jetzt haben und die derzeit auf Teufel komm raus nur angefüllt werden, irgendein Vermeidungseffekt greift.

Aber wir bewegen uns schon auf einer Linie, und es ist auch nicht die Linie der Sozialdemokraten, Hausmüllverbrennungsanlagen zu bauen, wo alles bunt gemischt hineingeschüttet wird. Frau Kollegin Langthaler, Sie wissen ganz genau, daß die moderne Technologie eben so ausschaut wie in Wels, wo getrennt wird. Und daher, Kollegin Langthaler, gibt es Anlagen wie in Lenzing, die Restmüll verbrennen, Leichtfraktion, Kunststoff, der in anderer Form nicht mehr sinnvoll verwertbar ist. Die mechanisch-biologischen Anlagen, Frau Kollegin Langthaler – das wissen Sie wahrscheinlich auch, wenn Sie sich damit beschäftigt haben –, sind bestenfalls zum Vorschalten geeignet, aber man wird eine Verbrennung brauchen, und die Konzepte gehen auch in diese Richtung, zum Beispiel bei den Salzburgern und bei den Welsern. Da sind wir auf einer Linie.

Sehr widersprüchlich ist, wie überhaupt in der Umweltpolitik, allerdings wieder die Haltung der Freiheitlichen. Leider ist der Ausschußobmann Kollege Schweitzer nicht da. Es ist heute vom Kollegen Brix schon ein bißchen die Haltung zur Müllverbrennung angesprochen worden. Ich habe gesehen, daß Herr Altlandeshauptmann-Stellvertreter Reichhold und Herr Altlandeshauptmann Haider dazu genickt haben, als Kollege Brix für die Forcierung der Müllverbrennung gesprochen hat. Bei Frau Kollegin Aumayr, die ich sonst sehr schätze, habe ich das nicht bemerkt. Man hat also hier offensichtlich unterschiedliche Auffassungen.

In der Steiermark, lese ich in einem Zeitungsartikel, sind die Blauen gerade ein bißchen am Umfallen. Die bewegen sich von der Müllverbrennung wieder etwas weg. Müllofen durchstehen, FPÖ verschwieg ihren Meinungsschwenk, heißt es in der "Kleinen Zeitung" vom 16. April 1997. Da tut sich also offensichtlich etwas. Vielleicht könnten Sie, Kollege Reichhold, hier ein bißchen Einfluß nehmen, nachdem Sie selbst damals als Landeshauptmann-Stellvertreter eine Studie über die thermische Behandlung erstellen ließen, diese auch vorgestellt haben und Kärnten auch in diese Richtung geht.

Wir novellieren heute das Wasserrecht, und auch in diesem Zusammenhang ist eine gewisse Widersprüchlichkeit festzustellen. Ich lese hier auf meinem Zettel: 1990 Ablehnung des Wasserrechts durch die FPÖ unter Dillersberger mit der Begründung, die Wasserrechtsgesetznovelle sei zu zahnlos. 1994 massive Forderung der FPÖ unter Klubobmann Dr. Haider, das Wasserrecht müsse novelliert werden, weil es zu streng für die Bürger sei. – Man hüpft hier also herum.

Es ist aber tatsächlich schwierig. Ich habe versucht, im Ausschuß zu erklären, worum es wirklich geht. Es ist mir offensichtlich nicht gelungen. Ich werde es noch einmal probieren; Kollege Brix hat es auch schon erklärt.

Ich glaube, weitgehende Einigkeit ist gegeben in der Richtung, daß wir diese Anpassung der Deponien brauchen, weil der Großteil der derzeit noch betriebenen Deponien nicht dem Regime des Abfallwirtschaftsgesetzes und der Deponieverordnung unterliegt, sondern wasserrechtlich genehmigt ist. Sehr viele Projekte, die saniert werden sollen, "hängen" derzeit bei der obersten Wasserrechtsbehörde. Man entscheidet dort nicht, weil es diese neuen Grundlagen noch nicht


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74. Sitzung / Seite 93

gibt, und damit sind vorläufig auch gewaltige Investitionsmittel blockiert, und andererseits traut sich kein Müllverbrenner, mit dem Bau solcher Anlagen zu beginnen, weil er nicht weiß, was da passiert.

Und da gab es ein Problem, ausgelöst durch den freiheitlichen Landesrat Gorbach, der sich rühmte – ich entnehme das dem "WirtschaftsBlatt" vom 26. März 1997, das ist also noch gar nicht lange her! –, daß er vor kurzem erst eine Deponie bewilligt hat, die in der endgültigen Ausbaustufe ein Fassungsvolumen von 800 000 Kubikmeter hat. Für diese Deponie hat das Land Vorarlberg, hineingetrieben durch Gorbach, Haftungen in der Größenordnung von 500 Millionen Schilling übernommen. Deshalb sind die Vorarlberger jetzt berechtigterweise hellhörig geworden und wollten ein Entgegenkommen.

Es ist eindeutig: Gorbach, der blaue Landesrat, hat sie da hineingetrieben. Das ist passiert. Und wie sind wir da wieder herausgekommen? – Um auch das aufzuklären, weil Kollegin Aumayr gemeint hat, die anderen Landesräte hätten schon Millionen Schilling investiert. Also: Erstens haben die gar nichts investiert, zweitens wird es sich hier um Milliarden Schilling handeln. (Abg. Ing. Reichhold: Wels!) Ja, bitte, Wels, aber nicht die Landesräte! Wels hat Probleme.

Das heißt, unser Interesse muß es sein, daß das Mülldumping auf den Deponien aufhört. Das schaffen wir um den kleinen Preis, daß wir den Vorarlbergern entgegenkommen, daß man einen Fehler eines "blauen" Landesrates ein wenig ausbügelt, weil der Mist von Vorarlberg in Wirklichkeit nebbich ist.

Wichtig ist, daß alle anderen Deponien angepaßt werden müssen, damit die Verbrennungsanlagen endlich konkurrenzfähig werden. Es wird die Ausnahme tatsächlich nur für die Vorarlberger Deponie geben, und das tangiert überhaupt nicht.

Diese Methode mit Zuckerbrot und Peitsche, daß alle die, die im Jahr 2004 den überwiegenden Teil, also über 50 Prozent, thermisch behandeln, halte ich für gut, denn die müssen anfangen, sonst schaffen sie es nicht. Sie brauchen es auch noch nicht im eigenen Land verbrennen, sie müssen es nur thermisch behandeln. Und damit wird sich etwas bewegen. Wenn wir das noch ergänzen durch ein Förderungsmodell, vielleicht für thermische Anlagen, die bis zum Jahr 2004 stehen, dann sind wir mit Sicherheit auf einem guten Weg.

Der Kompromiß war notwendig. Er wird dazu beitragen, daß – das sage ich ganz offen – die Verbrennungsanlage Wels, die vom Standard her, glaube ich, weltweit absolut im Spitzenfeld liegt, nicht kaputtgeht oder in Konkurs geht, weil sie eben unter den Billigdeponien leidet, und er wird dazu beitragen, daß die anderen Anlagen endlich gebaut werden.

Die sozialdemokratische Fraktion – aber da sind wir uns alle ziemlich einig – wird darauf bestehen, daß der Termin 2004 eingehalten wird, daß es nur geringfügige notwendige Ausnahmen gibt, für ganz wenige Bereiche. Ein solcher Bereich ist eben Vorarlberg. Es könnte sein, daß es, weil die Verfahren möglicherweise lange dauern, gerade in Ballungsgebieten, zu Überschreitungen kommt, die aber gar nicht bis 2008 reichen müssen, sondern vielleicht nur bis 2005, und dann steht die dritte Anlage in Wien. Wien hat übrigens zwei Anlagen, die – da hat Kollege Brix völlig recht – bereits eine gewaltige Vorleistung erbracht haben. Ich bin also optimistisch.

Diese Novelle ist sozusagen der zweite Teil eines dreiteiligen Reformwerkes. Den ersten Teil haben wir vor Weihnachten beschlossen, und mit dem dritten Teil, den wir hoffentlich noch vor dem Sommer beschließen werden, glaube ich, daß wir wieder ein schönes Stück auf dem Weg einer modernen Abfallpolitik weitergekommen sein werden. Wir begrüßen diese Novelle. Wir sind froh, daß es möglich ist, sie heute zu beschließen, denn damit ist ein unhaltbarer Zustand in der Abfallpolitik, in der Abfallwirtschaft hoffentlich bald beendet und gehört der Vergangenheit an. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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74. Sitzung / Seite 94

14.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Ing. Reichhold vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.40

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich anerkenne das Bemühen, die AWR-Regelung, wonach nur Neuanlagen zu bewilligen sind, über das Wasserrechtsgesetz auszudehnen. Nur glaube ich, daß Sie jetzt das falsche Signal gesetzt haben.

Ziel ist es, im Jahre 2004 nur mehr inerte Stoffe zu lagern; ich glaube, darüber sind wir uns einig. Darüber, daß es in Hinkunft keine weiteren Altlasten geben darf, sind wir uns auch einig. Nur: Gerade zum jetzigen Zeitpunkt, zu welchem viele Bundesländer mitten in der Vorbereitung für den Tag X sind, ein derartiges Gesetz zu beschließen, halte ich nicht für sinnvoll. Das wird viele dazu veranlassen, mit den Vorbereitungen aufzuhören. (Abg. Dr. Keppelmüller: Nein!)

Selbstverständlich werden Sie das tun. Sie selbst haben doch hier am Rednerpult zugegeben, daß es viele geben wird, die dann augenzwinkernd um eine Ausnahme ansuchen werden. Ich glaube auch nicht, daß das nur eine Lex Vorarlberg ist, sondern ich glaube vielmehr, daß das ein plumper Kuhhandel zwischen Vorarlberg und Wien ist, weil offensichtlich auch Wien Probleme hat, künftige Standorte zu finden. (Abg. Dr. Keppelmüller: Nein, es gibt keine!)

Was die thermische Restmüllverwertung anlangt, bekenne ich mich dazu, aber nur dann, wenn es eine vorhergehende Vermeidungs- und Trennungsstrategie gibt. Ich bin überzeugt davon, daß wir diesen Weg gehen müssen. Wir unterscheiden sehr genau, Kollege Keppelmüller, zwischen der grundsätzlichen Frage der thermischen Restmüllverwertung und den Diskussionen vor Ort, wenn es um geeignete Standorte geht.

Daß es darüber zu Diskussionen kommt, daß es auch freiheitliche Bürgerinitiativen, wie zum Beispiel in Salzburg, gibt, die sich gegen einen schlechten Standort wehren, müssen Sie uns wohl zugestehen. (Abg. Schwarzenberger: Sie sind gegen jeden Standort!)

Diese Behauptung kann ich leicht widerlegen. Es gibt in Kärnten zwei Gemeinden, die sich um den Standort sogar bewerben, und in einer dieser Gemeinden ist ein Freiheitlicher Bürgermeister, und zwar in der Gemeinde Mölbling. Damit ist auch dieses Argument widerlegt.

Ich glaube, daß mit diesem Gesetz heute das falsche Signal gesetzt wird, daß damit jene, die sich bei der Vorbereitung wirklich anstrengen, um eine ordnungsgemäße Müllbewirtschaftung durchzuführen, wieder gebremst werden (Abg. Dr. Keppelmüller: Das glaube ich nicht!) und daß dadurch keine geordneten Wettbewerbsverhältnisse hergestellt werden, sondern daß damit lediglich ein paar, die offenbar ganz gute Kontakte haben, die Möglichkeit erhalten werden, künftig ganz gute Geschäfte zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.43

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zunächst klarstellen, daß am Termin 2004 mit dieser Novelle nicht gerüttelt wird. Der Termin 2004 bleibt aufrecht. Es ist eine Verordnungsermächtigung für den Landeshauptmann im Abänderungsantrag normiert, daß unter ganz bestimmten Voraussetzungen, die der Abänderungsantrag sehr klar und relativ eng definiert, der Landeshauptmann im Wege einer Verordnung die Frist bis zum Jahre 2008 verlängern kann. Das heißt, es ist erstens niemand gezwungen, diese Verordnung zu erlassen, und es ist zweitens niemand gezwungen, die Frist bis zum Jahre 2008 auszuschöpfen.

Ich halte das für eine vernünftige Regelung, weil sie flexibel auf die Situation in den einzelnen Ländern eingeht. Es ist keine Lex Bundesland X, sondern diese Verordnungsermächtigung gilt, wenn die Voraussetzungen dafür passen.


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74. Sitzung / Seite 95

Zweitens: Wir haben mit der Wasserrechtsgesetznovelle im Dezember eine wichtige Klarstellung hinsichtlich der Frage Sanierungsgebiet und Berücksichtigung von freiwilligen Umweltprogrammen im Sanierungsgebiet vorgenommen. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung dafür, daß Maßnahmen im Sanierungsgebiet auf freiwilligen Programmen, die auch entsprechend unterstützt werden, wie etwa dem österreichischen Umweltprogramm, aufbauen. Daher war das aus der Sicht der Landwirtschaft eine sehr wichtige Weichenstellung, die auch manche andere Fragen, die auch heute schon angesprochen wurden, sehr stark relativiert.

Drittens: Auf Basis der Regierungsvorlage gehe ich davon aus, daß wir noch vor dem Sommer den dritten Etappenschritt einer umfassenden Wasserrechtsgesetznovellierung vornehmen können, bei dem auch viele andere Wünsche, etwa Wünsche der Gemeinden, berücksichtigt werden. Wir können also sagen, daß wir in diesem Dreiklang einen guten und wichtigen Schritt gesetzt haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.45

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß leider wieder einmal die Umfallerqualitäten der ÖVP, im speziellen von Ihnen, Herr Kollege Schwarzböck, hier deutlich aufzeigen.

Ich habe hier ein Schreiben der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern vom 31. Jänner 1996. Herr Präsident! In diesem Schreiben fordern Sie eindeutig: Die Bestimmungen des § 33 Abs. 6, wonach im Fall von Grundwassersanierungsmaßnahmen den Bauern eine bis zu 20prozentige Einkommensminderung zugemutet wird, sollen aufgehoben werden. Darüber hinaus wird eine Abgeltung sämtlicher vermögensrechtlicher Nachteile in Schutz- und Schongebieten gefordert.

So weit, so gut. Ich bin da mit Ihnen eindeutig auf einer Linie. Aber wie agieren Sie, wenn es darauf ankommt, diese Forderungen, die Sie als Vorsitzender mittragen, umzusetzen?

Antrag der Freiheitlichen in der Landeslandwirtschaftskammer am 12. April 1996: eindeutig eine Aufforderung der freiheitlichen Fraktion, § 33 Abs. 6 zu streichen. – Abgelehnt natürlich mit den Stimmen der ÖVP.

Verstehen Sie mich, Herr Präsident, so kann es nicht weitergehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiters: Antrag der Abgeordneten Aumayr im Ausschuß des Parlaments. – Abgelehnt mit den Stimmen der ÖVP und der Sozialdemokraten.

Weiters: Antrag der Abgeordneten Aumayr hier im Plenum. – Abgelehnt mit den Stimmen der ÖVP und der Sozialdemokraten.

Heute wird dieser Antrag wieder einmal eingebracht. Herr Kollege Schwarzböck! Ich gebe Ihnen die Chance – vielleicht sind Sie in den letzten Monaten schon etwas gescheiter geworden, Ihrem Schreiben vom 31. Jänner nach zu schließen, dürfte es so sein –, mit Ihren Kollegen von der ÖVP diesen Antrag der Abgeordneten Aumayr zu unterstützen.

Sollten Sie das nicht machen, Herr Kollege, dann unterstelle ich Ihnen, Bauernfängerei zu betreiben. (Rufe: Hallo, hallo!) Ich unterstelle Ihnen weiterhin, Umfallerqualitäten zu besitzen, und ich empfehle Ihnen einen Rückzug aus der Interessenvertretung der Bauern, um nicht weiterhin für ein Anliegen der Bauernschaft ein Hemmnis zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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74. Sitzung / Seite 96

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Schwarzböck. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.47

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Wenitsch hat soeben behauptet, ich würde als Interessenvertreter und als Parlamentarier unterschiedlich agieren, und er hat einen Antrag zitiert, den die freiheitliche Fraktion in der Vollversammlung der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer gestellt hat. (Abg. Ing. Reichhold und Abg. Aumayr: Und im Parlament!)

Ich darf Ihnen sagen, daß wir den Antrag der freiheitlichen Fraktion in der Landwirtschaftskammer Niederösterreich geprüft haben. Er ist rechtlich voll durch die Novelle des Wasserrechtsgesetzes vom Dezember gedeckt, war wortidentisch und damit gegenstandslos. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Falsch! Sachlich daneben!)

14.4


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74. Sitzung / Seite 97

8

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters wird nicht gewünscht.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. – Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihren Platz einzunehmen, und alle anderen, Nicht-Stimmberechtigten, das Plenum zu verlassen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 672 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Aumayr und Genossen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Aumayr und Genossen habe die Streichung der Ziffer 3 § 31d Abs. 7 beantragt.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Dieser Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Ziffer 3 § 31d Abs. 7 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Aumayr und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend § 33f Abs. 6 erster Satz eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1995 (III-69/674 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 180/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Änderung des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 970/1993 (675 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Grollitsch vor. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.52

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar für die Möglichkeit, den Waldbericht 1995 und den Antrag des Kollegen Peter bezüglich der Nutzung von Forstwegen in einem behandeln zu dürfen, denn die beiden Themenbereiche haben viel miteinander zu tun, mehr, als Sie vielleicht auf den ersten Blick erwarten würden.

Das zunehmende Hinausdrängen der Freizeitwirtschaft, der Freizeitsportarten in unsere Wälder bringt eine Belastung mit sich. Der Waldbericht 1995 hat auf diese Aspekte nicht Bedacht genommen. Es wird im Ausschußbericht lediglich festgestellt, daß der Öffentlichkeit zu vergegenwärtigen ist, daß der "Waldkonsum" auch Rechte und Pflichten enthält, die der Erhaltung und der Förderung des Ökosystems Wald dienen sollen.

Diese schüchterne Ausschußfeststellung ist mir aber zuwenig. Ich glaube, daß wir zu den sieben Teilen des Waldberichtes künftig noch einen weiteren hineinnehmen sollten, einen, der den Einfluß der Freizeitwirtschaft auf unseren Wald näher beleuchtet.

Insbesondere ist die Problematik im Bereich des Kampf- und Schutzwaldes zu sehen. Wir erfahren im Waldbericht von den enormen Verbißschäden. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Streßwirkung bei unserem Wild und den Verbißschäden. Dies ist auch bei den Gemsen der Fall.

Die Kritik am Waldbericht ist generell breiter anzulegen. Diesem Waldbericht fehlt die Aktualität. Sie sollten wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Waldbericht 1996 bereits fertig ist. Er liefert viel aktuellere und bedrohlichere Zahlen. Aufgrund der Säumigkeit des Statistischen Zentralamtes liegt er aber dem Hohen Hause noch nicht vor. Er wird wie so viele andere Berichte um ein Jahr nachhinken.

Es gibt von der Forstlichen Versuchsanstalt bereits Zahlen aus dem Jänner dieses Jahres, die die Ergebnisse aus dem Jahre 1995, die in Summe eine Art Jubelmeldung darstellen, deutlich relativieren. So erfuhren wir aus dem "Holzkurier" von der Bundesversuchsanstalt schon im Jänner dieses Jahres, daß sich der Zustand der Tanne und der Eiche im Jahre 1996 deutlich verschlechtert hat, daß sich der Zustand der Fichte geringfügig verschlechtert hat, daß lediglich die Lärche einen einigermaßen stabilen Zustand aufweist, daß bei der Kiefer starke Einbrüche zu registrieren sind. Die größten Schäden sind bei der Eiche mit einer Zunahme von über


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10 Prozent im Jahre 1996 zu verbuchen. Der Zustand der Buche ist auch als mäßig verschlechtert in dem Bericht des Bundesamtes ausgewiesen.

Nicht so sehr die Tatsache der deutlichen Verschlechterung im Jahre 1996 sollte die Alarmglocken läuten lassen, sondern die Tatsache, daß der im Waldbericht 1995 ausgewiesene Ertrag pro Festmeter mit 42 S nicht mehr haltbar ist. Die Berechnungen aus dem Jahre 1996 haben erstmals in der Forstwirtschaft ein Kippen in die roten Zahlen ergeben. Im Durchschnitt werden 20 bis 30 S Verlust pro Festmeter nachgewiesen. Das ist eine ausgesprochen bedrohliche Situation, die natürlich verschiedenste Gründe hat. Mir ist klar, daß man mit einer Befassung mit diesem Bericht und mit Worten von dieser Stelle aus das nicht wird verändern können, aber man sollte es zumindest tun dürfen und gesagt haben.

Die Ursachen für das Kippen in der Forstwirtschaft sind einerseits in der billigen Rundholzeinfuhr aus den Reformstaaten des Ostens zu suchen, andererseits in dem vermehrten Umsteigen der Papierindustrie hin zu Altpapier, das fast zur Hälfte nach Österreich importiert wird. Schließlich wirkt auf die Forstwirtschaft bedrückend die Kostenexplosion im Bringungsbereich. Es gibt kaum noch eine Rundholzart, die gewinnbringend oder kostendeckend lieferbar ist.

Das sind die Voraussetzungen, unter denen wir im Jahre 1996/97 stehen. Die Verantwortlichen sind sich natürlich darüber im klaren, daß dem so ist. Es ist Feuer auf dem Dach. Es ist notwendig, daß man für die Forstwirtschaft die Möglichkeit schafft, jenes Holz zu bringen, das tatsächlich schlagreif ist, und man sich nicht über den Umweg von beispielsweise Schleifholz oder jenem Holz, das möglichst nahe an den Forststraßen ist, über die Runden bringen muß.

Der Waldbericht 1995 zeigt auch auf, daß 83 Prozent der Verjüngungsflächen stark bis total verbißgeschädigt sind und daß die Verjüngung und die Pflege der Schutzwälder im argen liegen.

Diese Voraussetzungen haben – und jetzt komme ich zum Thema des Antrages des Kollegen Peter – auch einen Zusammenhang mit der expandierenden Freizeitwirtschaft, mit der Eroberung der Wälder durch Wandern, Bergsteigen und so weiter. Sie wissen wahrscheinlich, daß die beliebtesten Freizeittätigkeiten des Österreichers beim Hinausdrängen in die Natur – Gott sei Dank, sage ich sofort dazu – das Wandern, das Bergsteigen und das Klettern sind. Ob man unbedingt auch die neue Sportart des "Schluchtings" braucht, um die letzten Nischen zu nützen, ist in Frage zu stellen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Der Skilauf – insbesondere der Variantenskilauf, der Tourenskilauf und das Langlaufen – ist im Steigen begriffen. Auch das Mountainbiking – das Spezialthema des Kollegen Peter in seinem Antrag – und das Off-Road-Biking nehmen stark zu. Auch der Flugsport, beispielsweise das Paragleiten, hat Einflüsse auf die Streßsituation des Wildes und auf den damit eindeutig im Zusammenhang stehenden Verbiß.

Daß das Mountainbiking nach wie vor boomt und diese Sportart zum überwiegenden Teil in gesetzlich verbotener Form ausgeübt wird, ist ein anachronistisches Faktum im Hinblick darauf, daß uns der anwesende Kollege Grabner vor knapp zwei Jahren mitgeteilt hat, daß er in der Lage ist, uns in kurzer Frist die gesetzlichen Grundlagen für die Ausübung dieser Sportart zu besorgen.

Herr Kollege Grabner! Sie hätten nichts anderes zu tun brauchen, als die freiheitlichen Anträge zu diesem Thema zu unterstützen, dann hätten wir die gesetzlichen Voraussetzungen, wie sie sich die Tiroler jetzt in Eigenregie geschaffen haben. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung, damit die verlangte und bekanntgegebene Behandlung eines Dringlichen Antrages nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung um 15 Uhr aufgerufen werden kann.


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74. Sitzung / Seite 99

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Postenschacher und Freunderlwirtschaft 454/A (E)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 454/A (E). Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat bis 15. September 1997 einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Neustrukturierung der Oesterreichischen Nationalbank vorsieht und insbesondere folgende Punkte enthält:

Im Hinblick darauf, daß der Gesetzgeber der OeNB sowohl bankaufsichtsrechtliche als auch gutachterliche Aufgaben übertragen hat, ist die Eigentümerstruktur der Notenbank nicht mehr zeitgemäß. Deshalb soll das Institut gemäß § 78 Abs. 1 NBG durch Bundesgesetz aufgelöst und vom Bund als dezentraler Verwaltungsträger mit der Bezeichnung "Oesterreichischer Nationalbank" neu gegründet werden. Den Privataktionären ist im Sinne des § 78 Abs. 2 NBG der Nominalwert der Aktien zurückzuerstatten.

Die "Oesterreichische Nationalbank" ist die Notenbank der Republik Österreich. Ihre parteipolitische, personelle, instrumentelle und finanzielle Unabhängigkeit ist verfassungsrechtlich abzusichern.

Beschränkung der Aufgaben der Notenbank auf die im Interesse der österreichischen Währungspolitik erforderlichen Aufgaben,

Die Geschäfte die das Nachfolgeinstitut der OeNB tätigen darf, sind taxativ aufzuzählen. Insbesondere sind ihm alle jene Aktivitäten zu untersagen, die – abgesehen von Hilfsgeschäften – in keinem ursächlichen Zusammenhang zur Währungs- und Kreditpolitik stehen. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung an in- und ausländischen Wirtschaftsunternehmen. Deshalb sind diese Gesellschaften bestmöglich am freien Markt zu verkaufen,

Lückenlose öffentliche Ausschreibung aller Stellen mit Personalverantwortung unter Beiziehung externer Berater sowie öffentliche Bekanntmachung aller frei werdenden und extern zu besetzenden Stellen,

moderne, leistungsorientierte Standardverträge für leitende Bedienstete, Ausarbeitung durch eine Expertenkommission,

Festlegung marktgerechter Bezüge für alle Dienstnehmer nach verpflichtenden nationalen und internationalen Branchenvergleichen,

vollständige Offenlegung aller Einkommen von Dienstnehmern mit Personalverantwortung,

Die Pensionsreserve in Höhe von rund 24 Mrd. Schilling ist im Zuge der Umstrukturierung aufzulösen. Der dadurch freiwerdende Betrag ist zur Finanzierung der Einnahmenausfälle in der Anfangsphase einer zur Beseitigung der kalten Progression notwendigen Lohnsteuerreform zu verwenden."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Haider als Erstantragsteller zur Begründung dieses Antrages das Wort. Nach § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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15.02

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! In den letzten Wochen hat sich sehr viel in Fragen der Personaldiskussion getan, ausgelöst durch das tragische Ereignis des Selbstmordes eines der führenden Bankmanager in einer staatlichen Bank. Und kein Geringerer als der sozialistische Manager Woltron hat im Fernsehen deutlich gemacht, daß es sich dabei um die Folgen eines zynischen und – wie er gesagt hat – menschenverachtenden Systems des rot-schwarzen Proporzes und der Parteibuchwirtschaft handelt. Wenn Woltron das so brutal in den Raum gestellt hat, dann versteht man auf der anderen Seite eigentlich nicht, daß die Bankmanager, wie etwa der Generaldirektor der Bank Austria, dann mit solcher Kälte und Überheblichkeit über den Selbstmord hinweggegangen sind und daß man jetzt versucht, aus Ihrer Sicht, Herr Bundeskanzler, so zu tun, als hätte man überhaupt nichts damit zu tun! (Abg. Mag. Stadler – zu Bundeskanzler Mag. Klima, der mit Klubobmann Dr. Kostelka spricht –: Ist das notwendig? – Bundeskanzler Mag. Klima: Daß ich da bin?) Nein! Daß Kostelka Ihnen etwas ins Ohr flüstert, damit Sie mir Ihre Aufmerksamkeit nicht widmen können! (Abg. Mag. Stadler: Wir haben in der Präsidiale vereinbart, daß wir das abstellen! Sonst lassen wir die Sitzung unterbrechen und warten, bis der Herr Klubobmann aufgehört hat, mit dem Bundeskanzler zu diskutieren! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Ich danke dafür, daß Sie sich nun Zeit nehmen, ein bißchen zuzuhören, denn ich möchte Sie fragen, ob Sie wirklich glauben, daß es genügt, jetzt ein Fünf-Punkte-Programm vorzustellen und zu sagen: Die Geschichte ist saniert. Waren Sie nicht selbst jener, der ganz massiv darauf gedrungen hat, daß der aus der Bundesregierung entfernte Exminister Scholten einen neuen Posten bei der Oesterreichischen Kontrollbank bekommen sollte, wo sogar ein dritter Posten geschaffen wurde, weil sich die Rochade als ein bißchen kompliziert erwiesen hat? Sind Sie nicht jener, der in den letzten Jahren selbst immer wieder gezeigt hat, daß für ihn im Prinzip Objektivierung, Ausschreibung und Qualifikation sekundär sind, wenn es darum geht, persönliche parteipolitische Entscheidungen durchzubringen?

Kein Geringerer als Ihr früherer Ministersekretär Dipl.-Ing. Brenner ist sogar in der neuen Schienenfinanzierungsgesellschaft als Generaldirektor eingesetzt worden! Wo wurde diese Stelle ausgeschrieben? Außerdem ist Herr Brenner gleichzeitig Generaldirektor der HL-Bau – eine völlig unvereinbare Situation! Einerseits verwaltet er das Geld, andererseits ist er der Generaldirektor, der sich das Geld für die Projekte abholt. Das war auch Ihr Werk, Herr Bundeskanzler, als Sie noch Minister waren. Sie waren Finanzminister, Sie waren auch Verkehrsminister! Sie sind der Verhandler verschiedener Modelle. Auch dieses Modell der Schieneninfrastrukturfinanzierung trägt Ihre Handschrift, und die Personen sind ausgewählt worden.

Ihr früherer Sekretär Székely sagt es ganz offen in einem Zeitungsinterview: Als es mich nicht mehr gefreut hat, Ministersekretär zu sein, habe ich Klima gesagt, daß ich mich geordnet verändern möchte. – Es genügt offensichtlich, Klima zu sagen: Ich möchte mich geordnet verändern, denn im Handumdrehen war er Generaldirektor der Raaber Bahn – ohne Ausschreibung, überhaupt kein Problem. (Abg. Haigermoser: Schwups!)

Daher sage ich: Diese fünf Gebote, die Sie mit diesem Fünf-Punkte-Programm nun erlassen haben, Herr Bundeskanzler, sind eher ein Schuldeingeständnis, eine Flucht nach vorne, als eine wirkliche Sanierung eines Zustandes in der Form, daß ein Neuer kommt und sagt: Jetzt packe ich an! – Sie sind Bestandteil eines alten Systems, Sie sind schuldig geworden, indem Sie selbst durch viele Aktionen dazu beigetragen haben, daß dieser rot-schwarze Proporz in Österreich wieder fröhliche Urständ feiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen ganz offen: Bevor Sie nicht bereit sind, Ihren eigenen letzten Sündenfall zu beseitigen, werden Ihnen Ihre fünf Gebote überhaupt nichts nützen! Beseitigen Sie zuerst den Sündenfall Scholten! Ziehen Sie ihn zurück! Beseitigen Sie den Sündenfall, nicht die Person! (Abg. Dr. Nowotny: Was bedeutet "beseitigen"?) Herr Kollege Nowotny! Sie müssen zuhören oder Ihren Gehörschutz entfernen! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Beseitigen Sie den Sündenfall Scholten als Direktor der Oesterreichischen Kontrollbank! Dann sind Sie glaubwürdig mit Ihrem Fünf-Punkte-


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74. Sitzung / Seite 101

Programm! Denn es hat sich jetzt zuviel zugetragen: Bei den ÖBB muß die Stelle eines fünften Direktors geschaffen werden, weil die ÖVP sonst unzufrieden ist, bei der E-Wirtschaft hat man die Zahl der Direktoren gleich einmal verdoppelt – von zwei auf vier. Sie sind schon seit fünf Jahren in der Regierung! Das kann Ihnen nicht entgangen sein! (Zwischenruf der Abg. Fuchs. )

Bei der ASAG gründet man zwei Gesellschaften, eine rote und eine schwarze, damit alle Ministersekretäre versorgt sind. Bei der Austro Control gibt es einen roten Generaldirektor und einen schwarzen Stellvertreter, den früheren Sekretär von Frau Fekter. Der muß untergebracht werden! Und seit wir die Austro Control sozusagen ausgegliedert haben, erhöhen sich dafür –schwups! – die Gebühren für die Benützung um 800 Prozent! Das ist eine "tolle" Vorgangsweise von Ihnen!

Meine Damen und Herren! Ich glaube daher, daß durch die Herrschaft der Sekretäre, die an den Spitzen des Staates etabliert worden ist, bei der Oesterreichischen Kontrollbank und beim ORF, bei der Post und auch in den Staatsbanken, eine unhaltbare Situation geschaffen wurde. Denn wenn Herr Scholten laut Tagebuchaufzeichnungen des Herrn Praschak sagt: Wir sind nicht in New York und in London, wo die persönliche Performance für eine Funktion entscheidend ist, bei uns entscheidet vielmehr die Politik!, dann zeigt sich, welche Gedankenhaltung dahintersteckt. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Wahnsinn!) Das Sicherheitsrisiko Praschak mußte weg, denn er wollte bei der Vertuschung der Steuerhinterziehungen, die in den letzten Jahren in der Kontrollbank stattfanden, nicht mitmachen, und daher hat man den ehemaligen Haschek-Sekretär Scholten, der schon früher dort tätig war, und den früheren Haschek-Sekretär Attems dort etabliert: Letztere stellen kein Sicherheitsrisiko dar, sie decken zu und nicht auf. Aber Sie haben sich verrechnet, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben sich deshalb verrechnet, weil niemand Ihnen garantieren kann, welche Unterlagen noch an die Öffentlichkeit kommen werden! Und wir werden uns sehr genau anschauen, Herr Finanzminister, ob Sie der Finanzverwaltung die Möglichkeit geben, ohne politische Intervention die gegenwärtige Großbetriebsprüfung in der Oesterreichischen Kontrollbank durchzuführen. Geben Sie den Weg frei, damit lückenlos geprüft werden kann, ob es hier zu millionenfacher Steuerhinterziehung unter den Augen des Finanzministers gekommen ist! Wenn Sie das nicht zulassen, könnten Sie einmal die böse Überraschung erleben, daß plötzlich etwas auftaucht, was etwas anderes beweist! (Abg. Haigermoser: Das ist eine Gretchenfrage!)

Meine Damen und Herren! Erfolgreich war diese Herrschaft der Sekretäre nicht. Nicht bei der Austro Control, auch nicht in den Bankenbereichen. Die Polen-Kredite belasten das Budget bisher mit 11 Milliarden Schilling. Das ist nicht mehr einbringbar. Osthilfeaktionen: Von den 105 Milliarden Schilling sind etwa 70 bis 75 Milliarden Schilling uneinbringlich. Das bezahlt der österreichische Steuerzahler! Das ist die große Politik der Sekretäre an den Spitzen der Staats- und Finanzverwaltung! Da kassiert man 600 Millionen Schilling an Haftungsprovisionen von jenen Exportfirmen, die Kredite besichert haben wollen, wenn sie exportieren. Dann wählt man ein System, das eine Überweisung des Kredites von der Kontrollbank an die Hausbank notwendig macht, damit noch einmal eine Hausbankprovision kassiert werden kann, noch einmal rund 600 Millionen Schilling!

Herr Bundeskanzler! Wenn es Ihnen mit Ihrer Exportoffensive Ernst wäre, dann würden Sie in dieses unmögliche System der Oesterreichischen Kontrollbank einmal eingreifen und dafür sorgen, daß eine Milliarde Schilling bei Überweisungen nicht zugunsten der Banken geht, sondern bei den Firmen bleibt, damit sie im Wettbewerb stärker sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Dann würden Sie dafür sorgen, daß diese Staatsbanken nicht mit Hilfe der Herrschaft der Sekretäre dazu mißbraucht werden, Parteifinanzierung zu betreiben! Denn nichts anderes ist es, wenn etwa die Österreichische Postsparkasse die Anteile des "Konsum" an der Oesterreichischen Nationalbank, die nominal 12,5 Millionen Schilling wert wären, um 200 Millionen Schilling kauft. Mit welcher Berechtigung gegenüber dem Eigentümer geht das vor sich? Aber weil der Eigentümer gleich der Partei ist, die begünstigt wird, schweigt man. Mit welcher Berechtigung kauft die Bank Austria Oesterreichische-Nationalbank-Anteile nicht zum Nominalwert von 6,5 Millionen, sondern um 100 Millionen Schilling, damit die Partei finanziert wird? –


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Und man schweigt sich aus! Das ist die Herrschaft der Sekretäre! Das ist die Abwesenheit eines moralischen Mindeststandards in der österreichischen Politik, dort, wo Rot und Schwarz ohne Kontrolle nach wie vor das Sagen haben!

Meine Damen und Herren! Das ist das Problem! Denn die Regierungsparteien betrachten diesen Staat nach wie vor als ihr persönliches Eigentum. Sie tun so, als gehöre ihnen all das. Mit welcher Berechtigung können sie sich so verhalten? Wie soll denn ein normaler, qualifizierter junger Mensch in Österreich eine Chance haben, tatsächlich eine Führungsposition in einer von diesen von der Herrschaft der Sekretäre erfaßten Institutionen zu bekommen? Er kann noch so gut sein, er wird nie eine Chance haben, denn bestimmte Posten werden einfach nicht ausgeschrieben! Darüber geht man hinweg, man besetzt diese Posten mit Vertrauensleuten aus der eigenen Partei! Das ist doch fürchterlich! (Abg. Ing. Reichhold: Wie im Ostblock!) Im Ostblock sind die Verhältnisse schon besser als in Österreich! Wir sind wirklich das westlichste Land des Ostblocks, nicht das östlichste Land des Westens! Das ist leider der Fall! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Österreichische Volkspartei ist nur deshalb so schweigsam, weil sie überall mitnascht! Herr Schüssel verkündet am 1. Mai: Privatisierung, Objektivierung. Aber was ist dann das Ergebnis? – Es mußte die Stelle eines fünften Direktors bei den ÖBB her! Der schwarze Attems muß Generaldirektor bei der Kontrollbank werden! Es muß der Ditz-Sekretär Koren versorgt werden: Obwohl er gar keine Bankenpraxis hat, wird er in eine Bank hineinkatapultiert! Da muß Herr Ditz bei der Post versorgt werden: Nachdem er zuerst die Milliarden der Post als Finanzminister ausgeräumt hat, holt er sich jetzt einen 3-Millionen-Vertrag, um das abgewirtschaftete Unternehmen weiterwursteln zu lassen.

Meine Damen und Herren! Ich könnte Beispiele über Beispiele nennen, durch die deutlich wird, daß es so nicht geht! Die Möglichkeit, die Republik zum Selbstbedienungsladen zu machen, muß endlich einmal unterbunden werden! Wir müssen dazu beitragen, auch hier im Parlament! Daher appelliere ich an die Abgeordneten – auch der Regierungsparteien –, klare politische und gesetzliche Entscheidungen zu treffen, um diese hemmungslose Selbstbedienung der roten und schwarzen Funktionäre ein für allemal der Vergangenheit angehören zu lassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Allein der Antrag – um nur ein Beispiel zu nennen –, den Kollege Stummvoll und Kollege Eder zum Kauf der Bundesanteile an der Eisenbahn-Siedlungsgesellschaft, gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft, eingebracht haben, zeigt, wie es hier läuft. Da werden zu einem Nominalwert von 180 Millionen Schilling 18 bis 20 Milliarden Schilling bestehendes Vermögen und noch kommendes Vermögen durch die Auslaufgewinne, die gemacht werden, im wahrsten Sinne des Worte verhökert! Es ist brutal, was sich hier abspielt!

Wir werden uns mit dieser Frage noch sehr genau auseinandersetzen. Denn es herrscht derzeit, wie mir scheint, eine Art Endzeitstimmung in dieser Koalitionsregierung. Jeder versorgt sich noch mit einem Posten und sagt sich: Nachher tun wir objektivieren! Wenn wir alles besetzt haben, dann soll objektiviert werden. Aber jetzt müssen wir es uns noch richten.

Daher sage ich Ihnen: Das, was sich nach wie vor in der Oesterreichischen Nationalbank abspielt, ist in Wirklichkeit ein Skandal. Denn 1992, als wir das erste Mal Kritik an den Mißständen geübt haben, hat es geheißen: Jetzt wird Ordnung gemacht! Nun frage ich Sie: Wo ist denn Ordnung gemacht worden? Nach wie vor bestehen Situationen, die gegenüber der Bevölkerung überhaupt nicht mehr zu rechtfertigen sind. Das Pensionsrecht für die, die vor 1993 in den Dienst eingetreten sind, lautet: 85 Prozent des Letztbezuges. In die Bemessungsgrundlage wird auch das Überstundenpauschale mit eingerechnet. Wo sonst gibt es denn so etwas? Es werden sämtliche Zulagen, die jemand bekommen hat, in die Bemessungsgrundlage eingerechnet. Da kann es vorkommen, daß Leute mehr als 100 Prozent des Aktivbezuges als Pensionen ausbezahlt bekommen! Das heißt: Manche sind in der Pension viel wohlhabender als in der Zeit, in der sie arbeiten, weil sie durch das System so begünstigt werden.

Oder: Die Menschen im normalen Erwerbsleben müssen flexibel und länger arbeiten. Der Kontroll- und Betriebsarzt der Oesterreichischen Nationalbank gewährt jedem, der das will, noch


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extra drei Wochen "Landurlaub", wie das so schön heißt. Zehn Wochen Urlaub gibt es also in dieser "gestreßten" Sphäre der Oesterreichischen Nationalbank! Und der Betriebsarzt genehmigt das gern, denn für 20 Wochenstunden kassiert er über 2 Millionen Schilling an Einkommen! Das ist ja wunderbar: Eine Hand wäscht die andere!

Oder: Man kürzt das Urlaubsgeld bei den "normalen" Arbeitern und Angestellten. In der Nationalbank gibt es für 800 Millionen Schilling Jubiläumsgelder, meine Damen und Herren! 800 Millionen Schilling Jubiläumsgelder und noch 17,5 Monatsbezüge als Abfertigung! Ein normaler Arbeiter muß 25 Jahre lang arbeiten, damit er zwölf Monatsbezüge erreicht. Dort bekommt jeder, ob er lange oder kurz dabei ist, 17,5 Monatsbezüge als Abfertigung ausbezahlt.

Keine Frühpensionen, heißt es: Jetzt kassieren sie die Frühpensionen in der Nationalbank. Am 1. Juli geht wieder eine ganze Reihe von Mitarbeitern in die Frühpension: 52 bis 54 Jahre alt, pumperlgesund. Der eine ist in der Zwischenzeit Geschäftsmann in Südafrika. Es geht ihm zwar wunderbar, aber er muß in die Frühpension gehen! Und die Pensionen betragen 90 000, 100 000 bis 120 000 S!

Ich werde Ihnen noch ein paar andere Beispiele nennen: Die Leute müssen heute höhere Mietkosten akzeptieren, weil das Leben teurer wird. Für Mitarbeiter der Nationalbank gibt es Wohnungen um 20 S pro Quadratmeter. Das geht ganz locker! Es gibt die schönsten Wohnungen für Millionäre um einen Quadratmeterpreis von 20 S!

Oder: Frau Präsidentin Schaumayer hat gesagt, daß die Pensionen und die Gehälter der Führungsfunktionäre gekürzt worden sind. – Stimmt überhaupt nicht! Ich zeige Ihnen das jetzt einmal anhand einer Schautafel: Die Höchstpension für ASVG-Versicherte beträgt 28 540 S, ein Generaldirektor der Oesterreichischen Nationalbank bekommt hingegen 333 500 S. Er bekommt jeden Tag 13 700 S, während der ASVG-Versicherte maximal 1 000 S pro Tag bekommt. Pro Stunde bekommt ein ASVG-Versicherter als Pensionist maximal 45 S, ein Generaldirektor der Oesterreichischen Nationalbank bekommt pro Stunde 571 S Pension. Und wenn er jetzt geht, der Herr Generaldirektor, Genosse der SPÖ, bekommt er noch 8,3 Millionen Schilling als Abfertigung. 8,3 Millionen Schilling, das ist auch nicht so schlecht, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Das ist unglaublich! Skandalös!)

Und es gibt noch eine Menge andere: Da gibt es etwa den stellvertretenden Generaldirektor: Er bekommt 7,2 Millionen Schilling an Abfertigung und eine Pension in der Höhe von 280 000 S, fünfzehnmal natürlich, denn es muß sich ja rechnen! Herr Dr. Klaus Mündl, Generaldirektor-Stellvertreter: 6 Millionen Schilling Abfertigung, 245 000 S Pensionsanspruch; Herr Dr. Thomas Lachs, auch ein "Genosse Direktor": 6 Millionen Schilling Abfertigung, 245 000 S Pensionsanspruch, und so weiter: In dieser "Preislage" gibt es dort noch zwei weitere.

Jetzt werden Sie verstehen, warum wir Freiheitlichen sagen: Da muß Ordnung gemacht werden, Herr Bundeskanzler! Es genügt nicht, ein paar Punkte zu verkünden und dann wieder weiterzuwursteln wie bisher.

Ich bin bereits sehr zufrieden, daß wenigstens in einem Punkt die Freiheitlichen obsiegen, und zwar in einem Punkt, zu dem uns Herr Professor Nowotny über Jahre hinweg belehrt hat, daß wir falsch liegen. Ich habe immer gesagt, daß es eigentlich ein Unding ist, wenn in einer Demokratie eine Nationalbank existiert, die für 1 300 Pensionisten rund 24 Milliarden Schilling – 24 Milliarden Schilling! – Pensionsrücklagen gebildet hat. Dieser Betrag müßte eigentlich dem Bund für Aktivitäten zur Verfügung stehen. Wir Freiheitlichen haben gesagt: Nehmen wir einen Teil dieser Rücklagen, die man ja nicht braucht, wenn Beiträge gezahlt werden, und lassen wir sie in Aktivitäten der Pensionsfinanzierung und der Lohnsteuersenkung für jene Arbeitnehmer fließen, die im unteren und mittleren Einkommensbereich sind und durch die Arbeitszeitflexibilisierung heute Einkommenseinbrüche erleiden. Das wäre meiner Meinung nach eine sehr sinnvolle Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was sagte Herr Professor Nowotny? – Er sagte vor vielen Jahren, als ich das erste Mal diesen Vorschlag gemacht habe, daß das ein gefährlicher Vorstoß sei. Eine Auflösung der Rücklagen der Nationalbank würde eine Schwächung der Notenbank und damit des österreichischen Schil


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lings bedeuten und sei streng abzulehnen. Das sei unausgereift und wirtschaftspolitisch gefährlich. – Was sagt die Nationalbank heute? Was sagt die Regierung heute? – Die Pensionsrückstellungen der Oesterreichischen Nationalbank sollen angezapft werden. (Rufe bei den Freiheitlichen: Da schau her! Aha!) Jetzt auf einmal geht es, meine Damen und Herren! Ich gratuliere der freiheitlichen Fraktion zu diesem Erfolg. Das ist wirklich eine tadellose, positive Entwicklung. (Beifall und Bravo-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Ich glaube, diese Dinge ändern sich in Österreich deswegen, weil wir Freiheitlichen letztlich dahintergeblieben sind. – Ich sage Ihnen: So wie Sie kann man Gesetze nicht machen! Morgen werden wir etwa die neuen Privilegienregelungen für die Politik beschließen, in welchen auch eine Einkommensobergrenze für die Nationalbankpräsidenten festgelegt ist. Aber bereits im dritten Absatz heißt es wieder – und das muß ich Ihnen vorlesen, Herr Bundeskanzler –, daß für erstmals bestellte Funktionäre der Oesterreichischen Nationalbank bei einer Pensionsregelung die Grundzüge der bezügerechtlichen Regelung des Bundes gelten. – Also: Für Funktionäre, die das erste Mal bestellt werden, gilt die Neuregelung. Aber für die alten, deren Verträge jetzt vielleicht verlängert werden, hat man schon vorgesorgt, daß ja keiner einen Schilling von seinen 6 oder 7 Millionen Schilling an Pensionsbezügen und Gehältern verliert. Das ist genau der Stil, den wir nicht haben wollen!

Ich appelliere an Sie, Herr Bundeskanzler: Beschränken Sie sich nicht auf dieses Fünf-Punkte-Programm! Wenn Sie wirklich dieses rot-schwarze System endlich überwinden wollen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte, die Redezeit beachten!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Wenn Sie dieses System wirklich überwinden wollen, dann wird mehr nötig sein als die Erlassung von fünf Geboten! Dann können Sie nicht so weiterwursteln wie bisher, sondern dann werden Sie diese grundlegenden Reformschritte, wie wir Freiheitlichen sie heute in unserem Antrag angeführt haben, mit uns verwirklichen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich der Herr Bundeskanzler gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.23

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich werde der Versuchung widerstehen, auf Ihr Argumentationsniveau einzugehen und mich jetzt in aller Breite mit dem Postenaufteilungspakt der Freiheitlichen im Jahr 1994 in Kärnten auseinanderzusetzen! Ich werde auch der Versuchung widerstehen, auf Ihre systematischen Versuche einzugehen, unser Land zu destabilisieren, indem Sie die Zerstörung tragender Einrichtungen in unserem Lande, angefangen von der Zweiten Republik bis zu den Sozialpartnern, von der Arbeiterkammer und der Bundeswirtschaftskammer bis zuletzt zum überparteilichen ÖGB, und nun "endlich" die Zerstörung der unabhängigen Nationalbank vorschlagen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist keine seriöse Politik, und dafür stehen wir nicht zur Verfügung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Versuchen wir bitte, gemeinsam ein sachliches Niveau zu erreichen! – Erlauben Sie mir daher eingangs eine Feststellung, die, glaube ich, notwendig ist: Überall dort, wo die öffentliche Hand, Bund, Länder und Gemeinden, bestimmenden Einfluß hat, liegt es in ihrer ausschließlichen Verantwortung, die Eigentümerrechte wahrzunehmen. Und die Eigentümerrechte werden wahrgenommen, indem verantwortliche Organe, zum Beispiel Aufsichtsräte oder auch Manager, bestellt werden.

Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Etwas war interessant: Sie haben nämlich zum Beispiel einen Bereich, für den ich als Verstaatlichtenminister unmittelbar die Verantwortung getragen habe, nicht angesprochen, weil ich bewiesen habe, daß ich in diesem großen Bereich der ÖIAG nicht nur die notwendigen Restrukturierungen und Anpassungen der Eigentümerformen vorgenommen, sondern auch eine klare, transparente, objektive Vergabe von Führungsfunktionen und


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leistungsorientierte, zeitgemäße Verträge geschaffen habe. Und ich werde dafür sorgen, daß das in allen anderen Sektoren, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch geschieht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Warum machen Sie das nicht bei Scholten?)

Ich möchte Sie einmal etwas fragen: Welchen Anteil hat die Republik Österreich an der Oesterreichischen Kontrollbank? Welchen Anteil hat die Republik Österreich an der OeKB? Beantworten Sie mir bitte diese Frage! – Null Prozent! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wissen Sie, was Sie fordern? – Daß ich als Bundeskanzler eine aufgrund der Satzung notwendige einstimmige Bestellung eines Vorstandsmitgliedes von Eigentümervertretern und Aufsichtsräten, die von der Raiffeisen-Organisation, der Ersten Oesterreichischen sowie schlußendlich auch der Bank Austria beschlossen wurde, jetzt verändere? Sie verlangen von mir einen politischen Eingriff! (Abg. Dr. Haider: Na und? Sie haben sich für Scholten stark gemacht!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bitte, wer sind Sie? Ich oder ich? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nehmen Sie daher bitte zur Kenntnis, daß Sie sich entscheiden müssen, was Sie eigentlich wollen! Und wenn es darum geht, was Sie eigentlich wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann kann ich Ihnen sagen: Ich bin sehr froh darüber, daß Ihnen mein klar zukunftsorientiertes Fünf-Punkte-Programm so gefällt, daß Sie wesentliche Punkte davon in Ihren Antrag übernommen haben! Das ist ein gutes Zeichen dafür, daß man überall bestrebt ist, in Zukunft für alle Sektoren, in denen die öffentliche Hand auf Ebene des Bundes, der Länder und der Gemeinden Einfluß hat, eine klare, transparente, kontrollierbare Vergabe und Auswahl von Führungsfunktionen zu erreichen. Und ich bin sehr froh, daß die beiden Koalitionsparteien sich auf einen Entschließungsantrag verständigt haben, mit welchem diese klare, transparente und kontrollierbare Vergabe von Führungsfunktionen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene sichergestellt werden wird, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Programm sieht zunächst die durchgängige öffentliche Ausschreibung von Geschäftsführung und Vorstandsfunktionen für alle rechnungshofgeprüften Unternehmen vor, zweitens die Ausarbeitung von modernen leistungsorientierten Standardverträgen, wie sie zum Beispiel im Bereich der ÖIAG eingerichtet sind. Drittens sind marktgerechte Bezüge aufgrund von verpflichtenden Branchenvergleichen durch die entscheidenden Organe festzulegen. Und wenn die entscheidenden Organe, die auch bekanntgemacht werden sollen, das Präsidium des Aufsichtsrates, der Aufsichtsrat oder bei GmbHs die Eigentümervertreter sind, dann ist das auch klarzumachen. Es gibt nichts zu verheimlichen, und wir wollen auch nichts verheimlichen. Und schlußendlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind auch alle Bezüge der Geschäftsführer und Inhaber der Vorstandsfunktionen festzulegen und zu veröffentlichen.

