Stenographisches Protokoll

94. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 6. November 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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94. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 6. November 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. November 1997: 9.01 – 19.08 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: 3. Budgetbegleitgesetz 1997

2. Punkt: AMA-Gesetz-Novelle 1997

3. Punkt: Bericht über den Antrag 605/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird

4. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

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Inhalt

Personalien

Verhinderung 6

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 23

Unterbrechung der Sitzung 90

Fragestunde (23.)

Justiz 6

Dr. Willi Fuhrmann (171/M); Dr. Michael Krüger, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Hans Peter Haselsteiner

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (173/M); Mag. Dr. Heide Schmidt, Mag. Johann Maier, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Harald Ofner

Dr. Harald Ofner (177/M); Josef Schrefel, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Thomas Barmüller, Mag. Gisela Wurm


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94. Sitzung / Seite 2

Mag. Dr. Heide Schmidt (179/M); Dr. Johannes Jarolim, Dr. Michael Krüger, Mag. Helmut Kukacka, Mag. Terezija Stoisits

Mag. Terezija Stoisits (180/M); Mag. Dr. Heide Schmidt, Dr. Ilse Mertel, Dr. Martin Graf, Rosemarie Bauer

Anna Huber (172/M); Dr. Michael Krüger, Mag. Dr. Josef Trinkl, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Thomas Barmüller

Wahlen in Institutionen

4. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates 146

Ausschüsse

Zuweisungen 21

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Neugestaltung der "Familienförderung" (626/A) (E) 90

Begründung: Mag. Dr. Heide Schmidt 90

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 96

Debatte:

Dr. Volker Kier 97

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 100, 129

Dr. Ilse Mertel 103

Maria Rauch-Kallat 105

Hermann Böhacker 108

Karl Öllinger 110

Klara Motter 112

Maria Rauch-Kallat (tatsächliche Berichtigung) 114

Mag. Herbert Kaufmann 114

Edeltraud Gatterer 116

Mag. Dr. Heide Schmidt (tatsächliche Berichtigung) 117

Dr. Helene Partik-Pablé 117

Mag. Doris Kammerlander 119

Mag. Gisela Wurm 121

Ridi Steibl 123

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 124

Karl Gerfried Müller 125

Katharina Horngacher 126

Theresia Haidlmayr 127


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94. Sitzung / Seite 3

Dr. Hans Peter Haselsteiner 128

Edith Haller 130

Dr. Volker Kier (tatsächliche Berichtigung) 132

Ablehnung des Dringlichen Antrages 132

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (887 d. B.): 3. Budgetbegleitgesetz 1997 (901 d. B.) 23


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Redner:

Mag. Gilbert Trattner 23

Ing. Kurt Gartlehner 27

Dr. Hans Peter Haselsteiner 28

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 33

Mag. Helmut Peter (tatsächliche Berichtigung) 35

Mag. Gilbert Trattner (tatsächliche Berichtigung) 35

Dr. Alexander Van der Bellen 35

Robert Sigl 39

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 40

Bundesminister Rudolf Edlinger 42

Jakob Auer 45

Mag. Terezija Stoisits 46

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigungen) 49, 72

Josef Edler 49

Hermann Böhacker 51

Hermann Kröll 53

Karl Öllinger 54

Karl Gerfried Müller 57

Elfriede Madl 58

Ernst Fink 60

Dkfm. Holger Bauer 61

Rainer Wimmer 63

Dr. Martin Graf 64

Franz Stampler 66

Anton Blünegger 67

Mag. Franz Steindl 68

Andreas Wabl 70

Karlheinz Kopf 72

Mag. Helmut Peter 73

Dr. Gottfried Feurstein 74

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 75

Annahme des Gesetzentwurfes in 901 d. B. 77

Entschließungsantrag der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen betreffend Dreijahresverträge mit Trägern von Familienberatungsstellen – Ablehnung 59, 79

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (890 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997) (909 d. B.) 79

Redner:

Robert Wenitsch 79

Georg Schwarzenberger 81

Mag. Thomas Barmüller 82

Arnold Grabner 84

Anna Elisabeth Aumayr 85

Dr. Martina Gredler (tatsächliche Berichtigung) 87

Josef Schrefel 87

Franz Koller 88

Heinz Gradwohl 132

Ing. Mathias Reichhold 134

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 135

Annahme des Gesetzentwurfes in 909 d. B. 136

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 605/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird (900 d. B.) 137

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 137

Friedrich Verzetnitsch 139

Dr. Martin Graf 139

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 141

Dr. Alexander Van der Bellen 142

Kurt Eder 142

Mag. Dr. Josef Höchtl 143

Mag. Franz Steindl 144

Mag. Cordula Frieser 144

Dr. Volker Kier 144

Annahme des Gesetzentwurfes in 900 d. B. 145

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 21

898: Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 – WGN 1997

914: Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz geändert wird

Bericht 22

III-102: Bericht betreffend die Erweiterung des Hochleistungsstreckennetzes; BM f. Wissenschaft und Verkehr

Anträge der Abgeordneten

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Neugestaltung der "Familienförderung" (626/A) (E)


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Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, geändert wird (627/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend weitere aufklärungsbedürftige Sachverhalte im Zusammenhang mit der Veräußerung der Austria Tabakwerke-Tochter HTM (3242/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die unrichtige Beantwortung der parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen vom 23. April 1997 zu 2034/AB (3243/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Förderung von Seminaren der Consulting Gruppe "Business Success" durch das österreichische Arbeitsmarktservice (AMS) (3244/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Vorsitzenden des Unabhängigen Bundesasylsenates (3245/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verzögerung der Auszahlung von EU-Fördergeldern für den Tourismusverband Salzkammergut-Steiermark (3246/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Möglichkeit, innerhalb von zwei Semestern einen akademischen Grad zu erlangen (3247/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Erteilung von Weisungen an die Staatsanwaltschaft Wien und Wr. Neustadt (3248/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zukunft der Bundessportschule Spitzerberg (3249/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Spitalsmisere in Salzburg (3250/J)

Andreas Wabl und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (3251/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (3252/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (3253/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Diskriminierung von Studierenden aus Kosovo beim Studium (3254/J)

Dr. Alois Mock und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Seniorentarife der ÖBB (3255/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2868/AB zu 2908/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2869/AB zu 3034/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (2870/AB zu 2907/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (2871/AB zu 3009/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen (2872/AB zu 3005/J)


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Die Geschäftsordnung sagt, daß die Sitzung zur angegebenen Zeit ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden zu eröffnen ist (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist sehr gut so, Herr Präsident!), daher erkläre ich die Sitzung für eröffnet.

Ich gebe bekannt, daß für den heutigen Sitzungstag Frau Abgeordnete Gabriele Moser als verhindert gemeldet ist.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde mit Anfragen an den Herrn Bundesminister für Justiz, den ich herzlich hier im Saal begrüße.

Bundesministerium für Justiz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Als erster Fragesteller wünsche ich Ihnen erstens einen guten Morgen und darf zweitens folgende Frage an Sie richten:

171/M

Wie beurteilen Sie die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens beim neuen Übernahmerecht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um die Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Meine Damen und Herren! Herr Dr. Fuhrmann, zunächst herzlichen Dank für die Gutenmorgenwünsche, die ich herzlich erwidere.

Zur Frage: In den meisten Stellungnahmen wurde das Vorhaben trotz verschiedener Kritikpunkte im Ergebnis begrüßt. In den kritischen bis ablehnenden Stellungnahmen wurde vor allem bemängelt, daß der Entwurf die Struktur österreichischer Aktiengesellschaften, die in aller Regel einen starken Kernaktionär haben, nicht ausreichend berücksichtige.

Es war für uns nicht überraschend, daß sich im Begutachtungsverfahren gerade jene Gruppen gegen den Entwurf ausgesprochen haben, deren wirtschaftliche Interessen durch die künftig einzuführende Verpflichtung zu einem Übernahmeangebot an alle Aktionäre unmittelbar betroffen sind. Diesen Interessen stehen aber die Interessen der Anleger und des Kapitalmarktes gegenüber.

Derzeit kann ein Großaktionär sein Aktienpaket verkaufen, ohne den dabei lukrierten sogenannten Paketzuschlag teilen zu müssen. Durch eine künftige Verpflichtung zu einem Übernahmeangebot an alle anderen Aktionäre im Falle des Kontrollwechsels wird der vom Großaktionär zu erzielende Erlös etwas geschmälert werden. Da das Übernahmeanbot aber um 15 Prozent unter dem Paketpreis liegen kann, wird den Interessen der Kernaktionäre auch in Zukunft Rechnung getragen werden.

Überdies wird, um die Akzeptanz des Übernahmegesetzes weiter zu erhöhen, in der Regierungsvorlage die Möglichkeit eines sogenannten Opting-out vorgesehen werden, das bedeutet,


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daß börsennotierende Aktiengesellschaften die Möglichkeit haben sollen, durch eine Bestimmung in der Satzung die Verpflichtung zur Erstellung eines Übernahmeanbotes auszuschließen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Herr Minister. – Zusatzfrage, bitte.

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Minister, danke für diese erste Auskunft. – Wie Sie schon richtig erwähnt haben, ist es sicher Sache dieses neuen Übernahmerechts, die beiden divergierenden Interessen der beiden Gruppen, die Sie angesprochen haben, möglichst gerecht – salopp formuliert – unter einen Hut zu bringen. Es wurde in der Diskussionsphase des Begutachtungsverfahrens aber von der einen oder anderen Seite der Vorwurf erhoben – ich identifiziere mich nicht damit, sondern halte es nur fest –, daß der Entwurf zu sehr in Richtung angloamerikanisches Rechtssystem orientiert sei und daher nicht in unsere Rechtsordnung, nicht in unser Rechtssystem passen würde. Wie stehen Sie zu dieser Argumentation?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Richtig ist, daß die Kapitalmarktverhältnisse dort anders sind als bei uns und daß die große Anzahl der Aktiengesellschaften im angloamerikanischen Rechtsbereich, vor allem in Großbritannien, Aktiengesellschaften mit einem größeren Streubesitz sind als in Österreich. Dem tragen wir aber dadurch Rechnung, daß bei uns im Gegensatz zu der in Großbritannien nicht gesetzlichen, aber funktionierenden Regelung ein Abschlag von 15 Prozent möglich sein soll, was doch für den Wechsel im Kontrollrecht, den Verkauf eines Paketes eine Verbesserung gegenüber der angloamerikanischen Situation mit sich bringt.

Auch die Opting-out-Lösung, wie sie auch die Schweizer vor kurzem eingeführt haben, gibt es in Großbritannien nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Pflichtangebot für andere Aktionäre neben dem Erwerb des Paketes gilt dann, wenn mindestens 30 Prozent des Paketes erworben werden; da hat man sich offensichtlich an Vorbildern im Ausland orientiert. Sind Sie der Ansicht, daß diese 30prozentige Grenze gerade für die österreichischen Aktiengesellschaften, für Publikumsgesellschaften, aber auch für Familiengesellschaften die angemessene Grenze für die Erstellung des Pflichtangebotes darstellt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Man muß natürlich bei Beobachtung der österreichischen Verhältnisse sehen, daß es sehr unterschiedliche Interessen gibt und daß durchaus Gesellschaften existieren, bei denen ein großer Streubesitz gegeben ist, in denen man schon mit 25 Prozent und mehr Kernbesitz Kontrollrechte über das Unternehmen ausüben kann. Wir sind in diesem Bereich der Großzahl der ausländischen Vorbilder gefolgt und haben gemeint, daß 30 Prozent angemessen sind. Gibt es Aktionäre, die einen höheren Beteiligungsstand haben, dann gilt das für den mit 30 Prozent ohnehin nicht.

