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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

932. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 3. November 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

932. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 3. November 2021

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 3. November 2021: 13.03 – 17.18 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich des Amtsantrittes des Bundeskanzlers und der Ernennung des Bun­desministers für europäische und internationale Angelegenheiten

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Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des Bundesrates Wolfgang Beer .         4

Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates ..................................................................         8

Angelobung der BundesrätInnen Mag. Franz Ebner, Claudia Hauschildt-Buschberger, Dipl.-Ing. Andrea Holzner, Mag. Bettina Lancaster, Johanna Miesenberger, Alexandra Platzer, MBA, Günter Pröller, Dominik Reisinger und Barbara Tausch ................................................................................................         4

Schreiben der Magistratsdirektion der Stadt Wien betreffend Mandatsverzicht eines Ersatzmitgliedes ........................................................................................................      10

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................         4

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...........      12

Vertretungsschreiben ................................................................................................      13

Ausschüsse

Zuweisung .................................................................................................................         5


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Verhandlungen

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich des Amtsantrittes des Bundeskanzlers und der Ernen­nung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten .......      13

Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. .........................................      13

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................      16

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ................      13

RednerInnen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................      20

Korinna Schumann .................................................................................................      23

Christoph Steiner ....................................................................................................      26

Marco Schreuder ....................................................................................................      29

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ...........................................................  31, 46

Bundesminister Dr. Michael Linhart .....................................................................      32

Karl Bader ................................................................................................................      34

Günter Kovacs ........................................................................................................      37

Josef Ofner ..............................................................................................................      39

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      42

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................      47

Elisabeth Grimling ..................................................................................................      49

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      50

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................      53

Stefan Schennach ...................................................................................................      56

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      59

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      62

Michael Bernard ......................................................................................................      64

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      66

Günter Pröller ..........................................................................................................      69

Sebastian Kolland ...................................................................................................      70

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlassung des Bundesministers für Inneres Karl Nehammer (MSc)“ – Ablehnung ......................................................................................  52, 72

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettung und Katastrophenhilfe im Beruf absichern!“ – Ablehnung .................................................................  59, 73

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Beantwortung von Fragen im Rahmen der Fragestunde (3930/J-BR/2021)


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Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Um­setzung der Entschließung 320/E-BR/2020 (3931/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Um­setzung der Entschließung 312/E-BR/2020 (3932/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Um­setzung der Entschließung 317/E-BR/2020 (3933/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Um­setzung der Entschließung 316/E-BR/2020 (3934/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Um­setzung der Entschließung 311/E-BR/2020 (3935/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Umsetzung der Entschließung 310/E-BR/2020 (3936/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Umsetzung der Entschließung 306/E-BR/2020 (3937/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Um­setzung der Entschließung 304/E-BR/2020 (3938/J-BR/2021)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend steigende Schul­abmeldungen in der Steiermark (3617/AB-BR/2021 zu 3905/J-BR/2021)

 


 


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13.03.51Beginn der Sitzung: 13.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Peter Raggl, Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs.

13.03.53*****


Präsident Dr. Peter Raggl: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 932. Sit­zung des Bundesrates, die aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundesrates gemäß § 40 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates für heute einberufen wurde, und wünsche allen einen schönen Nachmittag.

An dieser Stelle darf ich gleich unsere Gäste auf der Regierungsbank, unseren Bundes­kanzler Alexander Schallenberg, Vizekanzler Werner Kogler und den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Michael Linhart, herzlich im Bundesrat begrüßen. – Danke, dass Sie da sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 931. Sitzung des Bundesrates vom 21. Oktober 2021 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Für die heutige Bundesratssitzung als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bun­desrates Ingo Appé, David Egger, Andrea Kahofer, Markus Leinfellner, Günther Novak, Andrea Michaela Schartel und Markus Steinmaurer.

13.05.06 Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des Mitglieds des Bundesrates Wolfgang Beer


Präsident Dr. Peter Raggl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch immer stehen wir tief betroffen und fassungslos unter dem Eindruck der Nachricht, dass das langjährige Mitglied des Bundesrates Wolfgang Beer am Wochenende verstorben ist.

Mit dem engagierten Vorsitzenden des Landesverteidigungsausschusses, dem stellver­tretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft sowie unserem verdienten ehemaligen Schriftführer des Bundesrates – auch ich durfte mehr­mals neben unserem lieben Kollegen Beer hier am Präsidium sitzen – ist ein über alle Fraktionsgrenzen hinweg geachteter und verdienstvoller Parlamentarier von uns gegan­gen, der sich in vorbildlicher Weise für die Menschen seines Bundeslandes Wien einge­setzt hat und an den wir uns stets gerne in ehrendem Andenken und mit großem Respekt erinnern werden.

Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gelten in dieser Stunde vor allem seiner Fa­milie. Der österreichische Bundesrat gedenkt seiner.

Ich darf Sie nun ersuchen, sich zum Gedenken an Herrn Bundesrat Wolfgang Beer von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verhar­ren einige Zeit in stiller Trauer.) – Ich danke Ihnen für das Zeichen der Trauer. (Die An­wesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

13.07.00 Angelobung


Präsident Dr. Peter Raggl: Eingelangt ist ein Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates. (siehe S. 8)


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Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind – mit Ausnahme des entschuldigten Bundesrates Markus Steinmaurer – im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

13.07.40


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verlese die Gelöbnisformel für Mitglieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unver­brüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfas­sungs­gesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

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(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner leisten die BundesrätInnen Mag. Franz Ebner, Claudia Hauschildt-Buschberger, Dipl.-Ing. Andrea Holzner, Mag. Bettina Lancaster, Johanna Miesenberger, Alexandra Platzer, MBA, Günter Pröller, Dominik Reisinger und Barbara Tausch die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich begrüße die neuen beziehungsweise die wiedergewähl­ten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte – ein herzliches Will­kom­men!

13.09.57 Einlauf und Zuweisung


Präsident Dr. Peter Raggl: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeant­wortung,

des Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

sowie des eingelangten Verhandlungsgegenstandes und dessen Zuweisung im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortung

(Anlage 1) (siehe auch S. 3)

2. Schreiben des Landtages

Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates (Anlage 2)


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3. Schreiben der Magistratsdirektion

Schreiben der Magistratsdirektion der Stadt Wien betreffend Mandatsverzicht eines Er­satzmitgliedes (Anlage 3)

4. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglied­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher am 3. und 4. November 2021 in Griechenland, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat Frau Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler wahrnehmen wird (Anlage 4)

B. Zuweisung

Vorlage der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Jahresbericht 2020 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-762-BR/2021)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Dr. Peter Raggl: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerrats­diens­tes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Bundesminister für Inneres Karl Nehammer am 3. November 2021 im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Michael Linhart mit seiner Vertretung.

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Ich habe die Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates anlässlich des Amtsantrittes des neuen Bun­deskanzlers und des neuen Bundesministers für europäische und internationale Angele­genheiten auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen daher in die Tagesordnung ein.

13.11.21 1. Punkt

Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich des Amtsantrittes des Bundeskanzlers und der Ernennung des Bun­desministers für europäische und internationale Angelegenheiten


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 1. und einzigen Punkt der Tages­ordnung.

Ich begrüße nochmals den Herrn Bundeskanzler, den Herrn Vizekanzler, den Herrn Bun­desminister für europäische und internationale Angelegenheiten und alle weiteren anwe­senden Mitglieder der Bundesregierung (Bundesrat Steiner: Das sind nicht mehr als die drei!) – sofern da; es sind sonst keine da – recht herzlich bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler und vom Herrn Vizekanzler abgegebenen Erklärungen eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe einer Erklärung das Wort. – Ich bitte darum.


13.12.41

Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren Bun­desräte! Erlauben Sie mir, dass ich an dieser Stelle vor allem die neuen und wieder­gewählten Mitglieder des Bundesrates aus Oberösterreich ganz herzlich willkommen heiße. – Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit mit Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Die vergangenen Wochen waren innenpolitisch durchaus turbulent. Regieren heißt aber, Verantwortung zu übernehmen, und so überraschend diese neue Rolle als Bundes­kanzler für mich persönlich ist, so entschlossen bin ich, sie mit aller Kraft, aber auch mit dem notwendigen Respekt wahrzunehmen. Als mich Sebastian Kurz gefragt hat, ob ich


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mir vorstellen könnte, seine Nachfolge in diesem Amt anzutreten, war für mich klar, dass Zögern in dieser schwierigen Stunde einfach keine Option ist. Zu viel gibt es in unserem Land, in unserer Republik zu tun, und wir alle haben die Verantwortung, auch einen Beitrag zu leisten – im Parlament, in den Ministerien und in der Koalition.

Unsere erste Aufgabe als Bundesregierung ist und war es in den vergangenen Wochen, unsere Koalition nach dieser Krisenzeit wieder in ruhigere Gewässer zu führen, und ich denke, das gelingt uns ganz gut – Schritt für Schritt, manchmal Trippelschritt für Trippel­schritt. Die Regierung arbeitet professionell zusammen, und wir setzen konsequent, Maßnahme für Maßnahme, das Regierungsprogramm um. Mit dem präsentierten Bud­get und der Steuerreform als größtem Entlastungspaket der Zweiten Republik stellen wir sicher, dass die Arbeit in Österreich weitergeht, dass kleine und mittlere Einkommens­empfänger entlastet werden, dass Familien profitieren und dass auch all jene mehr be­kommen, die ihr Leben lang für dieses Land hart gearbeitet haben.

In der letzten Woche konnten wir zudem einen wichtigen Schritt für ein krisensicheres Österreich vorstellen. Mit dem Krisensicherheitsgesetz schaffen wir einen wahrlichen Paradigmenwechsel hin zu effektiverer Koordinierung in allen Bereichen der nationalen Sicherheit und der Krisenvorsorge.

Mit der Etablierung des Grace-Period-Gesetzes wird mit einer Schonfrist die Übergabe von Unternehmen erleichtert.

Erst heute konnten wir im Ministerrat wieder einige wichtige Projekte auf den Weg bringen. Mit dem ÖBB-Rahmenplan geht eine der größten Investitionen in den öffent­lichen Verkehr einher und wird auf Schiene gebracht. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Verbesserung der Schieneninfrastruktur, die Modernisierung der Bahnhöfe und das Vorantreiben der Elektrifizierung des Schienennetzes. Wir vereinen damit unser Ziel des Klimaschutzes und das Ziel der Stärkung der Regionen.

Mit der Bewerbung um das Europabüro des International Vaccine Institute haben wir zudem die Chance, den europäischen Amtssitz einer weiteren internationalen Organi­sation hierher nach Wien zu bringen.

In diesem Sinne wollen wir auch damit weitermachen – Maßnahme für Maßnahme, Woche für Woche –, das sehr substanzielle Regierungsprogramm, das die Basis dieser Arbeit, unserer Arbeit ist, umzusetzen.

Dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist natürlich die Bekämpfung der Co­ronapandemie weiterhin unsere wichtigste, ja vielleicht sogar unsere schwierigste Auf­gabe. Diese Woche ist die neue Regelung für 3G am Arbeitsplatz in Kraft getreten, und aufgrund der stark steigenden Zahlen hat die Bundesregierung gemeinsam mit Experten und mit den Landeshauptleuten einen Fünfstufenplan auf den Weg gebracht. Unser ge­meinsames Ziel ist klar – und ich glaube, das eint uns alle –: die Ansteckungszahlen einzudämmen und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems mit allen Mitteln zu verhindern. (Bundesrat Hübner: Das hören wir schon seit ...!)

Um etwas ganz klar zu machen: Das einzige Exitticket aus dieser Pandemie, der einzige Wellenbrecher, der uns zur Verfügung steht (Bundesrat Steiner: Ist der Rücktritt der Bundesregierung!), ist die Impfung. Deshalb werden wir als Bundesregierung unsere Aufklärungsarbeit, unsere Überzeugungsarbeit fortsetzen, damit sich noch mehr Men­schen impfen lassen, damit wir möglichst wieder vollständig zur Normalität zurückkehren können. Ich bitte dabei ausdrücklich alle Parteien um Unterstützung bei dieser sehr schwierigen Aufgabe, die vor uns steht. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Trotz der Pandemie hat der Wirtschaftsaufschwung in Österreich erfreulicherweise stärker und rascher eingesetzt, als wir das ursprünglich


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erwartet hätten. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Mit fast 5 Prozent Wirtschafts­wachstum und einer Arbeitslosigkeit auf Vorkrisenniveau müssen wir nun sicherstellen, dass dieser Aufschwung auch bei allen Menschen ankommt. Alle Menschen in Öster­reich, die arbeiten können, sollen auch arbeiten, und alle, die arbeiten, müssen auch von ihrer Arbeit leben können. Das ist ein ganz klares Bekenntnis dieser Bundesregierung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die laufende Umsetzung der ökosozialen Steuerreform ist ein wichtiger Schritt, um diese Ziele auch wirklich zu erreichen. Mit dieser Reform vereinbaren wir steuerliche Entlas­tungen mit ambitioniertem Klimaschutz und sozialer Verträglichkeit. Das ist eines der Herzstücke unserer Regierungsarbeit. Wir werden aber auch in anderen Bereichen unseren Weg der Modernisierung sehr konsequent fortsetzen: durch die im Budget verankerten Investitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Digitalisierung. Ebenso werden wir die begonnenen Reformprozesse im Bereich der Pflege sowie am Arbeitsmarkt mit aller Kraft vorantreiben. Wir wollen in einem Land leben, in dem alle, die es können, auch wirklich einen Beitrag am Arbeitsmarkt leisten und jeder Mensch auch in Würde altern kann.

Im Bereich der Migration und Integration werden wir als Österreich unseren Weg auch sehr konsequent fortsetzen. (Bundesrat Hübner: Das ist ja ...!) Wir werden einerseits in Krisensituationen großzügig vor Ort helfen, aber gleichzeitig illegale Migration nach Österreich entschieden unterbinden. (Bundesrat Steiner: Ja, das funktioniert ja tadel­los! – Bundesrat Hübner: ... in Afghanistan ...!) Unsere wichtigste Aufgabe in diesem Bereich ist, dass jene Menschen, die seit 2015 zu uns gekommen sind, unsere Sprache lernen, am Arbeitsmarkt Fuß fassen und sich auch tatsächlich in die Gesell­schaft inte­grieren können, denn nur so kann Integration auch wirklich gelingen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch außenpolitisch werden wir unseren Kurs fortsetzen. Bei der COP 26 Anfang dieser Woche in Glasgow habe ich den Standpunkt verdeutlicht, dass wir beim Klimaschutz tatsächlich vor einer globalen Aufgabe stehen. Es ist gut, wenn Europa vorangeht, und Europa ist der einzige Kontinent, der gesetzlich verankerte Klimaziele hat, aber Europa alleine wird das Weltklima nicht retten können. Es ist daher wichtig, dass wir jetzt alle anderen Regionen der Welt sehr deutlich an ihre Verantwortung erinnern, denn letztlich müssen auch sie ihren Beitrag leisten, wenn wir der Erderwärmung Einhalt gebieten wollen.

Innovation ist sicher der wichtigste Schlüssel, um die Menge der Treibhausgase nach­haltig zu senken. Dafür brauchen wir die Wirtschaft, dafür brauchen wir den Privatsektor. Wirtschaft und Klimaschutz dürfen nie ein Gegensatz sein, sie müssen Hand in Hand gehen. Der Schutz der Schöpfung und der Schutz der sozialen Sicherheit dürfen kein Widerspruch sein, im Gegenteil: Sie bedingen einander in Wirklichkeit, und das müssen wir auch immer deutlicher machen.

Es ist außerdem kein Zufall, dass meine erste Auslandsreise als Bundeskanzler mich nach Brüssel geführt hat (Bundesrat Steiner: Statt in den Bundesrat!), wo ich Arbeits­gespräche mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel und Kommis­sionspräsidentin Ursula von der Leyen geführt habe.

Bei allen Themen, die uns aktuell unter den Nägeln brennen – sei es der Klimaschutz, die Coronapandemie, Wettbewerbsfähigkeit, Migration, Außengrenzschutz –, ist Europa weiterhin der wesentliche Bezugsrahmen, der entscheidende Hebel, an dem wir anset­zen können und auch müssen. Wir werden selbstverständlich auch weiterhin unsere besondere Verantwortung für unsere Nachbarschaft, insbesondere für den Westbalkan, wahrnehmen und uns mit aller Kraft für die Umsetzung der EU-Perspektive dieser Länder einsetzen.


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Ich bin in diesem Zusammenhang sehr froh und dankbar, dass wir mit Michael Linhart einen ausgewiesenen und erfahrenen außenpolitischen Profi für das Amt des Außen­ministers gewinnen konnten. Ich kenne und schätze ihn seit vielen Jahren und ich habe größtes Vertrauen in ihn. Ich muss dir ganz persönlich danken, Michael, dass du in dieser entscheidenden Phase bereit warst, diesen Schritt zu machen und aus Paris nach Wien zurückzukehren, um das Amt des Außenministers zu übernehmen. Herzlich will­kommen im Team! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, meine Botschaft, die ich heute an Sie habe, ist klar: Meine Hand ist ausgestreckt, unsere Hand ist ausgestreckt, denn in entscheidenden Fragen unserer Zeit werden wir nur Erfolg haben, wenn wir auch wirklich bereit sind, zusammenzuarbeiten. Auch das Wiedererstarken des Vertrauens der Menschen in uns, in unser Handeln, in unsere Politik werden wir nur erreichen, wenn wir zusammenarbei­ten, wenn wir die Sacharbeit wieder ins Zentrum stellen.

Ich hatte in den vergangenen Wochen seit meinem Amtsantritt Gelegenheit, mit den Landeshauptleuten, Sozialpartnern und Vertretern der Parlamentsparteien persönlich zu sprechen, und ich werde diese Gespräche auch fortführen. Meine Tür wird auch in Zukunft offenstehen. Ich bin nach diesen Gesprächen zuversichtlich, dass es uns ge­lingen kann, in den kommenden Monaten und Jahren durchaus kritisch in der Sache, aber bitte respektvoll im Ton miteinander umzugehen und zusammenzuarbeiten, denn das werden wir, wird unser Land in diesen herausfordernden Zeiten brauchen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.22


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführun­gen und erteile dem Herrn Vizekanzler das Wort für seine Erklärung vor dem Bundesrat.


13.22.32

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Vorsitzender! Herr Bundeskanzler! Herr Außenminister! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Hohes Haus! Heute erleben wir hier – Sie wahrscheinlich noch mehr als ich –, wie Freude und Leid beieinander liegen können. Ich habe mich am Vormittag noch einmal über das Wirken Ihres Kollegen Beer kundig gemacht und kann feststellen, dass der Bundesrat mit ihm nicht nur ein lang gedientes, sondern durchaus auch wichtiges und umfänglich engagiertes Mitglied verliert. Wenn ich jetzt noch mehr Worte verlieren würde, wäre es nicht glaubwürdig, weil ich ihn ja nicht so genau kannte. Ich wollte das aber nicht unerwähnt lassen, weil ich glaube, dass die Arbeit vieler Bundesrätinnen und Bundesräte individuell durchaus oft auch gerne unter­schätzt wird. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Umgekehrt gibt es auch einen Grund, zu gratulieren, und zwar einerseits zur Wahl, aber vor allem – wie wir gerade miterlebt haben – zur Angelobung der neuen und der wie­dergewählten Bundesrätinnen und Bundesräte. – Auch dazu noch einmal Gratulation von uns!

Der nächste Dank geht in Richtung Regierungsbank – das möchte ich nicht unerwähnt lassen –, zunächst vor allem an Bundeskanzler Schallenberg. Ich möchte überhaupt nicht verhehlen, dass die Situation für einige Beteiligte in diesen Tagen und Stunden gar nicht so leicht war. Ich finde, er und wir haben das dann gemessen an der Situation gut hingekriegt.

Die Österreichische Volkspartei hat Alexander Schallenberg vorgeschlagen, die Kanzler­schaft zu übernehmen – und auch dafür im Übrigen Respekt. Sebastian Kurz hat einen, wie er es formuliert, Schritt zur Seite gemacht, jedenfalls ist er von diesem Amt einmal


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zurückgetreten. Auch das verdient Anerkennung und Respekt, weil das wahrscheinlich weder für die Volkspartei noch für den ehemaligen Bundeskanzler leicht ist. Ich möchte das nicht unerwähnt lassen. Jedenfalls: Es hat von Anfang an gut funktioniert. Wir haben sofort unsere Gespräche aufgenommen, einen Arbeitsmodus vereinbart, und ich darf Ihnen versichern, die Bundesregierung war in diesem Sinne zu jedem Zeitpunkt – zu jedem Zeitpunkt! – handlungsfähig. Das ist ja auch für Sie als föderales Mitbestimmungs- und an manchen Stellen auch Kontrollorgan nicht ganz unerheblich, glaube ich.

Kollege Schallenberg war ja immer schon dabei – an dieser Stelle darf ich dem neuen Außenminister gratulieren –, möglicherweise ist das aber im Kanzleramt eine andere Perspektive, und so betrachtet: Herzlich willkommen im Maschinenraum!, wie wir immer gesagt haben. Zu tun, wir haben es schon gehört, das muss ich nicht alles wiederholen, gibt es ja in der Tat genug. Und ja, unsere Hand ist ausgestreckt. Ich finde, jeder Wechsel bringt, genau betrachtet, auch neue Möglichkeiten. Ich unterstütze das sehr.

Im Stress der letzten eineinhalb, zwei Jahre haben wir es nicht immer gleich geschafft, jetzt soll wieder verstärkt die Zusammenarbeit forciert und der Kontakt zu den Sozial­partnern, zu den Landeshauptleuten – das wird für Sie vielleicht sehr relevant sein –, aber auch zu den zivilgesellschaftlichen Organisationen im Sozialbereich, im ökologi­schen Bereich und zu den Religionsgemeinschaften gesucht werden. (Bundesrat Steiner: Zu den Abgeordneten vielleicht! – Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) All das ist gut angegangen worden, und ich glaube, dafür ist auch Respekt auszusprechen.

Jetzt ist es so, dass mehrere Institutionen und auch Personen, die Verantwortung über­nommen haben, die kurze, aber durchaus heftige Bewährungsprobe ganz gut bestanden haben. Ich möchte noch einmal das Parlament erwähnen, die Klubobleute aller Fraktionen – im Übrigen auch der ÖVP. Es war ja tatsächlich so, dass wir Tage gehabt haben, an denen sich alle mit allen gesprächsweise getroffen haben, aber im Sinne des Bundespräsidenten in gewisser Weise auch ein formalisierter Prozess stattgefunden hat, im Rahmen dessen die Gespräche öffentlich annonciert wurden und ein Resümee ge­zogen wurde. Deshalb möchte ich ausdrücklich Dank an August Wöginger, an Pa­mela Rendi‑Wagner, an Herbert Kickl, an Sigi Maurer und an Beate Meinl‑Reisinger aus­sprechen.

Das hat nämlich dazu gedient, dass wir auch Gespräche geführt haben, was die Natio­nalratsmehrheiten betrifft. Das ist natürlich eine Frage der politischen Bewertung, aber viele Fraktionen haben ja schon die Meinung gehabt, dass zumindest Teile der Steuerreform – wenn schon nicht alle völlig übereingestimmt haben – für alle ein gangbarer Weg sind. Teilweise, an manchen Stellen wurden sie ja mit der Freiheitlichen Partei verhandelt. Gegen die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer in bestimmten Tarifstufen, so wie wir das dann gelöst haben und wie es ja schon einmal im Raum stand, wird auch niemand etwas gehabt haben. Es wäre ja völlig verkehrt gewesen, wäre das perdu gegangen, wenn sich die parlamentarischen Mehrheiten aufgrund von Regie­rungskonstellationen verändert hätten. Ich finde, das ist ein Reifeausweis und deshalb noch einmal mein Dank an alle.

Es hätte genauso die Chance gegeben, ein Budget zu beschließen, auch wenn es nicht überall hundertprozentige Übereinstimmung gegeben hätte, aber man findet auch über fünf Fraktionen hinweg einen Mindestkonsens, und das wäre sicher viel besser als ein Budgetprovisorium – manche von Ihnen werden das kennen –, bei dem man dann ab März, spätestens Mai die Situation hat, dass wir in so etwas Ähnliches wie einen Shutdown kommen und die Ausgabenobergrenzen keine Handlungsspielräume für die Ministerien zulassen.

Wir hatten mithin – so viel politische Bewertung schon – nicht den Eindruck, dass größere Mehrheiten im österreichischen Parlament oder auch in der Bevölkerung an


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sofortigen Neuwahlen interessiert wären, und deshalb diese Kaskade betreffend Verant­wortungsübernahme. Alle, ich habe da niemanden auszunehmen, haben, denke ich, diese Bewährungsprobe bestanden, und das war durchaus auch im Sinn des Bundes­präsidenten. Es hat ja laufend Gespräche gegeben. Ich wollte Sie darüber nur noch einmal unterrichten, weil ja aufgrund der terminlichen Abfolge diese Regierungs­erklä­rung anlässlich der Regierungsumbildung im Bundesrat nicht so rasch stattfinden konnte wie im Nationalrat; aber gut, dass sie jetzt stattfindet.

Dann wollte ich noch ein Wort darüber verlieren – weil das immer so ein heikles Thema ist –, dass auch andere Institutionen ihre Bewährungsproben bestehen, so auch die Justiz. Ich möchte versuchen, das möglichst neutral zu formulieren: Wir erleben ja immer wieder, auch jetzt aktuell – ich gehe es von umgekehrter Seite an –, dass Ermittlungen auch eingestellt werden. – Ja, gut so. Wenn aufgrund von gesetzlichen Vorgaben, Verantwortung und Aufgabenstellung vonseiten der Staatsanwaltschaften ermittelt werden muss, dann soll es geschehen. Es ist aber alles einzubeziehen: das Entlastende, das Belastende et cetera. Es kommt hoffentlich immer in der vertretbaren Zeit – das ist ja noch am ehesten der Engpass betreffend Entscheidungen.

Wir wollen schon in Erinnerung rufen, dass wir sowohl von der einen als auch von der anderen Seite den Respekt gegenüber der unabhängigen Justiz walten lassen sollen, denn wir sehen ja, dass sie insoweit funktioniert, als doch – ja, so könnte man sagen – relativ auffällige, resche Ermittlungsschritte gemacht werden, aber umgekehrt auch Ermittlungen eingestellt werden. Ich finde, das ist ja das beste Zeugnis dafür, dass es eine gewisse Balance gibt, an der wir alle gemeinsam interessiert sein sollten.

Man muss aber beides respektieren: Es muss auch die Unschuldsvermutung im straf­rechtlichen Sinn gelten. Es sind alle eingeladen, auch diese zu berücksichtigen. Be­züglich der politischen Bewertungen ist jeder für sich selbst verantwortlich, hinsichtlich dessen, wie er das formuliert, einschätzt und wie er sich da verhält. Das ist eine zweite Sache. – So ist das jedenfalls einzuordnen.

In einer reifen Demokratie funktionieren Checks and Balances. Das heißt, die unab­hängige Justiz ist eine wichtige Säule. Sie darf insgesamt nicht infrage gestellt sein, aber einzelne Maßnahmen und Schritte können natürlich kritisiert werden. Das muss zulässig sein. Ich werbe wirklich dafür, diesen aufgeklärten Zugang zu wählen, weil uns das alle wieder mehr zusammenführen könnte. So gesehen haben meistens beide Seiten im Ergebnis ein bisschen recht. Es gibt ja da oder dort dann natürlich auch Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die ja auch ergriffen werden. Man wird dann sehen, wie darüber entschieden werden wird. Wenn es bis zur letzten Instanz geht, geht es bis zur letzten Instanz, aber die Entscheidung ist dann zu respektieren – so ist es nun einmal. Ich finde, auch das bewährt sich gerade eben in Österreich.

Die Regierung selber hat natürlich jetzt schon – ich beziehe mich auf die Zeit seit der Umbildung – einiges auf den Weg gebracht. Das möchte ich nur unterstreichen. Es ist vor allem gelungen, das Budget in trockene Tücher zu bringen. Die Steuerreform ist jetzt einmal in sehr breiter Version auf dem Weg, mit den Ökologisierungsmaßnahmen, die in ihrem Dreischritt einmalig sind. Ich bin für diese Aussage schon einmal kritisiert wor­den, daher bitte zuhören: Warum ist das so einmalig? – Weil wir nicht nur einen CO2-Preis bringen – das hat ja bald jemand, vielleicht über Steuern oder sonst etwas –, sondern eben auch ein sofort konvertierbares Handelssystem. Man kann also so wie in der Bundesrepublik in ein fortschrittliches Handelssystem shiften, wenn dann die Union das hat oder auch wenn wir das nur in Österreich haben wollen. Das sind schon einmal zwei Sachen: Bepreisung, modernes System, und nicht irgendeine Hollodaroabgabe, sodass es dann nur in der Statistik, wer auf der ganzen Welt einen CO2-Preis hat, steht. Wenn Sie aber genau hinschauen, sehen Sie dann, dass irgendjemand irgendwo 1995


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eine Abgabe von ein paar Groschen für irgendetwas eingeführt hat – das ist jedenfalls keine CO2-Bepreisung, sorry.

Das Allerwichtigste ist aber, dass alles, was eingehoben wird – der Preis wird ja stei­gen –, auch in Form von Klimabonus plus Mobilitätsbonus für jene Leute, die vom Ver­kehrssystem her nicht die Möglichkeit haben, so schnell auszuweichen, zurückgegeben wird. Genau die Einnahmen, die reinkommen, werden also auch zurückgegeben – das ist überhaupt einmalig. Der deutsche Klimarat und dessen Mitglieder haben die wohl im Werden begriffene deutsche Bundesregierung eingeladen, sich das österreichische Modell genauer anzuschauen.

Ich glaube, da geht also etwas weiter. Deshalb sind wir ja so interessiert daran, das alles nicht stecken bleiben zu lassen, sondern vorwärtszubringen – detto das Budget. Es gibt für alle Ressorts gute Möglichkeiten. Das ist drittens wiederum deshalb möglich, weil die wirtschaftliche Entwicklung relativ gut verläuft. Wir haben uns voriges Jahr jedenfalls nicht gedacht, dass wir so aus der Pandemie herauskommen.

Die Pandemie bleibt ein Problem. Ich sehe zwei Ansätze – sie wurden genannt –: Ers­tens wird österreichweit natürlich danach zu trachten sein, dass die Maßnahmen doch eine gewisse Wirkung erzielen. Das bezieht sich vor allem darauf, was die Verordnungen hergeben, aber die Maßnahmen müssen dann auch kontrolliert werden. Das wird leider so sein müssen, weil wir ansonsten – das steht zu befürchten – sofort wieder mit Ein­stufungen als Hochinzidenzgebiete vulgo Reisewarnungen et cetera konfrontiert sein werden, und das kann niemand wollen, gerade eben für die österreichische Wirtschaft.