Dieses Fünf-Punkte-Programm regelt klar und transparent die Vergabe von Führungsfunktionen im Bereich der öffentlichen Hand, und so werden wir Gott sei Dank den Kopf wieder frei bekommen und Kraft dafür haben, die nötigen Reformen für unser Land durchzuführen, und uns nicht immer mit alten G’schichtln beschäftigen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den konkreten Forderungen Ihres Antrages: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist es Ihnen eigentlich bewußt, was es bedeutet, wenn man in einer Situation, die auf den Geldmärkten heute herrscht, in einer Zeit, in der eine unabhängige Nationalbank sehr wichtig für den Erhalt der Stabilität einer Währung ist, die Zerschlagung der Oesterreichischen Nationalbank fordert? (Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Oesterreichische Nationalbank ist eine unabhängige Nationalbank. Und durch die Oesterreichische Nationalbank wurde in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, daß wir eine herzeigbare, stabile Währung haben, eine herzeigbare Währung, die uns die Chance gibt ... (Abg. Dr. Haider: Ihr schafft den Schilling ab! – Abg. Aumayr: Sie schaffen ja den Schilling ab! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)


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Ich kann mich nicht erinnern, Herr Abgeordneter Dr. Haider, daß ich Sie unterbrochen hätte, während Sie gesprochen haben. Ich bitte daher um Fairneß und Höflichkeit! Ich habe keine Zwischenrufe gemacht und bitte Sie, auch mir zuzuhören!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Oesterreichische Nationalbank ... (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Am Wort ist der Herr Bundeskanzler und nach ihm eine Reihe weiterer Redner. Ich würde empfehlen, daß jeweils jeder Redner – unbeschadet von Zwischenrufen, die natürlich legitim sind – am Reden als solchem nicht gehindert wird – egal, welcher Fraktion er angehört, und ungeachtet dessen, daß er auf der Ministerbank seinen Standpunkt vertritt. Bitte, Herr Bundeskanzler. (Abg. Dr. Krüger: Er ist ja am Wort! Aber er sagt ja nichts! – Abg. Haigermoser: Keine Polemik von der Regierungsbank!)

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (fortsetzend): Ich würde meinen, daß wir uns dann verständigen können, wenn wir uns auf ein gemeinsames Lied einigen und dieses gemeinsam singen. So aber hat niemand die Chance, meine sehr geehrten Damen und Herren, etwas zu verstehen. Ich möchte daher ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche die Sitzung für eine Minute.

(Die Sitzung wird um 15.31 Uhr unterbrochen und um 15.32 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie, fortzusetzen.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich verstehe an sich diese Aufgeregtheit nicht. Ich bin ohnehin nicht auf das Kärntner Postenpaket der FPÖ eingegangen. All diese Dinge habe ich ohnehin nicht angesprochen. Daher möchte ich wieder zur Sache kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie zu bedenken, was Ihr Wunsch tatsächlich bedeutet, Ihr Antrag auf Zerschlagung der Oesterreichischen Nationalbank, einer Bank, die sich in den letzten Jahrzehnten sehr bewährt und dafür gesorgt hat, daß wir eine stabile Währung besitzen und mit dieser stabilen Währung eine Wirtschaftsentwicklung erreicht haben, die herzeigbar ist in Europa. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Glauben Sie mir: Dieser Angriff auf die unabhängige Nationalbank würde gerade in der Phase, in der sich die Geldmärkte derzeit befinden, zu einer hohen Destabilisierung führen und die über 4 000 Milliarden Schilling an Sparguthaben der Österreicherinnen und Österreicher gefährden! Dafür stehen wir nicht zur Verfügung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Abschließend möchte ich Ihnen folgendes sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Daß ich Ihnen hier und heute Rede und Antwort stehe, ist aus meiner Sicht deshalb ein Entgegenkommen, weil Sie einen Antrag bezüglich eines Bundesgesetzes an den dafür zuständigen Bundesminister – in diesem Fall an den Bundesminister für Finanzen – zu richten gehabt hätten. (Abg. Dr. Ofner: Unter anderem steht das im Gesetz! Ein Entgegenkommen ist das nicht!)

Das ergibt sich klar und eindeutig aus § 3 Abs. 2 des Bundesministeriengesetzes. Die Angelegenheiten der Oesterreichischen Nationalbank gehören nun einmal zum Wirkungsbereich des Bundesministers für Finanzen, und nur darauf richtet sich Ihr Antrag. Ich ersuche daher den Bundesminister für Finanzen, bei den Beratungen über den vorliegenden Antrag anwesend zu sein. Dazu hat er seine Bereitschaft erklärt. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das war jetzt eine Sektionsrede!)

15.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Finanzminister. Ich erteile es ihm.

15.34

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat sind Fragen zur Oesterreichischen Nationalbank und allfällige gesetzliche Veränderungen – die tatsächlich ins Haus stehen – eindeutig Angelegenheiten des Bundesministers für Finanzen. Ich möchte, um die Diskussion auf den "Teppich der Realität" zurückzubringen, hier einige Punkte aus meiner Sicht ansprechen. (Abg. Dr. Krüger: Nicht so wie der Kanzler!)

Die Oesterreichische Nationalbank wird mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion zu einem Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken werden. Aus diesem Grunde sind Rechtsanpassungen im Nationalbankgesetz erforderlich. Das ist überhaupt keine Frage. Daher werde ich im Herbst – das wird möglicherweise zufällig zu dem Termin geschehen, der von den Antragstellern hier genannt wurde – dem Hohen Haus eine Novellierung des Nationalbankgesetzes vorlegen, und zwar eine Novellierung, die auf jene Artikel des EU-Vertrages Bezug nimmt, die dafür von Relevanz sind. Es handelt sich dabei um die Artikel 105, 105a, 106, 107, 108 und 108a des Unionsvertrages. Ich möchte mir ersparen, Ihnen den genauen Wortlaut dieser Artikel vorzulesen, weil ich voraussetze, daß diese Artikel den Mitgliedern dieses Hauses bekannt sind.

Ich möchte aber auf die wesentlichen Punkte dieser Rechtsanpassungen hinweisen. Die gesetzlichen Anpassungserfordernisse betreffen vor allem die Bestimmungen über die unabhängige Stellung der Oesterreichischen Nationalbank. Die Anpassung an das Europäische Recht wird zum Zeitpunkt der Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken – kurz ESZB –, voraussichtlich im Frühjahr 1998, bereits in Kraft getreten sein müssen. Weiters sind diejenigen Vorschriften betroffen, die im Zusammenhang mit der Vollintegration der Oesterreichischen Nationalbank in das ESZB stehen und erst mit Beginn der dritten Stufe – also zum 1. Jänner 1999 – in Kraft getreten sein müssen.

Dabei wird es sich im besonderen um die folgenden, auch von der genannten Gesetzesvorlage betroffenen Punkte handeln:

Erstens geht es um die Schaffung der Funktionen des Gouverneurs und des Vizegouverneurs, wodurch die Mitwirkung im europäischen Zentralbankenrat sicherzustellen ist.

Zweitens ist die Klarstellung nötig, daß der Gouverneur beziehungsweise sein Stellvertreter bei der Wahrnehmung sämtlicher EZB-Funktionen weder an Beschlüsse des Direktoriums noch an solche des Generalrates oder des Aufsichtsrates gebunden ist und auch keinerlei sonstigen Weisungen unterliegt. Ich halte das für eine wesentliche Bestimmung.

Drittens geht es um die Erweiterung der Unvereinbarkeitsbestimmungen für Generalrat oder Aufsichtsrat, je nach Rechtskonstruktion und Direktorium.

Viertens ist das Verbot der Vergabe von Krediten durch die Oesterreichische Nationalbank an öffentliche Einrichtungen gemäß Artikel 104 des Unionsvertrages betroffen. Auch das ist eine wesentliche Bestimmung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich nicht näher mit der 19seitigen Begründung Ihres Antrages auseinandersetzen. Darin geht es um Angelegenheiten, die bereits mehrfach abgehandelt wurden, und zwar nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der Öffentlichkeit. Vielmehr möchte ich mich konkret mit der in Ihrem Antrag angesprochenen Neukonstruktion der Nationalbank, mit der von Ihnen offensichtlich konzipierten "Nationalbank-Neu" auseinandersetzen.

In diesem Zusammenhang kann ich beispielsweise der Kritik eigentlich nicht folgen, daß wegen der Übertragung bankaufsichtlicher und gutachterlicher Aufgaben an die Oesterreichische Natio


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nalbank deren Eigentümerstruktur nicht mehr zeitgemäß sei. Die Eigentümerstruktur ist bei der bankaufsichtlichen und gutachterlichen Tätigkeit der Oesterreichischen Nationalbank ohne Belang, weil die Oesterreichische Nationalbank dabei im Rahmen des Gesetzes als beliehenes Unternehmen tätig ist. (Abg. Mag. Stadler: Das sieht man an der Rieger-Bank!)

Die breite Vertretung der Wirtschaft und der Interessenvertretung der Arbeitnehmer in der Eigentümerschaft der Oesterreichischen Nationalbank sichert die für diese Aufgabe erforderliche Unabhängigkeit der Notenbank. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die spezifische Form der österreichischen Sozialpartnerschaft sowie die Einbindung von Wirtschafts- und Arbeitnehmerseite in die Oesterreichische Nationalbank dazu beigetragen haben, jenes Klima und jene Stabilität zu schaffen, in der die – mitunter auch sehr maßvolle – Lohnpolitik gewachsen ist, die unser Land auszeichnet wegen seiner friedlichen Austragung von Konflikten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Von dieser Konfliktkultur möchte ich nicht abrücken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die Auflösung der Oesterreichischen Nationalbank und eine anschließende Neugründung in einer Zeit wie dieser – wir stehen vor einem Jahr besonders wichtiger gesamteuropäischer Entscheidungen insbesondere im Bereich der Geldmarktpolitik – ein völlig falsches Signal an die europäischen und internationalen Finanzmärkte darstellen würde. Das könnte unter Umständen für die österreichische Wirtschaft und ihre Stabilität mit sehr ernsten Folgen verbunden sein. Ich glaube, es gehört auch zu den Aufgaben des Finanzministers und der Regierung, die Stabilität unserer Währung und die Ruhe auf den internationalen Finanzmärkten nicht durch ein österreichisches Experiment und Abenteuer in Frage zu stellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Was hat das mit Postenschacher zu tun?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Betrauung eines, wie Sie es nennen, "dezentralen Verwaltungsträgers" mit den Aufgaben der Oesterreichischen Nationalbank vorschlagen, ist mir nicht ganz klar, welcher bekannten Rechtsform dieser entsprechen sollte. Möglicherweise meinen Sie damit eine juristische Person öffentlichen Rechtes, die der neuen Bundes-Wertpapieraufsicht ähnelt. Sie müßten das noch konkretisieren. Denn jener Konstruktion gegenüber bestünde Weisungsfreiheit, damit bestünden gegen die Unabhängigkeit einer solchen Institution verfassungsrechtliche Bedenken. "Dezentrale Verwaltungsträger" ohne Weisungsgebundenheit aber kann ich mir in unserem Rechtsgebäude, ehrlich gesagt, nicht vorstellen.

Der EU-Vertrag jedoch erfordert, wie Sie wissen – ich habe die entsprechenden Bestimmungen bereits erwähnt –, die Unabhängigkeit der Notenbank. Aus diesem Grunde werden die Aufgaben der Notenbank in Österreich, aber auch in anderen europäischen Staaten von einer Aktiengesellschaft erfüllt. Ich sehe auch sonst keine Vorteile, die Ihr Konstrukt gegenüber einer Aktiengesellschaft hätte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die verfassungsrechtliche Absicherung der Notenbank der Republik in Form der jetzigen OeNB oder auch des von Ihnen geforderten "dezentralen Verwaltungsträgers" – was immer Sie darunter verstehen mögen – ist deshalb nicht erforderlich, weil dies durch den EU-Vertrag, also auf rechtlich höherer Stufe, bereits erfolgt ist. Jedenfalls gilt dies, wenn sich die Forderung auf die Unabhängigkeit von staatlichen Organen bezieht. Eine Unabhängigkeit gegenüber der EZB kann der österreichische Gesetzgeber nicht anordnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal dezidiert feststellen, daß die von Ihnen erhobene Forderung nach öffentlicher Ausschreibung aller Funktionen der Mitglieder des Direktoriums der OeNB schon derzeit eingelöst ist und selbstverständlich auch in Zukunft erfüllt werden wird, weil wir die Besten brauchen, die sich geeignet fühlen, in solch wichtigen Funktionen einer staatlichen Nationalbank tätig zu sein. Andere Funktionsträger stehen unter deren Weisung, das ergibt sich faktisch aus der Konstruktion – ob Aktiengesellschaft oder nicht –, und haben somit keine eigene "Personalverantwortlichkeit", wie Sie das in Ihrem Antrag nennen. Funktionen, die mit Personalverantwortlichkeit verbunden sind, müssen öffentlich aus


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geschrieben werden. Daher ist hinsichtlich der Stellenausschreibung Ihre Forderung sowohl jetzt als auch in Zukunft bereits erfüllt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß die Oesterreichische Nationalbank in einen noch diese Woche im Plenum des Nationalrates zu behandelnden Gesetzentwurf, nämlich in die Bezügepyramide, einbezogen ist. Viel weiter sollte der Gesetzgeber bei einer Aktiengesellschaft nicht gehen. Wenn durch diese Einkommenspyramide in Zukunft Veränderungen der Bezüge der Direktoren bewirkt werden, dann hat das – dies liegt in der Natur der Sache – entsprechende Auswirkungen auf die zweite und dritte Ebene. Auch das versteht sich von selbst, wie ich meine.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie gesagt, werde ich bereits im kommenden Herbst diesem Hause einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Daher glaube ich, daß Ihr vorliegender Antrag entbehrlich ist. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. Redezeit: 10 Minuten, so wie auch für alle folgenden Redner, soweit sie nicht freiwillig kürzere Redezeiten in Anspruch nehmen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.44

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir hatten vor kurzem eine ähnliche Debatte in diesem Haus. Herr Abgeordneter Haider! Ich muß sagen, ich halte es einfach für schäbig, daß Sie hier ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Nowotny, bitte fangen wir nicht mit einer solchen Diktion an! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (fortsetzend): Entschuldigung! Ich nehme das zurück.

Ich halte es für bedenklich, daß Sie den tragischen Selbstmord eines Menschen hier für politisches Kleingeld mißbrauchen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollte er auch!) Das wollte er sicherlich nicht! Was wir heute von Haider gehört haben, das wollte er sicherlich nicht, und das kann niemand in diesem Land wollen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollte er aber offensichtlich! Das ist Ihnen sehr unangenehm! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich jetzt zum Thema Notenbank ... (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich habe gedacht, Sie wollen auch über die Notenbank diskutieren. Diskutieren heißt, daß man sich auch etwas anhört – oder wollen Sie nur schreien? – Das müssen Sie sich überlegen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie schütten uns an, und wir dürfen uns nicht wehren! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie bereit sind, zuzuhören, dann kann ich mit der Feststellung fortfahren, daß Herr Abgeordneter Haider eine zwar alte, aber leider etwas unglückliche "Liebe" zur Oesterreichischen Nationalbank hegt. Zuerst wollte er den Schilling abwerten, dann wollte er die Währungsreserven verschleudern. Herr Abgeordneter Haider! Da Sie jetzt von der Auflösung der Rücklagen gesprochen haben, bitte ich Sie, eines zur Kenntnis zu nehmen: Zwischen der Auflösung von Rücklagen und der Neuberechnung von Rücklagen besteht ein wesentlicher Unterschied. Vielleicht sind diese simplen betriebswirtschaftlichen Dinge etwas, was für Sie neu ist. Aber zumindest wird das ein Ergebnis dieser Debatte sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Oberlehrer!)

Was wir heute erleben, ist folgendes: Heute geht Haider sozusagen aufs Ganze. Jetzt will er die Nationalbank überhaupt – dieses Wort steht in diesem Antrag – "liquidieren" und dann wieder neu entstehen lassen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie wollen alle Mißstände einbetonieren!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wäre die Liquidation der Nationalbank in einer der sensibelsten währungspolitischen Situationen, die wir in den letzten Jahrzehnten gehabt haben! Dazu muß ich sagen: Wäre das nicht so unernst, wäre es als verantwortungslos zu bezeichnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was Sie vorbringen, könnte dazu verleiten, zu sagen: All das ist nicht ernst zu nehmen. Aber ich meine, nicht wegen Haider, sondern trotz Haider, trotz Ihrer Polemik sollte man sich mit einigen Punkten dieses Antrages seriös auseinandersetzen. Es gibt darin Punkte, die relevant sind; andere Punkte sind irrelevant beziehungsweise überholt; und es gibt einige Ansätze, die für Österreich ausgesprochen gefährlich wären.

Welche sind die relevanten Punkte? – Der Herr Bundesminister hat soeben ausgeführt, daß wir im Zusammenhang mit der Währungsunion das Nationalbankgesetz modifizieren werden. Das wird selbstverständlich nicht in Richtung einer Liquidation geschehen, wie Sie es wollen, aber es wird eine Reihe von Strukturfragen erörtert werden. Diese betreffen etwa die Leitungsorgane oder – das ist ein Punkt, den ich hier betonen möchte – das Verhältnis zum Parlament. Derzeit hat das Parlament auf freiwilliger Basis ein Verhältnis zur Nationalbank in der Art, daß es Gespräche zwischen Finanzausschuß und Notenbank-Leitung gibt. Das sind durchaus konstruktive Gespräche, und auch die Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ nehmen konstruktiv daran teil. Ich glaube aber, wir könnten dabei weiter gehen.

Im Statut der Europäischen Zentralbank ist vorgesehen, daß es einen jährlichen Bericht der Europäischen Zentralbank an das Parlament geben soll und daß die Möglichkeit besteht, Hearings durchzuführen. Meiner Ansicht nach wäre es sinnvoll, diese Regelungen auch für ein künftiges österreichisches Nationalbankgesetz zu übernehmen. Heute habe ich diesen Vorschlag auf der Volkswirtschaftlichen Tagung der Oesterreichischen Nationalbank, die soeben abgeschlossen wurde, vorgelegt. Ich glaube, daß dafür breite und positive Resonanz zu finden ist.

Denn gegenseitige Information eröffnet auch die Möglichkeit zu gegenseitigem Verständnis. Ich hege nun einmal den Optimismus eines Aufklärers, indem ich meine: Wissen hilft dem vernünftigen Argumentieren weiter. Dieser Optimismus erstreckt sich auch auf die Kollegen von der FPÖ.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt betrifft die Bereiche, die nicht relevant, sondern überholt sind. Dazu gehören die Gehalts- und Pensionsbeispiele. Ich möchte hier sehr klar sagen: Es gibt in der Kreditwirtschaft, auch in der Nationalbank, eine Vielzahl ... (Abg. Ing. Reichhold: Das gilt nur für die Neuankömmlinge!) Warten Sie ein bißchen! Es gibt dort eine Vielzahl hochqualifizierter Personen, die selbstverständlich entsprechend zu bezahlen sind. Aber ich möchte deutlich sagen: Wir Sozialdemokraten sind nicht bereit, irgendwelche Blankoschecks auszustellen für alle Gehalts- und Pensionsregelungen, die in diesem Bereich bestehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte auch sehr klar sagen: Wir sind nicht bereit, Fehlentwicklungen, die in diesem Bereich zum Teil aufgetreten sind, zu verteidigen, sondern wir treten an, sie zu verändern. Bundeskanzler Klima hat hier genau den Weg gewiesen. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Stummvoll. )

Entscheidend ist, daß diese Fehlentwicklungen inzwischen korrigiert worden sind. Die Oesterreichische Nationalbank hat im Jahre 1993 eine massive Strukturreform eingeleitet, und all das, was heute in diesem Haus vorgetragen wurde, einschließlich des schon etwas "überstandigen" Taferls, sind Altfälle (Abg. Jung: Wo Sie die Verantwortung haben!) , Dinge, die heute in dieser Form nicht mehr zustande kommen können. Gerade die Juristen unter Ihnen wissen genau, daß es natürlich Schwierigkeiten gibt, in bestehende Verträge einzugreifen. Ich bin aber auch der Meinung, daß man noch strenger prüfen sollte, wieweit dafür vielleicht doch Möglichkeiten bestehen.

Auf jeden Fall kann ich Ihnen aber versichern, daß wir morgen die Einbindung der Notenbank in die Pyramidenregelung beschließen werden. Wir erwarten von der Oesterreichischen National


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bank, daß eine klare Struktur gefunden wird, und ich glaube, daß diese Erwartung erfüllt werden wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum dritten Punkt des Antrages, der gefährliche Ansätze für Österreich in sich birgt. Zwei Aspekte sind bereits kurz angesprochen worden: politische Diskriminierung und politische Destabilisierung.

Die politische Diskriminierung wird in einer Pauschalabwertung all jener Personen, die jemals als Sekretäre tätig waren, deutlich. (Abg. Ing. Reichhold: Keine Polemik vom Rednerpult!) In Ihrem Antrag findet sich eine Liste mit Namen, so etwa auch jener von Dr. Reiter, der vor 21 Jahren Kabinettchef war (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) – Moment, Herr Kollege, gerade Sie kommen noch speziell dran! – und positiv gearbeitet hat, bis zu Lacina und so weiter. (Abg. Haigermoser: Sie haben nur 10 Minuten Redezeit nach der Geschäftsordnung!) Das heißt, es darf hier keine Pauschalverurteilung geben.

Ich kann auch zu diesem Problem objektiv sprechen, da ich nie Sekretär war. Herr Abgeordneter Haider war immerhin Landesparteisekretär – es ist auch etwas aus ihm geworden –, er hat vielleicht andere Erfahrungen gemacht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Ich weiß nicht, ob es diese Erfahrungen sind, die ihn zu solch eigenartigen Formulierungen – wie beispielsweise, "daß der Mächtige ein Trottel sei, der einen Trottel zum Sekretär bestelle" – in diesem Antrag gebracht haben. Ich muß schon sagen, das ist eine Sprache, die ich in einem Antrag in diesem Parlament noch nie gefunden habe. Das ist eine Pauschaldiffamierung, die sich selbst richtet. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde weiters noch etwas zitieren, was vielleicht nicht ganz uninteressant ist und die geschätzten Kollegen aus Kärnten betrifft – einem Land, in dem wir die Praxis der FPÖ sehen können. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Bei der einzigen Gelegenheit der FPÖ, zu zeigen, wie sie die Regierung in der Praxis umstellen will, wurde ein blau-schwarzer Pakt geschlossen. In diesem Pakt steht, daß die FPÖ außerdem den Vorsitz bei der Kärntner Wirtschaftsförderung erhält – von Ausschreibung habe ich nichts gefunden –, weiters den Vorsitz bei der neuzugründenden Landesholding – also von Ausschreibung habe ich auch da nichts gefunden –, Ämter wie jenes des Präsidenten des Landesschulrates, des ORF-Kuratoriumsvorsitzenden, des Intendanten des Landesstudios Kärnten und eine ganze Reihe anderer, noch nicht genannter Ämter und Funktionen. – Das ist die Realität! Alles andere sind nur schöne Worte.

Wir Sozialdemokraten haben im Einvernehmen mit dem Koalitionspartner gehandelt. Bundeskanzler Klima hat einen Katalog mit fünf Punkten vorgelegt, auf dem aufbauend wir eine saubere, klare, geordnete Struktur auch für die Einkommen in Österreichs Wirtschaft und in der österreichischen Verwaltung festlegen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. Seine freiwillige Redezeit beträgt 9 Minuten. – Bitte.

15.54

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Nowotny! Jedesmal, wenn Sie ans Rednerpult gehen und über die Nationalbank debattieren, sagen Sie, daß die Freiheitlichen den Schilling in Gefahr bringen. Sie selbst aber sind drauf und dran, mit 1. 1. 1999 den Schilling abzuschaffen und an dessen Stelle den Euro zu implantieren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Richtig!)

Herr Abgeordneter Nowotny! Was Sie über die Frage der Rücklagen gesagt haben, können Sie als Professor der Wirtschaftswissenschaften nicht wirklich ernst meinen. Rücklagen werden neu berechnet! – Nein, Herr Professor Nowotny! Gestehen Sie ein, daß Sie im Jahr 1992 hier die Unwahrheit gesagt haben, als Sie uns diesen Vorwurf gemacht haben. Diese Rücklagen werden nun um 12 Milliarden Schilling reduziert und dem Bundesbudget zugeführt. Wir haben nie etwas


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anderes in diesem Haus verlangt. Man muß zwischen Rücklagen und Rücklagen unterscheiden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Professor Nowotny! Gott sei Dank war ich nicht Student bei Ihnen. Gott sei Dank! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Es gibt nämlich mehrere Arten von Rücklagen, unter anderem Pensionsrücklagen (Abg. Dr. Nowotny: Was ist mit denen?) , auf die wir Bezug genommen haben. Es gibt auch andere Rücklagen, nämlich Währungsreserven, die Sie jedesmal in die Diskussion einbringen, während wir die Pensionsrücklagen, die wir nicht mehr brauchen, gemeint haben. Diese Rücklagen werden nun laut "Pressedienst" vom 14. Mai auf Beschluß der Koalitionsparteien zur Hälfte verbraucht, indem sie dem Bundesbudget zugeführt werden.

Herr Professor Nowotny! Seien Sie wenigstens ehrlich und geben Sie zu, daß Sie im Jahr 1992 hier die Unwahrheit gesagt haben! (Abg. Böhacker: Er hat sich geirrt!) Sie haben sich geirrt – sagen Sie wenigstens das! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber sagen Sie nicht jedesmal, wir Freiheitlichen würden den Schilling und die Notenbank in Gefahr bringen und so weiter. (Abg. Dr. Nowotny: Sie haben’s nicht verstanden!) Herr Professor! Sie haben mich nicht verstanden. Ich habe das sehr genau verstanden, und die Öffentlichkeit versteht das sicher auch.

Ich möchte weiters auf den hier in den Raum gestellten Vorwurf, wir hätten die Absicht, die Nationalbank zu zerschlagen, eingehen. – Nein, wir haben die Absicht, die Oesterreichische Nationalbank neu zu gründen. Denn wir halten es für unverantwortlich, wenn die österreichische Notenbank mit einer Eigentümerstruktur, wie sie sie derzeit aufweist, in den nächsten Jahren weiterarbeitet.

Neben der Republik, die 50 Prozent der Anteile hält, gibt es weitere illustre Namen auf der Liste der Eigentümer: die Raiffeisen-Zentralbank, den Gewerkschaftsbund, die PSK hält die "Konsum"-Anteile, die Bundeskammer – alles schön im rot-schwarzen Strickmuster. Eine Bank Austria-Tochter hält Anteile der Sozialistischen Partei Österreichs, die treuhändig "zwischengeparkt" worden sind. Das ist in Europa einmalig, daß die Aktionäre einer Notenbank politische Gruppierungen sind! Weitere Anteile halten: die Bundesländer-Versicherung, die Industriellenvereinigung, der Pensionsfonds der Landeslandwirtschaftskammern – ich habe davon in Niederösterreich noch nie etwas gehört, aber die niederösterreichische Landeslandwirtschaftskammer hält ebenfalls über ihren Pensionsfonds Anteile an der Notenbank –, die Erste Niederösterreichische Brandschaden-Versicherung – wie überhaupt sehr viele Niederösterreicher dabei sind –, die Wiener Städtische, die – schon wieder Niederösterreich – Raiffeisenbank Niederösterreich, die Kathrein-Bank und so weiter, insgesamt ein Nominalwert von 75 Millionen Schilling.

Herr Professor Nowotny! Sie werden der Öffentlichkeit auch die Rückabwicklung der sogenannten 12,5 Prozent, die die SPÖ im Eigentum hatte, erklären müssen. Sie wurden, damit es nicht so auffällt, bei einer sogenannten SPÖ-nahen Institution "geparkt", die nun um 100 Millionen an eine unbekannte Tochter der Bank Austria verkauft worden ist.

Meine Damen und Herren! Ich habe mir das näher angesehen. Im Jahr 1955 wurde die Notenbank gegründet. Dieser Gründungsakt ist im Firmenbuch des Landesgerichtes Wien dokumentiert. Darin sind alle Aktionäre angeführt. Die SPÖ hat also 12,5 Millionen aus ihrer Kasse entnommen – sonst wäre es nicht gegangen, da es eine Bargründung gewesen ist – und diese der zu gründenden Notenbank überwiesen. Nun hat die SPÖ insgesamt nicht nur die bereits erwähnten 100 Millionen, sondern, da vorher schon zweimal abgeschichtet worden ist – einmal bei der BAWAG und ein kleiner Teil bei der PSK –, insgesamt rund 200 Millionen lukriert. (Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine Verzinsung!) Herr Kollege Notwotny! Das könnten Sie Ihren Studenten sagen, es wäre interessant: 12,5 Millionen im Jahr 1955 ergäben mit einer 4prozentigen Verzinsung bis zum heutigen Tage rund 65 Millionen – die SPÖ hat nun insgesamt 200 Millionen kassiert!

Herr Finanzminister! Das wäre eigentlich ein Vorgang, den auch die Finanzbehörde überprüfen müßte. Es ist im Firmenbuch keine Bestätigung dafür auffindbar, daß diese 12,5 Millionen überhaupt geflossen sind. Ich nehme daher fast an (Abg. Dr. Haider: Daß sie nichts gezahlt haben!) , daß ganz einfach eine sogenannte interne Umbuchung der bereits bestehenden Notenbank mit


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der Umgründung in eine Aktiengesellschaft erfolgte, um der SPÖ 12,5 Millionen Nominale an Aktienkapital zu geben. (Abg. Mag. Stadler: So läuft das!)

Herr Bundesminister für Finanzen! Wenn das ein normaler Aktionär oder GmbH-Besitzer macht, ist es eine verdeckte Gewinnausschüttung, und der Betreffende hätte ein Strafverfahren am Hals und so weiter. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Das ist an sich für mich die Scheingründung einer Aktiengesellschaft gewesen, nämlich in dem Bereich, in dem nicht der Bund 50 Prozent besitzt. Ich glaube, daß der Bund das bezahlt hat, aber ob alle anderen auch wirklich bar einbezahlt haben, ist aus dem Registerakt – wir haben dreimal nachgeschaut – nicht verifizierbar.

Das ist nun wirklich ein Problem, da beim jetzigen Verkauf dieser Aktien eines zutage kommt – natürlich sind die Aktien, weil sie ein Jahr und einen Tag länger im Besitz waren, steuerfrei verwertbar, und die SPÖ kann die 200 Millionen Schilling ohne Probleme lukrieren –: Lukrieren kann die SPÖ das aber nur dann, wenn sie vorher auch wirklich der materielle Eigentümer war. Sie muß die Aktien bei der sogenannten ersten originären Gründung wirklich bezahlt haben. Herr Bundesminister! Das wäre ein Fall, den Sie wirklich untersuchen müßten. (Abg. Ing. Reichhold: Oder die Staatsanwaltschaft! – Abg. Haigermoser: Nicht müßten, sondern müssen! ) Denn es geht wohl nicht an, daß das Finanzamt zwar bei der Prüfung von – auch noch so kleinen – Betrieben, GmbHs und Aktiengesellschaften peinlich genau auf die Vorteile der einzelnen Aktionäre schaut, in diesem Fall aber nicht. Wenn es sich auch nur um ein Dienstauto oder irgendein anderes verstecktes Verrechnungskonto handelt, wird normalerweise beinhart nachgesehen, ob das eine verdeckte Gewinnausschüttung ist. (Abg. Mag. Stadler: Da müssen wir eine Finanzstrafanzeige gegen die SPÖ machen!)

Herr Bundesminister für Finanzen! Ich ersuche Sie, sich das anzusehen, denn es wäre der Skandal dieser Republik, wenn eine politische Partei 200 Millionen einsackte, ohne seinerzeit, im Jahr 1955, einen Schilling dafür aufgewendet zu haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister für Finanzen! Eine letzte Anmerkung, um von der Notenbank wegzugehen. Ich sage Ihnen, ein Problem bei der Struktur und der Debatte über die österreichischen Banken ist evident: Wir müssen uns endlich einmal trauen, Herrn und Frau Österreicher zu privaten Aktionären österreichischer Banken zu machen. Warum privatisieren Sie nicht alles, was möglich ist? Warum trauen Sie Herrn und Frau Österreicher nicht zu, private Aktionäre zu sein? Jetzt, beim Zwischenparken der Bank Austria-Anteile, wird schon wieder eingeschränkt und gesagt: wenn die Börse es zuläßt. – Haben Sie doch den Mut, zu privatisieren! Schauen Sie doch etwa in die Bundesrepublik Deutschland: Die Telekom-Aktie ist eines der gefragtesten Papiere. Der Markt ist aufnahmefähig.

Wir haben in Österreich an sich jede Menge Sparguthaben, aber wir haben eine erschreckend niedrige Realverzinsung dieser Sparguthaben. Sie müßten als Bundesminister für Finanzen doch daran interessiert sein, daß viele, viele kleine Aktionäre über die Banken in Österreich herrschen. Das würde der politischen Kultur, der Kultur innerhalb der Banken und auch der Kultur der dortigen Manager guttun. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dann würde dort endlich einmal auch leistungsorientiert bezahlt, denn die Manager müßten sich den Aktionären gegenüber verantworten, die nicht am Gängelband einer politischen Partei hängen, sondern die aufgrund einer grundsoliden, ökonomischen Überlegung handeln. Beenden Sie die ökonomische Scharlatanerie im Bankenbereich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Dkfm. Mühlbachler. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Das wird wieder eine Verteidigungsrede werden! Hast du heute wieder deinen Weihrauchkessel mit?)

16.04

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Haigermoser: Viele Leute sagen schon, er ist Ministrant! – Abg. Schwarzenberger: Er ist ministrabel!) Ich möchte schon einiges zur heutigen Dringlichen Anfrage, die seitens der FPÖ gestellt wurde, an


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merken. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Antrag, Herr Kollege!) Antrag, selbstverständlich, Herr Mag. Stadler!

Erstens möchte ich Ihnen folgendes sagen: Es wird der Eindruck vermittelt, als lägen die 24 Milliarden Schilling Pensionsreserven irgendwo im Keller herum (Abg. Mag. Stadler: Wo liegen sie denn?), und man bräuchte sie eigentlich nur unter den Steuerzahlern zu verteilen. Wie naiv!

Wenn Sie mit Ihrem Lamento unserer Währungspolitik, unserer Hartwährungspolitik tatsächlich Schaden zufügen, dann wiegt das beim kleinen Sparer mitunter wesentlich schwerer, als Sie das tatsächlich zu erklären imstande sind. (Abg. Haigermoser: Die Rede ist falsch angelegt! Das bringt nichts! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: So hilflos habe ich Sie schon lange nicht gesehen!)

Bedenken Sie bitte, daß es beispielsweise im Jahr 1995 1 552 Milliarden Schilling an Sparguthaben gegeben hat. (Abg. Haigermoser: Na und? Was heißt das jetzt?) Würde die Inflationsrate in unserem Staat infolge unvorsichtiger Politik beispielsweise um 2 Prozent (Abg. Böhacker: Ah so! 2 Prozent nur!) steigen, lieber Kollege Böhacker, dann hätte das auf die kleinen Sparer, denen anscheinend Ihr Interesse gilt und die unter Ihrem Schutz stehen, Auswirkungen in Höhe von über 30 Milliarden Schilling. Reden Sie also nicht von 24 Milliarden, wenn es allein bei den Sparern um 30 Milliarden Schilling oder mehr geht! Von der Entwertung der Einkommen der unselbständig Erwerbstätigen oder der Einkommen der selbständig Erwerbstätigen möchte ich gar nicht reden. (Abg. Böhacker: Kalte Progression!)

Ich glaube, Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Das merke ich im besonderen, wenn Sie von der Kontrollbank sprechen.

Liebe Freunde! Die Kontrollbank ist für euch eine Institution, die sich eigentlich erübrigen würde. Darf ich euch folgendes sagen: Mir geht es um die vielen kleinen Betriebe, die mit guten Produkten auf den internationalen Märkten unterzukommen versuchen.

Ein kleiner Mühlviertler holzverarbeitender Betrieb (Abg. Böhacker: Bist du da beteiligt?) ist endlich in der Lage, 150 Fertigteilhäuser in den Nahen Osten zu exportieren. Frage: Welche Bank in Österreich würde ihm auf den Auftrag hin tatsächlich einen Betriebsmittelkredit gewähren? (Abg. Böhacker: Das ist eine Frage der Kreditwürdigkeit!) – Mir ist keine bekannt, weil das Risiko, den Exporterlös tatsächlich zu realisieren, gerade im Nahen Osten sehr hoch ist. Das heißt also, der Unternehmer müßte eigentlich von diesem Exportauftrag sofort Abstand nehmen, weil er gar nicht in der Lage wäre, die Betriebsmittelkredite überhaupt zu realisieren. Das würde sich wiederum auf die Beschäftigungslage und auch auf die Ertragslage dieser kleinen Betriebe, denen wir dankbar sein müssen, auswirken. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wenn Sie was tun?) – Wenn wir ihnen keine Exportgarantien gäben. (Rufe bei den Freiheitlichen: Dafür brauchen wir doch nicht die Kontrollbank! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wer sonst als die Kontrollbank sollte die Exportgarantie geben? Sagen Sie mir, ob irgendeine Hausbank von sich aus in der Lage wäre, diese Exportgarantie abzugeben. (Abg. Böhacker: Warum nicht?) Sie reden immer nur von einem Teil, von einer Seite der Medaille. Sagen Sie mir, wer denn tatsächlich diese Exportgarantien übernehmen würde. Die Freiheitliche Partei vielleicht? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Der Herr Scholten!)

Noch etwas möchte ich euch sagen: Wenn es euch schon darum geht, in die Personalpolitik ein wenig Transparenz hineinzubringen, dann wäre es notwendig, diese Transparenz in der Personalpolitik auch einmal in den eigenen Reihen unter Beweis zu stellen. Nicht einmal in kleinsten Parteiorganisationen der "F" ist es möglich, diese Transparenz einzuführen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich darf einige Beispiele anführen. – Habe ich das Wort "Steuer" gehört? – Nein, "Steyr".

Es gibt doch bei uns in Oberösterreich ständig Konflikte zwischen der Parteibasis und der Parteispitze. (Abg. Böhacker: Wo? – Bei der ÖVP?) Nein, bei den Freiheitlichen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), so etwa auch in Steyr. Die Freiheitlichen von Steyr haben einen Wunschkandidaten nominiert, nämlich Herrn Wolfgang Fahrenberger. (Abg. Haigermoser: Farnleitner heißt der Mann!) Dieser ist aber nicht zum Zug gekommen, sondern es hat eine


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Einzelentscheidung des freiheitlichen Parteiobmannes von Oberösterreich gegeben, und diese Einzelentscheidung ist zugunsten von Frau Kollegin Elfriede Madl ausgefallen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie machen sich doch lächerlich mit Ihrer Argumentation!) Man liest, das einzige Kriterium wäre gewesen, daß sie ein Wochenendhaus in Steyr besitzt. (Abg. Aumayr: Das war ein Vorstandsbeschluß!) Ich könnte das natürlich noch weiter fortführen. Ersparen Sie mir bitte, die Peinlichkeiten zu wiederholen, die in der Zeitung immer wieder zu lesen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie schon davon reden, daß es in der Nationalbank Bezüge gibt, die dringend reformiert werden müßten, dann sage ich: Jawohl, das ist richtig! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kein Wunder, daß ihr verliert! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Österreichische Volkspartei hat ganz wesentlich an dieser Bezügepyramide gearbeitet. Arbeiten Sie einmal in Ihren Reihen das auf, was tatsächlich schon lange ansteht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Euch wird es nicht mehr lange geben!)

Liebe Freunde! Es ist doch interessant, was beispielsweise ein ehemaliger FP-Abgeordneter von sich gibt, nämlich am 12. Februar 1997. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Genieren Sie sich nicht vor den Zuhörern?) Nein, ich geniere mich nicht. Es muß doch endlich einmal gesagt werden, daß die sogenannte Sauberpartei selbst im Sumpf steht. Das muß doch einmal erwähnt werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Ja!)

Der FP-Abgeordnete Stöger wird, obwohl er einen Herzinfarkt erlitten hat, von den Freiheitlichen genötigt, auf seine Pension zu verzichten. Er tut es nicht, weil er ansonsten brotlos wäre. Er sagt aber, interessant für ihn sei, daß er von der Parteispitze dazu genötigt wurde, die Parteispitze selbst aber keine Anstalten macht, auf die Privilegien, deren Abschaffung Sie von den Freiheitlichen immer verlangen, zu verzichten. (Abg. Haigermoser: Einen Schwimmreifen für den Herrn Mühlbachler!) Weder Herr Achatz noch sonst irgendein Mann der oberösterreichischen Parteispitze verzichtet auf eine Pension oder auf Bezüge, die 60 000 S übersteigen. Bitte, geben Sie doch einmal ein gutes Beispiel! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sie reden immer nur von den Balken in den Augen der anderen und sehen selbst nicht mehr, was sich in Ihren Reihen abspielt. Sie sind blind geworden. (Abg. Haigermoser: Schweinsbraten und Knödel hat er auch gegessen!) Das sollte die österreichische Bevölkerung einmal erkennen. (Beifall bei der ÖVP.) Das Anliegen mag ein gutes sein, aber nicht die Präsentation der "F". (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag Stadler: Es ist schon ausgestanden!)

16.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Schweitzer: Bitte, ein Wort zu Mühlbachlers Rede!)

16.14

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kenne die Details der Angelegenheiten in der Steiermark oder in anderen Bundesländern nicht. Mir ist ein Punkt – wenn es schon extra verlangt wird – in der Rede des Kollegen Mühlbachler negativ aufgefallen, nämlich diese Art der "0/1"-Argumentation.

Herr Kollege Mühlbachler! Natürlich brauchen wir zum Beispiel Haftungsübernahmen in der Exportwirtschaft. Aber das heißt nicht, daß in der Kontrollbank alles so bleiben soll und kann, wie es ist. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das habe ich nicht gesagt!) Na ja, aber so ist es rübergekommen.

Diejenigen, die aufgepaßt haben, haben vielleicht bemerkt, daß ich zwischendurch zu den Kollegen der Parlamentsdirektion gegangen bin und meine Wortmeldung sozusagen verändert habe.

Mir ist es zuerst mit der Rhetorik so gegangen wie dem Kollegen Nowotny wahrscheinlich auch. Wenn ein Antrag oder ein Bericht mit den Worten "tragischer Selbstmord" und so weiter beginnt, dann stellen sich bei mir auch gleich alle Haare auf. Das gebe ich schon zu. Mit dieser Rhetorik kann ich absolut nichts anfangen. Wenn man dann aber davon abstrahiert und das zum Teil auch überliest – was ja mit dem späteren Antrag zum Teil kaum etwas zu tun hat oder jedenfalls


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nicht unmittelbar nachvollziehbar etwas zu tun hat –, also den Antrag als solchen nimmt, dann, meine ich, ist er unter dem Strich durchaus vertretbar. Es ist schließlich kein Initiativantrag, sondern ein Wunsch an die Bundesregierung, etwas vorzulegen, was die Bundesregierung sowieso vorlegen wird. (Abg. Dr. Khol: Natürlich!) Insofern paßt es gut in diese mehr oder weniger geniale Politik der Freiheitlichen, vorauszuahnen, was ohnehin kommen wird, und geschwind einen Antrag zu diesem Thema zu stellen. Dann wird natürlich in der einen oder anderen Form der eine oder andere Punkt der Freiheitlichen durchaus berücksichtigt werden – und schon hat man einen politischen Erfolg. Das ist an sich leicht zu durchschauen. Ich frage mich nur, warum wir so ungeschickt sind und das nicht selbst öfter machen. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Und wie beantworten Sie diese Frage, Herr Kollege? (Heiterkeit.)

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Da muß ich noch nachdenken, Herr Präsident!

Ganz kurz: Das wesentliche im ersten Teil vor dem Antrag scheint mir Punkt I zu sein, der mit dem Titel "Die Kontrollore kontrollieren sich selbst" überschrieben ist. Wenn man sich die Institutionen und die Organe der Nationalbank anschaut, dann, meine ich, ist es nicht denkunmöglich – wie die Juristen sagen würden –, ist es also tatsächlich möglich, daß Interessenkonflikte zwischen Bank, Notenbank und Bundespolitik auftreten. Diese – ich sage ausdrücklich: potentiellen – Interessenkonflikte werden wohl hoffentlich bei der anstehenden Notenbankreform, die im Zuge der Europäischen Währungsunion sowieso kommen wird und kommen muß, berücksichtigt werden.

Daß dieses Problem gerade jetzt auftritt und nicht vor zwei Jahren aufgetreten ist, lieber Ewald Nowotny, dazu meine ich, daß man das nicht von Haus aus – entschuldige, wenn ich das sage – mit dem Totschlagargument "Ausbeutung des Todes des Herrn Praschak" benennen soll. Es gibt offenbar Phänomene, die man jahrzehntelang nicht zur Kenntnis nimmt, die aber plötzlich aufbrechen.

Beispiel Kontrollbank: Wir haben alle jahrzehntelang gewußt, wie problematisch die Struktur mit den Banken als Eigentümern, den Banken als Kunden und den Banken im Aufsichtsrat ist. Wie soll der Vorstand der Kontrollbank unabhängig agieren, wenn er doch abhängig ist, da seine Bestellung durch eben diesen Aufsichtsrat erfolgt, der wiederum ausschließlich von den Banken besetzt wird? – Das haben wir alle jahrzehntelang zur Kenntnis genommen. Doch plötzlich bricht – einerseits durch den Verkauf der CA an die Bank Austria, andererseits durch den tragischen Tod eines Vorstandsmitglieds der Kontrollbank – dieses Problem auf. Da wird man doch wohl darüber reden dürfen und darüber reden können, ohne daß man gleich mit dem Argument, daß es sich um Ausbeutung handle, bedacht wird.

Zu einem Punkt möchte ich noch etwas sagen, weil ich dazu schon selbst Stellung genommen habe, nämlich inwieweit beim Verkauf von Anteilen der Notenbank an Banken Parteienfinanzierung vorliegt. Im wesentlichen sind es Banken und Versicherungen. Wenn man sich den letzten Fall, den Verkauf von SPÖ-Anteilen an eine Tochter der Bank Austria, anschaut, dann muß ich sagen: Was soll denn da sonst vorliegen außer Parteienfinanzierung? – Es liegt doch auf der Hand, daß ein kommerzielles Interesse dieser Bank Austria-Tochter nicht vorliegen kann. Somit gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder handelt es sich um einen unmittelbaren und prompten Dank für den Verkauf der CA an die Bank Austria, oder – das ist die Variante Fifty-fifty-Parteienfinanzierung – die Bank Austria hat ein Interesse daran, in den Organen der Notenbank entsprechend vertreten zu sein.

Wenn dieses Argument aber zutrifft, ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) In dem letzten Fall waren es ja "nur" – unter Anführungszeichen – 100 Millionen Schilling. Aber daß das kommerziell nicht vertretbar sei, hat noch niemand behauptet, selbst die Bank Austria nicht. Wenn es aber – das war mein Argument – kommerziell nicht vertretbar ist, selbst wenn man diese Parteienfinanzierungsgeschichte ausklammert, dann, so meine ich, kann das Motiv nur in dem liegen, was Sie unter Punkt I beschreiben: die Einflußnahme auf die Notenbank. Da muß man


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darüber reden, ob das angemessen, sachdienlich und zweckmäßig ist. (Abg. Mag. Stadler: Das hat der Randa selbst gesagt!)

Ich glaube, Sie sind im Irrtum, wenn Sie den Punkt VI "Die Vermögensumschichtungen der SPÖ auf Kosten des Steuerzahlers" nennen. Der Steuerzahler kommt in diesem ganzen Spiel derzeit nicht vor. Die Frage ist, ob das aktienrechtlich vertretbar ist, was die Bank Austria gemacht hat. (Abg. Mag. Stadler: Beim Liegenschaftsvermögen schon!) Okay, das mag ein anderes Beispiel sein, das ich nicht kenne.

Zum Antrag selbst. Ich bin nicht mit jedem einzelnen Satz einverstanden, aber wenn man darauf bestünde, dann dürfte man selten überhaupt irgendwelchen Anträgen zustimmen. Ich habe meine Zweifel, ob die Fristsetzung bis 15. September richtig und notwendig ist. Ich habe auch meine Zweifel, etwa hinsichtlich des ersten Punktes, in dem Sie etwa davon sprechen, daß nur die Eigentümerstruktur der Notenbank nicht mehr zeitgemäß ist. Es ist nicht nur die Eigentümerstruktur, es ist die gesamte Struktur sämtlicher Organe der Notenbank, die im Zuge des Beitritts zur Währungsunion zu reformieren ist. Da besteht natürlich ein inhaltlicher Unterschied zwischen mir und Ihnen. Ich kann dem Antrag zustimmen, obwohl ich die Währungsunion sowohl erwarte als auch wünsche. Sie haben andere Motive. Aber das soll hier nicht unbedingt zur Debatte stehen.

Im übrigen entsprechen die Punkte, die Sie im Antrag nennen, zum Teil ohnedies den berühmten fünf Punkten des Bundeskanzlers Klima, was meine Vermutung von vorhin bestätigt: Man stellt einen Antrag, der in dieser oder anderer Form sowieso früher oder später so beschlossen werden wird.

Ganz unsicher bin ich mir hinsichtlich dessen, was Sie überhaupt mit der Pensionsreserve meinen, die Sie auflösen und im Grunde genommen abräumen wollen. Sie sagen ja selbst auf Seite 11 Ihres Papiers, daß diese Pensionsreserve eine Verpflichtung für den Fall abdeckt, daß die Notenbank, die Oesterreichische Nationalbank, durch Bundesgesetz aufgelöst wird. Das wollen Sie ja gerade! Dann muß wohl diese Pensionsreserve bestehen bleiben.

Noch einmal: Wenn es sich um einen Initiativantrag mit § 1, § 2 und so weiter handelte, könnte ich dem nicht zustimmen. Da es aber ein Antrag ist, eine Aufforderung an die Bundesregierung, etwas in dieser Richtung vorzulegen, finde ich, daß es ganz unproblematisch ist, diesem Antrag zuzustimmen. Ich bin gespannt, wie die Liberalen das Gegenteil behaupten werden. Das Ganze hat nichts damit zu tun, ob man die Währungsunion will oder nicht. Das ist eine Frage sui generis. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Madl gemeldet. Im Sinne der Geschäftsordnung bitte ich, zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt zu zitieren und dann den tatsächlichen zu formulieren. – Bitte.

16.23

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Kollege Mühlbachler hat in seinem Kabarettbeitrag behauptet, daß kein freiheitlicher oberösterreichischer Politiker auf seine Privilegien verzichtet und auch die uns selbst auferlegte 60 000-S-Grenze einhält. Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: Kein freiheitlicher oberösterreichischer Politiker verdient mehr als 60 000 S (Abg. Wurmitzer: Das stimmt nicht!), alle freiheitlichen Funktionäre haben auf ihre Dienstautos verzichtet, was man von den Funktionären von SPÖ und ÖVP nicht behaupten kann, und darüber hinaus haben alle freiheitlichen Landtagsabgeordneten sogar auf ihre Pension verzichtet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.24

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Dringliche Antrag hat für mich zwei Facetten: Die eine ist die umfangreiche Begründung dieses sogenannten Sittenbildes – wie der Jörg das gerne bezeichnet – der österreichischen Bankenlandschaft. Da liegt tatsächlich einiges im argen, und ich meine, daß nicht oft genug auch hier darüber diskutiert werden kann, welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt.

Wir sind doch sicher alle einer Meinung darüber, daß ein Funktionär, ein Vorstand, am liebsten keinen Eigentümer hat. Eigentümerloses Vermögen, das ihm verantwortet ist, ist ihm am liebsten. Er kann sich so benehmen, als wäre er selbst der Eigentümer, hat aber die Konsequenzen und die Verantwortung eines Eigentümers – nämlich den Verlust des Vermögens – nicht zu tragen.

Am zweitliebsten ist ihm, wenn er dieses Idealbild nicht haben kann, ein öffentlicher Eigentümer, weil dieser manipulierbar ist und wiedergewählt werden möchte. Er ist Einflüssen ausgesetzt, die sozusagen dem Funktionär in seiner Rolle entgegenkommen. Er hat mit anderen Worten mit dem öffentlichen Eigentümer leichtes Spiel.