Zweitens: Es kann die 30-Prozent-Grenze durch eine Satzungsänderung auf bis zu 25 Prozent gesenkt werden, also eine Art Opting-up-Regelung.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Kollegin Dr. Fekter, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Das Begutachtungsverfahren befindet sich ja jetzt in der Endphase, daher möchte ich Sie fragen: Wie sehen Sie den weiteren Zeitablauf für dieses Gesetz?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich gehe davon aus, daß wir noch dieses Jahr eine Regierungsvorlage einbringen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte schreibt in ihrer Begutachtung, daß der Gesetzentwurf, der zur Begutachtung vorliegt, über die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer völlig hinwegsehe. Herr Bundesminister! Wie stehen Sie dazu, wird das korrigiert, und wenn ja, wie?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Ein völliges Darüber-Hinwegsehen ist nicht gegeben, war schon nach dem Entwurf nicht gegeben, da die Interessen der Arbeitnehmer in der zwingend abzugebenden Stellungnahme der sogenannten Zielgesellschaft ausdrücklich behandelt werden müssen und dabei auf die Auswirkungen auf die Arbeitnehmerschaft eingegangen werden muß. Wir werden aber im Einvernehmen mit dem Ergebnis des Begutachtungsverfahrens in der Regierungsvorlage auch Informationsrechte des Betriebsrates der betroffenen Gesellschaften vorsehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner, bitte.

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sie wissen, daß in der Praxis Paketzuschläge sehr unterschiedlich gestaffelt sind. Halten Sie es für sinnvoll, auch in diesem Gesetz unterschiedlich gestaffelte Paketzuschläge – 25 Prozent, 50 Prozent – vorzusehen, oder glauben Sie, daß es mit einem einheitlichen Paketzuschlag getan sein kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir haben diese Frage ausführlich diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß es durchaus sachgerecht ist, wenn wir eine Untergrenze sozusagen für die Ausübung des Kontrollrechts annehmen und sich dann jeweils bei weiteren Schritten von 2 Prozent dieser Mechanismus wiederholt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit haben wir den ersten Komplex erledigt.

Frau Dr. Fekter stellt die 2. Anfrage.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Bundesminister! Wir stehen vor der etwas bedauerlichen Situation, daß die Opfer von Verbrechen sehr oft auf sich allein gestellt sind und von der Justiz, vom Sicherheitsbereich oder überhaupt von der Gesellschaft nicht die notwendige Unterstützung bekommen. Meine Frage an Sie lautet daher:

173/M

Was werden Sie zur Verbesserung des Opferschutzes im Strafverfahren unternehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die Stellung des Opfers im Strafverfahren ist schon in den letzten Jahren durch eine Reihe von Maßnahmen verbessert worden, womit ein gewisser Wandel im Grundverständnis des Strafrechts zum Ausdruck kommt. Das klassische, traditionelle Verständnis eines auf den Nachweis von Schuld oder Nichtschuld gerichteten Verfahrens soll nunmehr in verstärktem Maße auch die Interessen der von einer Straftat Betroffenen, also der Opfer, berücksichtigen.

Wir haben verschiedenes zu dem, was schon geschehen ist, in Aussicht genommen. Sie kennen die zur Begutachtung ausgesandte Novelle zur Strafprozeßordnung, mit der der Täter-Opfer-Ausgleich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden soll. Da kommt es zu einer sehr verstärkten Einbeziehung des Opfers in das Verfahren.


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Darin erschöpfen sich aber keineswegs unsere Aktivitäten. Ich habe schon beim heurigen Österreichischen Juristentag ausgeführt, daß wir im Rahmen der Neuregelung des strafprozessualen Vorverfahrens auch die Definition der verfahrensrechtlichen Stellung des Opfers neu vornehmen wollen. Es geht um verstärkte Möglichkeiten des Einflusses auf den Verfahrensablauf und auf die Stoffsammlung. Es geht um die Befriedigung des Bedürfnisses nach immaterieller, aber auch materieller Wiedergutmachung, aber auch um eine professionelle Verfahrensbegleitung samt psychologischer und rechtlicher Beratung und Betreuung während des Verfahrens und nach dessen Beendigung.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage, Frau Dr. Fekter.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Zugegeben: Es sind bereits Rechte für die Opfer in den Gesetzen normiert, aber bedauerlicherweise erfahren die Opfer nicht oder viel zu spät davon. In der Zeit der Ministerschaft von Dr. Foregger war einmal die Rede davon, daß es ein Merkblatt geben soll, das die Bediensteten in den Bereichen Justiz und Sicherheit dabei unterstützen soll, die Opfer über deren Rechte zu informieren. Denken Sie daran, die Information der Opfer besser zu gestalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ja, Frau Abgeordnete. Schon allein aufgrund der nicht zuletzt durch Sie ausgelösten Diskussion in den letzten Wochen sowie aufgrund des Ergebnisses der Beratungen des Österreichischen Juristentages habe ich den Auftrag gegeben, ein verbessertes – es gibt ja eines – Formblatt über die Belehrung von Personen, die durch eine Straftat in ihren Rechten verletzt worden sind, aufzulegen. Dieses Formblatt soll den betroffenen Personen bereits bei der Anzeige, jedenfalls aber vor der Vernehmung zur Sache rechtzeitig ausgehändigt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Dr. Schmidt, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Wenn es überhaupt eine Steigerung der Bedauernswürdigkeit von Opfern gibt, dann, muß ich sagen, sind sicher die Opfer von Kindesmißbräuchen am bedauernswertesten. In diesem Zusammenhang haben Sie uns schon einmal auf eine Anfrage geantwortet, daß es in Österreich insgesamt nur drei kindergerecht eingerichtete Vernehmungszimmer gibt. Ich glaube jedoch, daß es notwendig wäre, alle Verfahren, die mit Kindesmißbrauch in Zusammenhang stehen, so zu konzentrieren, daß sie von Leuten geführt werden, die auch im Umgang damit geschult sind; das wäre an den Jugendgerichtshöfen gegeben. Auch dazu gibt es einen Antrag der Liberalen, der seit einem halben Jahr im Parlament liegt und bisher nicht behandelt wurde.

Gibt es Überlegungen in Ihrem Ressort in die Richtung, die Verfahren über Kindesmißbräuche auf die Jugendgerichtshöfe zu konzentrieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Außerhalb von Wien gibt es sozusagen noch ein eigenes Jugendgericht in Graz, dieses ist ein Einmannbetrieb, der auch nicht ausgelastet ist. Ich sehe bei allen anderen Landesgerichtshöfen allein aufgrund des Anfalles nicht die Notwendigkeit einer eigenen organisatorischen Einrichtung. Ich meine aber, daß es an allen Landesgerichtshöfen besonders geschulte Personen, vor allem Richter, gibt, die durch die Geschäftsverteilung für Jugendgerichtssachen bestimmt werden.

Als wichtig erscheint es mir in diesem Zusammenhang, daß die im Gesetz schon seit einiger Zeit vorgesehene Möglichkeit der schonenden und auch abgesonderten Vernehmung wirklich Praxis wird. Dafür gibt es sowohl Schulungen als auch den Kontakt mit Sachverständigen, durch die die Vernehmung dann stattfinden kann, und – jedenfalls bis zum Ende dieses Jahres – überall die räumlichen, organisatorischen und technischen Voraussetzungen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Maier, bitte.


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94. Sitzung / Seite 10

Abgeordneter Mag. Johann Maier
(SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Österreicherinnen und Österreicher können auch im Ausland zum Opfer von Gewaltverbrechen werden. Meine Frage lautet: Wie sieht der Opferschutz auf europäischer Ebene aus? Werden Ansprüche von Österreichern in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union, sofern sie Opfer geworden sind, anerkannt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Derartige Harmonisierungen der Rechtssituation gibt es bis heute nicht. Es gibt grundsätzlich die Ansprüche des Opfers jedenfalls in allen EU-Rechtsordnungen, die Stellung des Opfers im Verfahren selbst ist jedoch noch ziemlich heterogen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Dr. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Vielfach wird richtig gesagt, der beste Opferschutz sei der außergerichtliche Tatausgleich. Diese Auffassung vertrete auch ich. Meine konkrete Frage: Wann konkret können wir mit einer Regierungsvorlage rechnen, die den außergerichtlichen Tatausgleich für Erwachsene vorsieht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir werden uns bemühen, nach Auswertung der bisher mehr als 100 eingegangenen Stellungnahmen zu unserem Gesetzesvorschlag – es fehlen jedoch noch sehr wichtige, insbesondere jene des Innenministeriums – den Gesetzentwurf zu überarbeiten, zu diskutieren und noch vor dem Sommer nächsten Jahres eine Regierungsvorlage in den Nationalrat einzubringen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Ich war zu großzügig mit akademischen Titeln, aber bei einer Fragestunde zum Thema Justiz ist das naheliegend.

Herr Dr. Ofner, bitte.


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94. Sitzung / Seite 11

Abgeordneter Dr. Harald Ofner
(Freiheitliche): Herr Bundesminister! Nach meinem Dafürhalten – man möge es mir nicht übelnehmen – gehen die gestellten Fragen und damit selbstverständlich auch die Antworten am Kern des Problems vorbei. Außergerichtlicher Tatausgleich wird immer ein Minderheitenprogramm bleiben, das Gros der Strafsachen wird vor Gericht verhandelt werden – immer, heute ist es so, und auch in Zukunft wird es so sein.

Jede Information über Rechte der Opfer muß ins Leere gehen, wenn die Opfer praktisch keine Rechte haben. Darum meine Frage an Sie: Haben Sie vor, werden Sie darangehen, konkret dort, wo es darauf ankommt, nämlich im Strafverfahren, in der Hauptverhandlung, Rechte der Opfer, die diese derzeit nicht haben, zu installieren?


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94. Sitzung / Seite 12

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich bitte um Verständnis dafür, daß wir bei den weiteren Novellierungen der Strafprozeßordnung schrittweise vorgehen. Hauptregelungsbereich in den nächsten Vorlagen wird das Vorverfahren sein, danach kommt das Hauptverfahren.

An sich ist die Stellung vor allem des Privatbeteiligten in der Hauptverhandlung bekannt, diskutiert. Sie ist in gewissen Bereichen verbesserungsfähig, insbesondere was das Ergebnis seiner Bemühungen um den Zuspruch seiner Ansprüche bei einem zivilrechtlichen Schaden anlangt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zum 3. Fragenkomplex betreffend die Rechtspraktikanten. – Herr Dr. Ofner, bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage:

177/M

Welche Möglichkeiten sehen Sie, die vor kurzem erfolgte soziale Schlechterstellung der Rechtspraktikanten rückgängig zu machen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Abgeordneter! Ich habe bereits im Rahmen der Debatte im Budgetausschuß, aber auch in der Folge schriftlich darauf hingewiesen, daß aufgrund der sehr stark gestiegenen Zahl der Rechtspraktikanten und der dadurch stark gewachsenen finanziellen Aufwendungen des Justizressorts – innerhalb vier Jahren um 45 Prozent – Maßnahmen zur budgetären Entlastung notwendig wurden.

Wir mußten auf der einen Seite das Recht auf Ausbildungsdauer von zwölf auf neun Monate zurücknehmen, was aber für alle Rechtsberufe ausreichend ist, und die Sonderzahlungen – das ist jeweils ein halber monatlicher Ausbildungsbeitrag pro drei Monate Verwendung – herabsetzen. Hätten wir diese Maßnahmen nicht gesetzt, hätten wir heute statt eines Aufwands in der Höhe von knapp 300 Millionen Schilling einen von fast 450 Millionen Schilling.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Dr. Ofner, bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Rechtspraktikant zu werden beziehungsweise zu sein, ist Pflicht für jeden, der einen Rechtsberuf ergreifen möchte, und jetzt hat man den Rechtspraktikanten, die in der sozialen Einstufung ohnehin zu den Ärmsten der Armen gehören, rückwirkend den 13. und 14., wenn Sie so wollen, also das jeweils halbe Adjutum, weggenommen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es eine andere Gruppe von Arbeitnehmern gibt, die sich das gefallen ließe.