Österreich hat in der Wertschöpfung eben einen sehr hohen Anteil aus Tourismus, Hotellerie, Gastronomie. Auch die Kulturbetriebe sind damit verbunden. Das muss man einfach einmal sehen. Deshalb haben wir voriges Jahr ja so überproportionale Ein­schnitte in der Wertschöpfung gehabt. Die haben wir aber wieder schneller als andere aufgeholt – der Herr Bundeskanzler hat es angedeutet –, und so sind Wertschöpfung und Arbeitslosigkeit mindestens ein Jahr früher als erwartet wieder auf Vorkrisenniveau. Viele haben daran ihren Anteil, ich will das gar nicht für die Bundesregierung allein reklamieren. Man sollte schon auch sehen, dass gerade im wirtschaftlichen und sozialen Bereich sehr, sehr viel gelungen ist, womit wir uns über diese Krise drübergehoben haben. Insofern sollten wir alles daransetzen, dass die Auswirkungen dieses wirklich giftigen Virus, dieser Heimsuchung, wenn man so will, uns nicht noch einmal voll treffen, denn das hat auch soziale und ökonomische Konsequenzen; von den gesundheitlichen rede ich ja gar nicht.

Das alles passiert in sehr guter – auch wenn es da oder dort Differenzen gibt – Zusam­menarbeit mit den Landeshauptleuten. Das betone ich natürlich im Bundesrat immer wieder. Es gibt regional völlig unterschiedliche Entwicklungen, daher bleiben wir grund­sätzlich schon dabei, dass wir, wie es jetzt immer heißt, die Unterkante der Maßnahmen vorgeben. Regelmäßig geschieht es als Verordnung des Gesundheitsministers in enger Abstimmung mit dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts. Das machen wir natürlich durchgehend und möglichst gemeinsam. Das sei auch hier gesagt.

Aus meiner Sicht hat bei aller Kritik an Einzelmaßnahmen – wir haben ja auch immer wieder einmal Fehler eingestanden, und dass es sie gibt, kann ja gar nicht anders sein bei, weiß ich nicht, Hunderten Erlässen und Verordnungen, die es da gibt –, denke ich, grosso modo alles ganz gut funktioniert. Das wollen wir natürlich weiter beibehalten.

Insgesamt haben wir eben versucht, weiter Stabilität, Verlässlichkeit, Orientierung zu bieten. Aus dieser Verantwortung, aus der Verantwortung dem Regierungsprogramm gegenüber und aus der Verantwortung dem Bundespräsidenten gegenüber, der uns ja auch damals schon auf Basis dessen angelobt hat, haben wir diese Schritte gesetzt.


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Es gibt natürlich noch eine Reihe von Zukunftsprojekten, die, glaube ich, auch aus föderaler Sicht wieder sehr interessant sind. Das betrifft vor allem Kinderbetreuung, Bildung – es wurde alles genannt –, es betrifft die Pflegereform, bezüglich derer jetzt dann erste Schritte gesetzt werden; erste Budgetmittel sind ja vorgehalten. Das werden große Aufgaben werden; das ist uns völlig bewusst.

Ich glaube, es ist da einiges erreicht worden und darauf sollte man durchaus stolz sein. Vieles kann kritisiert werden – das ist ja mit Ihre Aufgabe hier im Parlament –, aber eines sollten wir uns schon gemeinsam vornehmen: Die Zeiten sind immer noch außerordent­lich schwierig, und wir sollten versuchen, diese außerordentlichen Schwierigkeiten auf einer gewissen Mindestbasis gemeinsam zu meistern. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.37


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr das Wort.


13.37.47

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herzlich willkommen, Herr Bundeskanzler Schallenberg! Sie waren ja schon öfters als Außenminister bei uns, heute sind Sie es als Bundeskanzler. Ein Willkommen natürlich auch Ihnen, Herr Vizekanzler Kogler, und besonders Ihnen, Herr Außenminister Michael Linhart, denn Sie haben heute ja Premiere hier bei uns im Bundesrat!

Zu Beginn ist es mir ein Anliegen, im Namen unserer Fraktion und auch der Öster­reichischen Volkspartei der Familie von Wolfgang Beer und natürlich auch der sozial­demokratischen Fraktion unser aufrichtiges Beileid zum Ableben des Kollegen Beer auszudrücken. Er war ja seit 2007 Mitglied des Bundesrates – wir haben schon gehört: ein sehr engagiertes Mitglied –, und ich durfte ihn seit 2017 begleiten. Ich weiß, es ist sicher ein sehr schwieriger Weg, den die Familie und auch die Fraktion jetzt zu gehen haben – unsere herzlichste Anteilnahme!

Wir sehen gerade in diesen Tagen – gestern hat sich auch der Terroranschlag von Wien gejährt –, dass sich durch solche Todesnachrichten schnell etwas verändern kann. Ich danke Ihnen, Herr Bundeskanzler, für Ihre gestrigen Worte im Rahmen der Gedenk­veranstaltung, dass wir gemeinsam gegen den Terrorismus auftreten und dem Terroris­mus hier in Österreich keine Chance geben. Das war sehr wohltuend, sehr positiv. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Spanring: Ter­rorismus, den es gar nicht gegeben hätte, wenn ...!)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Leben geht weiter und es gibt auch Erfreu­liches – wir haben es heute schon gehört –: Wir haben gerade zehn neue KollegInnen aus Oberösterreich angelobt oder wieder angelobt. Ich gratuliere den neu und wiedergewählten KollegInnen ganz herzlich und freue mich auf die Zusammenarbeit.

Ich darf besonders darauf hinweisen: Als ÖVP freuen wir uns natürlich über diesen weiteren Zuwachs, wir sind jetzt 26 – und von diesen 26 sind 13 Damen. Wir sind da also ausgeglichen. Darauf können wir als ÖVP-Fraktion auch sehr stolz sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Schallenberg, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich bedanke mich wirklich für die Übernahme dieses hohen staatspolitischen Amtes, dieser Verantwortung, dafür, dass Sie in Zeiten wie diesen bereit sind, diese Verantwortung zu tragen. Sie sind für mich der Richtige, so wie es auch unser Klubobmannstellvertreter


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August Wöginger im Nationalrat schon ausgedrückt hat. Sie werden unser Land mit Ruhe und Stabilität in die Zukunft führen. Sie haben unser Vertrauen, das Vertrauen der ÖVP-Fraktion, und wir werden Sie auch im Bundesrat tatkräftig unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wie Sie ja sowohl bereits im Nationalrat als auch heute hier ausgeführt haben, erfordern schwierige Zeiten eben außergewöhnliche Schritte. Ich freue mich, dass Sie die Hand ausgestreckt haben und sich aktiv dafür einsetzen, die entstandenen Gräben der letzten Wochen wieder zu überwinden und die inhaltlich gute Arbeit der letzten eineinhalb Jahre fortzusetzen. Auch heute haben Sie es gezeigt: In Richtung aller Parteien haben Sie die Hand ausgestreckt.

Sehr geehrter Herr Außenminister Linhart, auch Ihnen ein herzliches Dankeschön für die Übernahme des Ministeriums. Wir beide haben ja etwas gemeinsam: Wir haben zur selben Zeit in Salzburg Jus studiert; nur haben wir erst heute festgestellt, dass wir damals gleichzeitig promoviert haben. Sie haben breite diplomatische Erfahrung aufzu­weisen. Sie waren als Sektionsleiter für Entwicklungszusammenarbeit und anschließend als Generalsekretär im Außenministerium tätig, zuletzt seit 2018 als österreichischer Botschafter in Paris. Sie sind auch überzeugter Europäer und Sie werden all diese Erfahrungen als Außenminister sehr gut einbringen. Auch wir als ÖVP-Bundesrats­fraktion werden Sie dabei tatkräftig unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein Anliegen ist mir auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mich bei Bundes­kanzler außer Dienst Sebastian Kurz für seine Zeit als Bundeskanzler zu bedanken. Er ist – wir haben es schon gehört – bewusst zur Seite getreten (Bundesrätin Schumann: „Bewusst“?! – Ruf bei der FPÖ: Zur Seite getreten worden!), damit er Chaos und Instabilität für die Republik verhindert. Es gebühren ihm Respekt und Anerkennung für diesen Schritt. (Bundesrat Steiner: Fehlt noch, dass ihm ein Ehrenzeichen der Republik verliehen wird für seine Verdienste! Am Band natürlich!) Als Partei- und Klubobmann wird er natürlich weiterhin in der Innenpolitik tätig sein und sich aktiv für unser Land einbringen.

Die Vorwürfe, die gegen ihn in Bezug auf Dinge erhoben werden, die jetzt schon zum Großteil fünf Jahre zurückliegen, müssen rasch aufgeklärt werden. Das wollen wir alle. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir leben in Österreich in einem Rechtsstaat. Der Herr Vizekanzler hat das auch schon gesagt. Als Juristin bin ich überzeugt davon, dass jede, jeder ein faires Verfahren er­warten kann, gerade auch wir Politikerinnen und Politiker. Auch der Herr Vizekanzler hat es schon gesagt: Es gilt die Unschuldsvermutung und nicht die Schuldvermutung.

Ich wünsche mir, dass die Justiz jetzt rasch arbeitet und es rasch zu einer Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe kommt. Daher freue ich mich – der Herr Vizekanzler hat es heute auch schon erwähnt –, sagen zu können, gestern haben wir gehört, dass das Verfahren wegen Untreue gegen den ehemaligen Finanzminister Löger eingestellt wurde. Da ging es um die Spende für die Premiqamed. Das ist eine gute Nachricht, die sollte man hier auch nicht unerwähnt lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Erinnerung: Die neue Volkspartei unter Sebastian Kurz wurde 2017 und 2019 zur stärksten Partei gewählt (Beifall des Bundesrates Spanring) und hat in weiterer Folge sowohl mit den Freiheitlichen als auch mit den Grünen eine Regierung gebildet und viel weitergebracht. (Bundesrat Spanring: Bravo! Habt ihr gut gemacht! Zivilrechtlich nennt man das Betrug am Wähler!) Ich nenne nur exemplarisch: die Entlastung der geringen Einkommen, die größten Pensionserhöhun­gen der letzten Jahre, den Kinderbonus plus (Unruhe bei der SPÖ), jetzt das neue Ökostromgesetz, worüber wir schon gehört haben, die ökosoziale Steuerreform, das Krisenschutzgesetz und die Regelung betreffend assistierten Suizid. Wir haben auch


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Rekordbeschäftigung. (Bundesrat Spanring: Das sind alles Dinge, die wir euch abver­langt haben!) Und das alles hat diese Regierung neben der Bewältigung der Corona­krise, dieser größten wirtschaftlichen Krise in den letzten Jahrzehnten, zusammenge­bracht – mit unzähligen Sitzungen, auch hier im Parlament.

Vielleicht haben Sie die „Salzburger Nachrichten“ vom 27.10. gelesen, da schreibt der Journalist Alexander Purger in einem Kommentar: „Die Koalition wankt, aber sie arbeitet“. Und weiter: „Wer sich diese Arbeitsbilanz ansieht und mit dem [...] Stillstand unter der Großen Koalition vergleicht, wird baldige Neuwahlen vielleicht nicht mehr für so enorm wünschenswert halten.“ (Bundesrat Schennach: Siehe Kurz! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Nicht meine Worte, die Worte des Journalisten Alexander Purger. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Unser Bundeskanzler Alexander Schallenberg tut nun alles, um die Koalition wieder in ruhiges Fahrwasser zu führen. Daran muss ich Sie nämlich auch erinnern, liebe Kolle­ginnen und Kollegen: Es hätte ein Experiment gedroht: eine Vierparteienkoalition mit raschen Neuwahlen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich mit den Leuten geredet habe und rede, sagen sie: Bitte, ja keine Neuwahlen! Arbeitet für unser Land und schaut, dass wir wieder in die Gänge kommen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sind ja noch in einer schwierigen Phase. Die Pandemie ist nicht vorbei. Der Wirt­schaftsaufschwung in Österreich hat zwar rascher als erwartet mit fast 5 Prozent Wirt­schaftswachstum eingesetzt, aber das muss ja alles noch begleitet werden, wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Gott sei Dank schon auf Vorkrisenniveau ist. Den Arbeitskräftemangel brauche ich nur zu erwähnen. Die Pflegereform muss weiter umgesetzt werden (Bundesrätin Schumann: Ja!) – es warten die Brocken Finanzierung und Personal –, damit jeder Mensch in Würde altern kann. Kurzum: Das Regierungs­programm muss weiter umgesetzt werden.

Wir wollen und brauchen Stabilität und Wachstum in unserem Land zur Sicherung der Wirtschaft, zur Sicherung der Arbeitsplätze, für den Klimaschutz und weiterhin für den Kampf gegen die Pandemie. Und dafür sind Bundeskanzler Schallenberg, Vizekanzler Kogler und die Damen und Herren in der Regierung ein Garant. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Schennach: Da hat die ÖVP ja ...!)

Was mich derzeit noch beschäftigt – zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen –, als ich diese Rede vorbereitet habe, ist die Art und Weise, wie wir hier im Hohen Haus mit­einander umgehen. Ich habe das schon letztes Jahr, als ich die Ehre hatte, Präsidentin sein zu dürfen, gesagt: Ich erwarte mir gegenseitige Wertschätzung und Respekt – auch in der Sprache. Das war mir immer ein Anliegen: miteinander. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das System der Verleumdung und der Vorverurteilung lehne ich ab. Das hat auch unser Landeshauptmann Haslauer immer gesagt, da ist er mir immer ein Vorbild. (Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Kritisch engagiert zu argumentieren ist die eine Sache, zu verletzen und Gräben aufzu­reißen die andere. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wir Politikerinnen und Politiker sind Menschen. Wir leben mit den Menschen. Wir sind aktiv. Wir haben Kinder. Wir stellen uns jeweils den Wahlen, je nachdem, wie die Perioden sind. Und wenn wir weiter so miteinander umgehen, werden wir bald keine Leute mehr finden, die sich das antun wollen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ich denke da an die vielen Bürgermeisterinnen und Bürger­meister, wobei es schon sehr schwierig ist, Kandidaten zu finden. (Bundesrat Steiner: Das glaube ich schon bei der ÖVP!) Also: Respekt, Anerkennung, Wertschätzung – darum bitte ich Sie hier im Hohen Haus, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: ... dem Pöbel auch Respekt ...!)


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Zum Abschluss: Wir als ÖVP übernehmen Verantwortung für unsere Heimat Österreich. Wir werden uns auch weiterhin für die Menschen in unserem Land mit voller Kraft ein­setzen: Nach vorne schauen! Mit aller Kraft für die Menschen arbeiten!, das ist unser Motto. (Bundesrat Spanring: Für den Pöbel!)

Ich persönlich wünsche mir diese neue Kultur des Miteinanders, nicht nur im Hohen Haus, sondern auch in unserer Gesellschaft. Gehen wir respektvoll, wertschätzend mitei­nander um, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ihnen, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, Herr Außenminister, wünsche ich viel Erfolg bei der Bewältigung der kommenden Aufgaben für unser Land. Unsere Unter­stützung haben Sie. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.49


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile dieses.


13.50.08

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Herr Außenminister! Bevor ich meine Rede zur Tagesordnung halte, gilt es, Worte zum Ableben von Wolfgang Beer zu sagen. Das plötzliche Ableben unseres Kollegen und Freundes Wolfgang Beer am vergangenen Wochenende hat uns als Fraktion ganz tief erschüttert. Das macht uns unglaublich traurig, vor allen Dingen deshalb, weil es so plötzlich geschehen ist.

Wolfgang Beer war unser längstdienender Bundesrat, er hat diesem Haus 14 Jahre lang durchgehend angehört. Er hat besonders in der Sicherheitspolitik im Bereich der Landes­verteidigung für Verbesserungen im Sinne der Menschen und des Bundesheers ge­kämpft. Ihm waren sein Wien, sein Favoriten und seine sozialdemokratische Haltung immer ausgesprochen wichtig, all das hat sein politisches Tun angetrieben. Er hat gesagt: Ich gehe ins Kaffeehaus, weil ich mit den Leuten rede, und dann gilt es, das, was die Leute sagen, weiterzutragen und politisch zu handeln! – Das war Wolfgang Beer. Wenn ich dort zur Tür schaue, habe ich das Gefühl, sie geht vielleicht auf und er kommt mit dem Rollstuhl herein – aber er wird nicht kommen.

Ich danke allen Fraktionen für ihre aufrichtige Anteilnahme. Wolfgang Beer wird uns sehr fehlen. In Gedanken sind wir in dieser schweren Stunde natürlich bei seinen Ange­höri­gen und seiner Familie. – Vielen Dank.

Herr Bundeskanzler, Sie sind jetzt 23 Tage im Amt – in einem Amt, das Sie übernommen haben, weil Kanzler Kurz, der Ex-Kanzler, zur Seite getreten ist; es stehen schwere Korruptionsvorwürfe im Raum. Wie schwierig und holprig dieser Lösungsprozess war, zeigt der Brief, das Manifest, das von allen ÖVP-Ministern/-Ministerinnen unterzeichnet wurde und in dem steht:

„Aus tiefster demokratischer Überzeugung stellen wir als Bundesministerinnen und Bun­desminister der Republik Österreich hiermit klar: Eine ÖVP-Beteiligung in dieser Bundes­regierung wird es ausschließlich mit Sebastian Kurz an der Spitze geben.“ – So weit der Text. Nun, es sind fast alle noch da – die Halbwertszeit dieses Treueschwurs dauerte nur zwei Tage.

Die Kanzlerschaft Schallenberg kann nun nicht mehr davon geprägt sein, mit einer reinen PR-Maschinerie zu agieren. Das System Kurz hat sich entlarvt und ist nicht mehr tragbar. Die Probleme und Baustellen in unserem Land sind zu viele und zu schwer­wiegend. Diese Sondersitzung des Bundesrates soll nicht allein dazu dienen, dass man


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sich freundlich gegenseitig vorstellt, sondern dass man auch anspricht, wo wir als sozial­demokratische Fraktion die Haupthandlungsfelder sehen, wo gehandelt werden muss, um den Menschen ein gutes Leben zu garantieren.

Natürlich ist zunächst die Bekämpfung der Coronapandemie wichtig. Darin sehen wir ein ganz schweres Scheitern der Regierung im Spannungsfeld zwischen einem Ex-Kanzler, der im Sommer erklärt hat, die Pandemie sei überwunden – ein furchtbarer Fehler, vor allen Dingen taktisch in der Frage der Motivation zur Impfung –, und auf der anderen Seite einer sich immer weiter radikalisierenden FPÖ (Zwischenrufe bei der FPÖ) und einer Partei, die sich ganz bewusst in Oberösterreich gegründet hat, um gegen Corona­maßnahmen aufzutreten. Der Weg der Sachlichkeit, der Information, der Umsicht, der Vorsicht, der Einheitlichkeit wurde verlassen, der Sommer verschlafen, und den Septem­ber hat man ganz bewusst verstreichen lassen, um in Oberösterreich Wahlergebnisse zu bekommen, wie man sie gerne hätte. Das ist verantwortungslos!

Die Zahl der Coronainfizierten ist jetzt extrem hoch, und die Durchimpfungsrate ist ein­deutig zu niedrig. Das sind immer nur kalte Zahlen, aber dahinter steht ein unglaubliches Leid, das durch die Coronapandemie verursacht wird. Wenn ich an die Beschäftigten in den Intensivstationen denke, mit denen wir dauernd im Austausch sind, muss ich sagen: Die können einfach nicht mehr, die sind am Limit. Sie waren schon vor der Coronazeit am Limit, dann wurden die Operationen nachgeholt, als die Zahlen zurückgingen, und jetzt ist es wieder so weit: Sie können nicht mehr! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Coronabonus wurde vollmundig und laut angekündigt. – Bis heute haben die Be­schäftigten ihn nicht erhalten. Wir hören, es wird jetzt im Dezember so weit sein, aber wieder nicht für alle Beschäftigungsgruppen. So kann man mit höchstbelasteten Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern nicht umgehen! Wenn man daran denkt, welche Aus­wir­kungen Long Covid haben wird, auch auf Kinder, dann ist das schon bestürzend.

Vorbei sind all die vielen Pressekonferenzen der Regierung, trotz dieser Zahlen keine Pressekonferenz und kein einheitliches Auftreten, keine Maßnahmen gegen den Fleckerlteppich der Maßnahmen, kein Eintreten für eine Einheitlichkeit, nein. Das ist natürlich nicht immer ganz angenehm. Man schiebt es auf die Länder, man schiebt es auf die Sozialpartnerschaft, alle sollen es richten, die Verantwortung liegt aber bei der Regierung. Nicht einmal mehr ein Ausritt der Bundesministerin Köstinger gegen die Covid-Maßnahmen eines Bundeslandes erfolgt; für die Ausritte sucht man sich immer Wien aus, alle anderen Bundesländer nimmt sie nicht so in die Pflicht.

Was uns bewegt, das sind die Probleme der Teuerung. Wir haben eine Inflation von 3,6 Prozent im Oktober, extrem steigende Preise bei Lebensmitteln, bei Strom, Gas, Benzin. Die Mieten sind enorm angestiegen. Da fragen sich viele Menschen, gerade auch Menschen aus dem viel gepriesenen Mittelstand: Kann ich mir mein Leben überhaupt noch leisten? Wir brauchen eine Teuerungsbremse, und zwar dringend und nicht erst bei einer Steuerreform im nächsten Jahr. Jetzt sind Maßnahmen gegen die drohende Energiearmut notwendig, Abschalteverbote während der kalten Jahreszeit für Strom, Gas und Wärme, Ratenzahlungsvereinbarungen bis zu 24 Monate, um Rück­stände zurückzahlen zu können, bessere finanzielle Unterstützung von Haushalten, die von Energiearmut betroffen sind. Das gilt es jetzt zu tun. Wir wissen, 365 000 Kinder in Österreich leben in einem Haushalt, der sich keine unerwarteten Ausgaben leisten kann. Wenn die Waschmaschine kaputt wird, haben viele keine Chance, eine neue zu kaufen, und das ist in einem schönen und reichen Land wie unserem bestürzend. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Winter wird kalt, und die Belastungen für die Österreicherinnen und Österreicher müssen jetzt abgefedert werden.


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Ich darf an dieser Stelle schon auf die laufenden Kollektivvertragsverhandlungen zum Beispiel in der Metallindustrie verweisen. Die Angebote, die man der Arbeitneh­merInnen­seite vorgelegt hat, sind wirklich beschämend und zeugen von keinem Respekt für die Beschäftigten in diesem Bereich. Es wurde durchgehend gearbeitet, ganz, ganz fleißig, es wurden hohe Gewinne eingefahren, die Auftragsbücher waren voll – und dann diese Angebote!

Ich darf erwähnen, dass im Rahmenrecht seitens der Arbeitgeberseite gefordert wird, dass nicht mehr nur an vier Sonntagen, sondern an allen Sonntagen gearbeitet wird und dass durchgehend 16 Stunden gearbeitet werden soll. Das passiert und – das sei ÖVP und FPÖ ins Stammbuch geschrieben, die diese Arbeitszeitregelung geöffnet haben; Sie haben die Büchse der Pandora geöffnet – das heißt: Auspressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis aufs Letzte! – Das darf nicht sein, und das werden wir als Sozialdemokratie immer bekämpfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine weitere große Herausforderung, die natürlich ansteht, ist die Frage der Pflege. Wir haben einen Pflegenotstand, das ist nicht zu ignorieren, und wir haben die Problematik, dass wir zukünftig, bis 2030, 80 000 Beschäftigte in diesem Bereich brauchen. Wir brauchen eine wirkliche Ausbildungsoffensive und wir brauchen bessere Arbeitsbedin­gungen. Dieses Berufsfeld muss attraktiviert werden, denn es ist nicht leicht, zu pflegen. Auch dort sind die Beschäftigten am Limit, und es braucht die Botschaft, dass es zu Reformen kommt. Nur, Fakt ist – Sie (in Richtung Bundeskanzler Schallenberg) haben es angesprochen –: Es gibt die Problematik der Pflege, aber im Budget sehen wir nicht die finanziellen Mittel für eine wirkliche Pflegereform, sie sind nicht vorhanden. Im Ge­gensatz dazu entlastet man die Konzerne. Das ist nicht Politik, wie wir als Sozialde­mokratie sie verstehen!

Lassen Sie mich noch auf die Kinderbildung kommen. Die Kinderbildung in Österreich muss oberste Priorität haben. Dabei geht es um das Wichtigste, das wir haben: um unsere Kinder und damit um unsere Zukunft. Wir brauchen im Bereich der Elementar­pädagogik endlich wirkliche Schritte in Richtung Ausbau – auch hierfür sind die Mittel im Budget nicht avisiert, sie sind nicht vorhanden. Ganz ehrlich, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Wenn es wirklich möglich gewesen wäre und auch verhandelt war, dass es eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung in ganz Österreich gibt, wenn 1,2 Mil­liarden Euro da waren und das dann einfach aus politischem Interesse mit einem Federstrich weggelöscht wird, so kann das doch nicht sein! Das kann nicht Handeln im Interesse der Menschen sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Heute wurden schon die Frauen als auch in der Politik wichtige Gruppe – keine Frage – angesprochen, aber es muss auch Politik für die Frauen gemacht werden. Ich kann das beim besten Willen in dieser Regierung nicht erkennen. Die Frauen waren in der Pandemiezeit extremst belastet, werden aber nicht angesprochen und nicht unterstützt. Der Ausbau der Elementarpädagogik wäre ein ganz wichtiger Schritt. Wir wissen, es gibt in Österreich eine Einkommensschere von 18,5 Prozent. Da ist zu handeln!

Ich freue mich sehr über jede Initiative der grünen Frauen, die sagen: Wir brauchen eine größere Einkommenstransparenz! Wir wollen auch den Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz!, nur muss man schon sagen: Oppositionsarbeit in der Regierung wird nicht funktionieren. Die Grünen sind jetzt in der Regierung und haben Verant­wor­tung. Wir unterstützen, wo wir können, bei einer modernen, zukunftsgerichteten Frauen­politik, aber Sie tragen jetzt die Verantwortung. Oppositionsarbeit in der Regie­rung wird, wie gesagt, nicht funktionieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch das Thema Klima ist ein extrem wichtiges, und es ist ein bedrohliches. Es muss gehandelt werden, das ist völlig richtig. Es müssen aber alle mitgenommen werden. Ich gratuliere zum Klimaticket. Keine Frage: Das ist eine tolle Sache. Gleichzeitig muss aber


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auch der Ausbau des regionalen Verkehrs vorangetrieben werden. Ein Bauarbeiter hat nichts vom Klimaticket, wenn er keine Chance hat, von seinem Wohnort zur Arbeitsstelle zu kommen, weil die öffentlichen Verkehrsmittel einfach nicht im notwendigen Maß ausgebaut sind. Darum ist zu kämpfen und daran ist zu arbeiten. Es sind Ängste zu nehmen, die durch die Veränderungen aufgrund des Klimaschutzes bei den Menschen entstehen. Die gibt es. Da müssen alle mitgenommen werden. Scheinmaßnahmen, etwa ein Klimabonus, den man den einen gibt und Wien nicht gibt, sind nicht die Form, in der man Klimapolitik betreiben kann.

Noch eines ist ganz wesentlich, das wurde auch heute schon angesprochen: Herr Bun­deskanzler, schützen Sie die Justiz vor den unerträglichen und systematischen Angriffen Ihrer Partei auf ihre Arbeit! Die Absturz- und Aufdeckungsängste Ihrer türkisen ÖVP haben viel zu lange zu einem permanenten Angriff auf die Justiz und in der Folge auch auf den unabhängigen Journalismus geführt. Das ist unerträglich, das ist gefährdend für unsere Demokratie und für unser Staatsgefüge. Wir werden noch sehen, was die Ermittlungen zutage fördern, aber eigentlich reicht schon, was wir bereits gehört und gelesen haben. (Bundesrat Schwindsackl: Das ist eine Verurteilung! – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Herr Kanzler Schallenberg, Sie haben sehr rasch Gespräche mit den wesentlichen Repräsentantinnen und Repräsentanten des Landes aufgenommen. Das ist wichtig und richtig. Distanzieren Sie sich von der gesteuerten Inszenierungspolitik des Systems Kurz! Es liegen so viele Herausforderungen vor uns. Die gilt es nun im Interesse der Menschen zu bewältigen. Teuerungen in diesem Ausmaß, eine Pflegekrise in diesem Ausmaß, all das ist nicht zu ignorieren. Wir müssen jetzt im Interesse der Menschen handeln. Das sind wir ihnen schuldig. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.03


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses. – Bitte.


14.03.35

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ja, liebe Kollegen, es gibt Momente, in denen selbst ich sprachlos bin. Es gibt Momente, in denen man lieber nicht zum Rednerpult gehen will. Ich tue das aber, weil Wolfgang Beer immer und gerade auch dann ausgeritten ist, wenn es ungemütlich wurde, wenn es etwas klarzustellen oder zu schlichten gab. Ihm war das Menschliche wichtiger als vieles andere. Er war ein Kollege, der eine große Lücke hinterlassen wird. Er war ein Kollege, der zugehört hat, selbst während seiner Reden. Er ist auf die Menschen und Kollegen immer eingegangen, egal, von welcher Fraktion sie waren, im Landesverteidigungsausschuss ebenso wie hier im Plenum. Seine verbindende Art, sein Witz, seine Bemerkungen mit einem Augen­zwin­kern, seine Größe durch Menschlichkeit werden uns fehlen. Ohne dich, Wolfgang, wird hier etwas fehlen. „Ein guter Mensch stirbt nie“, hat der Dichter Kallimachos einmal ge­sagt.

Lieber wäre es mir, bei einem solchen Trauerfall die Stimmung nicht weiter trüben zu müssen, aber ich bringe nun ein weiteres Zitat. Es lautet: „Keine Zeit ist so schlimm, dass man nicht ehrlich sein könnte.“ Dieses Zitat – man kennt es – stammt von William Shakespeare.

Diese Sondersitzung, Herr Bundeskanzler, wurde extra für Sie, für die Erklärung, mit der Sie sich bei uns erklären wollen, einberufen, da Sie ja, als die letzte Sitzung des Bundesrates stattfand, lieber nach Brüssel gereist sind, anstatt sich in Österreich in die Länderkammer zu setzen. Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: Diese Sondersitzung hätten wir uns sparen können. Ich sage das nicht, weil ich von Tirol nicht gerne nach Wien


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fahre, überhaupt nicht, aber es hätte völlig gereicht, Herr Bundeskanzler, sich die Natio­nalratsdebatte anzuschauen, weil Sie die gleiche Rede hier wieder aufgewärmt haben, die Sie schon im Nationalrat gehalten hatten. Ein Gulasch wird durch das Aufwärmen besser, aber Ihre Rede nicht. Das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ.) Wert­schätzung nennt man das, worum es geht, Herr Alexander Georg Nicolas von und zu Schallenberg.