Das dritte, was er wünscht, wenn er auch das nicht erreichen kann, ist eine möglichst breite Streuung, so daß das Eigentumsrecht so stark zerstückelt ist, daß es sich nicht wirklich effektiv auf sein Funktionärsleben auswirken kann.

Erst dann, ganz zum Schluß, wenn es nicht anders geht, wird er einen Eigentümer akzeptieren, der die Eigentumsrechte und die Eigentumsinteressen auch tatsächlich geltend macht. Dieser Zustand – und nur dieser – wird uns wirklich einen entscheidenden Schritt weiterbringen.

Wenn wir daher in unserer Republik in diesem halbstaatlichen Bereich, sei er in der Energieversorgung, sei er im Bankenbereich, sei er in verschiedenen anderen dazwischenliegenden wirtschaftsnahen und zum Teil auch zentralen Wirtschaftsbereichen – Banken, Bankwesen und Finanzdienstleister sind wirklich ein Kern im Wirtschaftsleben –, eine solche Eigentümerstruktur nicht zustande bringen, dann werden diese Mißstände, wie sie hier richtigerweise beschrieben sind, weiter bestehen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben anläßlich der CA-Fusion groß getönt, Sie werden sofort das Sparkassengesetz novellieren. (Abg. Dr. Lukesch: Warum haben Sie dem Verkauf der CA an die Bank Austria zugestimmt?) Lieber Herr Kollege! Wo ist denn Ihr Antrag? Sie haben in der Zwischenzeit alles wieder aufgegeben. Sie wissen, daß es auch Ihre eigene Klientel träfe. Im ersten Zorn hatten Sie es vergessen, und jetzt, Herr Professor Lukesch, sind Sie wieder ganz klein mit Hut und machen das, was Sie jahrzehntelang gemacht haben: Sie bedienen sich des Systems und machen sich die Vorteile zunutze. (Beifall beim Liberalen Forum. – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Selbstverständlich dürfen Sekretäre alles werden. Es ist nicht verboten, Sekretär eines Ministers zu sein. Sie, Herr Lukesch, hätten wahrscheinlich nicht das Talent dazu. Aber auch Sie dürften Sekretär eines Ministers werden. Wenn Sie dann Sekretär waren, dann steht Ihnen natürlich auch jede andere Karriere in diesem Land zu. Das ist selbstverständlich. Aber, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, Sie werden sich sagen lassen müssen, daß die Automatik, daß sozusagen das Sekretärsein per se dazu legitimiert und andere Qualifikationen ersetzt, nicht gut aussieht. (Abg. Dr. Lukesch: In Ihren Reihen!) Das ist zu augenscheinlich. Dazu ist diese Besetzungsliste zu richtig. Sie ist nicht einmal vollständig, aber sie ist einigermaßen überschaubar und sie ist sehr informativ.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Das haben Sie hier zu vertreten. Sie haben es gemacht und haben den Betroffenen darüber hinaus einen Bärendienst erwiesen. Warum? – Selbst wenn diese Männer und Frauen Spitzenleute sind und Spitzenleistungen erbringen, werden sie als solche nie anerkannt werden, weil das Ausleseprinzip nicht objektivierbar ist. Sie werden sich immer wieder vorhalten lassen müssen, daß sie diese Position nur be


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kommen haben, weil sie Sekretär eines Ministers waren oder ein anderes politisches Amt innehatten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Solange dieser Zustand, daß wir hier Privateigentum und dort Unternehmer haben, die dann in ihrer Verantwortung richtig oder falsch, aber immer mit Konsequenzen handeln, aufrechterhalten wird, so lange ist natürlich der Fünf-Punkte-Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers tauglich. Er ist aber das Minimalerfordernis. Warum er so stolz darauf ist, verstehe ich nicht. Der Herr Bundeskanzler geht her und sagt: Schaut, was ich Tolles mache! Ich werde ausschreiben. – Es geht mir nicht in den Kopf, daß er das noch laut sagt. Er müßte ja verschämt sagen: Ich bin schon so lange Minister, und bisher haben wir noch nicht lückenlos ausgeschrieben. – Schande, kann ich nur sagen! Schande! Es ist nicht politische Hygiene, eine Ausschreibung zu vermeiden! Selbstverständlich braucht man einen standardisierten Dienstvertrag und Drittvergleichsregelungen.

Zu dem, was der Herr Bundeskanzler hier großartig als "Errungenschaft" und als "Verbesserung" verkauft hat, möchte ich sagen: Das ist ja die Mindestnorm! Das würde sogar in jeder Bananenrepublik zum Standard gemacht werden und nicht nur in Österreich, so hoffe ich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Nun komme ich zum zweiten und eigentlichen Teil dieses Antrages, zur Nationalbank. Ich glaube, daß all jene Anliegen, die hier vertreten werden, mit Ausnahme eines einzigen zu unterstützen wären. Es tut mir bis zu einem gewissen Grad direkt leid, daß ich diesem Antrag nicht zustimmen kann. Ich meine aber – abgesehen von den Punkten, in denen man eine Neukodifizierung des Dienstrechtes plant; auch wenn jetzt durch die Pyramide ein Eingriff erfolgt, das hat damit nichts zu tun –: Wir wissen, daß wir ein neues Nationalbankgesetz brauchen. Auch ich bin der Meinung, daß die Eigentümerstruktur ein Austriacum ersten Ranges und überhaupt nicht mehr verständlich ist.

Wie diese Eigentümerstruktur im Jahre 1955 zustande gekommen ist, ist für mich schwer nachzuvollziehen. Wer, welches Gehirn hat sich das ausgedacht und mit welcher Begründung? Nur damit man sagen kann: Nein, die Republik ist es nicht!? – Das ist doch eine Augenauswischerei ersten Ranges! Da haben Sie Gebietskörperschaften, Interessenvertretungen und auch noch Pleitiers drin – und das für die Oesterreichische Nationalbank. Meine Damen und Herren! Darauf stolz zu sein, ist nicht berechtigt! Wir brauchen ein neues, umfassendes Nationalbankgesetz! Auch die Währungsumstellung zum 1. Jänner 1999 bedingt das. In diesem neuen Nationalbankgesetz sollen und werden – so hoffe ich – diese Punkte und Anliegen ausreichend berücksichtigt werden.

Ich verstehe schon oder ich glaube zumindest zu verstehen, was hinter dieser Idee, auflösen und neu gründen, steht. Es ist sozusagen der Paukenschlag, mit dem man sagt: So, damit wäre ich mit einem Schlag alle alten Bande los, ich bekomme dann mehr Spielraum! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Jörg, im Gegensatz zu dir bin ich der Meinung, daß auch die Opposition ein Signal an die Bevölkerung, an die Betroffenen zu geben hat, das Vertrauen stärkt, das aber nicht tendenziell geeignet ist, Vertrauen zu erschüttern. Wenn man gerade jetzt in der Phase der Währungsumstellung sagt: Lösen wir die Nationalbank auf und gründen wir sie neu!, wird eine unnotwendige, zusätzliche Verunsicherung in die Bevölkerung hineingetragen. Das ist, so meine ich, nicht zu vertreten und nicht zu verantworten.

Als Ultima ratio könnte ich mir, wenn es durch eine Novellierung des Nationalbankgesetzes nicht gelingen würde, diese berechtigten Anliegen zu verwirklichen, vorstellen, daß wir nach der Währungsumstellung, sozusagen in ruhigem Wasser, einen solchen Radikalschritt setzen. Zum heutigen Zeitpunkt ist das, so meine ich, auch von einer verantwortungsbewußten Opposition nicht zu vertreten und nicht zu begrüßen. Daher werden wir diesem Antrag bedauerlicherweise unsere Zustimmung nicht geben können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Auf jeden Fall werden wir – gemeinsam mit den Freiheitlichen und den Grünen – dieses Thema nicht einschlafen lassen. Aber ich verwahre mich genauso dagegen, daß man sagt: Über die Nationalbank diskutieren heißt den Schilling gefährden, heißt der Republik Schaden zufügen wollen – oder andere Ausreden mehr. Dazu, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben Sie diesen Karren – einschließlich der Pensions


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reserve, einschließlich der Bezüge, einschließlich der Struktur – zu tief in den Dreck gefahren. Das stinkt gewaltig, und das wissen Sie. Sie kennen die Nationalbank gut genug. Kenner der Nationalbank, Insider der Nationalbank geben das, wenn sie ehrlich sind und sich nicht selbst in den Sack lügen, auch zu. Das betrifft nicht nur die Privilegien, sondern selbstverständlich auch die Effizienz und das Rollenverständnis.

Wir wissen, daß allein schon die Struktur in den Organen nicht zeitgemäß ist. Andere Länder lachen über uns in diesem Punkt und sagen: Schaut, wie die Österreicher das machen!, nur damit Rot und Schwarz schön brav nebeneinander Platz haben und einander nicht allzusehr auf die Nerven gehen.

Ich komme zum Schlußsatz, Herr Präsident. Wir können bedauerlicherweise diesem heutigen Antrag nicht zustimmen, werden aber darauf achten, daß der Sinn und der Inhalt dieses Antrages weiterhin aktuell bleiben und umgesetzt werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dr. Haider: Du hast gerade noch die Kurve gekratzt!)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Rossmann gemeldet. Ich mache auf die vorhin gemachten Bemerkungen hinsichtlich tatsächlicher Berichtigungen aufmerksam. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.35

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Kollege Mühlbachler hat behauptet, daß weder die Parteispitze noch andere in der FPÖ auf Pension oder Abfertigung verzichten. Ich berichtige tatsächlich: Diese Behauptung ist mehrfach unwahr! Wahr ist vielmehr, daß die Parteispitze in der Person des Parteiobmannes Dr. Haider bereits dreimal auf eine Abfertigung in der Höhe von zirka 1,5 Millionen Schilling verzichtet hat, was dem Rechnungshofbericht zu entnehmen ist. Das scheint Ihnen entgangen zu sein.

Weiters berichtige ich tatsächlich, daß es in der Steiermark generell keine Abfertigungen gibt und daß Landtagsabgeordneter Peinhaupt bereits seit zwei Legislaturperioden auf seine Pension verzichtet. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Er hat von der "Parteispitze oder anderen" gesprochen.

Weiters berichtige ich tatsächlich, daß drei weitere neue freiheitliche Abgeordnete in der Steiermark auch auf die Pension verzichten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Liberalen und Grünen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Die Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte.

16.37

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bundeskanzler Klima liegt ein umfassender Dringlicher Antrag vor, in dem alle Vorfälle hinsichtlich Postenschachers und Freunderlwirtschaft penibel aufgelistet sind. Er aber singt hier in seinen Ausführungen ein Loblied auf die ach so tüchtige Oesterreichische Nationalbank. Die Frage wird erlaubt sein: Rechtfertigt diese teilweise lobenswerte Arbeit, daß sich diese Oesterreichische Nationalbank in einen Privilegientempel verwandelt hat, der seinesgleichen in Österreich sucht?

Der Herr Bundesminister für Finanzen lobt die maßvolle Lohnpolitik des ÖGB in Österreich und vergißt dabei – wahrscheinlich deshalb diese Dankabstattung –, daß nicht nur die SPÖ Anteile – ob rechtlich oder weniger rechtlich, das wird noch zu prüfen sein – erhalten hat, sondern auch der Österreichische Gewerkschaftsbund bei dieser Scheingründung mit 12,5 Millionen Schilling oder 8,33 Prozent dabei war. Es wird auch zu prüfen sein, ob die Vertreter des Österreichischen Gewerkschaftsbundes im Jahr 1955 tatsächlich eine Zahlung geleistet haben. Sie werden das Geld, so nehme ich wohl an, dringend brauchen, denn es werden ihnen auch in Zukunft die Mitglieder in Scharen davonlaufen.


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Universitätsprofessor und Abgeordneter Nowotny meinte heute, es wären hochqualifizierte Personen in der Oesterreichischen Nationalbank tätig. Da muß ich schon fragen: Arbeiten in allen anderen Finanzbereichen in Österreich vielleicht nicht qualifizierte oder weniger qualifizierte Leute? Sind es nicht gerade sie, die auch unter einer verfehlten Politik der Nationalbank leiden? Ihnen wird nahezu täglich ausgerichtet, daß sie um ihren Arbeitsplatz zittern müssen, denn es gäbe in diesem Bereich ja rund 20 000 bis 30 000 Mitarbeiter zuviel. Aber nicht ein einziger Mitarbeiter im Bankenbereich trägt dafür die Verantwortung, sondern in erster Linie die Bundesregierung, die in bezug auf eine Liberalisierung der Außenstellen sehr großzügig war und gesagt hat: Macht überall – ähnlich wie bei einem Würstelstand – eine Bankfiliale auf. Heute werden diese Filialen von den hohen Betriebskosten geradezu erschlagen. Mitverantwortlich sind auch die Vorstandsdirektoren, die zum Teil in der Oesterreichischen Kontrollbank oder sonstwo sitzen und – man höre und staune – für die Unternehmen, in denen sie sitzen, eine 45prozentige Dividende von der Kontrollbank kassieren, die auf Steuermittel zurückgreift, um Schulden abzudecken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder meint Herr Universitätsprofessor Nowotny etwa, daß es sich deshalb um hochqualifizierte Personen handelt, weil alle – ich glaube, zu 100 Prozent – Rot oder Schwarz zuordenbar sind? – Das allein scheint also die "hohe Qualifikation" in der Nationalbank zu sein. Da kann ich nur staunen!

Viele erkennen, daß dieses System nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Herr Professor Nowotny aber geht her und verteidigt ein Ostblocksystem.

Er hat auch Kärnten erwähnt. Dazu kann ich ihm nur sagen: In Kärnten üben wir große Toleranz. Bis zum heutigen Tage ist Herr Metelko aus dem Bundesland Kärnten Vorsitzender des ORF-Kuratoriums, und keiner hat gesagt, er muß diese Funktion aufgeben, nur weil er eine vernichtende Wahlniederlage erlitten hat!

Der Herr Bundeskanzler erwähnte fünf Punkte, die eigentlich in einem Rechtsstaat, in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit sein sollten, nicht erst dann, wenn sich jemand aus dem Vorstand der Kontrollbank auf dramatische Weise das Leben nimmt. Das sind die Dinge, worunter wir leiden.

Oder: Die Verfehlungen und das Fehlverhalten der Nationalbank sind auch in der Frage des Wettbewerbs nachvollziehbar. Da gibt es etwa das "Kartell der Großen", es wird im Antrag so bezeichnet, ich würde aber eher vom "Klub der Meineidbauern" sprechen, die wir in Österreichs Bankwesen kennen. Als Beispiel bringe ich die Rieger Bank AG, die bereits mit Bescheid vom 2. Dezember 1982 eine Konzession für das Devisen- und Wechselstubengeschäft erhalten hat. Diese wartet noch immer auf die Devisenhandelsermächtigung. Die Rieger Bank brachte, da sie diese nicht erhalten hat, am 15. Juni 1990 eine Amtshaftungsklage ein. Dabei geht es immerhin um einen Betrag von 450 Millionen Schilling. Allein die Kosten für die Rechtsvertreter belaufen sich in der Zwischenzeit auf 20 Millionen Schilling. Jetzt möchte ich wissen: Werden diese Beträge die Verantwortlichen in der Oesterreichischen Nationalbank bezahlen, oder werden wiederum die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden?

Man spricht immer von hochqualifizierten Sekretären und von Ministern, die versorgt werden müssen. Diese bräuchten sich doch vor einer öffentlichen Ausschreibung nicht zu fürchten und hätten dort unter Umständen eine Chance.

Aber das Beschämendste an dieser ganzen österreichischen Bankenlandschaft, die eine einzige geschlossene Gesellschaft ist, ist – ich glaube, das gibt es auf der ganzen Welt nicht –, daß sich Bankdirektoren gegenseitig bestellen. Der eine Direktor wird zum Vorstandsdirektor gewählt, und am nächsten Tag sitzt er als Aufsichtsrat in der anderen Bank und bestellt seinen Kollegen, der ihn vorher bestellt hat. Dieses System gibt es wirklich nur bei uns, und das gehört sehr rasch abgestellt. Das ist notwendig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eines sei an die Adresse des Österreichischen Gewerkschaftsbundes gerichtet, dem ich auch etwas mitgebracht habe. Herr Verzetnitsch ist nicht da, vielleicht putzt er sein Penthouse, aber das hätte ich ihm gerne gezeigt. (Der Redner zeigt eine Tafel mit Daten betreffend die Oesterrei


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chische Nationalbank. – Mag. Peter steht in einer der Ausgangstüren des Plenarsaals.) Peter! Das kannst du lesen! (Abg. Dr. Haider: Peter, wenn man nicht am Platz sitzt, keine Zwischenrufe! – Weitere Zwischenrufe.)

Sie können es lesen, lieber Herr Abgeordneter Peter! Der Lehrling lernt von seinem Meister! Ich werde es genau erzählen. Ich frage mich, wozu der Österreichische Gewerkschaftsbund heute überhaupt noch notwendig ist, wenn er zuläßt, daß ein Privatangestellter durchschnittlich 15 Millionen Schilling im Laufe seines Lebens verdient, während Herr Kommerzialrat Adolf Wala 100 Millionen Schilling verdient. Noch empörender wird es, wenn man die Pensionszahlungen gegenüberstellt. Die Pensionszahlungen bei 18 Jahren Pension betragen bei einem Privatangestellten 5 Millionen Schilling, bei Kommerzialrat Wala 85 Millionen Schilling. Die Vertreter des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, die so etwas zulassen, sollen sich schämen!

Ich würde mir wünschen – und jetzt weiß ich, warum der Kollektivvertrag bei der Nationalbank so geheimnisvoll unter Verschluß gehalten wird –, daß alle im Reinigungsdienst beschäftigten Österreicherinnen und Österreicher das Bruttogehalt hätten, das ihre Kollegen in der Nationalbank haben, nämlich durchschnittlich rund 30 000 S 15mal im Jahr. Daran sollten die Herren einmal denken, wenn sie diese Beschlüsse fassen. Das ist eine Systemverteidigung wie im Ostblock! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Frieser zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Haselsteiner: Frau Frieser, was werden Sie uns erzählen?)

16.44

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Haselsteiner! Bleiben Sie gelassen, Sie kommen sicher vor. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Leider ist die Vorgangsweise des Herrn Dr. Haider und der Seinen immer dieselbe: Sie zeigen Mißstände auf, weisen auf Fehlentwicklungen hin. (Abg. Dr. Krüger: ... hat es als vorbildlich bezeichnet!) Die Diagnosen sind stellenweise sogar richtig, aber die Therapien führen sicher nicht zur Gesundung, sondern, wie in diesem Fall, eher zu einem letalen Ende.

Konsequent zu Ende geführt bedeutet dieser Antrag eben nicht eine Reform der Nationalbank, sondern deren Zerschlagung. Darin haben Sie, Herr Haselsteiner und auch Kollege Nowotny, mir nahezu recht gegeben.

Eine Verwirklichung in dieser Form, nämlich die Auflösung und Neugründung der Notenbank beziehungsweise die Auflösung der Reserven (Abg. Dr. Krüger: Das könnte die ÖVP auch immer wieder machen: auflösen und neu gründen!) , wäre eine gefährliche Drohung für die österreichische Wirtschafts- und Stabilitätspolitik. Meine Damen und Herren! Daher werden wir von der ÖVP diesem Antrag nicht zustimmen, zumal keine Dringlichkeit besteht und die Regierung im Zuge des Beitritts zur Währungsunion bereits Reformvorschläge ausarbeitet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Die ÖVP hat sich auch neu gegründet!)

Meine Damen und Herren! Aber eines ist leider nicht zu übersehen und auch nicht wegzudiskutieren. Seit 1970, seit die Sozialdemokraten den Bundeskanzler stellen, ist ihr Einflußsystem im Bankenbereich perfektioniert worden, und zwar ohne Schamgefühl und auch ohne Feigenblätter. Ich weise daher den Vorwurf des rot-schwarzen Proporzes auf das entschiedenste zurück (Abg. Dr. Krüger: Das war aber nicht ernst gemeint!) und fordere Sie auf, diesen Schlachtruf der FPÖ nicht eins zu eins zu übernehmen, Herr Kollege Peter! Sie sind doch ein mitdenkender Abgeordneter dieses Hauses. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich lese Ihnen jetzt die Sekretärsliste vor: Auracher, Cordt, Kothbauer, Kunz – ist da irgendein ÖVPler dabei? –, Lacina, Mailath-Pokorny, Mauhart, Sommerbauer, Reiter, Rudas, Scholten. (Abg. Dr. Haider: Sie haben schon lange keinen Bundeskanzler mehr gestellt! – Abg. Dr. Haselsteiner: Ihre Partei stellt schon lange keinen Bundeskanzler mehr!) Dann gibt es da einen Herrn


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Csaba Székely, und ich würde meinen, er wäre wirklich als Vorstandsmitglied für die Raab-Ödenburg-Ebenfurt-Bahn geeignet, denn er hat sicher Ungarisch-Kenntnisse mitgebracht. Daher verstehe ich eigentlich nicht, warum die FPÖ die Qualifikation des Herrn Székely in Frage stellt. Aber es lebe der große Unterschied!

Zurück zur Kontrollbank. Es ist richtig, Herr Praschak war Kanzlersekretär, Herr Scholten ist Minister außer Dienst. Aber, Herr Haider, ich kann mich nicht erinnern, daß ich dem Vorstandsdirektor Attems je als Ministersekretär begegnet wäre. (Abg. Mag. Stadler: Aber er ist schwarz!) Ich kann mich auch nicht erinnern, daß Schmidt-Chiari oder Liebscher (Abg. Dr. Krüger: Sie sind dem Zeillinger auch noch begegnet?) je als Ministersekretäre gedient hätten, wiewohl so mancher Minister ob dieser Sachkenntnisse sehr froh gewesen wäre. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diesen Haut-goût der Politversorgung werden wir nur mit einem Rezept bewältigen können, nämlich mit privatisieren, privatisieren und noch einmal privatisieren! Alle westlichen Industrieländer beschreiten diesen Weg. Nur wir in Österreich haben – und zwar unlängst durch den Take-over der CA durch die Bank Austria – einen entscheidenden Schritt rückwärts gesetzt! (Abg. Mag. Peter: Sie müssen privatisieren!)

Führen Sie sich zu Gemüte, wie internationale Fachleute diesen Sündenfall kommentieren. Ich darf Sie da auf die Coverstory des "Economist" mit der Überschrift "Death of a Bank" verweisen. Es sind gerade jene Kollegen aufgefordert, sich das vor Augen zu führen, die mit fliegenden Fahnen – da denke ich an Sie, Herr Haselsteiner – so unbedingt für den Kauf der CA durch die Bank Austria eingetreten sind. Die sollten sich diesen Artikel einmal zu Gemüte führen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Wenn die ÖVP nichts Besseres zusammenbringt, was bleibt dann übrig, als zuzustimmen?)

Meine Damen und Herren! Wir von der ÖVP haben konkrete Reformvorschläge vorgelegt. Aber wir sind nur für Reformen zu haben, die seriös sind. Unser Schwerpunkt bei diesen Reformen liegt bei der Kompetenz und beim Leistungsprinzip. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.50

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn ich so in diesem Haus herumschaue, dann sehe ich furchtbar viele Sekretäre und Sekretärinnen. Unser geschätzter Präsident dieses Hauses war auch einmal, soviel ich weiß, Klubsekretär. (Abg. Dr. Krüger: Aber er hat sich raufgearbeitet!) Herr Klubobmann Kostelka war, glaube ich, auch einmal Sekretär bei den Sozialdemokraten. Ich kann mich sogar noch gut an seine Arbeit erinnern. Ich kann mich auch an einen Rechnungshofpräsidenten erinnern, der, wie ich glaube, einmal Sekretär bei der ÖVP war.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, was ich von dieser Art der Darstellung halten soll. (Abg. Dr. Krüger: Vom Sekretär zum Generaldirektor!) Herr Krüger war nur Konzipient, wahrscheinlich bei einem ganz hochrangigen Rechtsanwalt, Sekretär war er vermutlich nie.

In diesem Dringlichen Antrag wird angeführt, daß Herr Auracher Sekretär bei Finanzminister Androsch war. Ich weiß nicht, ob Herr Androsch auch einmal Sekretär war, aber es ist einfach "unglaublich", "unverschämt" und eine "ganz schreckliche" Geschichte.

Wir haben in Österreich einen Bundeskanzler gehabt, der auch einmal Sekretär war. Zehn Jahre lang war dieser Mensch Bundeskanzler – und seine Qualifikation war Sekretär! Er war einmal Sekretär bei Androsch, also auch bei einem Minister.

Dann gibt es natürlich auch Kabinettchefs, die wiederum bei ehemaligen Sekretären Kabinettchefs waren und Pressesprecher. Herr Lacina war auch einmal Sekretär, und andere wiederum waren beim Herrn Lacina Sekretär.


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74. Sitzung / Seite 124

Meine Damen und Herren! Ich habe einen schrecklichen Verdacht. (Abg. Haigermoser: Der Wabl war auch einmal Sekretär!) Ich war noch nie Sekretär. (Abg. Haigermoser: Sie haben vielleicht einen Sekretär!) Richtig, ich habe einen Sekretär, und zwar einen ausgezeichneten. Ich würde ihm wünschen, daß er zumindest Abgeordneter wird, vielleicht wird er einmal Justizminister. Ich halte diesen Sekretär für einen ganz hochqualifizierten Mann.

Meine Damen und Herren! Ich habe den Verdacht, daß die Kriminalitätsrate bei den Sekretären ungefähr so niedrig oder so hoch ist wie bei den Bauunternehmern und bei den Waldbesitzern.

Meine Damen und Herren! Sie sollten sich einmal vergegenwärtigen, was hier passiert: Entweder sind diese Sekretäre alle Nieten gewesen, und deshalb mußten sie in andere Jobs kommen – dann sollten Sie einmal hier diese Behauptung aufstellen –, oder – und diesen Verdacht habe ich – es wird hier einfach ein Berufsstand diffamiert. Ich war nie Sekretär und werde auch hoffentlich niemals Sekretär werden. In meinem Alter würde man mich wahrscheinlich als Sekretär auch nicht mehr nehmen. (Abg. Dr. Krüger: Ein Lehrling kommt doch auch nicht gleich in den Vorstand!)

Ein Sekretär ist kein Lehrling, Herr Krüger! Das sollten Sie eigentlich wissen. Ein Sekretär ist in vielen Bereichen ein ganz besonderer Vertrauter, der mit hochqualifizierten Statements und Unterlagen arbeiten muß und der oft der heimliche Chef beziehungsweise die heimliche Chefin ist. Ich weiß nicht, ob Herr Stadler nicht auch als Sekretär angefangen hat. Nie? Aber ich glaube, der Haider war einmal Sekretär. – Jetzt ist es aus, die Republik ist letztendlich demaskiert: Der "Führer" Haider war Sekretär! – Ich sage nichts mehr. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Helmut Peter. – Bitte.

16.54

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Katzen lassen das Mausen nicht! Irgendwo gibt es in diesem Land zwei Wirklichkeiten: Die eine Wirklichkeit sind die Sonntagsreden – das, was wir hier von den Koalitionsparteien hören –, und die andere Wirklichkeit ist die Realität. Vor dieser rennen offensichtlich alle sozialdemokratischen Abgeordneten davon, weil sie nicht wissen, wie sie ihren Wählerinnen und Funktionären erklären sollen, daß es in Österreich geschützte Bereiche gibt, wo Verdienste und soziale Leistungen möglich sind, von denen die Menschen in der Wettbewerbswirtschaft nicht einmal zu träumen wagen. Wo sind die Abgeordneten der Sozialdemokratie? – Sie sollten sich dieser Diskussion stellen! Sie sind weggegangen, weil es ihnen unerträglich ist, das anzuhören, was in ihrem Einflußbereich letztlich passiert. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Österreich – Österreicher – Menschen in geschützten Bereichen: Das ist offensichtlich die Steigerungsform in diesem Land. Und gäbe es diese geschützten Bereiche ohne jeden Wettbewerb, ohne jeden Marktdruck, ohne den Druck der täglichen Leistung in der Arbeit nicht, dann gäbe es auch keine Pfründe zu verteilen. Und gäbe es keine Pfründe zu verteilen in Österreich, hätte das Parteibuch keinen Wert. Aber offenbar hat das Parteibuch in Österreich noch einen riesigen Wert, und offensichtlich gibt es noch jede Menge Pfründe zu verteilen: schwarze Pfründe offensichtlich weniger, das gebe ich schon zu, aber viele, viele sozialdemokratische Pfründe, denn schließlich regieren die Sozialdemokraten dieses Land seit 1971.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Stellen Sie sich doch dieser Frage! Laufen Sie bei der Diskussion nicht aus dem Plenum! Diskutieren Sie mit und stellen Sie fest, was wirklich los ist in einem Land, in dem Sie seit 1971 die Regierung führen! Hier gibt es geschützte Bereiche, die empörend und ein Schlag ins Gesicht für jene Menschen sind, die in der Wettbewerbswirtschaft arbeiten, wo um 100 S Gehalt gestritten wird. Auch die Pensionsregelungen haben letztlich Sie alle mitzuverantworten, weil Sie in den Aufsichtsräten gesessen sind. Sie haben diesen Pensionsregelungen zugestimmt. Und die Schwarzen waren natürlich mit dabei, weil sie auch etwas davon bekommen haben. – Das ist empörend für den Rest der Menschen in Österreich! Das muß einmal festgehalten werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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74. Sitzung / Seite 125

Meine Damen und Herren! Das Zweite, was ich schon nicht mehr hören kann, sind Ihre Privatisierungsschwüre. Das schrammt knapp an der Heuchelei vorbei! Ich höre immer: Privatisierung, Privatisierung. Ja, warum passiert denn nichts, bitte? Geben Sie doch diese geschützten Bereiche in private Hand, lassen Sie dort Wettbewerb zu, dann wird sich durch den Wettbewerb alles von selbst regeln. Dann wird selbstverständlich Druck entstehen, dann werden Aufsichtsräte gewählt werden, die wirklich Eigentümerinteressen vertreten. Und dann wird das Maß an leistbaren sozialen Leistungen, das im Sinne eines Bench-marking in einem Vergleich mit den Bestleistungen in anderen Ländern möglich ist, auch in Österreich einkehren.

Allerdings müssen Sie dann natürlich auf Macht verzichten. Sie müssen auf Einfluß verzichten, aufs Mauscheln verzichten: Diesen bringen wir da unter, und jenen bringen wir dort unter. Aber sich hier ans Rednerpult zu stellen und zu sagen, das ist alles nicht wahr – das ist die kontrollierte Schizophrenie! Anders kann man es wohl nicht bezeichnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich lehne es entschieden ab, erfolgreiche Persönlichkeiten in Österreich zu diffamieren, nur weil sie vorher Sekretär bei jemandem waren. Es gibt wirklich ausgezeichnete Persönlichkeiten darunter, Damen und Herren, die eine politische Funktion hatten und sich anschließend in ihrem Beruf wohl bewährt haben. Einige Namen wurden schon genannt. Ich frage mich, ob es nicht eigentlich eine Abwertung ihrer Persönlichkeit ist, wenn sie den Job nur gekriegt haben, weil sie halt das richtige Parteibuch gehabt haben: einmal ein schwarzes, einmal ein rotes. Man besetzt einen neuen CA-Vorstand – ja so ein "Zufall"! Wieder zwei Schwarze und wieder zwei Rote! Daß das passieren kann! – Das ist die kontrollierte Schizophrenie dieser Republik, die in der Sonntagsrede nach außen erklärt, das ist alles nicht so, und in Wirklichkeit findet tagtäglich die Machthaberei von zwei Parteien in diesem Land statt, die immer noch glauben, daß dieses Land ihnen gehört. – Das Land gehört nicht Ihnen! Sie dürfen diesem Land dienen, aber es gehört Ihnen nicht. Das sollten Sie sich, glaube ich, merken! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Oesterreichische Nationalbank leistet in Österreich ausgezeichnete Arbeit. Die Politik der Oesterreichischen Nationalbank hat dem Schilling zu einer Stabilität verholfen, auf die wir stolz sein können. (Abg. Dr. Ofner: Gott hab ihn selig!) Diese Stabilität ist heute in Gefahr, weil die Wirtschaftsdaten Österreichs schlecht sind. Solange man uns die Schilling-D-Mark-Bindung glaubt, wird die Stabilität des Schilling aufrechterhalten werden. Erich Schreiner sei ins Stammbuch geschrieben: Nur der Weg eines Währungstausches vom Schilling in den Euro wird die Stabilität des Schilling weiter aufrechterhalten.

Meine Damen und Herren! Diese Würdigung der guten Arbeit der Oesterreichischen Nationalbank hindert mich aber nicht daran, zu sagen, daß sie ein klassischer geschützter Bereich ist, in dem es soziale Privilegien und Gehälter, Pensionsregelungen, Abfertigungsregelungen, billige Wohnungen und so weiter gibt, was insgesamt doch wirklich für jeden Österreicher und jede Österreicherin, die in der Wettbewerbswirtschaft arbeiten, ein Schlag ins Gesicht ist!

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Ich meine, hier haben Sie Verantwortung: Nicht nur verschämt hinauszugehen bei der Debatte, sondern in Ihren Gremien dagegen aufzutreten und zu sagen: Ja, die Leistung der Nationalbank ist ausgezeichnet, aber nicht zu diesen Bedingungen und nicht um den Preis dieser sozialen Privilegien, die dort Platz greifen. (Abg. Koppler: Das hat Nowotny schon gesagt! – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Die Abschaffung der Nationalbank und die Neugründung halte ich persönlich für einen Faschingsscherz. In einer Zeit, in der die Stabilität des Schilling wirklich in Frage steht, dieses große Experiment in dieser Form zu machen, halte ich schlicht und ergreifend für falsch. Es mag sein, daß es gut rüberkommt, das kann schon sein. Es ist ein guter Sager, das gebe ich auch zu, aber es ist inhaltlich falsch. Ich glaube, wir müssen diesbezüglich in reformatorischen Schritten vorgehen und wirklich den Druck machen, der notwendig ist.

Abschließend an die Koalitionsparteien: Es wäre so schön, wenn Sie Ihre Schizophrenie ein bißchen ablegen und nicht nur das eine bei den Sonntagsreden sagen und dann das andere tun


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würden. Setzen Sie das, was Sie in den Sonntagsreden immer wieder beteuern, auch wirklich um! (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt noch Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Die zur Verfügung stehende Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte.

17.01

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat so getan, als ob er sich dazu herablassen würde, dem Parlament Rede und Antwort zu einem Dringlichen Antrag der Freiheitlichen zu stehen – so, als ob das eine besondere Leistung wäre. Er hat nur übersehen, daß er vom Gesetz her dazu verpflichtet ist; die Bundesregierung ist nämlich Adressat dieses Antrages.

Der Herr Bundeskanzler ist bereits entflohen. Der Herr Bundesminister hat es vorgezogen, das Thema nachrangig zu behandeln und lieber eine Zigarette zu rauchen. – Herr Bundesminister, ich will Ihnen die Zigarette nicht vermiesen, aber ich möchte Ihnen erklären, daß Sie offensichtlich den falschen Sekretär haben. Ich möchte Sie nur warnen, falls Sie ihn zu einem Generaldirektor machen wollen: Er scheint Ihnen nämlich eine falsche Rede geschrieben zu haben. Wenn Sie sich darüber lustig machen wollen, daß die FPÖ in ihrem Antrag die OeNB als dezentralen Verwaltungsträger der Republik einrichten möchte, dann muß ich dazu sagen, es scheint so, als habe Ihr Sekretär – ich warne Sie noch einmal ausdrücklich vor ihm – nicht in die Literatur Einblick genommen, bevor er Ihnen das zusammengeschrieben hat, was Sie hier vorgetragen haben.

Herr Bundesminister! Ich empfehle Ihnen dazu das Buch "Österreichisches Bankenrecht", erschienen im Wirtschaftsverlag Anton Orac, herausgegeben von Funk, Korinek, Aicher, Krejci, Ruppe, geschrieben von Universitätsprofessor Dr. Pauger, dem Papst des österreichischen Bankenrechtes. Und da heißt es unter 1.5.2, zweitletzter Absatz – ich zitiere wörtlich –: "In der Zielsetzung und in den zufolge der gesetzlichen Monopolstellung gegebenen Durchsetzungsmöglichkeiten unterscheidet sich die OeNB ganz grundsätzlich von anderen Banken. Ihrer Aufgabenstellung nach ist die Oesterreichische Nationalbank als dezentraler Verwaltungsträger" – in Klammern: sic – "zu qualifizieren, dem die Funktion einer zentralen Geldsteuerungsstelle und einer Währungsbehörde übertragen ist." – Ende des Zitats.

Schauen Sie nach in Ihren Redeunterlagen! Sie haben sich darüber lustig gemacht, was der FPÖ einfällt, einen dezentralen Verwaltungsträger zu verlangen. Dabei steht das in der Literatur, aber Ihr Sekretär weiß das nicht. Ich sage Ihnen das nur deswegen, Herr Bundesminister – Sie haben es nicht notwendig, daß ich Sie belehre, weil dazu werden Sie wahrscheinlich zuwenig lange Minister sein; im Herbst werden Sie wahrscheinlich abgelöst werden (Zwischenrufe bei der SPÖ) –, weil Ihr Sekretär nicht in diese Funktion bestellt werden sollte, wenn er keine Ahnung davon hat, was ein dezentraler Verwaltungsträger dieser Republik ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Bundesminister, ich warne Sie nachdrücklich vor diesem Sekretär.

Es war auch erheiternd, Herr Bundesminister, zu hören, daß die OeNB dafür verantwortlich ist, daß es in diesem Land – ich zitiere Sie wörtlich – eine "maßvolle Lohnpolitik" gegeben hat. Herr Bundesminister! Eine maßvolle Lohnpolitik für die Masse der Arbeitnehmer läßt sich mit einer Nationalbank leicht machen, die bei sich selbst jedes Maß in der Lohnpolitik verloren hat (Beifall bei den Freiheitlichen) , die sich selbst Pfründe erwirtschaftet, die sich selbst die Pfründe zuschanzt, wie es unverschämter ja nicht mehr geht. Wieso sind Sie nicht endlich Manns genug, diese Dinge abzustellen, mit diesen Dingen abzufahren, Herr Bundesminister?

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei Ihnen, bei Ihrer Partei und bei Ihrem Koalitionspartner einmal herzlich bedanken. Und ich sage Ihnen auch, warum: Seit 1992 lebt die Opposition, vertreten durch die FPÖ, die in dieser Frage auch eine Monopolstellung hat (Abg. Dr. Krüger: Allein vertreten!), von dieser Frage ausgezeichnet. Seit 1992 sind Sie nicht in der Lage, in diesem Privilegiendschungel für Ordnung zu sorgen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Seit 1992 rechnen wir Ihnen von einer Sitzungsperiode zur anderen zahllose Fälle eines Privilegiendschungels schlimmster Sorte vor, und die Bundesregierung handelt nicht. Ganz im Gegenteil: Es wird uns dann erklärt, das, was die "böse" FPÖ verlangt, geht alles nicht, es sei staatsgefährdend, hat Herr Professor Nowotny gesagt, das sei Verschleuderung österreichischer Reserven, das sei die Gefährdung des Schilling. – Aber heute macht ausgerechnet diese Bundesregierung, Herr Kollege Nowotny, genau diese "staatsgefährdende" Politik, die wir schon seit fünf Jahren fordern – nämlich die Auflösung dieser Pensionsreserve. Die Auflösung dieser Pensionsreserve ist laut Nowotny staatsgefährdende Politik!

Herr Bundesminister! Nehmen Sie sich vor Ihrem Kollegen Nowotny in acht, denn Kollege Nowotny wollte noch vor wenigen Jahren – im Jahre 1993 – selbst stellvertretender Chef dieser Nationalbank werden, meine Damen und Herren. Daher wissen wir, warum er das für staatsgefährdend gehalten hat: Es war Notwotny-gefährdend – nicht mehr und nicht weniger, Herr Kollege Nowotny!

Herr Bundesminister! Nehmen Sie sich vor Ihren Parteigenossen in acht, die behaupten, daß das, was Sie nach vielen Jahren der Forderung durch die FPÖ jetzt endlich als Regierungspolitik machen, nämlich zum Teil die Pensionsreserve aufzulösen und sie der Besteuerung zu unterziehen, staatsgefährdend sei. Setzen Sie sich gegen diese Genossen mit Engagement zur Wehr. Die FPÖ hat Ihnen den Weg in diese richtige Richtung ja gewiesen.

Herr Bundesminister! Richten Sie dem Herrn Bundeskanzler folgendes aus: Es ist dem Selbstmordopfer Praschak gegenüber eine nahezu zynische Haltung, zu behaupten, die Bundesregierung habe keinen Einfluß auf die Oesterreichische Kontrollbank. Hat der Herr Bundeskanzler das Testament des Herrn Praschak nicht gelesen? Aber Sie müßten es kennen, Herr Bundesminister. Herr Praschak schreibt von einem Besuch bei Ihnen am 14. März dieses Jahres – ich zitiere wörtlich –:

"16.30 Uhr: Termin bei Bundesminister Edlinger. Der Herr Bundeskanzler wünsche, daß Dr. Scholten in den Vorstand der Oesterreichischen Kontrollbank einziehe, der ein Rückkehrrecht in die OeKB habe." – Ja, ein Rückkehrrecht auf irgendeinen Direktorsposten, aber nicht im Vorstand! Und dann schreibt Herr Praschak weiter, daß der Herr Bundesminister beteuert, es gehe ihm darum, für die Versorgung des Dr. Scholten einen möglichst niedrigen politischen Preis zu bezahlen.

Herr Bundesminister! Was halten Sie davon? Ihr eigener Bundeskanzler behauptet, er hat keinen Einfluß! Er teilt Herrn Praschak einen Wunsch mit und Ihnen auch, nämlich daß Herr Scholten versorgt werden muß, der ja nicht irgendwer ist, und dann sagt er vor dem Parlament – und ich betone: frech! –: Wir haben keinerlei Einfluß auf die Oesterreichische Kontrollbank. Herr Praschak hat sich völlig umsonst erschossen.

Herr Bundesminister! Das ist unglaublich. Ich habe Anlaß, dem Selbstmordopfer Praschak wesentlich mehr zu glauben als Ihrem Bundeskanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler hat mit Sicherheit im Vergleich zu Herrn Praschak nicht die Wahrheit gesagt. Ich glaube Herrn Praschak, daß es eine unglaubliche Versorgungspolitik der Sozialisten in der Oesterreichischen Kontrollbank gegeben hat, und ein Selbstmordopfer ist auf der Strecke geblieben. Und daher sage ich Ihnen: Wenn Sie schon die sonstigen Gründe nicht respektieren, die aus unseren Reihen angeführt worden sind, dann nehmen Sie doch bitte den Ethos, den Ihre eigenen Parteigenossen einfordern, ernst. Holen Sie Herrn Scholten aus der Kontrollbank heraus! Versetzen Sie ihn! Versorgen Sie ihn woanders, wenn Sie glauben, daß das notwendig ist. Es ist schändlich genug, daß man auf Steuerzahlers Kosten in einer Bank Minister versorgen muß. Aber holen Sie ihn aus dieser Kontrollbank heraus. Es wäre ein Gebot des Anstands gegenüber all jenen sozialistischen Parteigenossen, die kein Verständnis mehr für das haben, was Ihre Regierung in der Kontrollbank verbrochen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Das ist ein Appell, den ich Ihnen als Sprachrohr Ihrer Genossenschaft übermitteln möchte. Ihre Genossenschaft denkt mittlerweile, daß das, was sich in der Oesterreichischen Kontrollbank zugetragen hat, unanständig war.


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Meine Damen und Herren! Letztlich zeigt es auch die Hilfslosigkeit des Zentralbetriebsrates in der Nationalbank, wenn jetzt auf unseren Dringlichen Antrag hin bereits wieder die Faschismuskeule strapaziert werden muß. Der Zentralbetriebsrat war nicht in der Lage, ein einziges Gegenargument gegen unseren Antrag zu bringen – nicht ein einziges; der Generalrat übrigens auch nicht –, aber er schreit, das erinnert an die Diktion (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) der Politiker vor 1945 und an den berüchtigten Stern dieser Zeit. – Herr Präsident, es tut mir leid, daß meine Redezeit erschöpft ist. Ich hätte Ihnen gerne genauer erläutert, welche Begünstigte des Systems diese Aussendungen tätigen, die Faschismuskeule benötigen, weil sie keine Argumente mehr haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister Edlinger hat sich abermals zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.09

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin über den letzten Redebeitrag persönlich betroffen, eigentlich erschüttert, weil damit sehr klar zum Ausdruck gekommen ist, in welcher Form hier argumentiert wird. Ich möchte zunächst einmal tatsächlich – und ich wollte das durchaus vom Antrag trennen – das Drama, das durch den Selbstmord des Dr. Praschak entstanden ist, und auch den von Ihnen zitierten Nachlaß ansprechen.

Es ist immer äußerst schwierig, über Schriftstücke eines Toten zu diskutieren. Ich kann Ihnen nur in aller Klarheit und in aller Deutlichkeit sagen – ich habe natürlich in dieser Phase der Diskussion keinen anderen Zeugen als meine persönliche Reputation –, daß dieses tatsächlich am 14. März zwischen Herrn Direktor Praschak und mir geführte Gespräch nicht in dieser Form und auch nicht mit diesem Inhalt stattgefunden hat. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Mag. Stadler: Das hat der Herr Praschak erfunden?!)  – Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann lediglich sagen, daß das Gespräch in dieser Form nicht stattgefunden hat, denn wer mich kennt, weiß, daß es mir ... (Abg. Dr. Haider: Jetzt im nachhinein stempelt man den Dr. Praschak als Geisteskranken ab, nicht? Das ist ja unglaublich! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)  – Auch das ist eine schlimme Unterstellung, aber das stammt nicht von mir. Ich stelle nur fest, daß das Gespräch in dieser Form nicht stattgefunden hat (anhaltende Zwischenrufe des Abg. Dr. Haider ) , und ich bitte das Hohe Haus, dies auch zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Dr. Haider: Seien Sie mir nicht böse, aber das ist eine billige Erklärung! Wie billig, sich hier herzustellen und zu sagen, das stimmt nicht, was der Praschak gesagt hat! – Abg. Mag. Stadler: Er hat es erfunden!)

Zum zweiten: Ich habe unmißverständlich festgestellt, daß es selbstverständlich zu einer gesetzlichen Änderung im Hinblick auf die Oesterreichische Nationalbank kommen wird und kommen muß, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit in bezug auf das Europäische Währungssystem und die EZB. Wir werden dies zeitgerecht vorbereiten, mit all den Aspekten, die heute hier angeschnitten worden sind, mit öffentlicher Ausschreibung, mit allen Strukturen, die der EZB und dem Europäischen Währungssystem entsprechen.

Drittens: Ich möchte zu Ihrer Äußerung feststellen, daß mir die Struktur und die Beteiligung der österreichischen Sozialpartner an der österreichischen Realität der Wirtschaft wichtig sind; so wollte ich verstanden werden. Ich glaube, daß es wichtig ist, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch in der Währungspolitik entsprechend eingebunden sind. Das ist ein Teil der österreichischen Realität, und ich möchte eigentlich nicht, daß Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite von einer so wichtigen wirtschaftspolitischen Frage wie der Währungspolitik und den damit verbundenen Entscheidungen ausgeschlossen werden. Ich glaube, die Sozialpartnerschaft ist ein Faktum der österreichischen Realität, um das uns die meisten europäischen Staaten beneiden, und das möchte ich eigentlich nicht zerstören. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Zum vierten und letzten danke ich allen – vor allem auch dem lieben Gott –, daß es nicht von Persönlichkeiten wie meinem Vorredner abhängt, wie lange ich Finanzminister bin. – Ich danke Ihnen. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 454/A (E) der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Postenschacher und Freunderlwirtschaft.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2017/AB

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen mit der Ordnungszahl 2017/AB. Diese Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden; eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich.

Bevor wir in die Debatte eingehen, mache ich darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Der Erstredner hat zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder von zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen diesen Zeitraum gleichfalls nicht überschreiten.

Ich erteile nun Frau Abgeordneter Edith Haller als Erstantragstellerin dieses Verlangens das Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.15

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In den Medien tauchte in letzter Zeit immer wieder ein Begriff auf, und zwar der der Familienbesteuerung. Herr Finanzminister! Ihr Ministerkollege Bartenstein bringt dieses Wort und ein dazugehöriges Modell immer wieder aufs Tapet; Sie beziehen da eher eine abwartende Position.

Wir Freiheitlichen bringen dann immer wieder unser Modell des Splitting-Verfahrens ins Spiel, und wir haben vor zwei Monaten eine diesbezügliche Anfrage an Sie gestellt, die von Ihnen mit der Begründung, daß Sie dies nach § 90 des Geschäftsordnungsgesetzes nicht tun müssen, nicht beantwortet wurde. Sie begründen dies damit, daß diese Anfrage auf hypothetischen Annahmen beruht, daß sie keinen Akt der Vollziehung betrifft, daß dazu umfangreiche Berechnungen notwendig gewesen wären, und Sie bitten mich als Anfragestellerin – so habe ich es zumindest verstanden – um Verständnis, daß Sie das aus personalpolitischen und finanztechnischen Gründen nicht machen werden.

Herr Bundesminister! Ich möchte bei Ihnen folgendes deponieren: Ich möchte wieder einmal meine Sorge in bezug auf das zu erwartende neue Verfassungsgerichtshofurteil bezüglich Familienbesteuerung zum Ausdruck bringen. Ich habe die berechtigte Sorge, daß man nicht bereit ist, aus gemachten Fehlern zu lernen.

Am 3. Juni 1992 – Herr Finanzminister, das war vor Ihrer Zeit – wurde hier im Plenum das sogenannte Familienpaket behandelt, das aufgrund des ersten Verfassungsgerichtshofurteils vom 12. Dezember 1991 geschnürt wurde. Unter Anwesenheit der damaligen Familienministerin und des damaligen Finanzministers Lacina habe ich in meinem Redebeitrag damals folgendes deponiert: Das Paket ist erstens nicht erkenntniskonform, zweitens familienfeindlich, drittens sind die Kostenberechnungen in den Vorlagen falsch dargestellt, viertens benachteiligt es die sozial Schwachen und fünftens verkauft die ÖVP es als Mehrkinder-Staffelung, obwohl es nur Steuerabsetzbeträge beziehungsweise Transferleistungen enthält. All diese Kritikpunkte, Herr Finanz


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minister, haben sich in den letzten fünf Jahren leider bestätigt. Wir Freiheitlichen haben in allem recht behalten.

In der nächsten Zeit wird es ein neuerliches Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes geben. Es steht uns wirklich ins Haus, und man wird die Familienbesteuerung, zu der im Jahre 1992 besonders Ihre Partei, aber auch die Regierung insgesamt gestanden ist, wieder verändern müssen. Dazu, Herr Finanzminister, werden doch wohl Berechnungen notwendig sein. Die ersten waren ja nachgewiesenermaßen falsch.

Ich frage Sie nun, Herr Bundesminister: Wie werden Sie es denn halten? Werden Sie überhaupt keine Berechnungen anstellen, werden Sie diese vielleicht erst später machen, oder werden Sie dann doch dem von Ihrem Ministerkollegen Bartenstein vorgestellten und forcierten Modell zustimmen, das ja wiederum nur in einem Teil dem zu erwartenden Erkenntnis gerecht werden kann, und zwar im Bereich des Alleinverdienerabsetzbetrages? Für den Rest sind ja wieder sogenannte Absetzbeträge in Form von Transferleistungen zumindest von der ÖVP vorgesehen.

Sie, Herr Finanzminister, und auch ich, wissen ganz genau, daß auch dieses ÖVP-Modell wiederum keine Steuergerechtigkeit bringen wird.

Ich frage Sie nun: Soll das wieder ein "Wahlzuckerl" der ÖVP an die österreichischen Familien werden, wieder ein solches Mogelpaket, wie man es den Familien bereits 1992 aufs Auge gedrückt hat? – Mehrere Finanzwissenschafter haben ja nachgewiesen, was die steuerlichen Maßnahmen im Bereich der österreichischen Regierung, beginnend ab 1972, also seit der Abkehr von der Haushaltsbesteuerung und dem Übergang zur Individualbesteuerung, bewirken. Ich zitiere dazu als Beispiel den Rektor der Universität Innsbruck – er ist gleichzeitig Vorstand des dortigen Instituts für Finanzwissenschaften –, Herrn Universitätsprofessor Dr. Smekal: Im Endeffekt bedeutet der Übergang zur Individualbesteuerung einen Abgang von der Besteuerung von Familien, und gerade in den mittleren Einkommensbereichen bewirkte dies ein relatives Absinken des Lebensstandards. – Es ist also ein nachgewiesener Faktor der zunehmenden Verarmung von Familien.