Jetzt hört man, daß man auch noch die Zuwendung, die sie erhalten, von ungefähr 11 000 S im Monat auf 7 500 S kürzen will. Können Sie ausschließen, daß es eine weitere Reduzierung der ohnehin knappen Bezüge der Rechtspraktikanten in Zukunft geben wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Zunächst darf ich darauf hinweisen, daß der monatliche Ausbildungsbeitrag 15 281 S (Abg. Dr. Ofner: Brutto!) brutto zuzüglich Dienstgeberbeitrag – das sage ich nur, um unsere budgetäre Belastung ausmessen zu können – beträgt. Woher Gerüchte stammen, daß auch dieser Betrag ins Visier genommen wird, weiß ich nicht. Richtig ist, daß wir überlegt haben, ob wir den monatlichen Beitrag oder die Sonderzahlungen senken sollen. Wir haben uns zur Senkung der Sonderzahlungen und nicht des laufenden Beitrags entschlossen. Dabei bleibt es auch; zumindest solange ich im Ministerrat etwas zu reden habe, wird es dabei bleiben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Josef Schrefel, bitte.

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Bundesminister! Die durchschnittlichen Wartezeiten für eine Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst sind relativ lang. Ich möchte daher folgende Frage stellen: Wie hoch ist der Bedarf an Richteramtsanwärtern verglichen mit dem Interesse von Rechtspraktikanten auf Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Der Bedarf an Richteramtsanwärtern ist, würde ich sagen, wechselhaft. Das, was in den nächsten Jahren voraussichtlich oben durch Pensionierungen frei wird, wird unten aufgenommen.

Ich würde sagen, daß man im Durchschnitt mit etwa einem Drittel rechnen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Kollegin Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Eine Interessenvertretung der Rechtspraktikanten existiert mit Ausnahme der ARGE Rechtspraktikanten, zu der sich Rechtspraktikanten auf freiwilliger Basis zusammengeschlossen haben, derzeit nicht. Es gibt aber die massive Forderung der Rechtspraktikanten nach Verankerung einer gesetzlichen Interessenvertretung für Rechtspraktikanten, -praktikantinnen. Wie stehen Sie dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Mir sind gesetzliche Vertretungen immer recht, weil ich dann weiß, wen ich als Ansprechpartner habe, mit dem ich die Probleme erörtern kann. Ob das in diesem Fall wirklich zum Ziel führt, wenn jemand nur einige Monate drinnen ist und dann wieder weggeht, ist fraglich. Aber grundsätzlich habe ich immer gerne ein demokratisch legitimiertes Visavis, mit dem man die Probleme besprechen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Kollege Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ungeachtet dessen, daß es nicht gerade eine besondere Erfahrung ist, während seiner Ausbildungszeit zur Kenntnis nehmen zu müssen, daß es rückwirkende Gesetze und dergleichen gibt, frage ich Sie: Kann für einzelne Rechtspraktikanten die Gefahr bestehen, daß aufgrund bereits bezogener Sonderzahlungen Rückzahlungen zu leisten sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Den letzten Satz habe ich nicht ganz verstanden. Was kann ausgeschlossen werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Barmüller, bitte noch einmal.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Kann ausgeschlossen werden, daß aufgrund bereits geleisteter Sonderzahlungen von einzelnen Rechtspraktikanten Rückzahlungen geleistet werden müssen? (Abg. Dr. Graf: Die sind ja gutgläubig verbraucht!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich möchte meinen, die Frage, ob rückwirkend oder nicht, müßte man einmal genauer debattieren. Grundsätzlich kann man nicht sagen: Ich bin unter einem Regime angetreten, dieses Regime wird jetzt geändert, und daher bin ich rückwirkend betroffen! Auch sonst geschehen Eingriffe in laufende Dienstverhältnisse, in laufende Dauerschuldverhältnisse pro futuro, und auch da kann man nicht sagen, man sei den Vertrag oder das Dienstverhältnis vor Jahren unter einer anderen Rechtslage eingegangen, deshalb brauche man sich den Eingriff nicht gefallen lassen. Insofern möchte ich die Rückwirkung doch etwas relativieren. Richtig ist, daß er am Beginn damit gerechnet hat, aber das allein macht es rechtlich gesehen noch nicht zu einer Rückwirkung.

Ich weiß, daß in diesem Zusammenhang gewisse Überzahlungen – der Computer war sozusagen schon programmiert – stattgefunden haben. Ich gebe zu bedenken, daß ich nicht der hiefür Zuständige bin, werde mich aber erkundigen, wie das jetzt gedacht ist, ob man bereits Angewiesenes a) zurückfordert oder b) verrechnet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Bundesminister! Nach Abschluß des juristischen Studiums hat man die Möglichkeit, am Gericht sozusagen die weitere, vor allen Dingen praktische Ausbildung zu absolvieren, die während des Studiums ja nicht gerade großgeschrieben ist.


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Jetzt stelle ich die Frage an Sie: Ist geplant, daß man diese neunmonatige Ausbildung als Rechtspraktikant/als Rechtspraktikantin auch weiterhin im Rahmen des sogenannten Gerichtsjahres absolvieren kann, oder ist geplant, einen Teil der Ausbildung zum Beispiel in einer anderen Verwaltungsbehörde zu machen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Richtig ist, daß nicht nur finanzielle Überlegungen dafür gesprochen haben, eine Senkung der Zahl der einzusetzenden Rechtspraktikanten herbeizuführen, sondern auch praktische Notwendigkeiten aufgrund der Möglichkeiten der Ausbildungsstätten innerhalb der Justiz.

Bei einer weiterhin steigenden Zahl der auszubildenden Personen – und das sind ja dann nicht nur die Rechtspraktikanten, sondern auch die Richteramtsanwärter – müßte es dazu kommen – es ist ja nicht jeder befähigt, jemanden wirklich gut auszubilden; die didaktischen Fähigkeiten hat nicht jeder –, daß die dazu Befähigten zwei oder mehr gleichzeitig ausbilden.

Es sind daher Überlegungen im Gange, ob man nicht einen Teil der Rechtspraktikantenzeit bei einer Verwaltungsbehörde, also entweder in einem Ministerium oder insbesondere bei einer Bezirkshauptmannschaft, ablegen soll, da ja viele Rechtspraktikanten nicht in den klassischen Rechtsberufen, für die diese Ausbildung gedacht ist, landen, sondern in der Verwaltung, für die sie aber in der Rechtspraktikantenzeit überhaupt nicht ausgebildet wurden.

Unsere Überlegungen gehen also dahin, in diese Zeit möglicherweise auch eine verwaltungsbehördliche Praxis einzubeziehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Wir kommen zum 4. Thema der Fragestunde. Die Anfrage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte sehr.


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Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt
(Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage:

179/M

Teilen Sie die Auffassung von Klubobmann Dr. Khol, daß das in Ausarbeitung befindliche neue Sexualstrafrecht, das statt der "Sittlichkeit" die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung der Menschen schützen soll, den – wie Dr. Khol es ausdrückt – Grundkonsens in Österreich gefährdet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Wie Sie wissen, habe ich vor etwa einem Jahr eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, das Sexualstrafrecht und damit im Zusammenhang stehende Fragen des materiellen und formellen Rechts einer kritischen Revision zu unterziehen.

Anlaß für die Einsetzung dieser Arbeitsgruppe war zum einen der Umstand, daß vermehrt gravierende Fälle sexueller Übergriffe an Minderjährigen bekanntwurden, deren strafrechtliche Erfassung auch gewisse Unausgewogenheiten in der Struktur des geltenden Rechtes deutlich machten, andererseits schien es aber mehr als 20 Jahre nach Inkrafttreten des Strafgesetzbuches angezeigt, den Einfluß des gesellschaftlichen Wertewandels in Richtung einer Verlagerung des Schwerpunktes des geschützten Rechtsgutes der einschlägigen Tatbestände von der Sittlichkeit hin zur sexuellen Selbstbestimmung einer gründlichen Erörterung zu unterziehen, insbesondere auch deshalb, weil in anderen vergleichbaren europäischen Ländern eine solche Veränderung im Gegenstand des Rechtsgutschutzes stattgefunden hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Ich habe deshalb so lange gewartet, weil die Frage eigentlich nicht beantwortet wurde, ob Sie die Auffassung des Dr. Khol teilen, daß der Grundkonsens damit gefährdet ist. – Das war nämlich die Frage. Entschuldigung, aber ich habe das nicht als eine Antwort empfunden.

Ich möchte nun eine Zusatzfrage stellen, bleibe aber dabei, daß die erste Frage nicht beantwortet ist.

Zur Zusatzfrage: Im Zusammenhang mit sexueller Selbstbestimmung spielt natürlich auch die derzeitige Diskriminierung homosexueller Menschen durch das Strafgesetz eine Rolle. Im Juli 1997 hat die Europäische Kommission für Menschenrechte ein Urteil gefällt, in dem sie zur Erkenntnis gekommen ist, daß die unterschiedliche Behandlung durch das Strafrecht homosexueller und heterosexueller Menschen ungerechtfertigt ist und gegen die Artikel 8 und 14 der Menschenrechtskonvention verstößt.

Herr Bundesminister! Auch im Lichte der Bemerkung der Kommission für Menschenrechte, die meint, daß die Präferenz einer Gesellschaft keine sachliche Begründung für eine unterschiedliche strafrechtliche Behandlung ist, frage ich Sie: Welche Schlüsse ziehen Sie als Justizminister daraus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Zur ersten Frage möchte ich noch folgendes sagen, da Sie das nicht als Antwort aufgefaßt haben: Ich weiß nicht, ob der Herr Abgeordnete Khol von Mißverständnissen ausgehend den Grundkonsens in Zweifel gezogen hat. Ich meine, daß die Diskussion in der heterogen und multidisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppe, die sicher alle gesellschaftlichen Spektren dieses Landes widerspiegelt und in die ich daher von Anfang an auch alle Parteien des Nationalrates und alle beteiligten Ressorts eingeladen habe, ihre gesellschaftspolitischen Überlegungen einzubringen, gezeigt hat und im überwiegenden Teil der Redebeiträge jedenfalls auch zum Ausdruck gekommen ist, daß diese Betrachtungsweise in den letzten Jahren international, aber auch in Österreich – zumindest ist das aus der Mehrheit der Beiträge der beteiligten Diskutanten hervorgegangen – zugenommen hat, sodaß ich daher nicht davon ausgehe, daß damit ein Grundkonsens verletzt würde.

Zur zweiten Frage: Auch da bemüht sich die Arbeitsgruppe – schon mit Blick auf diese Entscheidung –, eine Lösung des offenbar festgefahrenen Meinungsstandes herbeizuführen, indem man – ähnlich wie das in der Bundesrepublik Deutschland geschehen ist – versucht, sowohl für hetero- als auch für homosexuelle Frauen und Männer zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr eine Lösung zu finden, die ebenfalls von der sexuellen Reife bestimmt wird. Dabei könnte das 16. Lebensjahr, das heute ja auch schon in anderen Bereichen eine Rolle spielt, ebenfalls eine Rolle spielen. Ob es zu einem vermittelnden Lösungsvorschlag kommen kann, kann ich heute noch nicht abschätzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Zusatzfragen von vier Fraktionen stehen jetzt auf dem Programm. – Kollege Dr. Jarolim, bitte.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Danke. – Herr Bundesminister! (Abg. Dr. Graf: Hände weg von unseren Kindern! – Abg. Dr. Khol: Vor allem müssen Sie eine Mehrheit im Parlament kriegen, Herr Minister! Hier sitzt der Souverän!) Das ist eine Fragestunde.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Zusatzzwischenruf ist absolviert, jetzt ist die Zusatzfrage auf dem Programm.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (fortsetzend): Herr Bundesminister! Es wird in letzter Zeit vermehrt über Vergewaltigungen und geschlechtliche Nötigungen in der Familie geklagt. Es ist derzeit so, daß diese Delikte über Antrag strafrechtlich verfolgt werden. Es ist davon auszu


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gehen, daß in derartigen Familien ein repressives Klima herrscht und daher die Antragstellung möglicherweise erschwert wird. Es gibt Forderungen, diese Delikte zu Offizialdelikten umzufunktionieren. Wie ist Ihre Stellungnahme dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich glaube, diesbezüglich nicht unbedingt von den derzeitigen Verteilungen Offizialdelikt, Antragsdelikt abweichen zu müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zum Sexualstrafrecht zählt zweifellos auch das Prozeßrecht zum Sexualstrafrecht. Ich habe Sie bereits im Ausschuß mit einer Frage konfrontiert, die ich jetzt gerne wiederholen möchte: Es ist gerade in der letzten Zeit zutage getreten, daß im Bereich von Eingriffen gegen die sexuelle Integrität von Kindern, also bei Kinderschändungen, der Täter beziehungsweise der Beschuldigte Anspruch auf Verfahrenshilfe genießt, wenn er sich keinen Verteidiger leisten kann, während das geschädigte Kind, das meistens einen lebenslangen Schaden und sexuelle Störungen davonträgt, keinen Anspruch auf Verfahrenshilfe hat. Da erscheint mir – um in der Sprachregelung des Dr. Khol zu bleiben – der Grundkonsens in Österreich gefährdet zu sein.