Ihre neue Position ist nun also Kanzler von Österreich. Bis heute aber gab es von Ihnen noch kein einziges Bekenntnis, dass Sie der Kanzler aller Staatsbürger in Österreich sein wollen. Das ist nicht weiter verwunderlich, Herr Schallenberg, denn bis heute wur­den Sie in keiner Ihrer Funktionen, die Sie in dieser Republik ausgeübt haben, jemals vom Souverän, also vom Staatsbürger, gewählt. Jetzt sind Sie also ganz ohne demo­kratische Legitimation Bundeskanzler unserer schönen Heimat Österreich. Wohl sind Sie jetzt nicht für alle Staatsbürger Kanzler, aber zumindest für ein paar wenige übrig gebliebene türkise Hardcorefans. Die soll es ja anscheinend auch noch geben. Aus diesem Grund und aus noch vielen, vielen anderen Gründen, Herr von und zu Schallenberg, sind Sie für viele Österreicher und auch für mich als Kanzler nur schwer, eigentlich gar nicht zu akzeptieren.

Ich werde das noch weiter begründen. Sie, Herr von und zu Schallenberg, sind, so ich es den Medien richtig entnehmen konnte, die Marionette oder sichtbare Fingerpuppe des Schattenkanzlers Kurz, der sich nun in die Niederungen des Parlaments begeben und sich auf die harte Abgeordnetenbank setzen musste. Mein Mitleid für diesen Herrn hält sich allerdings in Grenzen. Sie, Herr von und zu Schallenberg, sind laut dem türkisen Gefechtsplan lediglich der Platzhalter für einen gefallenen türkisen Heilsbringer, der nicht das Heil über unser wunderschönes Österreich brachte, sondern ein mafiöses, ein korruptes türkises System des Unheils. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, Herr von und zu Schallenberg, haben mit Ihrer eigenen Unterschrift unterschrieben, dass Sie der Bundesregierung ausschließlich mit einem Kanzler Sebastian Kurz an der Spitze weiter angehören werden. Das war Ihre ganz persönliche Unterschrift auf diesem Papier. Ich muss Sie jetzt wirklich fragen – vielleicht beantworten Sie es mir noch, vielleicht haben Sie noch den Anstand, dann darauf zu antworten –: Wieso sitzen Sie denn jetzt noch auf der Regierungsbank? Begründen Sie mir das einmal! Sie haben mit Ihrer eigenen Unterschrift die ganze Republik belogen, Herr von und zu Schallenberg. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Kollege Steiner! Einer heißt Steiner, einer heißt Raggl, und einer heißt Schallenberg. Ich glaube, es ist nicht angebracht, dass man sich über Fami­liennamen lustig macht. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Habe ich den Familiennamen falsch ausgesprochen, Herr Präsident?


Präsident Dr. Peter Raggl: Sie haben ihn in einer sehr lächerlichen Weise ausge­sprochen.


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Ach so! Bewerten Sie da oben jetzt meine Reden? Wie ich das sage, ist schon noch meine Sache. Jetzt reicht es mir dann mit Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, Herr von und zu Schallenberg, geben sich und Ihre angebliche Reputation für einen korrupten Emporkömmling mehr als nur leichtfertig auf. Ihre adeligen Vorfahren werden wahrscheinlich gerade in den Gräbern und Urnen rotieren: so viel Gier nach Macht, so viel Gier nach Einfluss, gepaart mit dem widerlichen Trieb, unbedingt alle Skandale und Machenschaften dieser türkisen Partie unter der Tuchent zu halten. Für diese unrühm­liche Aufgabe, Herr Schallenberg, geben Sie sich nun her. Es ist eigentlich traurig, was


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aus einem Diplomaten werden kann. Es zeigt aber Ihren persönlichen Charakter mehr als deutlich, Herr Schallenberg.

Apropos Diplomat: Diese Amtsbezeichnung hat Sie ja quasi ins Außenministerium geschwemmt. Sucht man aber nach umgesetzten Projekten, nach Akzenten, die Sie gesetzt haben, so sucht man vergeblich. Das Einzige, womit Sie als Außenminister aufgefallen sind, war ein dubioses Video, in dem eine Atombombe auf Wien abgeworfen wird. Was Sie damit allerdings bezwecken wollten, wissen wahrscheinlich nicht einmal Sie selber. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun ist es ja völlig egal, Herr Schallenberg, ob Sie persönlich dann als Kanzler Akzente setzen wollen oder gar eine ordentliche Regierungsarbeit betreiben möchten. Das macht sowieso jemand anderer, das macht dann der gefallene Ex-Kanzler für Sie. Sie nannten ihn Schattenkanzler, der mit Schallenberg macht, was er will.

Zur Erinnerung: Beim Kasperltheater sieht es genauso aus (eine Kasperlpuppe in die Höhe haltend): Oben sieht man die Puppe, und unten, im Verborgenen, befindet sich der Puppenspieler. Sie, Herr von und zu Schallenberg, brauchen sich also überhaupt keine Gedanken zu machen, wie Sie dieses eigentlich ehrenvolle Amt anlegen werden. (Zwi­schenruf des Bundesrates Kolland.) Dies macht erstens ein anderer für Sie, und zweitens wird Ihre Regentschaft nicht allzu lange andauern, denn die Regierung wird in kurzer Zeit implodieren, und dann ist es mit der Schallenbergmarionette sowieso vorbei.

Was von Ihnen und Schattenbasti aber jetzt schon bleibt, ist eine rigorose Impfapartheid, einhergehend mit der Unterdrückung der Ungeimpften und dem Versuch, die Bürger zur Nadel zu treiben. Sie nannten die Ungeimpften „Zauderer und Zögerer“. – Herr von und zu Schallenberg! Ich nenne euer korruptes türkises System Gauner und Erpresser. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie drohten damit, dass die nächsten Monate für alle Ungeimpften schwierig würden. Sie wollen also die Ungeimpften zur Nadel jagen, Herr Schallenberg. – Ich sage Ihnen jetzt eines: Die nächsten Monate werden für Sie schwierig werden, denn wir werden dieses korrupte türkise System jagen. Von Ihnen und Ihrem Intimus Kurz bleibt der schale Geschmack der Korruption, des Vertuschens und der unglaublichen Gier nach Macht, koste es, wen und was es wolle.

Ich weiß schon, Herr Schallenberg, dass das unangenehm ist und dass Sie jetzt des­wegen immer nach unten schauen. Sie können mich aber gerne einmal anschauen, wenn ich das aufzeige. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da geht es nämlich um Sie, da geht es nicht um irgendjemand anderen. Das ist Ihre Erklärung, für Sie ist der ganze Bundesrat zusammengekommen, also erwarte ich auch, dass Sie zuhören und danach auch darauf eingehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Von Ihnen bleibt die Aufhetzung, von Ihnen bleibt die Spaltung der Bevölkerung bis tief in die Familien hinein. Es bleibt, dass der Anstand niemals wieder die Grünen wählen wird. Jeder österreichische Staatsbürger wird sich stets an die unfähigste Regierung in der Geschichte der Zweiten Republik erinnern müssen.

Meine Fraktion wird euch heute noch in jedem Bereich, in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Bildung, Sicherheit, Justiz sowie in vielen anderen Bereichen, den Spiegel eures Versagens vorhalten. Wir werden aber nicht nur aufzeigen, wo ihr überall versagt habt, sondern wir werden auch unserem Anspruch gerecht und werden Verbesserungs­vorschläge bringen, um dieser Unrechtsregierung auch einen Weg ganz ohne Diskri­minierung, sondern mit Weitblick und mit Hausverstand und ganz ohne den Trieb der reinen Gier zur Macht aufzuzeigen.

Eines allerdings, Mitglieder der Bundesregierung, stimmt mich positiv, und das ist die Geschichte unserer Welt, denn noch jede Unrechtsregierung, egal wo auf dem Planeten,


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ist gefallen, und auch diese Unrechtsregierung wird fallen. Um es mit den Worten eures über sich selbst gestolperten Superbastis zu beenden: „Genug ist genug“. Diese Regie­rung widert mich an. (Beifall bei der FPÖ.)

14.15


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses. – Bitte.


14.15.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­des­kanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Außenminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die auch aufgrund des festlichen Anlasses da sind, Familienangehörige, ich vermute aus Oberösterreich! Als in Bad Ischl Aufgewachsener schaue ich natürlich auch immer besonders in Richtung Oberösterreich und sage natürlich auch im Namen der grünen Fraktion allen Oberöster­reicherinnen und Oberösterreichern: Herzlich willkommen bei uns im Gemeinderat – im „Gemeinderat“, sage ich, ich meine, bei uns im Bundesrat! (Heiterkeit.)

Ich habe deswegen an den Gemeinderat gedacht, weil ich ja in Wien als Gemeinderat politisch aktiv geworden bin, und als Wiener Mitglied des Bundesrates möchte ich mich natürlich auch ganz besonders an Wolfgang Beer erinnern. Er war doch sehr, sehr viele Jahre im Bundesrat. Das erste Mal, als ich hier war, war er schon mein Kollege. Er war ein sehr engagierter sozialdemokratischer Kämpfer aus dem, wie ich finde, wunderbaren Wiener Bezirk Favoriten – das sage ich als Rudolfsheimer –, und er hat in diesem Haus sehr viel zu den Themen Sicherheit und Landesverteidigung beigetragen. Ich möchte einfach im Namen der gesamten grünen Fraktion seiner Familie, den Angehörigen, seinen Freundinnen und Freunden, aber natürlich auch der gesamten sozialdemo­krati­schen Fraktion unser Mitgefühl aussprechen und viel Kraft für die Bewältigung dieses bestimmt sehr schmerzhaften Ereignisses wünschen.

Heute sind wir aber zusammengekommen, weil auch eine andere Form von Bewältigung zu erledigen war, die diese Republik doch sehr bewegte und die nunmehr erledigt werden konnte. In diesem Sinne heiße ich Sie, Herr Bundeskanzler – wir kennen uns ja schon aus anderen Funktionen –, sehr herzlich hier im Haus willkommen.

Auch Sie, Herr Außenminister Linhart – wir kennen einander noch nicht –, möchte ich ganz herzlich hier im Bundesrat willkommen heißen. Ich sage – auch an Sie, Herr Vize­kanzler – gleich zu Beginn etwas, das normalerweise das Schlusswort ist: Ich freue mich tatsächlich aufrichtig auf die zukünftige Zusammenarbeit.

Diese Zusammenarbeit ist nämlich auch das, was es tatsächlich zu sichern galt und immer noch unentwegt zu sichern gilt. Zusammenarbeit von so unterschiedlichen Kräften mit so verschiedenen Perspektiven in vielen Fragen – und das ist bei der ÖVP und den Grünen natürlich so – ist auch eine Garantie für Stabilität und Vertrauen. Die Menschen in Österreich müssen darauf vertrauen können, dass sowohl Regierende als auch im Parlament in beiden Kammern arbeitende Menschen und Vertreter von Parteien miteinander arbeiten können, wenn es notwendig ist, in all ihrer Verschiedenheit und bei allem Streitpotenzial.

Das Wort „Streitpotenzial“ meine ich nicht einmal negativ. Der Streit um die besten Ideen, die besten Konzepte ist nämlich eine Grundvoraussetzung der Demokratie. Wenn dieser Streit aber den Boden der Ideen verlässt und nur noch dazu dient, zu spalten, zu diskreditieren, zum Beispiel mit Namensspielen, wenn Machtstreben einen höheren Stellenwert bekommt als der Dienst an den Menschen für das Wohl des Landes, ja wenn dieses Streben diesem Wohl sogar schadet und das Ziel, unseren Kindern und zukünftigen Generationen einen lebenswerten Planeten zu übergeben, aus dem Fokus


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gerät, wenn wissenschaftlicher Konsens nicht mehr als Ausgangspunkt politischen Handelns anerkannt wird, dann ist das nicht gut für die Republik und für uns alle.

So gesehen sind die großen Herausforderungen, die es nun zu bewältigen gilt, nur dann zu bewältigen, wenn Stabilität und Vertrauen wiederhergestellt werden können. Neu­wahlen oder auch eine Dauerdebatte über anderweitige, möglicherweise illegale Hand­lungen durch Regierungsmitglieder hätten dies nicht zustande bringen können. Reden wir also über diese großen Herausforderungen!

Da ich hier im Haus nicht nur der Fraktionsvorsitzende der Grünen, sondern – das ist halt so in einer kleinen Fraktion – auch der außenpolitische Sprecher bin, kann ich nicht eine zweite Runde zur Außenpolitik machen. Es ist nur ein Grüner im Außenpolitischen Ausschuss, deswegen möchte ich mich, Herr Außenminister, gleich einmal vorab entschuldigen, dass das Thema Außenpolitik in meiner Rede vielleicht etwas zu kurz gerät, aber ich muss hier sozusagen beide Hüte aufsetzen.

Die großen Themen aber, die uns jetzt ohnehin auf nationaler wie auf europäischer wie auch auf internationaler Ebene bewegen, sind ja im Grunde die gleichen: die Pande­miebekämpfung, in welchen Systemen wir weltweit leben und die Klimakrise. Zeit haben wir nicht mehr viel. Es ist ganz klar, dass ich die menschengemachte Klimakrise in meiner Rede natürlich in den Vordergrund rücken möchte, gerade wenn jetzt der Welt­klimagipfel in Glasgow anläuft und es mehr als spannend wird, ob die Erde es noch schafft beziehungsweise ob, wie man immer so schön sagt, die Leader dieser Erde es schaffen, die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu beschränken, oder ob sie doch 2,7 Grad, was im schlimmsten Fall passieren kann, erreicht.

Es gibt leider schon sehr viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von diesem Szenario ausgehen. Gerade heute hat Johan Rockström, der renommierte Klimaforscher aus Schweden, eindringlich skizziert, was eine Erderwärmung um 2,7 Grad bedeuten würde: Es würde bedeuten, dass 3,5 Milliarden Menschen auf diesem Plane­ten in gesundheitsgefährdenden Gebieten leben müssten. Dürren, Überschwemmun­gen, Waldbrände – wir kennen es gerade aktuell auch aus Niederösterreich –, Krank­heiten und unerträgliche Hitzewellen würden in einer Häufigkeit vorkommen, dass die Erde kein besonders schöner Planet mehr zum Leben wäre.

Derzeit kennen wir aber nur einen Ort, der lebenswert ist, wo es eine angenehme Atmosphäre und eine schöne Natur gibt, das ist unser Raumschiff Erde, und um das müssen wir uns kümmern. Ich wünsche daher der Bundesregierung, den europäischen Verbündeten und natürlich der ganzen Welt einen erfolgreichen Weltklimagipfel. Ein Scheitern ist vor allem für die zukünftigen Generationen einfach keine Option.

Auch auf nationaler Ebene, in unserem kleinen, aber eben als Alpennation in dieser Klimafrage gar nicht so unbedeutenden Land, ist vieles im Regierungsprogramm ent­halten, und vieles ist davon auch umgesetzt. Vieles steckt noch in den Startlöchern und braucht eine stabile und verantwortungsbewusste Regierung. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir es geschafft haben, mit einem beispiellosen Projekt wie dem Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz dafür zu sorgen, dass ab 2030 jede Steckdose Strom aus erneu­erbarer Energie liefern wird. Das ist in seiner Dimension, glaube ich, noch gar nicht wirklich bei allen angekommen, aber das ist wirklich ein Riesenschritt. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Das Klimaticket – ich besitze eines – revolutioniert gerade den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und ist zu Recht ein vieldiskutiertes Thema von CNN bis Al Jazeera. Gleichzeitig hat der Nationalrat auch Budgetmittel bereitgestellt, die den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel vorantreiben werden – gerade hier in der Länderkammer ja eine sehr gute Nachricht!


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Ebenso gut ist übrigens auch die Nachricht, dass wieder ein Pfandsystem für mehr Recycling sorgen wird. Die ökosoziale Steuerreform hat dazu geführt, dass eine CO2-Bepreisung kommen wird, und das ist eine fundamentale Änderung der Steuerland­schaft, die sich gewaschen hat.

Andere Themenbereiche kann ich in meiner Rede freilich nur schnell durchstreifen: Wir haben im Budget das größte Gewaltschutzpaket beschlossen, das es in dieser Republik je gab. Das ist vor allem für Frauen enorm wichtig. Es sind noch viele Bereiche aufzu­listen, in denen etwas zu tun ist: Die Justiz ist zu beschützen, damit sie frei ermitteln kann, auch – das hat sich bewährt – die Pressefreiheit ist zu beschützen. Es ist insbe­sondere auch im Bereich der Korruptionsbekämpfung und der Transparenz noch viel zu tun. Eines der besten Mittel gegen Korruption waren und werden immer Transparenz und Offenheit samt zugänglicher, öffentlicher Daten sein. Deshalb ist neben Open Data ein Informationsfreiheitsgesetz so enorm wichtig. Das sage ich auch ganz bewusst in der Länderkammer, weil es durchaus von den Ländern noch Bedenken gibt, die wir auch ernst nehmen müssen, aber: einen offenen und transparenten Staat zu schaffen – auch daran werden wir gemessen werden müssen.

Dass die Pandemiebekämpfung stabile Regierungen auf Bundes- und Landesebene braucht, ist bereits mehrfach hier geäußert worden, auf das möchte ich jetzt nicht mehr genauer eingehen. Ich möchte aber zum Schluss vielleicht doch noch kurz – Frau Kol­legin Eder-Gitschthaler hat es auch schon angesprochen – auf das Sterbeverfü­gungs­gesetz zu sprechen kommen. Der Zugang zur Hilfe zum Suizid ist auf dauerhaft schwer kranke oder unheilbar kranke erwachsene Personen beschränkt, die eine Sterbeverfü­gung bei Notaren oder Patientenanwälten errichten dürfen. Dafür müssen noch zwei Ärzte oder Ärztinnen konsultiert werden, und dann ist man berechtigt, ein tödliches Prä­parat über eine Apotheke zu beziehen.

Dieses schwierige Thema, dieses hochsensible Thema hat gezeigt, wie zwei Gruppie­rungen, die sehr unterschiedliche Ansichten haben, auf hochsensiblem Gebiet gemein­sam eine gute Lösung finden können. Deswegen finde ich es so wichtig, dass wir weiter zusammenarbeiten, und ich wünsche Ihnen daher auch alles erdenklich Gute dafür. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.26


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.


14.26.24

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Außen­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte an dieser Stelle damit beginnen, der SPÖ-Fraktion, der Familie und den Freunden von Wolfgang Beer mein Beileid auszusprechen. Unsere Funktionsdauern haben sich nur elf Monate überschnit­ten, aber bereits diese haben ein eindrückliches positives Andenken an ihn bewirkt.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler – ich werde mich kurz halten, weil ich dann ein zwei­tes Mal drankomme, um auf den Herrn Außenminister zu replizieren –, Ihr erstes State­ment als Bundeskanzler hat mich an ein Zitat eines Ihrer Amtsvorgänger erinnert: Alles, was ich bin, bin ich nur durch die Partei! – Jetzt verlangt man von Ihnen zwar nicht, dass Sie als Bundeskanzler so wie ein Bundespräsident, Nationalratspräsident oder Bundes­ratspräsident überparteilich agieren, aber doch, dass, wie wir es aus Amerika oft gehört haben, das Prinzip country over party gilt, dass Sie ein Bekenntnis zur Justiz, zum Rechtsstaat, zur Medienfreiheit abgeben, dass Sie das auch so ausleben, dass Sie politischen Themen, denen von der Bundesregierung in dieser Periode bisher keine


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Priorität beigemessen wurde, diese Priorität geben und die Umsetzung beschleunigen: Das sind die Reformen auf den Gebieten der Parteienfinanzierung, die Informations­freiheit, die Abschaffung der kalten Progression oder der Rechtsanspruch auf Kinderbe­treuung auch am Nachmittag. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Detail möchte ich nur auf einen Punkt, den auch Sie angesprochen haben, bei dem wir uns einig sind, eingehen, nämlich auf die Steigerung der Impfquote, die ja kein Mittel zum Zweck ist, sondern erwiesenermaßen eines der besten Mittel, um die Pandemie einzudämmen und schließlich auch zu beenden. Sie haben gesagt: Wir müssen uns noch mehr anstrengen, noch besser informieren! – Die Frage ist: Warum sollte sich aber das Ergebnis ändern, wenn sich das Verhalten nicht grundlegend ändert?

Jetzt haben wir den Vorteil – Österreich hat den Vorteil –, dass wir einen Verhaltensöko­nomen in der Regierung haben. Dazu gibt es, weil wir in Österreich von dieser Pan­demie, wie der Name schon andeutet, ja nicht allein betroffen sind, Best-Practice-Bei­spiele auf der ganzen Welt, auch Vorbilder in der EU, wie man die Impfquote steigern kann. Da gibt es verschiedene Modelle, die wir noch nicht einmal probiert haben. Ein Modell – eine Impflotterie – ist im Burgenland probiert worden. Jetzt ist die Frage – da gibt es unterschiedliche Studien darüber –, was das bringt, wie viel das bringt. (Bundes­rätin Schumann: Funktioniert hat es!) – Ja, es gibt eine Korrelation mit der Impfquote, aber eine Kausalität ist es damit noch nicht, also das müsste man eindringlicher unter­suchen.

Was aber erwiesenermaßen funktioniert (Bundesrat Schennach: Die Zahlen stimmen!), ist zum Beispiel, den ungeimpften Personen Impftermine oder Vorschläge für Impf­termine – weil es ja nicht verbindlich ist – zuzuschicken, wie Dänemark das gemacht hat, oder auch die Alternativen zur Impfung – nämlich die Tests –, die es bei uns ja immer noch gleichgestellt gibt (Ruf bei der FPÖ: Glücklicherweise!), nicht mehr gleich bequem zu machen. Es fängt jetzt glücklicherweise schon damit an, dass die Wohnzimmertests nicht mehr gleichgestellt sind. Die Antigentests sollte man auch diesen Weg schicken. Relevant sind die PCR-Tests. Im Unterschied zu dem, was wir gestern aus Oberöster­reich gehört haben, macht das einen wesentlichen Unterschied zu den Antigentests.

Wie kann das gelingen? – Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dabei wäre, dass Sie sich von Ihrem Amtsvorgänger emanzipieren, dass Sie nicht auf österreichischen Medwedew machen. Sie müssen sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem Sie auf ihr hinaufge­stiegen sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu einer Erklärung hat sich Außenminister Linhart zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


14.31.35

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Linhart: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Österreicherinnen und Öster­reicher! Herzlichen Dank für die Möglichkeit, mich im Zuge der Debatte zur Regierungs­erklärung an Sie alle zu wenden! Es ist mir eine Ehre, zum ersten Mal in meiner Funktion als Außenminister zu Ihnen, werte Damen und Herren des Bundesrates, zu sprechen. Als Diplomaten sind wir es ja gewohnt, uns für unser Land, für Österreich, im Ausland, aber auch im Inland einzusetzen, und ich sehe es als Chance, dies nun auch als Außen­minister zu tun.


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Vor drei Wochen habe ich dieses Amt mit großem Respekt und großer Demut angetre­ten. Wie bereits in den vergangenen Jahren im diplomatischen Dienst lasse ich mich dabei von Werten leiten: Dialog und Verbindlichkeit bei klarer inhaltlicher Position im Einsatz für unser Land. Ich darf Ihnen versichern: Österreichs Diplomatie steht nie still. Die Arbeit geht seither nahtlos weiter, denn auch die außenpolitischen Krisen und Krisenherde stehen nicht still. In Syrien und im Jemen herrscht die Sprache der Gewalt anstelle des Dialogs. Das Wiener Atomabkommen mit dem Iran hängt an einem sei­denen Faden. In Belarus, Myanmar oder Nicaragua wird den demokratischen Kräften die Luft zum Atmen genommen. Die Grausamkeiten des islamistischen Terrorismus blicken uns aus immer mehr afrikanischen Staaten – von Mali, Somalia bis Mosambik – entgegen.

Afghanistan entwickelt sich zu einem sicherheitspolitischen schwarzen Loch, das die gesamte Region destabilisieren könnte. Die Entwicklungen in und um Afghanistan werden thematisch im Zentrum meiner Reise in die zentralasiatischen Staaten Kirgisis­tan, Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan stehen, die ich bereits morgen antre­ten werde, und sie standen auch letzte Woche im Mittelpunkt meiner Reise nach Katar.

Nicht nur die Region um Afghanistan, sondern die gesamte Golfregion ist im Wandel. Die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungen in dieser Region sind enorm. Ich bin überzeugt, dass es in unserem Eigeninteresse ist, diese Dynamik zu begleiten und positiv zu beeinflussen. Gleichzeitig verlaufen durch die Region Bruch­linien. Als Österreicher wollen wir dazu beitragen, dass Spannungen abgebaut werden und das gegenseitige Vertrauen gestärkt wird. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs über­nimmt den Vorsitz.)

Von besonderer geopolitischer Bedeutung ist für mich auch die Region des Westbal­kans. Sicherheit und Stabilität am Westbalkan bedeuten auch für uns und ganz Europa Sicherheit und Stabilität. Deshalb hat mich meine erste Auslandsreise als Minister noch in der Woche meiner Angelobung nach Sarajevo und damit in die Region des West­balkans zu unseren Nachbarn, Freunden und hoffentlich in absehbarer Zeit auch Ver­bündeten innerhalb der Europäischen Union geführt.

Angesichts dieser weltweiten Herausforderungen steht eine enge Abstimmung mit den EU-Partnern für mich als überzeugten Europäer im Zentrum. Wir brauchen eine starke Europäische Union, eine Wertegemeinschaft, einen Champion für eine auf Regeln basierende Weltordnung – wo die Herrschaft des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gilt.

Bereits wenige Tage nach Amtsantritt hatte ich die Gelegenheit, mich in Luxemburg mit meinen EU-Amtskolleginnen und -Amtskollegen auszutauschen, denn ich glaube, nur in enger Partnerschaft mit unseren europäischen und internationalen Verbündeten können wir die Herausforderungen von heute und morgen – wie zum Beispiel die globale Covid-19-Krise und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen, die Chancen und Risken, die der Einsatz neuer Technologien mit sich bringt, oder den Klimawandel als die entscheidende Aufgabe heutiger und künftiger Generationen – bewältigen.

Da gibt es auch verschiedene Formate: gerade in der Nachbarschaftspolitik, in der es auch Interessen, Berührungspunkte mit den Bundesländern und Potenzial, ja, ich glau­be, Notwendigkeit für eine Zusammenarbeit gibt. Mir ist es ein persönliches Anliegen, die erfolgreiche Zusammenarbeit im Format der Slavkov-Staaten – also Tschechien, Slowakei und Österreich – sowie auch mit den Central Five – da kommen Ungarn und Slowenien dazu – fortzusetzen und weiter zu intensivieren, denn gerade die multilaterale Kooperation war und ist einer der wichtigsten Schlüssel bei der gemeinsamen Bekämp-


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fung der Coronapandemie und ebenso wichtig beim wirtschaftlichen Wiederaufbau. Da­rum liegt auch einer meiner Schwerpunkte jetzt auf Refocus Austria, unserem Come­backplan für die heimische Wirtschaft auf der ganzen Welt. Auch da ist der enge Aus­tausch mit unseren Nachbarn und Partnern essenziell, daher war das auch einer der Schwerpunkte beim Treffen mit meinen C5-Kollegen vor zwei Wochen in Wien.

Meine Damen und Herren Bundesräte, ich versichere Ihnen, dass wir weiterhin unsere Stimme erheben werden: für friedliche Lösungen von Konflikten am Verhandlungstisch, für die Menschenrechte und Grundfreiheiten, die für mich ein universelles Gut darstellen, gegen jegliche Form des Antisemitismus, für eine starke transatlantische Partnerschaft, die es erlaubt, unser Lebensmodell gegen autoritäre Gegenentwürfe zu verteidigen, und für unsere offene, pluralistische und demokratische Gesellschaft, denn ich bin über­zeugt, dass dieser Wertekatalog Grundstein unserer Stabilität und unseres Wohlstands ist, dass unser diplomatischer Einsatz dafür ein Mehr an Sicherheit für die Österreiche­rinnen und Österreicher bringt.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich sehr auf die große Herausforderung, die vor mir liegt. Ich möchte mich an dieser Stelle auch für das Vertrauen, das Sie in mich setzen, ganz herzlich bedanken – insbesondere aber auch bei dir, Herr Bundeskanzler, lieber Alexander, aber auch bei Bundesparteiobmann Sebastian Kurz. Als Teil des ÖVP-Regierungsteams freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit all meinen Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Bundesregierung, mit dem Hohen Haus und mit Ihnen, liebe Damen und Herren Bundesräte. Vor uns liegt eine spannende und intensive Zeit, in der es gilt, gemeinsam bestmöglich für die Österreicherinnen und Österreicher im In- wie im Ausland zu arbeiten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

14.38


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


14.39.05

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Herr Außenminister! Sehr geehrte Kol­leginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn dem Herrn Bundesminister sehr herzlich danken und vor allem auch mit der Mär aufräumen, dass der Herr Bundeskanzler, anstatt an der letzten regulären Bundesrats­sitzung teilzunehmen, lieber nach Brüssel gefahren sei. Der Respekt, den der Herr Bundeskanzler gemeinsam mit dem Herrn Vizekanzler und dem Herrn Außenminister dem Bundesrat entgegengebracht hat, zeigte sich darin, dass er sofort zur Sitzung kom­men und hier eine Erklärung abgeben wollte. Leider war das von der Opposition in dieser Form nicht gewünscht – das auch zur Wertschätzung, die hier schon mehrmals einge­fordert wurde. (Bundesrätin Grimling: Um 7.30 Uhr ...! – Bundesrätin Schumann: Genau, um 7.30 Uhr ...!)

Es ist eine große staatspolitische Verantwortung, die Funktion des Bundeskanzlers zu übernehmen, und diese hat Bundeskanzler Schallenberg eben übernommen. Gerade in einer Zeit der Pandemie gilt es, für Stabilität zu sorgen. Diese Zeit der Pandemie ist keine Zeit für Experimente, beispielsweise einer Vierparteienregierung von Kickls Gnaden. Für diese notwendige Stabilität wird Bundeskanzler Schallenberg gemeinsam mit den Mitgliedern der Bundesregierung sorgen.