Und noch einmal Professor Smekal – er nimmt bezug auf die zwei Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 1991 –: Die klaren Intentionen sind die Herbeiführung der verfassungsmäßig gebotenen Gleichbehandlung im Sinne der horizontalen Gerechtigkeit ... – und – ... das Maßnahmenpaket änderte nichts an der grundsätzlichen steuerlichen Diskriminierung unterhaltspflichtiger gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen und widerspricht insofern dem Erkenntnis des VfGH.

Er fordert deshalb – wenn man neue Regelungen treffen will – einen Zielprioritätenkatalog; etwas, was auch ich als vernünftig empfinden würde. Und in seiner Zusammenfassung sagt er nochmals: Den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes wurde durch das Gesetz, das seit 1. Jänner 1993 in Kraft ist, weitgehend nicht entsprochen. Die Bundesregierung ist dem Auftrag des Verfassungsgerichtshofes bis heute nicht gefolgt. – Noch genauer, noch ausdrücklicher geht es wohl nicht mehr, Herr Bundesminister!

Und ich frage Sie nun wirklich: Wie wollen Sie es denn in Zukunft in diesem Bereich halten? Werden Ihnen wichtige Grundlagenberechnungen wirklich zu arbeitsintensiv sein, um zu einem Ergebnis zu kommen? – Ein Beamter hätte höchstens drei Arbeitstage gebraucht, um unserer – zugegebenermaßen etwas ausführlichen – Anfrage gerecht zu werden. Ich frage Sie noch einmal in diesem Zusammenhang: Wenn das zu kostenintensiv ist, sollten wir dann nicht überhaupt die Politik und die Politiker abschaffen, weil diese ja auch sehr kostenintensiv sind?

Wir Freiheitlichen werden in diesem Bereich nicht lockerlassen. Wir werden immer wieder unser Modell des Steuersplittings fordern, denn das wäre steuergerecht. Das ist bewiesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden Sie, Herr Bundesminister, auch immer wieder mit neuerlichen Anfragen konfrontieren. Eine Folgeanfrage ist bereits formuliert und wird Ihnen in den nächsten Tagen zugehen.


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Sie werden sich dann nicht mehr auf eine hypothetische Fragestellung ausreden können. Wir werden klare Antworten von Ihnen verlangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.24


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74. Sitzung / Seite 132

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundesminister Edlinger. – Bitte, Herr Minister.

17.24

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube – und ich registriere dies –, daß an sich zunächst einmal nicht die Form der Beantwortung in Frage gestellt wurde, die in der Tat keine meritorische Aufnahme der Diskussion darstellt. Sie wurde nicht nur deshalb gewählt, weil sie formalrechtlich, verfassungsrechtlich und auch der Geschäftsordnung des Parlaments entsprechend ist, sondern weil sie in der Tat natürlich auch in den von Ihnen zitierten Beispielen – zwei, drei, vier mögliche Beispiele, die man ver-x-fachen kann – noch immer zu Interpretationen und zu unterschiedlichen Schlußauffassungen führen kann.

Ich gebe aber zu, daß die Frage der steuerlichen Abgeltung von Familienlasten oder – anders ausgedrückt – die Förderung kinderreicher Familien natürlich ein Thema ist, das auf der Tagesordnung steht und das wahrscheinlich auch nicht so rasch von der Tagesordnung verschwinden wird, selbst dann nicht, wenn man zu einer Lösung kommt. Das ist eine Frage, bei der der Bezugspunkt, von dem aus man an die Beurteilung einer solchen Fragestellung herangeht, beeinflußt, welche Meinung man zu einer solchen Frage hat.

Ich habe bezüglich der Gestaltung der Familienbesteuerung eine grundsätzliche Meinung. Ich freue mich, wenn Sie konkrete Fragen stellen, weil man damit dann vielleicht auch materiell eine Diskussion beginnen kann. Ich hielt diese Anfrage, die Sie ursprünglich gestellt haben, dafür nicht im besonderen Maße geeignet. Ich möchte aber feststellen, daß die seit dem Jahre 1993 geltende Regelung betreffend die steuerliche Abgeltung von Familienlasten auf der Basis des Familienbesteuerungserkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahre 1991 beschlossen wurde. Das steht ja wohl außer jeder Frage.

Leitlinie dieser Regelung ist es, die Unterhaltslasten der Höchstverdienenden durch Transferleistungen ausreichend zu berücksichtigen und dann diese Transferleistungen gleichermaßen auf alle Familien – das heißt, in gleicher Höhe auch im unteren und mittleren Bereich der Einkommen – anzuwenden.

Ich halte grundsätzlich an dieser Konzeption fest, sie entspricht auch unverändert den politischen Vorstellungen der beiden Regierungsparteien. Zur Umsetzung ist es aber auch notwendig, an der Technik der Abgeltung von Kinderlasten durch Transferleistungen, also etwa Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge, festzuhalten. Eine steuerliche Berücksichtigung im Wege der außergewöhnlichen Belastung hätte – wie ich meine – eine Umverteilung von unten nach oben zur Folge, und diesen Weg möchte ich eigentlich nicht gehen. Anders gesagt: Es würden Besserverdiener stärker gefördert werden als die Bezieher niedrigerer Einkommen.

Ich gehe nun konkret davon aus, daß der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit der Abgeltung von Kinderlasten durch Transferleistungen an sich nicht in Zweifel ziehen wird. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der Gerichtshof strengere Anforderungen an das Ausmaß der Abgeltung stellt, als dies derzeit gesetzlich vorgesehen ist. Sollte dies der Fall sein, so kann sich erst aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofurteils ergeben, in welchem Umfang eine Abgeltung bei den einzelnen Einkommens- und Unterhaltsschichten erforderlich ist.

Das Anstellen konkreter Berechnungen darüber kann daher naturgemäß erst nach dem Ergehen des höchstgerichtlichen Erkenntnisses sinnvoll sein. Und da auch davon auszugehen ist, daß für den Fall eines Erkenntnisses, das einer Aufhebung gleichkommt, auch eine ausreichende Frist für die Diskussion und die Neuformulierung gegeben ist, werde ich zu dem Zeitpunkt handeln, zu dem das Erkenntnis vorliegt. (Beifall bei der SPÖ.)

17.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder. Von nun an beträgt die Redezeit für jeden Debattenredner 5 Minuten. – Bitte, Sie haben das Wort.

17.29

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! In der Anfrage der Freiheitlichen geht es vor allen Dingen um die Frage der Entlastung der Familien im Zusammenhang mit dem Steuerrecht. Ich denke, daß diese Entlastungen im Steuerrecht zuwenig sind. Vielmehr ist es wichtig, jene Förderungen, die zur Entlastung von Familien mit Betreuungspflichten beitragen, nicht getrennt von familienpolitischen Leistungen und Maßnahmen, die für die österreichischen Familien geleistet werden, zu sehen.

Meine Damen und Herren! Familienpolitik ist umfassend zu sehen. Sie hat viele Facetten. Transferleistungen, steuerliche Maßnahmen, Leistungen der Gemeinden und Länder sind miteinzubeziehen, desgleichen Sachleistungen, Leistungen der Sozialversicherungen – zum Beispiel die Mitversicherung – sowie der kostenlose Schul- und Hochschulbesuch. (Abg. Haller: Was hat das mit der Besteuerung zu tun?)

Alle diese Maßnahmen gemeinsam sind notwendig und wichtig. Sie sind, wie ich meine, ein wesentlicher Beitrag für die Chancengleichheit und für die Gleichwertigkeit unserer Kinder, denn im Mittelpunkt sollen die Kinder stehen, Kinder mit ihren Bedürfnissen, mit ihren Anforderungen, mit ihren Ansprüchen, nicht aber die Brieftasche der Eltern. Deshalb auch ein klares Bekenntnis der Sozialdemokratie zur Beibehaltung der Individualbesteuerung! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber, meine Damen und Herren, die gesellschaftliche Verantwortung für Familien ist nicht mit einer monatlichen Summe abgetan. Wir haben Berechnungen darüber, wie tatsächlich Familientransfer pro Jahr ausschaut. Ich nenne nur einige Zahlen: Bei Kleinkindern sind es 22 900 S, bei Lehrlingen 21 615 S, bei Studenten, Universitätskosten miteingerechnet, 86 610 S jährlich, um nur einmal einige Summen zu nennen, und ich denke, das sind keine kleinen Summen. (Abg. Haller: Frau Kollegin! Was hat das mit der Besteuerung zu tun? Erklären Sie uns das einmal!)

Meine Damen und Herren! Es geht vor allen Dingen auch um das Teilhabenkönnen und das Teilhabendürfen am gesellschaftlichen Leben und an den Bedingungen. (Abg. Haller: Sie haben keine Argumente!) Frau Kollegin Haller! Alle Studien sagen, daß die Verteilungswirkung maßgeblich auch davon abhängt, wie die Sachleistungen und wie die Infrastrukturmaßnahmen ausschauen, und daß die Verteilungswirkung bei Sachleistungen am größten ist, nicht aber allein beim Steuerrecht. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sachleistungen von Kinderbetreuungseinrichtungen bis zur Schulbuchaktion und Schülerfreifahrt, Infrastrukturmaßnahmen, die das Wohnen, die Freizeit, die Gesundheit betreffen – das sind jene Dinge, die sehr, sehr wichtig sind. Meiner Meinung nach ist es nicht einzusehen, auch noch eine steuerliche Absetzbarkeit der Unterhaltskosten vorzusehen, also eine bessere Startposition für Kinder von Eltern mit höheren Einkommen zu schaffen. Von einer Diskriminierung von Steuerpflichtigen, die zu Unterhaltsleistungen verpflichtet sind, kann nur dann gesprochen werden, wenn ein Teil der staatlichen Leistungen berücksichtigt wird, nicht aber die Kosten für Kindergärten, Schulen, Universitäten und so weiter. (Abg. Haller: So spricht der Verfassungsgerichtshof, Frau Kollegin! – Ruf bei der SPÖ: Noch nicht!)

Uns allen, so meine ich, vor allen Dingen aber uns Sozialdemokraten geht es um die Verbesserung der Lebensbedingungen von Familien mit Kindern. Uns geht es um die Kinder und nicht um Steuervorteile für den Familienvater.

Meine Damen und Herren! In der Sozialcharta der Europäischen Kommission gibt es vier große Themenbereiche, die für die Familienpolitik sehr wichtig sind: Auswirkungen anderer Gemeinschaftspolitiken auf die Familien, insbesondere der Schutz des Kindes, bessere Abstimmung zwischen Berufs- und Familienleben und eine ausgewogene Teilung der familiären Pflichten, Maßnahmen zugunsten bestimmter Familiengruppen, insbesondere der Einelternfamilien und der kinderreichen Familien, und Berücksichtigung der am stärksten benachteiligten Familien.


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Ich glaube, daß wir diese Bereiche auch nach Österreich transferieren können und daß die umfassenden Maßnahmen im Bereich der Familienpolitik mit all ihren Facetten weiterhin fortgesetzt werden müssen, weiterhin verbessert werden müssen, sich Familienförderung aber sicherlich nicht nur auf die steuerrechtliche Frage konzentrieren kann. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34


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74. Sitzung / Seite 134

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Sonja Moser. – Bitte.

17.34

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Anfrage war klar, aber durch die detaillierte Fragestellung nicht so schnell zu beantworten. Wir alle erwarten nämlich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, und in diesem geschulten Bewußtsein ist auch die Frage von Bundesminister Edlinger beantwortet worden. Er hat selbstbewußt geantwortet wie seinerzeit mein Sohn, als er im Alpenzoo verlorenging. Ich fand ihn nach reichlichem Suchen wieder, und die Frage, die er an den Wärter gerichtet hatte, war: Hast du eine Frau ohne mich gesehen? (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Hast du eine Frau ohne Wahlberechtigung gesehen?)

Meine Damen, meine Herren! Wir alle sind in Erwartung eines verfassungsgerichtlichen Urteils, in dem die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen in der Familie betreffend Verfassungskonformität unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes geprüft wird, aber weder Unterhaltsleistungen an Kinder als außergewöhnliche Belastung steuerlich berücksichtigt werden noch jene Einkommensteile aus der Besteuerung herausgenommen werden, die für den Unterhalt der Kinder benötigt werden.

Das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren findet derzeit statt. Erst auf der Grundlage des zitierten zu erwartenden Verfassungsgerichtshofurteils werden sich die Fragen nach der steuerlichen Mehrbelastung von Alleinverdienern, Doppelverdienern, Einelternfamilien mit ein bis drei Kindern im Alter von 15 bis 19 Jahren im Einkommensbereich zwischen 200 000 und 1,5 Millionen Schilling jährlich beziehungsweise all die detaillierten Fragen, die Sie stellten – etwa nach Alleinverdienerfamilien mit drei Kindern im Alter von drei, fünf und sieben Jahren – errechnen beziehungsweise beantworten lassen. Von einer außergewöhnlichen Belastung kann in bezug auf gesetzliche Unterhaltsansprüche von Kindern im Sinne des Einkommensteuergesetzes jedenfalls nicht die Rede sein.

So viel aber darf abschließend gesagt werden: Das Höchstgericht ist keinesfalls der Ansicht, daß nur die gänzliche Herausnahme der für den Unterhalt der Kinder benötigten Einkommensteile aus der Besteuerung dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz entspräche. Das Urteil wird noch vor der Sommerpause erwartet. So lange müssen wir uns alle gedulden.

Die Schlußrechnung, die Frau Haller aufgestellt hat, kann also nicht heißen: Wenn ein Beamter im Finanzministerium nicht imstande ist, die Fragen vor dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs zu beantworten, wie lange brauchen dann drei? (Abg. Haller: Frau Kollegin! Sie haben es nicht verstanden!)

Bundesminister Dr. Bartenstein hat im Jänner ein Grundsatzmodell vorgelegt, das vorsieht, die Absetzbeträge für Kinder linear um 400 S nach oben zu setzen und die Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbeträge von 5 000 S auf 8 840 S zu steigern; das wären immerhin nochmals um 320 S pro Kopf und Monat mehr.

Lassen Sie mich mit einem Satz für den morgigen Tag, den "Internationalen Tag der Familie", abschließen: Wärme und Helligkeit gehen nicht von Heiz- und Beleuchtungskörpern aus, sondern von der Fröhlichkeit der Menschen und der Klarheit des Zusammenhalts. Lieblosigkeit und Unverläßlichkeit sind durch nichts zu entschuldigen. Man muß sich bewußt klarmachen, daß Elternsein ein schwerer Beruf ist, daß im bewußten Gelingen aber unendlich viel Glück liegt! (Beifall bei der ÖVP.)

17.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.39

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! 100 000 Mehrkinderfamilien in Österreich leben unter der Armutsgrenze. Herr Bundesminister für Finanzen! Das sollte auch Ihnen zu denken geben.

Täglich steigt die Zahl jener österreichischen Mehrkinderfamilien, die unter diese Armutsgrenze fallen, und es ist bedauerlich und für mich unverständlich, Herr Bundesminister, daß Sie in Ihrem Haus keine Berechnungen haben, welche Mehrbelastungen sich für Mehrkinderfamilien mit Alleinverdienern ergeben. Wenn Sie in Ihrer Anfragebeantwortung anführen, daß die angespannte Personalsituation in Ihrem Ressort eine Beantwortung der einzelnen Anfragen derzeit nicht möglich macht, dann erinnere ich mich zurück an die Zeit, als es darum ging, ein Belastungspaket zu schnüren, das die österreichischen Bürger mit 66 Milliarden Schilling belastet hat. Da waren die Personalreserven sehr wohl vorhanden, da wurden tagtäglich neue Modelle errechnet, wie man den Österreicherinnen und Österreichern neue Steuern aus der Tasche ziehen könnte.

Herr Bundesminister! Sie wissen genau, daß im Jahr 1972 die Haushaltsbesteuerung durch die Individualbesteuerung abgelöst wurde, und gerade diese Individualbesteuerung bringt durch den progressiven Einkommensteuertarif enorme Mehrbelastungen für Alleinverdiener gegenüber Familien mit doppeltem Einkommen mit sich. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Auch die vorgesehenen Alleinverdienerabsetzbeträge ermöglichen es nicht, diesen steuerlichen Nachteil entsprechend zu verringern beziehungsweise aufzuheben.

Den größten Nachteil aus dieser Individualbesteuerung haben vor allem jene, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, also Lohneinkünfte, beziehen und als Alleinverdiener keine Möglichkeit haben, diese Lohneinkünfte zu splitten, ganz im Gegensatz zu anderen Einkunftsarten, bei denen es sehr wohl möglich ist – in der Regel bei Besserverdienenden –, diese zu verlagern, etwa vom Mann auf die Frau durch Betriebsanteilsschenkungen oder durch Übertragung von entsprechenden Kapitaleinkünften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher ist es notwendig, daß wir versuchen, diese Steuerungerechtigkeit zu beseitigen. Ziel aller Abgeordneten, die sich für Familienpolitik und für eine gerechte Steuerpolitik engagieren, müßte es sein, ein steuerfreies Existenzminimum für jedes Familienmitglied zu schaffen (Beifall bei den Freiheitlichen) , das heißt, bis zum Existenzminimum ist das Familieneinkommen entsprechend steuerfrei zu stellen.

Dazu haben wir Freiheitlichen ein entsprechendes Familiensteuersplittingmodell erarbeitet, und ich kann den Vorwurf schon gar nicht mehr hören, Herr Bundesminister, daß es dadurch zu einer Umverteilung von unten nach oben käme, denn gerade unser freiheitliches Familiensteuersplittingmodell hat eine Deckelung nach oben, das heißt, es geht nur bis zu einer gewissen Einkommenshöhe, wobei man darüber diskutieren kann, ob das ein Jahreseinkommen von etwa 300 000 oder 400 000 S sein soll. Nur bis zu einem gewissen Höchstbetrag besteht die Optionsmöglichkeit – nicht die Pflicht, die Optionsmöglichkeit! –, sich dieses steuerlichen Familiensplittings zu bedienen. Nur so wäre es möglich, Steuergerechtigkeit walten zu lassen.

Es gibt entsprechende Beispiele für dieses Familiensteuersplitting. Es gibt in Deutschland das Ehegattensplitting, es gibt das französische Familiensteuersplitting. All diese Modelle könnten adaptiert auch auf Österreich angewendet werden. Solange nämlich im österreichischen Steuertarif die Progressionsbänder sehr eng sind und es relativ rasch eintritt, daß man von einer Progressionsstufe zur anderen, von einem Grenzsteuersatz zum anderen hinüberwechselt – etwa von 32 auf 42 Prozent –, so lange ist es notwendig, für kleinere und mittlere Einkommen entsprechende Splittingmöglichkeiten zu gewährleisten.


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Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden sicherlich unser Modell des Familiensteuersplittings weiter betreiben, und wir hoffen, daß auch Sie einmal zu der Einsicht kommen, daß diese Vorgangsweise die richtige ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

17.44

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Debatte ist recht lehrreich und hilfreich, weil doch sehr klare Unterschiede herausgearbeitet werden, was den Zugang zu diesem politischen Feld, nämlich zur Frage der Familie hinsichtlich der sozialpolitischen Dimension, anlangt. Es wird sehr vieles deutlich, und wenn Kollege Böhacker jetzt eben klar gesagt hat, die Freiheitliche Partei werde am Familiensteuersplitting festhalten, so ist das eine Aussage, für die wir ihm danken müssen, weil wir nun wissen, das gesellschaftspolitische Modell, das dahintersteht, heißt letztlich – Option hin oder her, Deckelung hin oder her –: Es soll mit den Mitteln des Steuerrechtes Umverteilung in eine bestimmte Richtung betrieben werden. (Abg. Böhacker: Nicht nur!)

Ich verstehe das mit der Deckelung schon. Aber, Herr Kollege Böhacker, dort, wo Sie das Geld wirklich benötigen, dort werden gar keine Steuern gezahlt, und daher hilft Ihnen das Splitting nichts – etwa bei der Alleinerzieherin. (Abg. Böhacker: Herr Kollege Kier! Sie vergessen die Negativsteuer!) Ja, aber ich halte noch einmal fest: Ich meine, es ist wichtig, das gehört zu haben. Ich verstehe schon, daß Sie differenzieren, das anerkenne ich schon.

Ich wende mich jetzt aber der Anfragebeantwortung zu und möchte dazu etwas Wesentliches sagen. Wenn der Herr Bundesminister das, was er hier in der Anfragebeantwortung gebracht hat, so meint, wie er es gesagt hat, dann kann ich ihm nicht folgen, denn die Berechnung ist nicht das Problem. Die Berechnung ist nicht das Problem, Herr Bundesminister! Das Problem ist teilweise die tatsächlich fehlende Datenlage. Das ist richtig. Als wir unser Familientransfermodell zur Grundsicherung für Kinder ausgearbeitet haben, waren wir tatsächlich in der Situation, daß wir sehr viel Recherchearbeit leisten mußten, um an die Daten, die es in den offiziellen Datensätzen nämlich nicht gibt, heranzukommen

Jetzt frage ich Sie aber, Herr Bundesminister: Hätte da Ihre Antwort nicht anders lauten müssen? Hätte Sie nicht so lauten müssen: Aufgrund der nicht existierenden Daten sind wir nicht imstande, das zu berechnen. – Das wäre eine Antwort gewesen, die mir stimmiger erschienen wäre. (Abg. Haller: Mikrozensus! Ganz einfach!) Allerdings hätte sie einen Schönheitsfehler gehabt: Sie hätte dargestellt, daß, was immer hier diskutiert wird – auch wenn der Herr Bundesminister meint, er will bei dem jetzigen System der Transfer- und Absetzbeträge bleiben, und auch wenn Kollegin Moser die Regierungsposition im Sinne Bartensteins vertreten hat –, alles auf einer nicht gesicherten Datenlage basiert.

Das ist der eigentliche Skandal für mich: daß hier in einer Anfragebeantwortung – zwar sehr vorsichtig formuliert und mit der schwierigen Berechnung argumentiert – offengelegt wurde, daß es keine wirklich in die Tiefe gestaffelten Daten gibt, um die Kinderarmut zu erfassen. Und diese Antwort, Herr Bundesminister, hätten Sie deutlicher geben können.

Nun gebe ich zu, daß die Anfrage vielleicht so formuliert war, daß man ausweichen konnte, aber das war der Punkt der Anfrage. Er war zwar gesellschaftspolitisch anders aufgezogen, weil eben die Freiheitlichen ein Familiensplitting haben wollen, aber der Punkt der Anfrage war: Wie steht es faktisch mit der Kinderarmut? – Die Antwort darauf ist ausgeblieben.

Wir werden diese Antwort aber geben können müssen, denn, was immer Sie reformieren wollen und in welche Richtung auch immer: Wenn Sie die Kinderarmut nicht wirklich klar darstellen können, dann können Sie nicht angeben, daß das, was Sie vorschlagen, besser ist als das, was wir vorschlagen.

Wir haben uns jedenfalls folgendes überlegt: Wenn Kinderarmut ein Problem ist, dann liegt es an der mangelnden Leistungsfähigkeit der Eltern. Eltern haben die Pflicht, sich um ihre Kinder


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zu kümmern, und sie tun es ja im Regelfall auch. Wenn Eltern daher nicht in der Lage sind, sich um ihre Kinder so zu kümmern, wie sie es möchten, und auch finanziell nicht das aufwenden können, was sie für die Kinder gerne aufwenden würden, dann ist der Staat in die Pflicht zu nehmen.

Wir haben uns die Datenlage besorgt, Herr Bundesminister, wir haben die Berechnungen durchgeführt, und wir mußten nicht sehr viele Mitarbeiter zusätzlich einstellen; wir mußten nur unsere wirklich guten Mitarbeiter längere Zeit dafür abstellen. Wir wissen daher, daß es möglich wäre, eine Grundsicherung für Kinder mit Beträgen zwischen 5 500 S und 7 500 S in der Altersstaffelung einzuführen, und zwar unter Berücksichtigung der Mehrkinderfamilien, unter Berücksichtigung des Status der Eltern, ob getrennt, geschieden, verheiratet, zusammenlebend oder was auch immer. Wir kämen mit denselben Volumina aus, wie Sie sie jetzt für Familienbeihilfen und Absetzbeträge brauchen, allerdings – das sage ich ganz offen, vor allem an die Adresse der Kollegen von der Freiheitlichen Partei und auch von der ÖVP – voll zu Lasten der Absetzbe-träge, das heißt, voll zu Lasten der höheren Einkommen.

Ich würde mir wünschen, daß wir das doch einmal in die Tiefe diskutieren. In der Wissenschaft wird es bereits diskutiert, in den Kammern wird es bereits diskutiert. Wann beginnt die Bundesregierung mit einem offenen Gespräch? Ich biete es noch einmal an. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. )

17.50

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Kollege Cap! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Minister! Ich habe mehrere Probleme mit dieser Anfrage. Das eine Problem hängt sicher mit der Beantwortung zusammen. Herr Minister! Die Antwort ist etwas dürftig ausgefallen. Sie müssen auch die Rechte der Opposition verstehen, die sich von einer Anfrage auch eine Beantwortung erwartet.

Es wäre zumindest möglich gewesen, die Freiheitliche Partei darauf hinzuweisen, daß das, was sie in dieser Anfrage versteckt hat, nämlich das Familiensplitting, das steuerfreie Existenzminimum und und und, also alles, was hier an Vorstellungen der Freiheitlichen zur Familienförderung schon seit geraumer Zeit herumgeistert, durchaus, wenn auch nicht konkret, bereits in Modellen berechnet wurde. Es wäre also möglich gewesen, Sie, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, darauf hinzuweisen, daß beispielsweise die Arbeiterkammer Oberösterreich derartige Modellberechnungen schon durchgeführt hat. Es gibt auch von anderer Seite Berechnungen, und ich kann Ihnen auch deren Ergebnis schildern.

Sowohl beim steuerfreien Existenzminimum, als auch bei der Regelung über Freibeträge, als auch beim Familiensplitting werden ganz bestimmte Familienformen bevorzugt und – außer man macht viele Ausnahmen, aber dann wird die Wirkung dieses Systems wieder zerstört – reichere Einkommensbezieher gegenüber ärmeren begünstigt. Sie können das an den verschiedenen Modellen durchrechnen. Es gibt diese Modellberechnungen. (Abg. Böhacker: Alleinverdiener!) Es kommt im Endeffekt bei allen groben Modellannahmen – wenn ich nicht ganz komplizierte und auskalkulierte Ausnahmen und Begrenzungen wieder einziehe – heraus, daß die Reicheren begünstigt werden. Dazu sage ich für die Grünen: Da machen wir sicher nicht mit.

Ich halte es für falsch, daß man unter dem Aspekt, über Familienbeihilfen eine bessere Familienförderung als die bestehende machen zu wollen, eigentlich nur eines erreichen will – das kann ich auch in manchen Debattenbeiträgen der ÖVP feststellen; nicht bei allen, das gebe ich zu –: daß diejenigen mit höheren Einkommen höhere Leistungen aus der Familienförderung erhalten als diejenigen mit niedrigeren Einkommen oder gar keinem Einkommen. Darauf hat Kollege Kier schon hingewiesen. Das Problem ist, daß Sie mit dieser steuerlichen Förderung teilweise gar nicht jene erreichen, die es am dringendsten brauchen.


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Ein Beispiel dazu, Kollege Böhacker. Es wird in der Anfrage auch immer wieder der Alleinverdienerabsetzbetrag implizit angeführt. Sie und ich, wir wissen, daß der Alleinverdienerabsetzbetrag gar nicht an die Existenz von Kindern gebunden ist. Das ist das Problem! Da geht es gar nicht darum – was Sie immer wieder auf Ihre Fahnen schreiben –, bestimmte Familienförderung zu betreiben, Kinder zu fördern. Das hat überhaupt nichts mit Familienförderung zu tun, sondern da geht es um die Förderung des heiligen Instituts Ehe und um sonst gar nichts. Es soll einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden, daß hier eine Ideologie zum Steuerprinzip erhoben werden soll, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Seien Sie doch so ehrlich und bekennen Sie sich dazu. Ich halte es für falsch, den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht an das Vorhandensein von Kindern zu koppeln. Und das besonders Pikante daran ist, daß dann, wenn man nicht verheiratet ist, sondern nur zusammenlebt, der Bezug des Alleinverdienerabsetzbetrages an das Vorhandensein von Kindern gebunden ist. – Das muß man sich einmal in seiner ganzen Pikanterie vorstellen, mit welchen besonders "sophisticated" Formen von angeblicher Familien- und Kinderförderung wir es hier zu tun haben.

Von Ihnen wurde auch ein Zielprioritätenkatalog eingefordert. Eine Familienförderung – nicht über das Steuersystem – darf keine bestimmte Familienform begünstigen. Das ist ein Ziel. Es darf keine Begünstigung der reicheren oder der einkommensstärkeren Personengruppen herauskommen. Es dürfen keine neuen Abhängigkeiten, die teilweise auch die alten sind, entstehen. Das ist das Problem bei Ihrem Familiensplittingmodell. Das Steuersystem, für welches wir eintreten und das prinzipiell eine Herausnahme der Familienförderung aus dem Steuersystem vorsieht, hat primär die Aufgabe, zwischen Arm und Reich umzuverteilen und nicht die, bestimmte Familienformen zu begünstigen. – Darum eine Absage an den Alleinverdienerabsetzbetrag, eine Absage an eine besondere steuerliche Begünstigung, ob das jetzt bei den Sonderausgaben oder in anderen Bereichen ist. Bei den Sonderausgaben gibt es sie. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Wenn es so ist, wie Kollege Kier gesagt hat, daß sich dahinter die Sorge um die Armut versteckt, dann soll man das auch sagen und in der Anfrage so begründen und schreiben, aber nicht versuchen, dies über den Umweg der steuerlichen Förderung zu erreichen. Wenn man es ernst meint, Kollege Böhacker, wenn es wirklich um Kinderarmut geht, dann hätte man von Ihrer Seite auch die Anfrage in diese Richtung stellen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

17.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung wieder auf. Wir setzen die Debatte fort.

Als nächster hat sich Herr Abgeordneter Schwarzenberger zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

17.57

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Nach dem Dringlichen Antrag und nach dieser kurzen Anfragebesprechung nun wieder zurück zur Tagesordnung, in deren Rahmen unter anderem auch der Waldbericht 1995 zur Diskussion und zur Beschlußfassung steht.

Dieser gegenwärtige Waldbericht 1995 stellt unter anderem sehr ausführlich den Waldzustand, die wirtschaftliche Lage der Forstwirtschaft, Fragen der Wildbach- und Lawinenverbauung, die forstliche Raumplanung, die Forstorganisation, aber auch die Beeinträchtigung des Waldes durch Wild- und Weidevieh dar.

Hinsichtlich des Waldzustandes weist der Österreichische Waldbericht ähnliche Ergebnisse aus wie in den Vorjahren. Österreichs Wälder haben im Durchschnitt der letzten 30 Jahre eine zu


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nehmende Waldfläche. Von 1960 bis 1990 ist die Waldfläche in Österreich insgesamt um rund 200 000 Hektar angestiegen, das heißt, im Schnitt um 6 000 Hektar pro Jahr. Es wird also nachhaltig Forstwirtschaft betrieben. Diese Nachhaltigkeit sieht man auch daran, daß es jährlich etwa 31,4 Millionen Festmeter Zuwachs gibt, aber nur 19,8 Millionen Festmeter Holz genutzt werden. Das heißt, mehr als ein Drittel des gesamten Zuwachses in Österreich wird im Wald gespeichert. Das hat natürlich einen zunehmenden Holzvorrat für die Forstwirtschaft, aber auch insgesamt für das Land Österreich zur Folge.

Sehr viele Beschäftigte sind vom Wald, von der Forstwirtschaft – sei es in der Forstwirtschaft direkt oder auch etwa in der Weiterverarbeitung – abhängig. Allein 10 000 Beschäftigte, Arbeiter und Angestellte, arbeiten direkt in der Forstwirtschaft. 47 000 Beschäftigte waren es im Jahre 1995, die in der Säge- und Zellstoffindustrie Beschäftigung und Brot gefunden haben. Darüber hinaus haben im weiterverarbeitenden Gewerbe, im Tischlereibereich, in der Möbelproduktion, aber auch im Holzbau selbst nahezu hunderttausend Beschäftigte aufgrund des Grundstoffes Holz Arbeit gehabt.

Aber auch für die Landwirtschaft ist der Wald ein wesentlicher Einkommensfaktor. 214 000 Waldbesitzer in Österreich teilen sich 3 900 000 Hektar, das sind immerhin 46 Prozent des gesamten Bundesgebietes. Wenn die Landwirtschaft daraus einen Endproduktionswert in Höhe von 12,8 Milliarden Schilling erlöst, so erlösen zum Beispiel die Sägewerke etwa 20 Milliarden Schilling oder die Papierindustrie rund 38 bis 40 Milliarden Schilling. Das heißt, der Wald ist ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor in Österreich.

Sehr große Waldflächen sind in einem gebirgigen Land wie Österreich auch als Schutzwald ausgewiesen. Das Problem des Schutzwaldes – das geht auch aus diesem Waldbericht hervor – ist vor allem die Überalterung der Bestände. Überall dort, wo die Schutzwälder nicht durch Forststraßen oder Traktorwege aufgeschlossen sind, ist eine Einzelstammentnahme äußerst schwierig. Ein Kahlhieb mit Seilvorrichtungen ist in einem Schutzwald nicht möglich. Und immerhin sind 750 000 Hektar in Österreich als Schutzwald ausgewiesen, die Schutz vor Vermurungen, Schutz vor Lawinenabgängen, aber auch Schutz vor menschlichen Siedlungen bieten.

Es ist auch die Frage der Wildbach- und Lawinenverbauung sehr entscheidend. Ich bin froh, Herr Bundesminister, daß es gelungen ist, im Jahre 1997 wieder höhere Beträge im Budget für die Wildbach- und Lawinenverbauung zu sichern, als es etwa im Jahre 1995 oder 1996 der Fall war, weil österreichweit 1 771 Gemeinden – das sind 74 Prozent aller Gemeinden – von Wildbächen oder von Lawinen betroffen sind. 1995 wurden für diese Schutzprojekte 1,7 Milliarden Schilling aufgewendet. Hier geht es vor allem um den Schutz der Menschen, die in diesen Gebirgsgebieten leben, und um den Schutz von Hab und Gut.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Wald hat aber darüber hinaus noch weitere Funktionen. Ich erinnere etwa an das große Grundwasserreservoir Österreichs. Österreich nutzt nur 2 bis 3 Prozent seiner Süßwasserreserven. Wir wissen, daß in vielen Ländern dieser Erde Grundwasser beziehungsweise Trinkwasser äußerste Mangelware geworden ist. In Österreich hingegen haben wir hinsichtlich des Grund- und Trinkwassers entsprechende Reserven aufzuweisen.

Durch den Holzzuwachs haben wir auch eine wesentliche Verbesserung der CO2-Bilanz zu verzeichnen. Allein der nicht genützte Zuwachs von 11,6 Millionen Festmetern im Jahr bindet rund 15,5 Millionen Tonnen CO2. Wieviel ist das von der Gesamtbelastung her gesehen? – Die von den Menschen verursachte Gesamtbelastung von CO2 beträgt im Jahr rund 60 Millionen Tonnen. Das heißt, allein ein Viertel der CO2-Belastung wird durch den Holzzuwachs, der nicht genützt wird, gebunden. Hier erbringt die Forstwirtschaft einen wesentlichen Beitrag für die Umwelt, denn der Sauerstoff dieses gebundenen CO2 wird frei, der Kohlenstoff wird gebunden.

Zur Debatte steht auch der Antrag des Liberalen Forums, die Forststraßen kostenlos für Mountainbiker freizugeben. Wir wissen, daß es sehr viele Radsportler – sowohl Österreicher als auch Touristen – gibt, und wir sind bemüht, diese Frage auf vertraglicher Basis zu regeln. Wir hatten auch im vergangenen Jahr an das Justizministerium das Ersuchen gerichtet, uns einen gesetzmäßigen Vorschlag bezüglich der Haftung des Grundbesitzers vorzubereiten beziehungs


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weise zu erarbeiten, um die es bei den Diskussionen in erster Linie geht. Wie kommt ein Waldbesitzer, der seine Forststraßen mittels hoher Kosten errichtet hat, dazu, bei einem Unfall unter Umständen eine lebenslange Rente bezahlen zu müssen, nur weil die Forststraße nicht dem Radfahrverkehr entsprochen hat? Diese Frage muß geklärt werden; bis dahin sind wir bereit, auf vertraglicher Basis bestimmte Forststraßen dort, wo es möglich ist, wo auch die Oberfläche einem Radfahrverkehr entspricht, gegen Entgelt freizugeben. Auch die Erhaltung einer Forststraße kostet mehr, wenn sie radfahrtauglich sein muß, als wenn sie nur traktorfahrbereit sein muß.

Es ist auch eine Frage des Eigentums, nämlich ob fremdes Eigentum ohne Entschädigung in diesem Bereich genutzt werden kann. Wir haben zum Beispiel im vergangenen Jahr aufgrund eines Vertrages zwischen Wirtschaftsministerium und Bundesforsten etwa 1 000 Kilometer Forststraßen der Bundesforste – es sind ebenso viele Forststraßen im privaten Besitz, die vertraglich für den Radfahrverkehr freigegeben werden – natürlich gegen ein gewisses Entgelt freigegeben. Wir haben darüber hinaus ein sehr großes Netz der landwirtschaftlichen Güterwege – allein in Salzburg sind es über 2 500 Kilometer –, die in diesem Fall entgeltlos für den Mountainbikebetrieb beziehungsweise -verkehr freigegeben werden. Aufgrund des Güterwegerhaltungsgesetzes leistet auch die öffentliche Hand für die Erhaltung einen Beitrag, und somit wird auch der Bau unterstützt.

Grundsätzlich ist zu sagen, daß dieser Waldbericht eine sehr ausführliche Dokumentation über den Zustand des österreichischen Waldes darstellt. Ich danke all jenen, die mitgeholfen haben, die uns diese Informationsunterlage, diesen Waldbericht, zur Verfügung gestellt und erarbeitet haben. Herzlichen Dank dafür! Wir werden selbstverständlich diesem Waldbericht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

18.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

18.07

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Selbstverständlich schließe ich mich den lobenden Worten meines Vorredners über den Waldbericht an. Er ist erfreulich, es ist gute Arbeit geleistet worden, und es ist wohl kein Fehler, wenn ein bisserl mehr Holz zuwächst, als wir momentan schlagen können. (Abg. Haller: Ich weiß nicht, ob das so eine Freude ist!) Es gibt ohne Zweifel Probleme, nur sind sie Gott sei Dank geringer geworden. Man kann sich natürlich als Oppositionsabgeordneter auch darauf verstehen, prinzipiell immer alles schlecht zu finden. Ich finde das nicht. Es gibt genug zu kritisieren, daher kann man auch etwas loben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun komme ich zu einem zweiten Thema. Es handelt sich nicht, wie Sie vielleicht glauben, meine Damen und Herren, um Mountainbiking, nein: Es handelt sich um Geld, so wie immer im Leben. Ich zitiere einige hochrangige Politiker unseres Landes. Landeshauptmannstellvertreter Gasteiger bei einem Gemeindebesuch: Wege sollen für Mountainbiker geöffnet werden, und das habe seiner Meinung nach unentgeltlich zu geschehen. Unser Freund Grabner von den Sozialdemokraten fordert eine Diskussion über Mountainbiker im Nationalrat. Amon von der ÖVP setzt sich auch für eine Freigabe des Mountainbiking ein. Der Gesetzgeber soll das Fahrverbot für Mountainbikes aufheben.

Ich setze fort mit dem ARBÖ. Mir fällt auch noch unser Freund Dr. Puttinger ein, der behauptet, vehementester Gegner der jetzigen Lösung zu sein: 3,70 S pro Meter seien viel zuviel. Außerdem sei es eine Augenauswischerei, so Puttinger, wenn Förderungen vom Tourismus in andere staatliche Organisationen flössen – er meint damit die Bundesforste –, und so weiter und so fort.

Wir haben also einen Antrag von mir, der heute behandelt wird. Wir haben einen ähnlichen Antrag von den Sozialdemokraten, der im Verfassungsausschuß schlummert, und wir haben noch zwei Petitionen, die für die Freigabe des Mountainbiking auf den genannten Straßen sind. Das sind die Petition 7 und die Petition 9, die meines Wissens im Hohen Haus noch nicht behandelt wurden.


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Meine Damen und Herren! Worum geht es denn? – Es geht nicht um Eigentumsfeindlichkeit, es geht um die Frage der Kultur eines Landes. Wir haben nämlich ein eigentumsfeindliches Land jenseits unserer Grenzen im Westen, das ist Bayern: ein völlig eigentumsfeindliches, nahezu kommunistisches Land! Dort wurde nämlich ein Naturschutzgesetz beschlossen, und daraus darf ich Ihnen zitieren:

Artikel 21, 5. Abschnitt: Erholung in der Natur: Jedermann hat das Recht auf den Genuß der Naturschönheiten und auf die Erholung in der freien Natur. – Ist das nicht ein Grundrecht?

Weiters steht dann auch noch: Die Ausübung des Rechts nach Absatz 1 erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr. – Das heißt also, alle Haftungsfragen kann man ganz einfach lösen, wenn man will und wenn man nicht immer die Dollars vor Augen hat und sagt: 4 S will ich pro Laufmeter und Jahr von einer Forststraße haben, die ich vorher mit 40 Prozent staatlicher Förderung gebaut habe. Das wird ja immer schamhaft verschwiegen.

Die Deutschen, unsere bayrischen Nachbarn, sagen zum "Inhalt des Betretungsrechtes" unter 4.2.1 – Herr Bundesminister, Sie kennen es ja sicher, ich darf es trotzdem verlesen –: Privatwege dürfen zum Zweck der Erholung zu Fuß betreten und mit Fahrzeugen ohne Motorkraft sowie mit Krankenfahrstühlen mit Elektromotor befahren werden. Hierunter fällt vor allem das Radfahren, aber auch das Fahren mit Gespannen und bespannten Schlitten. Voraussetzung ist, daß sich die Wege zum Befahren mit den genannten Fahrzeugen eignen.

Unsere bayrischen Freunde – eigentumsfeindlich wie sie sind, kommunistisch wie sie sind, wird Schwarzenberger gleich einwerfen – haben es also geschafft, den Mountainbikern schlicht und ergreifend das Recht, sich in der freien Natur aufzuhalten, einzuräumen. Nicht mehr und nicht weniger will mein Antrag, den wir schon in der ersten Lesung hier diskutieren durften. Auch das Justizministerium zeigt uns den Weg auf, wie es gehen könnte, nur ... (Abg. Schwarzenberger: Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat erklärt, dieser Vorschlag ist verfassungswidrig!) – Aha, das werden wir prüfen lassen.

Das Justizministerium sagt, die Änderung des Forstgesetzes 1975 ist selbstverständlich möglich: Zulässigkeit des Befahrens von zumindest Forststraßen durch Radfahrer, "Sortierung" der Eigenverantwortung des Radfahrers, Verbot des Off-Shore-Bikings – darüber können Sie mit mir sofort reden. Ich will den Radfahrern, den Mountainbikern auf den Forststraßen Platz geben, damit sie nicht im Gelände herumradeln und auf den schmalen Wanderwegen die Wanderer stören. – Das Justizministerium spricht weiters von der ausdrücklichen Verankerung des Vorrechts von Fußgängern im Wald, der ausdrücklichen Verankerung des Vorrechts der Waldbewirtschaftung – gar keine Frage, man kann ein Tal einmal sperren, weil eine Holzeinbringungsaktion ist – und so weiter und so fort.

Was tut die Wald-Lobby? – Sie beschäftigt Herrn Dr. Bobek, allerdings schon im Jahr 1996, und dieser schreibt in der Schlußfolgerung seines Gutachtens: Das Befahren der Forststraßen ist des Teufels. Das darf nicht sein, das ist dem Waldeigentümer nicht zumutbar, mit hohem Aufwand wird die Waldbewirtschaftung ausgestattet, das ist nur für diese Zwecke dimensioniert. – Ich meine, die Forststraßen sind 3,50 Meter breit, damit nur diese 28-Tonnen-LKW darauf fahren können. Da kann kein Fahrradfahrer mehr fahren, weil er ja die Straße beschädigt, wie wir alle wissen.

Nur erstaunlicherweise – kaum fließt Geld, sind die Gründe des Herrn Bobek beiseite geräumt. Auf einmal gelten sie nicht mehr. Jetzt hat die Waldwirtschaft einen neuen Topf angezapft, aus dem sie sich sage und schreibe an die 4 S pro Laufmeter und Jahr für die zusätzliche Benützung einer Forststraße durch Radfahrer zahlen läßt, obwohl sie sich vorher den Bau dieser 125 000 Kilometer Forststraßen in Österreich zu 40 Prozent von der öffentlichen Hand zahlen ließ. – Der Herr Bundesminister schüttelt sein weises Haupt. (Bundesminister Mag. Molterer: Ich kann auch sagen warum!) Mit der Richtlinie für die Förderung forstlicher Maßnahmen aus Bundesmitteln, der Forstaufschließung im Jahr 1995, den kollaudierten Projekten und so weiter und so fort kommen ziemlich genau 40 Prozent zusammen. Ich glaube, es ist ein Streit, eine Spiegelfechterei mit falschen Argumenten.


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Es stört niemanden – bei all dem, was das Justizministerium berechtigterweise in bezug auf den Vorrang der Waldbewirtschaftung nennt –, wenn Menschen, so wie sie auch wandern, mit einem Sportgerät, selbstverständlich ohne Motor, sprich mit dem Mountainbike, die Forststraßen benützen, damit radeln sie nicht mehr über Waldwiesen und fahren nicht auf den Wanderwegen herum. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit und finde es eigentlich traurig, daß sich die vielen Mandatare der Österreichischen Volkspartei und der Sozialdemokraten, die sich schon lange dazu bekannt haben, offensichtlich unter der Wald-Lobby ducken und heute diesem Antrag nicht zustimmen werden. Ich bedaure das. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

18.14

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Forststraßen und für das Mountainbiking ist Kollege Arnold Grabner zuständig. Er wird dann in seinen Ausführungen darauf eingehen. Ich möchte mich dem Waldbericht zuwenden und darf feststellen, daß dieser Bericht eine hervorragende Unterlage und vor allem ein sehr wichtiges Instrument ist. Wir haben das Problem – das ist heute auch schon angesprochen worden –, daß diese Studie rund zwei Jahre alt ist. Vielleicht sollte man sich überlegen, zumindest verschiedene Teile dieses Berichtes aktueller zu gestalten.

Ich meine auch, man soll ruhig einmal positiv erwähnen, daß diese jährlich gelieferte Zustandsanalyse europaweit am fundiertesten durchgeführt wird. Dieser Bericht, so meine ich, hat internationales Format. Diesen Bericht kann man herzeigen. Ich möchte wie Kollege Schwarzenberger die Gelegenheit wahrnehmen und allen jenen, die mitgewirkt haben, diesen Bericht so zu gestalten, innigsten Dank aussprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Waldzustand ist ähnlich wie in den Vorjahren. Die Waldflächen nehmen zu. Die Holzvorräte nehmen zu. Es gibt zunehmende Holzzuwächse. Erfreulich ist auch zu erwähnen, daß die Zunahme von Laub- und Mischwäldern bemerkbar ist. Und dennoch zeichnet dieser Waldbericht kein rosiges Bild über den Gesamtzustand. Das ist eine sehr eigenartige Situation, aber Menge ist eben nicht immer mit Qualität gleichzusetzen.

Wie alle Jahre wird auch im Bericht 1995 auf die Gefährdung erstens einmal durch die Luftverschmutzung hingewiesen, und auch das Problem des Verbisses durch das Wild und durch das Weidevieh ist nach wie vor aufrecht. Was den Verbiß von Weidevieh betrifft, ist auffällig, daß diese Verbisse vor allem in den Bundesländern Tirol und Salzburg vehement auftreten. Es muß uns aber einfach zu denken geben, daß rund 80 Prozent der Gesamtverjüngung verbissen wird und von selbst nicht aufkommen könnte. Aber noch gefährlicher wird es, wenn aufgezeigt wird, daß knapp 20 Prozent der österreichischen Gesamtwaldfläche Schutzwald ist und eben dieser Schutzwald zu einem Viertel, also zu mehr als 25 Prozent, vom Zerfall betroffen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Schutzwälder sind überaltert. Die natürliche Verjüngung funktioniert absolut nicht. Daß natürlich die gesamte Wildbewirtschaftung unmittelbaren Einfluß auf die Verbißsituation hat, liegt eindeutig auf der Hand, das belegt auch dieser Bericht ganz deutlich. Es wäre daher unbedingt erforderlich, ein Instrumentarium zu finden, um von Bundesseite aus Einfluß auf die Erfüllung der Abschußpläne nehmen zu können. Ich weiß schon, da stehe ich im Widerspruch zu vielen Jägern, und ich bin auch nicht einer Meinung mit Kollegen Grollitsch, der meint, ausschließlich der Streß der Tiere sei ausschlaggebend, daß Verbißschäden auftreten. Ich glaube, das ist mit ein Grund, aber nicht der ausschließliche Grund, und ich war eigentlich erstaunt, wie Kollege Grollitsch die Kurve zu den Mountainbikern gedreht hat, so quasi daß der Mountainbiker das Reh erschreckt, das dann anfängt, zu verbeißen. Ich glaube, so einfach kann man es nicht sehen.

Es gibt – das muß man offen aussprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren – auch Bereiche, in denen der Wildstand einfach zu hoch ist. Wenn man nicht in irgendeiner Form davon absieht, die Fütterungen so intensiv zu gestalten, dann ist das Problem langfristig nicht


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lösbar. Es ist einfach auch ein Problem der Wilddichte. Wenn nicht gegengesteuert wird, ist dieses Problem nicht lösbar.

Da können auch die besten Schutzwaldprogramme gestartet werden. Sie werden unwirksam bleiben, wenn da nichts geschieht. Aber ich möchte auch ein Beispiel nennen, wo die natürliche Verjüngung umgesetzt werden kann. Erfolge gibt es dort, wo entweder der Wildbestand drastisch reduziert wurde, oder dort, wo aufwendige Wildzäune errichtet werden. Das zweite ist natürlich auch nicht unproblematisch, weil man weiß, daß, wenn solche Wildzäune errichtet werden, meistens vorher Straßen gebaut werden, und das tut der Natur auch nicht immer gut.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn wir einen halbwegs gesunden Wald erhalten wollen, dann haben wir abzuwägen und vor allen Dingen Prioritäten zu setzen. Ich glaube, daß eine vernünftige Waldwirtschaft unbedingt Vorrang haben muß, wenn es darum geht, zwischen beiden Varianten zu wählen, ich meine die Waldwirtschaft und die Wildwirtschaft. Das gilt besonders dann, wenn es um den Schutzwald geht, weil Sicherheit zu gewährleisten ist, weil Menschen betroffen sind, die unterhalb dieses Schutzwaldes leben.

Ich möchte abschließend noch auf ein erfreuliches Ergebnis einer sehr groß angelegten Studie hinweisen, in der es darum gegangen ist, die Ökosysteme der heimischen Wälder zu durchleuchten. Insgesamt kann ein Viertel der heimischen Bestände – das sind rund 1 Million Hektar – als natürlich oder naturnah angesehen werden. Weitere 41 Prozent der österreichischen Forste sind nach wissenschaftlicher Auswertung als nur wenig von Menschenhand verändert zu bezeichnen. Damit bestehen zwei Drittel unserer Wälder aus intakten Ökosystemen, und das ist eine erfreuliche Bilanz, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Langfristige Maßnahmen greifen erst über Jahre. Die Walderhaltung ist ein Generationenprojekt. Die Reaktionszeit ist sehr lang. Aber ganz wichtig wird es sein, auf europäischer Ebene den Kampf gegen die Emissionen zu koordinieren und weiterzuführen. In diesem Sinne nehmen wir den Waldbericht 1995 gerne zur Kenntnis. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schwarzenberger. )

18.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Anschober. Die Redezeit, die Ihrer Fraktion zu diesen Tagesordnungspunkten noch zur Verfügung steht, beträgt 18 Minuten. (Abg. Anschober: Nur 18?) Nur 18, es wird leider nicht mehr. Sie müssen aber die 18 Minuten nicht ausnützen. – Bitte.

18.21

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! (Abg. Dr. Khol: Er hat kein Manuskript, daher wird es lang!) Herr Klubobmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da das eine Maximalredezeit und keine Minimalredezeit ist, bin ich beruhigt. Das Thema Wald würde zwar mehr als 18 Minuten Redezeit verdienen (Abg. Dr. Stummvoll: Aber wir nicht! – Zwischenruf des Abg. Wurmitzer ), dennoch denke ich, daß man die wesentlichen konkreten Punkte kurz und prägnant zusammenfassen kann.

Ich denke, daß der vorliegende Waldbericht hinsichtlich seiner Bearbeitung durch die Beamtenschaft in diesem Zusammenhang ein durchaus akzeptables, grundsätzlich positiv und realistisch produziertes Papier ist, das aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß es natürlich seit Jahren im Endeffekt die gleiche Problematik gibt. Grundsätzlich hat sich zwar die Verschlechterung und die Zuspitzung der Situation – erinnern wir uns an die Alarmrufe vor zehn, 15 Jahren – nicht so negativ entwickelt, wie manche es befürchtet haben, wovor viele gewarnt haben, aber von einer Entspannung kann dennoch keine Rede sein.