Meine Frage dazu: Welche Schritte werden Sie unternehmen, um dieses Ungleichgewicht zu beseitigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir müssen davon ausgehen, daß anwaltliche Hilfe oder eine Verfahrenshilfe für das Opfer, ob es nun zivilrechtliche Ansprüche geltend macht oder nicht, aufgrund der heutigen budgetären Situation nicht – unter Anführungszeichen – "flächendeckend" finanziert werden kann.

Meine Überlegung geht aber dahin, daß es eine Reihe von Opferschutzeinrichtungen gibt, die noch verstärkt werden sollen, die auch rechtliche Beratung und Betreuung zur Verfügung stellen. Wie Sie wissen, haben wir vorgesehen, diese Einrichtung mit den aus den Diversionsverfahren zu erwartenden Geldbußen zu subventionieren, sodaß diese Institutionen auch rechtlichen Beistand für die Opfer im Verfahren bereitstellen können, wobei wir schon in den Erläuternden Bemerkungen zum Ausdruck gebracht haben, daß wir insbesondere an Kinder oder Frauen denken, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Kukacka, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich möchte auf die Frage der Frau Präsidentin Schmidt zurückkommen. Sie wissen ja, daß der Nationalrat betreffend das homosexuelle Schutzalter eine ganz klare Entscheidung getroffen hat. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Können Sie sicherstellen, daß diese Arbeitsgruppe im Justizministerium, die das neue Sexualstrafrecht vorbereitet, diese Entscheidung des Parlaments respektiert?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Abgeordneter! Ich sehe keinen Sinn darin, eine Arbeitsgruppe arbeiten zu lassen, die das gesamte Sexualstrafrecht neu überdenken soll, ihr aber Vorgaben zu machen, über die nicht gesprungen werden kann. Diese Arbeitsgruppe soll nun einmal arbeiten. Stimmen wird es in die eine oder andere Richtung geben. Daraus wird man dann seine Schlüsse ziehen, und das wird in einem Entwurf der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden.

Vorgaben für diese Arbeitsgruppe sind nicht gegeben. Das war eine politische Entscheidung (Abg. Mag. Stadler: Hier werden immer politische Entscheidungen getroffen, Herr Bundesminister, falls Ihnen das noch nicht aufgefallen ist!), und diese politische Entscheidung wird dann


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in den Versendungsentwurf eingehen, aber nicht in die Diskussionsbeiträge der Teilnehmer einer Arbeitsgruppe.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich danke Ihnen für Ihre klare Stellungnahme zu Herrn Dr. Khol, dessen konservative Vorstellung als Schutzobjekt im Sexualstrafrecht immer noch nicht die angegriffene Frau, sondern die öffentliche Moral sieht. Danke herzlich.

Meine Frage im Anschluß daran: Welche Pläne gibt es seitens Ihres Ressorts, das ähnlich überkommene Pornographiegesetz – überkommen im Sinne von konservativen und nicht mehr aktuellen Wertvorstellungen – zu ändern?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Nach dem Ergebnis der zuletzt angestellten Bemühungen und um ohnehin nur gering vorhandene Ressourcen nicht zu verzetteln, sehe ich mich in dieser Legislaturperiode nicht in der Lage, dieses Gebiet noch einmal anzugehen. Ich möchte hinzufügen, weil Sie einleitend die Frage des Wertekonsenses aufgeworfen haben, daß es auch ein bißchen eine dogmatische Diskussion ist, daß das Ergebnis letzten Endes nicht allzusehr von den derzeitigen Verhältnissen abweichen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Damit ist dieser Komplex abgehandelt.

Wir kommen zum 5. Thema. Frau Abgeordnete Stoisits formuliert die Frage. – Bitte sehr.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

180/M

Wann werden Sie eine Novelle zum Scheidungsrecht vorlegen, welche eine Entkoppelung der Verschuldens- von der Unterhaltsfrage vorsieht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Sie wissen, daß ich schon vor längerer Zeit eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt habe, die Fragen des Scheidungsverfahrens, Scheidungsfolgenrechts zu diskutieren. Auch da sind wir auf breitester Ebene tätig gewesen. Die Arbeitsgruppe hat ihre Beratungen vorläufig abgeschlossen. Wir arbeiten an einem Begutachtungsentwurf, der, wenn er fertiggestellt ist, noch einmal diskutiert werden soll, sodaß wir im Frühjahr nächsten Jahres damit in die Öffentlichkeit gehen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Sind in Ihre Überlegungen auch die Fragen der sehr hohen Beratungs-, in dem Fall Anwaltskosten, eingeschlossen, die durch die Tarifgestaltung der Rechtsanwälte bei Scheidungen anfallen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die bevorstehenden Gespräche mit der Rechtsanwaltschaft zu den von Ihnen gewünschten Novellierungen der Rechtsanwaltsordnung werden, wie mit dem Präsidium der Rechtsanwaltschaft vereinbart, auch Gelegenheit geben, die Frage der Honorierung der Scheidungsverfahren, aber vor allem auch der Aufteilungsverfahren und der Unterhaltsverfahren einer Neuregelung zu unterziehen, die im wesentlichen mit einer gewissen Beschränkung der derzeitigen Situation und vor allem mit einer besseren Vorausschaubarkeit der zu erwartenden Kosten enden soll.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Frau Dr. Schmidt, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Aus der engen Koppelung zwischen Verschuldensfrage und Unterhaltsleistung, wie wir sie in Österreich immer noch haben, geht hervor, wie sehr die Ehe immer noch als eine Versorgungsinstitution gesehen wird. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die eigenständige Absicherung von Frauen – zugegebenermaßen keine Frage des Justizressorts – immer noch steckengeblieben ist und es hier keine gibt.

Aber meine Frage an Sie ist folgende: Teilen Sie die Auffassung, daß schon deshalb eine Entkoppelung von Verschuldens- und Unterhaltsrecht stattfinden sollte, weil der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Partner darauf abgestellt werden sollte, wer tatsächlich des Unterhaltes bedarf und wer nicht, unabhängig von Schuld oder Unschuld?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Unsere Überlegungen gehen in diese Richtung. Wenn schon nicht das System der Verschuldensscheidung überhaupt geändert werden kann, soll die Verschuldensfrage von der Unterhaltsfrage auf eine Art und Weise entkoppelt werden, daß etwa zu den geltenden Regelungen betreffend den Unterhalt nach Scheidung eine weitere Regelung hinzugefügt wird, die, unabhängig vom Verschulden, Bedürftigen Unterhalt gewährt, wenn die Bedürftigkeit sozusagen ehebezogen ist. Das könnte die seinerzeitige Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, also zum Beispiel eine lange Haushaltsführung, sein, die dazu geführt hat, daß kein Beruf ergriffen wurde, oder, was die Zeit nach der Scheidung betrifft, die Beeinträchtigung in der Aufnahme eines Berufes, weil es noch kleine Kinder zu betreuen gibt, et cetera. Auf diesem Wege wollen wir versuchen, dem Bedürftigkeitsgedanken – unabhängig vom Verschulden – ein zusätzliches Gewicht zu verleihen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage: Frau Dr. Mertel, bitte.

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Minister! Es ist häufig festzustellen, daß Frauen im Scheidungsverfahren gegen eine vergleichsweise geringe Abschlagszahlung auf ihren Unterhalt verzichten. Treten Sie dafür ein, Herr Minister, daß dem Richter in diesem Zusammenhang eine verbesserte Manuduktionspflicht auferlegt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ja, eine solche ist heute natürlich ohnehin gegeben. Das größere Problem ist, daß bei der einvernehmlichen Scheidung ja bereits die erfolgte Einigung zu Gericht mitgebracht wird, sodaß dort eigentlich die Belehrung durch den Richter ein bißchen spät kommt. Da kann nur eine allgemeine Aufklärung, die davor warnt, vorschnell, ohne Inanspruchnahme eines entsprechenden Fachrates, solche Erklärungen zu unterschreiben, wirklich Abhilfe schaffen. Wir erwarten uns von den Bestrebungen, die Rechtsberatung bei den Gerichten durch außenstehende Institutionen, insbesondere Familienberatungsstellen, zu intensivieren beziehungsweise das Mediationsverfahren auszubauen, diesbezüglich gewisse Fortschritte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Martin Graf. – Bitte sehr. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Wir müssen feststellen, daß als wirkliche Opfer in Scheidungsfällen in der Regel die Kinder anzusehen sind, und oftmals oder zumeist wird ja im Scheidungsfalle das Kind einem Elternteil entzogen beziehungsweise ein Elternteil dem Kind entzogen, in der Regel sind das natürlich Männer. Gibt es Überlegungen auch in diese Richtung, daß man die Rechte des zahlenden Vaters gegenüber dem Kind, das ihm entzogen wird, stärkt, sowohl betreffend die Ausbildung als auch sonstige Pflichten, auch im Sinne des Wohles des Kindes, sodaß nicht der Beigeschmack übrigbleibt, er ist nur Zahler ohne Rechte?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es gehört sicher zu den Grundsätzen, daß das Kind, wenn es seinem Wohl entspricht, mit beiden Eltern weiterhin möglichst engen Kontakt haben soll. Noch einmal: soweit es seinem Wohle entspricht, was letzten Endes auch mit dem Verhältnis zwischen den ehemaligen Ehegatten zu tun haben wird.

Damit dieses Verhältnis, wenigstens was das Kind anlangt, sich möglichst reibungslos entwickelt und daher diese, wie Sie zu Recht sagen, entwürdigenden Situationen, die es da oft gibt, möglichst minimiert werden, wollen wir versuchen, durch Mediation der Scheidungspaare, zumindest was das künftige Schicksal des Kindes und die Besuchsrechte et cetera anlangt, ein möglichstes Zurückdrängen des Streites zwischen den Scheidungspaaren herbeizuführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer, bitte.

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Vorweg möchte ich schon mein Befremden darüber ausdrücken, daß Sie den Wert einer Arbeitsgruppe höher stellen als die Willensentscheidung dieses Parlaments. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) – Ich habe das so empfunden, und ich habe das Recht, es so zu empfinden. Gerade Sie (in Richtung der Grünen und des Liberalen Forums), die Sie immer jammern, daß Sie als Parlamentarier übergangen werden, sollten das akzeptieren! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Meine Sorge und meine Zusatzfrage zu dieser Frage betrifft den Unterhalt. Sehr wohl kann ich mich dem anschließen, was die Kinder betrifft, nur mehren sich auch bei mir jene Fälle, wo Intervenientinnen kommen, die in ihrer Lebensabsicherung durch Scheidung – es geht gar nicht um die Frage schuldig oder nicht schuldig – nicht gebührend berücksichtigt werden, daß Sachwerte, die vorhanden sind und aufgeteilt werden, angerechnet werden, von denen sie tatsächlich nicht leben können. Das betrifft Frauen, die in einem Alter über 45 sind und die wirklich zu Sozialfällen werden, denn auch Sachwerte sind einmal aufgebraucht.

Meine Frage ist: Ist dies auch in den Überlegungen berücksichtigt? Ist diese Tatsache auch bekannt, und in welcher Richtung könnte man hier aus Ihrer Sicht helfen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Zunächst, Frau Abgeordnete, möchte ich doch zu Ihren eingangs angeführten Worten bemerken, daß, wenn ein Parlament quasi 50 zu 50 eine doch sehr heikle Frage entscheidet und unter dem Eindruck einer zu erwartenden Entscheidung des Straßburger Gerichtshofs weiterhin Handlungsbedarf besteht, ein zuständiger Ressortminister versuchen muß, Vermittlungsmodelle zu entwickeln, die er dann den Parlamentariern anbietet, mit dem Versuch, ob nicht doch eine Einvernehmlichkeit in dieser aufgrund der Straßburger Rechtsprechung unbedingt zu lösenden Frage herbeigeführt werden kann. (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das hat nichts damit zu tun, daß ich an sich nicht zur Kenntnis nehme, was das Parlament in dieser Frage beschlossen hat.