Er hat heute auch schon klar und deutlich gesagt, dass er diese Aufgabe mit aller Kraft und mit Respekt erfüllen wird. Die Basis dieser Koalition zwischen der neuen Volkspartei


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und den Grünen ist natürlich das Regierungsprogramm. Auf dieser Basis die Arbeit fortzusetzen, das ist der erklärte Wille des Bundeskanzlers und aller Mitglieder dieser Bundesregierung.

Willkommen heiße ich auch Herrn Außenminister Michael Linhart, er ist ein profunder Kenner der Außenpolitik, ein erfahrener Diplomat. Danke für die Übernahme dieser Funktion! Ich glaube, beide Mitglieder der Bundesregierung in ihren neuen Funktionen sind die richtigen Persönlichkeiten am richtigen Platz. Ich wünsche beiden alles Gute, und die Unterstützung unserer Fraktion ist euch beiden gewiss. (Beifall bei der ÖVP.)

Sebastian Kurz, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat in den letzten Jahren Österreich nach vorne gebracht. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Die Zeitung „Österreich“!) Er hat Reformen eingeleitet, die es vorher nie gab (Bundesrätin Grimling: Genau! Die Nachmittagsbetreuung! 1,2 Milliarden!): Der Familienbonus Plus wurde schon angesprochen, zweimal ausgeglichenes Budget, großartige Pandemie­be­kämpfung, weltweit ein Spitzenrang. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist das Ergebnis, und das sind die Fakten. Die ökosoziale Steuerreform wurde ausgearbeitet (Bundesrätin Grimling: 1,2 Milliarden! Die Kinderbetreuung!), sie bringt gewaltige Entlastungen, insgesamt 16 Entlastungen und eine Bepreisung. Das ist etwas, was sich wirklich sehen lassen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Wahlkampf! ÖVP macht Wahlkampf! Schau ich mir an! Wann wählen wir? Wann wählen wir?)

Weil die Kinderbetreuung schon angesprochen wurde: In diesem Bereich sind seit 2015 1,6 Milliarden Euro ausgegeben worden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Entschuldigen Sie bitte, Frau Kollegin Schumann von der Sozialdemokratie, es wird ja doch auch unterschiedliche Zugänge politischer Natur geben dürfen (Bundesrätin Schumann: Ich entschuldige nicht! Tut mir leid!), und dass wir als Volkspartei nicht für eine verpflichtende Ganztagsschule sind, das dürfte sich auch in Ihren Kreisen schon längst herumgesprochen haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sebastian Kurz hat nach den ungeheuerlichen Anschuldigungen und Vorwürfen Größe gezeigt, persönliche Größe, und einen Schritt zur Seite gemacht, damit Österreich stabil weitergeführt werden kann (Bundesrätin Schumann: Ja, weil die Landeshauptleute gesagt haben, er muss gehen!), damit die Arbeit, die von den Kolleginnen und Kollegen schon angesprochen wurde, auch ordnungsgemäß weitergeführt werden kann. Er selber wird alles dazu tun, die Vorwürfe aufzuklären und auszuräumen.

Leider gilt diese Verantwortung für Österreich und für die Menschen in diesem Land für die Opposition nicht. Dabei wäre es angesichts der Aussagen der Rechtsschutzbeauf­tragten Gabriele Aicher, die jetzt mit all den Vorwürfen gegen den Bundeskanzler im Raum stehen, für die Opposition schon auch einmal notwendig, runter vom Turbo zu gehen. Das wäre angesagt und ganz, ganz, ganz dringend. (Bundesrätin Schumann: Genau! Die Ermittlungsbehörden werden nichts mehr finden! Eine eigene Presse­konfe­renz!) Längst geht es euch nicht mehr um Österreich, sondern es geht euch um: Kurz muss weg! (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Es geht euch darum, einen erfolg­reichen Politiker, der bei Wahlen nicht zu schlagen war, wegzukriegen!

Wenn ich die SPÖ anschaue (Bundesrätin Schumann: Seit wann schaut man uns an? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), dann habe ich als langjähriger Politiker den Ein­druck: Demokraten, liebe Kolleginnen und Kollegen, seid ihr nur dann, wenn am Ball­hausplatz ein roter Bundeskanzler sitzt (Rufe bei der SPÖ: Oje! Ja!), wenn SPÖ-Minister in den Ministerien sitzen! (Beifall bei der ÖVP.) Ansonsten gibt es für Sie nur Gefahr für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wenn einmal kein SPÖ-Bundeskanzler am Ballhausplatz sitzt, ja was ist dann? – Dann hyper­ventiliert ihr, dann kriegt ihr Schnappatmung und vergesst eure Grundwerte! (Ruf bei der


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SPÖ: Und „Blutrausch“! Nicht vergessen, „Blutrausch“!) Dann kriegt ihr Schnappatmung, und Grundwerte werden über Bord geworfen. (Bundesrätin Hahn: 1,2 Milliarden Euro!) Ihr werft mit Dreck nur so herum!

Ich denke auch noch zurück an die Zeit, als Wolfgang Schüssel vorgeworfen wurde, er habe eine illegale Pflegerin für die Schwiegermutter. Auch jetzt, was den Herrn Bundes­kanzler außer Dienst Sebastian Kurz betrifft, sind alle bemüht, ihn von einem sauberen zu einem schmutzigen Kandidaten zu machen. Das sehen Sie als Ihre Aufgabe. Ich habe Ihnen das schon das letzte Mal gezeigt: Tal Silberstein war Ihr Berater in all diesen Din­gen. (Rufe bei der SPÖ: Meine Güte! Ja! „Blutrausch“!)

Und heute stellt ihr euch her, verurteilt öffentlich. (Bundesrätin Schumann: So große Ängste vor der Sozialdemokratie! Oje, oje!) Es ist nicht nur eine Vorverurteilung, die Sie hier an den Tag legen. Es ist Verurteilung in einer selbstherrlichen Oppositionsmanier, Selbst­gefälligkeit, und mit einer Doppelmoral, ein Moralapostelspiel sondergleichen. (Bundesrätin Grimling: Selbstherrlich, „Blutrausch“, wurde uns auch schon nachge­sagt!)

Glauben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Spiel durchschauen immer mehr Menschen in diesem Land (Bundesrätin Schumann: Ja, das glaub ich!), genauso wie die Respektlosigkeit und die Herabwürdigung von Herrn Bundeskanzler Schallenberg durch Kollegen Steiner. Das ist unüberbietbar. (Bundesrätin Grimling: Danke für den „Blutrausch“!) – Für dieses Wort werde ich mich noch entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich es gesagt habe. (Bundesrätin Grimling: Viel zu lange haben Sie gebraucht dazu!) – Ja, das mag schon sein. (Bundesrätin Grimling: Viel zu lange! Viel zu lange!) – Andere entschuldigen sich nie für irgendetwas.

Diese Respektlosigkeit des Herrn Kollegen Steiner gegenüber dem Bundeskanzler ist unüberbietbar, und das ist nichts, worauf man stolz sein kann, sondern etwas, wofür man sich ganz einfach nur schämen muss. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Die Vor­würfe, die er geäußert hat, sind zurückzuweisen, und jene, gerade jene, die in Sonntags­reden Freiheit und Grundrechte beschwören, wie ihr von der FPÖ, treten diese, gerade was die Unschuldsvermutung betrifft, mit Füßen. (Bundesrat Ofner: Ihr habt es über Bord gehaut!) Ihr Kasperltheater richtet sich von selbst und entspricht auch nicht der Würde dieses Hauses. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Wenn ich dann Kollegen Kickl von der FPÖ höre – die vierte Welle wird die stärkste Welle und schuld ist die Regierung, weil sie auf die Impfung setzt (Bundesrätin Steiner-Wieser: Richtig!) –, dann frage ich Sie, meine Kollegen von der FPÖ: Geht’s noch? Sie torpedieren die gesamten Coronamaßnahmen, verweigern sogar hier im Haus das geringste Problem, das diese Pandemie mit sich bringt, nämlich das Tragen von Masken – das verweigern Sie! (Bundesrat Spanring: Ihr tragt sie ja selber nicht! Lächerlich! Das glaubt euch kein Mensch! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ist es wirklich so schwer zu verstehen, dass ihr mit euren Maßnahmen, mit eurer Agitation kein Teil der Lösung dieses Problems seid, sondern ein genauso gefährlicher Teil des Prob­lems wie das Virus selbst?!

Eure Fundi-Opposition hat ganz maßgeblich zur Spaltung der Gesellschaft geführt. (Ruf bei der FPÖ: Das macht schon ihr!) Eure Fundi-Opposition ist verantwortungslos und demokratiepolitisch ein Skandal! (Beifall bei der ÖVP.) Dem Fass den Boden ausge­schlagen hat euer selbstgefälliger und selbstherrlicher Nationalrat aus dem Bezirk Lilien­feld vorigen Donnerstag. Im Bezirk Lilienfeld wurden Ausreisekontrollen verordnet, weil die Inzidenz sehr, sehr hoch war, und er hat ein Video veröffentlicht, das folgender­maßen kurz zusammengefasst werden kann: Unwahrheit, Unwahrheit und Verhetzung. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Und euer Bürgermeister in Mödling?!) Alle Zahlen waren falsch. Er sprach von Ausreisesperren: Das ist unwahr. Er sprach von Missbrauch durch


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die Polizei, die die Pendler schikaniere: Unwahrheit und Verhetzung. Es werde Verkehrs­chaos geben, bei den Ausreisen und bei den Einreisen, bei den Einreisen werde nicht kontrolliert: Das ist Unwahrheit und Verhetzung. (Bundesrätin Grimling: Hat aber mit dem Bundeskanzler und mit dem Außenminister nichts zu tun!)

In 2:17 Minuten so viel an Unwahrheit und Verhetzung unterzubringen, das schafft (Bundesrat Spanring: Das schafft normalerweise nur Sebastian Kurz!) nur einer. Kollegen, ihr habt jede staatspolitische und gesundheitspolitische Verantwortung wegge­worfen und euch davon entfernt. Wir als Volkspartei, wir werden uns nicht in unserer Arbeit beirren lassen! Wir werden unsere Verantwortung auch weiter wahrnehmen, für die Gesundheit der Bevölkerung, aber auch für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze (Hei­terkeit der Bundesrätin Schumann), damit Österreich weiterhin erfolgreich geführt wer­den kann, und Bundeskanzler Schallenberg ist der Mann an der Spitze der Regierung, der diese Verantwortung hauptsächlich innehat und mit ganzer Kraft für Stabilität für die Menschen in unserem Land sorgen wird. Er hat es heute klargemacht: Seine Hand zur Zusammenarbeit ist ausgestreckt. Ich lade herzlich ein, dieses Angebot auch anzu­nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Nach der Rede?! Nach der Rede die Hand ausstrecken?!)

14.49


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


14.50.06

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Herr Außenminister! Lassen Sie mich, bevor ich mit der Rede beginne, einige Worte zu Wolfgang Beer verlieren: Wolfgang Beer war ein großartiger Sozial­demokrat, ein großartiger Mensch. Mein Beileid gilt natürlich seiner Familie, im Beson­deren aber heute dir, Korinna, ich weiß, dass dieser Gang heute sehr schwierig war. Auch euch, Elisabeth, Stefan und Daniela, der ganzen Wiener Fraktionsgruppe, möchte ich mein Beileid ausdrücken. Ich weiß, dieser Tag ist für euch sehr schwer.

Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Rede im Sinne von Wolfgang Beer anlegen. Wolfgang Beer hat die Dinge – das hat Christoph Steiner vorhin gut gesagt – immer klar angesprochen. Er hat immer ganz klar gesagt, was Sache ist. Er hat gut zugehört, aber auch immer Klartext gesprochen. Er hat das Herz am richtigen Fleck gehabt, und in seinem Sinne möchte ich diese Rede heute anlegen.

Herr Bader! – Er ist wieder rausgegangen. – Herr Bader (Bundesrätin Eder-Gitschthaler – auf den in den hinteren Reihen stehenden Bundesrat Bader zeigend –: Da ist er!), es ist immer wieder unfassbar, wie man auf diese Weise Kindsweglegung betreiben kann. Die ÖVP hat in den letzten Wochen ja im negativen Sinne Unfassbares geleistet. Herr Bun­deskanzler, ich habe gesehen, wie Sie bei der Rede von Frau Dr. Gitschthaler (Bundes­rätin Eder-Gitschthaler: Eder-Gitschthaler!) – Eder-Gitschthaler, Entschuldigung – ein bisschen betroffen geschaut haben, ganz gefallen hat Ihnen diese Rede nicht, nämlich herumzuschlagen und auf andere noch hinzuschlagen, obwohl man einen solchen Bundeskanzler in der Republik hatte, ihn jetzt als Klubobmann installiert hat und diesen manipulativen Vorgang in den letzten nicht Wochen, sondern Jahren noch guthieß. Es ist für mich unfassbar, dass man das noch machen kann: auf andere praktisch noch hinzuschütten und alle anderen Parteien hier praktisch noch schlechtzureden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Ich möchte auf Ihre Rede eingehen, Herr Bundeskanzler. Sie haben in Ihrer Rede ge­sagt, es ist wichtig, von diesen Turbulenzen, die wir jetzt in den vergangenen Wochen hatten – ich frage: Warum hatten wir Turbulenzen in den vergangenen Wochen?, Wer


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war der Auslöser? –, in ruhige Fahrwasser zu kommen. In ruhige Fahrwasser sollen wir jetzt kommen. Erstens einmal: Warum müssen wir in ruhige Fahrwasser kommen? Was ist eigentlich los? Glauben Sie wirklich, dass wir in einem ruhigen Fahrwasser sind? Glauben Sie das wirklich? Glauben Sie nicht, dass in den nächsten Wochen, in den nächsten Monaten noch einiges aufbrechen wird? Das ist jetzt nicht persönlich gemeint, Herr Bundeskanzler oder Herr Vizekanzler, wir werden uns wahrscheinlich in einigen Monaten hier wieder treffen, aber nicht mehr mit einer Regierung aus ÖVP und Grünen. (Bundesrat Bader: Oh?) Das wird es nicht mehr geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe es letztes Mal schon gesagt (Bundesrat Bader: Prophet! Prophet!), zwischen Grünen und ÖVP herrscht Eiszeit, auch hier im Bundesrat. Wenn man die Mandatare genau beobachtet, sieht man: Das schaut nicht gut aus. Hier werden intern nur noch wenige Worte gewechselt. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich glaube, die nächsten Wochen und Monate werden noch zeigen, wie schwierig das wird.

Ich sage Ihnen auch, Herr Bundeskanzler: Warum sollen wir, auch rückblickend ge­sehen, diese Regierung eigentlich großartig unterstützen? Sie erklären uns, dass die ökosoziale Steuerreform ein riesengroßer Wurf ist. Der Herr Vizekanzler hat das vorhin gemacht. Ich werde ein paar Zahlen, Daten und Fakten aufzählen. In der Vergangenheit haben Sie jedoch eigentlich gegen unsere Menschen gearbeitet. Ich vergesse das nicht. In wenigen Wochen, am 1. Jänner 2022, endet die Hacklerregelung, meine Damen und Herren! Millionen von Österreichern können sich bei Ihnen bedanken, dass sie in Zukunft 300 Euro, 400 Euro weniger Pension bekommen werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Das vergesse ich nicht! Das vergessen wir nicht! (Beifall bei der SPÖ.) Da können Sie jetzt alle mit dem Kopf so runtertauchen, wir werden es der Bevölkerung weiterhin kundtun. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Herr Vizekanzler, zu dieser Steuerreform, die Sie angesprochen haben, habe ich mir die Zahlen wirklich genau herausgeschrieben. Ich möchte Ihnen jetzt am Beispiel Burgen­land, meinem Heimatbundesland, sagen, was das für uns bedeutet. Die Steuerreform kostet das Land Burgenland in Zukunft Ertragsanteile von 30 bis 50 Millionen Euro im Jahr. So viel kostet uns diese Steuerreform.

Die Diskussion um 100 Euro auf oder ab beim Klimabonus spaltet bei uns bereits die Regionen und lenkt davon ab, dass die Steuersenkungen fast ausschließlich an die obere Einkommenshälfte und an Großbetriebe geht. Ich habe das das letzte Mal aufge­zählt. Da ist Red Bull dabei, die OMV. Wir streiten bei kleinen Pensionisten noch wegen 10, 20, 30 Euro im Monat herum. Das ist schon mehr als peinlich. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) – Herr Bader, hören Sie jetzt gut zu! Personen, mit einem Monats­ein­kommen von unter 1 200 Euro profitieren gar nicht von der Lohnsteuersenkung, über­haupt nicht, null! Personen mit einem Einkommen von 6 000 Euro und darüber profitie­ren am meisten. Was ist daran sozial, wenn die am meisten profitieren, und die, die es jetzt brauchen würden, nicht? Stichwort Gaspreise, Benzinpreise, Spritpreise: Das ist das Nächste, es hat mich auch sehr geärgert, Herr Vizekanzler, dass Sie sich herstellen und von einem riesengroßen Wurf sprechen. Was für ein großer Wurf? Für einen Pendler ist es ein großer Wurf? Fahren Sie einmal zur Tankstelle! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Fahren Sie einmal zur Tankstelle, jetzt schon, und fahren Sie nächstes Jahr im Jänner wieder hin, dann sind die Preise nämlich noch einmal um 8 oder 10 Cent höher! (Bun­desrat Steiner: ... elektrisch!) Da kann ich locker reden, wenn ich öffentliche Verbin­dungen oder vielleicht eine Straßenbahn, eine U-Bahn in der Nähe habe. (Bundesrat Spanring: So ist es!) Das haben viele nicht, die meisten Österreicher haben das nicht. Wir haben genau die Menschen getroffen, die es eigentlich nicht treffen sollte, nämlich wirklich die ärmsten in den Regionen. Ich habe euch einige Beispiele mitgebracht.


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Der Klimabonus ist für uns im Burgenland quasi ein Klimamalus, sage ich ganz offen. Die Mehrkosten ab 2022, durchschnittlich gerechnet, sind folgendermaßen: 392 Euro beträgt die jährliche Verteuerung des Sprits. Bei 392 Euro abzüglich 200 Euro Klima­bonus, den Sie ausschütten, bleiben 192 Euro Verlust. Da rede ich noch gar nicht von der Inflation, die uns hart trifft; sie liegt bei 3,4 Prozent, und die Metaller müssen jetzt bei 2,4 Prozent herumstreiten, das nur so nebenbei. Dazu kommen jährlich 180 Euro Mehr­kosten für die Ölheizung. Ein durchschnittlicher Haushalt in Österreich hat ab 2022 insgesamt 372 Euro Mehrkosten für Sprit plus Ölheizung pro Jahr – trotz Klimabonus. Das müssen Sie mir wirklich erklären!

Ich nehme das Beispiel einer alleinstehenden Pensionistin. Eine Pensionistin lebt allein in ihrem alten Haus im Südburgenland. Geheizt wird, wie bei vielen Pensionisten bei uns am Land, mit einer Gas- oder mit einer Ölheizung, in ihrem Fall mit einer Gasheizung. Seit ihr Mann verstorben ist, ist sie auf den Heizkostenzuschuss des Landes Burgenland angewiesen. Ein Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung ist finanziell außer Reich­weite, meine Damen und Herren, außer Reichweite! Wir können locker über 10 000, 20 000 Euro reden – das ist für diese Menschen unerreichbar! Obwohl diese Frau im Winter nur dank des Heizkostenzuschusses ein warmes Zuhause hat, wird sie nun von Türkis-Grün mit Mehrkosten von rund 146 Euro im Jahr bestraft – 146 Euro! Von einer Befreiung für diese sozial schwächeren Menschen in unserer Gesellschaft ist nichts zu hören und nichts zu lesen!

Meine Damen und Herren, ich möchte noch eines anmerken, weil das heute noch nicht gefallen ist. Wir leben wirklich in einer schwierigen Zeit, auf der einen Seite die Pan­demie, auf der anderen Seite war gestern, 2. November, der Jahrestag des Terroran­schlags. Ich habe heute mit dem Herrn Bürgermeister von Wien, Michael Ludwig, sprechen können, der mir davon berichtet hat, wie er mit den Angehörigen der Opfer umgegangen ist: Er hat sie eingeladen – ich möchte an dieser Stelle auch noch den Herrn Vizekanzler und Herrn Bundespräsidenten Van der Bellen loben –, er hat die Opferangehörigen eingeladen, hat mit ihnen gesprochen, hat geantwortet. Der Einzige, der nicht einmal irgendetwas gemacht hat, war der verantwortliche Minister der Republik Österreich, Innenminister Karl Nehammer. Wenn Sie mir jetzt sagen, dass es in Ordnung ist, dass man in einem Jahr nicht einmal einen Rückruf macht, nicht einmal irgendwie mit einem Schreiben, mit irgendetwas antwortet, einlädt, dann muss ich fragen: Geht’s noch? Ich frage wirklich: Geht’s noch? Das ist für mich unfassbar! (Anhaltender Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Deshalb werden wir heute in aller Klarheit den Entschließungsantrag, der von der FPÖ noch eingebracht wird, unterstützen: „Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Bun­des­präsidenten im Interesse Österreichs und seiner Bürger vorzuschlagen, den Bundes­minister für Inneres, Karl Nehammer, zu entlassen und durch eine geeignete Persönlich­keit“ – da muss ich anmerken, das wird bei der ÖVP schwer sein! (Ruf bei der FPÖ: Deswegen haben wir es ja so geschrieben! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) – „zu ersetzen.“ – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit – danke schön.

14.59


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.


15.00.31

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Werte Kollegen! Vor allem: Liebe Zuhörer und Zuschauer vor den Bildschirmen und hier auf der Galerie! Ich muss vielleicht bei Kolle­gen


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Bader beginnen: Ich weiß, dass die Wahrheit im Wertekompass der ÖVP nicht vorkommt. Wir haben spätestens seit den letzten Enthüllungen des Herrn Strolz erfahren, wie mit der Wahrheit umgegangen wird.

Der Wahrheit gehört aber die Ehre gegeben, daher werden wir schon noch einmal auf­rollen, warum der Herr Bundeskanzler im Zuge der letzten Bundesratssitzung nicht zu uns gekommen ist: Er hat uns die Zeitvorgabe gemacht, dass er um 8 Uhr kommen (Ruf bei der SPÖ: 7.30 Uhr!) und um 9.15 Uhr den Saal verlassen würde. Das heißt, wir haben nicht einmal ausreichend Zeit zur Diskussion und bekommen vom Herrn Bundes­kanzler eine Zeitvorgabe, wann wir als Bundesrat hier zu erscheinen haben. – Nein, Herr Kollege Bader, das geht so wirklich nicht. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Herr Kollege Bader, Sie sagen: Herr Kurz hat Österreich „nach vorne gebracht“. – Ja, vielleicht die gleichnamige Zeitung, und das hat ja auch einiges gekostet. Österreich hat durch den Skandal, den Herr Kurz mit seinem türkisen System angerichtet hat, eine Talsohle beschritten, die ihresgleichen sucht. Wir sind durch Herrn Kurz an einem Tiefpunkt unserer Gesellschaft gelandet. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, was demokratiepolitisch bedenklich ist, ist nicht die Freiheitliche Partei Österreichs, nein, das sind die Abgründe des türkisen ÖVP-Systems. Frau Kollegin Gitschthaler – sie ist jetzt leider nicht im Saal – liefert heute wieder einmal den besten Beweis dafür, dass Amnesie und Realitätsverweigerung in der ÖVP grenzenlos sind. Da hat die Moral einen absoluten Tiefpunkt erreicht, und sie bedankt sich heute bei Herrn Kurz dafür, dass er zurückgetreten ist. Ja was hätte denn die türkise Kamarilla noch aufführen müssen, dass es gerechtfertigt wäre, endlich den Posten zu räumen? (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, weil Sie heute von einem Krisensicherheitsgesetz gesprochen haben: Ja, das braucht Österreich wirklich. Sie haben dabei aber ein Bedrohungs­szenario vergessen: das Bedrohungsszenario für Österreich durch die türkise ÖVP und durch diese Bundesregierung. Das wäre notwendig, um unsere Bevölkerung vor dieser Koalition zu schützen, die uns ständig von einer Krise in die nächste führt. Davor würden wir wirklich einen effektiven Schutz brauchen, denn was dieser türkise Sumpf in den letzten Wochen und Monaten zutage gefördert hat, ist an Erbärmlichkeit nicht zu überbieten und macht nur noch fassungslos.

Da hat sich vor Jahren eine Truppe um einen Heilsbringer mit Allmachtsphantasien for­miert, sich ein türkises Mäntelchen übergestülpt und damit angefangen, Kaufhaus Öster­reich zu spielen – übrigens namensgebend für einen späteren Rohrkrepierer. Es war aber kein Spiel, sondern absolute Realität und System: Man kauft Medien, man kauft Meinungsumfragen, verleiht dem Postenschacher eine noch nie dagewesene Dimen­sion, gibt der Kirche Vollgas, schwärzt die Justiz an, missbraucht Steuergeld und insze­niert sich täglich als selbsternannte Gottheit. Diese Prätorianertruppe mit ihrem Messias hat nie vorgehabt, für Österreich zu arbeiten, sondern ihr einziges Ziel war es, dieses Land und seine Menschen in Geiselhaft zu nehmen. Machtrausch, Käuflichkeit, Lügen, Abhängigkeit, Verschleierung und Manipulation sind das politische Tagesgeschäft dieser türkisen Bussi-Bussi-Familie, die sogar die ehrenwerte Gesellschaft in unserem süd­lichen Nachbarland Italien blass aussehen lässt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Der war gut!)

Dieses türkise System ist das Sittenbild der neuen Volkspartei. Und dieses türkise System wird ja normalerweise von den Damen und Herren links und rechts von mir – heute sind es etwas weniger – auf der sogenannten Regierungsbank vertreten, wobei das keine Regierungsbank ist, sondern eine Bank des Versagens; eine Bank des Ver­sagens, wenn es um Moral und Anstand geht, eine Bank des Versagens, wenn es um Respekt vor dem Rechtsstaat geht, und vor allem eine Bank des Versagens, wenn es


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um die Menschen geht, wenn es um die Arbeit für die Menschen geht – in türkiser Doktrin: wenn es um den Pöbel geht.

Meine Damen und Herren, das betrifft aber nicht nur die Türkisen, nein, das betrifft auch den grünen Appendix, jene Grüne, die irgendwann einmal unter der Obmannschaft des jetzigen Vizekanzlers plakatiert haben: „Wen würde der Anstand wählen?“ – Ich hätte Ihnen das damals schon beantworten können: die Grünen mit Sicherheit nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Machtrausch, der Sesselkleber, der Steigbügelhalter und die Inkompetenz würden Grün wählen. Letztere beweist der Herr Gesundheitsminister nahezu alltäglich in allen Facetten. Daher passen Türkis und Grün sehr gut zusammen. Das sind nicht zwei Welten, das ist eine Welt. Es ist eine Welt des Überbordwerfens von Prinzipien, eine Welt des Werteverfalls, eine Welt des Raubes von Grund- und Freiheitsrechten, eine Welt der Verbots- und Einschränkungspolitik, eine Welt der Inkompetenz und eine Welt, in der die Zukunft Österreichs den eigenen Parteiinteressen zum Opfer fällt, stets nach dem Regierungsmotto: „Koste es, was es wolle“.

Von wem wird diese Welt ab jetzt angeführt? – Von einem Kurz-Intimus in Form des neuen Bundeskanzlers, der nicht Systemerneuerer ist, sondern der in diesem Trauer­spiel die Rolle des türkisen Systemerhalters innehat und der über die Jahre eine Impfung mit Sicherheit mehrfach erhalten hat, nämlich jene mit dem türkisen Serum.

Sie haben heute gesagt: Wir wollen diesen Weg fortsetzen. – Das ist ja nahezu eine Drohung, und zwar die gleiche, die Sie auch der Bevölkerung gemacht haben. Die nächsten Monate werden für Ungeimpfte schwierig werden!, das bekommt da gleich eine ganz andere Bedeutung.

Sie sprechen im Zusammenhang mit Corona immer von den Zögerern und Zauderern: Der einzige Zögerer und Zauderer, den ich in Österreich kenne, ist der neue Bundes­kanzler. Sie zögern und zaudern, wenn es darum geht, sich von korrupten Machenschaf­ten im türkisen Sumpf zu distanzieren, die unserem Land das Antlitz einer Bananen­republik verliehen haben und nach deren Offenlegung es in keinem anderen demokra­tischen Land möglich wäre, dass die beteiligten Regierungsleute im Amt bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben gezögert und gezaudert, den Ex-Kanzler nach Bekanntwerden der strafrecht­lichen Vorwürfe sofort – sofort! – zum Rücktritt aufzufordern. Im Gegenteil, Sie haben noch unterschrieben, dass es ohne Kurz als Kanzler keine Bundesregierung mit Ihnen geben wird. Es ist übrigens interessant, dass alle, die das unterschrieben haben, noch immer in Amt und Würden sind, womit sich wieder einmal eindrucksvoll bewiesen hat, wie hoch die Glaubwürdigkeit der neuen ÖVP ist. Sie zögern und zaudern auch, wenn es darum geht, Ihre Abgeordneten zur Räson zu rufen, wenn sie wiederholt Verbal­attacken auf die Justiz reiten – Sie unterstützen sie, im Gegenteil, noch dabei.

Kein Zögern und Zaudern gibt es aber, wenn es gilt, dem gefallenen Messias volles Vertrauen auszusprechen und mantraartig die Unschuldsvermutung einzufordern – jene Unschuldsvermutung, die Sie und Ihr grüner Freund Mückstein im Gesundheitsbereich allen gesunden Menschen in Österreich verwehren, indem Sie alle ungeimpften Men­schen einer Pauschalverurteilung zuführen.

Kein Zögern und Zaudern gibt es natürlich auch, wenn Sie beide die Bevölkerung in unse­rem Land vom Privatbereich bis zum Berufsalltag ständig mit vollkommen über­zogenen Maßnahmen schikanieren und drangsalieren, ohne auf die Evidenz- und Fak­tenlage Rücksicht zu nehmen.

Das dürfte aber wohl den im Raum stehenden Malversationen geschuldet sein, da muss man den Juniorpartner, den grünen Appendix jetzt gewähren lassen, schließlich hat sich


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dieser einen Bonus für seine Leidensfähigkeit verdient. Da macht man dann auch nicht Halt vor dem unsäglichen Treiben mit der 3G-Regel am Arbeitsplatz oder der Idee, dass künftig Antikörpertests keine Gültigkeit mehr haben sollen.