Der Waldbericht in seinen Details zeichnet ein Bild, das keine wesentliche Entspannung erkennen läßt. Es ist natürlich so, wie Kollege Wimmer richtigerweise dargestellt hat, daß gerade in dieser Thematik Maßnahmen und auch Gesetzesvorhaben und konkrete Gesetzeskonzeptionen nur langfristig greifen, nur sehr mühsam greifen und daß gerade eines der beiden Hauptthemen, nämlich die Luftverschmutzung, als eine der beiden Hauptursachen für das Waldsterben natürlich auch nur im internationalen Zusammenhang gesehen und gelöst werden kann.


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Da gibt es zwar, gerade wenn ich an unsere nordeuropäischen Nachbarn denke, positive und intensive Bemühungen, aber dennoch sind diese Schadstoff-Frachten, die sich etwa aus den böhmischen Kohlerevieren über Niederösterreich, Oberösterreich durch ganz Österreich wälzen, nicht von heute auf morgen in den Griff zu bekommen. Sie haben vor allem von den Gesamtkapazitäten her eine Dimension, die mit der Eigenproduktion etwa im SO2-Bereich nicht zu vergleichen sind.

Diesbezüglich geschieht sicherlich einiges in die richtige Richtung. Der Hauptpunkt unserer Kritik im Zusammenhang mit der Waldbewirtschaftung ist aber – das ist eine Diskussion, die sich in den letzten Jahren öffentlich doch ein bißchen zugespitzt hat, weil klargeworden ist, was die Interessengegensätze sind – die Frage des Wildverbisses. Eine ökologisch nachhaltige Waldbewirtschaftung ist ohne restriktivere Jagdgesetze, die natürlich Länderkompetenz sind – das ist schon klar –, sinnlos, sie wird wenig bringen. Man braucht sich nur anzusehen – das ist auch ein Vergleich, der in diesem Waldbericht sehr konkret angezogen wird –, wie es mit den Flächen, die durch Waldzäune eingezäunt und damit geschützt sind, und den Flächen, die ungeschützt sind, aussieht. Wir haben gerade bei den Jungtannen praktisch ausschließlich nur mehr in den eingezäunten und damit geschützten Flächen ein Aufkommen. Natürlich erhöht sich damit auch die Belastung der nicht eingezäunten Flächen und der Wildverbiß in den freien Waldbereichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß man einer Jagd-Lobby, die in Österreich nach wie vor ein vehementer politischer Lobbyfaktor ist, daß man dieser Jagd-Lobby ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Habe ich sie jetzt rufen gehört? Sie ruft immer aus der ÖVP-Fraktion! (Abg. Ing. Langthaler: Halali haben sie gerufen!)

Halali haben Sie gerufen! Halali wäre wunderbar. Aber eine seriöse Jagdarbeit kann doch nicht – das tun Gott sei Dank nur mehr wenige Jäger – auf reines Trophäensammeln und auf eine reine Trophäenjagd reduziert werden, die im Winter Kraftfutter beimischt, damit man im Sommer und in der eigentlichen Jagdzeit ordentliche Trophäen einheimsen kann (Abg. Mag. Peter: Jagdmast!), sondern muß auch für eine ökologisch verträgliche Wildsituation im österreichischen Wald sorgen.

Diese Verschärfung der Landesjagdgesetze wäre ein wesentlicher Bereich. Es gibt bereits in etlichen Bundesländern auch Schutzgemeinschaften, Notwehrgemeinschaften von Waldbesitzern, die sich zu Recht wehren und die ihren Wald durch die Landesjagdgesetze zu Recht zu wenig geschützt sehen.

Der letzte Punkt ist ein Punkt, den Kollege Peter schon angesprochen hat. Ich habe Helmut Peter gesagt, als er zu seinem Platz zurückgekehrt ist, ich bewundere seine Kampfkraft über Jahre hinweg – aber nicht für das freie Unternehmertun, sondern für das Mountainbikertum in Österreich. Es ist völlig absurd, daß wir – wie du richtigerweise angezogen hast – bei Podiumsdiskussionen die Zustimmung aller Fraktionen haben, daß hier in diesem Haus Fraktionen sitzen, die bereits in eigenen Pressekonferenzen in allen Bereichen betont haben, daß wir selbstverständlich eine Liberalisierung brauchen. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Natürlich haben wir die Situation – und auch das wurde schon angezogen –, daß praktisch alle Nachbarländer rund um Österreich ihre Forststraßen, ihre Waldwege für eine sorgsame Befahrung geöffnet haben. Es geht nicht um Wildwestsituationen in österreichischen Wäldern. Aber es geht darum, daß wir diesen Eigentumsbegriff – das ist das eigentliche Streitthema, auf das wir zum Schluß hinkommen –, der von Teilen der ÖVP nach wie vor vertreten wird, hinterfragen. Kann es tatsächlich so sein, daß für das Benützen eines Forstweges, der auch für tonnenschwere LKW geeignet ist, durch Radfahrer abkassiert wird?

Herr Kollege Puttinger! Das ist für die Tourismuswirtschaft eine Katastrophe. Wir haben bei allen Podiumsdiskussionen erlebt, wie Mountainbiker mittlerweile nach Bayern, Schweiz, Südtirol ausweichen, weil sie in Österreich Situationen haben, die nicht befriedigend sind, weil man sich eben nicht ausnehmen lassen will – das verstehe ich gut – von seiten jener Sportler, die aktiv


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sind und sich engagieren. Das ist eine aufstrebende Gruppe, eine Gruppe, die sicher stärker wird und die auch einen ganz massiven Geschäftsbereich für die Tourismuswirtschaft darstellt.

Es ist nicht einzusehen, daß abkassiert wird, wo es nur geht. Man sollte die Forstwege freigeben, da es tatsächlich ein sehr bedenkliches Entgelt ist – unter dem Strich ist es volkswirtschaftlich extrem kontraproduktiv –, das man diesbezüglich ausverhandelt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage Sie wirklich: Wie weit wollen Sie diese Abkassierermentalität eigentlich treiben? Wollen Sie, wenn jetzt das Radfahren auf den Forstwegen nur mehr gegen Entgelt möglich sein soll, als nächstes eine Schwimmgebühr auf österreichischen Badeseen, eine Paddelgebühr auf den heimischen Flüssen einführen? – Kollege Puttinger lacht schon. Da fällt ihm einiges ein, was man noch realisieren könnte. Diesbezüglich ist unsere Kreativität in Österreich gar nicht so schlecht.

Da habe ich jetzt ein paar Ideen angebracht, wobei ich mich allerdings frage, warum gerade die Vertreter der Tourismuswirtschaft – manche Vertreter der Tourismuswirtschaft – so zustimmend dazu lachen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, es kann nicht mehr Monate hindurch um den heißen Brei herumgeredet werden, sondern das, was Kollege Peter vorgelegt hat, ist ein machbarer Entwurf. Das ist ja nicht der erste Schritt. Es ist nicht so, daß eine Oppositionspartei die überraschten Parlamentsfraktionen überfällt, indem sie von heute auf morgen mit einer völlig überraschenden Initiative kommt, sondern darüber herrscht bei Podiumsdiskussionen draußen im wesentlichen überall Konsens.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was hindert Sie also daran, so wie die grüne Fraktion diesem weisen Antrag des Kollegen Peter zuzustimmen? – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

18.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

18.30

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz zum Waldbericht Stellung nehmen. Die Bedeutung des Waldes als Wirtschafts-, Umwelt- und Lebensraumfaktor wird national und international immer größer. Ich bin daher sehr froh, daß dieses Thema auch auf internationaler Bühne immer stärker in den Mittelpunkt rückt.

Eine Sondertagung der UNO wird sich noch vor dem Sommer mit der Frage einer internationalen Waldkonvention beschäftigen. Das halte ich für sehr wichtig. Wir sehen ja, was es bedeutet, wenn etwa ein Land wie Österreich zwar Anstrengungen im Sinne des Umweltschutzes unternimmt, aber zum Beispiel beim Waldschadensyndrom deutlich wird, daß die internationale Luftverfrachtung dazu führt, daß wir tun können, was wir wollen: Regional haben wir Probleme, die unter anderem auf die Luftverfrachtung zurückzuführen sind. Daher ist dieser internationale Aspekt von ganz entscheidender Bedeutung.

Zweiter Punkt: Ich gebe all jenen recht, die gesagt haben, daß kein Anlaß besteht, um Entwarnung für den österreichischen Wald zu geben. Allerdings sollten wir klar erkennen, daß es auch positive Entwicklungen gibt, die wir unterstützen müssen, etwa die Zunahme des Laubwaldanteiles oder des Mischwaldanteiles. Das ist positiv. Es ist auch kein Geheimnis, daß wir auch in Zukunft im Bereich des Schutzwaldes, beispielsweise in der Sanierung, hohe Beträge investieren müssen. 1995 sind etwa allein für die Schutzwaldsanierung 327 Millionen Schilling aufgewendet worden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber auch kurz zu der Thematik Stellung nehmen, die Kollege Peter und Kollege Anschober hier angesprochen haben. Eine Ursache dafür, daß wir eine Studie – nämlich die Hemerobie-Studie; Kollege Wimmer ist darauf eingegangen – präsen


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tieren konnten, die uns ein insgesamt gutes Zeugnis ausstellt, liegt wohl darin, daß wir seit etwa 140 Jahren das Forstgesetz haben. Es stammt aus dem Jahre 1853 und ist vermutlich eines der ältesten Umweltgesetze, wenn nicht das älteste. Das Forstgesetz regelt seit 140 Jahren die geordnete Nutzung des Waldes, auf die alle stolz sind. Darin wird etwa geregelt, wie die Rodung und wie die Wiederaufforstung zu erfolgen haben. Darin wird geregelt, daß der Waldbesitzer verpflichtet ist, wiederaufzuforsten sowie im Schadensfall zu handeln, beziehungsweise daß er, wenn er nicht handelt, zur Ersatzvornahme verpflichtet ist, um ein paar Beispiele zu erwähnen. Das Forstgesetz ist eines der am stärksten regulierenden Gesetze, weil es sich beim Wald um ein wichtiges Gut handelt.

Es wird gleichzeitig gesagt, daß der Zustand des Waldes etwa in der Wildproblematik zu liegen kommt, und es wird verlangt, daß eine stärkere und selbstverständlich geordnete Wildbewirtschaftung erfolgen muß, also eine Verschärfung. Weil erkannt wird, daß die touristische Übernutzung des Waldes Probleme verursacht, wird verlangt, daß regulierend eingegriffen wird, etwa durch die Raumordnung. Es wird verlangt, daß nicht überall alles gemacht werden darf. Die Vertreter des sogenannten sanften Tourismus beklagen etwa, daß die Frage des "wilden" Tourengehens ein Problem ist, weil das Wild dadurch aufgescheucht wird, das dann wiederum den Wald schädigt. Um nichts anderes geht es letztendlich auch bei der Frage der Nutzung des Waldes durch Mountainbiking.

Mir geht es darum, eine geordnete Nutzung auch für dieses berechtigte Nutzinteresse der Freizeitwirtschaft und der Sportinteressierten zu haben.

Ich war kürzlich – Herr Abgeordneter Peter, ich kann Ihnen das wärmstens empfehlen! – bei der Eröffnung eines Radwegenetzes im Ausmaß von etwa 300 Kilometern in meinem Heimatbezirk im Ennstal, in Reichraming. Es hat sich herausgestellt, daß dort ursprünglich auch einige Funktionäre undifferenziert für die völlige Öffnung der Forstwege und die Liberalisierung des Forstgesetzes eingetreten waren. Stellen Sie sich vor, ich habe von dort die Rückmeldung bekommen, daß sie jetzt froh darüber sind, daß diese Form gewählt wurde. Warum? – Weil die Interessierten der Region, die Vertreter der Fremdenverkehrswirtschaft, der Tourismuswirtschaft und der Gastronomie mit den Vertretern der Forstwirtschaft, mit den Personen mit jagdlichen Interessen, die es auch gibt, und mit den Vertretern des Natur- und des Forstschutzes so in Übereinklang gekommen sind, daß dieses System perfekt funktioniert und von allen, auch von den Mountainbikern, positiv beurteilt wird. Und wissen Sie, warum? – Weil die Mountainbiker froh sind, zu wissen, wo eine befahrbare Strecke ist, die auch geordnet genutzt wird.

Es wundert mich besonders von Ihnen, Herr Abgeordneter Peter, daß Sie behaupten, das Dollarzeichen irgendwo herausleuchten zu sehen – aber wir können das einmal privat ausdiskutieren. Es geht bei der ganzen Frage nur darum, daß Kollege Farnleitner und ich ein gutes Modell gefunden haben, das die geordnete Nutzung ohne Gesetz regelt. Ich verstehe grundsätzlich nicht, warum bei der Lösung jedes Problems sofort nach dem Gesetzgeber gerufen werden muß, wenn es doch auch andere – aus meiner Sicht sogar bessere und praktikablere – Regelungen gibt. Die Praxis – speziell in unserem Heimatbundesland, Herr Kollege Peter, im Salzkammergut und etwa auch dort, wo ich jetzt war, in Reichraming oder im steirischen Salzkammergut – beweist, daß gute Lösungen auch ohne Gesetz möglich sind! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hums und Edler. – Abg. Auer – in Richtung Liberales Forum –: Eins zu null für den Herrn Minister! Peter war auch gut, aber der Minister war besser! – Heiterkeit.)

18.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.36

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn die Oppositionspartei der Grünen den Waldbericht als realistisch und positiv bezeichnet, dann muß er schon sehr, sehr gut sein!


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Ich gehe davon aus und darf es in der Tat bestätigen: In bezug auf den Wald kann Östereich jeden Vergleich mit allen Nachbarländern in ganz Europa bestehen, und zwar sowohl, was den Gesamtbestand anbelangt, als auch, was die übrigen Daten betrifft.

Österreich verfügt über einen Gesamtbestand von einer Milliarde Festmetern auf zirka 3,88 Millionen Hektar. Im abgelaufenen Berichtszeitraum hat die Bestandsdichte zugenommen, und es hat auch das Gesamtausmaß des Waldes um zirka 2 000 Hektar pro Jahr zugenommen.

Auch die Daten hinsichtlich der Waldnutzung können sich sehen lassen. Österreich nutzt jährlich nur rund 2 Prozent des Gesamtbestandes, obwohl 3 Prozent zuwachsen. Das heißt, wenn ich das in die Sprache des Kapitals übersetze, wir nutzen nicht einmal die angelaufenen Zinsen, sondern nur zwei Drittel davon. Diese Form der Bewirtschaftung verdient wirklich die Bezeichnung "nachhaltige Nutzung".

Es gibt heute in den östereichischen Wäldern allein Durchforstungsreserven von 71 Millionen Festmetern. Auch hinsichtlich der Waldschäden kann Österreich den Vergleich mit seinen Nachbarstaaten spielend bestehen. Während in der EU zirka 19,8 Prozent der Wälder als geschädigt gelten – im mitteleuropäischen Vergleichsraum sind es ungefähr 25,3 Prozent –, sind es in Österreich lediglich 6,6 Prozent der Wälder, die man als geschädigt bezeichnen muß.

Das ist der Erfolg der östereichischen Umweltpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte. So ist allein der SO2-Ausstoß in Österreich von 400 000 Jahrestonnen im Jahre 1980 auf 58 000 Jahrestonnen im Jahre 1994 gesenkt worden. Dahinter stehen massive Anstrengungen unserer Industrie, aber auch privater Haushalte, um dieses Ziel zu erreichen. Auch beim NOX-Ausstoß gibt es eine erfolgreiche Reduktion von 245 000 Jahrestonnen im Jahre 1980 auf 174 000 Jahrestonnen im Jahre 1994.

Ich möchte den Wald aber auch noch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Unser Wald ist ein riesiger Schatz für ganz Österreich. Er ist eine Rohstoffreserve von hohem, ich möchte fast sagen, von unschätzbarem Wert, denn Holz ist ein optimaler Werkstoff. Holz ist der einzige biologisch vollständig abbaubare Werkstoff, über den wir verfügen. Es gibt keinen zweiten nachwachsenden Rohstoff auf dieser Welt. Holz ist auch vielseitig verwendbar. Es gibt keinen Werkstoff, der Holz in bezug auf seine Vielseitigkeit übertreffen kann.

Anläßlich einer Bautagung wurde vor kurzem die Aussage getätigt: Das 21. Jahrhundert wird in bezug auf die Baukultur das hölzerne Zeitalter werden, denn Holz ist auch als Baustoff ein Material, das biologische Eigenschaften hat, die von anderen Baustoffen nicht erreicht werden können.

Bisher war es die Angst vor der Brennbarkeit, die viele Menschen davon abgehalten hat, diesen Baustoff zu verwenden. Mittlerweile haben aber wissenschaftliche Forschungen ergeben, daß das Brandverhalten von Holz viel besser ist als zum Beispiel das von Stahl. Ich unterstütze daher massiv die Anstrengungen der Aktion "pro Holz", die Bauordnungen und Bauvorschriften in Österreich so zu verbessern, daß der Baustoff Holz überall und bei allen Bauvorhaben eingesetzt werden kann.

Holz ist auch ein hochwertiger Energieträger. Daß Österreich bereits 24 Prozent seines Energiebedarfs durch erneuerbare Energie decken kann, liegt daran, daß Österreich sehr viel Holz und viele Wasservorräte hat.

Wenn ich einen Ausblick wagen darf, dann möchte ich sagen: Holz hat Zukunft als Werkstoff – zum Beispiel für die Verpackung. Holz hat Zukunft als Baustoff – es ist das ideale Material für menschenfreundliche Häuser. Holz hat Zukunft als Energieträger – die Verfeuerung von Holz ist eine der wenigen ökologisch verträglichen Methoden der Wärmeerzeugung.

Österreich ist heute auch bereits Spitzenreiter, was den Schnittholzverbrauch anbelangt. Einige Vergleichszahlen: In Österreich werden 0,48 Kubikmeter Schnittholz pro Kopf und Jahr verbraucht, in Deutschland nur 0,18 Kubikmeter, in der Schweiz 0,23 Kubikmeter und in Italien gar


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nur 0,09 Kubikmeter, also ein Fünftel des Verbrauchs in Österreich. Da sind also noch große Marktreserven vorhanden.

Ich möchte mit dem Satz schließen: Wenn Holz Zukunft hat, dann muß auch unser Wald Zukunft haben! (Beifall bei der ÖVP.)

18.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Koller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.41

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Waldbericht ist sehr informativ. Den berichterstattenden Beamten ist die Forstwirtschaft ein wirkliches Anliegen. Ich möchte aus diesem Waldbericht drei Punkte herausgreifen: erstens den Schutzwald, zweitens die phytosanitären Kontrollen und drittens die Rodungen.

Ich muß anmerken, daß dieser Bericht ein Jahr zu spät kommt. Der Bericht 1996 ist bereits fertiggestellt. Es wäre viel informativer, wenn diesbezüglich rascher gehandelt würde.

Unsere Schutzwälder befinden sich auf Standorten, die durch Wind, Wasser und Schwerkraft erosionsgefährdet sind, weshalb Schutzmaßnahmen für den Boden und den Bewuchs unverzichtbar sind. Auch die Wiederbewaldung muß gesichert werden. Der Herr Minister hat gesagt, daß im Jahr 1995 über 300 Millionen Schilling in die Schutzwälder investiert wurden. Ich möchte betonen, diesbezüglich besteht auch weiterhin Handlungsbedarf.

Durch den EU-Beitritt mußte die phytosanitäre Holzkontrolle auf eine neue gesetzliche Basis gestellt werden. Das bis dahin geltende Holzkontrollgesetz wurde außer Kraft gesetzt. Während die Auflagen beim Import von Holz aus außereuropäischen Ländern strenger geworden sind, ist es bei der Einfuhr von Holz aus europäischen Drittstaaten zu einer Liberalisierung gekommen. So ist es seit April 1995 zum Beispiel möglich, Nadelholz in Rinde aus europäischen Drittstaaten ohne Kontrollen an der Grenze einzuführen. Es stimmt zwar, daß am Bestimmungsort Kontrollen durchgeführt werden, aber wenn die Borkenkäfer ausgeflogen sind, ist es zu spät. Eine Kontrolle an der Grenze wäre wirksamer.

Nun zum letzten Punkt, zu den Rodungen. Für die Landwirtschaft wurden Rodungen im Ausmaß von 490 Hektar amtlich bewilligt. Dabei wurden Ersatzaufforstungen auf Flächen von insgesamt 214 Hektar vorgeschrieben. Weniger streng ist die Behörde bei Gewerbe und Industrie. Für gewerbliche beziehungsweise industrielle Anlagen wurden Rodungen im Ausmaß von 272 Hektar gemeldet, und zwar als befristete Rodungen: Gemäß § 18 Abs. 4 und 5 des Forstgesetzes wurde nur um eine befristete Rodung angesucht. Da wird eine rein waldwirtschaftliche Maßnahme fehlinterpretiert und zum Schlupfloch. Daher werden wir Freiheitlichen diesem Waldbericht unsere Zustimmung verweigern. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Vorläufig letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte.

18.45

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Waldfläche Österreichs beträgt 3,88 Millionen Hektar, das sind 46,2 Prozent des Bundesgebietes. 78,5 Prozent davon sind Wirtschaftswald.

Sowohl die Situation in der Landwirtschaft als auch die der österreichischen Tourismuswirtschaft ist von einer großen Umstrukturierung geprägt und hat die Modernisierung dieser Wirtschaftszweige für eine erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft zum Ziel.

Ich möchte, wie schon so oft, heute über eine Regelung zu Ihnen sprechen, die eine bessere Zusammenarbeit der Besitzer des Waldes – egal, ob dieser im privaten oder im öffentlichen Besitz steht – zur Voraussetzung hat. Diesbezüglich gibt es aber noch einige Arbeit zu tun. Es


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geht um eine künftige Regelung des Mountainbiking zur Zufriedenheit aller Partner. Ich kann mich der Meinung des Herrn Bundesministers zwar nicht ganz anschließen, es ist aber schon sehr viel geschehen, das möchte ich betonen. Ich darf auch sagen, daß ich wesentlich dazu beigetragen habe, daß wir uns hier im Plenum so häufig mit dieser Frage beschäftigen.

Warum ist das so wichtig, meine Damen und Herren? – Eine vom Fessel-Institut durchgeführte Umfrage ergab, daß 12 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher ein Mountainbike besitzen und weitere 5 Prozent beabsichtigen, eines zu kaufen. (Der Redner hält einen Folder mit dem Titel "Sport in Niederösterreich" in die Höhe.) Ich habe hier eine ganz neue Studie über Niederösterreich, die noch nicht der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Laut dieser Studie sagen 49 Prozent der Bevölkerung, daß sie radfahren wollen. In Österreich werden jährlich zirka 500 000 Fahrräder verkauft. Dies ist für die Wirtschaft und für den Tourismus von großer Bedeutung.

Ein besonderes Anliegen ist mir diese Frage auch deshalb, weil dieser Sport gerade bei Jugendlichen immer beliebter wird. Das Abweichen von traditionellen Sportarten bringt aber auch eine Verlagerung der Aktivitäten – weg von den Sportstätten, hinaus in die Natur – mit sich. Dadurch entstehen gesellschaftliche Konflikte, die von der Politik zu lösen sein werden. Teilweise werden sie regional bereits erfolgreich gelöst.

Ein immer wieder aufgeworfenes Problem – wir haben es auch heute schon gehört – ist die sogenannte Wegerhalterhaftung, welche dem Waldbesitzer meistens als Argumentationsgrundlage dafür dient, Moutainbiking auf den Forststraßen nicht zuzulassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Meine Damen und Herren! Ich kann aus eigener Erfahrung und aufgrund zahlreicher Gespräche sagen, daß die Meinungen der Forstleute zum Thema Radfahren auf Forststraßen nach wie vor sehr unterschiedlich sind. Immer mehr Bürgermeister und Tourismusexperten erkennen darin auch eine Marktchance und sprechen sich unter bestimmten Voraussetzungen für das Radfahren im Wald aus.

Erst vor kurzem sind die Bürgermeister – fast nur ÖVP-Bürgermeister! – der Region Payerbach-Reichenau zu mir gekommen und haben um Hilfe gebeten. Sie wollen einen Radweg von Semmering bis Puchberg. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Da lachen Sie. Sie vertreten die Wirtschaft, Sie vertreten die Industrie und Sie vertreten die Landwirtschaft, aber ich darf Ihnen sagen: Jeder gibt die Forststraßen frei, wenn er etwas dafür bekommt. Aber wir Sozialdemokraten wollen nicht, daß man dafür zahlen muß.

Um die Haftungsfrage auf Forststraßen und beim Bergradfahren zu lösen, müssen sich die Forstbesitzer, die Gemeindevertreter und die Tourismusvertreter an einen Tisch setzen. Es geht darum, ein Modell zu entwerfen und umzusetzen, welches Rechtsunsicherheit vermeidet und die Rechtsfolgen klar definiert.

Das nach wie vor am häufigsten gegen die Öffnung von Forststraßen gebrachte Argument – die SPÖ spricht sich bekanntlich für die generelle Öffnung aller Forststraßen mit einer Mindestbreite von eineinhalb Metern aus – ist jenes der Haftung der Wegbesitzer beziehungsweise Wegerhalter. Dabei handelt es sich für die SPÖ um nachvollziehbare Bedenken seitens der jeweiligen Eigentümer. Eine Haftungsbefreiung ist auch aus unserer Sicht unumgänglich.

Meine Damen und Herren! Beispielgebend für die Lösung dieses Problems könnte die Vorgangsweise der Steiermark sein. Dort wurde von der Landestourismusgesellschaft eine Sammelversicherung für alle Forststraßen, die für Radfahrer geöffnet werden, abgeschlossen. Haftungsprobleme für Wegbesitzer beziehungsweise Wegerhalter sind damit nicht mehr gegeben. Dieser Weg scheint aus Sicht der SPÖ zielführender zu sein als von den jeweiligen Orten und Regionen abgeschlossene Versicherungen für einzelne Strecken. Erstens kann dadurch das Angebot entscheidend vergrößert werden, und zweitens gibt es für die Radfahrer ein Mehr an Sicherheit. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Nach jahrelanger Diskussion wurde im April dieses Jahres seitens des Tiroler Landeshauptmannes eine Regelung über das Mountainbiking auf Forststraßen präsentiert. Wir begrüßen dies grundsätzlich, müssen allerdings der berechtigten Kritik – das habe ich bereits gesagt – des Tiroler Arbeiterkammerpräsidenten zustimmen, der zu diesem Tiroler Modell meinte, daß das Land gegenüber Forderungen der Waldbesitzer kapituliert habe. Es werde noch so weit kommen, daß Eintrittsgeld für Wandern und Spazierengehen bezahlt werden müsse.

Ich ersuche daher weiterhin um volle Unterstützung aller Fraktionen, auch wenn es nur kleine Schritte vorwärts sind. Herr Minister! Wir werden nicht rasten und ruhen, bevor wir das bekommen, was notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

18.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.51

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Lieber Kollege Grabner, Sie haben mich mit Ihren Meldungen doch noch zu einer kurzen Stellungnahme zur Mountainbike-Frage gereizt.

Herr Bundesminister! Wenn Sie sagen, wir brauchen kein Gesetz, dann gebe ich Ihnen grundsätzlich recht, aber wir haben ein Gesetz zu dieser Frage, nämlich das Forstgesetz, welches das Mountainbiking und Radfahren auf Wegen verbietet, und der Antrag zielt ja auf eine Beseitigung dieser Gesetzesstelle ab. Selbstverständlich gibt es Ausnahmeregelungen, aber im Grunde ist das Befahren von Forststraßen laut Forstgesetz verboten. (Abg. Mag. Peter: Eine Erleichterung – keine Absage!)

Ich kann auch Kollegen Anschober folgen: In der Tat ist es für einen natürlich denkenden Menschen nicht einsehbar (Abg. Tichy-Schreder: Gibt es einen unnatürlich denkenden Menschen?), was man, wenn tonnenschwere LKWs über diese Straßen fahren dürfen, denn da mit einem Fahrrad anstellen sollte.

Leider liegt der Teufel im Detail. Eine generelle Öffnung ist nicht die Antwort; ich habe Ihnen das schon im Ausschuß zu erklären versucht, Kollege Peter. Weder sind 100 Prozent der Forststraßen für das Mountainbiking geeignet, noch werden sie überhaupt dafür benötigt, noch ist der Sicherheitsaspekt ausreichend berücksichtigt, noch sind Forstwirtschaft und Jagd bei dieser 100-Prozent-Lösung in irgendeiner Form beteiligt.

Es ist interessant, die gespaltene Zunge des Kollegen Grabner über drei Jahre hinweg zu verfolgen. In einer Rede vom 9. Mai 1995 meinte er:

Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede mit der Ankündigung schließen, daß mit einem gemeinsamen Vorschlag der Agrar-, Tourismus- und Sportsprecher der SPÖ für ein zukunftsweisendes Konzept Mountainbiking unserer sportbegeisterten Jugend, und zwar auf rechtlicher Basis und unter ungefährlicher Ausübung, möglich wird. – Zitatende.

Diese Ankündigung wurde ein Jahr später, und zwar am 26. April 1996, mit einem Antrag der Abgeordneten Grabner und Gradwohl in die Tat umgesetzt: Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz geändert und gestattet wird, Forststraßen mit einer Mindestbreite von 1,5 Metern mit dem Fahrrad zu befahren, was ja vollkommen identisch mit dem Vorschlag des Kollegen Peter ist. Weiters hieß es: "In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf die erste Lesung die Zuweisung an den Verfassungsausschuß beantragt."

Wo bleibt denn eine Bearbeitung dieser Materie? Natürlich dürfen wir mit Recht annehmen, daß es zu keiner Einigung zwischen Rot und Schwarz kommen konnte. Schwarz hat sich quergelegt, wie man hört. Rot konnte nicht durchkommen und entzieht sich der Verantwortung.


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Weder eine Strategie noch ein Konzept hat Sie, Herr Bundesminister, zu der von Ihnen gelobten Lösung gebracht, sondern es gab ausschließlich Zuwarten auch in dieser Frage. Die Zeit bringt aber manchmal vernünftigere Lösungen, als das mit der Verwirklichung Ihrer Konzepte der Fall wäre.

Das "Tiroler Modell" ist ein weitgehend geeignetes. Wenn wir die Gemeinden und Tourismusvereine – in Absprache mit den Grundbesitzern, versteht sich – dazu bringen, daß etwa 10 Prozent der österreichischen Forststraßen für diesen Sport zur Verfügung gestellt und als solche ausgewiesen werden, so sind wir genau bei dem Punkt, zu dem die Freiheitlichen im Jahre 1991, und zwar durch die Abgeordneten Peter und Murer, einen Antrag zum Forstgesetz eingebracht haben.

In diesem Antrag heißt es: ... drittens die Ausübung des Freizeitsportes unter Berücksichtigung der Funktion des Waldes vorzusehen. – Zitatende. Das, was wir im Jahre 1991 angefangen haben, wurde inzwischen von uns Freiheitlichen – geringfügig modifiziert – immer wieder eingebracht und steht auch heute zur Debatte.

Entschließen Sie sich endlich, damit nämlich nicht die Situation eintritt, die Sie derzeit haben. – Herr Bundesminister, schenken Sie mir noch kurz Ihre Aufmerksamkeit! Zurzeit ist es so, daß die Regelung, auch die Tiroler Regelung, dem Grunde nach nicht mit dem Forstgesetz in Einklang steht. Die im Antrag vorgeschlagene Erweiterung geht uns zu weit. Diese Restriktion im Gesetz wäre etwa durch diese von uns seit 1991 vorgesehene Änderung des Forstgesetzparagraphen nicht notwendig. Dabei geht es nicht nur um das Moutainbiking; es gibt viele andere Sportarten, die in die Natur drängen. Auch bei diesen wird man sich nicht immer wieder darauf zurückziehen können, abzuwarten, bis sich geeignete Lösungen von selbst ergeben. Aktiv waren Sie in dieser Frage wirklich nicht!

Wenn uns der Sport selbst und die Natürlichkeit der Entwicklung dort recht gibt, dann soll dem so sein. Sie sind aber nach wie vor eingeladen, diesem Antrag der Freiheitlichen zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt hiezu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort seitens des Berichterstatters wird nicht gewünscht.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen. – Herr Dr. Haselsteiner, nehmen Sie bei der ÖVP Platz? (Abg. Dr. Haselsteiner: Noch nicht, Herr Präsident! – Heiterkeit.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung .

Wir stimmen zunächst ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-69 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 674 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Entschließung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Entschließung ist mehrstimmig angenommen. (E 56.)

Ich lasse jetzt noch abstimmen über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 675 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.


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10. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (608 der Beilagen): Immissionsschutzgesetz – Luft, IG-L (681 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (583 der Beilagen): Protokoll über den Beitritt des Fürstentums Monaco zum Übereinkommen zum Schutze der Alpen (Beitrittsprotokoll) (682 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 34/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Neugestaltung der Verpackungsverordnung (683 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 36/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Novellierung Altlastensanierungsgesetz (684 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 10 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Ich erteile es ihm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

19.00

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heute zur Abstimmung gelangende Immissionsschutzgesetz – Luft ist meiner Ansicht nach ein nicht sehr gut gelungenes, obwohl es eine jahrelange Diskussion darüber gegeben hat, eine Diskussion, die bereits 1992 begonnen hat, und somit hätte aufgrund des langen Diskussionszeitraumes durchaus Besseres herauskommen können. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meiner Ansicht nach besonders unverständlich ist, daß es trotz dieser langen Vorlaufzeit schlußendlich noch zu zeitlichen Problemen gekommen ist und Österreich deshalb ein Mahnschreiben der EU in Kauf nehmen mußte, ein Mahnschreiben, in dem uns eine Frist gesetzt wurde, endlich dieses Gesetz zu beschließen, weil ein solches Pflicht ist für ein Mitgliedsland der Europäischen Union.

Diese fünf Jahre lang dauernde Diskussion hat aber letztlich nicht mehr gebracht als diese formale Pflichterfüllung der Europäischen Union gegenüber. Ich meine, das ist ein Paragraph mehr an folgenlosem Umweltrecht – aber mit relativ hohen Kosten für die österreichischen Bundesländer, ohne daß damit tatsächlich etwas erreicht würde.

Herr Bundesminister! Für mich – ich habe Ihnen das bereits im Ausschuß gesagt – ist es nicht ganz verständlich, daß Sie nicht diese Chance genutzt haben, eine umfassende Lösung zu präsentieren. Fünf Jahre waren Zeit! – Ich gebe schon zu, daß Sie innerhalb dieser fünf Jahre nicht der einzige Umweltminister waren; Sie hatten mehrere Vorgängerinnen. Aber trotzdem hatten Sie – mit Ihren Vorgängerinnen zusammen – fünf Jahre lang Zeit, eine umfassende Lösung zu präsentieren. Es hätte die Möglichkeit gegeben, vorhandene Mehrgleisigkeiten zu beseitigen. Das Imissionsschutzgesetz könnte heute eine übergeordnete Materie sein: Smogalarmgesetz, Ozoninformationsgesetz, Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen und anderes mehr hätten darin


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integriert können, ja meines Erachtens integriert werden müssen. Am Ende hätten wir ein einheitliches Regelwerk gehabt und nicht weitere Mehrgleisigkeiten, wie das jetzt der Fall ist.

Herr Bundesminister! Im Detail ist an diesem Gesetz zu kritisieren, daß keine speziellen Immissionsgrenzwerte zum Schutz der Wälder vorgesehen sind, daß die hohen Kosten für die Länder im Detail noch nicht einmal abschätzbar sind und daß das Gesetz einen Blockademechanismus enthält, eben durch das Vetorecht des Wirtschaftsministers. – Wir werden dazu einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen.

Zudem stellt sich die Frage, wie das privatisierte Umweltbundesamt – dann, wenn dieses Gesetz eben zu vollziehen ist – völlig unabhängig Messungen durchführen soll. Gründe genug, Herr Bundesminister, ein solches Gesetz abzulehnen!

Ich bringe nun folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Kollegen zur Regierungsvorlage 608 der Beilagen betreffend das Immissionsschutzgesetz in der Fassung des Ausschußberichtes 681 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel bezeichnete Antrag wird wie folgt abgeändert:

1. § 3 Abs. 3 lautet:

"Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat zur innerstaatlichen Umsetzung der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, soweit solche nicht durch Anhang 1 (Konzentration) oder Anhang 2 (Deposition) gegeben ist, festzulegen und kann unter Bedachtnahme auf einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse mit Verordnung festlegen:

1. Immissionsgrenzwerte (§ 2 Abs. 4 und 5) für solche Luftschadstoffe, die geeignet sind, ein anderes Schutzgut (§ 2 Abs. 6) als das in Abs. 1 genannte zu gefährden oder Menschen unzumutbar zu belästigen;

2. Immissiongrenzwerte für zusätzliche Luftschadstoffe des Schutzgutes nach Abs. 1, die in den Anlagen 1, 2 und 3 nicht genannt sind."

2. § 3 Abs. 4 entfällt.

3. § 21 Abs. 2, 1. Satz lautet:

"Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat bei Bedarf mit Verordnung bestimmte Kategorien von Anlagen, die gemäß Abs. 1 genehmigungspflichtig sind, hinsichtlich ihrer Art, Produktionskapazität, thermischen Leistung oder Massenströme festzulegen."

*****

Herr Bundesminister! Zur Ablehnung des Antrages der Freiheitlichen auf Novellierung der Verpackungsverordnung – trotz inzwischen erfolgter Modifizierung – möchte ich folgendes sagen: Es ist für völlig unverständlich, daß es hierüber keine weitere Diskussion mehr gibt – und das, obwohl mit ihrer Novellierung, die nicht allzulang zurückliegt, viele wichtige Punkte nicht erfaßt wurden. Nach wie vor gilt diese Verordnung nicht für alle in Verkehr gebrachten Verpackungen. (Zwischenruf des Abg. Kopf. ) Die Diskriminierung der inländischen Hersteller bleibt weiterhin aufrecht, obwohl nur 30 Prozent der in Verkehr gebrachten Verpackungen von inländischen Herstellern stammen, jedoch 100 Prozent der Entsorgungskosten von ihnen zu bezahlen sind. Das ist eine absolute Diskriminierung der inländischen Hersteller, die nicht zuletzt von uns abgelehnt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Die Zulassung von privatwirtschaftlichen Sammelsystemen ist de facto nicht möglich. Ich meine, das ist in einer freien Marktwirtschaft untragbar. Die ARA nimmt durch die derzeitige Regelung de facto nach wie vor eine Monopolstellung ein. Zudem stellt die derzeitige Verpackungsverordnung deutlich eine Einbahn in Richtung Verbrennung dar. – Allein diese Punkte würden genügen, eine weitere Novellierung durchzuführen.

Weiters werde ich noch nachweisen, daß eine Ablehnung des Antrages der Kollegin Aumayr betreffend Novellierung des Altlastensanierungsgesetzes wirklich nicht gerechtfertigt war. Derzeit besteht nämlich mit der Ausweisung als Altlast weder eine gesetzliche Verpflichtung, eine Sanierung durchzuführen, noch werden Fristen für den Beginn beziehungsweise die Beendigung der Sanierung vorgeschrieben. Ein Ermittlungsverfahren zur Bestimmung des Verursachers wird nicht durchgeführt und von der Ausweisung der Altlast wird lediglich der Grundeigentümer informiert, der aber in den wenigsten Fällen identisch mit dem Verursacher der Altlast ist.

Andererseits entsteht jedoch mit der Meldung einer Verdachtsfläche auch Handlungsbedarf für Wasserrechts- und Gewerbebehörde. Gegebenenfalls kann die Wasserrechtsbehörde ein Sicherungsverfahren einleiten, das unter Umständen mit einem Bescheid endet, der den Verpflichteten beauftragt, Ablagerungen und Bodenverunreinigungen zu sichern oder dadurch verursachte Mißstände zu beseitigen, bevor noch die Verdachtsfläche als Altlast ausgewiesen ist.

Damit wird es problematisch, und was das bedeutet, hat Kollege Salzl, der als Bürgermeister davon betroffen ist, im Ausschuß bereits erörtert. Wenn ein Auftrag nach dem Wasserrechtsgesetz besteht, können ergänzende Untersuchungen nicht mehr – unter Umständen noch ein betroffener Bürgermeister – aus Altlastenbeiträgen finanziert werden. Damit entsteht für viele Bürgermeister eine sehr paradoxe Situation. Im Burgenland sind sehr viele Gemeinden im Seewinkel davon betroffen. Die Gemeinden geraten in große finanzielle Schwierigkeiten, und der Bürgermeister selbst steht sozusagen mit einem Fuß im Kriminal.

Unseres Erachtens nach ist deshalb eine Harmonisierung von Wasserrecht und Altlast höchst notwendig. Zudem bedarf es einer effizienten Regelung zur Sicherstellung der Finanzierung der Altlastensanierung. Sie wissen, daß das Aufkommen relativ gering ist, daß es nach wie vor zu Abgabenhinterziehung kommt, die Sie nicht in Griff bekommen, und daß das Finanzierungsvolumen ein weitaus größeres ist, als die Einhebung der Altlastensanierungsbeiträge ausmacht. Zudem brauchen wir auch eine Verpflichtung zur Sanierung ausgewiesener Altlasten, und es bedarf eines effizienten Ermittlungsverfahrens zur Bestimmung des Verursachers einer Altlast.

Also: Durchaus wichtige Fragen, die bis heute nicht geregelt sind. Spezifisch im Interesse der Gemeinden, im Interesse der betroffen Bürgermeister ist dieser Antrag von uns Freiheitlichen mehr als berechtigt. Deshalb verstehe ich Ihre Ablehnung unseres Antrages nicht. Wir werden nicht darum herumkommen, diesen so notwendigen Antrag für unsere Bürgermeister und Gemeinden noch einmal einzubringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der zuvor verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

19.10

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz einige Bemerkungen zum Immissionsschutzgesetz – Luft.

Bisher hat es in Österreich noch keine ausreichende bundesstaatliche Rechtsgrundlage für den Immissionsschutz gegeben. Bis jetzt knüpfte die nationale Umweltgesetzgebung auf der Emissionsseite, also auf der Verursacherseite, an. Mit dem nunmehr vorliegenden Immissionsschutzgesetz – Luft hat der Bundesminister für Umwelt dafür gesorgt, daß eine langjährige politische Forderung erfüllt wird. Dieses Gesetz gibt uns nunmehr durch die ständige Überwachung der


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Schadstoffkonzentrationen die Möglichkeit, bei einer Überschreitung der Grenzwerte entsprechende Maßnahmen zur Schadstoffreduktion anzuordnen.

Das Immissionsschutzgesetz – Luft bedeutet aber nicht nur eine weitere Verbesserung der betont guten Qualität der österreichischen Luft, sondern stellt darüber hinaus die Basis für die Umsetzung der EU-Immissionsschutzrichtlinien sowie der Rahmenrichtlinie Luftqualität dar.

Lieber Herr Bundesminister! Sie decken mit diesem Gesetz eine ganze Reihe von Forderungen und anstehenden Verbesserungen im Umweltbereich ab. Der Zweck dieses Gesetzes ist es, daß man Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre, aber auch Kulturgüter und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützt. Und soweit es sich um genehmigungspflichtige Anlagen handelt, sind diese Güter auch vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die auf andere Weise herbeigeführt werden, zu schützen und ist dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen.

Insgesamt wollte man mit diesem Gesetz den langfristigen und dauerhaften Schutz vor schädigenden und belästigenden Luftschadstoffen sowie eine vorsorgliche Verringerung der Immissionen von Luftschadstoffen erreichen. Weiters soll die Einhaltung von Immissionsgrenzwerten gewährleistet werden.

Auch wenn das Gesetz heftig kritisiert wurde und immer noch kritisiert wird, stellt dieses Immissionsschutzgesetz – Luft, meine Damen und Herren, einen bedeutenden Schritt für den heimischen Umweltschutz dar. Denn letztendlich schaffen wir dadurch die gesetzliche Grundlage für die Messungen von Luftschadstoffen in Österreich, und wir schaffen die Grundlage für die Errichtung eines Datenverbundes.

Wenn es jetzt zu Grenzüberschreitungen kommt, müssen nach dem neuen Gesetz ganz bestimmte Schritte gesetzt werden: Zuerst muß die Ursache ermittelt werden – das ist die sogenannte Statuserhebung –, dann werden Sanierungsmaßnahmen festgelegt – bei Anlagen, Stoff und Produkten, Verkehr und Heizungsanlagen – und Sanierungsfristen bestimmt, in welchen die Sanierung stattzufinden hat. Schließlich werden Immissionsgrenzwerte als Voraussetzungen für die Bewilligung von neuen Anlagen herangezogen.

Man kann sagen, daß Österreich bezüglich der Entwicklung der Luftschadstoffe allgemein gesehen als Vorbild in der Europäischen Union, aber auch als Vorreiter in Umweltbelangen insgesamt gesehen werden kann. So ist Österreich europaweit führend bei der Verringerung des Schwefeloxidausstoßes. Der Schwefeloxidausstoß konnte von 1980 bis 1994 um über 80 Prozent verringert werden. Somit ist Österreich OECD-Spitzenreiter.

Nach dem Umweltkontrollbericht hat sich der Ausstoß der meisten anderen Luftschadstoffe in Österreich verringert. Am höchsten ist der Rückgang bei Stickstoffoxiden, gefolgt von Kohlenmonoxid, flüchtigen organischen Verbindungen und Kohlendioxid. Ein sehr gutes Zeugnis hat uns auch die OECD in ihrem Länderbericht über die Umweltpolitik Österreichs ausgestellt. Demnach ist Österreichs Umweltpolitik seit den späten siebziger Jahren sehr erfolgreich gewesen. Die heimischen Umweltausgaben gehören zu den höchsten in der OECD.

Wir haben eine besondere Vorreiterrolle im Bereich Wasserschutz und Luftreinhaltung. Hervorgehoben wurde die in den siebziger Jahre begonnene Sanierung unserer Seen. Die kommunalen und industriellen Abwasserreinigungsanlagen sind sehr effizient. Über 70 Prozent der Haushalte in Österreich sind an eine biologische Abwasserkläranlage angeschlossen.

Auch ist es uns gelungen, das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes vom Energieeinsatz relativ früh abzukoppeln. Der Energieeinsatz, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, ist um ein Drittel niedriger als im OECD-Durchschnitt. Weiters wird mehr als ein Viertel der Primärenergie aus erneuerbaren Energiequellen in Österreich bereitgestellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei der Wiederverwertung von rezyklierbarem Material liegt Österreich ebenfalls im Spitzenfeld der OECD-Staaten: Altpapier 78 Prozent, Altglas fast 70 Prozent. Ich stehe nicht an, hier den Dank an die Gemeinden und Abfallverbände beziehungsweise an die Funktionäre dieser Orga


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nisationen zu richten, die mit den Bürgern hervorragende Aufklärungsarbeit geleistet haben, sodaß wir auch bei der Trennung und Vermeidung von Abfall in Europa an der Spitze liegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch was den Zustand des österreichischen Waldes betrifft – wir haben vorhin den Waldbericht 1995 behandelt –, sind wir europaweit Spitzenreiter, denn auch in diesem Bereich ist es in letzter Zeit zu wesentlichen positiven Entwicklungen gekommen. Einzig bei der Ozonbelastung hat sich nicht wirklich etwas geändert. Zwar sind die Vorläufersubstanzen weniger geworden, aber die Ozonbelastung selbst zeigt seit 1991 keinen Trend zum Rückgang.

Man kann sich jedoch, was die Schadstoffbelastungen betrifft, nicht von seinen Nachbarstaaten abschotten. Das Umweltbundesamt weist nach, daß zum Beispiel Schwefeldioxid zu 95 Prozent nach Österreich importiert wird. Unsere eigenen, hausgemachten Emissionen wurden in den vergangenen Jahren drastisch reduziert. Nur mehr 5 Prozent – man höre: nur mehr 5 Prozent! – der gesamten Schwefeldioxid- und Schwefelmonoxidbelastung in Österreich sind auf Emissionen innerhalb unseres Bundesgebietes zurückzuführen.

Da wir wissen, daß die meisten Schadstoffe über Grenzen hinweg zu uns kommen, sollten wir uns doch lieber in Brüssel dafür einsetzen, daß die Umweltgesetze europaweit strenger werden, aber auch auf unsere östlichen Nachbarstaaten sollten wir einwirken, und zwar dahin gehend, daß die Schadstoffverfrachtung aus diesen Ländern geringer wird. Man sollte aber nicht dauernd fordern, wie es von freiheitlicher, aber auch von grüner Seite vor allem im Ausschuß geschieht, daß unsere eigenen Grenzwerte noch zu verringern sind und unsere Umweltstandards noch weiter verschärft werden sollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage Sie: Wollen wir wirklich unsere Wirtschaft noch stärker mit noch strengeren Auflagen belasten, oder sollte es nicht doch lieber unser gemeinsames Ziel sein, strengere europäische, und zwar gesamteuropäische, Umweltrichtlinien zu bekommen? (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne danke ich Ihnen, Herr Umweltminister, dafür, daß so ein ausgewogenes Gesetz vorgelegt wird. Meine Fraktion wird diesem Gesetz daher gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.18

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Umweltminister! Sie müssen heute mit mir vorliebnehmen. Ich vertrete den abgemeldeten Kollegen Barmüller.

Das hat ja vor zwei Jahren mit dem Umweltminister Bartenstein alles recht erfreulich begonnen. Ein Liberaler hat sich gefreut, daß ein Umweltminister sagt, ich will Emissionszertifikate und eine ökologische Steuerreform. Leider hat dich, Herr Bundesminister, offensichtlich die normative Kraft des Faktischen eingeholt, denn aus den Emissionszertifikaten wurde ein Emissionsschutzgesetz, und aus der ökologischen Steuerreform wurde eine Belastung der Energie ohne Entlastung der Lohnnebenkosten. – Offensichtlich sind die Zwänge in der Regierung doch ganz erheblich. (Abg. Dr. Puttinger: Auch Rom ist nicht in einem Tag erbaut worden!) – Ja, schon, aber schön langsam werde ich ungeduldig. Ich werde bald 50. (Heiterkeit. – Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Schieder: Da werden die meisten geduldig! – Neuerliche Heiterkeit.)

Unsere Kritik am Immissionsschutzgesetz setzt dort an, wo Reglementierung an die Grenzen des Möglichen stößt. Wer sich den § 14 dieses von Herrn Kollegen Ellmauer so hochgejubelten Gesetzes durchliest – im Absatz 2 dieses Paragraphen geht es darum, wer aller im Falle akuter Überschreitung der Grenzwerte ausgenommen ist –, sieht, welch enormer Aufwand an Bürokratie notwendig ist, um diese ganzen Ausnahmen dann zu regeln. Schon an diesem einzigen


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Beispiel merkt man, wie schwierig es ist, über Reglementierungen Emissionen beziehungsweise Immissionen in den Griff zu bekommen, wenn man nicht auf der Emissionsseite sowohl im Autoverkehr als auch in der Frage der Emissionszertifikate, mit ganz wenig Reglementierungen eingreifend, Märkte schafft, die dann selbst reglementierend funktionieren.

Ich halte das für bedauerlich, Herr Bundesminister, weil die Erwartungen, die in dieser Richtung in dich gesetzt wurden, sehr hoch waren. Man ist wieder einmal im Üblichen steckengeblieben: Die Ergebnisse sind geleitet von dem Glauben, man könne wirklich alle wirtschaftlichen und ökologischen Zusammenhänge in diesem Staat durch Reglementierungen bis ins kleinste Detail lösen.

Was bleibt übrig? – Rechtsunsicherheit, weil Reglementierungen in dieser Dichte nicht verstanden, daher nicht umgesetzt werden und zu einer Verbürokratisierung und zu einer wahnsinnigen Kontrolle führen.

Insgesamt gesehen ist dieses Immissionsschutzgesetz ohne Zweifel besser als keines. Es geht leider – so wie bei vielen anderen Dingen – den falschen Weg.

Ich möchte an das anschließen, was Abgeordneter Ellmauer gesagt hat: Mir wäre es auch viel lieber, wenn wir in der europäischen Umweltpolitik schon viel weiter wären. Die Europäische Union wird uns – und ich glaube, daß die Währungsunion nicht nur eine ökonomische, sondern sogar eine wesentliche politische Frage in diesem Zusammenhang ist – zu einer gemeinsamen Umweltpolitik, zu einer gemeinsamen Sozialpolitik, zu einer gemeinsamen Finanzpolitik zwingen. Es ist der Kontinent zu klein, es sind die Grenzen zu eng, um alles immer im eigenen Bereich lösen zu können und wollen. – Wir werden aus diesem Grund dieser Gesetzesvorlage nicht unsere Zustimmung geben.