Zur Frage der Aufteilung und der vermögensrechtlichen Situation bei der Ehescheidung. Hier muß immer wieder beobachtet werden, daß während der Ehe Vermögenswerte so verlagert werden, daß sie in der Folge der Aufteilung nicht unterliegen. Die Situation in diesem Bereich soll insofern verbessert werden, als Mechanismen eingezogen werden sollen, die gewährleisten, daß auch diese in die Aufteilung einbezogen werden. Jedenfalls soll festgeschrieben werden, was die Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet, nämlich daß die Ehewohnung immer in das Aufteilungsverfahren einbezogen werden soll.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.


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Der nächste Themenkomplex wird mit der Frage von Frau Abgeordneter Anna Huber eingeleitet. – Bitte sehr.

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Bundesminister! Die letzte Novelle zum Konsumentenschutzgesetz hat gerade für die österreichischen Verbraucherinnen und Verbraucher ein deutliches Mehr an Rechtssicherheit und ein deutliches Mehr an Schutz gebracht. Nicht geregelt wurde allerdings eine Ausweitung des Rücktrittsrechtes, insbesondere bei Messen und messeähnlichen Veranstaltungen. Ich frage Sie daher, Herr Minister:

172/M

Planen Sie eine Novelle des Konsumentenschutzgesetzes dahin gehend, daß Konsumenten künftig bei Messen beziehungsweise messeähnlichen Veranstaltungen ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Ich darf Sie daran erinnern, daß ein solches Rücktrittsrecht vor der letzten großen Konsumentenschutzgesetznovelle, die heuer in Kraft getreten ist, diskutiert wurde. Das Bundesministerium für Justiz hat damals vorgeschlagen, dem Verbraucher ein Rücktrittsrecht einzuräumen, wenn er vor dem Kauf sozusagen überrumpelt wird. Dieser Vorschlag ließ sich letztlich aber nicht realisieren. Es konnte kein Konsens über die Voraussetzungen für diesen Rücktritt des Verbrauchers erzielt werden. Auch wurde überlegt, daß doch derartige Folgen mit Kosten verbunden wären, die von den Unternehmen dann auf alle Verbraucher umgelegt würden.

Solange nicht gravierende Entwicklungen in diesem Zusammenhang festzustellen sind, glaube ich, daß ein neuerliches Aktivwerden in der Richtung nicht von Erfolg beschieden wäre.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Zusatzfrage, bitte.

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Minister! Ich bedauere das genauso, wie ich es Ihren Worten zu vernehmen glaube.

Bei der Diskussion der letzten Konsumentenschutzgesetznovelle ist eine sehr wesentliche Forderung gewesen, daß das Rücktrittsrecht ausgeweitet wird oder bei Rechtsgeschäften erst zu laufen beginnt, wenn der Konsument, der Verbraucher die schriftliche Bestätigung über dieses Rechtsgeschäft erhalten hat. Können Sie sich vorstellen, daß diesbezüglich etwas weitergeht und daß der Schutz des Konsumenten in diese Richtung ausgebaut werden könnte?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Auch hier könnte ich mir vorstellen, daß ein Schritt weitergegangen wird. Ich glaube aber, daß Voraussetzung dafür wäre, daß von der Konsumentenschutzseite die Fälle, die das dringlich machen, aufbereitet werden, um zu zeigen, daß hier wirklich ein legislativer Handlungsbedarf gegeben ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Beabsichtigen Sie, im Bereich des Konsumentenschutzgesetzes Verbesserungen zugunsten der Verbraucher betreffend Versicherungsbedingungen durchzuführen?

Ich darf daran erinnern, daß es durch die verklausulierten Bestimmungen im Versicherungsrecht geradezu der Ausnahmefall ist, wenn eine Versicherung auch tatsächlich eine Zahlungspflicht hat. Das führt dazu, daß zu den Hauptanwendungsfällen für Zahlungspflichten der Versicherungen kurioserweise Kulanzleistungen zählen, aber nicht, weil die Versicherungen so freundlich sind, sondern weil die Bedingungen derart einschränkend zu Lasten der Verbraucher sind, daß eine Rechtspflicht der Versicherung nur sehr selten besteht.


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94. Sitzung / Seite 20

Denken Sie daran, Verbesserungen zugunsten der Verbraucher herbeizuführen?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Grundsätzlich sind wir jetzt von der Genehmigung von Versicherungsbedingungen durch eine Aufsichtsbehörde abgegangen. Das war das Ergebnis der Entwicklung auch innerhalb der EU.

Es geht also praktisch um die Formulierung des Versicherungsvertragsgesetzes, das an sich die Rechte und Pflichten der Versicherer und der Versicherten nach meinem Dafürhalten klar regelt. Wenn es dann doch vertragliche Bedingungen gibt, die unzulänglich gestaltet sind, müßte man dem nachgehen, ob sie gesetzwidrig sind oder nicht. Wenn sich à la longue zeigt, daß hier bei der letzten Regelung eine Lücke entstanden ist, die heute nicht mehr durch Versagung von Versicherungsbedingungen geschlossen werden kann, dann stehe ich nicht an, für Überlegungen zu einer Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes zur Verfügung zu stehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Trinkl. – Bitte sehr.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundesminister! Die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes ist wesentlich geprägt von den rechtlichen Rahmenbedingungen, die ein Unternehmen jeweils vorfindet. Dies gilt vor allem im Verhältnis zu unseren EU-Partnern. Wir haben bei der Umsetzung von verschiedenen EU-Richtlinien die Tendenz des Justizressorts beobachtet, manches Mal über die EU-Richtlinien hinauszugehen. Ich bin beruhigt, daß Sie das im Bereich des Konsumentenschutzes vorläufig nicht vorhaben.

Meine Frage: Wie ist die Frage des Rücktrittsrechts in anderen vergleichbaren EU-Ländern geregelt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Von einer generellen Linie, die Richtlinien überzuerfüllen, kann man meiner Meinung nach nicht sprechen. Es gibt aber Bereiche, wo Österreich traditionell fortgeschrittener war als der Level, auf dem die EU-Vereinheitlichung stattgefunden hat. Es war eine der hauptpolitischen Aussagen, daß höhere Standards, sei es jetzt im Konsumentenschutzbereich, sei es im Umweltbereich oder in anderen Bereichen, die Österreich bietet, gehalten werden sollen.

Insofern muß man sich, glaube ich, in jedem einzelnen Fall sehr genau anschauen, ob sich infolge des Absenkens eines Standards innerhalb der EU gegenüber dem heimischen Standard in der österreichischen Rechtslage Gleiches ereignen soll. Es wird eine Gesamtbetrachtung nötig sein, ob vielleicht gewisse Belastungen da zu einer Entlastung dort führen müssen, damit insgesamt ein Ausgleich der kommunizierenden Gefäße gefunden werden kann. Grundsätzlich aber meine ich, daß durch niedrigere Levels in der EU bewährte höhere Levels in Österreich nicht in Frage zu stellen sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Danke, daß Sie das im Sinne des Schutzes von Konsumenten sehen und nicht so wie Kollege Trinkl, der diesbezüglich andere Absichten hat.

Meine Frage ist jetzt folgende: Für die Konsumenten gibt es immer neue Herausforderungen durch die neuen Medien, Stichwort: Internet, Stichwort: Teleshopping. Welche konsumentenschutzrechtlichen Maßnahmen sehen Sie in dieser Hinsicht für die Zukunft vor? Welche Überlegungen haben Sie dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich muß den Kollegen Trinkl verteidigen. Ich glaube nicht, daß er andere Absichten hat. (Heiterkeit.)  – Am Wort ist der Herr Bundesminister. (Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits. )

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Im übrigen habe ich gesagt, es müsse ein ausgewogenes Verhältnis sein.

Aber zu Ihrer Frage: Es gibt die Fernabsatzrichtlinie, die es umzusetzen gilt. Wir hätten eine Übergangsfrist von drei Jahren. Wir werden versuchen, diese nicht voll auszunützen, und uns bemühen, bis ungefähr Ende nächsten Jahres Vorschläge vorzulegen, die diese Umsetzung vorsehen. Es geht es im wesentlichen um verstärkte Informations- und Rücktrittsrechte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Letzte Zusatzfrage: Kollege Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Der wesentliche Gedanke des Konsumentenschutzgesetzes ist, Konsumenten, wenn sie vorschnell einen Vertrag geschlossen haben, auch ein Rücktrittsrecht einzuräumen, sie allenfalls vor vorschnellen Vertragsabschlüssen zu schützen. Diese Problematik wird gerade auch im Bereich des Internets zunehmend aufkommen. Daher meine Frage an Sie: Gibt es in Ihrem Ressort bereits Überlegungen dahin gehend, auch für Rechtsgeschäfte über das Internet einen besonderen Schutz vorzusehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Abgeordneter! Das geht in die Richtung des Konsumentenschutzes bei Distanzgeschäften. Denken Sie jetzt nicht nur an Rechtsgeschäfte über das Internet, sondern auch an Telebanking, Teleshopping, das es heute gibt. Vor allem in den Bereichen, wo der Kaufgegenstand vom Käufer nicht wirklich geprüft werden kann, bevor die Vereinbarung zustande kommt, wird es, egal, auf welchem telekommunikativem Weg das stattfindet, in die Richtung, die Sie angesprochen haben, gehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister und beende die Fragestunde.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 2868/AB bis 2872/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 – WGN 1997 (898 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz geändert wird (914 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 619/A (E) der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend diplomatische Schritte gegenüber der Republik Malta zwecks Eindämmung der Jagd auf Zugvögel,


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Antrag 624/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Friedensprozeß in Zypern durch Demilitarisierung;

Budgetausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert wird (5. BFG-Novelle 1997) (896 der Beilagen),

2. Budgetüberschreitungsgesetz 1997 – 2. BÜG 1997 (897 der Beilagen);

Familienausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (891 der Beilagen);

Finanzausschuß:

Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zum Asiatischen Entwicklungsfonds (ADF VII) der Asiatischen Entwicklungsbank (892 der Beilagen);

Justizausschuß:

Urheberrechtsgesetz-Novelle 1997 – UrhG-Nov 1997 (883 der Beilagen);

Umweltausschuß:

Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalpark Thayatal GmbH (904 der Beilagen);

Unterrichtsausschuß:

Antrag 620/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird,

Antrag 621/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird,

Antrag 622/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird;

Verfassungsausschuß:

Antrag 623/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Einrichtung einer UN-Friedenszone in Österreich und Europa;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verkehrsausschuß:

Bericht des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Erweiterung des Hochleistungsstreckennetzes (III-102 der Beilagen).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Schmidt hat vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen An


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trag 626/A (E) der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Neugestaltung der "Familienförderung" dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr aufgerufen werden.

Es besteht Konsens mit den Antragstellern, daß als das zuständige Mitglied der Bundesregierung, das für die Vorlage des Budgetvoranschlags für das Jahr 1999 verantwortlich ist, der Herr Bundesminister für Finanzen zu betrachten ist, der auch die Stellungnahme nach § 74a Abs. 4 abgeben wird.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt:

Es wurde eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Darüber hat der Nationalrat zu befinden.

Gibt es Einwendungen gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (887 der Beilagen): 3. Budgetbegleitgesetz 1997 (901 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt nicht vor. Daher gehen wir sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Die Redezeit ist mit 20 Minuten begrenzt. – Bitte, Herr Abgeordneter Trattner.

10.05

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben jedes Jahr im Rahmen der Budgetdebatte Gesetzesvorlagen – einmal unter dem Titel "Strukturanpassungsgesetze", jetzt heißen sie eben "Budgetbegleitgesetze" –, die immer nur eines zum Inhalt haben, nämlich Steuererhöhungen, Erhöhungen von Gebühren, ein Weiterwursteln durch Einmaleffekte und Budgettricks. Sie sagen, das seien neue Verbuchungstechniken. Und alleine dieses 3. Budgetbegleitgesetz beinhaltet ein Paket in der Größenordnung von über 23 Milliarden Schilling.