So, wie die ins Eck gedrängte ÖVP den Herrn Gesundheitsminister jetzt gewähren lässt, werden wir das in Kürze auch bei der Frau Umweltministerin erleben, denn die scharrt schon in den Startlöchern, um mit ihrer Klimadiktatur die Coronaverbotspolitik abzulösen.

Die ersten Ausflüsse haben wir ja schon bei der sogenannten ökosozialen Steuerreform gesehen: Da geht es nicht um Naturschutz und Klimaschutz mit Hausverstand, sondern um Bestrafungs- und Belastungsaktionen für die Bevölkerung und im Speziellen natür­lich für die Autofahrer. Ein weiterer Anschlag auf die Grund- und Freiheitsrechte der österreichischen Bevölkerung steht also unmittelbar bevor.

Allein der Stopp der Straßenbauprojekte, vor allem der Sicherheitsausbauten, ist ja an grünem Wahnsinn nicht mehr zu überbieten, aber auch da hat das türkise System aufgrund der eigenen Unzulänglichkeiten einstweilen eine Pause ausgerufen und muss sich dezent im Hintergrund halten. Da kann nicht einmal mehr der Finanzminister die Reißleine ziehen, denn der war bei den Machenschaften der türkisen Truppe nicht nur dabei, sondern mittendrin. Dergleichen zieht sich durch alle Bereiche und Ressorts.

Daher müssen wir leider feststellen, dass wir eine allumfassend handlungsunfähige Regierung mit türkisen Marionetten und grünen Verbotsfetischisten, die unser Land dem Stillstand ausliefern und zudem täglich nicht wiedergutzumachende Image- und Wirtschaftsschäden für Österreich anrichten, haben. Vom Tourismus möchte ich gar nicht sprechen, denn wenn wir hier hören, was die Wintersaison mit ihren Maßnahmen für viele Touristiker bedeuten wird, möchte ich gar nicht wissen, welche Auswirkungen das auf die Menschen in unserem Land haben wird. Wenn Sie einen Funken - -


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Kollege Ofner, ich möchte Sie bitten, zum Ende zu kommen. Sie haben die Redezeit schon überschritten. (Bundesrat Spanring: Vorhin hat sich auch keiner dran gehalten! – Bundesrat Steiner: Es hat sich kein Mensch dran gehalten!)


Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Frau Kollegin, ich habe das letztes Mal Ihrem Kollegen schon gesagt, und ich darf auch Sie darauf aufmerksam machen: Als Prä­sidentin wissen Sie, wie es um die Redezeit bestellt ist und dass diese Beschränkung freiwillig ist. Ich bitte Sie, das so zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Man hat trotzdem eine Redezeit vereinbart. (Bundesrat Steiner: Nein – wann denn? Wann? Waren Sie da dabei, oder was?) – Bitte kommen Sie jetzt einfach zum Schluss! Danke.


Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Wenn Sie einen Funken Anstand hätten, ge­schätzte Mitglieder dieser Regierung, dann würden Sie zu Ihrem Versprechen stehen und als Minister mit allen Ihren Kollegen – wie schriftlich versprochen – ausnahmslos Ihren Rücktritt erklären. Österreich würde das auf jeden Fall guttun, aber ich weiß: Da­rum geht es Ihnen nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

15.12


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.


15.12.50

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe KollegInnen von der SPÖ, herzliches Beileid auch von mir an Sie, aber auch an die Familie und die FreundInnen von Wolfgang Beer.


BundesratStenographisches Protokoll932. Sitzung, 932. Sitzung des Bundesrates am 3. November 2021 / Seite 43

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Schallenberg, Herr Vizekanzler Kogler, Herr Außen­minister Linhart! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Bildschirmen! Will­kommen im Bundesrat! Wir freuen uns vor allem, Sie, Herrn Linhart, aber auch die neuen Bundesrätinnen und Bundesräte aus Oberösterreich kennenzulernen.

Bevor ich – im Gegensatz zu meinen VorrednerInnen – zu jenen Sachthemen komme, die wir gerade diskutieren und die noch vor uns liegen, muss ich zunächst bekannt geben und möchte auch meine Freude darüber ausdrücken, dass bereits fast 130 000 Men­schen das österreichweite Klimaticket gekauft haben. Das ist gut. Ich weiß, dass sich einige darüber nicht so freuen, weil die Anbindung an den öffentlichen Verkehr unzu­reichend ist, aber auch das wird sich ändern. (Bundesrat Spanring: Da bin ich gespannt! Dass zu mir heim der Zug fährt, auf das freu ich mich! Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Flieger landet, ist größer, als dass da ein Zug vorbeikommt!) Es werden viele, viele, viele Millionen in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur investiert werden, genauso wie auch sehr viel in die Förderung für den Heizungstausch investiert wird. (Beifall bei den Grü­nen.)

Die Förderung der öffentlichen Mobilität hilft jedenfalls dem Klima, sie hilft aber auch den Menschen, auch finanziell, denn viele ersparen sich Hunderte Euro pro Jahr. Was, wie ich finde, auch ein sehr spannendes Thema ist: Sie erweitert den Bewegungsspielraum der Menschen, weil es jetzt super bequem und weitaus günstiger als vorher ist, mit dem Zug oder mit den Öffis zu fahren. Es lohnt sich schon für die Fahrt zwischen zwei Bundesländern: Nur für die Jahreskarte für nur eine Strecke, zum Beispiel nach Wien, und für die Jahreskarte in Wien hat man bisher mehr gezahlt als jetzt für ein österreich­weites Klimaticket, mit dem man in die Landeshauptstädte fahren kann, aufs Land fahren kann – und das alles mit demselben Ticket, mit dem man auch zur Arbeit fährt. Man bleibt beweglicher, die Freiheit wird größer, und man bleibt dadurch auch offener.

Beweglich und offen zu sein, das sind wohl auch zwei elementare Eigenschaften, die Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihnen, Herr Außenminister, aus Ihren bisherigen Profes­sionen zu eigen sind. Das ist gut für Ihren neuen Job, denn wir brauchen diese Eigen­schaften vor allem in jenen Politikfeldern, die nicht immer an erster Stelle der konser­vativen Politik stehen: zum Beispiel in der Politik für Frauen.

Sie beide kennen die Istanbulkonvention, die auch Österreich ratifiziert hat. Es ist das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Zwischen 25. November und 10. Dezember begehen wir die Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, erschreckenderweise ist dieses Thema nach dem 23. Femizid in diesem Jahr in Österreich aktueller als je zuvor. Genau des­wegen ist das budgetär wesentlich höhere Gewaltschutzpaket so wichtig, das Frauen­organisationen stärkt, das die Frauen stärkt, das in präventive Männer-, Väter- und Bubenarbeit investiert, damit aus diesen keine Täter werden. Das ist heutige Regie­rungsarbeit, nicht Oppositionsarbeit. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Nach Jahren der Versäumnis werden nun Maßnahmen, die Frauen vor Gewalt schützen und ihre Rechte stärken, nicht nur jetzt mit dem Budget, sondern laufend umgesetzt; sei es im Sozialministerium durch Projekte wie Stadtteile ohne Partnergewalt – die übrigens die SPÖ in manchen Wiener Gemeindebezirken nicht möchte – oder Kampagnen gegen Männergewalt (Bundesrätin Schumann: Oje!); sei es im Opferschutz in der Justiz durch bessere Schulungen und Sensibilisierungen von RichterInnen, im Innenressort bei der Polizei oder ressortübergreifend durch die Fallkonferenzen. (Bundesrätin Schumann: Keine Frauenpolitik in dieser Regierung! Gar keine!) Ich habe diese und viele andere Maßnahmen hier schon sehr oft aufgezählt, wir wissen aber: Die Maßnahme, die am meisten vor Gewalt schützt, ist die Gleichberechtigung.


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Herr Außenminister, Herr Bundeskanzler, Sie beide, und auch Sie, Herr Vizekanzler, werden in den Genderwissenschaften als sogenannte alte weiße Männer bezeichnet. Das ist aber kein Schimpfwort, sondern das ist ein Begriff, der Männer aus der soge­nannten westlichen Hemisphäre bezeichnet, die an der Macht – im Sinne von politischer Macht oder Definitionsmacht – sind. Der Kampf um die Gleichberechtigung wird aber meist von Frauen geführt, wie wir hier eh auch sehen. Herr Außenminister, Herr Bundes­kanzler, wenn nun Sie sich als eher konservative Politiker, als sogenannte alte weiße Männer für Gleichberechtigung einsetzen und dies auch immer wieder sagen, dann ist das eine einmalige Chance, die Kultur der Gleichberechtigung zu etablieren, und ein guter Weg, die Kultur des Paternalismus, die Kultur des Machismus und der toxischen Männlichkeit zu durchbrechen.

1995 war die letzte Weltfrauenkonferenz, das ist leider ziemlich lange her. Dort wurde die Pekinger Aktionsplattform gegründet. Das Format Aktionsplattform zeigt schon, dass es dabei um Umsetzung geht. 189 Mitgliedstaaten haben das beschlossen, und es ist ein umfassendes Konzept zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Mädchen.

Zum 20-jährigen Jubiläum 2015 haben Sie, Herr Linhart, als Außenamtsgeneralsekretär die Kampagne He for She – also Männer für Frauen – der UN-Frauenorganisation UN Women unterstützt und erklärt, sich für den Abbau sozialer, wirtschaftlicher und politi­scher Barrieren, die einer Gleichstellung von Frauen und Männern im Wege stehen, ein­zusetzen. Das freut mich sehr, und das werden wir sicher auch für Österreich brauchen. Im Außenministerium ist die Hälfte der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Darauf waren Sie, Herr Bundeskanzler, damals noch als Außenminister, anlässlich des dies­jährigen Weltfrauentags sehr stolz. Bleiben wir bei dieser Linie in allen Ministerien!

Auch im Budgetvoranschlag wird das Wirkungsziel Gleichstellung in fast jedem Ressort angeführt. (Bundesrat Spanring: Gegen die Qualifikation, für das Geschlecht!) Es wird daher an den jeweiligen MinisterInnen und vor allem an Ihnen, Herr Bundeskanzler, liegen, dass Sie die Gleichstellung immer im Blick haben.

Lieber Herr Bundeskanzler, lieber Herr Außenminister, nutzen Sie Ihre Macht und Ihre Vorbildwirkung, setzen Sie sich sichtbar und wirksam für die Gleichstellung von Frauen und Männern ein! Treten Sie gegen das Klischee des alten weißen Mannes an! Die Tage gegen Gewalt an Frauen sind dazu eine gute Möglichkeit. Wir Grüne werden Sie diesbezüglich natürlich immer tatkräftig unterstützen, das wissen Sie sicher auch schon aus der Zusammenarbeit in der Regierung und mit unserer Abgeordneten für äußere Angelegenheiten und Kämpferin für Frauenrechte, Ewa Ernst-Dziedzic.

Ein weiteres politisches Feld, das Beweglichkeit und Offenheit verlangt, ist die Klima­politik. Mein Kollege Schreuder hat es schon gesagt: Es liegt ein Budgetvoranschlag vor, der endlich Klimaschutzmaßnahmen in den Vordergrund rückt. Man mag vielleicht zu Recht kritisieren, dass die Vorgaben zur CO2-Bepreisung nicht ambitioniert genug sind – das sagen wir Grüne auch –, aber der Klimaschutz und wir Grüne haben leider nicht den Mehrheitsauftrag der WählerInnen. Diesen Punkt darf man, auch hier im Parlament, bei der Kritik nicht aus den Augen verlieren.

Gerade deswegen muss man aber im Zusammenhang mit Budget und Steuerreform immer auch die Begleitmaßnahmen und die Gesetze beachten, die gemeinsam eben erst diesen ökosozialen Wurf für den Klimaschutz ausmachen.

Was sind diese begleitenden Gesetze, die ja auch hier diskutiert werden – und das Bud­get nicht –? Die Regierung arbeitet gerade an einem guten, wirksamen Klimaschutz­gesetz mit einem völlig neuen Rahmen. Gerade werden die vom Klimavolksbegehren


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und in einem von allen Parteien außer der FPÖ unterstützen Entschließungsantrag ge­stellten Forderungen zur Erreichung der Klimaneutralität diskutiert. Dabei geht es zum Beispiel um die verfassungsrechtliche Verankerung des Grundrechts auf Klimaschutz. Es ist eigentlich glasklar: Der Erhalt der Umwelt als unsere Lebensgrundlage muss ein Menschenrecht sein.

Anderswo wird schon viel weiter diskutiert als bei uns, wenn von den Grundrechten der Natur gesprochen wird, die Natur also ein eigenes Rechtssubjekt ist. In Ecuador und Kolumbien zum Beispiel ist es juristische Praxis, in Frankreich wurde der Straftatbestand Ökozid, das heißt Verbrechen gegen die Natur, verankert und unter Strafe gestellt. In Belgien, Spanien und Schweden wird die Natur als Rechtssubjekt im Zusammenhang mit dem Straftatbestand Ökozid parlamentarisch diskutiert, und auch im internationalen Strafrecht überlegt man, das zu implementieren. Und ja, Herr Ofner, stehen drastische Geld- und Gefängnisstrafen im Raum, wird auch ein Umdenken bei UmweltsünderInnen weit schneller vonstattengehen.

Eine weitere wichtige Maßnahme, die gerade im Zusammenhang mit dem Klimaschutz­gesetz diskutiert wird, ist die Integration von Klimaschutz in allen Ressorts, das heißt eine Verantwortlichkeit der gesamten Regierung sowie eine verstärkte Koordination in Entscheidungsprozessen. Das nennt sich Klima-Governance. Eine solche Zusammen­arbeit mit und innerhalb der EU haben Sie, Herr Bundeskanzler, ja auch in Glasgow formuliert, als Sie sagten, dass „wir alle schnell und gemeinsam handeln müssen, um eine globale Krise effektiv bewältigen zu können.“

Um dieser Klima-Governance gerecht zu werden, soll es ein Klimakabinett geben, näm­lich bestehend aus Mitgliedern der Bundes- und Landesregierungen und unter dem Vor­sitz des Bundeskanzlers und der Ministerin für Klimaschutz. Genauso soll es einen wissenschaftlichen Beirat geben, der sich für die Einhaltung des CO2-Budgets einsetzt und konkrete Empfehlungen ausspricht.

Wir haben, wie wir schon gehört haben, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz im Bereich Strom, und es kommt das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz im Bereich Wärme. Es ist in Ausarbeitung, gemeinsam mit dem Bund und den Ländern, und es regelt den stufen­weisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern im Heizungsbereich hin zu Bio­masse, zu Strom aus Wärmepumpen sowie dekarbonisierter Nah- und Fernwärme. Ein Rekord­budget von fast 2 Milliarden Euro ist dafür vorgesehen, und es werden auch die Förde­rungen er­höht. Es ist notwendig und es zahlt sich aus, um einen großen Brocken an CO2 -Emis­sionen abzubauen.

Genauso ist ein neues Energieeffizienzgesetz im Entstehen, das helfen soll, Energie­kosten zu reduzieren und den Markt für Energiedienstleistungen zu fördern, und ein neues Abfallwirtschaftsgesetz, nämlich – wir haben es schon gehört – mit Pfand auf Plastik und Dosen.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Liebe Frau Kollegin, ich möchte auch Sie bitten, zum Ende zu kommen.


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (fortsetzend): Ja, gleich. – Das zeigt, die CO2-Bepreisung ist nicht die alleinige Maßnahme im Klimaschutz, sondern es braucht die Prämisse des Klimaschutzes in allen Politikbereichen. Das ist Klima-Governance.

Zu guter Letzt möchte ich auch noch die angesprochene Förderung demokratischer Po­litik ansprechen, denn gerade dazu wird es auch Offenheit und Beweglichkeit brauchen. In diesem Zusammenhang erwähnen möchte ich das Informationsfreiheitsgesetz, das Parteiengesetz, das den Wettbewerb der Parteien im Wahlkampf fairer gestaltet, und


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natürlich auch das Medientransparenzgesetz –Medienförderung, die auf qualitätsvollen Beinen steht, und die Medienkooperationen, Stichwort Inserate.

Im Sinne von Offenheit und Beweglichkeit wünsche ich uns auch hier eine gute und respektvolle Zusammenarbeit. Schützen wir unser Klima außerhalb und innerhalb dieser Mauern! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.24


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.

15.24.56


Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Noch einmal: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehr­ter Herr Außenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss am Anfang kurz auf die Kritik vonseiten des Fraktionsvorsitzenden Bader in Richtung der Opposition einge­hen, dass diese Sitzung ja nur deswegen notwendig sei, weil die Opposition nicht zuge­stimmt hat, die reguläre Sitzung 1 Stunde oder 1,5 Stunden früher zu beginnen, um diese Regierungserklärung und die Debatte durchzuführen. Wir haben jetzt schon fast 2,5 Stunden diskutiert und sind gerade über der Hälfte der Rednerliste. Es wäre sich also nie ausgegangen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Außenminister, ich möchte mich in meiner Rede auf ein Thema kon­zen­trieren, nämlich auf ein Thema, das die Auslandsösterreicherinnen und Auslands­österreicher besonders interessiert. Sie haben ja löblicherweise bereits am 23. Oktober eine Videokonferenz mit Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern veran­staltet – über 2 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, über 700 eingeschickte Fragen.

Es leben ja fast 600 000 Österreicherinnen und Österreicher permanent oder zeitweise im Ausland, und vielen von ihnen ist die Annahme der Staatsbürgerschaft des Landes, in dem sie ihren Lebensmittelpunkt haben, aus beruflichen, familiären oder anderen Gründen ein großes Anliegen, was natürlich nicht im Widerspruch damit steht, dass sie trotzdem täglich Kontakte nach Österreich pflegen und weiterhin eine starke familiäre und/oder berufliche Bindung zu Österreich haben.

Wir wissen – und auch der Herr Bundeskanzler ist damit schon befasst gewesen –, dass die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft, also der Erwerb einer Doppel­staatsbürgerschaft, in Österreich nur unter äußerst restriktiven Bedingungen möglich ist. In der stark internationalisierten Welt des 21. Jahrhunderts sind die Restrik­tionen des Staatsbürgerschaftsgesetzes jedoch nicht mehr zeitgemäß.

Jetzt wird immer wieder vonseiten der ÖVP argumentiert, dass Österreich aufgrund internationaler Übereinkommen zu dieser restriktiven Gesetzeslage verpflichtet sei. Das ist allerdings eine Ausrede, und ich sage dazu: eine faule Ausrede. Es gibt zwar ein Europaratsabkommen über die Verringerung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit, allerdings ist das Kapitel oder der Abschnitt, der Doppelstaatsbürgerschaften betrifft, für ganze drei Länder in Geltung. Das sind außer Österreich nur die Niederlande und Norwegen. Das heißt, diese freiwillige Selbstbindung, aus der sich Österreich jederzeit durch eine Erklärung an den Generalsekretär des Europarates befreien könnte, ist alles andere als europäischer Standard.

Gemäß § 27 des Staatsbürgerschaftsgesetzes führt die Verleihung einer ausländischen Staatsbürgerschaft auf Initiative oder mit Mitwirken des Antragstellers zum automa­tischen Verlust der österreichischen ex lege, weil der Gesetzestext keine Interessen­abwägung vorsieht. Die Behörde hat überhaupt keinen Ermessensspielraum. Sie stellt den Verlust lediglich im Nachhinein fest.


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Auch Minderjährige vor dem 14. Geburtstag verlieren die österreichische Staatsbürger­schaft, wenn ein Erziehungsberechtigter seine Willenserklärung betreffend die Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft abgegeben hat. Dieser Verlust kann für unmündige Minderjährige sogar dann eintreten, wenn die fremde Staatsbürgerschaft gar nicht für das Kind, sondern für den Elternteil beantragt wurde und dessen Staatsbürger­schafts­erwerb auf das Kind erstreckt wird, und zwar selbst dann, wenn das Kind von Geburt an Doppelstaatsbürger ist.

Das funktioniert legalerweise bekanntlich so: Wenn die Eltern unterschiedliche Staats­bürgerschaften haben und die Staatsbürgerschaftsrechte dieser Länder einen Staats­bürgerschaftserwerb durch Abstammung vorsehen, sind die Kinder von Geburt an Dop­pelstaatsbürger – der Herr Bundeskanzler weiß das ganz genau, weil seine Kinder sogar drei Staatsbürgerschaften haben –, aber der Verlusttatbestand für die Kinder tritt regel­mäßig aus Unwissen der Eltern ein, und die Behörde hat nicht einmal eine rechtliche Handhabe, Härtefälle zu berücksichtigen.

Österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die Doppelstaatsbürgerschaften wünschen, müssen derzeit vor Verleihung der zweiten Staatsbürgerschaft um eine Beibehaltung ansuchen. Wenn sie eine Bestätigung der Beibehaltung bekommen, müs­sen sie innerhalb von zwei Jahren die ausländische Staatsbürgerschaft tatsächlich erwerben. Das funktioniert für Erwachsene aber nur dann, wenn sie außerordentliche Leistungen für die Republik Österreich bereits erbracht haben oder diese zu erwarten sind – das sind die berühmten Prominenten. Für Kinder ist dabei auch das Kindeswohl zu berücksichtigen.

Bei volljährigen Antragstellerinnen und Antragstellern gilt nur das Interesse der Republik als Anerkennungsgrund und in manchen Fällen auch besonders berücksichtigungs­wür­dige Gründe im Privat- und Familienleben. Da das Gesetz solche aber nicht näher definiert, hat die Judikatur Kriterien entwickelt, die aber derart restriktiv sind, dass in der Praxis nur sehr wenigen Anträgen auf Beibehaltung aufgrund privater Bedürfnisse statt­gegeben werden kann.

Wichtig ist: In all diesen Fällen geht es um die Rechte von Österreicherinnen und Österreichern und nicht um solche von Einwanderern. Österreich hat eine der höchsten Raten an im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern, was die Europäische Union betrifft. Daher ersuche ich Sie, Herr Außenminister, zum Schutz der österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die berufliche oder private Interessen im Ausland haben, zur Vereinfachung des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit durch diese Personen auf eine Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes hinzuwirken. Insbesondere sollen die Kriterien für die Bewilligung beziehungsweise Beibehaltung der Staatsbürger­schaft an die Lebensrealitäten der vielen im Ausland lebenden Österreicherinnen und Österreicher angepasst und an den europäischen Standard angeglichen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.31


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Heike Eder zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


15.31.40

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Bundeskanzler, der Sie jetzt gerade entschwunden sind! Lieber Herr Vizekanzler! Lieber Herr Außenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim! In den vergangenen Wochen wurde ich besonders häufig gefragt: Heike, warum tuasch du dir des a? Warum bisch du in d’ Politik ganga? – Unser Herr Außenminister


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hat es wahrscheinlich verstanden. Sie haben mich gefragt: Warum tust du dir das an? Warum bist du in die Politik gegangen – ständig Streit, ständig Vorverurteilungen?

Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: ganz einfach deshalb, weil es nicht egal ist. Es ist nämlich nicht egal, wie wir mit dem Gene­rationenvertrag umgehen und ob auch unsere zukünftigen Generationen noch eine Pen­sion erhalten. Es ist nicht egal, wie unser Gesundheitssystem der Zukunft aussieht, und es ist auch nicht egal, wie wir durch diese Coronakrise kommen und wie viele Menschen an Corona sterben müssen.

Wenn einem das nicht egal ist, dann muss man Verantwortung übernehmen. Das machen wir alle hier im Saal – ich korrigiere: Das macht ein Großteil von uns hier im Saal, und das machen aber unser Bundeskanzler und unser Außenminister in ganz besonderer Art und Weise als oberstes Führungsgremium unserer Republik. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Ruf: ... Vizekanzler!) Sie übernehmen Verantwortung für unser Land und leisten damit einen wertvollen Beitrag, um politische Stabilität zu gewährleisten, ganz einfach deshalb, weil ihnen Österreich nicht egal ist. (Bundesrat Schennach: Der Herr Vizekanzler ...!)

Eines möchte ich Ihnen sagen, weil auch heute wieder negative Vorverurteilungen – unseres Bundeskanzlers im Speziellen, aber auch der gesamten Regierung im Allge­meinen – gefallen sind: In der Managementliteratur ist immer wieder die Rede von der Bedeutung der ersten 100 Tage einer neuen Führungskraft. Diese beginnen immer mit der Antrittsrede vor der Belegschaft, gefolgt von einer Beobachtungsphase, einer Ana­lysephase, und gegen Ende dieser 100 Tage beginnt dann die Umsetzungsphase. (An­haltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nun wissen wir alle, Politik funktioniert anders als Wirtschaft, aber unser Bundeskanzler hat seine Antrittsrede vor knapp drei Wochen im Nationalrat und heute hier bei uns im Bundesrat gehalten. Ich denke, wir können uns darin einig sein, dass wir uns zeitlich relativ am Anfang seiner neuen Rolle befinden. (Bundesrat Steiner: Das längst­die­nendste Regierungsmitglied!) Deshalb bitte ich Sie wirklich: Lassen Sie unseren Bun­deskanzler und das Regierungsteam jetzt in Ruhe arbeiten, bevor Sie ihre Leistung beur­teilen! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Das längstdienendste Regierungsmitglied! Seit Bierlein! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Sowohl unser Bundeskanzler als auch unser Außenminister bringen beste Erfahrungen und Voraussetzungen für diesen Job mit. Beide haben einen großen Erfahrungsschatz und eine große Portion an Weitsicht, die sie mitbringen. Das sind wichtige Eigenschaften für die Ausübung dieser Ämter.

Unser Bundeskanzler, aber auch unser Außenminister Linhart haben jahrelang als Diplo­maten gearbeitet. Sie kommen aus Diplomatenfamilien, ihnen wurde quasi das Diplo­matengen in die Wiege gelegt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Deshalb werden sie auch jetzt das machen, was sie bisher schon als Diplomaten gemacht haben, nämlich sich für Österreich einsetzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Lieber Herr Bundeskanzler, lieber Herr Außenminister, ich wünsche Ihnen alles Gute, viel Freude und besonders viel Kraft für Ihre neue Aufgabe! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

15.35


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.



BundesratStenographisches Protokoll932. Sitzung, 932. Sitzung des Bundesrates am 3. November 2021 / Seite 49

15.35.48

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Außen­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich möchte zu Beginn im Namen meiner Fraktion dem neuen Bundeskanzler sowie dem neuen Außenminister viel Erfolg für ihre neuen Aufgaben wünschen! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die sozialdemokratische Fraktion ist an einer respektvollen Zusammenarbeit und an einem regelmäßigen Austausch sehr interessiert. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir dafür zur Verfügung stehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ich darf mich als außenpolitische Sprecherin meiner Fraktion aber besonders an Sie, sehr geehrter Herr Außenminister, wenden. Laut Ihrer Aussage in der „ZIB 2“ ist es Ihr Ziel, die Kontinuität der österreichischen Außenpolitik auch nach der jüngsten Regie­rungskrise zu gewährleisten. Weiters sagten Sie, dass Österreich ein „tief europäisch verwurzeltes Land“ sei. – Da stimme ich Ihnen zu. Deswegen ist es essenziell, unseren Ruf als neutrales Land, als Partner, als Vermittler und als Garant für proeuropäische Politik zu wahren.

Sie wollen gemeinsam mit dem neuen Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg das aktuelle Regierungsprogramm vertrauensvoll weiter umsetzen. Das wird angesichts der veränderten Personen in der Regierung und insbesondere an der Regierungsspitze mit Sicherheit ein Drahtseilakt für Sie werden. Immerhin sind Ihnen die großen Linien damit vorgegeben.

Ihre Loyalität gegenüber dem nunmehrigen Vorsitzenden Ihrer Partei gehört parteiintern mit Sicherheit zum guten Ton, haben Sie doch seinem Rücktritt den wohl unvorher­sehbarsten Karriereschritt Ihrer diplomatischen Laufbahn zu verdanken. Es darf aber auch von Ihnen nicht ignoriert werden, dass dem ÖVP-Klubobmann Anstiftung zur Un­treue und Korruption vorgeworfen werden und dass auch gegen andere Mitglieder der ÖVP Ermittlungen laufen. Das sind Vorgänge, die in zahlreichen Staaten Europas zu umgehenden Rücktritten geführt hätten. Umso wichtiger und für Sie schwieriger wird es sein, unser Bild in Europa und der Welt wieder geradezurücken – und darum ersuche ich Sie hiermit ganz herzlich.

Die Entwicklungen der letzten Wochen haben auch ein großes gegenseitiges Misstrauen in der Bundesregierung deutlich gemacht. Dieses Misstrauen birgt die Gefahr der gegen­seitigen Blockade und des Stillstands. Dabei kann es sich Österreich gerade jetzt nicht leisten, dass sich Türkis und Grün gegenseitig im Wege stehen.

Sehr geehrte Regierungsmitglieder, ich appelliere deswegen an Sie alle, das „dünne Eis“, wie Sie, Herr Bundeskanzler, es nannten, bald zu verlassen und das Vertrauen wieder aufzubauen, denn dafür wurden Sie auch gewählt.

Ich möchte einen Punkt ansprechen, der mir für die künftige Gestaltung der öster­reichi­schen Außenpolitik sehr wesentlich erscheint: Es sollte gerade auch in Fragen der Außen­politik einen regelmäßigen Dialog zwischen den Fraktionen geben, um in wichti­gen außenpolitischen Fragen einen möglichst breiten Konsens zu erzielen. Das Bemü­hen um einen solchen Konsens wurde aus meiner Sicht in den letzten Jahren bedauer­licherweise vernachlässigt. Immer wieder waren Brüche mit traditionellen Positionen der österreichischen Außenpolitik und Positionierungen, die gerade auch im Kreis der EU einiges an Irritation und Verwirrung erzeugt haben, feststellbar.

Ich denke dabei etwa an das Naheverhältnis unseres ehemaligen Bundeskanzlers zu US-Präsident Trump, aber auch an die totale Kehrtwende in der langjährigen Vermittlung im israelisch-palästinensischen Konflikt, in dem Österreich bislang stets aktiv die Zwei­staa­tenlösung unterstützt hat. Ich habe zudem mit Sorge beobachtet, dass sich Österreich


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in der EU in den letzten Jahren mit manchen Positionen zunehmend isoliert hat – teils deshalb, weil es die innenpolitische Agenda und das Schielen auf Wahlergebnisse für die ÖVP erfordert haben, teils deshalb, weil das außenpolitische Agieren Österreichs schlichtweg vernachlässigt wurde.