Mit großer Freude geben wir die Zustimmung zum Beitritt Monacos zur Alpenschutzkonvention. Ich weiß, das größte Problem liegt im Verkehrsprotokoll, aber ich nehme auch die Gelegenheit wahr, das Tourismusprotokoll einzumahnen, das meines Wissens noch nicht abgeschlossen ist, und darf den Herrn Umweltminister bitten, das zu Protokoll zu nehmen.

Im Tourismusprotokoll geht es im wesentlichen um eine Sache: um das Recht derer, die in Freizeitgebieten, in Tourismusgebieten wohnen, den gleichzeitigen Zugang mengenmäßig zu beschränken. Ob das jetzt über den Weg der Congestion-Tax erfolgt, ob das über Zutrittsbeschränkungen erfolgt, ist gleichgültig. Das ist noch ein sehr großer Streit zwischen den touristischen Nehmer- und Geberländern. Aber hier geht es darum, Überlastungen und somit Massentourismus zu verhindern und die Lebensqualität der Menschen, sowohl der Reisenden wie auch der Bereisten, zu wahren.

Die Situation im Tourismus in Österreich ist zwar insgesamt gesehen nicht danach, über dieses Problem nachzudenken, aber trotzdem ist es punktuell eine Zukunftsfrage, zu sagen, gewisse Freizeitgebiete müssen eine gleichzeitige Zugangsbeschränkung haben. Und das in einer Alpenkonvention, im Tourismusprotokoll festzuhalten, könnte auch eine Aufgabe des Herrn Umweltministers sein. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Brix vor. – Bitte.

19.23

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem heute zu beschließenden Immissionsschutzgesetz – Luft wird ein Instrumentarium für eine langfristig wirksame Luftreinhaltepolitik zum Schutze der Gesundheit geschaffen. Kollege Ellmauer hat schon davon gesprochen, daß wir mit diesem Gesetz eine Vorreiterrolle in der Europäischen Union haben werden, und wir werden mit diesem Gesetz sicherlich eine wesentliche Verbesserung unserer zum Teil schon sehr guten Umweltsituation erreichen.


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Eines muß ich aber schon anmerken, Herr Bundesminister: Ich bin der Meinung, daß man in diesem Zusammenhang noch ein bißchen etwas hätte verbessern können, denn ich glaube, daß manche Grenzwerte noch immer nicht tief genug angesetzt sind. So fehlt mir etwa bei der Immissionsmessung der Tagesmittelwert. Wir messen zwar den Stundenmittelwert, aber nicht den Tagesmittelwert. Diesen hätte ich auch noch ganz gerne im Gesetz vorgesehen gehabt, und zwar angesetzt mit 0,1 Milligramm pro Kubikmeter. Das wäre etwas, was auch die Akademie der Wissenschaften gefordert hat und wovon ich glaube, daß es unsere Umweltsituation sicherlich noch verbessert hätte.

Trotzdem müssen wir sagen, daß uns insofern etwas Gutes gelungen ist, als nicht nur die Bundeskompetenz der Luftreinhaltung vorgesehen ist, sondern auch die Länder weiterhin ihr Mitbestimmungsrecht haben und die Landeshauptleute eingreifen können. Wir können rechtzeitig Maßnahmen setzen, wenn klar ist, wer die Verursacher sind.

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch eine zweite Anmerkung zu einem Punkt, wo ich ebenfalls glaube, daß wir das noch ein bißchen genauer hätten ausfeilen können. Wir haben im neuen Gesetz die wichtigsten Luftschadstoffe erfaßt. Wir haben die Konzentrationsgrenzwerte für Schwefeldioxid, Schwebestaub, Stickoxid und Blei im Schwebestaub festgelegt. – Ich glaube, gerade Blei hätte man nicht mehr hineinzunehmen brauchen, denn es gibt fast keine Emissionsquellen für Blei mehr. Das bedeutet also nur eine zusätzliche Messung und somit einen zusätzlichen Aufwand, der Geld kostet, und dieses Geld hätte vielleicht irgendwo anders besser eingesetzt werden können.

Wir haben folgerichtig die Ozonvorläufersubstanzen im Ozongesetz festgeschrieben. Das heißt, wir haben mit diesem neuen Gesetz ein ganzes Paket geschnürt, das der Luftreinhaltung dient und wovon ich glaube, daß damit eine sehr große Verbesserung eintreten wird.

Meine Damen und Herren! Wir haben vorher den Waldbericht diskutiert und erfreulicherweise auch gehört, daß sich der Wald in manchen Gebieten erfangen hat. Und mit diesem Gesetz wird sicherlich etwas dazu beigetragen, daß er sich weiter erholen wird. Daher ist dieses Gesetz im großen und ganzen ein wirklich gutes, wobei ich abschließend noch einmal festhalten möchte, daß es um ein Stückchen besser wäre, wenn die Messungen effizienter durchgeführt würden und die Werte noch ein Stück heruntergesetzt worden wären. (Beifall bei der SPÖ.)

19.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. Ihrem Klub stehen noch 9 Minuten Redezeit zur Verfügung. – Bitte.

19.27

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ein bißchen spiegelt diese Debatte natürlich auch den Inhalt des Gesetzes wider: Das Gesetz ist auch wenig spannend und wird wenig in diesem Land verändern. Ein Immissionsschutzgesetz haben wir viele Jahre in Österreich gefordert. Die Grünen hätten sich ein solches sehr anders vorgestellt. Wir haben schon die Entwürfe, die es 1992 und 1994 gegeben hat, kritisiert und wollten einen weitergehenden, in dem wenigstens ein Ozongesetz, ein Smogalarmgesetz und auch andere Bestimmungen, die die Luftreinhaltung betreffen, mit integriert werden.

Wir haben damals gleichzeitig darauf hingewiesen, daß das eine Möglichkeit wäre, die Zersplitterung in den unterschiedlichen Materiengesetzen im Umweltbereich ein bißchen aufzuheben und zu einer Vereinheitlichung in diesem Bereich zu kommen.

Letztlich ist das, was Sie heute hier beschließen werden – die Grünen werden dem hier sicher nicht zustimmen –, nichts anderes geworden als eine Pflichtübung gegenüber der Europäischen Union. Sie werden die Richtlinien mehr als spät und im letzten Moment umsetzen. Die Immissionsgrenzwerte, die Sie hier mit beschließen, entsprechen einer Immissionsgrenzwertvereinbarung aus dem Jahr 1987. Also jeder, der sich hier herausstellt und von einem zukunftsweisenden und großartigen ökologischen Wurf spricht, der spricht eigentlich wider besseres Wissen.


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Wir haben ja im Ausschuß genau all diese Problempunkte mehrmals betont und Ihnen auch klargemacht, daß gerade die Summe der Ausnahmen von diesem Gesetz – gerade im Bereich Verkehr, aber Sie haben auch den Hausbrand nicht vollkommen in dieses Gesetz integriert – dafür verantwortlich ist, daß dieses Gesetz im wesentlichen nichts ändern wird.

Das einzig Positive – und das soll man auch vermerken – ist, daß aufgrund dieser gesetzlichen Regelung ein bundesweit einheitliches Meßnetz installiert werden muß und daß es auch zu einem bundesweit einheitlichen Meßdatenaustausch wird kommen müssen. Insofern wird sich die Datenlage verbessern. Dieses Gesetz wird aus meiner Sicht in keiner Weise eine Verbesserung der Situation bringen, gegen die zusätzliche Luftbelastung durch den Verkehr wird überhaupt nichts unternommen. Den Hauptproblembereich in früherer Zeit hat man von seiten der Industrie mit Sicherheit mit anderen gesetzlichen Materien schon weit besser in den Griff bekommen, als das hier überhaupt möglich wäre.

Da hat unmittelbar im Rahmen eines Betriebsanlagenverfahrens über die Gewerbeordnung bereits etwas in diesem Bereich gegriffen. Da gibt es zweifellos, wenn wir uns die SO2-Emissionen und die diesbezüglichen Veränderungen in den letzten Jahren in Österreich ansehen, von seiten der Industrieanlagen Verbesserungen. Aber bei den sozusagen aktuelleren, wichtigeren Schadstoffen, die, wie gesagt, besonders aus dem Verkehr kommen, wird sich wenig ändern.

Wir hätten auch verlangt, weil uns dieses Gesetz ursprünglich ein wirklich großes Anliegen gewesen ist, daß man die Materie in einem Unterausschuß umfassend berät und vor allem versucht, eine Vereinheitlichung zustande zu bringen, die darüber hinausgeht, nur pflichtgemäß die EU-Richtlinien zu erfüllen, es aber sonst letztlich dabei zu belassen. Es wäre wichtig gewesen, all die anderen Materiengesetze, die ja mit dieser Novelle mit verändert werden, bei den Verhandlungen weit umfassender zu berücksichtigen.

Ich kann Kollegen Peter nur zustimmen – er ist jetzt nicht mehr im Saal (Abg. Dr. Gredler: Er ist nur telefonieren!) –: Ich bin Gott sei Dank noch ein wenig entfernt vom Fünfziger, aber auch ich bin schon sehr ungeduldig, was die Frage ökonomischer Steuerungsinstrumente gerade im Bereich der Luftschadstoffe betrifft. Natürlich gäbe es die Möglichkeit, mit Emissionszertifikaten oder auch über eine ökologische Steuerreform weit mehr umzusetzen, als Sie mit diesem Gesetz nur annähernd schaffen werden.

Herr Umweltminister! Ich weiß, die Umwelt hat derzeit überhaupt keine Konjunktur. Wir merken das bei allen Debatten, wir merken das in der Berichterstattung. Das spiegelt sich leider in der aktuellen Politik wider. Wenn etwas in der Öffentlichkeit nicht wirklich breit diskutiert wird, wenn etwas keinen Niederschlag in den Zeitungen findet, dann wird auch der Minister eher träge, und auch viele Abgeordnete sind dann weniger eifrig bei der Einforderung von entsprechenden neuen ökologischen Maßnahmen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Trotzdem, Herr Umweltminister: Auch wenn man damit vielleicht nicht mehr so viel punkten kann wie noch Ihre Vorgängerinnen, allen voran damals Ministerin Flemming, als dieses Thema eine sehr hohe Konjunktur in diesem Lande hatte und noch nicht so überschattet wurde von Arbeitsmarktproblemen wie heute, wäre es hoch an der Zeit, seriöse Modelle für ökonomische Lenkungsinstrumente zu schaffen, zu schauen, was sich gerade im Bereich der Ökosteuern oder in bezug auf Emissionszertifikate tut. Es gibt interessante Modelle in Amerika, die auch funktionieren. Ich habe mir einiges ansehen können. Besonders in Kalifornien, aber auch in Minnesota oder in anderen Bundesstaaten gibt es bereits funktionierende Modelle. Sie haben alle ihre Schwächen und Stärken und sind der Region entsprechend angepaßt. Aber dort hat es in einigen Bereichen funktioniert.

Also ich denke, es würde sich lohnen, das in diesem Zusammenhang seriöser zu diskutieren; nicht nur in den ÖVP-Arbeitskreisen, von denen Sie manchmal im Ausschuß sprechen, wo das vielleicht der Fall ist. Allen voran Abgeordneter Kopf meint bei jeder Forderung der Grünen: Wir haben das doch schon alles diskutiert! Er meint mit "wir" wahrscheinlich den ÖVP-Vorstand und die Beamten des Umweltministeriums. Ich weiß nicht, wen aller er meint. Wir im Umweltausschuß haben es jedenfalls nicht diskutiert. Es wäre sinnvoll, hier wirklich eine Initiative zu


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starten, vielleicht gemeinsam mit Abgeordneten des Finanzausschusses, um in diesem Bereich umfassend zu diskutieren und zu schauen, ob es nicht doch gelingt, auch in Österreich Modelle zu finden, ohne auf die Europäische Union zu warten, um im Bereich Luft – nicht nur im Bereich Energie, sondern auch im Bereich Luft – Ressourcensteuern oder eben Emissionssteuern einzuführen und umgekehrt Lohnnebenkosten in einigen Bereichen zu senken.

Besonders wenn wir über Luft und über dieses Gesetz diskutieren, möchte ich darauf drängen und ein bißchen bei Ihnen dafür werben, nicht bei diesen ordnungspolitischen Maßnahmen, die Sie heute hier beschließen und die in der Realität, so meine ich, überhaupt nichts bringen werden, stehenzubleiben, sondern einen Schritt weiter zu gehen und vor allem diesbezüglich die Ökosteuer nicht zu vergessen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

19.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Bartenstein. – Bitte.

19.35

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! In der Tat ist das Immissionschutzgesetz – Luft ein Gesetz, das lange in Diskussion stand. Herr Abgeordneter Schweitzer hat recht, wenn er indirekt meint, daß wir mit diesem Gesetz im letzten Moment ins Hohe Haus kommen – aufgrund eines Mahnschreibens der Europäischen Union. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Abgeordneten des Umweltausschusses für die zügige Behandlung des Gesetzes im Ausschuß. Ich weiß, daß es natürlich vernünftiger gewesen wäre, das Gesetz schon zu einem früheren Zeitpunkt ins Hohe Haus zu bringen. Das war aber aufgrund der umfangreichen Bedeutung dieses Gesetzes nicht möglich.

Frau Abgeordnete Langthaler! Ihre Eingangsbemerkung, daß dieses Gesetz zuwenig spannend sei und daß sich in Österreich nicht viel verändern würde aufgrund dieses Gesetzes, ist eigentlich ein Kompliment für Österreichs Umweltpolitik. Das ist eigentlich ein Beweis, erbracht durch die Umweltexpertin der Oppositionspartei der Grünen, daß es um unsere Luftqualität gut stehen muß.

Wir haben als wirkungsbezogene Grenzwerte des Immissionsschutzgesetzes selbstverständlich die Werte integriert, die entweder durch die Europäische Union vorgegeben sind oder/und uns durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften als wirkungsbezogene Grenzwerte vorgegeben wurden. Das heißt, sehr verehrte Frau Abgeordnete, eines umfassenderen Beweises beziehungsweise Beleges hätte es nicht bedurft, um festzustellen, daß unsere Luftqualität insgesamt zufriedenstellend ist, wenngleich ich auch dazusagen darf, daß aufgrund der bisherigen Erfahrungen in Einzelfällen Überschreitungen durchaus denkbar sind. Aber im großen und ganzen erwarten wir keine Überschreitungen auf Basis des Immissionsschutzgesetzes – Luft für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Langthaler! Ich darf darüber hinaus auch deutlich zurückweisen, daß es sich hier ausschließlich um eine Pflichtübung in Richtung Europäische Union handelt. Sie wissen zweifellos, daß die Europäische Union gerade für Benzol keinen Grenzwert festgelegt hat. Ich habe mich gewundert, daß einzelne Länder in der Diskussion rund um dieses Gesetz diesen Grenzwert auch nicht haben wollten. Da ich der Auffassung bin, daß insbesondere die Karzinogenität, also die krebserregende Wirkung dieses Schadstoffes gerade in Städten, gerade an vielbefahrenen Kreuzungen ein Problem ist, haben wir darauf bestanden, diesen Grenzwert ins Gesetz zu integrieren. Ebensowenig gibt es im Bereich der Europäischen Union bisher Grenzwerte für die Schadstoffablagerung, für die Deposition. Also, Frau Abgeordnete, es geht das Gesetz sehr wohl über den EU-Rahmen hinaus.

Allerdings, Herr Abgeordneter Brix, konnten wir Ihrem Wunsch nach einer Auslassung des Bleigrenzwertes schon allein deshalb nicht Folge leisten, weil es sich hier um eine EU-Vorgabe handelt und wir mit der Einbeziehung des Bleigrenzwertes schlicht und ergreifend EU-Recht umsetzen mußten.


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Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zu Ihrer Kritik an einem fehlenden Stickoxidtagesmittelwert beziehungsweise -grenzwert. Ich glaube, Sie haben das gemeint. Sie haben die Stickoxide nicht ausdrücklich erwähnt, aber ich darf Ihnen hier sagen, daß neuere Erkenntnisse zeigen, daß der Langzeitschutz besser durch die Einhaltung eines Jahresmittelwertes gewährleistet ist. In den WHO-Richtlinien, die in den nächsten Monaten veröffentlicht werden, wird ein solcher Jahresmittelwert mit 0,04 Milligramm pro Kubikmeter enthalten sein. Sollte sich eine Gelegenheit ergeben, bin ich gerne bereit, diesen dann zusätzlich zum derzeit schon vorhandenen Halbstundenmittelwert aufzunehmen. Die Einbeziehung eines Tagesmittelwertes von 0,1 Milligramm pro Kubikmeter, wie von Ihnen gefordert, halten wir in diesem Zusammenhang nicht für sinnvoll.

Ein Argument, das ich geglaubt habe im Ausschuß ausreichend entkräftet zu haben, ist heute wiederum gekommen, und zwar von seiten des Herrn Abgeordneten Schweitzer, nämlich die Kostenfrage in Richtung der österreichischen Bundesländer. Ich darf es hier noch einmal entkräften: Es gibt kein Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, das sich auf mehr als 25 Seiten in der Regierungsvorlage mit der Kostenthematik auseinandersetzt. Es gibt bisher kein anderes Gesetz, das dem Hohen Haus in diesem Land zugeleitet wurde. Und ich kann Sie, Herr Abgeordneter Schweitzer, nochmals beruhigen: Es existieren – mit Ausnahme zweier burgenländischer Meßstellen – alle Meßstellen, die in Österreich zur Messung notwendig sind, und die Mehrkosten sind in einem durchaus vertretbaren Ausmaß, sie liegen insgesamt für Bund und Länder zwischen 4,7 und 9,6 Millionen Schilling pro Jahr.

Es ist darüber mit den Ländern in Gesprächen der Finanzausgleichspartner ausführlich diskutiert worden, und die Länder haben diese Position auch zur Kenntnis genommen, nämlich daß das, was bisher schon an Meßnetzen von den Ländern betrieben wurde, auch weiterhin von den Ländern und auf Kosten der Länder betrieben werden wird. Außerdem spielen sich die neu hinzugekommenen Kosten, wie gesagt, in einem relativ bescheidenen Rahmen ab, dies insbesondere, wenn man die umfassende Bedeutung dieses Gesetzes betrachtet.

Es ist dies ein umfassendes Gesetz. Es ist erstmals der Fall, daß wir in Österreich nicht nur die Emission, die Schadstofferzeugung, an einer bestimmten Quelle, sei es ein Fabriksschornstein, sei es ein Autoauspuff, messen, kontrollieren und beschränken, sondern wir sagen: Das, was auf den Menschen einwirkt, das, was auf die Pflanze beziehungsweise die Vegetation einwirkt, hat beschränkt zu werden, denn das ist das eigentlich Gesundheitsschädliche, das ist das eigentlich Umweltschädliche. Damit ist dieses Gesetz naturgemäß ein Meilenstein.

Herr Abgeordneter Schweitzer! Sie unterliegen hier einem Irrtum, den ich auch geglaubt habe bereits im Ausschuß gegenüber Frau Langthaler aufgeklärt zu haben, wenn Sie meinen, daß eine Integration mit dem Luftreinhaltegesetz möglich gewesen wäre. – Nein, das wäre nicht möglich gewesen, weil man dann ein immissionsseitig wirksames Gesetz mit einem emissionsseitig wirksamen Gesetz vermischt hätte, und das wäre wahrlich nicht sinnvoll gewesen.

Zuletzt, um auch das nicht im Raum stehenzulassen, Frau Abgeordnete Langthaler, zum Hausbrand: Die kleinen Heizungsanlagen sind selbstverständlich im Immissionsschutzgesetz – Luft integriert. Ich darf Sie auf die §§ 27 und 28 verweisen. Ich darf darauf verweisen, daß eigene Grenzwerte hiefür festgesetzt worden sind. Selbstverständlich ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß es sich hier um eine Kompetenz der Länder handelt und daß wir zum Wirksamwerden dieser Paragraphen eine Artikel-15a-Vereinbarung benötigen. Das ist nun einmal in einem föderal strukturierten Bundesstaat so. Wir werden mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung in Kürze zu einem Abschluß kommen und damit dann die Umsetzung in den Ländern sicherstellen. Aber natürlich sind diese Heizungsanlagen nicht etwa im Gesetz vergessen beziehungsweise weggelassen worden, sie sind dabei.

Lassen Sie mich abschließend feststellen, daß mit diesem Immissionsschutzgesetz – Luft immerhin auch beispielsweise in unserem Anlagenrecht, in unserer Gewerbeordnung in Zukunft festgelegt ist, daß alle Anlagengenehmigungen auch auf die im IG-L festgelegten Immissionsgrenzwerte Rücksicht zu nehmen haben. Das heißt, es steht dieses Gesetz nicht für sich alleine, sondern andere Gesetze, Anlagenrecht, Gewerbeordnung, Abfallwirtschaftsgesetz, haben auf die im IG-L festgelegten Immissionsgrenzwerte Rücksicht zu nehmen. Damit ist dies ein lang


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fristig wirksames Gesetz, ein klassisches Gesetz der Vorsorge. Und ich bin stolz darauf, daß es sich um ein wenig spannendes Gesetz handelt, weil das ein guter Beweis dafür ist, wie zufriedenstellend die Luftqualität in diesem Lande ist.

Herr Präsident! Ich bedanke mich für die Worterteilung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Ing. Langthaler gemeldet. Sie haben genau 2 Minuten Redezeit; das ist der Rest der Redezeit Ihres Klubs. – Bitte.

19.43

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Danke, Herr Präsident. – Da ich mich wirklich mit diesem Gesetz beschäftigt habe und daher nicht zur Kenntnis nehmen kann, daß mich der Umweltminister hier einfach so verbessert, stelle ich bezogen auf die Heizungsanlagen folgendes fest:

Herr Umweltminister! Sie haben gesagt, die Heizungsanlagen seien im Gesetz integriert. Ich stelle richtig: In der ursprünglichen Regierungsvorlage im 7. Abschnitt lautet § 27: "Für bestimmte Kategorien von Heizungsanlagen ... gelten unter Einhaltung der Prüfbedingungen die in Anlage 4 festgelegten Emissionsgrenzwerte."

Durch einen Abänderungsantrag der Regierungsparteien ÖVP und SPÖ wurde der § 27 ersatzlos gestrichen. Und jetzt ist der ehemalige § 28 der § 27, wonach eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG erst getroffen werden muß.

Insofern, Herr Umweltminister, stimmt es nicht, daß Sie nicht die Möglichkeit gehabt hätten, die Heizungsanlagen schon hier bundesstaatlich entsprechend zu regeln. Ich mache Sie auch darauf aufmerksam, daß es für eine Kompetenzänderung die notwendige Zweidrittelmehrheit gäbe und daß auch im Entwurf 1994 eine solche sogar mit einem Fernwärmeanschlußzwang in belasteten Gebieten vorgesehen war. Daher war meine Behauptung hier schon richtig, daß Sie die Heizungsanlagen in diesem Gesetz nicht erfaßt haben. – Danke.

19.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Das lag schon an der Grenze einer tatsächlichen Berichtigung, das war eher eine zweite Wortmeldung, Frau Abgeordnete Langthaler. (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt!)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Eder: Kollege Kopf, kläre das auf!)

19.45

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Langthaler, Herr Bundesminister Bartenstein hat Sie sehr wohl richtig berichtigt. Es stimmt zwar, daß, wie Sie sagen, der § 27 gestrichen wurde. Der Herr Bundesminister hat aber auch bereits darauf hingewiesen, daß mangels Zuständigkeit des Bundes oder nur aufgrund einer geringen Teilzuständigkeit des Bundes alles andere als eine Regelung über eine Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern, die für zumindest 90 Prozent der Heizanlagen zuständig sind, verfassungswidrig wäre. Wie man sich jetzt in einer nicht wirklich tatsächlichen Berichtigung darauf berufen kann, daß ja die Regierungsparteien gemeinsam eine Verfassungsmehrheit hätten und daher die Verfassung ändern könnten, das will ich nicht weiter kommentieren. Das würde auf alles und jedes in diesem Land zutreffen. (Abg. Ing. Langthaler: Das war in der Regierungsvorlage drinnen! Da wußten Sie noch nicht, daß Sie keine Kompetenzen haben!) Etwas zu korrigieren, wo die Zuständigkeiten nicht klar oder ... (Abg. Ing. Langthaler: Bitte, 1992 und 1994 war es auch drinnen!) – Man kann ja über Nacht einmal gescheiter werden, wenn man sich die Dinge genau anschaut. Tatsache ist, daß die Kompetenzlage so ist und wir nicht beabsichtigt haben, sie zu ändern.


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Meine Damen und Herren! Österreich hat sich in der Umweltpolitik seit jeher die Latte sehr, sehr hoch gelegt. Umweltminister der ÖVP haben gerade in den letzten Jahren immer wieder in vielen Bereichen der Umweltpolitik auch im Ausland mit bemerkenswerten Initiativen aufhorchen lassen, die letzten Endes dann hier im Parlament, hier in diesem Hohen Hause ihre Umsetzung in vor allem nationalstaatlicher Rechtsetzung gefunden haben. Diese hohe Latte, die wir uns immer wieder gelegt haben, hat dazu geführt, daß wir, was unsere Umweltsituation anbelangt, was unsere Umweltwerte anbelangt, heute hervorragend dastehen. Nicht nur der OECD-Bericht bescheinigt uns das.

Bisher haben wir uns jedoch gerade bei durch Schadstoffe verursachten Umweltauswirkungen immer mit Emissionsgrenzwerten, bezogen auf den jeweiligen Emittenten oder auf den jeweiligen Schadstoff, beholfen. Das hat manchmal nicht zu Unrecht zu Kritik seitens der Wirtschaft, seitens anderer Emittenten geführt, weil Emission nicht immer gleich Immission ist, also Auswirkung auf Lebewesen, seien es Menschen, Tiere oder Pflanzen, weil nicht immer eine direkte Auswirkung gegeben und es manchmal für Emittenten wirklich nicht verständlich war, daß sie mit strengen Grenzwerten geknebelt wurden, die dann keine entsprechenden Auswirkungen hatten.

Hier gehen wir erstmals den Weg des Immissionsschutzes – der Herr Bundesminister hat schon darauf verwiesen –, nämlich des Festlegens von Grenzwerten bezogen auf den Betroffenen. Ich glaube, das ist ein sehr wesentlicher Fortschritt. Und wenn kritisiert worden ist, daß dieses Gesetz keine besonderen Auswirkungen im Sinne von neuen Belastungen für irgendwelche Emittenten haben wird, dann kann das wirklich nur als Lob verstanden werden, so wie Herr Bundesminister Bartenstein das auch schon gesagt hat, als Lob dafür, daß wir offensichtlich in bezug auf die Belastungssituation in unserem Lande besser dastehen als viele andere Länder. Es soll uns nichts Besseres passieren, als daß dieses Gesetz und seine Bestimmungen aufgrund unserer guten Situation möglichst wenig zur Anwendung kommen müssen.

Meine Damen und Herren! Langfristig orientierte Politik und vor allem Umweltpolitik mit dem Ziel einer Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklung unseres Landes stehen gelegentlich im Widerspruch zu jenem kurzfristigen Erfolgszwang und Erfolgsdruck, unter dem unsere heimischen Unternehmen manchmal stehen, verursacht sehr häufig durch völlig andere Rahmenbedingungen, die die in Konkurrenz mit unseren Unternehmen stehende Firmen im Ausland vorfinden.

Trotzdem kann nicht hoch genug bewertet werden, daß es dem Herrn Bundesminister gelungen ist, nach Verhandlungen mit allen Betroffenen Grenzwerte in dieses Immissionsschutzgesetz – Luft aufzunehmen, die durchwegs strenger sind als die einschlägigen EU-Richtlinien und auch als die Grenzwerte in vergleichbaren Staaten mit hohen Umweltstandards. Die Regierungsvorlage ist letzten Endes das Ergebnis von zähen Verhandlungen, bei denen ein vor allem aus der Sicht der Luftreinhaltung sehr wohl vertretbarer Kompromiß erzielt worden ist. Die Ausnahmebestimmungen, die sich in diesem Gesetz finden, erklären sich aber schlicht und einfach aus den Prinzipien der Opfersymmetrie. Das heißt, es war eine Verhältnismäßigkeit zu suchen, und es lag ja schließlich auch nicht in der Intention des Gesetzes, rigorose Beschränkungen des wirtschaftlichen oder des sozialen Lebens in unserem Lande vorzunehmen und zu verordnen, ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten und ohne Rücksicht auf soziale Notwendigkeiten.

Nochmals: Ich halte es unter den gegebenen Umständen, in einer schwierigen Zeit also, für sehr bemerkenswert, Herr Bundesminister, daß es Ihnen gelungen ist, in dieses Gesetz diese beachtlichen Grenzwerte aufnehmen zu können. Ich halte – und dies verdeutlichen ja auch Vertreter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, wenn auch hier manchmal gerne mißverständlich zitiert wird, wie zum Beispiel aus einem Leserbrief von Professor Hauk kürzlich hervorging – diese Grenzwerte für gut, für richtig, für bemerkenswert, und ich glaube, daß wir mit diesem Gesetz einen guten, einen richtigen Schritt im Sinne unserer bisherigen Umweltpolitik in Österreich gehen, einen Schritt zur langfristigen Erhaltung einer lebenswerten Umwelt in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

19.53


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Volker Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.53

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es fällt mir schwer, in diese Debatte jetzt noch etwas Schwung hineinzubringen, weil ich sehe, daß das Interesse der Kollegenschaft an der Umweltthematik ein reduziertes ist. (Beifall der Abgeordneten Koppler und Hans Helmut Moser. )

Das finde ich schade, denn an und für sich handelt es sich dabei schon um Themen, die einer vertieften Erörterung wert sind. Daher wende ich mich mehr einem politischen Aspekt und daher dem Herr Bundesminister direkt zu und analysiere nur kurz an ein paar Details das Immissionsschutzgesetz.

Herr Bundesminister! Das Immissionsschutzgesetz ist nicht besser als die Kompetenzlage zum Umweltschutz. Das ist einmal die erste zentrale Aussage. Und wenn Kollege Kopf vor mir darauf hingewiesen hat, daß es eben so ist, so hat er recht. Die Kompetenzlage im Umweltschutz ist eben so. Daher braucht man in diesem Immissionsschutzgesetz einen § 27, in dem drinnen steht, daß wir Artikel-15a-Verträge abschließen werden. – Gut, das hätten wir allerdings grundsätzlich auch ohne Immissionsschutzgesetz machen können. (Abg. Kopf: Für die Heizanlagen!) Für die Heizanlagen.

Kollegin Langthaler hat in ihrer tatsächlichen Erwiderung völlig richtig darauf hingewiesen, daß ursprünglich im Gesetzentwurf, wenn auch gegen die Kompetenzlage, eine eindeutige Regelung enthalten gewesen wäre. Jetzt kann ich nur hoffen, daß die Artikel-15a-Vereinbarungen ungefähr so etwas zustande bringen werden. Das ist das eine. Nur ist es eben schwierig, ein Immissionsschutzgesetz zu machen, in welchem dann mehr drinnen steht, was wir loben können, als das, was hier auch schon von anderen oppositionellen Rednern gelobt wurde, nämlich daß es zu einer Zusammenführung und Harmonisierung der Luftmeßnetze und so weiter gekommen ist. Das ist ja immerhin schon etwas.

Aber: Die vielgelobten Grenzwerte, die heute in der Diskussion schon genannt worden sind, sind das eine, die Regelungen des Gesetzes sind das andere, und da ist es für mich schon sehr wichtig, darauf hinzuweisen, daß der § 14 dieses Gesetzes ein sehr bemerkenswerter Paragraph ist. Im § 14 sind nämlich ... (Die Abgeordneten Zweytick und Leikam stehen an der Regierungsbank und sprechen mit Bundesminister Dr. Bartenstein. ) Herr Bundesminister, ich will Ihre Aufmerksamkeit nicht ablenken, aber im § 14 sind die Ausnahmen geregelt.

Wir alle wissen, daß die Hauptprobleme, die wir heute im Immissionsbereich haben, vom Verkehr ausgehen. Wir wissen, daß die meisten Dinge, die uns schwere Sorgen bereiten, vom Verkehr ausgelöst werden, und daher ist es schon interessant, wenn man jetzt hier im § 14 Abs. 2 liest, wann die Regelungen des Immissionsschutzgesetzes, die hier vorgesehen sind, nämlich die zeitliche und räumliche Beschränkung des Verkehrs, nicht gelten beziehungsweise für wen sie nicht stattfinden. Ich darf Sie wirklich herzlich bitten: Schlagen Sie, wenn Sie die entsprechenden Materialien haben, bitte den § 14 Abs. 2 auf. Für diejenigen, die das nicht haben, lese ich Ihnen ein paar Beispiele von Ausnahmen vor.

Ausgenommen sind: Einsatzfahrzeuge – man sieht das ein –, Fahrzeuge im öffentlichen Dienst – das sieht man irgendwie ein –, Fahrzeuge des Straßendienstes und der Müllabfuhr – das sieht man auch irgendwie ein –, Fahrzeuge, die von stark behinderten, gehbehinderten Personen gelenkt werden – das ist plausibel –, Fahrzeuge, mit denen solche gehbehinderten Personen befördert werden – auch plausibel –, Fahrzeuge von Ärzten, Tierärzten, Bestattungsunternehmen in Ausübung ihres Dienstes.

Hier möchte ich, als Fußnote sozusagen, bemerken: Es ist interessant, daß das zu einer Gruppe gefaßt worden ist. (Heiterkeit.) Das ist vielleicht eine kleine legistische Feinheit, daß die Ärzte, die Tierärzte und die Bestattungsunternehmen in Ausübung ihres Dienstes als eine einheitliche Gruppe gelten. Gut. Aber das sieht man eigentlich ein: Bestattungsunternehmen


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müssen manchmal auf Termin fahren. Bei Leichenüberstellungen sieht man das ja noch ein. Warum man allerdings dann auch Urnen zu jeder beliebigen Zeit transportieren kann, auch wenn es zeitliche und räumliche Beschränkungen gibt, das weiß ich nicht. Das fällt auch unter Bestattungsunternehmen in Ausübung ihres Dienstes. Aber das wäre vielleicht zu diffizil.

Eine weitere Ausnahme: Kraftfahrzeuge zur Personenbeförderung im Kraftlinien-, Gelegenheits- und Werkverkehr. – Gut. Nächste Ausnahme: Kraftfahrzeuge bis 3 500 Kilogramm zur Ausübung der Tätigkeit als Handelsvertreter, wobei man dabei eine Bescheinigung des Gremiums braucht – das ist hier genau beschrieben –, einschließlich des Amtssiegels des Landesgremiums, daß man Handelsvertreter ist, und insbesondere auch in Ausübung dieses Berufs, das heißt also: im Dienst, und das Fahrzeug muß mit einem entsprechenden Pickerl gekennzeichnet sein. – Wie man das auf der Autobahn kontrollieren wird, ohne die Leute anzuhalten, lasse ich einmal offen, aber immerhin, es ist theoretisch möglich.

Weiters sind aufgeführt Kraftfahrzeuge, die zum Zwecke ihrer Ladetätigkeit in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit in einem Zielverkehr fahren, wenn sie entweder im Ausnahmegebiet starten und woanders hinfahren oder aus einem nicht ausgenommenen Gebiet starten und in ein Ausnahmegebiet fahren. Jedenfalls sind sie auch ausgenommen. Nur wenn sie innerhalb des Ausnahmegebietes fahren, dann dürfen sie das nicht.

Weitere Ausnahmen: Vor- und Nachlauf im kombinierten Verkehr sowie Fahrzeuge – nicht Kraftfahrzeuge, Fahrzeuge! – der Land- und Forstwirtschaft. Fahrzeuge – das ist plausibel, allerdings hat uns das Pferdefuhrwerk emissionsmäßig weniger Sorgen gemacht. Ich hoffe, ich habe kein wichtiges Fahrzeug übersehen; Traktoren sind an sich Kraftfahrzeuge – oder vielleicht doch nicht. Da will ich mich nicht verlieren.

Weitere Ausnahmen sind Kraftfahrzeuge für den Fahrschulbetrieb. Auch die Fahrzeuge mit Elektromotoren sind ausgenommen, das leuchtet völlig ein. Und dann kommt noch ein letzter Punkt: Sonstige Fahrzeuge sind ausgenommen, für deren Benützung im Einzelfall ein zu prüfendes, überwiegendes öffentliches Interesse – gut, das sieht man ein – oder ein erhebliches persönliches Interesse besteht.

Nachdem ich diese Ausnahmen gelesen hatte, habe ich kein Fahrzeug mehr gefunden, das bei einigermaßen vernünftiger Anwendung des Gesetzes nicht ausgenommen ist. Das ist sehr schade, denn man hätte eigentlich gedacht: Wenn schon Ausnahmen, dann klar, präzise und schlank. Das Ziel aber sollte doch die Maßnahme nach § 14 Abs. 1 Z 1 sein, nämlich eine zeitliche und räumliche Beschränkung des Verkehrs durchzusetzen und nicht durch Ausnahmen die Benützung zu regulieren. Das halte ich für schlecht.

Ich halte nicht Ausnahmen an und für sich für schlecht, aber da hätte man gleich die Ziffer 1 weglassen beziehungsweise hineinschreiben können: Ausschließlich Fahrzeuge, die zu rein privaten Zwecken und Vergnügungszwecken betrieben werden, können beschränkt werden. Das sind nämlich die einzigen, die übrigbleiben.

Wenn ich etwa mit meiner Tochter in den Prater fahren will, dann werde ich nicht behaupten können, daß ein erhebliches persönliches Interesse daran besteht, daß ich das Auto benütze; man wird mir die Straßenbahn zumuten. (Abg. Koppler: Weiß man nicht!) Okay. Ich fahre aber sowieso mit der Straßenbahn, weil ich dort keinen Parkplatz finden würde.

Ich meine, daß dieser § 14 leider sehr viel, sehr Symbolisches ausdrückt, was die tatsächlichen Erfolge in der Umweltpolitik angeht.

Ich komme jetzt zum Schluß und darf einen weiteren Paragraphen aus dem Gesetz herausnehmen, der ebenso sehr symptomatisch ist. Da habe ich das Gefühl, die Tatsache, daß der Umweltschutz in der österreichischen Bundesverfassung verankert ist, wird manchmal mißdeutet. In Wirklichkeit ist es eine der Staatszielbestimmungen in der österreichischen Bundesverfassung, und das ist gut so. Nur: Der § 22 des Immissionsschutzgesetzes ist nichts anderes als eine Umformulierung einer Staatszielbestimmung, und ich darf Ihnen diesen ausdrücklich zur Kenntnis bringen.


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Da steht in einem Gesetz – und ein Gesetz sollte der Vollziehung dienen und nicht der Ankündigung von Maßnahmen –: "Verkehrsbedingte Emissionen. Zur Reduzierung der verkehrsbedingten Emissionen ... können von der Bundesregierung verkehrsspezifische Maßnahmen vorgesehen werden."

Da kann ich nur sagen: Bitte, das wissen wir; das muß man nicht in ein Gesetz hineinschreiben. Selbstverständlich können von der Bundesregierung jederzeit Maßnahmen zur Reduzierung verkehrsbedingter Emissionen gesetzt werden! Warum das ein eigener Paragraph ist, das weiß ich nicht, erst recht nicht, wenn es weiter heißt: "Als geeignete Maßnahme kommen insbesondere in Betracht" – das ist eine demonstrative Aufzählung von Maßnahmen, und da steht dann –: "Verbesserung oder Neueinrichtung der Verkehrsinfrastruktur." – Da kann ich nur sagen: No na! Hoffentlich! Das brauchen wir jedenfalls aus Umweltgründen, aus Wirtschaftsstandortgründen, aus vielen Gründen.

Punkt zwei: ökologische Optimierung der Verkehrsabläufe. – Ich bin gerne bereit, wenn Sie mich einladen, Ihnen einmal ein einstündiges Referat darüber zu halten, was man alles unter "ökologischer Optimierung von Verkehrsabläufen" verstehen kann. Aber warum diese Leerformel in einem Gesetz steht, weiß ich nicht.

Und die Ziffer 3 lautet: "Reduktion von Transporterfordernissen" und so weiter. Auch das ist absolut zu unterstreichen, man kann gar nicht dagegen sein, nur gilt auch hier: Ich bin gerne bereit, ein Essay zu schreiben, was das alles sein kann. Mir würde viel einfallen zu den Pendlern, wenn es möglich wäre, Reisebewegungen von Pendlern zu vermeiden, indem man eben Betriebsansiedlungen woanders fördert und so weiter. Aber das braucht nicht in einem Paragraphen zu stehen. Das gefällt mir ganz gut in einer Regierungserklärung. Das gefällt mir sehr gut als Zusage des Bundesministers A, B ,C oder D, aber warum das als Paragraph in ein Gesetz geschrieben wird, verstehe ich nicht.

Neben den Gründen, die mein Kollege Helmut Peter schon vorgetragen hat, sind diese beiden Aspekte, die Ausnahmeregelungen des § 14 und die absolute Leerformel in § 22 sehr gute Gründe, den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

20.03

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Schutz vor schädigenden und belästigenden Luftschadstoffen ist nur durch eine langfristige Luftreinhaltepolitik zu gewährleisten. Dazu brauchen wir Instrumente, die emissions- und immissionsseitig wirken. Unsere bisherigen Regelungen wirkten auf diesem Gebiet fast ausschließlich emissionsseitig.

Es mag schon sein, wie einige Vorredner der Oppositionsparteien ausführten, daß uns mit dieser Gesetzesvorlage nicht der große ökologische Wurf gelungen ist. Dennoch ist es, so glaube ich, ein erster wichtiger Baustein für den Schutz vor Immissionen, den wir hiermit schaffen. Meine Damen und Herren! Dennoch vertrete ich insgesamt die Auffassung, daß mit Maßnahmen, die Emissionen gar nicht erst entstehen lassen, die Luft am wirkungsvollsten vor Schadstoffen bewahrt werden kann.

Mein Vorredner, Kollege Kopf, hat darauf hingewiesen, daß seit einigen Jahren das Umweltministerium von ÖVP-Ministern geführt wird, und ich darf daran erinnern, daß 1972 erstmals ein Umweltministerium geschaffen und von 1972 bis 1986 dieses Ministerium von SPÖ-Ministern geführt wurde.

Wir können und sollten heute im Zuge dieser Debatte darauf verweisen, daß in den letzten 25 Jahren in Österreich diesbezüglich sehr viel geschehen ist. Es kann nicht oft genug gesagt werden, meine Damen und Herren, daß Österreich mit rund 25 Prozent seines gesamten Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energieträgern in der Europäischen Union und darüber hinaus,


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so behaupte ich, bei weitem an der Spitze liegt. Im Energiebereich wurde damit eine langjährige Forderung nach nachhaltiger Entwicklung, nämlich die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch, weitgehend umgesetzt.

Besonders erfreulich schaut die Industriestatistik aus, die so selbstverständlich geworden ist, daß man anscheinend darüber nicht mehr spricht, wenn von Umwelt gesprochen wird, obwohl da viele Milliarden Schilling investiert wurden.

Der Bruttoproduktionswert ist in den letzten 20 Jahren um rund 75 Prozent gestiegen. Der Energieverbrauch ging um mehr als 2 Prozent zurück. Lediglich bei den Kleinabnehmern, die mit 46 Prozent nahezu die Hälfte des Energieverbrauches nachfragen, ist die Tendenz leider nach wie vor steigend.

Wenn man alle klimawirksamen Gase, die in Österreich emittiert werden, zusammennimmt, so sind dies etwa 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Davon beträgt CO2 knapp die Hälfte, also 60 Millionen Tonnen pro Jahr. Dieser CO2-Ausstoß teilt sich – einschließlich der Umwandlung – wie folgt auf: Aus der Raumheizung 32 Prozent, aus der Mobilität – sprich Verkehr – 30 Prozent, Prozeßwärme 24 Prozent, mechanische Arbeit 11 Prozent, Beleuchtung 3 Prozent.

Die Bedeutung der Raumheizung für die CO2-Reduktion wird auch im Klimaschutzbericht der Bundesregierung, der aufgrund einer Entschließung des Nationalrates vom 1. September 1994 erstellt wurde, besonders unterstrichen. Vom CO2-Reduktionspotential, das bis zum Jahre 2005 ausgewiesen wird, betragen Maßnahmen wie Forcierung der Fern- und Nahwärme, Solarkollektoren, Biomasse, Anpassung der energierelevanten Bauordnungs-, Raumordnungs- und Flächenwidmungsbestimmungen und Verbesserung der thermischen Qualität der Heizsysteme beziehungsweise Warmwasseranlagen mit 7,2 Millionen Tonnen nahezu die Hälfte der rund 16 Millionen Tonnen, die bis zum Jahre 2005 an CO2 eingespart und reduziert werden könnten.

Die Forderung des österreichischen Klimabeirates nach folgenden Aktivitäten kommt daher nicht von ungefähr, und ich möchte nur kurz die Gruppen anreißen, die vom österreichischen Klimabeirat angesprochen wurden: Aktivitäten im Bereich der Bauordnung und Wohnbauförderung, Novellierung des Mietrechtsgesetzes – das ist eine Bundesangelegenheit, da brauchen wir nicht darauf zu warten, was auf Länderebene passiert – und Öffnung des Marktes für thermische Althaussanierungen.

Meine Damen und Herren! Seit 1. Juli 1996 erhalten die Bundesländer aus dem Aufkommen der Erdgas- und Elektrizitätsabgabe einen Anteil von 11,83 Prozent zur Finanzierung umweltschonender und energiesparender Maßnahmen. Den Bundesländern stehen damit 1997 insgesamt 691 Millionen Schilling an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung. In dieser Summe sind Finanzzuweisungen für Verkehrsmaßnahmen nicht enthalten.

Die sogenannte Klima-Milliarde weckt naturgemäß viele Begehrlichkeiten: So wollen Vertreter der Energieszene ihre Projekte finanziert sehen, Finanzlandesräte könnten versucht sein, das Geld zur Budgetkonsolidierung zu verwenden und sich als Sparmeister feiern zu lassen.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie wirklich dringend, genau darauf zu achten, daß dies nicht geschieht. Ich meine, der Schutz vor Immissionen ist ernst zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Nach dem Motto: Die sauberste Energie ist immer noch die, die wir nicht verbrauchen, sollte von der Bundesregierung, wie im Koalitionsübereinkommen festgehalten, schnell und effizient gehandelt werden. Wenn die Maßnahmen rasch und umfassend gesetzt werden, sorgen wir für saubere Luft, schaffen Tausende Arbeitsplätze und verbessern nachhaltig unsere Energiebilanz. Dazu haben Sie, Herr Bundesminister, unsere Unterstützung! (Beifall bei der SPÖ.)


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20.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

20.11

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem Debattenbeitrag mit der Altlastensanierung beschäftigen. Es ist nur verständlich, daß die Probleme, die es im Bereich des Budgets, der Budgetkonsolidierung gibt, in Zeiten des Belastungspaketes, in Zeiten des Versuchs, die Konvergenzkriterien zu erreichen, durch das Problem Altlastensanierung verstärkt werden. Ich spreche einige Problemkreise im Zusammenhang mit dem Altlastensanierungsgesetz an.

Meine Damen und Herren! Es ist nur ein relativ geringer Prozentsatz der tatsächlichen Verdachtsflächen im Verdachtsflächenkataster enthalten. Als Grund dafür wird die Unvollständigkeit der Grunddatenblätter angegeben beziehungsweise dafür verantwortlich gemacht. Die Landeshauptleute wären daher anzuhalten – ich sehe das, Herr Bundesminister, als wesentliche Maßnahme, die Ihrerseits zu treffen wäre –, effiziente Schritte zu setzen, um dieses Vollzugsdefizit aufzuholen.

Es wird im Rechnungshofbericht zum Thema Altlastensanierung festgehalten, daß es Mängel bei der Erfassung gibt. Es besteht eine sehr große Diskrepanz zwischen dem, was über die Altlastenbeiträge sozusagen hereingespielt wird, und dem, was als Bedarf zur Sanierung der Altlasten einzusetzen wäre. Der Multiplikator beträgt da in etwa 15. Das bedeutet Probleme in den Bereichen Kosten und Zeit. Eine Zuordnung der Prioritäten kann jedoch nur dann erfolgen, wenn vorher Untersuchungen durchgeführt worden sind. Diese sind aber offensichtlich zeitaufwendig und werden nicht rasch genug durchgeführt.

Ein weiteres Problem ist im Zusammenhang zwischen dem Wasserrechtsgesetz und dem Altlastensanierungsgesetz gegeben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Erfordernis der Sicherung von Ablagerungen und Verunreinigungen des Bodens ist sicher wesentlich. Die Diskrepanz, die zwischen den von mir genannten Gesetzen besteht, will ich nun kurz darstellen. Es gibt viele Gemeinden – von Vorarlberg bis zum Burgenland –, die das Problem haben, alte Mischdeponien in ihrem Gemeindegebiet zu haben. Das Problem besteht hauptsächlich in den alten Deponien, die zum Teil bereits vergessen, zum Teil seit 20, 30 Jahren stillgelegt beziehungsweise geschlossen sind, über welche in der Zwischenzeit im wahrsten Sinne des Wortes Gras gewachsen ist. Auf diesen Deponien befinden sich Bäume, befinden sich zum Teil Gebäude, befinden sich zum Teil Siedlungen. In den letzten Jahren hat man nun versucht, diese Deponien zu erheben beziehungsweise zu erfassen. Laut Angaben des Bundesumweltamtes existieren weit mehr als 20 000 derartiger Verdachtsflächen. Insider sprechen davon, daß sich diese Zahl verdoppeln könnte. Ein Horror, wie ich meine!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die meisten dieser Altlasten in den betreffenden Gemeinden stellen nicht unbedingt ein Problem im Bereich des Altlastensanierungsgesetzes dar, sie werden in den Altlastenkataster auch nicht aufgenommen beziehungsweise keiner Prioritätenklasse zugeordnet. Sie stellen nach dem Altlastensanierungsgesetz keinen Sanierungsfall dar, und infolgedessen gibt es natürlich für die Gemeinden zu deren Sanierung auch kein Geld.

Nach dem Wasserrechtsgesetz hingegen stellt sich das etwas anders dar. Das Wasserrechtsgesetz kennt keine Verhältnismäßigkeit und keine Einstufung nach Prioritäten. Es wird nach dem Wasserrechtsgesetz die Sanierung alter, teilweise längst vergessener oder wiederentdeckter Deponien vorgeschrieben. Es wird deren Sicherung oder Räumung vorgeschrieben, obwohl nach dem Altlastensanierungsgesetz dafür absolut keine Notwendigkeit besteht.

Das kostet die Gemeinden viel Geld. Sie können sich vorstellen, was es bedeutet, wenn eine Räumung einer Deponie eine kleine Gemeinde 30 bis 40 Millionen Schilling kostet. Das hat für die betreffende Gemeinde mitunter den finanziellen Ruin zur Folge. Ich habe mir in einem Debattenbeitrag bereits einmal erlaubt, auf diesen mißlichen Zustand hinzuweisen. Ich habe dies auch im Umweltausschuß bereits erwähnt. Aber geschehen ist hinsichtlich einer Harmonisierung leider Gottes noch nichts.


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Ich erwarte mir, daß es bei der Kontrolle der Datenblätter, bei der Ermittlung der Verursacher von Altlasten und bei der Beschleunigung der Sanierungsmaßnahmen tatsächlich zu einer Effizienzsteigerung kommt und daß – und das scheint mir sehr wesentlich zu sein, sehr geehrte Damen und Herren – die Finanzierung, die unabdingbar ist, sichergestellt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stampler. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten wird angezeigt. – Bitte.

20.17

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem Immissionsschutzgesetz – Luft gehen wir heute einen weiteren Schritt in Richtung langfristiger Luftreinhaltepolitik. Dieses Gesetz ist ein Instrument zum Schutz der menschlichen Gesundheit und des Tier- und Pflanzenbestandes. Ich weiß, daß es manchen zuwenig sein mag, aber realistisich betrachtet und im internationalen Vergleich ist dieses Gesetz ein vernünftiger Weg, der die berechtigten Interessen aller schützt.

Es werden mit dem heutigen Gesetzesbeschluß nicht nur EU-Richtlinien für den Immissionsschutz erfüllt, sondern man geht mit diesem Gesetz auch einen in Österreich bislang selten beschrittenen Weg. Während nämlich bisher Österreich auf dem Gebiet der Luftreinhaltung fast ausschließlich emissionsseitige Regelungen getroffen hat, geht es bei diesem Entwurf um die Frage, welche Luftschadstoffe auf Mensch, Tier und Pflanzen einwirken. Wer sich die Erläuterungen des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie näher angesehen hat, dem muß spätestens beim Kapitel 2, Wirkung von Luftschadstoffen, klar geworden sein, wie wichtig Regelungen zum Schutz des menschlichen Lebens und der Gesundheit sind.

Gerade diesem Aspekt trägt das Immissionsschutzgesetz Rechnung, insbesondere deshalb, weil es neben den Maßnahmen, die infolge einer Grenzwertüberschreitung gesetzt werden können, auch Vorsorgemaßnahmen, die eine Überschreitung verhindern sollen, vorsieht.