Wir haben das erlebt beim Budget 1993. Das Budgetdefizit ist damals explodiert, es ist um 50 Prozent gestiegen, nämlich von 62 Milliarden Schilling auf 98 Milliarden Schilling. Wir haben die gleiche Situation beim Budget 1994 und 1995 erlebt, wo man keine Strukturmaßnahmen gesetzt hat, sondern sich mit Einmaleffekten weitergewurstelt hat.

Herr Finanzminister! Da hat man Tricks gefunden – das betrifft aber noch Ihre Vorgänger –: Einmal hat man eine Rücklage von 14 Milliarden Schilling aufgelöst. Dann ist einem eingefallen, daß das Kalenderjahr nicht zwölf, sondern 13 Monate hat, und man hat den 13. Umsatzsteuertermin eingeführt. Dann hat man einfach den Körperschaftsteuersatz von 30 auf 34 Prozent erhöht. Es handelt sich also nur um ein Weiterwursteln einnahmenseitiger Natur, das, was


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die Sparsamkeit der Bundesregierung betrifft, vieles zu wünschen übrigläßt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben die Peinlichkeiten des Finanzministers bei der Budgeterstellung 1996 erlebt. Zuerst hat es geheißen, uns fehlen 30 Milliarden Schilling. Nicht das Finanzministerium hat Vorschläge gemacht, wie man diese 30 Milliarden Schilling einsparen oder aufbringen könnte, sondern man hat die Sozialpartner eingebunden. Dann haben sich die Sozialpartner getroffen und ein Paket von 30 Milliarden Schilling präsentiert. Darauf hat es von seiten der ÖVP geheißen: Diese 30 Milliarden Schilling reichen hinten und vorne nicht, es sind 50 bis 60 Milliarden Schilling notwendig. Dann ist man draufgekommen, daß sich das auch mit diesen 50 bis 60 Milliarden Schilling nicht ausgeht. Man konnte sich nicht einigen. Der Kurzzeitfinanzminister Staribacher hat kein Budget zustande gebracht.

In Wirklichkeit war nämlich ein Paket in der Größenordnung von weit über 100 Milliarden Schilling für ein Doppelbudget notwendig. Dieses Doppelbudget in der Größenordnung von 100 Milliarden Schilling ist uns damals vom jetzigen Bundeskanzler mit der Beteuerung präsentiert worden, daß diese 100 Milliarden Schilling zu einem Drittel aus Einnahmenerhöhungen und zu zwei Dritteln aus Ausgabenkürzungen bestehen. Aber das glauben Sie heute mittlerweile selbst nicht mehr, Herr Finanzminister, wenn Sie beim Budgethearing aufgepaßt und den Experten zugehört haben, insbesondere Professor Schneider aus Linz. Ich habe Professor Schneider folgendes gefragt: Wir Freiheitlichen haben der Regierung immer vorgeworfen, daß es sich bei diesem Doppelbudget um eine reine einnahmenseitige Budgetsanierung in der Größenordnung von zwei Dritteln Steuererhöhungen und einem Drittel Ausgabenkürzungen handelt. Wie sehen Sie das jetzt als unabhängiger Budgetexperte? Und Professor Schneider antwortete mir beim Hearing dezidiert, daß es sich seiner Einschätzung nach um eine einnahmenseitige Budgetsanierung im Ausmaß von zwischen 55 und 65 Prozent handelt.

Das heißt also, daß genau die Kritik, die die Freiheitlichen an diesem Budget immer wieder angebracht haben, voll berechtigt war und die Aussagen, die Sie beziehungsweise Ihre Vorgänger immer gemacht haben, man wolle nur einsparen und zwei Drittel wären Ausgabeneinsparungen und nur ein Drittel seien Einnahmenerhöhungen, nicht den Tatsachen entsprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sind ja überhaupt nicht bereit, irgendwelche Reformschritte zu setzen. Sie sind ja überhaupt nicht bereit, in den Strukturen irgendwelche Änderungen herbeizuführen. Man hat es jetzt bei der leidigen Debatte über die Pensionsreform gesehen. Ich muß Ihnen wirklich den Vorwurf machen, der gesamten Bundesregierung: Diese Pensionsreform in Zusammenhang mit dem Budget zu bringen, das war der gravierendste Fehler. Dieser gravierende Fehler ist nicht nur von den Oppositionsparteien kritisiert worden, sondern auch von allen unabhängigen Experten.

Ich kann eine Pensionsreform nicht in einen Zusammenhang mit der Budgetreform bringen. Ich kann die Pensionsreform nur als Paket sehen, als Paket im Rahmen einer Besoldungsreform und im Rahmen einer Steuerreform, damit die Bevölkerung beziehungsweise der Steuerzahler durch steuerliche Maßnahmen die Möglichkeit einer Eigenvorsorge hat. Sie aber behindern die Eigenvorsorge, indem die Sonderausgaben fast zur Gänze gestrichen worden sind. Und dann wollen Sie eine Pensionsreform durchziehen, die nur den Hintergrund gehabt hat, Einmaleffekte für das Budget zu erzielen, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, Herr Finanzminister, was aufgrund dieser Einmaleffekte in der Folge passieren wird.

Sie haben in Ihrer Erstvorlage kalkuliert, daß die Höchstbemessungsgrundlage 45 000 S betragen wird, damit Sie für das Budget 1998 mehr Einnahmen haben, aber Sie haben nicht berücksichtigt, daß diese erhöhte Bemessungsgrundlage genauso wie die Sozialversicherungs- beziehungsweise Pensionsversicherungsbeiträge bei den minderen Erwerbseinkünften auch Folgekosten beinhaltet. Nehmen Sie einmal die Folgekosten her und rücken Sie nicht immer das Budget hin auf den Stichtag 31.12.1998, weil Sie die Maastricht-Kriterien erreichen wollen. Sie wollen die Maastricht-Kriterien genau zu diesem Zeitpunkt erreichen. Da ist Ihnen alles egal, dafür ist Ihnen jedes Mittel recht. Das wollen Sie erreichen – ohne Rücksicht auf Verluste! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Damit riskieren Sie den Verlust von Arbeitsplätzen in Österreich, Sie riskieren den Verlust des Wirtschaftsstandortes Österreich, aber das alles ist Ihnen egal.

In ganz Europa gibt es eine Debatte über den Euro, mit Ausnahme einiger vernünftiger Länder (Abg. Dr. Haselsteiner: Und einiger vernünftiger Parteien! Die darf man nicht vergessen, die vernünftigen Parteien, die Expertenparteien!) , die sich da ein bißchen Zeit lassen wollen, wie die Schweden, wie die Dänen, wie die Engländer zum Beispiel. Die wollen sich Zeit lassen, die wollen sich das erst einmal anschauen. Weil es kann nicht so sein ... (Abg. Dr. Haselsteiner: Die Harvard-Parteien!) Kollege Haselsteiner, du kannst ja dann da herunten palavern! Vielleicht bringst du wieder eine leere Schachtel mit. Das paßt ohnehin ganz gut zu deinen Aussagen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Sie wissen genau, daß das nur Einmaleffekte sind, die in späterer Folge für Sie nicht mehr zu realisieren sind, und deswegen muß dieser Termin eingehalten werden: 1999. Im Jahr 2000 ist Ihnen das dann wahrscheinlich relativ egal. Dann wird das Budgetdefizit explodieren, der Euro wird schwach werden, und der österreichische Steuerzahler wird die Zeche dafür bezahlen müssen.

Sie sagen immer, es gibt keine Steuererhöhungen, es gibt keine Erhöhungen von Gebühren. 3. Budgetbegleitgesetz 1997, Artikel 1: Änderung des Gerichtsgebührengesetzes. Die Anhebung einzelner Gerichtsgebühren bringt für Sie ein Mehraufkommen von 245 Millionen Schilling. Die Kosten für eine Rangordnung im Grundbuch erhöhen sich jetzt um 20 Prozent, die Kosten für eine Eintragung eines Pfandrechtes im Grundbuch erhöhen sich um 10 Prozent, die Kosten für einen Grundbuchsauszug erhöhen sich um 30 Prozent.

Herr Finanzminister! In Zeiten der EDV sind solche Erhöhungen wirklich nicht notwendig. Das sind nur einmalige Budgetmaßnahmen, die Sie hier setzen wollen.

Der zweite Punkt: Sie haben jetzt eine Verbuchungstechnik in der Art erfunden, daß Sie die Steuerguthaben, die dem Steuerzahler gehören und früher so verbucht worden sind, daß sie von den tatsächlichen Steuereinnahmen, nachdem sie nicht dem Finanzminister beziehungsweise dem Staat gehören, herausgenommen beziehungsweise saldiert worden sind, aufgrund dieser neuen Verbuchungstechnik – ich und auch viele andere nennen es "Budgettrick" – dazuzählen, und Sie lukrieren daraus 15,8 Milliarden Schilling. Sie sagen: Wir saldieren diesen Betrag erst dann, wenn wir die kassenmäßige Auszahlung durchführen beziehungsweise wenn wir es gegen spätere Steuerguthaben verbuchen. Da kann ich mir gut vorstellen, wie lange die kassenmäßige Auszahlung dauern wird, wie lange es dauern wird, daß die Bescheide ausgestellt werden, daß Guthaben zurückbezahlt werden! Diese Erfahrung haben wir ja schon gemacht.

Was würden Sie sagen, wenn heute ein Unternehmer zu den Erlösen die Anzahlungen, die eigentlich noch den Kunden gehören, weil die Leistungen noch nicht erbracht worden sind, dazunimmt? Da müßte man eigentlich sofort in die Riemergasse gehen, weil das nach dem Handelsgesetz haarscharf an der Krida ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Man kann nicht Guthaben, die eigentlich jemand anderem gehören, als Einnahmen verbuchen.

Der nächste Punkt: die Bausparkasse. Wir haben bei der Pensionsreform erlebt, mit welchen Formeln, mit welchen Prozentsätzen gerechnet wird. Jetzt gibt es eine neue Berechnung für die Prämien, und zwar nimmt man für das Jahr 1998 das vierte Quartal aus dem Jahre 1996 und die drei ersten drei Quartale aus dem Jahre 1997 und ermittelt so den Schnitt der Sekundärmarktrendite. – Es steht aber nicht drin, welche Sekundärmarktrendite gemeint ist: Ist die Sekundärmarktrendite im weiteren Sinn gemeint? Ist die Sekundärmarktrendite nur der Bundespapiere gemeint? – Das alles steht in der Vorlage nicht drin. – Dann zieht man fiktiv die Kapitalertragsteuer in der Größenordnung von 25 Prozent ab, nimmt dann noch einen Faktor von 0,8 dazu und kommt dann zu einem Durchschnittswert, der momentan in der Größenordnung von 4,5 Prozent liegen könnte.

Dann sagt man: Gut, früher betrug die Prämie 5 Prozent, jetzt haben wir 4,5 Prozent. Sie argumentieren damit, daß es irgendwo auch gerechtfertigter ist, auf die variablen Zinsen des


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Marktes einzugehen. Aber es kommt noch ein Zweites hinzu: Früher war nämlich die Prämienberechnungsgrundlage der Gesamtbetrag, also die 12 000 S, und jetzt wird der Prämiensatz nur mehr vom höchsten Einzahlungsbetrag berechnet, nämlich von 11 400 S. Das heißt, der Betreffende bekommt im Jahr statt 600 S beim derzeitigen Stand nur 513 S. Das ist eine Reduktion der Bausparprämie für jeden einzelnen Sparer in Österreich in der Größenordnung von 15 Prozent. – Das ist für Sie offensichtlich auch keine Belastung, für uns schon. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiteres holen Sie sich mit einem Bruch des Versprechens des damaligen Finanzministers und jetzigen Bundeskanzlers, der dezidiert hier im Hohen Haus im Rahmen des Budgets 1996/97 gesagt hat, der 5prozentige Zuschlag bei der Einkommensteuer beziehungsweise bei der Körperschaftsteuer komme nur in diesen Jahren zum Tragen und ab 1999 nicht mehr. Was aber machen Sie ? – Sie kennen das Versprechen natürlich nicht. Sie sagen, es wird erweitert, der 5prozentige Zuschlag für Einkommensteuervorauszahlung, für Körperschaftsteuervorauszahlung wird beibehalten. Damit holen Sie sich wieder locker 3 Milliarden Schilling, und bei der Bausparkasse holen Sie sich locker 1,8 Milliarden Schilling.