Das setzt sich bislang leider auch mit Ihnen fort. Man denke an Ihren Auftritt in der „ZIB 2“, wo Sie auf die Fragen nach Ihrer Sichtweise auf die Afghanistanpolitik sinn­gemäß gemeint haben, es gebe einen Kriterienkatalog für den Umgang mit den Taliban und 20 Millionen Euro seien ein ausreichendes humanitäres Programm, das von dieser Regierung geschnürt worden sei. Zugleich haben Sie sich aber nicht dafür ausge­sprochen, Frauen aufzunehmen. Frauenrechtlerinnen, Richterinnen, Frauen, die um ihre Rechte gekämpft haben, haben Sie wie Ihre Vorgänger Mag. Schallenberg und Kurz im Stich gelassen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben sich vielmehr auf unsere historische Verantwortung, auf das, was wir bereits getan haben sollen, zurückgezogen, und das, obwohl der Bundespräsident eine rechtliche, moralische und politische Verpflichtung gesehen hätte, Menschen aus Afghanistan zu helfen.

Herr Außenminister, da erfüllen Sie meine und unsere Erwartungen bislang nicht, das möchte ich Ihnen schon deutlich sagen. Sie haben angekündigt, auf eine seriöse Außen­politik setzen zu wollen. – Das beruhigt mich sehr, das wird Österreich guttun. Ich hoffe sehr, dass das Bemühen um einen außenpolitischen Konsens nun wieder in den Vorder­grund rücken wird. „Ein Land wie Österreich, mittlere Größe, braucht in einer globali­sierten Welt umso mehr Außenpolitik. Es muss im Ausland präsent sein“, haben Sie in einem Interview mit der Zeitung „Kurier“ gesagt. In diesem Punkt stimme ich Ihnen zu.

Meine Fraktion und ich treten für eine aktive, global orientierte österreichische Außen­politik und auch für eine aktivere internationale Rolle der EU ein. Ein gemeinsames Ziel sollte es sein, Österreich und insbesondere Wien als Drehscheibe des internationalen Dialoges zu stärken. Wie das gelingen kann, darüber sollten wir intensiver diskutieren, denn da ist der internationale Wettbewerb groß. Österreich sollte sein außenpolitisches Engagement künftig jedenfalls darauf ausrichten, wieder verstärkt als echter, neutraler Vermittler tätig zu sein. Nur in enger Abstimmung mit unseren Nachbarn in Europa und der Welt können wir die Herausforderungen von heute und morgen bewältigen.

Meine Fraktion erwartet sich daher von Ihnen, Herr Außenminister, bei der Ausübung Ihres Amtes einen offenen Blick abseits von Parteigehorsam, einen regelmäßigen Aus­tausch mit dem Parlament und eine erfolgreiche Arbeit im Sinne des internationalen Ansehens unseres Staates Österreich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss meiner Rede möchte ich mich persönlich noch einmal von Wolfgang verabschieden. In der Fraktion war ich mit ihm am längsten beisammen. Wolfgang, wir vergessen dich nicht! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

15.45


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile dieses.


15.45.51

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Mit­glieder der Bundesregierung! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Vorweg: Es ist eine Respektlosigkeit Ihrerseits, Herr Kanzler, dass 61 Bundesräte aus ganz Österreich Ihretwegen zu einer Sondersitzung antanzen müs­sen, nur weil Sie es für wichtiger befunden haben, gleich nach Ihrer Angelobung zur Befehlsausgabe nach Brüssel zu fahren (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!), anstatt hier zu uns ins Parlament zu kommen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Vizekanzler


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Kogler.) Es ändern sich zwar die Gesichter in der ÖVP, wie Politik gemacht wird und der Inhalt bleiben aber gleich, genauso wie die Tatsache, dass Ihnen – wie Ihrem Vor­gänger – das Parlament vollkommen egal ist.

Herr Vizekanzler Kogler, was sagen Sie als Grüner eigentlich dazu, wenn man extra 61 Abgeordnete aus allen neun Bundesländern für ein: Hallo, ich bin’s, der neue Kanzler!, anreisen lässt? Wie schaut es da mit dem CO2-Abdruck aus? – Ja, ich weiß, nicht so schlimm, wie wenn man mit 400 Privatjets zum Klimagipfel reist. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das Ganze wäre ja eh genau mein Humor, wenn es in Wahrheit nicht ein­fach nur sehr, sehr traurig wäre. Da sieht man dann, wie wir überall, bei vielen Themen – egal ob Klima, Corona oder viele andere Themen – von den Mächtigen und den Regie­renden verarscht werden; anders kann man das leider gar nicht zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Vizekanzler, auch lustig gefunden habe ich Ihren Dank an Sebastian Kurz für seinen Schritt zur Seite; also er ist einen Schritt zur Seite getreten. Ich sage Ihnen etwas anderes: Herr Ex-Kanzler Kurz wurde von den Landeshauptleuten und parteiintern zur Seite getreten, er ist da nicht freiwillig hingegangen. Und weil Sie gesagt haben, das sei ihm mit Sicherheit schwergefallen: Ja, das glaube ich auch; das ist aber nun einmal so: Wenn ein Straftäter verurteilt wird und ins Gefängnis muss, dann fällt es ihm auch schwer, dass er da hingeht. (Beifall bei der FPÖ. – He-Rufe bei der ÖVP.) Da muss man sich halt vorher überlegen, was man macht.

Herr Kanzler, in Wahrheit könnten Sie einem ja fast ein wenig leidtun, denn wenn man sich die bisherige Regierungsleistung anschaut, was alles schiefgegangen ist, dann muss man sagen: Das ist ja fast Unfähigkeit in Perfektion: von fehlerhaften Verord­nun­gen, Verfassungsbrüchen, Rücktritten über die Spaltung der Gesellschaft bis hin zur vermuteten Korruption. Und jetzt müssen Sie quasi als neuer Kanzler den Scherben­haufen übernehmen, als Primus inter Pares den Kopf hinhalten und Ihren klingenden Namen dafür hergeben oder vielmehr Ihren Namen mit Korruptionsvorwürfen beschmut­zen lassen. Sie, Herr Schallenberg, sind nun das neue Gesicht dieser Pleiten-Pech-und-Pannen-Regierung, obwohl viel besser passen würde: dieser verfassungs-, bürger- und staatsfeindlichen Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Um es aber ganz ehrlich zu sagen: Herr Kanzler, Sie tun mir nicht leid, und ich sage Ihnen auch, warum: weil Sie von Anfang an dabei waren, als Mittäter und als Mitwisser in dieser Regierung. Sie haben alles mitgetragen, wirklich alles. Und was machen Sie jetzt, da Sie die Chance gehabt hätten, einen Neuanfang zu machen? – Sie stellen sich hin und machen in es in Wahrheit noch schlimmer.

In Ihrer ersten Rede untergraben Sie gleich die Unabhängigkeit der Justiz. Wissen Sie, was das war? – Das war in Wahrheit nichts anderes als eine öffentliche schallende Ohr­feige für Justizministerin Zadić. Dabei ist das Einzige, was Sie und die ÖVP an der Justiz so stört, die Tatsache, dass gegen die ÖVP ermittelt wird und – nicht zu vergessen – dass Ihr Zudecker der Nation, quasi der Schutzpatron der unehrlichen ÖVPler, näm­lich Sektionschef Pilnacek, suspendiert wurde. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Und ja, ich weiß, er wurde heute in einem Gerichtsverfahren freige­sprochen (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja! Gut! – weiterer Zwischenruf bei der ÖVP) – nicht rechtskräftig, erstinstanzlich, und die Richterin hat im Urteil festgehalten, dass er sehr wohl Geheimnisse, also Ermittlungsstände, weitergegeben hat –, weitere Verfahren sind aber noch anhängig. Also tun Sie nicht so!

Herr Kanzler Schallenberg, Sie wollen doch nicht behaupten, dass Sie von alledem bis­her gar nichts mitbekommen haben, oder? Das glaubt Ihnen doch niemand! Bei all den Verfehlungen, die sich diese Regierung in dieser kurzen Zeit schon geleistet hat, weiß ich ja gar nicht, wo ich mit dem Aufzählen anfangen soll. Es wurde heute schon sehr viel


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von meinen Vorrednern, besonders von jenen aus meiner Fraktion, gesagt. Ich setze meinen Schwerpunkt auf die Verfehlungen des Innenministers Nehammer – eines In­nenministers, der noch immer im Amt ist, obwohl er schon lange nicht mehr im Amt sein dürfte, zumindest wenn man jenen Maßstab anlegt, der von Ex-Bundeskanzler Kurz nach Ibiza an den besten Innenminister aller Zeiten, nämlich Herbert Kickl, angelegt wurde. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit und Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Herbert Kickl wurde damals mit dem scheinheiligen Argument abberufen, er könne nicht als Innenminister gegen seine eigenen Parteifreunde ermitteln. Und jetzt, meine Damen und Herren von der ÖVP, wo wir wissen, dass Ibiza im Vergleich zur ÖVP-Korruption lediglich eine ganz kleine Insel im Mittelmeer ist, gilt dieser Maßstab für die eigenen Türkisen oder Schwarzen, oder welche Farbe auch immer sie jetzt haben – jetzt nennen sie sich wieder neue Volkspartei –, nicht mehr. Jetzt gilt das alles nicht mehr!

Daran erkennt man wieder, dass es manche Adelige der ÖVP ganz schön angetan haben müssen – und ich meine jetzt nicht Sie, Herr Schallenberg, sondern im Fall von Sebastian Kurz meine ich Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen, kurz Baron Münchhausen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesräte Ofner und Steiner.)

Aber ja, zurück zum Noch-immer-Innenminister Nehammer, einem Innenminister, der trotz aller Skandale im BVT an genau diesem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung festgehalten hat, obwohl klar war, dass es dort in den letzten zwei Jahrzehnten massive Verfehlungen gab und dass das eine ÖVP-Spielwiese war, wo bei Postenbesetzungen nicht die Qualifikation, sondern ausschließlich das ÖVP-Parteibuch ausschlaggebend war; einem Innenminister, der genau deshalb das Ver­sagen im Vorfeld des Terroranschlags vom 2. November 2020 nicht verhindert hat und auch ganz klar die politische Verantwortung für diesen Terroranschlag trägt. (Beifall bei der FPÖ.)

Sollten Sie heute zuschauen, Herr Innenminister Nehammer, dann sage ich Ihnen: An Ihren Händen klebt Blut! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist dies ein Innenminister Nehammer, der gleich nach dem Anschlag die Schuld in Richtung eigener Beamter, politischer Mitbewerber, auf das Justizministerium und an­dere Behörden und Institutionen abgeschoben hat – und nicht einmal da hat bei Minister Nehammer das Abschieben funktioniert –, ein Innenminister Nehammer, der sich bei der Durchsetzung der oftmals gesetzwidrigen Coronamaßnahmen durch unverhältnismäßi­ges Vorgehen gegen die eigenen Bürger ausgezeichnet hat, ein Innenminister Nehammer, der die eigenen Bürger, die friedlich gegen die die Grund- und Freiheitsrechte einschrän­kenden Maßnahmen demonstriert haben, einkesseln und anzeigen hat lassen, ein Innenminister Nehammer, der zwar medial den harten Asylrambo spielt, in Wahrheit aber ein Asylteddybär ist, denn wenn es darauf ankommt, bringt er keine Abschiebungen zusammen, und auch beim Grenzschutz, wenn es gegen illegale Migration geht, versagt er auf voller Linie.

Aus diesen genannten und unzähligen Gründen mehr bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlassung des Bundesministers für Inneres Karl Nehammer (MSc)“

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll932. Sitzung, 932. Sitzung des Bundesrates am 3. November 2021 / Seite 53

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert dem Bundespräsidenten im Interesse Österreichs und seiner Bürger vorzuschlagen, den Bundesminister für Inneres, Karl Nehammer, zu entlassen und durch eine geeignete Persönlichkeit zu ersetzen.“

*****

Herr Bundesrat Kovacs hat es heute schon angesprochen: Ja, wir haben die Latte sehr hoch gelegt. (Heiterkeit des Bundesrates Kovacs.) Es wird wirklich schwer, eine solche Persönlichkeit in den Reihen der ÖVP zu finden – aber man kann es ja probieren. (Beifall bei der FPÖ.) Vielleicht – ich lade die Damen und Herren der Grünen dazu ein – geben sich ja die Grünen einen Ruck und gehen heute bei unserem Antrag mit.

Wissen Sie, Herr Kanzler, früher einmal war es eine Ehre, eine echte Ehre, wenn man Bundeskanzler in Österreich sein durfte. Im Moment ist es vielmehr so ein: Mmh, na ja, wenn sie sonst niemanden finden, dann mache es halt ich! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein, nein!) – Zu verdanken ist dieser Wertewandel einzig und allein einer durch und durch unmoralisch-manipulativ-opportunistischen ÖVP, einer ÖVP, die uns international lächerlich gemacht sowie Österreichs Reputation nachhaltig geschädigt hat und auch weiterhin schädigt. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Auch wenn der heutige Entschließungsantrag der Abberu­fung des Innenministers dient: In Wahrheit ist diese gesamte Regierung rücktrittsreif. (Beifall bei der FPÖ.)

15.56


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ent­las­sung des Bundesministers für Inneres Karl Nehammer (MSc)“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile dieses.


15.57.19

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrter Herr Außenminister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und Zuseher! Zuerst möchte ich sagen, dass es auch mir leidtut, dass Kollege Beer nicht mehr unter uns ist. Ich möchte mich den Beileids­wün­schen anschließen.

Auf der anderen Seite freut es mich, dass neue Mitglieder aus Oberösterreich unter uns sind. Ich möchte kundtun, dass wir in unserer Fraktion jetzt einen Frauenanteil von 50 Pro­zent haben, und das ist die Basis für gute Frauenpolitik, die wir in der Vergangenheit schon betrieben haben und die daher in der Zukunft noch viel besser werden wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir treffen uns heute hier, weil sich Bundeskanzler und Außenminister vor dem Bun­desrat erklären. Das ist doch eine tolle Sache, würde ich sagen, damit erweist man uns auch den Respekt, den wir immer wieder verlangen beziehungsweise fordern, dass man ihn uns zugesteht. Deshalb ist es gut, wenn wir hier zusammenkommen, um zu dis­kutieren, was uns in der nächsten Zeit bewegen wird und was wir vorhaben.

Zum einen denke ich, dass mit Mag. Alexander Schallenberg eine gute Wahl für die Position des Bundeskanzlers getroffen wurde. Wir kennen seine Arbeit aus seiner Zeit im Außenministerium, wo er, nachdem er sein Amt gerade erst angetreten hatte, in der Covid-Krise Enormes leisten musste. 7 500 Rückführungen waren zu machen – das war ja in einer Zeit, in der es eigentlich wenig Reisefreiheit gab, nicht einfach. Es galt immer


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wieder, den Menschen, die für Österreich in der Welt unterwegs waren, in den Bot­schaften Anhaltspunkte zu geben – durch Telefonate, die immer wieder geführt worden sind –, damit sie möglichst gut durch diese Zeit kommen und möglichst auch immer wieder Kontakt in die Heimat haben können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es waren auch sehr viele bilaterale Verhandlungen zu führen, die sicherstellen sollten, dass auf der einen Seite die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland, die wir für unsere Firmen ganz notwendig gebraucht haben, wieder zu uns kommen und auf der anderen Seite aber auch unsere Firmen die Wirtschaftskontakte mit dem Ausland aufrechterhalten konnten. Auch dafür war er immer wieder unterwegs und hat das zum Wohle Österreichs sehr gut geschafft.

Drittens gab es auch die Afghanistankrise, die es zu managen gab, auch hinsichtlich der Rückführungen. Da galt es schnell zu handeln, um die Menschen in Sicherheit zu bringen. Auch das ist letzten Endes sehr, sehr gut durchgeführt worden.

Auch die europäische Flüchtlingspolitik hat uns gefordert. Außenminister Schallenberg war da ganz wichtig für uns Österreicher, nämlich um unseren Standpunkt, den wir doch sehr stark vertreten, zu erklären – dass man in der Staatengemeinschaft Verständnis für uns hat, dass wir durch die Aufnahme von Migranten im Verhältnis zu allen anderen Ländern nicht überproportional belastet werden, weil wir eben schon eine große Belas­tung haben und nicht auch noch auf internationalen Austausch von Migranten reagieren können.

Nicht zuletzt war es auch gute Arbeit, den Vertrag für das Verbot von Kernwaffen abzuschließen, wie auch das Amtssitzgesetz, um für internationale Organisationen mit Amtssitz in Österreich Erleichterungen und Verbesserungen zu schaffen.

Das sind nur einige seiner Leistungen in dieser kurzen Zeitspanne von zwei Jahren, und ich denke, dass wir mit ihm einen wirklichen Experten zum Bundeskanzler haben. (Prä­sident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Warum kam es zu dieser Umbildung? Ich denke, dass es ein wichtiger, ein großer staatsmännischer Akt von Sebastian Kurz war, in dieser Phase zur Seite zu treten und damit die Aufklärung zuzulassen. (Heiterkeit und Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das kann nicht jeder. Wir haben das bei den Freiheitlichen gesehen. Da ist niemand zur Seite getreten, da wurde eine Regierung abgewählt (Bundesrätin Steiner-Wieser: Was ist los?!), weil einer doch sehr narzisstisch veranlagt war und diesen Schritt nicht machen konnte. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Hat da wer Parlamen­ta­rismus ...?!)

Wie ist es dann weitergegangen? – Es kam zu dieser unsäglichen Koalition Kickl-Drozda, die hier hinter dem Vorhang geschlossen worden ist. Da wurden Gesetze – ich sagte immer wieder, dass die Begutachtungszeiten zu kurz seien – an einem einzigen Tag beschlossen: erste Lesung vormittags, zweite Lesung nachmittags, dritte Lesung am Abend und dann der Beschluss. Bei der Hacklerregelung ist das genauso gelaufen. Da habt ihr die Regelung, die Hundstorfer eingeführt hat, ausgehebelt, auf dem Rücken der Steuerzahler Wahlkampf betrieben (Bundesrätin Schumann: Ja, wir sagen es dann jenen, die die Hacklerregelung ...! Das sag ich ihnen, ganz bestimmt!), damit ihr die Wah­len gewinnt. Das Ärgste muss für euch ja sein, dass ihr auch noch verloren habt, das muss euch ja bis ins Mark treffen. (Bundesrätin Schumann: Danke für die 60-Stunden-Woche! Die Metallarbeiter sagen: Danke für die 60-Stunden-Woche! Super, gute Sache, guter Mann! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben diese Ungleichheiten, die damit geschaffen wurden, Gott sei Dank aus­ge­glichen. Beim Redebeitrag des Kollegen Kovacs habe ich gesehen, dass man sich gewünscht hätte, wieder so einen Zustand zu bekommen, eine Kickl-Rendi-Koalition


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(Bundesrätin Schumann: Na geh!) – den Vorhang gibt es leider nicht mehr (Bundesrätin Hahn: Wer hat denn mit dem Kickl koaliert? Das wart ja wohl ihr! ... Gedächtnisverlust?!), ihr habt sie nicht schließen können –, damit ihr hier wieder einiges auf dem Rücken der Steuerzahler ausbrüten könnt. Da wäre es wieder zum Halligalli gekommen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das glaubt ihr ja nicht einmal selber mehr! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Kovacs, wenn es im Burgenland wirklich so hart ist, dann hat das vielleicht auch etwas damit zu tun, dass das Burgenland von der SPÖ regiert wird. Bei uns ist es so, dass, wenn es wirklich soziale Härtefälle gibt, es dann Maßnahmen vom Bund, vom Land und von den Gemeinden gibt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir helfen jedem, wir sind sozial veranlagt! (Beifall bei der ÖVP.) Das hat vielleicht wirklich etwas damit zu tun, dass dort die SPÖ regiert. (Ruf bei der SPÖ: Tu weiter so! – Bundesrätin Schumann: Nur weiter so, genau!)

Zu den Kollegen Spanring und Ofner möchte ich eigentlich gar nichts sagen, denn das ist mir zu tief. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das war zu schwierig, zu kompliziert!)

Zu diesem Terrorakt kann man nur eines sagen, und das ist Kickl im Nationalrat brüh­warm um die Ohren geschmissen worden: dass alle Maßnahmen gegenüber auffäl­ligen Menschen wie diesem Attentäter, die er hier immer wieder einfordert, in seine Regie­rungszeit gefallen sind. Der ist so blass geworden, dass man schon geglaubt hat, ihm fällt das Gesicht zusammen. Das fiel in seine Regierungszeit. (Beifall bei der ÖVP.) So viel zum – wie ihr sagt – allerbesten Innenminister, den es jemals gegeben hat. Jetzt gibt es ihn wirklich. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Ich denke, wir müssen zu dem Punkt kommen: Warum soll diese Regierung weiter­arbeiten? (Bundesrat Schennach: Das ist eine gute Frage! Das ist eine sehr gute Frage! Das muss man sich täglich fragen! – Bundesrätin Schumann: Nach den heutigen Reden fragen wir uns das auch! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Weil sie ein gutes Programm hat, und weil sie eine gute Steuerreform aufgelegt hat. Ich habe es schon einmal gesagt: Es ist gut, dass sich die Wirtschaftskompetenz der ÖVP mit der Um­weltkompetenz der Grünen vereint hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben ein richtig zukunftsweisendes Programm aufgelegt, das auf der einen Seite die Menschen mit 18 Milliarden Euro entlastet und auf der anderen Seite in eine neue Richtung geht  in eine ganz neue Richtung der Steuerpolitik, mit der wir auf eine Energieautarkie von Österreich und auch eine Karbonisierung der Steuern zusteuern.

Das ist auch wichtig, meine ich, das muss passieren. Das kann man nicht mit einem Riss machen, denn zum Vergleich: Wenn ein Lastkraftwagen in eine Richtung fährt und man reißt das Steuer herum, dann stürzt dieser Lastkraftwagen. Man muss das langsam angehen (Bundesrätin Schumann: Ja, der ist jetzt ordentlich gestürzt! Das ist schon wahr!), aber man muss es angehen, und man muss es machen. Das ist hier begonnen worden, und das ist wirklich, denke ich, geschichtsträchtig, und das wird man noch lange so sehen.

Wir müssen schon auch sehen, dass es zu Steuerentlastungen für die Menschen kommt, das ist ja das Wichtige. (Bundesrätin Schumann: Gute Idee! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben da vor allem Einkommensteuerentlastungen geplant. Kovacs hat gesagt, es würden Ertragsanteile fehlen. – Da hat er aus der Vergangenheit nichts gelernt. (Bundesrätin Schumann: Tut was gegen die Teuerung bei den Leuten! Die können sich das Leben nicht mehr leisten, so schaut es aus! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Bei der letzten Entlastung haben wir gesehen, dass die Einbrüche bei der Einkommensteuer total durch Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer ausge­glichen wurden; die Menschen setzen das um! Das habt ihr eben nicht in eurem volks­wirt­schaftlichen Repertoire. (Heiterkeit der BundesrätInnen Hahn, Kovacs und Schumann.)


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Damit muss man auch arbeiten, dass da trotzdem die Steuereinnahmen kommen und man den nächsten Schritt setzen kann. Das ist der wichtige Ansatz dieser Steuerreform.

Sie müssen auch daran denken, dass alle profitieren, nicht nur jene, die in die Ein­kommensteuerklassen fallen, in denen gesenkt wird, sondern auch alle anderen, zum Beispiel von der Senkung der Krankenversicherungsbeiträge oder von der Möglichkeit, dass sich die Mitarbeiter an den Firmen steuerfrei beteiligen können. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Die Firmen werden entlastet, damit sind wir natürlich ein guter internationaler Standort. Die Firmen können mehr Arbeiter (Bundesrätin Schumann: Und Arbeiterinnen!) – und Arbeiterinnen natürlich auch – beschäftigen. – Das wollen Sie doch! Wir sehen doch gerade, dass Arbeitnehmer jetzt ein wertvolles Gut sind, und fast alle können in höherbezahlte Arbeitsplätze wechseln. Damit werden wir auch alle in unserem Land mitreißen, hin zu einem noch besseren Lebensstandard als jenem, den wir jetzt schon haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ganz wichtig ist aber die Richtungsänderung in der Steuerpolitik. (Bundesrätin Hahn: Darum zahlen wir 2,4 Prozent Sozialabgaben ...!) Wir zeigen durch den Klimabonus, durch die CO2-Bepreisung, durch Heizkesseltauschaktionen, durch Sanierungsaktionen für thermische Sanierungen: Hier wird angepackt, und zwar in die richtige Richtung (Heiterkeit der Bundesrätin Hahn), und in Glasgow sitzen Regierungsvertreter aus der ganzen Welt beisammen und bringen absolut nichts zusammen. Das, was wir hier in Österreich zusammengebracht haben, ist wirklich richtungsweisend für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zu guter Letzt möchte ich auch noch auf die mediale Hetze eingehen, die in den letzten Wochen betrieben worden ist und die ja jetzt gerade ihr Ende erfährt, wenn wir lesen, dass das Verfahren gegen Löger eingestellt worden ist. Wie sehr wurde durch die Medien gegen diesen Menschen gehetzt? Bedenken Sie ein­mal: Wenn sich ein total profunder Manager bereit erklärt, in eine Regierung einzutreten, und dann wird so etwas mit ihm abgezogen, wie viele werden sich noch bereit erklären, in eine Regierung einzutreten?  Nichts ist dran, das Verfahren ist eingestellt.

Weiters Pilnacek: Freispruch – keine Verletzung des Amtsgeheimnisses. (Bundesrat Steiner: Nicht rechtskräftig!) – Nicht rechtskräftig, aber Freispruch! (Bundesrat Steiner: Nicht rechtskräftig!) Ich habe Glauben in die Unschuldsvermutung und ich habe Glauben in die österreichische Justiz. (Bundesrat Steiner: Ja, plötzlich!  Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, ja, das darf man nur bei den Freiheitlichen ... Unschuldsvermutung!) Bei der Anklage gegen Pilnacek ist es aber um ein Amtsgeheimnis gegangen, und ich frage mich: Wie kommen all diese Sachen an die Öffentlichkeit, die gar nicht an der Öffent­lichkeit sein dürften? Ich erhoffe mir, dass auch dieser Amtsgeheimnisverletzung nach­gegangen wird. (Bundesrätin Schumann: Oh, jetzt tun wir auf die Justiz und die Jour­nalisten hinhauen!)

Ich danke den Herren Schallenberg und Linhart, dass sie in dieser schwierigen Phase diese Aufgaben angenommen haben. Sie haben unsere volle Unterstützung, und wir sind uns sicher, dass wir Österreich in die richtige Richtung bewegen. – Danke. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

16.08


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist nun Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.08.49

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! – Ich gebe zu, selbst nach drei Wochen ist diese Anrede immer


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noch etwas ungewöhnlich. Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Außen­minister! Das ist eine interessante Debatte, auf jeden Fall muss sich die Opposition auf einen nahenden Wahlkampf vorbereiten, sonst würden nicht die Vertreter von Grün und Türkis hier Bilanzreden halten. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

Ich kann es schon verstehen, denn der Kitt der Koalition ist ein bisschen mürbe ge­worden. Herr Bundeskanzler, es ist gut so, dass wir uns heute hier zu einer ausführlichen Diskussion einfinden. Die Kritik daran, dass wir extra dafür hier zusammenkommen, teile ich nicht. Sie sehen aber auch, dass das Angebot Ihrerseits, im Bundesrat diese wirklich substanzielle Regierungsumbildung zu diskutieren, eigentlich unannehmbar war, und somit hatten Sie heute eine sehr, sehr große Chance.

Ein Kanzler führt eine Regierung und führt das Land. Sie sind weder ein Schattenkanzler noch – wie soll man sagen? – eine Marionette, die zwischen zwei Perioden steht. Tatsache ist, es geht nicht nur – wie viele hier sagen – um die Unschuldsvermutung, sondern es geht auch um das Sittenbild, das der frühere Kanzler Kurz und sein eher erzwungener Rücktritt herbeigeführt haben. Sie selbst, Herr Bundeskanzler, haben im deutschen „Handelsblatt“ gesagt: „Das Sittenbild ist unschön und ungut“. Es ist eigentlich die moralische Frage, die hinter diesem Ganzen steht, es geht nicht nur um das Strafrechtliche, es geht auch um die moralische Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eine Sprache, die wirklich unsäglich ist, wenn durchaus arrivierte Persönlichkeiten wie der frühere Vizekanzler Mitterlehner als „oasch“ oder die Landeshauptleute als „alte Deppen“ bezeichnet werden. Und wenn dann auch noch herauskommt, dass man den jungen Familien und den Kindern nicht für die Partei, sondern aus persönlichen und privaten Machtinteressen 1,2 Milliarden Euro stiehlt, dann ist das unerträglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie sind sehr gut beim Entschuldigen und ich nehme das auch an. Sie haben sich für einen Satz entschuldigt, den Sie zum unsäglichen Kinderleid auf Moria gesagt haben, nämlich dass Sie das „Geschrei nach Verteilung“ nicht mehr hören können. Sie haben sich dafür entschuldigt. Sie haben sich dafür entschuldigt, dass Sie die Unterlagen der NEOS-Vorsitzenden Meinl-Reisinger achtlos auf den Boden ge­wor­fen haben. Dafür haben Sie sich entschuldigt. (Bundesrat Bader: Gelegt! – Vize­kanzler Kogler: Gelegt!) – Oder gelegt, gut. Herr Kogler springt schon für Sie ein. (Vize­kanzler Kogler: Ich bin ja da gesessen! – Bundesrat Himmer: Sie sind nicht kaputtge­gangen!) Im Fernsehen hat es aber nach einem eher festeren „gelegt“ ausgesehen.

Herr Bundeskanzler, jetzt frage ich Sie aber noch etwas: Haben Sie, noch als Außen­minister oder in Ihrer neuen Funktion, eigentlich jemals die Zeit gefunden, sich bei der afghanischen Botschafterin in Wien – einer wirklich beachtenswerten Frau – für deren damalige Einberufung zu entschuldigen? – Das fehlt. Ich denke, Sie würden gut daran tun, der afghanischen Botschafterin eine Zukunft in Wien und in Österreich anzubieten, damit Sie auch hier eine qualifizierte Persönlichkeit im Umgang mit der großen afgha­nischen Community in Österreich haben. Das wäre strategisch sinnvoller, als eine Frau, die hier wirklich einen schweren Job zu erfüllen hat, auch noch durch eine solche Ein­berufung zu demütigen.

Sie sind, und viele haben das so gesehen, eine Schachfigur von Herrn Sebastian Kurz. Sie müssen sich davon lösen, eine solche zu sein, denn auf die Frage, ob er jemals in die Politik zurückkommen wird, lassen die Meinungsumfragen sowohl bei ÖVP-An­hängern und -Anhängerinnen als auch beim Rest der Bevölkerung in Österreich mut­maßen, dass das so nicht mehr geht. Wahrscheinlich wird deswegen schon heute hier im Bundesrat Wahlkampfrhetorik betrieben.