Die weit gefaßte Definition der Schutzgüter des § 1 stellt gegenüber der bisherigen Rechtslage einen enormen Fortschritt dar. Auch wenn es, wie dies verlangt wurde, keine speziellen Waldobergrenzen gibt, so ist doch durch die weite Definition auch der Schutz unserer heimischen Wälder gewährleistet. (Beifall bei der ÖVP.)

Außerdem erlaubt der § 3 Abs. 3 dem Umweltminister, Immissionsgrenzwerte auch für andere Schutzgüter, somit auch für den Wald, festzulegen. Das Bundesgesetz legt zunächst einmal fest, daß neben den in den Anlagen 1 und 2 genannten Immissionsgrenzwerten der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, auch für andere Schadstoffe Grenzwerte festlegen kann.

Nun zum Aufbau selbst: Zunächst ist der Umweltminister damit beauftragt, innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes per Verordnung ein Meßkonzept zu erstellen. Das ist notwendig, um eine flächendeckende und realistische Erfassung aller Luftimmissionen zu gewährleisten.

Weiters besteht für den Landeshauptmann die Möglichkeit, in gefährdeten Gebieten Vorerkundungsmessungen durchzuführen. Alle gesammelten Daten sollen untereinander vernetzt sein.

Gibt es schließlich eine Überschreitung eines Immissionsgrenzwertes nicht aufgrund eines Störfalles oder sonst aus einem nicht mehr wiederkehrenden Grund, hat der Landeshauptmann eine Statuserhebung durchzuführen. Diese hat auch äußere Umstände zu berücksichtigen, wie zum Beispiel die meteorologische Situation und so weiter.

Außerdem ist das Sanierungsgebiet festzulegen, und es sind die in Betracht kommenden Emittenten festzuhalten, da bei der Setzung von Maßnahmen nach dem Verursacherprinzip vorzugehen ist. Es ist wichtig, festzustellen, daß eine Beteiligung der Betroffenen in der Form vorgesehen ist, daß vom Landeshauptmann der Statusbericht auch an die gesetzlich eingerich


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teten Interessenvertretungen zu übermitteln ist und diese das Recht auf Abgabe von Stellungnahmen haben.

Schließlich kann der Landeshauptmann per Verordnung auch einen Maßnahmenkatalog erlassen. Die Befugnisse zu diesen Maßnahmen gehen sehr weit und können sehr streng sein. Für den Fall, daß die Immissionsgrenzwerte für mehr als einen Beurteilungszeitraum um mehr als 50 Prozent überschritten werden, stehen dem zuständigen Organ noch schärfere Maßnahmen zur Verfügung.

Vielleicht mögen so manchem die Fristen des § 12, vor allem für bereits sanierte oder frisch genehmigte Anlagen, zu lange vorkommen, aber es ist, so glaube ich, auch notwendig, bei allen Maßnahmen, so wichtig sie auch sind, die Interessen der Unternehmer zu berücksichtigen. Wir haben nichts von Betrieben, die zusperren müssen, dafür aber umweltfreundlich sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte es für ganz wichtig, daß bei allen Maßnahmen auch die Interessen anderer berücksichtigt werden. Ich weiß, daß es so manchem hier lieber wäre, wenn man alle Maßnahmen bedingungslos, sozusagen ohne Rücksicht auf Verluste umsetzen würde. Aber so etwas führt letztlich auch im Umweltbereich zu einem Rückschritt, denn wenn Betriebe in andere Länder abwandern und dort produzieren, kann gegen den Transport von Schadstoffen aus dem benachbarten Ausland auch das Immissionsschutzgesetz keine Abhilfe durch direkte Maßnahmen schaffen.

Es wäre noch viel zu diesem Thema zu sagen, zu den Genehmigungspflichten und so weiter. Was bleibt, ist, daß Österreich mit diesem Immissionsschutzgesetz einen weiteren Schritt in Richtung noch mehr Umweltschutz unternommen hat, daß dieses Gesetz durchdacht und auch vollziehbar ist und keinen übermäßigen bürokratischen Mehraufwand bedeutet.

Ich lade daher alle ein: Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu – und damit für mehr Umweltschutz in unserem Land Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte.

20.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollegin Langthaler hat gemeint, das Immissionsschutzgesetz sei ein nur wenig spannendes Gesetz. Sie hat aber eine an sich gute Begründung dafür gegeben. Wir haben im internationalen Vergleich ja tatsächlich – und das muß man immer wieder betonen – eine hervorragende Luftqualität, und aus dem hier heute vorliegenden Waldbericht geht hervor, daß Österreich, auch was den Zustand des Waldes betrifft, im Vergleich zu anderen Ländern im absoluten Spitzenfeld liegt. Daher wird dieses Gesetz nicht übertrieben viel an der derzeitigen Situation ändern, aber es wird dennoch einen weiteren Fortschritt bringen.

Unsere Luft weist zwar eine gute Qualität auf, aber es gilt, sie noch zu verbessern. Sorge bereiten uns da vor allem die Emissionen aus unseren Nachbarländern, insbesondere aus Nordosten, die bei uns als Immissionen niedergehen, aber natürlich haben wir auch da und dort massive lokale Probleme. Kollegin Langthaler hat zugegeben, daß die Industrie da schon sehr viel getan hat. Sie hat richtigerweise darauf hingewiesen, daß Verkehr, Hausbrand und andere Emittenten an Bedeutung gewonnen haben.

Das heißt, dieses Gesetz ist, wenn man es ganz nüchtern betrachtet, nicht so gut, wie es pflichtgemäß von einigen Rednern Ihrer Partei dargestellt worden ist. Es ist aber bei weitem nicht so schlecht, wie es teilweise die Opposition in den Medien dargestellt hat. Heute hat sie es ohnehin nicht ganz so arg kritisiert. Ganz lustig fand ich die Stellungnahmen der Umweltsprecher des Liberalen Forums, die heute einspringen mußten. Ich hoffe, daß wir künftig wieder den Kollegen Barmüller bei solchen Debatten hier hören werden. (Abg. Dr. Gredler: Keine Sorge!) Es hat ein bißchen an Qualität gemangelt, die Reden waren ein bißchen krampfhaft, vor allem als Kollege


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Kier den § 14 bis zum Schluß zitiert hat und immer wieder gesagt hat, das könne man verstehen, da könne man zulassen, und dann beim letzten Punkt doch Anlaß zu Kritik fand. Aber wir wollen darüber hinwegsehen.

Was Kollege Schweitzer hier vorgebracht hat, hatte in Wirklichkeit auch wenig Substanz; der Herr Bundesminister hat darauf bereits Bezug genommen. Die Kosten, die Schweitzer hier so hochgespielt hat, betragen 4,7 bis 9,6 Millionen Schilling pro Jahr. In der Beilage zu diesem Gesetz sind ja die Kostenabschätzungen äußerst umfangreich gestaltet.

Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dieses Immissionsschutzgesetz ist nur zum Teil die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie über die Luftqualität, die seit September 1996 in Kraft ist. Wir sind schon einmal gemahnt worden, es gibt einen diesbezüglichen Brief. Dieses Gesetz ist aber doch mehr als eine Pflichtübung gegenüber der EU, es ist auch ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Verbesserung der Luftqualität. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn wir die Zeit gehabt hätten, uns diesen Bereich in einem Hearing zusammen mit ein paar Experten noch genauer anzuschauen. Ich will jetzt gar nicht urteilen, weshalb wir so lange gebraucht haben, bis wir in die Endphase gekommen sind, ich weiß nur, daß sich die Verhandlungen schwierig gestalteten. Ich bin seit 1992 bei den Verhandlungen dabei und weiß, daß es auch vorher schon Bemühungen gegeben hat, ein Immissionsschutzgesetz zu schaffen. Dieses Vorhaben ist aber nicht an der Wirtschaft gescheitert, sondern eigentlich am Kantönligeist der Länder. Das muß man sehr deutlich sagen. Jetzt haben wir es endlich geschafft.

Das Immissionsschutzgesetz – Luft ist ein Produkt der österreichischen Kompetenzverteilung: eine notwendige, ambitionierte und gute Verlegenheitslösung – so möchte ich das für einen Teilbereich des Immissionsschutzgesetzes titulieren. Das ist ein Phänomen, das auch bei der Opposition – speziell beim Liberalen Forum – herauszuhören war, die Klage geführt hat über die Kompetenzzersplitterungen und die fehlenden Kompetenzen.

Meine Damen und Herren! Es ist eine österreichische Eigenheit, daß wir trotz Kompetenzzersplitterung auf dem Sektor Luftreinhaltung enorm viel erreicht haben, und zwar viel mehr als andere Länder mit vielleicht kompetenteren Gesetzen. Ich würde jedem empfehlen, sich das Buch "Österreichisches Luftreinhaltungsrecht" von Stephan Schwarzer einmal anzuschauen, das aufzeigt, welche Fortschritte es gegeben hat. Es gehört natürlich ein wenig aktualisiert, da seit 1986 Wesentliches dazugekommen ist.

Herr Bundesminister! Wir haben aber auch – und das soll auch nicht unerwähnt bleiben – bei dem Hauptproblem, das wir haben, nämlich bei den Immissionen, die aus den Nachbarländern kommen, schon sehr viel getan. Es gibt darüber einen Bericht des Öko-Fonds, und es ist beeindruckend, was durch österreichische Hilfeleistung da schon verbessert werden konnte, insbesondere was die kalorischen Kraftwerke in unseren Nachbarländern betrifft. Das kommt auch uns unmittelbar zugute.

Herr Bundesminister! Natürlich finden sich in diesem Gesetz auch einige Schwachstellen, die ich aber nicht hochspielen möchte. Dieses Gesetz ist nämlich auch ein sehr landwirtschaftfreundliches Gesetz, aber in angemessenem Maße.

Wir sollten aber, Herr Bundesminister, bei der Berichtspflicht etwas mehr aufpassen, und ich möchte Sie bitten, das einmal nachzuprüfen. Es ist auch bei diesem Gesetz wieder eine Berichtspflicht gegeben, die Sie wahrzunehmen haben. Meine Kritik daran: Dies hätte man in den Umweltkontrollbericht einbauen können. Das halte ich für eine reine Arbeitsbeschaffung für die Abteilung in Ihrem Haus, die den Bericht wieder extra erstellen muß. Ich habe zwar Verständnis für die Beamten, aber im Sinne von Einsparungen im UBA ist mein Verständnis dafür wieder begrenzt.

Aber mir ist, Herr Bundesminister, bei der Beschäftigung mit diesem Gesetz noch etwas aufgefallen: Im Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen – ein Meilenstein der österreichischen Luftreinhaltepolitik, international wahrscheinlich eines der besten Gesetze – ist ebenso eine Berichts


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pflicht vorgeschrieben, aber nicht für Sie, sondern für den Herrn Wirtschaftsminister, und zwar nach sechs und zehn Jahren Berichte an den Nationalrat.

Ich kann mich jetzt irren, aber ich bilde mir ein, daß im Jahre 1995, als der Bericht fällig gewesen wäre, kein Bericht erstattet wurde. Ich kann mich täuschen, Herr Bundesminister, aber ich bitte Sie, da ja die Verantwortung für die Umwelt bei Ihnen liegt, beim Herrn Wirtschaftsminister diesbezüglich nachzufragen. Ich glaube, daß ein entsprechender Bericht längst überfällig ist.

Wie gesagt: Es handelt sich im großen und ganzen um ein Gesetz, mit dem EU-Aufträgen nachgekommen wird, aber man kann hiebei nicht ausschließlich von reiner Pflichterfüllung sprechen. Man könnte im Detail nachweisen, daß auch dieses erste Immissionsschutzgesetz, das wir haben, durchaus einen weiteren Fortschritt in unserer Luftreinhaltepolitik bringen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schrefel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.31

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine geschätzten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Immissionsschutzgesetzes wird einer Forderung der Regierungsparteien, die im Koalitionsübereinkommen im vergangenen Jahr im März 1996 festgeschrieben wurde, nämlich einen vorsorgenden, gebietsbezogenen Immissionsschutz auf dem Gebiet der Luftreinhaltung zu schaffen, heute endlich Rechnung getragen.

Mit der vorliegenden Regierungsvorlage hat die Bundesregierung rasch gehandelt und ein bisher in Österreich fehlendes Instrument zur Diskussion und Abstimmung vorgelegt, mit dem der Schutz der Gesundheit des Menschen, des Tier- und Pflanzenbestandes und deren Lebensgemeinschaften und Lebensräume vor schädigenden und belästigenden Luftschadstoffen gewährleistet werden soll. Weiters wird eine Rechtsgrundlage für die Festlegung von Immissionsgrenzwerten, und zwar sämtlicher Grenzwerte und gebietsbezogener Immissionsschutzmaßnahmen, geschaffen.

Der Entwurf sieht aber nicht nur die Festlegung von Grenzwerten vor, die innerhalb der EU vorgeschrieben sind, sondern es werden darüber hinaus Grenzwerte festgelegt, welche in der EU noch nicht vorgeschrieben wurden. Die F-Partei hat im Ausschuß kritisiert, daß keine Grenzwerte festgelegt wurden: Das ist nicht der Fall. Das vorliegende Gesetz ist im Gegensatz zum Smogalarmgesetz und zum Ozongesetz kein Instrument zur unverzüglichen Abwehr von Gesundheitsschäden, sondern ein Instrument für eine langfristige Luftreinhaltepolitik und somit für die vorsorgliche Verringerung der Immission von Luftschadstoffen.

Zu den Punkten 12 und 13 der heutigen Tagesordnung: Diese Anträge stellen lediglich eine Wiederholung der Anträge vom Jänner 1996 dar. Die Verpackungsverordnung wurde zwischenzeitlich novelliert und zielt sehr wohl auf alle Verpackungsstoffe ab; somit wurde die Zahl der Schwarzfahrer beträchtlich reduziert. Es gibt auch privatrechtliche Regelungen für Selbstentsorger. Der Antrag betreffend Altlastensanierung ist ebenfalls überholt, da Altlastensanierungsbeiträge ebenfalls mit der Novelle 1996 umgestellt wurden. – Beide Anträge fanden daher im Ausschuß keine Mehrheit.

Meine Damen und Herren! Insgesamt kann gesagt werden, daß wir mit der Beschlußfassung der heutigen Regierungsvorlage im Umweltsektor wieder einen guten Schritt weitergekommen sind, und wir erwarten natürlich, daß auch in den Nachbarländern ähnlich hohe Richtwerte und Standards Einzug halten werden. Denn schlechte Luft macht vor der Grenze nicht halt! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Kummerer vor. – Bitte.

20.34

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube auch, daß wir, wenn der Brief aus nicht Brüssel gekommen wäre, dieses Immissionsschutzgesetz nicht ins Haus bekommen hätten. Es wäre weiterverhandelt worden, und vielleicht wäre es auch zu Tode verhandelt worden.

Ich glaube, daß es gut ist, daß dieses Gesetz dem Hohen Haus vorliegt, und ich glaube, daß es auch gut ist, daß es beschlossen wird, auch mit den Mängeln, die es wahrscheinlich hat. Es ist dies ein erster Schritt, und Novellen werden notwendig sein. Es ist nicht das, was sich viele von uns vorgestellt haben. Es ist kein Bundes-Immissionsschutzgesetz nach deutschem Muster, es ist auch kein Handbuch, in dem man nachsehen kann, was konkret zu tun ist. Aber man bekommt damit doch – das hat auch Kollegin Langthaler uns mitgeteilt – ein brauchbares Instrument für ein nationales Monitoring in die Hand, und wir werden mit diesem Gesetz die Möglichkeit haben, vom Glauben zum Wissen zu kommen.

Auch diesfalls findet sich ein Korrelation zum Waldbericht: Man hat in den letzten Jahren von vielen Schadstoffen gemeint, daß sie der Grund für die Waldschäden seien. Es bestand das Problem, daß alle Jahre ein anderer Schadstoff sozusagen modern war – tatsächlich wußte man jedoch nicht, wodurch Waldschäden verursacht wurden. Wir wissen es auch heute noch nicht. Und wenn wir in dem durchaus erfreulichen Bericht sehen konnten, daß zum Beispiel bei der Eiche die Schädigung von 75 Prozent auf 50 Prozent zurückgegangen ist, obwohl die Ozonwerte gleichgeblieben sind, so könnte man auch annehmen, daß das vielleicht auf die höheren Niederschlagsmengen der letzten Jahren zurückzuführen ist.

Dieses Monitoring, diese Darstellung der Meßergebnisse, wird jedenfalls sicherlich weiterhelfen.

Die Anlagen zu den Maßnahmenkatalogen wurden auch schon von meinen Vorrednern angesprochen. Es verhält sich tatsächlich so, daß die Industrie ihren Beitrag geleistet hat, wenn auch nicht ganz freiwillig: Man hat in der Industrie aufgrund des Ölpreisschocks realisiert, daß sehr viel Geld im Zusammenhang mit den Emissionen beim Rauchfang hinausgeht und daß ein schlechter Wirkungsgrad auch erhöhte Energiekosten bedingt, die auf einmal eine Rolle in der Bilanz gespielt haben. Die Industrie hat dann aber einen Schritt nach vorne gemacht, und daher empfinde ich die gegenwärtige Phase des Umweltschutzes nicht als so trostlos. Die Industrie geht mit Vorschriften auf freiwilliger Basis – ISO 9 000, ISO 14 000 und Öko-Audit – durchaus erfreuliche Wege.

Positiv an diesem Gesetz – der Herr Minister und Kollegin Langthaler haben das auch angesprochen – sehe ich die dezidierte Erwähnung der Heizungsanlagen. Wir haben uns bereits über diese Anlage 4 unterhalten, die eine Zusammenstellung der Emissionsgrenzwerte enthält, die durch den Abänderungsantrag der Oppositionsparteien nicht verwirklicht werden. Trotzdem ist es wert, daß man sich diese Anlage ansieht: Man findet darin eine interessante Gegenüberstellung der verschiedenen Brennstoffe: So zum Beispiel beträgt bei händisch beschickten und betriebenen Kleinfeuerungsanlagen der Kohlenmonoxidausstoß 4 000 Milligramm pro Kubikmeter. Herr Minister! Im Zusammenhang mit Kohle gibt es keinen Hinweis auf Schwefeldioxid und auf Stickoxide. Auch bei Befeuerung mit Holz betragen die Werte bei kleinen Anlagen 4 000 beziehungsweise 2 000 Milligramm Kohlenmonoxid, 300 Milligramm Stickoxid, und es gibt einen Hinweis auf Kohlenwasserstoffe.

Jetzt bitte ich insbesondere die Grünen um Aufmerksamkeit: Es sind nämlich auch die Kohlenwasserstoffe dargestellt. Bei Heizölen beträgt der Kohlenmonoxidausstoß 100 Milligramm gegenüber 4 000 bei Holz. Die Stickoxide belaufen sich auf 150, das ist auch nur die Hälfte. Noch besser sind die Werte bei Erdgas: 80 Milligramm, bezogen auf 3 Prozent Sauerstoff, also auf eine geringere Konzentration als bei Holz.


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Meine Damen und Herren! Es liegt mir fern, das Holz und die Biomasse als Brennstoffe zu verteufeln. Es sollte uns aber bewußt sein, daß die Kohlenwasserstoffe, die sozusagen ein so schlechtes Mascherl haben, mit Abstand die besten erreichbaren Emissionswerte liefern und eine Verteufelung nicht verdienen.

Was muß die politische Forderung sein? – Die politische Forderung kann nur sein, daß man sich bemüht, auch bei den Brennern für Holz und Biomasse eine Verbesserung der Technologie zu erreichen, um auf diese Weise hohe Kohlenmonoxidausstöße zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Dieses Eingehen auf Brennstoffe und die Feuerungsanlagen bedingt den Abschluß von Artikel-15a-Verträgen, was der Herr Minister bereits erwähnt hat. Es wird diesfalls noch viel Arbeit notwendig sein, um eine für den Bund verträgliche Lösung zu finden.

Heute hat Niederösterreich ein Luftreinhaltegesetz, das nur für Zentralheizungsanlagen gilt, die eine höhere Leistung als 11 kW haben, und für sonstige Feuerstätten mit mehr als 26 kW. Die kleineren Anlagen fallen sozusagen durch den Rost und werden nicht betrachtet.

Die Überprüfung dieser Anlagen soll durch befugte Fachkräfte durchgeführt werden. Das ist üblicherweise der Rauchfangkehrer, und dieser hat auch die Prüfberichte einzusehen und Mitteilung an die Behörde zu machen. Im Rahmen der Liberalisierung kann man sich heute einen Rauchfangkehrer aussuchen, was mit sich bringt, daß keine Mitteilungen an die Behörde erfolgen und Messungen nicht vorgenommen werden, weil ein anderer Rauchfangkehrer sie auch nicht macht. Der Vollzug liegt bei den Gemeinden, und die Gemeinden sind damit hoffnungslos überfordert.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, beim Abschluß der Artikel-15a-Verträge besondere Sorgfalt walten zu lassen. Es bleibt uns nicht erspart, das Problem Hausbrand zu thematisieren. Ich bin mir dessen völlig bewußt, daß das kein populäres Thema ist, weil es jeden einzelnen von uns trifft. Wir müssen beim Abschluß dieser Artikel-15a-Verträge darauf achten, daß wir in allen Ländern einheitliche Grenzwerte durchsetzen, denn es kann nicht sein, daß der Umweltschutz von den Grenzwerten her verschieden in den einzelnen Ländern ist. Wir müssen außerdem danach trachten, daß der gesamte Hausbrand, auch der in Kleinanlagen, erfaßt wird. Die Umsetzung und die Kontrolle der entsprechenden Vorschriften muß auch überdacht werden, ähnlich wie die Lösung mit den Rauchfangkehrern.

Herr Bundesminister! Ich bitte Sie, noch einmal zu überdenken, ob wir tatsächlich einen richtigen und guten Weg gehen, wenn wir ein Instrument wie das Umweltbundesamt in die private Geldbeschaffung treiben und aus dem objektiven und anerkannten fachlichen Status, den es zurzeit hat, hinauszwängen.

Meine Damen und Herren! Für uns von der Sozialdemokratie ist der vorliegende Gesetzentwurf ein guter Schritt für den Umweltschutz in Österreich. Wir werden uns über weitere Maßnahmen noch unterhalten. Beginnen wir mit dem Monitoring, stellen wir unsere gute Situation auch international nachvollziehbar dar! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 681 der Beilagen.


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Hierzu haben die Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von dem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 3 Abs. 3 und 4 sowie § 21 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der


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Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über die genannten Bestimmungen in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen, und ich bitte Sie, im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes, und ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Diese erfolgt durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen nun weiters zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 583 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Jene Damen und Herren, die dies tun wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß die Genehmigung einstimmig erteilt worden ist.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht in 683 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht in 684 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zur Verhandlung über den Antrag des Abgeordneten Anschober auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Kurden-Morden.

Da dieser Antrag inzwischen allen Abgeordneten verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Anschober und FreundInnen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet – erteilt wurden.

Mit folgender Zusammensetzung:

4 SPÖ, 3 ÖVP, 2 Freiheitliche, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

Unter einem verlangen die Antragsteller die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen nun in eine Kurzdebatte – nach § 57a der Geschäftsordnung – ein.

Die Redezeit für jeden Redner beträgt 5 Minuten, für den Erstredner als Antragsteller 10 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält als erster der Erstantragsteller, Herr Abgeordneter Anschober. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.47

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Ich hoffe, Sie bleiben! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Mock! Herr Kollege Löschnak! Wir haben vor zirka sechs Wochen die erste Debatte über den ersten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu diesem Thema in diesem Haus geführt. Seither wurden von uns wöchentlich, fast täglich, diesbezügliche Dokumente und Aktenstücke in Österreich publiziert.

Vor drei Wochen hat die Bundesregierung die scheinbare Flucht nach vorne angetreten und zugesagt, daß es einen Bericht über die Causa der Schande der Kurden-Morde in Österreich geben wird. Dieser Versuch der Reinwaschung und Selbstkontrolle einer Regierung kann, nachdem gestern das Ergebnis vorgelegt wurde, als absolut gescheitert betrachtet werden. Es wurden Fragen nicht geklärt, sondern es haben sich – im Gegenteil – eine Menge zusätzlicher Fragen gestellt.

Die drei Bericht weisen unterschiedlicher Qualität auf. Ich billige dem Bericht des Innenministeriums bedeutend höhere Redlichkeit und Qualität zu als etwa dem Bericht des Außenministeriums, der das andere Extrembeispiel darstellt, denn es wird von diesem grundsätzlich die Vorlage von Akten verweigert, obwohl die wesentlichsten Aktenstücke in diesem Regierungsbericht fehlen. Wir haben konkret 21 Aktenstücke gezählt, die von zentraler Bedeutung für die Aufklärung wären, die aber von der Bundesregierung in diesem Bericht verschwiegen werden. Das geht so weit, daß trotz Aufforderung des Innenministeriums Berichte über eine Ministerratssitzung fehlen, in der der damaligen Außenminister Mock die wesentliche Linie im Zusammenhang mit dem Vorgehen bei den Kurden-Morden skizziert, den schonenden Umgang dargestellt und wörtlich davon gesprochen hat, daß diesfalls eine ähnliche Vorgangsweise wie im Fall des Libyschen Volksbüros zu wählen sei.


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Die Vorlage dieses Ministerratsberichtes wurde sogar dem Innenministerium gegenüber verweigert, und es ist eine Besonderheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß man mittlerweile in dieser Republik mit Vertuschungsversuchen so weit ist, daß nicht einmal ein Ministerium für die Erstellung eines eigenen Berichtes die notwendigen Akten erhält. Das wird allerdings auch seine Gründe haben!

Dieser Bericht ist in Summe, wie gesagt, höchst lückenhaft. 21 wesentliche Aktenstücke dazu fehlen. Diese 21 Aktenstücke kennen wir zum Teil, jedoch nicht alle. Wir werden natürlich Teile davon, die uns bisher zugegangen sind, in den nächsten Tagen und Wochen vorlegen, weil die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, zu wissen, wie bei einem gezielten Rechtsbruch in Österreich die politischen Fäden tatsächlich gezogen wurden.

Es handelte sich hiebei um einen Rechtsbruch, der eine gewisse außenpolitische Tradition hatte und nach wie vor hat, daß nämlich Terroristen, die in Deutschland zur Fahndung ausgeschrieben sind, gezielt von Österreich aus entkommen können. Sie brauchen ja nur den Artikel in der morgigen Ausgabe des "Standard" und die Kritik der deutschen Behörden dazu zu lesen. Bei einem solchen Rechtsbruch kann man sich nicht auf die Beamtenschaft ausreden, wie das nun von den politischen Verantwortungsträgern zu tun versucht wird. Wenn man nur ein Minimum an Anstand hätte, müßte man vielmehr hier zum Pult treten und sagen: Aus diesem und jenem Grund – und das mögen vielleicht sogar Gründe sein, über die man diskutieren kann – hat es die organisierte Fluchthilfe für die Kurden-Mörder von Wien gegeben.

Eine derartige Erklärung blieb jedoch aus. Es werden lediglich der Vertuschungsversuch und die Verzögerungstaktik fortgesetzt, indem man nun den Bericht den Untersuchungsrichtern und der Staatsanwaltschaft übermittelt, damit sie untersuchen mögen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die strafrechtliche Relevanz dieser Angelegenheit ist allerdings bis ins letzte Detail untersucht. Offen bleibt die Frage, wer in diesem Fall politisch die Fäden gezogen hat, wer für das politische Grundkonzept und dafür verantwortlich ist, daß im wesentlich infolge des Abtausches und der Gespräche zwischen den beiden damaligen Generalsekretären im Außenministerium und im Innenministerium die Kurden-Mörder aus Wien fliehen konnten.

Die Art und Weise, wie dieser Täuschungsbericht und wie dieser neuerliche Verzögerungs-, Ablenkungs- und Verschleppungsversuch von den Medien kommentiert wird, ist so deutlich wie schon lange nicht, wie schon seit Jahren in dieser Republik nicht mehr. Kommentar in den "Oberösterreichischen Nachrichten": "Verschleppung". Kommentar im "Kurier": "Nur ein Untersuchungsbericht kann diese neuen Fragen klären." Der Kommentar in der "Presse", in welcher man Ihnen gegenüber in dieser Causa in den letzten Wochen nicht allzu kritisch eingestellt war, ist der kritischste überhaupt. Es wird festgestellt, daß die Berichte eine "Pannenserie" schildern, und dies sei sehr traurig – ich zitiere wörtlich –, "zumindest, wenn man den nun vorgelegten Berichten glauben dürfte. Man darf es aber nicht."

Kommentatoren der Qualitätszeitungen in dieser Republik sagen also: Man darf Regierungsberichten nicht mehr trauen. Es werden Halbwahrheit verkündet, es wird die Unwahrheit verkündet, diese Bundesregierung verstrickt sich in ihrer Verteidigungs- und Fluchtlinie in einem Netz von Widersprüchen, Halb- und Unwahrheiten. Es wird direkt dargestellt und unterstellt, daß Teile dieser Bundesregierung bewußt die Unwahrheit sprechen, und bewußt die Unwahrheit sprechen bedeutet lügen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Das ist ein schwerer Vorwurf! Und was macht die Bundesregierung in dieser Situation, vor allem innerhalb der Österreichischen Volkspartei in der Person des Vizekanzlers dieser Republik, der hauptverantwortlich ist für diese Fortsetzung der Vertuschung? – Sie schüttelt sich ab und versucht, zur Tagesordnung überzugehen!

Das ist bei einem politisch organisierten Rechtsbruch unzulässig, meine sehr verehrten Damen und Herren! In jedem anderen Rechtsstaat Europas würde diese Causa längst, zumindest seit sechs Wochen, mittels eines Untersuchungsausschusses untersucht werden.


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Noch einige Kommentare: "Höchste Zeit für einen Untersuchungsausschuß" lautet eine Schlagzeile des "Standard". Morgige Ausgabe der "Presse": "Kurden-Morde: Ein Bericht und viele Fragen. Niemand, nicht einmal die Vertreter der Justiz, vertrauen darauf, daß eine keine Interventionen der Regierungsspitze damals gegeben habe."

Herr Kollege Mock! Herr Kollege Löschnak! Warum nehmen Sie nicht die Möglichkeit wahr, kommen hier zum Rednerpult und sagen uns endlich, was damals wirklich im Detail passiert ist? Warum sagen Sie nichts? Warum geben Sie uns nicht die Antworten darauf, wer die politischen Drähte gezogen hat? Herr Dr. Mock, ich bitte Sie: Sie werden Klestil in dieser Situation doch nicht im Regen stehenlassen! Wer hat damals Dr. Klestil dazu veranlaßt, dafür zu sorgen, daß die Bewachung der Botschaft des Iran am 5. Dezember reduziert wird und daß drei Tage später Bozorgian, der Attentäter von Wien, entkommen konnte? Dr. Klestil veranlaßte die Reduktion der Botschaftsbewachung – auf Weisung des jetzigen Kollegen Dr. Löschnak, der in einer Anfragebeantwortung noch behauptete, er habe nicht interveniert, es habe keine Probleme in diesem Zusammenhang gegeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweiter Punkt: Wir haben uns angesehen, wie die damaligen Ressortchefs Mock und Löschnak und auch der damalige Innenminister Foregger das Parlament informiert haben. (Abg. Ellmauer: Foregger war Justizminister!) Wir sind in insgesamt 17 Punkten auf ganz konkrete Unwahrheiten gekommen, die diesem Parlament gegenüber dargestellt wurden. In 17 Fällen wurde – man kann es mit einem ganz konkreten Wort bezeichnen – das Parlament belogen, wurde dem Parlament bewußt die Unwahrheit gesagt!

Herr Kollege Löschnak! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden das Dokument morgen bekommen. Sie werden all das im Detail durchsehen können. Ich kann es Ihnen auch jetzt noch übermitteln. Jedenfalls wurde in 17 ganz konkreten Punkten die Unwahrheit gesagt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wollen Sie es tatsächlich auf sich sitzen lassen, daß das Parlament und die Öffentlichkeit in diesem Punkt mehr als acht Jahre hindurch falsch informiert wurden? Wollen Sie tatsächlich zusehen, daß an diesen Falschinformationen bis in die jetzigen Tagen festgehalten wird, ja daß diese weitergehen?

Ich zitiere zum Schluß noch etwas. Bundespräsident Klestil erklärte am 21. April 1997 der Öffentlichkeit via APA, daß – ich zitiere wörtlich – "beim Generalsekretär" – also bei Klestil – "keine iranische Intervention erfolgt ist und daß der damalige Generalsekretär des Außenministeriums" ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Anschober, den Schlußsatz bitte!

Abgeordneter Rudolf Anschober (fortsetzend): ... "seinerseits keine Veranlassung getroffen hat." – Nach dem nun vorliegenden Bericht des Außenministeriums ist auch dies die glatte Unwahrheit. Klestil hat interveniert, und Klestil hatte Interventionen des iranischen Botschafters.

In Anbetracht dessen ist es, glaube ich, mit Fug und Recht jetzt an der Opposition, einen Untersuchungsausschuß zu beantragen. Ich verstehe Sie jedenfalls nicht mehr, wenn Sie hier weiterhin blockieren! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

20.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Leikam. Ab jetzt beträgt die Redezeit pro Redner 5 Minuten. – Bitte.

20.58

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe nicht ganz, warum Kollege Anschober einen so dicken Ordner mit zum Rednerpult bringt, dann aber nur aus drei Zeitungen zitiert und ein dünnes Blatt Papier als Argument für eine neuerliche Begründung seines Antrages verwendet. Es wäre viel einfacher gegangen, und Sie hätten sich nicht eine so schwere Arbeit antun müssen, Kollege Anschober! (Zwischenruf des Abg. Anschober. )


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Aber was haben wir jetzt wieder gehört? – Wieder das Vorlesen von Zeitungsberichten, ein Eingehen auf Meinungen von Journalisten, und es ist wieder nichts Neues hinzugekommen. Seit 16. April, nicht seit sechs Wochen, sondern seit knapp einem Monat beschäftigen wir uns mit dieser Materie. Es ist aber wieder nur bei dem geblieben, was Sie seit dieser Zeit ununterbrochen, ohne irgend etwas Konkretes auf den Tisch zu legen, immer wieder behaupten. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Anschober! Wenn Sie meinen, daß es sich wiederum um "Verschleppung" handle, dann darf ich Ihnen sagen: Sie bezeichnen einen Bericht, der mit vom Justizminister vorgelegt wurde, das Produkt von drei Ministerien ist und 200 Seiten umfaßt, als "Verschleppungsversuch"! – Ich kann mich nicht erinnern, daß es irgendwann einmal schon rascher eine solch umfangreiche Vorlage gegeben hätte, wie es diese 200 Seiten umfassenden Berichte von drei Ministerien sind. Innerhalb eines Monats haben die drei Ministerien auf Ihr Verlangen diesen umfangreichen Ordner vorgelegt. Sie aber behaupten, es werde verschleppt, es werde nichts auf den Tisch gelegt.

Sie haben auch gesagt, es sei in diesen Akten nichts geklärt worden. Erinnern wir uns doch zurück: Klären muß den Fall die Justiz, nicht das Parlament. (Abg. Anschober: Nein!) Klären muß den Fall das Parlament. Es ist von allen drei Ministerien eine chronologische Auflistung der Vorgänge verlangt worden. Das ist geschehen. Ein Teil fehlt noch in diesem Bericht. (Zwischenruf des Abg. Anschober. ) Der Redner der Österreichischen Volkspartei wird das sicherlich noch erklären. Das fehlt noch – ein Teil. Alles andere ist aufgelistet, und zwar chronologisch aufgelistet, und die Medien kommen mit dieser Auflistung auch zu klaren Ergebnissen.

Ich betone noch einmal: Ich bin nicht der Meinung des Wiener Abgeordneten Dr. Pilz, des angeblichen Aufklärers der Nation, der im heutigen "NEWS" erneut behauptet, der Untersuchungsausschuß sei die einzige Möglichkeit, die Kurden-Morde endgültig zu klären. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Anschober. ) Ich glaube, das ist nicht der Inhalt. Die Kurden-Morde sind von Strafgerichten zu klären, und dazu dienen auch die Unterlagen, die in diesen 200 Seiten vorgelegt wurden.

Sie haben heute nichts anderes getan als in den letzten beiden Debatten, nämlich nur Zeitungsartikel zitiert. Das ist für unsere Fraktion zu wenig, um der Installierung eines Untersuchungsausschusses die Zustimmung zu geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unserer Ansicht nach bestätigen gerade diese nun von drei Ministerien, dem Innen-, dem Außen- und dem Justizministerium, vorgelegten 200 Seiten einerseits das Innenministerium und den früheren Innenminister Löschnak, da das, was dieser immer gesagt hat, auch in diesem Bericht dokumentiert und auch das bestätigt wird, was der derzeitige Innenminister Karl Schlögl auf eine parlamentarische Anfrage geantwortet hat, und andererseits, daß alle Vorwürfe von Grün, Hellblau und Dunkelblau gegen den Innenminister durch nichts zu beweisen und auch durch nichts gerechtfertigt sind. (Zwischenrufe des Abg. Anschober. ) Die SPÖ-Fraktion wird daher auch heute der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. Gleiche Redezeit. – Bitte.

21.02

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kann meinem Vorredner zustimmen. Ich kann aber nicht ganz meinem Vorvorredner zustimmen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rasinger. ) Ich habe den Eindruck, Herr Anschober möchte uns anschütten, ohne wirklich Beweise beziehungsweise Fakten zu haben. Ich persönlich bilde mir meine Meinung dazu. Wenn man etwas fordert, muß man auch nach dem Sinn dieser Forderung fragen.

Bezug nehmend auf den geforderten Untersuchungsausschuß über die Ereignisse nach dem Mord an drei Kurden vor acht Jahren in Wien ist mir die Sinn- und Zweckmäßigkeit eines


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solchen nicht plausibel. Vielmehr habe ich den Eindruck, daß die Opposition aus dieser Forderung populistisches Kapital schlagen will und damit verhindert, daß für die Behandlung wirklich wichtiger Themen Zeit bleibt. Wenn ein Abgeordneter meint, er müsse sich als besserer Justizbeamter aufspielen, sollte er sich vielleicht fragen, ob er nicht den Beruf verfehlt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus gutem Grund glaube ich, daß wir die weitere Bearbeitung dieser Angelegenheit den Experten, nämlich der Justiz überlassen sollten. (Abg. Ing. Langthaler: Wir wurden gewählt, um die Regierung zu kontrollieren!) Keiner von uns wurde dafür gewählt, daß er die eigentlichen Aufgaben der Justiz erledigt und sich in die Ermittlungen einmischt, Frau Kollegin Langthaler. (Abg. Wabl: Da geht es um einen Untersuchungsausschuß – und nicht um Ermittlungen!) Ehrlich gesagt: Ich habe den Eindruck, daß die Öffentlichkeit für diesen populistischen Mißbrauch des Parlaments durch die Opposition bald kein Verständnis mehr haben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weiß: Aufgrund des Berichtes über die Kurden-Morde gibt es keine Indizien für eine politische Maßnahme oder eine politische Einflußnahme in Richtung unsachgemäßer Handlungen oder Unterlassungen, weshalb ich kein Verständnis dafür habe, in den nächsten Monaten mehrere Gremien mit der gleichen Aufgabe zu befassen, also damit ein Doppelverfahren einzuleiten. (Abg. Wabl: Das ist ja eine Khol-Rede!) Herr Kollege Wabl! Der Vorteil für die Justiz besteht außerdem darin, daß sie sich auch jener Mittel bedienen kann, die dem Parlament verwehrt sind – ich denke etwa an die Beschaffung von Akten im Rechtshilfeweg.

Kurz und gut: Ich glaube nicht an die Notwendigkeit eines Unterausschusses (Abg. Anschober: Gut ist das nicht!) , und ich bin auch von der Rechtmäßigkeit der Vorgangsweise der damals zuständigen Minister und Beamten überzeugt – das geht auch aus dem Bericht klar hervor. (Abg. Ing. Langthaler: Na gut! – Abg. Dr. Haselsteiner: Sind Sie blind?) Das geht deutlich hervor. Obwohl mir klar ist, daß sich die Oppositionspolitik oft mit populistischer Argumentation Gehör zu verschaffen versucht, hat dies doch seine Grenzen, nämlich dann, wenn anständige Parlamentsarbeit zugunsten parteipolitischen Kalküls verhindert wird. (Zwischenrufe bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Deshalb wird die Österreichische Volkspartei diesem Antrag nicht zustimmen. Durch das Anschütten des Abgeordneten Anschober alleine werden wir auf keinen grünen Zweig kommen, lieber Kollege von den Grünen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Gleiche Redezeit.

21.06

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Kollege Zweytick! Ich bitte euch von der Österreichischen Volkspartei, endlich mit dem Gerede von den Ermittlungen der Justiz, das euch ohnehin niemand mehr abkauft, aufzuhören.

Erstens hat euch der Justizminister mitgeteilt, daß gegen die Täter in Österreich gar kein Verfahren läuft, weil man ihrer nicht mehr habhaft werden kann. – Das können wir also vergessen, da läuft gar nichts mehr.

Zweitens liefert der Bericht, selbst wenn man ihn böswillig liest, keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein Organ der Republik gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen hätte. Aber nicht alles, was strafrechtlich relevant ist, ist deswegen auch politisch unbedenklich. Zwischen diesen Dingen sollten Sie endlich unterscheiden, dann könnten wir die Debatte wesentlich zielführender und, wie ich glaube, auch wesentlich nüchterner führen. Denn nicht alles, was unter das Strafrecht fällt, ist deswegen auch politisch unbedenklich und pannenfrei – und der Bericht des Innenressorts spricht ganz eindeutig von "Pannen". Im Bericht des Innenressorts wird zugegeben, daß es Pannen gegeben hat. Das kann passieren.

Nun sind folgende Fragen zu stellen: Welche Pannen sind in den anderen Ressorts passiert? Warum gab es etwa aus dem Bereich des Justizressorts keine Haftbefehle, obwohl die Gründe für die Erlassung eines Haftbefehls, zumindest gegen Sahraroodi, längst evident waren? Wie


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konnte eine islamische Republik oder irgendein anderer Staat in Österreich Verhandlungen mit einer Oppositionsgruppe oder irgendwelchen Kriegs- und Konfliktparteien führen, ohne daß die österreichischen Behörden davon wußten? Ist es möglich, daß, wie das der iranische Geschäftsträger dem österreichischen Außenamt gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, auch die iranische Botschaft davon nichts erfahren hat?

Man kann untersuchen, ob das tatsächlich der Fall war, wie häufig so etwas passiert, warum es vorkommt, daß die österreichischen Behörden von derartigen Verhandlungen, die in einem terroristischen Akt enden, nichts wissen konnten, obwohl in Österreich praktisch alles bespitzelt wird – wir wissen, daß, wenn es um politische Bespitzelung geht, in Österreich sehr vieles möglich ist, was in anderen Staaten schlecht möglich wäre –, und wie es möglich ist, daß terroristische Organisationen mit fremden Staaten auf österreichischem Hoheitsgebiet Verhandlungen führen, die für Österreich letztlich in einen, um es gelinde auszudrücken, politischen Problemfall münden.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Dieser Bericht – da hat Kollege Anschober natürlich recht – wirft mehr Fragen auf, als er klärt, etwa die Frage, warum das Außenamt dem iranischen Botschafter zusagen kann, daß ein schwer Verdächtiger wie Herr Sahraroodi ausreisen darf, daß das also unbedenklich sei, obwohl man zu diesem Zeitpunkt, wie sich eindeutig aus der Aktenlage ergeben hat, auch im Außenamt bereits wissen mußte, daß dieser Mann unter schwerem Verdacht stand und bis dahin nur noch kein Haftbefehl erlassen wurde. Gar so unbedenklich war diese Ausreise also nicht, und, Herr Außenminister außer Dienst: Wenn ein Spitzenbeamter des Außenressorts, im Wissen darum, wie verdächtig dieser Mann ist, eine derartige Zusage gibt, so ist das etwas, das ich zumindest als "Panne" bezeichnen, in Zukunft vermieden wissen und in einem Untersuchungsausschuß aufgeklärt haben möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist ja nichts Böses dabei! Es ist nicht mala fide, wenn wir versuchen, sicherzustellen, daß derartige Dinge in Zukunft nicht mehr vorkommen.

Es ist auch zu untersuchen, ob mit der Reduzierung der Bewachung der iranischen Botschaft in Wien tatsächlich, wie Kollege Anschober gesagt hat, schon sichergestellt worden wäre, daß man gerichtlich gegen Herrn Bozorgian hätte vorgehen können. Ich habe erhebliche Zweifel daran. Das hätte ich gerne gesehen, wenn Herr Bozorgian in der iranischen Botschaft ein Diplomatenfahrzeug der Islamischen Republik Iran besteigt, das die Polizei auf den Straßen Wiens aufhalten soll, um diesen Mann gegen das Völkerrecht aus dem Diplomatenfahrzeug herauszuholen. Wir hätten selbst durch eine Weiterführung der vollen Bewachung gar nichts gewonnen, sondern nur zuschauen können, wie man vor dem Hintergrund des geltenden Völkerrechtes die Islamische Republik Iran in einem unfreundlichen Akt gegen die Republik Österreich einem Mann, gegen den in Österreich ein Haftbefehl existiert, die Ausreise ermöglicht.

All diese Dinge sollten wir – emotionslos und nüchtern – untersuchen und nicht immer von Justizermittlungen reden, die es in Wahrheit niemals geben wird.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die österreichische Bevölkerung und die Öffentlichkeit, aber auch die Opfer ein Recht darauf haben, daß all diese Fragen geklärt werden. Deswegen wird meine Fraktion für die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

21.11

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Wie Sie wissen, haben auch die Liberalen einen neuerlichen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt; die Debatte wird im Anschluß daran stattfinden. Dann werde ich eine Redezeit von 10 Minuten haben, jetzt habe ich nur 5 Minuten. Daher werde ich versuchen, meine Argumente etwas aufzuteilen.

Ich möchte gerne auf meine Vorredner eingehen, und zwar insbesondere auf jene der Regierungsfraktionen. Herr Kollege Leikam! Es geht niemandem in diesem Haus darum, mit einem


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Untersuchungsausschuß die Kurdenmorde aufzuklären. Für wie dumm halten Sie uns denn eigentlich? (Abg. Leikam: Das steht im "NEWS"!) Nein! Wir reden im Parlament über Anträge, die diese Fraktionen eingebracht haben, und es wäre das mindeste, wenn Sie sich zu Anträgen zu Wort melden, daß Sie sich diese vorher anschauen und nicht das "NEWS" lesen.

In diesen Anträgen steht, daß es darum geht, zu klären, warum die Aufklärung der Kurden-Morde in diesem Land verhindert wurde. Das ist nämlich die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses! Und deswegen ist es so unsinnig, ständig nach dem Gericht zu rufen. Denn das ist nicht Gegenstand dieser Verhandlungen – es wäre schön, würden Sie, wenn Sie es schon nicht gelesen haben, mir jetzt wenigstens zuhören. Ich habe nämlich noch ein zweites Argument. (Beifall beim Liberalen Forum.) Diese Debatte hat vielleicht einen Sinn, wenn die Abgeordneten das eine oder andere Mal auch zuhörten, denn miteinander zu reden, ist das Wesen einer solchen Auseinandersetzung.

Ich meine es ernst und möchte wenigstens den Versuch machen, Sie zu überzeugen und Sie an Ihre Verantwortung als Parlamentarier zu erinnern: Es geht nicht um die Aufklärung der Morde, sondern um die Aufklärung des Umganges durch österreichische Behörden, Politiker und Verwaltungsorgane, und zwar durch solche, die unter anderem heute sogar das höchste Amt in diesem Staate bekleiden.

Zweitens, Herr Kollege Leikam – Sie scheinen in diesem Saal öfter nicht zuzuhören: (Abg. Leikam: Oberlehrerin!) Denn gerade wenn Sie sagen, alle Äußerungen Löschnak seien durch diesen Bericht bestätigt, dann müssen Sie auch die Notwendigkeit weiterer Debatten darüber erkennen.

Wie Sie wissen, gab es vor mehr als einer Woche auf Antrag der Liberalen eine Sondersitzung, in der wir eine Dringliche Anfrage an den Außenminister gestellt haben. Der Außenminister hat uns und Ihnen allen, sofern Sie anwesend waren, gesagt, Minister Löschnak habe dem Ministerrat am 25. Juli mitgeteilt, daß nach Angaben seines Ministeriums gegen Sahraroodi keine Verdachtsmomente vorgelegen seien. Im Bericht hingegen werden auf Seite 10, unter den Punkten 1 bis 8, jene Beweismomente für die Ausstellung eines Haftbefehls aufgelistet, die sehr wohl vor der Ausreise Sahraroodis vorgelegen sind.

Entweder hat der damalige Innenminister im Ministerrat die Unwahrheit gesagt – oder aber Herr Minister Schüssel hat uns, als er darüber berichtet hat, die Unwahrheit gesagt. Einer von beiden muß die Unwahrheit gesagt haben! Und Sie sind der Auffassung, das sei nicht aufklärungswürdig – nur deswegen, weil ersteres vielleicht schon acht Jahre her ist? Dann wäre es jedenfalls wert, darüber Aufschluß zu bekommen, ob der Minister es heute noch wagt, uns anzulügen.

Diese Aufklärung kann nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß bringen. (Rufe bei der ÖVP: Hallo! – Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Es ist aufzuklären, ob er es wagt, uns anzulügen! Dazu stehe ich. (Abg. Schwarzenberger: An Ihrer Stelle wäre ich in der Wortwahl etwas vorsichtiger!) Es liegt mir daran, aufzuklären! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Hören Sie zu, bevor Sie Ihre Zwischenrufe machen! (Abg. Schwarzenberger: Sie haben gesagt, der Minister habe uns angelogen!)

Diese Aufklärung halte ich für dringend notwendig, und diese Aufklärung kann nur im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, in dem die Betroffenen unter Wahrheitspflicht auszusagen haben, erfolgen. Als Zeugen vor Gericht werden sie dazu selbstverständlich nicht befragt werden, weil das das Gericht nicht zu interessieren hat. Aber Sie hat es zu interessieren!

Herr Kollege Zweytick! Sie sagen, dem Kollegen Anschober – ich bin wirklich nicht seine Verteidigerin, das hat er auch gar nicht notwendig – läge nur daran anzuschütten: Sie vertreten offensichtlich die Auffassung, daß, wenn die Wahrheit herauskommt, irgend jemand angeschüttet stehenbleibt. Wenn Sie daher meinen, man solle die Wahrheit nicht ans Licht bringen, dann ist das wohl Ihr parlamentarisches Verständnis – unseres mit Sicherheit nicht! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Schwimmer: Das ist eine Unterstellung!)


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Wenn Sie weiters meinen, jemand hätte seinen Beruf verfehlt, wenn er die Wahrheit ans Licht bringen will, dann möchte ich Sie nach Ihrem parlamentarischen Verständnis fragen, und ob Sie sich, als Sie Ihren Eid auf die Verfassung geleistet haben, angeschaut haben, welche Aufgaben das Parlament hat, nämlich zu kontrollieren! Diese Kontrollaufgabe vernachlässigen Sie mehr als sträflich. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Petrovic. )

Aus Ihrer Aussage, aus diesem Bericht sei kein Indiz zur politischen Einflußnahme ersichtlich, kann ich nur schließen, daß Sie diesen Bericht sicherlich nicht gelesen haben. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich werde mich noch einmal mit 10 Minuten Redezeit zu Wort melden. (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen.)

21.17


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74. Sitzung / Seite 183

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Gleiche Redezeit.

21.17

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Thematik bereits heute früh behandelt, und ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Es wundert mich, daß Sie die Autonomie des freien Abgeordneten, fernab vom Klubzwang etwas zu entscheiden, nicht nützen. (Abg. Steibl: So ein Blödsinn!)

Eines würde ich mir bei dieser Gelegenheit aber schon wünschen: Wenn Sie von ÖVP und SPÖ schon Redner ans Pult schicken, dann bitte wenigstens solche, die den Bericht der Ministerien und die Anträge auch gelesen haben und sich nicht wie Kollege Leikam nur auf "NEWS" berufen und gar nicht wissen, was beantragt ist. (Abg. Steibl: Das ist eine Frechheit! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Lesen Sie die Anträge, denn dann kann Ihnen so ein Ausrutscher wie vorhin, als Sie glaubten, es gehe um die Aufklärung der Morde, nicht passieren!

Warum Sie sich so aufregen – und warum du, Kollege Scheibner, dich so aufregst –, verstehe ich überhaupt nicht, denn das, was sich Herr Kollege Zweytick bei seiner Rede geleistet hat, war wirklich erbärmlich. (Abg. Steibl: Das ist in Ordnung!) Erbärmlich war das! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Eine aufgesetzte Rede! (Abg. Schwarzenberger: Wir kennen den, der Ihnen diese Rede aufgesetzt hat!) Klubobmann Khol, der offensichtlich der einzige ist, der diese Ministeriumsberichte hat, soll doch selber Stellung nehmen. Dann könnte man wenigstens auf einer halbwegs sinnvollen Ebene diskutieren. Sie lesen die Unterlagen aber offensichtlich nicht. Ich werde dazu zwei Zitate bringen.