Sie haben mit der Bausparkasse zusätzlich vereinbart, daß die Prämienauszahlung 1998 nicht im Budgetjahr 1998 wirksam wird, sondern erst im Budgetjahr 1999. Und was machen Sie dann 1999? Verschieben Sie es dann auf 2000, auf 2001, auf 2002?

Herr Finanzminister! Das meine ich: Sie setzen nur Einmaleffekte durch, Sie setzen Erstmaleffekte durch, Sie setzen nur Budgettricks durch, und das ist eine Art der Budgetpolitik, mit der wir Freiheitlichen in keinster Weise konform gehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das nächste ist das Glücksspielgesetz. Das Glücksspielgesetz ist überhaupt etwas Kurioses. Da hat sogar Herr Bundeskanzler Vranitzky damals noch das Versprechen abgegeben, daß im Jahr 1999 wieder eine Valorisierung stattfinden wird. In der jetzigen Vorlage zur Novelle zum Glücksspielgesetz ist diese Valorisierung wieder ausgesetzt.

Dann bekommt die freiheitliche Fraktion, der Parlamentsklub, einen netten Brief vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, und zwar von der niederösterreichischen Landessporträtin, Landeshauptmannstellvertreterin Liese Prokop (Ruf bei den Freiheitlichen: ÖVP!) , Österreichische Volkspartei. Sprechen Sie mit den Niederösterreichern nicht über ihre Anliegen? Frau Prokop beklagt nämlich, daß diese Nichtvalorisierung den niederösterreichischen Sport zirka 17 bis 18 Millionen Schilling kostet. Sie weist darauf hin, daß die Versprechen eingehalten werden sollen, und sie appelliert als Vorsitzende des Niederösterreichischen Landessportrates eindringlich an die Freiheitlichen, sich dafür einzusetzen, daß gegebene Zusagen eingehalten werden und die beabsichtigte Aussetzung der Valorisierung nicht zustande kommt. (Abg. Mag. Stadler: Na da schau her!)

Ich bin gespannt, was die ÖVP dazu sagt. Haben Sie so einen Brief nicht bekommen? Haben Sie mit der Frau Landesrätin beziehungsweise Landeshauptmannstellvertreterin nicht gesprochen? – Also das ist schon eigenartig, daß die Oppositionsparteien Bittbriefe bekommen, etwas zu unterstützen, was die Regierung versprochen hat, aber nicht einhält. Redet einmal mit euren Leuten von der Österreichischen Volkspartei! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den nächsten Einmaleffekt holen Sie sich mit der Versicherungssteuer, indem Sie die Zahlungsmodalitäten umstellen, und zwar von quartalsweiser auf monatliche Zahlung.

Sie wissen aber ganz genau, daß die Versicherungen eher nicht zimperlich sein werden. Die Versicherungen werden versuchen, diese Möglichkeit in Form einer Prämienerhöhung auszunützen. Wer soll es denn sonst bezahlen? Im Keller können die Versicherungen das Geld ja nicht drucken, also wird die Belastung wahrscheinlich wieder auf die österreichische Bevölkerung überwälzt werden.

Herr Finanzminister! Allein dieses 3. Budgetbegleitgesetz bringt 23 Milliarden durch Einmaleffekte, Erstmaleffekte und Umbuchungstricks.


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Herr Finanzminister! Bei meiner Anfrage im Budgetausschuß vom 31. Oktober habe ich Sie ersucht, mitzuteilen, auf welche Höhe sich die Auswirkungen der Einmal- beziehungsweise Erstmalmaßnahmen im Budget 1998 belaufen werden. Da schreiben Sie zurück: Eine Quantifizierung von Einmal- und Erstmalmaßnahmen würde voraussetzen, daß präzise definiert wird, was unter solchen Maßnahmen verstanden werden soll. Jedes Ergebnis einer solchen Quantifizierung wäre weiters unter dem in dieser Beantwortung dargestellten grundsätzlichen Vorbehalt zu interpretieren.

Herr Finanzminister! Wenn ich Sie im Rahmen einer schriftlichen Anfrage ersuche, die Auswirkungen der Einmal- und Erstmalmaßnahmen, die hier taxativ aufgezählt worden sind, dieser Maßnahmen, die im Rahmen der Pensionsreform auch gesetzt worden sind, zu erläutern, und Sie nicht in der Lage sind, diese Fragen zu beantworten, Herr Finanzminister, dann bin ich gespannt, welche Fragen Sie uns dann überhaupt noch beantworten werden.

Herr Finanzminister! Sie versuchen, sich mit diesem Budget wieder drüber hinwegzuschwindeln, Sie versuchen, sich mit diesem Budget wieder in die Zielrichtung zu bringen, die es ermöglicht, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Was nach dem 31.12.1998 passiert (Ruf bei den Freiheitlichen: Die Sintflut!) – die Sintflut! –, das ist Ihnen leider egal. Die Zeche werden aber leider die österreichischen Steuerzahler bezahlen müssen – es sei denn, es werden sich die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesregierung gravierend ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

10.22

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sintflut, die Kollege Trattner uns in budgetpolitischer Hinsicht prognostiziert – das kann ich, glaube ich, ad hoc stellvertretend für den Finanzminister beantworten –, wird nicht kommen. Herr Kollege Trattner prognostiziert das ja bereits seit 1992, 1993.

Es ist ja wirklich witzig, ja zeugt eigentlich von einer gewissen Ignoranz, lieber Kollege, wenn man am 10. Oktober einen Budgetbericht des Bundes vom Finanzministerium zugesandt bekommt, diesen in seinen Auswirkungen und in seinen Ergebnissen aber absolut ignoriert. Das ist natürlich eine unangenehme Sache, und es ist ja wirklich peinlich für eine Opposition, deren Vertreter jährlich mehr oder weniger das budgetpolitische Ende dieser Zweiten Republik prophezeien. (Abg. Ing. Reichhold: Eure Lügenpropaganda werden wir aufdecken!) Lieber Kollege! Ich kann euch nur empfehlen, lest diesen Budgetbericht 1997, der euch am 10. Oktober zugegangen ist. Er zeigt sehr eindrucksvoll, daß man die kritische Entwicklung der Jahre 1993 bis 1995, in denen die Neuverschuldung auf 5,1 Prozent angestiegen ist, inzwischen sehr gezielt und bewußt in den Griff bekommen hat. (Abg. Böhacker: Über die Einnahmenseite! Indem Sie Steuern erhöht haben!) Ich empfehle Ihnen, sich auf Seite 3 die Tabelle eins anzusehen, und Sie werden wieder ein glücklicher und zufriedener Oppositionsabgeordneter sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses 3. Budgetbegleitgesetz beinhaltet natürlich einige Maßnahmen, die erstmals im Budget so dargestellt werden. Wir wissen, daß die Umstellung der haushaltsmäßigen Verrechnung der Steuerguthaben auf ein striktes Kassenprinzip im Rahmen der Harmonisierung der europäischen Budgets in der Europäischen Union stattfindet. Es ist also eine Maßnahme, die bei uns erstmals ergriffen wird. Sie bringt uns aber den Vorteil, daß unser österreichisches Budget mit den Budgets anderer europäischer Länder besser vergleichbar ist. Ich glaube, wir sollten nicht darauf verzichten, Vorteile, die sich aus dieser Harmonisierung ergeben, in der Darstellung auch tatsächlich zu rekrutieren.

Darüber hinaus gibt es aber Maßnahmen im Bereich des BHG, die sehr wohl beweisen, daß diese Bundesregierung zusammen mit den Landesregierungen, mit den Kommunen bereit ist, ein noch strengeres betriebswirtschaftliches Denken auch in den öffentlichen Bereich einzubringen. Die Stärkung des Kostenbewußtseins in der Verwaltung wird also sehr nachhaltig festgeschrieben.


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94. Sitzung / Seite 28

Ganz allgemein zum Entwurf 1998: Ich kann nur sagen, dieser Entwurf setzt die geplante Konsolidierung konsequent fort. Das Nettodefizit wird bei 67,3 Milliarden liegen. Und wer noch immer glaubt, daß die Sintflut kommt: Wenn man, wie diese Bundesregierung, im Ausgabenbereich nur ein Wachstum von 0,3 Prozent kalkuliert und das nominelle Wachstum im kommenden Jahr 3,7 Prozent betragen wird, sieht man, daß hier sehr gezielt und bewußt gespart und versucht wurde, am richtigen Platz zu sparen. Ich glaube, daß wir im Bereich Bildung und Forschung nach wie vor sehr großzügig budgetieren, daß wir aber im Bereich der Zentralstellen, beim Personal in diesen Zentralstellen sehr konsequente Sparprogramme fahren.

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen nur empfehlen, dieses 3. Budgetbegleitgesetz heute mit uns mit zu beschließen, weil es in Summe ein gutes Paket ist, um die Konsolidierung unseres Staatshaushaltes fortzuschreiben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Das können Sie nicht einmal empfehlen!)

10.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte.

10.28

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Herr Präsident! (Bundesminister Edlinger spricht neben der Regierungsbank mit Abgeordneten und Vertretern der Ministerien.) Herr Bundesminister! Ich verspreche Ihnen, ich werde es kurz machen, dann können Sie Ihre Beratungen fortsetzen. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie mir die paar Minuten zuhören würden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Gegensatz zum letzten Jahr haben wir ja heuer das Budgetbegleitgesetz geteilt. Wir haben es sozusagen portioniert bekommen in drei Portionen: 1., 2. und 3. Budgetbegleitgesetz. Das zweite wurde in der Zwischenzeit das ASRÄG und ist nicht mehr das Budgetbegleitgesetz, womit wir vor der Situation stehen – und ich halte es für enorm wichtig, das zu betonen –, daß das 3. Budgetbegleitgesetz eigentlich das 2. ist.

Stellen Sie sich vor, Herr Bundesminister, irgendein fleißiger Abgeordneter sucht eines Tages in den Akten, in den Unterlagen, in den Kellern hier im Haus das 2. Budgetbegleitgesetz, was er ja finden müßte, weil es ja ein drittes gibt, aber er findet es eben nicht, meine Damen und Herren. (Ruf bei der ÖVP: Haben Sie keine anderen Sorgen?) Es sind diese Kleinigkeiten, auf die man halt auch einmal eingehen muß, meine Damen und Herren! (Bundesminister Edlinger: Der Antrag!) Ja, Herr Bundesminister, der Antrag ist hier, nur glaube ich, wir sollten uns auch ein bißchen selber disziplinieren. Wenn wir schon nur zwei Gesetze machen, dann sollten wir es halt auch als zwei Gesetze bezeichnen, nicht als drei, denn das ist irreführend.

Daher erlaube ich mir, den Antrag zu stellen, daß das 2. Budgetbegleitgesetz im Titel insofern geändert wird, als in der letzten Zeile des Titels das Wort "3. Budgetbegleitgesetz" durch das Wort "2. Budgetbegleitgesetz" ersetzt wird.

Soweit zum ersten und wirklich Wichtigen. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Wenn ein oppositioneller Budgetsprecher so viel Zeit hat, über das 2. oder über das 3. Budgetbegleitgesetz so ausgiebig und fundiert zu diskutieren, dann muß das auch einen Grund haben, und ich werde Ihnen den Grund sagen: weil es sonst nichts zu debattieren gibt in diesem Budgetbegleitgesetz. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Zumindest, meine Damen und Herren, nicht in diesem 3.