Sie müssen sich auch ein bisschen davon lösen, ständig diese Loyalitätsbekundungen gegenüber Kurz zu machen oder im Stil wie bei Ihrer Antrittsrede im Parlament zu


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agieren. Es fasziniert mich, dass manche diese Rede so großartig gefunden haben. Ich würde einmal sagen, dass das in der diplomatischen Sprache eher ein Fauxpas war, aber damit müssen Sie leben. Der Generalsekretär ist eigentlich nicht Ihre Form.

Herr Außenminister, wir haben uns vor vielen, vielen Jahren auf eine sehr positive Weise während Ihrer Zeit in Athen kennengelernt, wo Sie mich in einer sehr schwierigen Situ­ation gegenüber der griechischen Regierung unterstützt haben. Sie haben gesagt, dass Österreich ein zutiefst europäisches Land ist. – Ich denke, wir teilen das vielfach, aber Ihre Vorgänger Kurz und Schallenberg haben diese europäische Außenpolitik immer mehr zu den Visegrádstaaten hin gerückt. In den letzten Jahren hat man immer mehr das Gefühl gehabt, dass Österreich der geistige Kopf der Visegrádstaaten ist und immer wieder auch verharmlosend aufgetreten ist. Herr Außenminister, bitte setzen Sie Ihre Professionalität ein, vertreten Sie das, was Sie gesagt haben, und führen Sie uns wieder aus dem Kreis der Visegrádstaaten heraus zu jenen Staaten, die zutiefst im europä­ischen Rechts- und Grundwertedenken verankert sind – das ist bei den Visegrádstaaten nicht der Fall! (Beifall bei der SPÖ.)

Viele haben heute hier darüber gesprochen, wie toll all das, was hier stattfindet, ist. Ich denke, es gäbe ein paar Dinge, die Sie ganz schnell ändern könnten. Seit zwei Jahren appellieren wir hier an die Bundesregierung: Erhöhen Sie das Arbeitslosengeld! Erhöhen Sie das Arbeitslosengeld, damit die Menschen – Ihre eigenen Worte – gut und gerecht leben können! Das können sie nicht, wenn das Arbeitslosengeld dermaßen niedrig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Herr Bundeskanzler, Sie sind kein Masseverwalter. Sie müssen Politik kreie­ren und gestalten, weil Masseverwalter ganz schnell in Konkursmasse kommen. Manch­mal hat man den Eindruck, dass man da eine ÖVP-Konkursmasse vor sich hat, aber Sie sind kein Masseverwalter. Sie müssen Kanzler sein! Sie müssen eine Regierung führen, auch wenn die überwiegende Mehrheit dieser Regierung eigentlich der Massegruppe zugesprochen werden muss. Es wird nicht einfach sein, aus dieser Rolle des Masse­verwalters herauszutreten.

Und vor allem: Was wir in Österreich derzeit haben, ist die absolute Verteuerung des Lebens. Das betrifft so viele Menschen, und deshalb ist es wichtig, dass diesbezüglich ganz schnell Maßnahmen gesetzt werden und dass man den Kindern und jungen Familien das, was man ihnen damals genommen hat, jetzt wieder gibt, denn jetzt brauchen sie es! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss, Herr Bundeskanzler, wollen wir uns, nachdem so viele Feuerwehrmänner und -frauen in den letzten Wochen in Niederösterreich nahezu Unmenschliches geleistet haben, einerseits bei diesen, bei deren Familien, bei deren Arbeitgebern herzlich für die Bekämpfung der größten Feuersbrunst in einem Wald, die Österreich je erlebte, bedanken. Andererseits wollen wir Sie erinnern und alle Kollegen und Kolleginnen einladen, einen Entschließungsantrag betreffend „Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettung und Katastrophenhilfe im Beruf absichern!“ zu unterstützen. Bereits 2019 ist es im Be­reich der Arbeitswelt gelungen, zu erreichen, dass es Entschädigungen für Arbeitgeber gibt, wenn sie freiwillige Einsatzkräfte für deren Tätigkeiten im Katastrophenschutz in Sonderurlaub gehen lassen, sodass diese weder Urlaub noch Zeitausgleich und so weiter nehmen müssen.

Herr Bundeskanzler, wir erwarten von Ihnen, dass Sie den Arbeitsminister beauftragen, da ganz schnell einen Rechtsanspruch auf Freistellung im Katastropheneinsatz zu schaffen, der Hilfe außer Streit stellt und diese nicht von der Zustimmung der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen abhängig macht. In diesem Sinne lege ich Ihnen folgenden Ent­schließungsantrag vor:


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsatz­kräfte von Feuerwehr, Rettung und Katastrophenhilfe im Beruf absichern!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, umgehend alle notwendigen Schritte zu setzen, um einen Rechtsanspruch auf Frei­stellung für im Katastrophenschutzeinsatz stehende Einsatzkräfte zu schaffen. Zugleich ist sicherzustellen, dass für im Einsatz befindliche ehrenamtliche Einsatzkräfte, eine pauschale Abgeltung etwaiger Verdienstausfälle aus selbständiger Tätigkeit geschaffen wird.“

*****

Ich denke, es ist an der Zeit, diese Regelung von 2019 noch einmal klarer zu fassen. Wir bedanken uns, Herr Außenminister, auch bei jenen Staaten, die Österreich mit Lösch­hubschraubern und Löschflugzeugen geholfen haben. Das ist gelebte europäische Solidarität und Nachbarschaftssolidarität. Ich ersuche Sie, liebe Kollegen und Kollegin­nen, diesem Entschließungsantrag aus Respekt vor der Arbeit der Einsatzkräfte bei Feuerwehr, Rettung und Katastrophenhilfe zuzustimmen. – Mit bestem Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.20


Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Einsatzkräfte von Feuer­wehr, Rettung und Katastrophenhilfe im Beruf absichern!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Des Weiteren zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile dieses. (Bundesrat Hübner: Bravo!)


16.21.04

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Wie wir von meinen freiheitlichen Kollegen und Vorrednern bereits gehört haben, liegt in dieser schwarz-grünen Bundesregierung eini­ges im Argen, egal wo man hinschaut, egal welches Ressort man hernimmt. An der Spitze dieser Regierung stehen momentan Sie, Herr Schallenberg, und als Bundes­kanzler tragen eben Sie die Hauptverantwortung für alle Ressorts. Wenn ich dann von der ÖVP respektive – sie ist gerade nicht am Platz – von Kollegin Eder-Gitschthaler höre, dass sie Respekt einfordert, muss ich schon dazu anmerken, dass der Fisch am Kopf zu stinken anfängt. Und wenn der neu bestellte Bundeskanzler in seiner ersten Sitzung im Nationalrat hergeht und die Sicherstellungsanordnung, einen richterlichen Erlass, auf den Boden wirft, bedeutet das nicht gerade Respekt – nicht Respekt der Justiz gegen­über und auch nicht Respekt dem Hohen Haus gegenüber. (Beifall bei der FPÖ.)

Ebenfalls von Kollegin Eder von der ÖVP habe ich gehört, dass sie diese 100 Tage Schonfrist für Sie, Herr Bundeskanzler, einfordert. Diese können wir Freiheitliche Ihnen nicht gewähren. Sie sind das am längsten dienende Regierungsmitglied, weil ja bei Ihnen schon die Bierlein-Zeit dazugerechnet wird. Das heißt also, wir haben mit Ihnen keinen Newcomer bekommen, und wir werden Ihnen sicherlich diese 100 Tage Schonfrist nicht geben, denn Sie waren schließlich und endlich die letzten 20 Monate mit dabei, diese ganzen unsinnigen Maßnahmen mit umzusetzen. Es gilt in der Regierung ja das Einstimmigkeitsprinzip. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir haben nun also einen neuen Bundeskanzler, der bei jeder Gelegenheit in seinen Antrittsreden betont, dass er ganz eng und selbstverständlich mit seinem Vorgänger Sebastian Kurz zusammenarbeiten wird. Wir haben heute auch schon gehört, dass Sie vom ehemaligen Kanzler gefragt wurden, ob Sie der Nachfolger werden möchten. Es ist eine ganz neue Bestellungsmethode, dass der Vorgängerkanzler den nächsten fragt, ob er denn Kanzler werden möchte – eine eigenartige Bestellungsmethode, aber soll so sein.

Was ich aber nicht verstehe, was ich in diesem Zusammenhang wirklich nicht verstehe: Da wurde das Ansehen Österreichs durch den ehemaligen ÖVP-Kanzler Kurz und seine famiglia in der ganzen Welt angepatzt und unsere Heimat der Lächerlichkeit preis­gegeben – und was machen Sie, Herr Kanzler? Statt dass Sie sich bei den Bürgern, bei den Österreichern entschuldigen, nehmen Sie – so schaut es zumindest aus – ein korruptes System auch noch in Schutz! Ja, es ist unglaublich, was da abgeht! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!) Mit Ihrem blinden Gehorsam und Ihrer Nibe­lungentreue zu Ihrem Amtsvorgänger können Sie sich nicht so einfach aus der Affäre stehlen, sondern Sie tragen voll und ganz die Verantwortung dafür.

Ich möchte Ihnen heute auch ein paar Eckdaten aus dem Sozial-, Arbeits-, Kinder- und Jugendbereich vor Augen führen, davor darf ich aber noch ein paar Zahlen gegen­überstellen. (Die Rednerin stellt eine Tafel, auf der die Zahlen der Ungeimpften, der täglichen Neuinfektionen und der IntensivpatientInnen vom 31.10.2020 jenen vom 31.10.2021 gegenübergestellt werden, auf das Rednerpult.) 31. Oktober 2020: Da gab es in Österreich circa 8,9 Millionen Ungeimpfte, 5 000 Infizierte täglich und circa 210 In­tensivpatienten in den Spitälern. 31. Oktober 2021: Da gab es circa 3,2 Millionen Unge­impfte, 6 000 Infizierte täglich und circa 280 Intensivpatienten in den Spitälern.

Jetzt frage ich Sie allen Ernstes: Was hat sich in diesem einen Jahr in unserem Land geändert? (Bundesrat Himmer: Die Toten! Die Toten!) – Ja nichts hat sich geändert! (Beifall bei der FPÖ.) Laut der roten Vorsitzenden sterben ja nur mehr die Toten. Es sterben nur mehr die Toten laut Rendi-Wagner, aber gut. Es hat sich also nichts geän­dert, im Gegenteil: Die Zahlen sind wesentlich schlechter geworden, und das trotz eures Allheilmittels, der Impfung! (Beifall bei der FPÖ.) Obwohl mittlerweile 63 Prozent der Menschen geimpft und angeblich geschützt sind, hat sich nichts verbessert! – So viel nur zum Thema: Für jeden Geimpften ist die Pandemie zu Ende!, so viel nur zum Thema: Die Impfung ist der Gamechanger! Sie haben die Menschen mit Ihren Schmähs schlicht und ergreifend hinters Licht geführt!

Alles, was diese schwarz-grüne Regierung zusammengebracht hat, ist, das Land zu spalten und die Menschen in Österreich ihrer Grund- und Freiheitsrechte zu berauben. Die Situation ist aber noch weitaus schlimmer: Wir haben immer noch hohe Arbeits­losenzahlen. Die Auswirkungen der Kurzarbeit machen sich immer noch schmerzlich in den Geldbörseln der Familien bemerkbar. Es gab innerhalb von einem Jahr massive Teuerungen bei den Kosten für Heizung, Wohnung, Treibstoff und Lebensmitteln. Viele Menschen wurden an die Armutsgrenze getrieben und wissen nicht mehr, wie sie die Miete bezahlen oder das tägliche Leben bestreiten können.

Und jetzt frage ich Sie noch etwas, sehr geehrte Herren: Schämt man sich da nicht, wenn man eine so eiskalte, herzlose und asoziale Politik betreibt? (Beifall bei der FPÖ.) Können Sie sich tatsächlich noch in den Spiegel schauen? Geht das noch?

Vom Volk aber wird vieles verlangt. Dem Volk wird alles abverlangt, besonders den Kindern und Jugendlichen; die vergisst man ja ab und zu ganz gerne in diesem Land. Gerade den Kindern und Jugendlichen ist seit Beginn der Pandemie viel abverlangt worden, sie mussten auf vieles verzichten. Kontaktverbote, wochenlanges Eingesperrtsein


BundesratStenographisches Protokoll932. Sitzung, 932. Sitzung des Bundesrates am 3. November 2021 / Seite 61

zu Hause, oft mit schwierigstem familiären Umfeld, Homeschooling, das alles hat Spuren hinterlassen. Da gratuliere ich ganz herzlich – Zynismus off!

Sie haben es mit Ihrer verantwortungslosen Politik tatsächlich geschafft, dass bereits ein Viertel der Kinder Belastungssymptome im klinischen Ausmaß zeigt, darunter zahl­reiche suizidgefährdete Kinder. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind übergegangen, dort hat es Triagen geben, dort war das der Fall. Wenn ich in diesem Zusammenhang das Wort Triage oder Intensivstation höre, dann geht mir das Geimpfte auf, da kommt mir nämlich euer ÖVP-Bürgermeister aus Mödling in den Sinn, der doch tatsächlich gesagt hat: „Ungeimpfte ausse aus der Intensiv!“ – Ja, sagts einmal, geht’s noch?! Der Herr Hintner hat mit diesem Satz nicht nur den Vogel abgeschossen, sondern er hat, wie man im Volksmund sagt, einen Vogel! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!) Der hat einen Vogel! Diese Aussage ist widerlich, menschenverachtend und letztklassig!

Nicht genug, dass Kinder mit Test- und Maskenzwang drangsaliert werden, möchte doch diese schwarz-grüne Regierung tatsächlich Kinder jetzt auch noch als Versuchs­ka­ninchen verwenden, müssen die Kinder jetzt auch noch als Versuchskaninchen für die Coronaimpfungen herhalten. Sie werden sehen, welch verheerende Langzeitfolgen es für die Coronageneration geben wird, und deshalb sagen wir Freiheitliche ganz laut: Finger weg von unseren Kindern! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche haben unzählige Anträge und Vorschläge eingebracht, um den Öster­reichern das Leben zu erleichtern, damit wir alle ohne Zwang und Tyrannei aus der Krise herauskommen, um die Menschen in dieser verkorksten Zeit zu unterstützen. Da hat man aber wieder einmal gesehen, wie ernst es dieser schwarz-grünen Regierung denn tatsächlich mit dem Wohl des Volkes ist: Es wurden nämlich alle sinnvollen Anträge der Freiheitlichen vom Tisch gefegt. Allein in den letzten paar Sitzungen des Sozialaus­schusses im Nationalrat wurden von uns Freiheitlichen 166 Anträge in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Konsumentenschutz eingebracht. Bis auf vier Anträge wurden alle entweder abgelehnt oder bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt, aufgeschoben. 162 Anträge wurden einfach abgewürgt und versenkt. Diese aber hätten den Menschen helfen können. Stattdessen tyrannisiert die schwarz-grüne Regierung lieber die Menschen in diesem Land.

Die Krone aufgesetzt wurde beziehungsweise wird mit der 3G-Regel am Arbeitsplatz. Das ist eine sinnlose Schikane für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und völlig evidenz­befreit. Das einzige Ziel dahinter ist anscheinend, den Impfdruck noch weiter zu erhöhen und dann vielleicht noch à la longue die Impfpflicht einzuführen. – So etwas nennt man Nötigung, meine Herren! Das ist psychische Gewalt! (Beifall bei der FPÖ.)

Gleichzeitig sollen aber die Coronagratistests, das Gratisangebot, im März 2022 aus­laufen. Wie soll denn das dann funktionieren? Müssen dann wir Arbeitnehmer bezahlen, damit wir in der Früh in die Arbeit gehen dürfen? Das, was ihr da aufführt, ist ja ein Irrsinn, reiner Wahnsinn! Ich weise ganz eindringlich darauf hin, dass solche Maß­nahmen Arbeitsplätze gefährden. Das ist ein Anschlag auf unsere Grund- und Freiheits­rechte, es ist ein Anschlag auf die persönliche Integrität und es ist weiters ein Anschlag auf die Erwerbsfreiheit!

Eine Kritik kann ich Ihnen aber nicht ersparen: Wo bleibt der Aufschrei der roten Ge­werkschafter? Wo bleibt die vielgepriesene Solidarität der roten Gewerkschaften mit den unterdrückten Arbeitnehmern? (Bundesrätin Schumann: ... Metallerstreik!) Wo bleibt eure Unterstützung, wenn es darum geht, gegen die öffentliche Stigmatisierung von ungeimpften Arbeitnehmern aufzustehen? Wo bleibt sie?

Himmelherrgott noch einmal! Hört bitte endlich mit dem Murks auf, beendet den ganzen Spuk! Lasst die Menschen wieder so leben, wie wir es gewohnt waren! Wir wollen in


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keiner Coronadiktatur leben! Wir wollen Freiheit, wir wollen in Frieden leben und vor allem wollen wir selbstbestimmt leben! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf meine Rede mit den Worten von Jean-Jacques Rousseau beenden beziehungs­weise das so ausdrücken: „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will.“ (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

16.31


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Elisabeth Grossmann. Ich erteile dieses.


16.32.18

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Der Herr Außenminister ist leider nicht mehr hier. Zu meiner Vorrednerin: Die Menschen wollen vor allem in Sicherheit leben, auch am Arbeitsplatz (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Lackner), und dafür haben wir unseren Beitrag geleistet sowie dafür, dass sie für die notwendigen betrieblichen Tes­tungen nicht zahlen müssen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) – nur zur Erinne­rung.

Wir sind ja aber heute hier, um den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Außenminister zu begrüßen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrem Kurzstatement heute zu Mittag eingangs ge­sagt, Sie wollen Ihre neue, unerwartete Rolle mit Kraft und Respekt ausfüllen. Sie haben immerhin das zweithöchste Amt der Republik inne und wollen dieses Amt mit Verant­wortungsbewusstsein ausfüllen. Herr Bundeskanzler, dann tun Sie das bitte auch, denn Österreich braucht eine handlungsfähige, glaubwürdige, integre Regierung, die auch international Ansehen genießt! Was aber machen Sie und Ihre ÖVP-Regierungs­kolle­ginnen und -kollegen? – Sie unterwerfen sich nach wie vor einem Mann beziehungs­weise einer Mannschaft, über die international Folgendes geschrieben wird:

Es schreibt beispielsweise die „Berliner Zeitung“: „Die jungen Männer aus der Kurz-Truppe haben im Machtrausch jedes Maß verloren.“

Oder die „Nürnberger Zeitung“ schreibt: „Das Schmierentheater in Wien sollte als Lehr­stück für die Gefährdung von Demokratien in die Annalen eingehen.“

Herr Bundeskanzler, in Kenntnis der schwerwiegenden Vorwürfe, die ja nicht von uns, dem politischen Mitbewerber, geäußert werden, dem ja immer alles Mögliche in die Schuhe geschoben wird – nein, diese Vorwürfe werden von der Staatsanwaltschaft geäußert und lauten auf Bestechung, Bestechlichkeit, Untreue, Amtsmissbrauch; es geht querbeet durch das Strafgesetzbuch, und diese Vorwürfe werden auch mit viel Substanz unterlegt –, in Kenntnis dieser Vorwürfe also sind Sie und offensichtlich Ihre Fraktion immer noch stolz auf den, der unser Land in diesen Sumpf hineinmanövriert hat, und wollen seinen Kurs fortsetzen!

Wir erinnern uns: Mit fiesesten Methoden, wirklich, mit Methoden, die man sich gar nicht vorstellen kann, wurde einer Ihrer Parteifreunde, nämlich Ex-Kanzler Mitterlehner, aus dem Amt gejagt, und mit ihm auch ein Regierungsteam, das wirklich für die Menschen gearbeitet hat und nicht nur für irgendwelche PR-Gags oder kurzfristige parteipolitische Vorteile. Ich denke dabei zum Beispiel an Finanzminister Schelling, der ein ganz klares Konzept hatte, die kalte Progression abzuschaffen. Das hätte pro Steuerzahlerin und Steuerzahler im Durchschnitt rund 2 000 Euro im Jahr gebracht. Das wäre eine große Steuerreform gewesen – statt jetzt hier Bonuszuckerln zu verteilen und mit Bonuszuckerln herumzuwerfen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


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Von den 1,2 Milliarden Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung war heute und auch in der Vergangenheit schon mehrfach die Rede, da ging es aber um noch viel mehr: Da ging es um viele, viele Qualitätsverbesserungen im Bildungsbereich. Ich war ja früher im Nationalrat Bildungssprecherin meiner Fraktion und habe auch die Bildungsreform mitverhandelt, und ich kann Ihnen sagen, da wäre wirklich noch viel, viel mehr möglich gewesen, aber irgendetwas war da immer spürbar. Wenn wir in den Parteienver­hand­lungen etwas ausverhandelt hatten, auch unter Einbeziehung der damaligen Opposition, nämlich der Grünen, der FPÖ und der NEOS – die haben auch sehr wertvolle Beiträge dazu geleistet –, wenn wir mit Staatssekretär Mahrer etwas ausverhandelt hatten – der wurde auch immer wieder, wie wir festgestellt haben, brüskiert, sein Abgang aber wurde ihm ja dann, wie wir auch wissen, entsprechend versüßt –, wurde das dann immer in letzter Minute von ÖVP-Seite zu Fall gebracht. (Ruf bei der SPÖ: Hört! Hört!) Da hat es dann immer geheißen: Da müssen wir noch ein paar Schleifen ziehen! Das, was da wirklich schon ausverhandelt war, wurde dann immer aus den Reihen der ÖVP von irgendeiner Seite torpediert.

Da ging es nicht, wie das heute schon von Herrn Fraktionsobmann Bader geäußert wurde, um eine verpflichtende Ganztagsschule – ganz im Gegenteil, es ging um echte Wahlfreiheit, darum, dass Eltern wählen können, auch am Land, zwischen einer echten Ganztagsschule in verschränkter Form und eben einer Halbtagsschule mit Nachmittags­betreuung. Es ging auch darum, den Mittelschulen mehr Ressourcen zu geben, um ihre großen Herausforderungen erfüllen zu können. Da ging es um viel, viel mehr. Das alles wurde jedoch torpediert – von nicht festzumachenden Kräften. Wir haben gespürt: Da gibt es irgendwelche Kräfte, die dagegenarbeiten, und jetzt wissen wir, wer das war. Jetzt können wir diese Kräfte auch benennen, die alles daran gesetzt haben, dass nichts weitergeht, solange nicht gewisse Personen als Erste sozusagen durchs Ziel rennen. Jetzt wissen wir es, jetzt können wir diese Personen auch ad personam benennen.

Sie, Herr Bundeskanzler, sollen immer noch jeden Montag, wie es zum Beispiel über die „Kleine Zeitung“ kolportiert wurde, zur Befehlsausgabe durch diese destruktiven Kräfte in die Lichtenfelsgasse pilgern. Das ist kein Neuanfang, wie man sich einen vorstellt, und das bedeutet auch nicht eine Politik, wie Sie sie angekündigt haben, nämlich mit Kraft und Respekt für Österreich zu arbeiten.

Da muss man natürlich auch die Frage stellen, wie das die Grünen im Wahlkampf getan haben: Was „würde der Anstand wählen“? – Sicherlich nicht das, was derzeit von den Grünen unterstützt wird!

Ich muss auch den Herrn Vizekanzler fragen, wie da seine Sichtweise ist. Ich weiß nicht, wie schwer oder leicht es Ihnen fällt, die Augen und Ohren zu verschließen und sehr oft auch den Mund, denn die Kritik, die man von den Grünen gewohnt war, gegen Miss­stände aufzutreten, diese Kritik ist verstummt und sie fehlt auch in der politischen De­batte.

Herr Bundeskanzler, wenn Sie diesen ehrenvollen Titel Bundeskanzler zu Recht tragen wollen und Österreich und nicht nur Ihrer Partei dienen wollen, dann fordere ich Sie zu Folgendem auf: Legen Sie unverzüglich eine Regierungsvorlage vor, die die Empfeh­lungen des Antikorruptionsvolksbegehrens umsetzt! Betreiben Sie Schadensabwehr, indem sämtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, gegen die ermittelt wird, suspendiert werden, so wie das auch bei kleinen Beamtinnen und Beamten üblich ist! Stellen Sie vor allem sämtliche Angriffe und Misstrauensbekundungen gegen die Justiz ein! Machen Sie den Schaden gut, der der Republik zum Beispiel durch die Übernahme von Kosten für gefälschte Umfragen und Inserate entstanden ist! Beauftragen Sie – vielleicht ist das schon geschehen; vielleicht können Sie uns dazu etwas sagen – die Finanzprokuratur damit! Sie könnte sich ja als Geschädigte dem Strafverfahren anschließen. Machen Sie auch gegenüber der Bevölkerung eine Schadensgutmachung, indem sofort die kalte


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Progression abgeschafft wird! Und her mit den 1,2 Milliarden für Kinderbetreuung und Bildungsagenden, die so wichtig und so dringend notwendig sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Außenminister hat uns einen Überblick über seinen Reisekalender gegeben. – Vielen Dank dafür. Ich ersuche Sie aber, auch die außenpolitischen Perspektiven darzu­legen. Vor allem: Treten Sie unverbrüchlich für die Menschenrechte in Europa ein, auch gegenüber Staaten und Staatsvertretern, die Frauenrechte missachten und der Verlet­zung von Frauenrechten nicht entschieden entgegentreten, die die Istanbulkonvention infrage stellen! Da können Sie Profil zeigen, und darum ersuche ich Sie auch. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile dieses.


16.42.16

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Anlässlich der Erklärung des Schattenbundeskanzlers und des Belastungsvizekanzlers möchte ich die Gelegenheit dazu nützen, die Grausamkeiten der schlechtesten und anscheinend korruptesten Bundesregierung in das Licht zu stellen, das sie verdienen.

„Es ist fix: Der türkis-grüne Belastungsteufel hat wieder zugeschlagen. So geht es der österreichischen Bevölkerung fast wöchentlich, seitdem die türkis-grünen Belastungs­ritter im Amt sind.“ – So habe ich meine letzte Rede am 21.10.2021 begonnen. Mittler­weile muss ich diese Aussage teilweise korrigieren: Nicht wöchentlich, sondern täglich schlagen die Belastungsritter zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Mittlerweile hat die Belastungsfraktion Türkis-Grün-Rot mit rosa Beistrich die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz eingeführt und ist dabei, 2,5G einzuführen. Was diese verfassungs­widrige Regelung für die Wirtschaftstreibenden und die Arbeitnehmer in Verbindung mit unglaublichen zu verhängenden Strafen – für Arbeitgeber 3 600 Euro und für Mitarbeiter 500 Euro – bedeutet (Bundesrätin Steiner-Wieser: Unglaublich! Unglaublich!), unter­mauert das DDR-2.0-System dieser Bundesregierung, für das man noch vor einiger Zeit das sogenannte Goldene Brett zugesprochen bekam.

Damals bin ich schon richtig gelegen, aber nun wurden die Annahmen noch übertroffen. Es gilt, wie schon letztens erwähnt, die 3K-Regel der Bundesregierung. Diese lautet: kriminell, korrupt und käuflich. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben anscheinend nur ein Ziel: Die anständige österreichische Bevölkerung muss ihren mühselig erarbeiteten Wohlstand verlieren, egal ob es um den Verkehr, um Energie, Umwelt, Wirtschaft oder Landwirtschaft geht.

So wie letztes Mal schon gesagt: Das sogenannte Bauernsterben wird schon seit län­gerer Zeit kontinuierlich und konsequent von der ÖVP in Alleinherrschaft betrieben. 1970 waren es 366 000, 2021 gibt es – momentan – 155 000 landwirtschaftliche Betriebe. Unterstützt wird das von der zuständigen Ministerin, die in der Zeit, in der man die türkis-schwarzen Umfärbungs- und Korruptionssümpfe angelegt hat, als Generalsekretärin sicher nichts mitbekommen hat. (Beifall bei der FPÖ.) Sie bekommt ja sicher nichts mit – oder ist sie so unfähig oder hat sie die falschen Personen als Einflüsterer?

Nun ein paar Zahlen, die dies belegen: Um vom Gewinn eines Landwirtes eine Rech­nung in der Höhe von 1 000 Euro oder ein sogenanntes, immer wieder so hochge­prie­senes 1-2-3-Klimaticket zu bezahlen, muss der Landwirt unglaubliche 50 000 Liter Milch verkaufen, weil er einen Gewinn von 2 Cent pro Kilogramm hat, oder 172 Mastschweine


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verkaufen – dafür muss er vier Monate in den Stall gehen; Gewinn: 6 Cent pro Kilo – oder 100 Ferkel mästen – Gewinn 32 Cent pro Kilo – oder 20 000 Kilo Äpfel verkaufen – Gewinn 5 Cent pro Kilo – oder 15 Mastrinder verkaufen – Gewinn 17 Cent pro Kilo.

Wenn er ins Internet einsteigen muss – die Landwirte werden es mir verzeihen –, muss er mit den sogenannten Gummistiefeln einsteigen, weil der Breitbandausbau bereits seit Längerem stockt – so viel zum Thema Fiasko der Landwirtschaftsvertretung, so viel zum Bekenntnis der ÖVP zur Regionalität, so viel zum Bekenntnis der Bundesregierung zur regionalen Landwirtschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Genauso unfähig ist die Wirtschaftsministerin: Sie produzierte einen Bauchfleck mit ihrer Kaufhaus-Österreich-Plattform, wie wir heute schon gehört haben, die außer Steuergeldverschwendung nichts gebracht hat. Vernünftig wäre es, sich gegen monatliche Verwahrentgelte auf Konten in der Höhe von 0,5 Prozent, die ab 1.12.2021 eingehoben werden sollen, auszusprechen.

Der Herr Finanzminister: Das ist jener, für den Fall, dass es die Leute vergessen haben, der nicht weiß, ob er einen Laptop besitzt, besaß oder nicht, und der mit der neuen Sportart auf Steuergeld beschäftigt ist, die lautet: Wer fährt mehr Kilometer mit dem Laptop im Kinderwagen aus? – vielleicht gibt es da auch Scheinrechnungen, die dann irgendwo bezahlt werden (Beifall bei der FPÖ) –, anstatt sich gemeinsam mit der Wirtschaftsministerin darum zu kümmern, dass diese Cofag die den Unternehmern zu­stehenden, von ordentlichen Finanzbeamten bereits mehrmals überprüften und für in Ordnung befundenen, längst auszuzahlenden Ausfallsbonuszahlungen von März 2021 endlich zur Auszahlung an die Wirtschaftsbetriebe bringt. (Beifall bei der FPÖ.)