Erstens: Der ehemalige Justizminister Foregger teilte dem Parlament in einer Anfragebeantwortung aus dem Jahre 1989 mit, es habe keinerlei unmittelbare Kontakte der Justizbehörden mit dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheit gegeben. – Diese Behauptung Foreggers ist durch den Bericht der Ministerien widerlegt! Sie stimmt nicht! Er hat also dem Parlament die Unwahrheit gesagt, er hat gelogen. Ich will nichts anderes als den Grund dafür wissen! (Abg. Steibl: Was heißt "gelogen"? – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Rosemarie Bauer und Dr. Stummvoll. )

Ich denke, daß er das nicht aus Leidenschaft, sondern aufgrund von Interventionen und politischen Interessen getan hat. Als Abgeordnete glaube ich, das Recht zu haben, den Grund dafür zu erfahren! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Das zweite Beispiel: Minister Mock teilt in einer Anfragebeantwortung aus dem Jahre 1990 auf die Frage, ob er Hinweise habe, daß die Tat im Auftrag oder im Wissen ausländischer Staatsorgane geschehen sei, mit, daß er über keine derartigen Informationen verfüge. In der selben Anfragebeantwortung sagt er auch, bei ihm seien keine Interventionen seitens der iranischen Vertreter erfolgt. – Wir wissen heute, daß das nicht stimmt.

Es stimmt also nicht, was der frühere Minister Mock dem Parlament in einer Anfragebeantwortung gesagt hat. Ich will nur wissen: Warum hat er das getan? (Abg. Steibl: Was soll das Theater?) Warum hat er das Parlament wissentlich belogen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Für diesen Vorwurf erteile ich Ihnen in langjähriger Tradition einen Ordnungsruf. Wahrheitsbeweise sind dabei nicht zulässig. (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP.)

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (fortsetzend): Aber ich sage Ihnen eines, Herr Präsident, und auch den Kolleginnen und Kollegen: Richten wir einen Untersuchungsausschuß ein, dann wissen wir es genau!

Das, was ich zitiert habe, ist belegt. Es hat nicht gestimmt, was die beiden Minister im Jahre 1989 und 1990 dem Parlament mitgeteilt haben. (Abg. Dr. Schwimmer: Wenn Sie sich nicht zu benehmen wissen, richten wir einen Untersuchungsausschuß ein!)

Sie werden sich weiter – wie auch Zeitungskommentatoren heute schreiben – zum Gespött machen (Abg. Dr. Schwimmer: Sie machen sich selber zum Gespött!) , wenn Sie, nachdem Sie Untersuchungen durch die betroffenen Ministerien in Auftrag gegeben haben, behaupten: Es ist alles wunderbar! Wir haben uns selbst untersucht, das reicht jetzt und das paßt. Warum regt ihr euch noch auf?

Wenn wir das – wie es heute eine Tageszeitung auch gemacht hat – in Analogie fortsetzen, dann sind auch die Prüfungen der Finanzbehörden und an Universitäten nicht mehr nötig! Wir untersuchen uns nun alle selbst und stellen uns selbst einen Persilschein aus.

Damit aber werden wir uns zum Gespött machen – nicht nur in den Medien und in unserem Land, sondern auch im Ausland. (Abg. Dr. Schwimmer: Sie wollen ja die anderen Behörden ausschalten, und daß wir alles untersuchen sollen!)

Ich kann nur noch einmal betonen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), was bereits Frau Kollegin Schmidt gesagt hat: Sie haben offensichtlich die Auffassung von Parlamentarismus, daß man die Wahrheit nicht ans Licht kommen lassen soll (Zwischenrufe bei der ÖVP), daß die Wahrheit aufzudecken, etwas ganz Böses ist (Abg. Dr. Schwimmer: Das hat doch heute die Petrovic gesagt!) , bei dem immer jemand angeschüttet wird, und daß man alles am besten irgendwo unter dem Tisch versteckt, dann haben Sie eine Auffassung von Demokratie, die ich jedenfalls nicht teile. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wir wissen uns dabei in guter Gesellschaft, wenn ich die Medienberichterstattung der letzten Tage beobachte. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

21.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den


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Antrag des Herrn Abgeordneten Anschober auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der Angelegenheit, die hier zur Debatte steht. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag Anschober auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag Anschober ist daher abgelehnt.

*****

Damit gelangen wir zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt und Fraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Kurden-Morden. (Abg. Dr. Stummvoll: Ein neues Thema!)

Auch hier ist der Antrag schriftlich verteilt worden und muß nicht verlesen werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

Der Abgeordneten Dr. Schmidt, Moser, Partnerinnen und Partner auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abg. 1 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Die politische Verantwortung der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Chaden, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13.7.1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, ist zu prüfen."

Der Untersuchungsausschuß besteht aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

Gemäß § 33 Abs. 2 GOG wird die Durchführung einer kurzen Debatte beantragt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Debatte ein.

Die Erstrednerin hat zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

21.24

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Es ist natürlich nicht sehr angenehm, wenn man zur gleichen Sache in einer zweiten Debatte noch einmal redet. Aber ich möchte an die Abgeordneten der Regierungsparteien appellieren, den Bericht wirklich zu lesen. Denn es ist meine feste Überzeugung, daß, wenn Sie diesen Bericht selber gelesen haben, Sie nicht mehr so wie bisher argumentieren können. Es ist das unmöglich.

Ich will auch nicht allein mit Zeitungsausschnitten argumentieren – wie Kollege Leikam dann vorwurfsvoll sagen wird. Aber warum soll man Redakteure, deren Meinung man vollinhaltlich teilt, nicht zitieren? Sie drücken es so aus, wie es sein soll. (Zwischenruf des Abg. Leikam. )

Wenn die Zeitungen unsere Meinung wiedergeben – nämlich daß man es nicht dabei belassen kann, daß sich Betroffene selber kontrollieren, und schon gar nicht, wenn selbst in diesem Bericht, der praktisch aus deren Umfeld stammt, Widersprüchlichkeiten aufgedeckt und aufgezeigt wird, wie viele Fragen noch offen sind –, wenn sich wirklich alle, die ihn gelesen haben, einig darüber sind, daß der Bericht mehr Fragen aufwirft, als er Antworten gibt, dann kann das doch nicht spurlos an Ihnen vorübergehen! Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie einfach sagen: Das interessiert mich nicht, wir mauern!

Ich frage mich, ist es Ihnen wirklich egal, wie in Österreich wesentliche Entscheidungsträger mit dem Druck eines terroristischen Regimes umgehen? Glauben Sie nicht an die Notwendigkeit, ernsthaft darüber zu diskutieren, welche Schritte man bisweilen nicht vermeiden kann, aber zu welchen man sich nicht zwingen lassen darf?

Herr Kollege Mock! Wie haben Sie, als nach dem "Mykonos"-Urteil die Diskussion in Österreich begonnen hat, argumentiert? Sie haben bestritten, daß der Iran Druck ausgeübt hat! In einer APA-Meldung vom 16. April – ich kann mich auf nichts anderes berufen – haben Sie es zunächst als wörtlich "absolut falsch" bezeichnet, daß Druck ausgeübt worden sei. Das war am 16. April! Nachdem Botschafter Schmid – es wurde schon einmal gesagt, er ist bei einer anderen Partei politisch engagiert, aber ich glaube nicht, daß Sie ihm Befangenheit unterstellen werden; Sie werden mir recht geben, daß er ein korrekter Mann ist – eine anderslautende Äußerung gemacht hat, haben Sie gesagt, das sei schon wahr. Als Sie über diesen Sachverhalt informiert


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worden seien, nämlich, daß es Druck seitens des Iran gegeben habe, hätten Sie, wie die Aktenlage zeige, keine Weisung erteilt, sondern die Nichtweitergabe dieser Information an die mit diesem Fall befaßten Sicherheits- und Justizbehörden veranlaßt und die dafür erwähnten Motive zur Kenntnis genommen.

Zuerst sagen Sie also, es sei alles absolut falsch. Beim nächsten Scheibchen verkünden Sie, Sie hätten es eben zur Kenntnis genommen. Noch später, nämlich am 22. April, geben Sie zu, daß auch Ihr damaliger Generalsekretär Klestil informiert war. Das heißt: Erst bestreiten Sie alles, und scheibchenweise, nach jeder einzelnen Aussage, sagen Sie: Naja, es war nicht ganz so, aber ich habe keine Weisung gegeben. – Vermutlich meinen Sie damit auch die formalisierte Weisung, die es in der öffentlichen Verwaltung ohnehin kaum gibt. Wir wissen alle, was eine Weisung und was Einflußnahme ist. Das braucht keine formalisierte Weisung zu sein!

Das sind jene Dinge, aufgrund derer ich mir denke: Es kann doch nicht wirklich eine ganze Fraktion, zwei Parteien, die die Regierung stellen, hinnehmen, daß derartige Widersprüchlichkeiten einfach zugedeckt werden, und Sie sagen, man brauche darüber nicht zu reden. Glauben Sie nicht, daß das der Reputation Österreich nach außen schadet? Glauben Sie nicht, daß es zumindest unangenehm ist, wenn auch die Zeitungen über unsere Grenzen hinaus sich mit diesem Thema befassen und ihre Zweifel an der Richtigkeit und Korrektheit der damaligen Vorgänge anmelden? Ist Ihnen als ehemaliger Außenminister die Reputation Österreichs nach außen egal? Ich verstehe überhaupt nicht, daß Sie kein anderes Argument haben als jenes, daß die Gerichte, die mit all dem nichts zu tun haben können, prüfen sollen.

Aber das ist ja noch nicht alles. Es geht auch darum, nach der Motivation hinter all diesen Vorgängen zu fragen. Ich zitiere – nicht ungern – einen Journalisten, der schreibt, man könne die Motive nur vermuten, Teheran könnte gedroht haben, Einzelheiten über die illegale Lieferung von "Noricum"-Kanonen auszubreiten.

Ist Ihnen egal, daß eine solche Vermutung im Raume stehenbleibt? Wenn Sie der Meinung sind, das sei eine Ungeheuerlichkeit (Abg. Dr. Mock: Ja!) , dann entkräften Sie es doch im richtigen Gremium, nämlich dort, wo es auch glaubwürdig ist. (Abg. Dr. Schwimmer: Wir haben 50 000 Journalisten, und jeder kann vermuten!) Es kann auch wirtschaftlicher Druck gewesen sein oder die ernsthafte Sorge darum, daß Österreicher vielleicht zu Schaden kommen könnten. All das ist durchaus möglich. (Abg. Dr. Höchtl: Das is’ a Logik!)

Außer Zweifel aber steht – und es müßte Ihnen doch zumindest an Ihrer Reputation in der Öffentlichkeit gelegen sein –, daß Sie in den Zeitungen der Unwahrheit überführt wurden, nämlich mit der Feststellung: Mocks Aussagen und Erklärungen sind falsch!

Unglaublich finde ich auch, daß sich das Parlament das gefallen läßt. Man kann zwar anführen, daß es lange her ist, daß Herr Justizminister Foregger dieses Parlament falsch informiert hat. Ich zitiere – daher ist es nicht ordnungsruffähig, wenn ich das richtig sehe –: Falsch informiert wurde das Parlament von seinem seinerzeitigen Justizminister Foregger. Er hat im Nationalrat im November 1989 behauptet, es habe keine Kontakte der Justiz mit dem Außenamt gegeben. – Das war gelogen.

Es ist wahr und verhält sich so, und das können Sie feststellen, wenn Sie sich heute diesen Bericht anschauen. Und da sagen Sie: Es kommt nichts Neues dazu? – Sie schütteln den Kopf! Ist es Ihnen Wurscht, daß der seinerzeitige Justizminister gelogen hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Schmidt! Ich erteile einen Ordnungsruf für die Behauptung, daß der Justizminister gelogen hat, denn das war jetzt kein Zitat.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): Das ist richtig. Ich nehme das zur Kenntnis. Es ging im Moment aber nicht anders. (Abg. Dr. Mock: Schämen Sie sich!) Nein, das fällt mir nicht ein! Wissen Sie, wann ich mich schämen würde? – Ich würde mich schämen, wenn ich dazu beigetragen hätte und beitrage, daß all diese Dinge nicht aufgeklärt werden! Dann würde ich mich schämen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)


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Es ist mir unerträglich, daß dieses Parlament es hinnimmt, daß ihm vor einer Woche vom Außenminister im Rahmen einer Dringlichen Anfrage gesagt wurde, daß – wie ich schon vorhin gesagt habe – gegen Sahraroodi keine Verdachtsmomente vorgelegen sind, wir dann aber einen Bericht bekommen, in dem unter den Ziffern 1 bis 8 all die in Frage kommenden Verdachtsmomente aufgelistet sind. Das beweist, daß das Innenministerium sehr wohl der Auffassung war, daß ein Haftbefehl gerechtfertigt gewesen wäre, das Justizministerium diesen jedoch nicht ausstellen wollte. (Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

Daher möchte ich jetzt wissen: Wieso wollte es ihn nicht ausstellen? Interessiert Sie denn all das nicht? Aber auch, wenn Sie all das schon nicht interessiert, halte ich es dennoch für unverantwortlich, daß Sie es zulassen, daß der amtierende Bundespräsident unter Verdacht steht, nämlich unter dem Verdacht ... (Abg. Schwarzenberger: Sie haben gegen ihn verloren! Das könnte späte Rache sein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Jetzt bringen Sie schon wieder dieses lächerliche Argument, das kann ich wirklich nicht ernst nehmen! Denn dann steht der Bundespräsident unter dem Verdacht, entweder den Druck, den der Iran ausgeübt hat, weitergegeben oder aber die Bevölkerung falsch informiert zu haben, indem er gesagt hat: So hat sich all das nicht zugetragen.

Ich bin der Auffassung, daß es deswegen wichtig ist, daß das geklärt wird, denn wenn er den Druck weitergegeben hat, dann ist es wichtig, zu wissen: Wie geht ein Bundespräsident mit dem Druck, der aus dem Ausland kommt, um? – Das zu wissen, wäre wichtig! Das ist für jede Entscheidung wichtig! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Das ist schmutzig!)

Wenn das nicht der Fall ist, dann wäre mir das mehr als recht. Ich möchte, daß an der Spitze des Staates ein Bundespräsident steht, von dem ich sicher sein kann, daß er keinem Druck nachgibt. Daher liegt es auch in meinem Interesse, daß das geklärt wird. Und ich möchte mich bei einem Bundespräsidenten auch darauf verlassen können, daß er der Bevölkerung auch dann die Wahrheit sagt, wenn er selbst von etwas Unangenehmem betroffen sein sollte. Das zu klären und diese Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, ist einzig Sache eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Geben Sie ihm diese Chance! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Anschober. Seine Redezeit und die der folgenden Redner beträgt, wie bekannt, 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter Anschober.

21.33

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schließe dort an, wo Frau Dr. Schmidt aufgehört hat, nämlich bei ihren Überlegungen betreffend den Bundespräsidenten. Ich bin bei meinem ersten Redebeitrag nicht mehr ganz dazugekommen, das zu sagen, aber die Debatten betreffend Einsetzung von Untersuchungsausschüssen haben den positiven Aspekt, daß man manchmal auch zwei- oder dreimal zu Wort kommt, wenn mehrere Anträge gestellt werden.

Der Herr Bundespräsident hat am 21. April via APA verlauten lassen, daß in der Zeit, als er Generalsekretär war, keine Interventionen seitens des Iran erfolgt sind, und daß er als Generalsekretär des Außenministeriums seinerseits keine Veranlassung getroffen hat. – Schauen wir uns jetzt aber an, was das Außenministerium im Bericht zu dieser Frage sagt. "5. 12. 1989: Vorsprache des iranischen Botschafters am späten Nachmittag beim Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten." Es wurde nun im Plenum die Frage gestellt – dafür, daß ich das sage, Herr Präsident, bekomme ich hoffentlich keinen Ordnungsruf! –: Er wird doch nicht gelogen haben?

Es geht weiter: Der geplante Besuch einer österreichischen Wirtschaftsdelegation wird bei diesem Gespräch durch die iranische Seite abgesagt. – Das ist eine Sprache, die wahrscheinlich auch der damalige Wirtschaftsminister Schüssel schon verstanden hat! – Generalsekretär Klestil informiert Bundesminister Löschnak über den Inhalt dieser Vorsprache, der ihm mitteilt,


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er habe ohnehin schon angeordnet, daß die Observierung der iranischen Botschaft auf ein "notwendiges Maß" reduziert wird. Generaldirektor Danzinger bestätigt kurz darauf, daß Weisung ergangen sei, die Botschaftsbewachung zu reduzieren. Wenige Tage später konnte Bozorgian aufgrund dieser reduzierten Botschaftsbewachung entfliehen. Das ist ein ganz, ganz, ganz wesentlicher Punkt!

Betrachten Sie das im Lichte dessen, daß der Bundespräsident dieses Staates am 21. April mitteilt, daß keine Interventionen der Iraner beim Generalsekretär erfolgt sind und daß er als Generalsekretär seinerseits keine Veranlassung getroffen hat, während in einem Bericht des Außenministeriums jetzt dokumentiert ist, daß es in der Schlüsselphase am 5. 12. eine Intervention des iranischen Botschafters bei ihm gegeben hat. (Abg. Dr. Puttinger: In der Dokumentation steht nichts von einer Intervention, sondern nur von einem Besuch!)

In diesem Bericht ist weiters zu lesen, daß gedroht und angekündigt wurde, daß die Wirtschaftsdelegation abgesagt wird und die Österreicher mit ihren Geschäften zu Hause bleiben können, daß daraufhin der gleiche Bundespräsident, der damalige Generalsekretär, den Innenminister informiert und dieser in der Weise reagiert hat, daß er antwortete: Eine Reduktion der Observierung der Botschaft läuft ohnedies schon. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Grünen und der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Das ist keine Kleinigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren von der ÖVP! Deshalb verstehe ich auch immer besser, warum der ÖVP-Parteichef immer mehr zur Zentralfigur bei der aktuellen Vertuschung wird, warum Dr. Schüssel immer mehr zum Fadenzieher in dieser Angelegenheit wird. (Abg. Dr. Maitz: Das ist eine Märchenstunde!) Denn er ist das einzige derzeitige Regierungsmitglied, das damals schon in der Regierung war. Zweitens ist er derjenige, der seine Fraktion via Khol fest im Griff hat und hier in diesem Haus die Untersuchung blockieren kann. Und daß Abtauschgeschäfte – siehe Kontrollbank oder Kurden-Morde – noch funktionieren, wird uns seit mehreren Wochen in diesem Haus demonstriert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich will dieser Vizekanzler sowohl Dr. Mock als auch Dr. Klestil schützen, keine Frage! Sie lassen die Tatsache, daß es in 17 Fällen unwahre Informationen an das Parlament gegangen sind, und den dringenden Verdacht, der im Raum steht, daß der Bundespräsident noch vor drei Wochen die Unwahrheit gesagt hat, völlig ungerührt an sich abprallen. (Abg. Schwarzenberger: Anschober hat mindestens schon 17 Mal in diesem Parlament die Unwahrheit gesagt! – Abg. Dr. Maitz: Die Märchenstunde beginnt erst um Mitternacht!)

Zum Schluß sage ich Ihnen, was Sie damit anrichten, wobei ich hoffe, daß Sie diese Berichte wirklich bereits gelesen haben und Ihnen das bewußt ist. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, daß das der Fall ist. Wenn Sie sie jedoch gelesen haben, dann machen Sie sich ganz klar bewußt: Die Abgeordneten von ÖVP und SPÖ, die die Untersuchung blockieren und verhindern, machen sich zu den Unterstützern der Vertuschung: Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Sie wie bei "Lucona" und bei "Noricum" – ist es das siebente Mal oder das fünfzehnte Mal? – nachgeben werden. Schade ist nur, daß die Glaubwürdigkeit dieser Regierung und die Glaubwürdigkeit dieser Republik in der Zwischenzeit enormen Schaden nimmt. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

21.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

21.38

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sehr geehrte Kollegen von SPÖ und ÖVP, stellen Sie sich einmal vor, was jene Leute, die Sie ins Parlament entsandt haben, also Ihre Wähler, sagen, wenn sie diese Diskussion hören und sehen, wie Sie einen solchen Untersuchungsausschuß abblocken! – Ich kann Ihnen sagen, was die Leute sagen werden: Sie werden sagen: Die Roten und die Schwarzen haben Dreck am Stecken, denn sonst würden sie ja zustimmen, daß parlamentarisch untersucht wird, was da passiert ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Maitz:


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Ihr wollt ein Politspektakel!) Nein, wir wollen kein Politspektakel, sondern Sie hätten Gelegenheit, wenn Sie wirklich keinen Dreck am Stecken haben ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! So geht es nicht!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Herr Präsident! Es wird doch wohl erlaubt sein, mit der Redewendung "Dreck am Stecken haben" hier ein Sprichwort zu zitieren!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Solche Sprichwörter verletzen die Würde des Hauses, und um diese zu schützen, ist die Geschäftsordnung da! Ich weiß nicht, in welchen Kreisen solche Sprichwörter üblich sind!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Ich bin natürlich auch öfters in Wirtshäusern, und dort höre ich eben solche Ausdrücke, Herr Präsident! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben wahrscheinlich schon den Kontakt zur Basis verloren, denn sonst würden Sie wahrscheinlich auch andere Entscheidungen hier im Parlament treffen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist ja alles so lächerlich, das ist geradezu ein Witz: Sie regen sich künstlich auf! Auf der einen Seite blocken Sie, und zwar ganz vehement, dort ab, wo es darum geht, parlamentarische Kontrollrechte auszuüben und zu überprüfen, wo es wirklich Mißstände gibt. Wenn dann aber im Zusammenhang mit solchen Dingen ein Ausdruck gebraucht wird, der durchaus üblich ist, steigen Sie auf die Barrikaden! Das ist Ihre Art von politischer Tätigkeit, und das ist wirklich blamabel! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

Ihre "Argumente", daß es nichts Neues gibt und so weiter, sind lächerlich, wenn man sich diesen Bericht anschaut. Ich empfehle Ihnen wirklich, sich diesen Bericht anzuschauen! Anhand dieses Berichts können Sie nämlich feststellen, daß das Bundesministerium für Justiz wortreich zu vernebeln versucht, warum kein Haftbefehl erlassen worden ist. Da wird zum Beispiel vom Leitenden Staatsanwalt Olscher versucht, die Schuld dem Untersuchungsrichter zu geben. Er sagt: Ein Haftbefehl ist eine Ermessensentscheidung. – Tatsächlich ist aber nicht einmal ein Strafverfahren eingeleitet worden! Der Untersuchungsrichter hat also nicht einmal eine rechtliche Grundlage, einen Haftbefehl zu erlassen. Das Gericht hat aber auch nicht zu beurteilen, warum kein Haftbefehl erlassen wird. Es ist vielmehr eine Frage der politischen Verantwortlichkeit, daß kein Antrag auf Erlassung eines Haftbefehles gestellt worden ist. Herr Kollege Fuhrmann! Auf Seite 47 des Berichtes können Sie das nachlesen!

Sie sehen in diesem Bericht, daß es eine Panne nach der anderen gegeben hat. Daher muß aufgeklärt werden, wer für diese Pannen verantwortlich ist: In welchem Ressort sind diese Pannen wirklich passiert? In welcher Instanz ist es zu diesen Pannen gekommen? Welcher Personenkreis hat diese Pannen verursacht, und wer ist verantwortlich dafür? – Das hat aber, wie gesagt, nicht das Gericht zu überprüfen, sondern parlamentarische Gremien.

Es gilt auch festzustellen, welche Absprachen getroffen worden sind. Es müßte Sie doch ebenso wie uns interessieren, was zwischen den Ministern alles besprochen wurde, warum schließlich und endlich den Terroristen die Hand gereicht wurde, damit sie aus Österreich fliehen können, warum sich Österreich zum Schützer von Staatsterroristen gemacht hat. Das sind doch wirklich Fragen, die uns Parlamentarier interessieren müßten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Anschober hat schon festgestellt, daß in jedem anderen Land sofort ein Untersuchungsausschuß eingesetzt worden wäre. In diesem Fall gebe ich ihm ausnahmsweise recht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es in irgendeinem anderen demokratischen Land eine derart erbärmliche Diskussion wie bei uns in Österreich gibt. Es ist erniedrigend und peinlich, wie die Opposition feilschen muß, damit sie endlich ihre Kontrollrechte ausüben darf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen noch folgendes sagen: Die Opposition will nicht populistisch Material sammeln, wie Herr Kollege Zweytick hier behauptet hat. Denn in einer so heiklen Sache geht es nicht um Populismus. Wir wollen, daß in dieser Sache, in welcher es um Menschenleben und um das Ansehen Österreichs geht, streng kontrolliert wird. Und wenn Sie nichts zu verbergen


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haben, dann stimmen Sie doch endlich der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu! Wir werden jedenfalls nicht nachlassen und diesen Antrag immer wieder stellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

21.44

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es sind schon viele Argumente gebracht worden, warum es notwendig ist, hier im Parlament einen Untersuchungsausschuß einzurichten. Meine Damen und Herren! Wenn Sie diesen Bericht gelesen haben, dann werden Sie wirklich zu dem Ergebnis kommen, daß ein derartiger Untersuchungsausschuß wichtiger denn je ist. Wir meinen: Jetzt erst recht, denn wenn ein diesbezüglicher Bericht dem Parlament vorgelegt wird, ist es notwendig, die politischen Hintergründe zu beleuchten und die Verantwortlichkeiten als solche festzustellen.

Meine Damen und Herren! Wir wollen kein Politspektakel, sondern wir wollen nur ... (Abg. Schwarzenberger: No na! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das war ein Zwischenruf von Ihnen! Wir wollen nur, daß die Reputation dieses Landes wiederhergestellt wird, weil das Ansehen des Landes durch das Nichtagieren der betroffenen Ministerien schwer geschädigt worden ist. (Abg. Schwarzenberger: Moser will kein Politspektakel, aber Heide Schmidt will eines!)

Meine Damen und Herren! Wir wollen, daß der Rechtstaatlichkeit zum Durchbruch verholfen wird, denn das sind wir unserem Land schuldig!

Herr Kollege Löschnak! Ich komme auf die jeweiligen Teilberichte zu sprechen, die hier vorgelegt wurden. Sie schneiden mit Ihrem Ministerium gut beziehungsweise ausgezeichnet ab. Ihnen kann man hinsichtlich der politischen Verantwortlichkeit nichts nachsagen. Aber vergleichen Sie bitte die Berichte der einzelnen Ministerien miteinander! Vergleichen Sie den Bericht des Innenministeriums mit dem des Justizministeriums oder dem des Außenministeriums!

Meine Damen und Herren! Der Bericht des Außenministeriums ist ein Skandal! In diesem Bericht des Außenministeriums wird auf die tatsächlichen Probleme nicht eingegangen, die im Bericht des Innenministeriums hingegen sehr wohl angeführt wurden und in welchem die Zusammenhänge sehr wohl dargestellt und erläutert werden. – Darauf komme ich dann noch zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Es geht ja um die Aufklärung der Sachverhalte und um die Aufklärung der politischen Verantwortung. Es geht um die Aufklärung dessen, was die verantwortlichen Minister gemacht beziehungsweise nicht gemacht haben. Man kann nicht einfach sagen: Mein Beamter, der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, wird schon über alles informiert gewesen sein, er war immerhin der zweithöchste Mann, also der höchste Mann nach dem Bundesminister, daher wird er sicherlich entsprechende Maßnahmen gesetzt haben, weil der Minister nicht auf alles warten kann. – Ich zitiere hiemit eine Aussage, die Minister Mock der APA gegenüber vor kurzem gemacht hat, aus dem Gedächtnis.

Meine Damen und Herren! Es geht in diesem Fall wirklich darum, aufzuklären, was in den einzelnen Ministerien geschehen ist. Und man muß mit großem Bedauern festhalten und feststellen, daß das Außenministerium die politische Drehscheibe dieses Skandals war und eben entsprechende Verantwortung für diese Vorfälle hat. Daher wollen wir, daß diese Hintergründe aufgeklärt werden.

Meine Damen und Herren! Die politische Verantwortung kann nur das Parlament aufklären. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ersuchen: Bitte informieren Sie sich bei Ihrem Kollegen Michalek, der selbst erklärt hat, daß die Justiz die politische Verantwortung nicht klären kann, daß dies eine Angelegenheit des Parlaments ist! Was die Staatsanwaltschaft und unabhängige Gerichte machen, ist die eine Seite. – In diesem Fall geht es jedoch um die politische Verantwortung der einzelnen Ministerien, und daher ist das Sache des Parlaments. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Meine Damen und Herren! Ich appelliere an Sie, Ihrer Verantwortung als Abgeordnete und Parlamentarier entsprechend nachzukommen, vor allem auch Ihrer in der Verfassung verankerten Verpflichtung nachzukommen, daß wir Parlamentarier die Kontrolle der Vollziehung wahrzunehmen haben. Dies ist eine Angelegenheit der Vollziehung, daher liegt die Kontrolle in unseren Händen, und daher ist dieser parlamentarische Untersuchungsausschuß auch notwendig.

Herr Kollege Leikam! Ich verstehe nicht, warum wir auf die Justiz warten müssen. Ich kann das gar nicht mehr hören! Warum weist du auf "NEWS" hin und sagst, wir benutzen diese Argumente? Lies doch bitte den Bericht durch! Aufgrund deiner Ausführungen hier gehe ich nämlich davon aus, daß du diesen Bericht noch nicht gelesen hast. Denn wenn man den Bericht gelesen hätte, müßte man zu dem Ergebnis kommen, daß es notwendig ist, hier Klarheit zu schaffen. (Zwischenruf des Abg. Leikam. )

Ich habe nicht mehr sehr viel Zeit, ich mache nur einige ganz kurze Hinweise, beispielsweise auf die Tatsache, daß bereits nach einem Tag Fakten der Polizei bekannt waren, die dazu geführt haben, daß ein entsprechender Haftbefehl beantragt wurde. Lesen Sie sich das Ganze durch! Dann kommen Sie zum Ergebnis, daß wir eine Überprüfung der politischen Verantwortung durchführen müssen!

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich appelliere an Sie, daß Sie Ihrer Aufgabe als Abgeordnete und Parlamentarier gerecht werden! Stimmen Sie unseren Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu! Denn wenn Sie diese ablehnen, erweisen Sie unserem Land und dem Parlament einen Bärendienst! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist auch diese Debatte geschlossen. – Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen!

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu dem Thema, das Gegenstand dieser Debatte war.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag Schmidt auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag hat nicht die Mehrheit gefunden, er ist daher abgelehnt.

*****

Als nächstes gelangen wir zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler, Dr. Krüger und Kollegen betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR.

Der Antrag liegt schriftlich vor, ist allen Mitgliedern zugegangen und bedarf daher keiner Verlesung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

"Zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang

mit der Besetzung von Vorstandsfunktionen bei Banken, die im Einflußbereich der öffentlichen Hand stehen,

mit politischen Einflußnahmen auf die Geschäftstätigkeit dieser Banken,

mit der Gebarung der OeKB hinsichtlich der Exportfinanzierung beziehungsweise den Exportgarantien und


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mit Preisabsprachen der wichtigsten österreichischen Geschäftsbanken

wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ : 5 ÖVP : 4 FPÖ : 1 Liberale : 1 Grüne besteht."

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 2 iVm 57a und b GOG-NR die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Begründung erhält Herr Abgeordneter Stadler das Wort. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

21.51

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich zunächst einleitend etwas Generelles zu diesen Untersuchungsausschüssen und zur Behandlung durch die Mehrheitsfraktionen – oder soll ich "Einheitspartei der Koalition" sagen? – im Parlament anmerken.

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! So einfach wie in der Vordebatte können Sie es sich in der Frage des Bundespräsidenten nicht machen! Der Bundespräsident wird massiver Fehler während seiner Tätigkeit als Generalsekretär des Außenministeriums beschuldigt – und Sie tun so, als ob all das kein Thema für die Öffentlichkeit wäre!

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Wenn Sie sich dessen bewußt sind, dann sollten Sie nicht, wie unlängst geschehen, mit einem Begleitschreiben vom 5. Mai 1997 Ihres Obmannes Schüssel an die Mitglieder der Österreichischen Volkspartei – "Liebe Mitglieder der Österreichischen Volkspartei!" – die Frage richten – ich darf die Frage 5 zitieren –: "Sind Sie bereit, Bundespräsident Dr. Thomas Klestil im nächsten Jahr aktiv bei einer Wiederkandidatur zum Amt des Bundespräsidenten zu unterstützen: ja/nein?"

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Wenn Sie jetzt schon intern abtesten, wie Ihr Bundespräsident als möglicher Kandidat liegt, dann kann Ihnen doch nicht egal sein, was Fraktionen dieses Hauses über Berichte durchaus seriöser Medien über diesen Bundespräsidenten in seiner Zeit als Generalsekretär sagen!

Besonders amüsant ist Frage 7 dieses Fragebogens, welche heißt: "Welche der folgenden Themen interessieren Sie besonders? Worüber hätten Sie gerne Informationen?" Dann kommt noch eine Frage 8: "Sicherheit/Justiz" und eine Frage 12: "Außenpolitik". – Meine Damen und Herren! Ich möchte – wenn Sie gestatten – diese beiden Fragen ausdrücklich ankreuzen und ergänzen: "Untersuchungsausschüsse über Kurden-Mord und Praschak-Selbstmord." (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn auch diese Fragen aufgenommen werden, würde ich Sie ersuchen, mir auch einen solchen Fragebogen zu schicken, und ich schicke Ihnen dann die Beantwortung dieser Fragen durch meine Fraktion zu!

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Sie gehen mit dem parlamentarischen Untersuchungsinstrument, das eines der wichtigsten im Zusammenhang mit den Kontrollaufgaben eines Parlamentes ist, in einer mit einer parlamentarischen Demokratie unvereinbaren Art und Weise um! Und das wird Konsequenzen haben! Die Minderheitsfraktionen dieses Hauses werden sich das nicht kommentarlos gefallen lassen! Denn die österreichische Öffentlichkeit wird die Auffassung vom Umgang mit dem wichtigsten parlamentarischen Untersuchungsinstrument, dem Untersuchungsausschuß, welche Sie derzeit pflegen, nicht tolerieren! Und so wird es sich auch im Falle des Selbstmordes von Direktor Praschak verhalten!

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die österreichische Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu wissen, was Herr Direktor Praschak vor seinem dramatischen Ende damit gemeint hat, als er geschrieben hat, daß Scholten ihm angedroht habe, es werde "Zoff" geben. Die österreichische Öffentlichkeit darf und muß wissen, was mit "Zoff" gemeint war. Warum war Herr Direktor


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74. Sitzung / Seite 192

Praschak ein "Sicherheitsrisiko"? Wie kommt ein ehemaliger Minister dazu, dem Direktor einer Bank, die für die Republik Haftungen in Milliardenhöhe übernimmt, zu sagen, er sei ein "Sicherheitsrisiko" geworden? Welche "politische Karte" meinte Herr Exminister Scholten, als er Herrn Direktor Praschak drohte, man werde die "politische Karte spielen", wenn er nicht gefügig sei?

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Können Sie mir beziehungsweise nicht nur mir, sondern dem Parlament und der österreichischen Öffentlichkeit das aufklären? Denn die österreichische Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, was damit gemeint ist. Sie hat ein Recht darauf, zu erfahren, was hinter den behaupteten Zinsabsprachen steckt, von denen Herr Dr. Praschak sehr ausführlich schreibt. Was steckt dahinter, wenn er behauptet, daß es zwischen den großen Banken Österreichs Zinsabsprachen gibt, und zwar zu Lasten jener kleinen Leute, die zu vertreten Sie offensichtlich vergessen haben, nämlich zu Lasten der zahllosen Kreditnehmer in Österreich und auch zu Lasten der Sparer?

Meine Damen und Herren! Das geht zu Lasten jener Leute, denen über die Regierung sowieso schon massiv schon in die Taschen gegriffen wird: durch Kürzung von Transferleistungen, durch die kalte Progression bei der Lohnsteuer, durch die Streichung von Zuschlägen für die Sonntagsarbeit und so weiter und so fort. Und jetzt schauen Sie noch zu, wie ein Direktor einer renommierten Bank, der noch wenige Tage vor seinem Selbstmord für weitere Positionen in der österreichischen Bankenlandschaft in Frage kam, erklärt, daß es "Zinsabsprachen" unter den großen österreichischen Banken gibt.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das ist Thema für einen Untersuchungsausschuß. Das hat die österreichische Öffentlichkeit massiv zu interessieren, und wir Abgeordnete haben die Pflicht, uns dafür zu interessieren und diese Dinge aufzuklären! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn es werden da schwerwiegende Behauptungen in den Raum gestellt, die wesentlich weiterreichende Konsequenzen haben als etwa die Behauptungen, die in Richtung des amtierenden Bundespräsidenten aufgestellt werden.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wie schaut es aus mit der Behauptung, daß es den Versuch einer Steuerhinterziehung zu Lasten des österreichischen Steuerzahlers gegeben habe? Wer hat hier was initiiert? Wer hat im letzten Augenblick diese Steuerhinterziehungsversuche gestoppt? Und welche waren die Konsequenzen für den Betroffenen daraus? – Wie sich gezeigt hat, sind die Konsequenzen durchaus brutal und erbarmungslos und gehen bis zur physischen Vernichtung!

Meine Damen und Herren! Welche Zusammenhänge gab es mit Hotelfinanzierungen im Osten unseres Kontinentes, die über die Kontrollbank besichert wurden? Gibt es etwa einen Hinweis darauf, daß die Verläßlichkeit des Herrn Dr. Praschak für die Sozialdemokraten nicht mehr gewährleistet war und er daher ein Sicherheitsrisiko für einen der prominentesten Sozialdemokraten, nämlich für den mittlerweile übermächtig gewordenen – auch der SPÖ zu mächtig gewordenen! – Bankdirektor Randa geworden war, meine Damen und Herren? Wieso ist Herr Praschak für Herrn Randa zum Sicherheitsrisiko geworden? Gibt es einen Zusammenhang zwischen den auch über die Bank Austria finanzierten Hotelprojekten und anderen Finanzierungen, die im Osten vorgenommen wurden, und Praschaks Selbstmord?

Meine Damen und Herren! Letztlich würde mich ganz besonders – ich sage das auch in Richtung Sozialdemokratie – interessieren, welche Umstände im Zusammenhang mit dem Tatort weiters aufzuklären wären. Woher stammt die Waffe, mit der sich Herr Dr. Praschak erschossen hat? Wem gehört diese Waffe? Herrn Dr. Praschak gehörte sie nicht! Herr Dr. Praschak hat Waffen verabscheut! Er wollte keine Waffen haben. Stimmt es, was kolportiert wird, daß ein hochrangiger Arbeitnehmervertreter und Sozialdemokrat Eigentümer der Waffe war, mit der sich Herr Praschak erschossen hat? Ist es richtig, daß ausgerechnet dieser Sozialdemokrat am Tatort aufgetaucht ist, und zwar bevor die Polizei dort aufgetaucht ist, meine Damen und Herren?

Diese Fragen stellt sich die österreichische Öffentlichkeit, und diese Umstände harren ihrer Aufklärung, und diese Aufgabe ist durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß wahrzunehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Glauben Sie mir: Sie werden diese Dinge aufklären müssen, und zwar wahrscheinlich noch viel schneller als die Kurden-Morde, welche schon sehr, sehr weit zurückliegen und daher die Medien, die breite Öffentlichkeit der österreichischen Bevölkerung nicht mehr so bewegen wie der Selbstmord von Praschak! (Abg. Parnigoni: Sicherlich nicht!) In diesem Fall kommt nämlich der Steuerzahler letztlich zum Handkuß! Denn es wurde behauptet, daß es Zinsabsprachen gab und der Versuch gestartet wurde, zu Lasten des österreichischen Steuerzahlers Steuern zu hinterziehen. Außerdem war offensichtlich eine Waffe im Spiel, die einem hochrangigen Funktionär Ihrer Partei gehörte, meine Damen und Herren von der SPÖ! Das werden Sie aufklären müssen!

Es handelt sich hiebei überdies um einen prominenten Sozialisten, der Platz machen mußte für einen sozialistischen Minister, der – zugegebenermaßen – erst Sozialist wurde, als er Minister wurde. Das ist ja die neue "Genossenschaft"! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Erst als er Minister war, hat er sich bemüßigt gefühlt, auch der SPÖ beizutreten. – Aber das ist ein Problem der SPÖ!

Sie werden diese Dinge aufklären müssen. Da werden Sie nicht umhin können! Gauben Sie mir! In der Sache Praschak ist das letzte Wort mit Sicherheit, und zwar mit absoluter Sicherheit, noch nicht gesprochen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Seine Redezeit beträgt, wie die aller anderen ab jetzt, 5 Minuten. – Bitte.

22.00

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kenne die Oesterreichische Kontrollbank, ihre Aufgaben und Arbeitsweise schon seit vielen Jahren, und ich glaube nicht, daß ein Untersuchungsausschuß da besonderes zutage bringen würde.

Die Zinsabsprachen waren ohnehin mehr oder minder offiziell bekannt, sie wurden sozusagen in den Zeitungen gedruckt. Das nannte sich "ordnungspolitische Maßnahmen" und war nichts anderes als ein Kartell. (Abg. Ing. Reichhold: So wie in der Bauwirtschaft!) Würden wir das in der Bauwirtschaft machen, dann wäre das ein strafbarer Tatbestand. Sie werden das nicht wissen, aber ich schon.

Für die Banken war das also erlaubt und hieß, wie gesagt, "ordnungspolitische Maßnahmen". Ich glaube, auch da werden wir durch einen Untersuchungsausschuß keine neuen Erkenntnisse bekommen können.

Wenn wir Liberalen diesem Antrag trotzdem zustimmen, dann deshalb, weil es uns wichtig erscheint, anläßlich dieses tragischen Freitods eines führenden Funktionärs, der gerade in diesem Graubereich zwischen Staat und Wirtschaft agiert hat, der auf die gleiche Art bestellt wurde, wie wir das bei anderer Gelegenheit heute schon diskutiert haben, diesen nach meinem Dafürhalten dringend änderungsbedürftigen Mittelteil zwischen staatlicher Verantwortlichkeit und wirtschaftlicher Macht unter die Lupe zu nehmen und zu untersuchen, ob die Politik tatsächlich Macht und Druck ausgeübt hat, oder ob die vom Herrn Bundeskanzler immer wieder behauptete Zurückhaltung – wir haben nicht, und ich habe nicht, und ich werde nicht – auch den Tatsachen entspricht.

Mit einem solchen Untersuchungsausschuß könnten wir meiner Ansicht nach zumindest klarstellen, daß in diesem Bereich und in der jüngsten Vergangenheit eine unliebsame Einflußnahme nicht erfolgt ist. Es wäre daher für die Zukunft glaubhafter, und glaubhafter wären die Beteuerungen des Bundeskanzlers mit seinen fünf neuen Vorschlägen für die Besetzung führender Wirtschaftspositionen, würde diese Angelegenheit zuvor durch einen Untersuchungsausschuß geklärt.

Wenn das nicht geschieht, wird immer ein (Abg. Mag. Stadler: Schaler Beigeschmack!) schaler Beigeschmack, ein Geruch bleiben, und man könnte immer sagen: Naja, wirklich aufgeklärt ist


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es nicht! Ich glaube, wir könnten uns dazu verpflichtet fühlen, dem Vermächtnis des Herrn Praschak Rechnung zu tragen – auch Sie, Herr Kollege. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dr. Schwimmer: Wir könnten auch über Goldeck einen Untersuchungsausschuß machen!) Ja, wenn Sie einen wollen!

22.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

22.04

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich gerade eben, bevor ich mich hier zum Rednerpult begeben habe, vergewissert, ob es tatsächlich stimmt, daß zu diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kein einziger Vertreter der Regierungsparteien spricht. Das ist ein absolutes Novum!

Bisher war es so, daß bei einer Debatte über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von den Regierungsparteien zumindest der Versuch unternommen wurde, eine ablehnende Haltung zu erklären. (Zwischenrufe bei SPÖ und der ÖVP.) Jetzt unternehmen Sie nicht einmal mehr diesen Versuch! Oder ist Ihr Schweigen – Ihr beredtes Schweigen, möchte ich hier sagen – als Zustimmung zu den Vorwürfen, die die Opposition gegen Sie erhebt, zu werten? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin durchaus einer Meinung mit Ihnen, wenn Sie sagen, ein Selbstmord, der aus Gründen, die im privaten Bereich liegen, verübt wird, darf politisch nicht verwertet werden – überhaupt keine Frage. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Im vorliegenden Fall – und das wissen Sie sehr gut – geht es aber, wie derjenige, der durch den Freitod aus dem Leben geschieden ist, ausreichend dokumentiert hat, um einen Selbstmord, und zwar um einen Selbstmord aus politischen Gründen! Gerhard Praschak hat, wie wir wissen, der Opposition, insbesondere der FPÖ, und auch den Medien ein Vermächtnis hinterlassen, da er – zur Marionette geworden – naturgemäß kein Vertrauen mehr zu jener Partei hatte, die ihn einst förderte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genau das ist der Grund, warum wir in der Affäre Praschak nicht locker lassen. Es ist tatsächlich so, wie kürzlich ein Kommentator, wenngleich in einem anderen Sinn, sagte, er sieht eine Zeitenwende, ein Österreich vor dem tragischen Freitod des Gerhard Praschak und ein Österreich nach dem Freitod von Gerhard Praschak.

Zu untersuchen ist – das wurde bereits gesagt – der Bestellungsvorgang, der politische Druck, der ausgeübt wurde und den ein Strafgericht nicht aufklären kann. Das wurde bereits an anderer Stelle vollkommen richtig argumentiert. Politisch zu untersuchen ist etwas anderes, als strafrechtlich zu untersuchen. Laufen die Bestellungsvorgänge in den verstaatlichten Banken tatsächlich so ab, wie es Exminister Scholten behauptete, als er meinte, in London, in New York, in anderen Bankplätzen in dieser Welt sei die "Performance" maßgeblich, hierzulande gehe es um den politischen Einfluß, und im Extremfall werde die "politische Karte" gespielt, dann gebe es "Zoff".

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen aus den persönlichen Aufzeichnungen des Herrn Praschak, daß das keine krause Verschwörungstheorie ist, sondern daß es ein persönliches Erlebnis eines Menschen ist, der keinen Ausweg mehr gefunden hat. Jeder Selbstmordforscher wird Ihnen bestätigen, daß das, was jemand, der Selbstmord verübt, an Erlebtem in seinem letzten Willen hinterläßt, seinem Empfinden entspricht, und ein solches Empfinden kann es nur geben, wenn dieser Druck tatsächlich ausgeübt wurde.

Wir haben schon einmal gesagt – und mußten es auch politisch zur Kenntnis nehmen –, daß sich unter dem Seidenhandschuh des Schöngeistes Scholten eine eiserne Faust verbirgt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

Wenn nun Scholten im heutigen "NEWS" behauptet, ein Mandatsverzicht sei gar nicht möglich und er dürfe die Bank "nicht hängenlassen", so ist das wirklich der Gipfel! Jeder Jurist, jeder, der nur einigermaßen vernunftbegabt ist, wird bestätigen, daß ein verantwortungsvoller Aufsichtsrat


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einer einvernehmlichen sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses im Interesse der Bank, um sie aus dem politischen Gerede herauszunehmen, selbstverständlich zustimmen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): Ich komme zum Schlußsatz. Viele in dieser Republik glauben, daß die SPÖ für eine Politik verantwortlich ist, die im buchstäblichen Sinn des Wortes über Leichen geht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Parnigoni und Dr. Cap. ) Unternehmen Sie zumindest den Versuch, diesen Verdacht durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu relativieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Widerspruch der Abg. Dr. Petrovic. ) Entschuldigen Sie bitte, ich wurde mit Problemen abgelenkt, die wir aber gleich lösen werden. – Bitte, Frau Dr. Petrovic.

22.10

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird nun der zweite Antrag betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verhandelt, und es ist durch die Chronologie der Ereignisse zu einem sehr seltsamen Junktim gekommen.

Es waren etliche Mandatarinnen und Mandatare der SPÖ schon sehr nahe daran, einem Untersuchungsausschuß in Sachen politischer Verantwortung für die Kurdenmorde zuzustimmen. Dann ereignete sich der Selbstmord von Herrn Dr. Praschak. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie können in diesem Haus dazwischenrufen, was Sie wollen: Es sieht die ganze Öffentlichkeit so. (Abg. Koppler: Hören Sie mit Ihrer Öffentlichkeit auf!) Es sehen alle seriösen Medien in diesem Land so! Glauben Sie wirklich, daß Sie dadurch, daß Sie hundertmal betonen, das sei nicht so, eine Gewißheit sozusagen wegzaubern können?

Ich sage Ihnen – und ich werde darauf noch näher eingehen –: Der einzige Weg, wie Sie aus diesem merkwürdige Junktim – da Ihnen Ihr Koalitionspartner nun signalisiert, daß Sie, falls Sie dem Ausschuß betreffend Kurden-Morde, bei dem es insbesondere um die politische Verantwortung des Außenministeriums mit dem amtierenden Bundespräsidenten Klestil geht, zustimmten, als Retourkutsche den Banken-Untersuchungsausschuß bekämen – entkommen können, ist, zumindest diesem Untersuchungsausschuß zuzustimmen. (Abg. Mag. Stadler: Genau so ist es!)

Meiner Überzeugung nach sind diese Angelegenheiten sehr verschieden. Ich werde diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen, und ich denke, insbesondere die sozialdemokratische Fraktion wäre gut beraten, das gleiche zu tun. Auf andere Weise kommen Sie aus diesem Junktim, das sich letztlich hauptsächlich zu Lasten der sozialdemokratischen Regierungsfraktion auswirken wird, nicht heraus.

Ich gehe davon aus, daß in Sachen Kontrollbank und Bankenapparat vieles im argen liegt. Es wurde die Nachkriegsordnung mit einem übermächtigen Einfluß der Sozialpartner weitergeschrieben, die bei jedem Geschäft der Kontrollbank, ob nun eine Waffelmaschine oder ein schlüsselfertiges Kraftwerk exportiert werden, mitstimmen. Von der Präsidentenkonferenz über die Industriellenvereinigung bis zu den Gewerkschaften: Alle stimmen dabei mit. Das hat bitte in einem modernen Bankenapparat nichts verloren!

Das Parlament bekommt läppische Informationen, nämlich keine genauen Daten. Die Menschenrechte spielen bei diesen Geschäften keine Rolle. Das alles finde ich politisch schlecht und dringend reformbedürftig. Aber ich gehe davon aus, daß die Vollzugsorgane in diesem Bereich zwar schlechte Gesetze zu vollziehen haben, diese aber vollziehen.

Meiner Ansicht nach gibt es hier einen politischen Handlungsbedarf für bessere Gesetze, aber – auch aufgrund meiner persönlichen Wahrnehmungen in diesem Bereich – keine strafrechtliche oder über die Gesetzeslage hinausgehende politische Verantwortung.


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Deswegen kann und soll das untersucht werden. Dazu kommt der Postenschacher und, daß ein Mensch an einem System, in dem er kräftig mitgemischt hat, letztlich zerbrochen ist. Aber wenn das, was Bundeskanzler Klima in den letzten Tagen gesagt hat, ernst gemeint ist, dann sollten wir diese Untersuchung machen. Stellen wir fest, daß die Gesetze reformbedürftig sind. Reformieren wir sie, und schaffen wir für Österreich ein modernes und parteipolitisch unabhängiges Bankenwesen! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Stadler. )

Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Wenn Sie diesem Ausschußantrag nicht zustimmen, werden Sie – ohne daß ich mir wirklich Sorgen darüber mache – einen hohen Argumentationsbedarf haben, Ihrer Basis, Ihren Sektionen zu erklären, warum Sie angesichts dieser Fakten eine Präsidentschaftskandidatur Klestils unterstützen wollen. (Abg. Parnigoni: Wir werden Sie unterstützen! – Abg. Dr. Cap: Meissner-Blau!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit zu beachten!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Wenn Sie diesem Antrag nicht zustimmen, werden Sie – so unterschiedlich die Materien sind – letztlich viel größere Schwierigkeiten haben und viel stärker zur Verantwortung gezogen werden. (Beifall bei den Grünen.)

22.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist nun wirklich niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Stadler auf Einsetzung des von ihm beantragten Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohes Hauses, die dem Antrag Stadler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt . (Abg. Parnigoni: Der Haider ist auch nicht da!)

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 454/A bis 460/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2396/J bis 2428/J sowie eine Anfrage an den Präsidenten des Nationalrats eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, den 15. Mai 1997, um 9 Uhr ein.

Einwendungen gegen diese Tagesordnung werden offensichtlich keine erhoben.

Die Tagesordnung ist im Saal schriftlich verteilt worden. Die Sitzung wird mit einer Fragestunde beginnen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.17 Uhr