Zusätzlich spielt die Bundesregierung das Spiel der G-Regeln als Marketinginstrument zur Verkaufsförderung von Pharmaprodukten weiter. Dies bekämpft weder die Pande­mie noch Neuinfektionen, sondern lediglich unsere, die eigenen, österreichischen Bür­ger, die Wirtschaft und den sozialen Frieden. Das mag zwar davon ablenken, dass gegen führende ÖVP-Politiker wegen Korruption ermittelt wird, fährt aber gleichzeitig das ganze Land gegen die Wand.

Damit muss jetzt endlich Schluss sein, sonst kommt es zum zweiten Mal dazu, dass das überlebenswichtige Weihnachtsgeschäft Amazon und Co überlassen beziehungsweise auf dem Silbertablett serviert wird. Da geht es um Arbeitsplätze, es geht um Existenzen und es geht um unsere Freiheit. Das sollte auch für Sie als Schattenkanzler verständlich sein.

Nun zu der schlechtesten, von spürbarem Hass gegen alle Personen, die auf ein Kraft­fahrzeug angewiesen sind, geprägten Ministerin, zuständig für Umwelt, Energie und Verkehr: Mit Unterstützung der „ÖVP mit türkisem Mascherl“, so wie ich es letztes Mal schon erwähnt habe, auf dem grünen Elektrolastenfahrrad transportiert, werden die Klein- und Mittelbetriebe, die Arbeitnehmer und die Pensionisten ruiniert, und zwar nicht nur durch die Erhöhung der NoVA, nicht nur durch die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer, nicht nur durch die Erhöhung der Mineralölsteuer, nicht nur durch die Erhöhung der Stromkosten, nicht nur durch die Erhöhung der Energiekosten, Heiz­kosten, nicht nur durch die Einführung der CO2-Abgabe, nicht nur durch die Erhöhung der Kosten für die Autobahnvignette, nicht nur durch die Einführung des negativen Zins­satzes auch auf Privatkonten ab 1.1.2022. Das bedeutet, jeder, der Geld auf seinem Konto hat, muss ab 0 Euro dafür Zinsen zahlen. Es ist einfach nur mehr irre. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

Nein, es ist noch immer nicht genug. Der nächste Anschlag ist in Vorbereitung, unter­stützt von den sogenannten Sozialdemokraten: flächendeckende Lkw-Maut auf allen Straßen – nur noch Gehirnamputierte können glauben, dass mit dieser Aktion und den vorher erwähnten nicht noch einmal eine Teuerungswelle von bis zu 30 Prozent auf uns


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zukommt und der anständige österreichische Mittelstand nicht in die Armut getrieben wird. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Darum: Kommen Sie zu Sinnen! Kümmern Sie sich um das Trockenlegen von Korrup­tionssümpfen! Hören Sie auf, die österreichische Bevölkerung einzukerkern und die Grundrechte außer Kraft zu setzen! Hören Sie auf, unsere Bevölkerung zu belasten und zu spalten! Hören Sie auf!

Zum Schluss möchte ich noch folgende Wahrnehmung schildern: Bei der letzten Sitzung waren betreffend Bedingungen für Lkw-Fahrer am Arbeitsplatz die sogenannten Schi­kanen Thema. Am 1.11.2021, sprich am Feiertag, Allerheiligen, wurden die Lkw-Fahrer, die ja nicht aus Freude am Feiertag arbeiten, noch zusätzlich in der Prüfstraße speziell kontrolliert. Wer schafft solche Schikanen an? – Sicher nicht die Beamten, die Dienst versehen. Dieser Befehl wird sicher von oben kommen. Wer auch immer das sein mag, ist mit schuld daran, dass wir im Bereich der Lkw-Fahrer bald englische Verhältnisse haben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zu Kollegen Bader: „Experimente, [...] von Kickls Gnaden“ – das hätte das Ende der Korruption bedeutet. ÖVP-Schnappatmung herrschte, als der beste Innenminister, Kickl, anfing, im BVT und im Innenministerium die schwarzen Machenschaften aufzudecken. Aufgrund dessen wurde die Regierung gesprengt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Dem Vizekanzler sei auch mit ins Stammbuch geschrieben: Der große Wurf der öko­sozialen Steuerreform ist nicht ersichtlich – meiner Meinung nach ist sie die asozialste aller Zeiten. Sie, Herr Vizekanzler, haben noch keinen einzigen Arbeitsplatz geschaffen. Sie haben in Ihrer Regierungsverantwortung als Vizekanzler Tausende Arbeitsplätze vernichtet! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Kanzler: Hören Sie auf, als Zöger- und Zauderkanzler die österreichische Bevöl­kerung für dumm zu verkaufen! Sie werden sich noch wundern, wozu die Bevölkerung fähig ist, wenn Sie nicht sofort Ihre Richtung ändern. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Was heißt das ...?)

16.51


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses.


16.52.09

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Herr Vizekanzler! Herr Kanzler! Liebe Kollegen! Herr Bundeskanzler Schallenberg hat uns heute gleich zu Beginn dieser Sitzung nochmals mitgeteilt, dass er für eine sachliche oder eine sachgerechte Politik – ich glaube, so hat er das formuliert: sachlich und sachgerecht – die Hand ausgestreckt hat.

Dazu darf ich ihm, um vielleicht die Diktion unserer grünen Kollegin zu verwenden, von altem weißem Mann zu altem weißem Mann ein paar Überlegungen mitteilen. Eigentlich müsste ich es politisch korrekt noch vergrößern: von altem heterosexuellem weißem Mann zu altem heterosexuellem weißem Mann. Zwischen uns herrscht also zumindest aus grüner Sicht eine Gesprächsebene, die ich für einige Vorschläge nützen darf. (Bundesrätin Schumann: Aber es amüsiert den Kanzler ...!)

Herr Bundeskanzler, das ist aber nicht lustig gemeint, sondern ich wollte nur politisch korrekt sein, damit bei den Grünen vielleicht ein bisschen Überraschung über meine - - (Vizekanzler Kogler: ... die Pointe überfordert nur die eigene Fraktion! – Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und Grünen sowie Beifall bei der SPÖ.) – Ja, ja, ja! Danke jedenfalls für


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den Applaus! Danke, Herr Vizekanzler, für den Einwand! (Rufe: Hochmut kommt vor dem Fall! Der Applaus war aber für den Vizekanzler! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Jetzt wollen wir also – vereinfacht: von Mann zu Mann – zu sachlichen Fragen kommen. (Rufe bei der SPÖ: „Von Mann zu Mann“? Dann können wir gehen ...!) Starten wir viel­leicht mit all den Dingen, die der Herr Bundeskanzler als sachlich oder sachgerecht erwähnt hat. Natürlich hat er die Klimapolitik, den Zusammenhalt, die europäische Dimension erwähnt, der Herr Außenminister hat auch die transatlantische Partner­schaft – interessant! – beziehungsweise die transatlantische Dimension genannt und natürlich die gute Einwanderungspolitik, die die Regierung gemacht hat und macht.

Fangen wir vielleicht mit der Einwanderungspolitik an, schauen wir einmal die Einwan­derungspolitik näher an: Einwanderung ist bei uns mittlerweile hauptsächlich Asylpolitik, denn der Großteil der Einwanderung nach Österreich erfolgt unter Gebrauch oder, fachlich ausgedrückt, Missbrauch des sogenannten Asylrechts. Bis jetzt – die letzte Statistik, die erhältlich ist, ist inklusive August – haben wir ein Plus an Asylanträgen in Österreich von 121 Prozent. Das heißt, der Missbrauch des Asyls zur Masseneinwan­derung aus der Dritten Welt erreicht neue Höhen. Bis jetzt haben wir etwa 20 000 An­träge, bis Jahresende ist mit etwa 30 000 zu rechnen.

Wenn ich auf die erste Anfragebeantwortung des Außenministers zur Evakuierung von – unter Anführungszeichen – „Österreichern“ aus Afghanistan zurückkommen darf: Da hat der Herr Außenminister über den Vorgang, den noch der jetzige Bundeskanzler und frühere Außenminister zu verantworten hat, mitgeteilt, dass wir – ich habe mir das aufgeschrieben – 346 Leute aus Afghanistan evakuiert haben, davon waren 94 öster­reichische Staatsbürger – wahrscheinlich Alpintouristen, Wanderer und so weiter, die am Höhepunkt des afghanischen Bürgerkrieges dorthin gereist sind.

Interessant ist aber: Wer waren die 252 anderen Geretteten? – Die haben angeblich über gültige österreichische Aufenthaltstitel verfügt. Wer verfügt in Afghanistan am Höhepunkt des Bürgerkrieges über gültige österreichische Titel – der Minister hat es in der Anfragebeantwortung auch erwähnt –: Leute, die einen gültigen Asylbescheid oder ein humanitäres Bleiberecht haben oder aus sonstigen Gründen nicht abgeschoben wer­den können! Das heißt, allein diese Auskunft zeigt uns ja, was von unserem Asylsystem zu halten ist. Die Leute, die zu uns gekommen sind, weil sie vor Krieg, Verfolgung, Diskriminierung und so weiter geflüchtet sind, machen Familienbesuch, Urlaub oder was immer in ihrem Herkunftsland. Das Gleiche gibt es übrigens bei den tschetschenischen Asylwerbern, die fast zu einem Drittel zu Hause Urlaub machen.

Was wäre eine sachgerechte Politik, wenn Sie die Hand nicht nur zu uns, sondern zur österreichischen Bevölkerung ausstrecken, Herr Bundeskanzler, Herr Außenminister? – Dass Sie diese Wahrheiten auf den Tisch legen (Beifall bei der FPÖ) und sagen: Da ist ein eklatanter Missstand! Da wird auf unserem Recht herumgetrampelt, da werden wir für blöd verkauft! Da muss auf europäischer Ebene, aber vor allem auf dieser Ebene, hier, etwas geschehen. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir vielleicht gleich zur transatlantischen Partnerschaft, wie der Herr Außen­minister interessanterweise jetzt gesagt hat. Ich habe immer noch gedacht, wir sind neutral und nicht Teil der Nato. Unter transatlantischer Partnerschaft versteht man vulgo die Nato, also die sogenannte Partnerschaft mit den USA unter dem Deckmantel oder Überbegriff der Nato – ein Relikt der europäischen Nachkriegsordnung, der Besatzungs­zeit, mit dem die USA den Verbleib eines großen Teils ihrer Armee als Postbesatzungs­truppe in Europa rechtfertigen.

Ist das tatsächlich die österreichische Außenpolitik? Ist das der Weg, dass wir zu einer Union der Werte kommen? Sind das – die Kriege im Irak, in Afghanistan, die Freundschaft,


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die enge Partnerschaft mit Saudi-Arabien und seinem demokratischen König oder mit Herrn Präsidenten al-Sisi in Ägypten – unsere Partnerschaften? – Nein! Herr Bundes­kanzler, wenn Sie da sachlich und sachpolitisch agieren würden, würden Sie den Außen­minister zurechtweisen und sagen: Wir haben eine alte, verfassungsrechtlich gesicherte Tradition der Neutralität, mit der wir gut gefahren sind, und eine Partnerschaft – eine sogenannte Partnerschaft, die keine ist, sondern eine Unterwerfung unter das ameri­kanische Imperium für außenpolitische Abenteuer, teilweise zum Schutz von Potentaten und Diktatoren – ist das nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Gehen wir jetzt weiter zur europäischen Dimension: Was hat diese europäische Dimension hinsichtlich unserer Probleme gebracht? Vielleicht betreffend die ange­sprochenen: Was hat sie in der Asyl- und Einwanderungspolitik gebracht? – Die größte Schlepperorganisation in der europäischen Geschichte – Poseidon oder wie immer sie heißt –, in deren Rahmen Schiffe – Kriegsschiffe! –, die von Mitgliedsländern zur Verfügung gestellt werden, unter EU-Kommando bis jetzt etwa 600 000 Asylwerber – im Wesentlichen aus Afrika – nach Europa geschifft haben! Ist das die europäische Dimen­sion, die wir wollen, oder ist es die Zwangsverteilung dieser nach Österreich, nach Deutschland, nach Schweden geschifften Asylwerber über EU-Regeln? Ist es die Zwangs­festsetzung von Quoten, die Ausschaltung jedes nationalen Mitspracherechts bei der Einwanderung und beim Asylwesen und die Verlagerung dieser für uns so wichtigen Entscheidungen nach Brüssel? Herr Bundeskanzler, wenn es um Sachpolitik im Inter­esse der Österreicher ginge, dann würden Sie da ein klares Nein sagen und würden sagen: Wir werden uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass dieser Wahnsinn gestoppt wird! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, wenn Ihr Herr Außenminister sagt: Ja, man wird sich deutliche Schritte gegen Polen überlegen müssen, weil es die europäischen Werte verletzt! (Bun­desrat Schennach: Richtig!), dann hat er überhaupt nicht nachgesehen, worum es da geht. Da geht es jetzt in erster Linie natürlich um das Erkenntnis des polnischen Verfas­sungsgerichts, das gesagt hat: Polnisches Verfassungsrecht steht über dem EU-Recht, und dort, wo EU-Recht polnisches Verfassungsrecht bricht, ist es nicht anzuwenden! (Bundesrat Schennach: ... Unionsrecht ...!)

Das ist natürlich ein Angriff auf den Rechtsstaat, denn eine Entscheidung eines Gerichts, die der EU nicht passt, ist generell ein Angriff auf den Rechtsstaat. In der EU-Diktion ist das ein Rechtsstaat, was den eigenen Wünschen genügt. Wenn ein Gericht EU-konform urteilt, dann ist es immer rechtsstaatlich, wenn aber Entscheidungen gefasst werden, die der Kommission oder maßgeblichen Drahtziehern im Europäischen Parlament und im Rat nicht passen, dann gibt es Sanktionen; Sanktionen, die sich in Wirklichkeit gegen den Rechtsstaat und die Rechtsstaatlichkeit richten.

Wenn jetzt gesagt wird, die Polen müssen 1 Million Euro Strafe zahlen, bis sie klein beigeben und ihren eigenen Rechtsstaat begraben, dann müssen Sie, Herr Bundes­kanzler, sagen: Nein, Herr Außenminister, da stehen wir nicht auf der Seite des Un­rechts, da stehen wir auf der Seite des Nationalstaates und des Rechtsstaates! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich könnte diese Liste - - (Bundesrat Himmer: Dieses Problem hätte eine Regierung Rendi/Kickl gelöst!) – Nachher, jetzt bin ich am Wort. Was? (Bundesrat Himmer: Dieses Problem hätte eine Regierung Rendi/Kickl gelöst!) – Das können wir nachher disku­tieren. Rendi und Kickl hätten wahrscheinlich, unter uns gesagt, auch nicht viel weiter­gebracht, denn mit Rendi als Partnerin, na ja, also ich will meine persönliche Meinung dazu nicht äußern. (Bundesrätin Schumann: Na das ist aber gescheit!)

Herr Bundeskanzler und Herr Minister, wenn Sie wirklich die Hand ausstrecken möchten und wenn Sie von Ankündigungen, Propaganda, Wiederkäuen von EU-Sprech und


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dergleichen zur Sachpolitik im Interesse der Bevölkerung übergehen möchten, dann sind, davon bin ich überzeugt, sowohl meine Person als auch jedes alte weiße männ­liche, aber auch junge weiße männliche Mitglied unserer Gruppe ebenso wie die jungen weißen Damen unserer Gruppe bereit, aus dem Rucksack ihrer Erfahrung einige Spenden dazulassen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.02


Präsident Dr. Peter Raggl: Zur ersten Rede hier im Bundesrat zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile es ihm.


17.02.24

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich besonders, heute die Möglichkeit zu haben, am Tag der Angelobung vor diesem Publikum zu sprechen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen. – Ruf: Wir sind kein Publikum!)

Es liegen nicht nur schwierige Monate hinter uns, sondern auch dieser Parlamentstag war schon sehr herausfordernd – manche sind schon gegangen, wie ich gesehen habe. Insbesondere Familien haben in der Coronazeit sehr herausfordernde Zeiten gehabt. Meine Vorredner vom freiheitlichen Parlamentsklub haben klar und deutlich dargestellt, wie das Versagen der Bundesregierung gewesen ist. (Ruf bei der SPÖ: Dann brauchen wir es nicht noch einmal ...!)

Als bekannt wurde, dass ich das Mandat als Bundesrat erhalten würde, habe ich sehr viele Zuschriften erhalten, aus meinem privaten Umfeld, aber vor allem von besorgten Bürgern, die unter diesen Coronamaßnahmen sehr leiden und Ängste und Sorgen um die Grund- und Freiheitsrechte und somit um ihre Zukunft haben.

Herr Bundeskanzler, Sie haben die Möglichkeit gehabt, einen neuen Weg einzu­schla­gen, aber mit den schon angesprochenen Maßnahmen – 3G, 2,5G bis hin zu 2G – werden die Menschen, die nicht geimpft sind, weiter in die Ecke getrieben, aus der sie kaum mehr einen Ausweg finden. Beachten Sie das! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, ich ersuche Sie, nehmen Sie diese Ängste und Sorgen der Men­schen ernst! Sie haben gesagt, Sie wollen die Spaltung der Gesellschaft beenden, die Menschen wieder zusammenführen, die Gräben überwinden. Sie haben gesagt, Ihre Hand ist ausgestreckt. Ja, ich höre Ihre Worte, aber mir fehlen die Taten und der Glaube.

Ich sehe die Maßnahmen gegen die Ungeimpften sehr kritisch. Es ist eine schlechte Idee, sie weiterhin so stark zu benachteiligen. Die Menschen sehen es nämlich als Strafe und als Bevormundung und reagieren darauf sehr negativ und ablehnend.

In meinem persönlichen Umfeld gab es einige, die sich aus medizinischen Gründen haben impfen lassen, der Großteil der Menschen aus meinem Umfeld hat sich aber aus pragmatischen Gründen impfen lassen: Sie wollten wieder reisen, sie wollten wieder ins Fitnesscenter. (Bundesrat Schreuder: ... auch medizinisch!) 40 bis 50 Prozent sind aber bis jetzt noch immer nicht geimpft, jeder aus seinen persönlichen Gründen, und all diese Menschen fühlen den Druck vonseiten der Regierung. Sie sagen, es ist eine Art von Gewalt – ich habe in diesem Zusammenhang sogar das Wort Vergewaltigung gehört –, und fühlen sich erpresst. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Na geh, bitte!)

Die Menschen sagen: Wenn ich mich nicht impfen lasse, verliere ich den Job. Ich kann nicht zu den Vereinen gehen. – Also wirklich, da spüre ich die Sorgen der Menschen. Diese Menschen, die sich bis dato noch nicht haben impfen lassen – wie bereits erwähnt, es gibt sehr viele Gründe, warum man sich nicht impfen lassen kann oder wird –, sind in die Enge getrieben, und es entsteht Verzweiflung und sogar Wut.


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Die Regierung hat mit 3G beziehungsweise 2G am Arbeitsplatz aus meiner Sicht die Grenze überschritten. Die 2G-Regel ist schon in vielen Bereichen Wirklichkeit, und damit ist auch die Spaltung der Gesellschaft weiter vorangetrieben worden. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Menschen fühlen sich nicht nur ausgeschlossen, sondern sie sind mit der 2G-Regel bereits ausgeschlossen. Wir haben eine Zweiklassengesellschaft erreicht, die aus meiner Sicht sicher nicht verfassungskonform sein kann. Bei der Stufe zwei hat jetzt sogar der Antikörpertest keine Gültigkeit mehr. Die Regeln werden also immer strenger.

Mit der 2G-Regel wird noch Öl ins Feuer gegossen. Warum? – Weil dadurch die Ge­testeten, die eigentlich die Einzigen sind, die nachweisen können, dass sie gesund und nicht ansteckend sind, vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden, während jene, die möglicherweise geimpft, aber vielleicht auch infiziert sind, am gesellschaftlichen Leben sehr wohl teilnehmen dürfen.

Die Intention ist klar, es wurde schon angesprochen: Man will die Menschen dazu brin­gen, sich impfen zu lassen. Ich finde es respektlos, so mit Menschen umzugehen. Sie haben gesagt, man möchte Vertrauen herstellen, aber das ist nicht die Art und Weise, wie Vertrauen wiederhergestellt wird! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin aber zuversichtlich – es ist wichtig in der Politik, Optimist zu sein –, dass bald wieder Vernunft einkehrt, dass die Regierung lernfähig ist und nicht so viel Druck anwen­det, um die Leute dorthin zu bringen, wo sie sie haben will.

Das Kollektiv steht nicht über der Freiheit des Einzelnen. Der freie Wille des Menschen ist etwas Besonderes. Es ist wichtig, eine bewusste Entscheidung treffen zu können, gerade wenn es etwas ist, das einen selbst betrifft. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Daher rufe ich auch alle Geimpften auf: Schauen Sie nicht weg angesichts dessen, was mit den Menschen, die nicht geimpft sind, passiert! Morgen können auch Sie das Gefühl haben, keine freie Willensentscheidung mehr treffen zu können, und damit würden Sie in die Enge getrieben werden! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss, Herr Bundeskanzler, möchte ich in Anlehnung an einen Spruch von Einstein sagen: Wer immer und immer wieder das Gleiche tut, kann sich kein anderes Ergebnis erwarten. Sie haben die Möglichkeit: Schlagen Sie einen neuen Weg ein, einen Weg der Hoffnung und Zuversicht! (Beifall bei der FPÖ.)

17.08


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Sebastian Kolland. Ich erteile es ihm.


17.09.07

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Geschätzter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, ganz herzlich für Ihre sehr würdigen und passenden Worte bei der gestrigen Gedenk- und Ehrveranstaltung in der Rossauer Kaserne anlässlich des Jahrestages des schweren Terroranschlages in Wien bedanken. Es wurde gestern ja nicht nur der Opfer gedacht, sondern es wurden auch Menschen ausgezeichnet, die maßgeblich dazu beigetragen haben, teilweise auch unter Einsatz ihres eigenen Lebens, dass das Leben anderer Menschen gerettet wurde.

Sie haben in Ihrer Rede etwas erwähnt, was meines Erachtens zu oft untergegangen ist, was ich aber sehr wichtig finde, auch, weil es sehr viel über unsere Gesellschaft aussagt, und zwar, dass rund 1 000 Angehörige der Einsatzkräfte, die am Abend des 2. No­vember 2020 nicht im Dienst waren, die zu Hause bei ihren Familien, bei ihren Freunden


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waren, die in Sicherheit waren, als sie gehört haben, dass ein Terroranschlag in der Wiener Innenstadt stattgefunden hat, nicht gezögert haben, sich sofort freiwillig in den Dienst zu stellen, auch angesichts der Gefahr, selbst verletzt oder sogar getötet zu werden. (Bundesrätin Schumann: Ein Hoch den Wiener Linien, den Wiener Einsatzkräf­ten!) Ich glaube, solange diese Solidarität so überwältigend größer ist als die Angst vor Gewalt und vor Terror, so lange kann und so lange wird der Terrorismus es nicht schaffen, unsere freie, demokratische Gesellschaft in die Knie zu zwingen. Ich habe das Hervorheben dieses Umstandes, Herr Bundeskanzler, gestern in Ihrer Rede sehr kraft- und wertvoll gefunden und wollte es heute noch einmal erwähnen. – Danke dafür. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Es ist mir jetzt aber doch ein Anliegen, auf ein paar Dinge einzugehen, die von mehreren Vorrednern angesprochen wurden. Das eine betrifft das aufgeheizte politische Klima, aber auch das aufgeheizte Klima in der Gesellschaft. Nur, wenn man natürlich so manche Debatten verfolgt, dann muss man – ich glaube, man muss so ehrlich zuei­nander sein – auch sagen, dass die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, nicht dazu angehalten ist, viele Menschen nachhaltig für die Politik zu begeistern. (Bun­desrätin Schumann: „Blutrausch“! – Bundesrätin Grimling: Genau! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundesrätin Schumann: Kollege Bader war heute am Höhepunkt der Rede!) Es scheint viel zu oft nicht mehr um inhaltliche Debatten, um inhaltliche Auseinandersetzung zu gehen, sondern darum, andere anzupatzen, sie run­terzuziehen, sie madig zu machen und, ja, auch dann und wann Politik nicht nur mit Worten zu machen, sondern mit Anzeigen – und, so ehrlich muss man sein, leider funktioniert dieses Spiel auch. Die Unschuldsvermutung mag zwar auf dem Papier gelten, aber in der Praxis ist sie dann oftmals nicht allzu viel wert.

Ein aktuelles Beispiel dafür – ich habe mir das sehr genau angesehen –: Hartwig Löger, ehemaliger Finanzminister der Republik, wurde im Februar dieses Jahres öffentlichkeits­wirksam der Untreue beschuldigt, tagelang durch die politische Manege gezogen – von Mitbewerbern, aber durchaus auch sehr öffentlichkeitswirksam begleitet von Medien. (Bundesrätin Schumann: ... nächste Wahlkampfrede!)

Ich habe zuerst ja erwähnt, ich habe mir das angesehen, zum Beispiel die Bericht­erstattung (die Kopie einer Zeitungsseite in die Höhe haltend), als dieses Verfahren oder die Ermittlungen begonnen haben, im „Standard“. (Bundesrätin Schumann: Jetzt haut er auch noch auf den Journalismus hin! Das darf ja nicht wahr sein!) Gestern kam dann die Nachricht, dass das Verfahren eingestellt ist. Das ist die heutige Berichterstattung darüber, auf Seite 7 ein kleines Kasterl (die Kopie einer weiteren Zeitungsseite in die Höhe haltend), ich habe es gelb markiert, damit man es auch erkennt. (Bundesrat Steiner: Das ist bei der FPÖ ganz normal! Da habt ihr euch nicht beschwert! – Bun­desrätin Schumann: Was machen Sie denn da? Hauen Sie jetzt auf den Journalismus auch noch hin? Also das ist zu viel, um Himmels willen! Zuerst kaufe ich mir den mit Anzeigen, und dann sage ich, ich bin beleidigt! Was soll denn das?)

Ein Teil des Problems, und das traue ich mich hier durchaus auch zu sagen, auch wenn es manche nicht glauben wollen, ist, dass interne Ermittlungsdaten, Akten, Chats, oft­mals bevor sie die Beschuldigten selbst überhaupt kennen, in allen Medien ausgebreitet werden (Bundesrätin Schumann: Jetzt haut er auf die Wirtschaftsstaatsanwaltschaft hin! Um Gottes willen! Oje!), oft aus dem Zusammenhang gerissen, in falschen Kontext gesetzt, teilweise durchaus auch in einer manipulativen Art und Weise eingesetzt.

Wenn man es dann wagt, diese Praxis zu kritisieren, die beispielsweise in Deutschland strafbar wäre, dann wird einem sofort unterstellt, man möchte die Institutionen be­schä­digen, man möchte vielleicht sogar die Demokratie aushöhlen. (Bundesrätin Schumann: Eine Pressekonferenz ...! Na danke schön!) Ich kann Ihnen aber eines sagen: Immer mehr Menschen ist durchaus unwohl dabei, zu sehen, mit welcher Leichtigkeit heute


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private Kommunikation den Weg in alle Medien findet. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bun­desrätin Schumann: Das glauben Sie ja wohl selbst nicht, Herr Bundesrat!) Dass gerade jene Parteien, die sich immer den Datenschutz auf die Fahnen heften, dass all jene, die Persönlichkeitsrechte so hochhalten, dass genau diese Parteien jetzt die ersten sind, die laut applaudieren, wenn das tagtäglich passiert, das ist meines Erachtens entlarvend. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Haben Sie gar kein Unrechtsbewusst­sein ...? Alles ganz egal?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, tun wir bitte nicht so, als ob es nur Mitglieder der Volkspartei wären, die zunehmend das Gefühl beschleicht, dass hier manchmal über das Ziel hinausgeschossen wird! (Rufe bei der SPÖ: Na geh! Geh, hör auf! Ohhh! Jaaa!) – Bitte hören Sie zu! Prof.in Dr. Gabriele Aicher, Rechtsschutzbeauftragte der Justiz und damit oberstes Kontrollorgan über die Staatsanwaltschaften, hat selbst kürz­lich deutlich und unmissverständlich Kritik an der Korruptionsstaatsanwaltschaft geübt.

Sie sagt beispielsweise – ich zitiere – mit Blick auf das Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft: Ich bin in Sorge, „weil ich wahrnehme, wie fortlaufend versucht wird, Grenzen zu verschieben und das beunruhigt mich zutiefst“. (Bundesrätin Schumann: Wie ist das mit der Privatadresse eines Staatsanwalts, die bekannt gegeben wurde?) Sie sagt auch, dass – Zitat – „eine rote Linie des Rechtsstaates überschritten wurde“ und dass „das Recht auf den gesetzlichen Richter systematisch unterlaufen“ werde. (Bundesrätin Schumann: Er macht die Justiz schlecht! Also ganz ehrlich, das ist zu viel!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie schon uns nicht glauben, dann hoffe ich doch, dass Sie dieser Expertin, die über jeden Zweifel erhaben ist, Glauben schen­ken. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler, ein Appell, den ich hier abschließend aussprechen darf, nach einer durchaus emotionalen Debatte: Lassen Sie sich in Ihrer Amtsführung nicht von all jenen beeindrucken, die alles schlechtreden und schlechtmachen, egal, was Sie tun, was Sie reden und was Sie leisten. Lassen Sie sich nicht von all jenen beirren, die glauben, dass es ihnen nützt, Wut zu befeuern, um die Gesellschaft aufzuwiegeln und zu spalten, denn, Herr Bundeskanzler, ich kann Ihnen eines sagen: Die Destruktiven mögen zwar laut sein, zumindest in ihren eigenen Echokammern, aber sie sind in der Minderheit, weil die Menschen ein sehr gutes Gespür dafür haben, wenn es darum geht, wer die Krise besser meistert und wer auch das Potenzial hat, sie gut durch diese Krise zu führen. (Beifall bei der ÖVP.) Das sind nämlich nicht jene, die oftmals lauthals Parolen schreien. Es sind jene, die still und leise ihre Arbeit machen, mit Nachdruck, mit Fleiß und mit Konsequenz.

Herr Bundeskanzler, in diesem Sinne alles, alles Gute für Ihre Arbeit zum Wohle unseres Landes und zum Wohle aller Menschen, die hier leben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.16

17.16.15


Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Entlassung des Bundesministers für Inneres Karl Nehammer (MSc)“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettung und Katastrophenhilfe im Beruf absichern!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsa­ntrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.17.30Einlauf


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen, 3930/J-BR/2021 bis 3938/J-BR/2021, eingebracht wurden.

****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 2. Dezember 2021, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 30. November 2021, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche allen ein gutes Nachhausekommen.

Die Sitzung ist geschlossen.

17.18.26Schluss der Sitzung: 17.18 Uhr

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Parlamentsdirektion

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