Sogar der Herr Bundesminister, Herr Gartlehner und vielleicht auch der eine oder andere Abgeordnete der ÖVP werden das in einer stillen Stunde zugestehen. (Abg. Schwarzenberger: Wenn Sie die Verpackung kritisieren, wird der Inhalt nicht zu kritisieren sein!) Ich weiß nicht, Herr Präsident, ich glaube, Sie wissen es überhaupt nicht so genau. Haben Sie schon einmal hineingeschaut? (Abg. Schwarzenberger: Ja, sehr genau!) Ich glaube, Sie haben nur bei der Hagelschutzversicherung nachgeschaut. Viel mehr als Hagelschutz interessiert Sie ja nicht. (Beifall beim Liberalen Forum und der Abg. Dr. Partik-Pablé. – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger.  – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sehr gut, da applaudiere ich Ihnen auch!)


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Ich bin auch für den Hagelschutz, über den hier ausgiebig diskutiert worden ist, über den Hagelschutz und den Frostschutz. Dadurch sind immerhin einige Millionen zusammengekommen. Das sind doch wichtige Entscheidungen, denn man muß auf seine Klientel schauen, insbesondere dann, Herr Stummvoll, wenn sie kleiner wird. (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht so überheblich!) Sie wissen ohnehin, daß dann das Marktverhalten offensive Maßnahmen, Werbung oder einschlägige Gesetze gebietet. (Abg. Schwarzenberger: Liberale kritisieren Hagelschutz!)

Herr Kollege Stummvoll! Ich bitte Sie. Wenn ich Sie sehe, dann stellt sich für mich immer die Frage: Wie können Sie ruhig schlafen, der Sie das Arbeitnehmer/innenschutzgesetz mit beschlossen haben? (Beifall beim Liberalen Forum.) Sie sollten sich die wenigen Haare, die Sie noch haben, raufen! Sie haben das schlechteste Gesetz dieser Republik mit beschlossen. Es ist ein wirtschaftsfeindliches Gesetz, ein Gesetz, das die Unternehmungen dieses Landes von der Kostenseite, von der Bürokratie und von der Stimmung her in den Würgegriff nimmt. Merken Sie sich das, Sie eigenartiger Wirtschaftsvertreter! (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. )

Herr Bundesminister!  Ich bitte, diesen kleinen Ausflug zu verzeihen.  Ich widme mich wieder dem ... (Abg. Mag. Steindl: Wie viele Förderungen haben Sie schon eingesteckt? – Abg. Schwarzenberger: Wie können Sie schlafen, wenn Sie ein Grundeinkommen, ob jemand arbeitet oder nicht, beschließen?) Mein Gott, freut mich das. Was da auf einmal wieder für Leben bei der ÖVP hineinkommt, das ist doch nicht zu fassen. Herr Lukesch! Ärgere ich Sie heute vielleicht? Das ist eine Freude. Ich habe gar nicht damit gerechnet, daß ich Sie so erregen kann. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Lukesch, Mag. Steindl und Dr. Trinkl. )

Darüber, was wir vom 1. Budgetbegleitgesetz 1997 zu halten haben, haben wir schon gestern debattiert. Ich habe dazu keine Wortmeldung abgegeben. Ich erlaube mir, das heute in zwei Sätzen nachzuholen.

Meine Damen und Herren! So, wie Sie es sehen, ist es nicht. Ich weiß nicht, ob man stolz auf dieses Begleitgesetz sein und es auch feiern kann, wenn man – wie Ihnen nicht nur die Opposition, sondern vor allem die von Ihnen selbst beanspruchte Expertenschaft deutlich gesagt hat – gescheitert ist. Sie sind mit dieser Pensionsreform gescheitert. Das müssen Sie einmal wissen! (Abg. Mag. Steindl: Ah geh!) Und jetzt könnten Sie wenigstens eines zugeben, Sie könnten sagen: Mehr war nicht drin. – Das würden wir verstehen. (Abg. Mag. Steindl: Aber nicht das 2., das 3.!) Es war nicht mehr drin, weil die politische Situation in diesem Lande nun einmal so ist und der Konsens unabdingbar war.

Aber wenn Sie hier herausgehen und dieses Produkt, dieses Ergebnis als großen Erfolg feiern, dann muß ich sagen, das glaubt Ihnen nicht nur die Opposition nicht, sondern das glauben Ihnen auch die Menschen in diesem Land nicht. Ich hoffe und bin zuversichtlich, daß Sie sich das auch merken werden.

Das 2. Budgetbegleitgesetz – das ursprünglich zweite –, das nunmehr ASRÄG heißt, werden wir morgen besprechen. Und auch dort, meine Damen und Herren, gibt es nichts – diesen Vorgriff gestatten Sie mir –, worauf Sie sonderlich stolz sein könnten; denn es hängt doch mit dem ersten zusammen. Dabei gab es doch dieses unheilvolle Auf- oder Abschaukeln, was wir beklagen. Wenn nämlich auf Beamtenseite nichts geht, kann natürlich auch bei den ASVG-Versicherten nichts gehen oder nichts, was die Bezeichnung "Reform" verdiente.

Was wir heute besprechen, Herr Bundesminister – wir wissen es –, ist das Zusammenkratzen von dem, was eben noch vertretbar ist. Ich weiß, daß Sie keinen Kies haben. Vielleicht nehmen Sie bei der Frau Fekter eine Anleihe! Kein Kies ist schlecht. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und Rufe: Kein Kies! Kein Beton!) Aber, Herr Bundesminister, das ist auch nicht überraschend. Über die wenigen Einsparungen, die Sie noch zusammengebracht haben, und die Gebührenerhöhung kann man diskutieren. Man kann sagen: Von mir aus, machen Sie es, wenn Sie glauben, daß Sie es unbedingt brauchen. – Ergiebig ist diese Methode nicht, strukturfördernd ist sie nicht. Es handelt sich eben wirklich nur um ein planloses, aber durchaus wirkungsvolles


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Zusammenkratzen. Leider Gottes, lieber Gilbert, der du nicht hier bist, ist das Ergebnis nicht 23 Milliarden Schilling. Entschuldige, ich habe dich übersehen. Wenn es das bloß wäre! Du sagst, er hätte 23 Milliarden zusammengekratzt. Darüber wäre ich ja glücklich! (Abg. Mag. Trattner: Nur dieses 3. Budgetbegleitgesetz!) Ja, aber er hat durch dieses 3. Budgetbegleitgesetz keineswegs 23 Milliarden zusammengebracht. (Abg. Dr. Trinkl: So genau ist er nicht!)

Lieber Herr Bundesminister! Durch Umbuchen kratzt man doch nichts zusammen. Und jetzt muß ich dazu sagen: Bedenken Sie, im Jahre 1997 haben wir ein Budgetdefizit von 68 Milliarden Schilling vermeldet. Ich glaube auch, daß es halten wird. Hier bin ich zuversichtlich, Herr Bundesminister. Das werden Sie schaffen. (Abg. Schwarzenberger: Obwohl Sie es bestritten haben bei Ihrer Rede und gemeint haben, daß es nicht halten wird!) Im Gegensatz zu Ihnen bin ich lernfähig, Herr Präsident! Das ist der Unterschied zwischen einem Liberalen und einem Schwarzen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Ein Liberaler lernt etwas dazu, aber ein Schwarzer fährt als solcher in die Grube. (Abg. Schwarzenberger: Wir haben damals schon die Wahrheit gewußt! Sie haben die 68 Milliarden bestritten!)

Aber, meine Herren von der ÖVP, Sie haben die Wahrheit nicht gewußt. (Abg. Großruck: In Oberösterreich!) Sie haben die Wahrheit gepachtet (Abg. Tichy-Schreder: Die haben Sie gepachtet!) , und wenn Sie sie nicht gepachtet haben, dann gehen Sie zum Krenn und lassen Sie sie sich dort mit diesem berühmten Apparat eintrichtern. Sie haben die Wahrheit nicht gewußt, sondern Sie sind die Wahrheit! (Abg. Dr. Khol hält eine Zeitung mit dem Titel "Einblicke" in die Höhe.) Andreas, du bist die Wahrheit! Lassen Sie die Herren wieder antreten. Jetzt kommt wieder ein kritisches Gesetz mit knappen Mehrheiten. Da muß man sie wieder antreten lassen und mit der Watschenmaschine arbeiten, denn sonst würde der eine oder der andere abspringen. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist Ihre Methode!) Das wird dann eine Freude werden.

Wenn es 23 Milliarden werden, Herr Bundesminister, dann wäre es noch gut. Aber 1997, als wir 68 Milliarden Schilling Budgetdefizit hatten, hätten wir mit demselben Buchungstrick von heuer nur 55 Milliarden gehabt, denn dieser Schmäh hätte letztes Jahr auch schon funktioniert. (Abg. Mag. Steindl: Der Schnee ist geschmolzen!) Wir haben ihn heuer angewendet – Gott sei Dank, heuer –, aber normalerweise hätte man ihn schon anwenden müssen, als man erkannt hat, daß er möglich ist, nämlich schon letztes Jahr. Dann hätten wir ein Budgetdefizit von 55 Milliarden Schilling und müßten natürlich heuer eingestehen, daß wir eines in der Höhe von 67 Milliarden haben.

Oder man sagt: Wir haben es eben im letzten Jahr nicht gemacht. Somit haben wir 68 Milliarden im letzten Jahr, dann haben wir aber heuer als Vergleichszahl nicht 67 Milliarden, sondern 82 Milliarden. – Das, meine Damen und Herren, scheint mir wichtig zu sein. Ich bestehe darauf, daß ich das einmal sagen darf, weil ich dagegen bin – ich trage heute die falsche Krawatte –, daß man den Kopf in den Sand steckt. Sie wissen, ich bin gegen diese Vogel-Strauß-Politik.

Meine Damen und Herren! Das eigentlich Bedenkliche an der Wirkung, Herr Bundesminister, ist, daß man sich dann selbst so lange einredet, man habe das Defizit auf 67 Milliarden, also um eine Milliarde, gedrückt; doch in Wahrheit wurde es um 14 Milliarden ausgeweitet. (Abg. Mag. Trattner: Mehr!) Eine Umbuchung von 15 Milliarden Schilling bringt nicht mehr Geld und macht die Staatsfinanzen nicht gesünder. (Abg. Schwarzenberger: Sie haben doch nichts dazugelernt!) Das, bitte, sollte man wenigstens wissen und in den Erfolgsmeldungen etwas bescheidener sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie mich aber noch etwas sagen: Natürlich haben wir für die künftigen Budgets nach dem Jahre 1999 auch noch einige Probleme, Herr Bundesminister. Herr Trattner hat mit Recht gesagt: Wir haben eine ganze Reihe von Einmaleffekten, und wir haben eine ganze Reihe von Effekten, die Sie irgendwann einmal versprochen haben wieder aufzulösen. – Ganz im Gegenteil; die Herren Stummvoll und Nowotny haben im Finanz- oder im Budgetausschuß – das weiß ich jetzt nicht genau – geradezu einen Rütlischwur geleistet. Sie haben nämlich gesagt: Diese Maßnahme – das schreiben wir gleich ins Gesetz hinein; das ist die Message an die Leute – gilt ab 1999 nicht mehr. – Diese und viele andere Maßnahmen, das schieben Sie wie


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ein Schneepflug vor sich her, das werden Sie einbekennen müssen, müssen Sie wieder rückgängig machen.

Hier – bei diesem bereits abgeleckten Teller – sehe ich dann – das ist wie bei einer hungrigen Katze, die leckt auch das Schüsserl sauber und ... (Bundesminister Edlinger: Eine ordentliche Katze!) Eine ordentliche Katze, Herr Bundesminister, von mir aus jede Katze; und Sie haben diesen Teller auch abgeleckt. Auf diesem ist kein Brösel mehr.

Jetzt sollten Sie im übernächsten Jahr einige Milliarden auf die Beine bringen. Herr Bundesminister! Wenn Sie damit rechnen, daß Sie dieses Amt noch innehaben werden, dann nehme ich an, daß Sie dieser Gedanke durchaus auch mit Sorge erfüllen wird, oder wenn nicht mit Sorge, dann zumindest, wie ich hoffe, mit entsprechendem Skrupel.

Den nächsten Punkt, den ich wenigstens noch erwähnen möchte, weil es mir so typisch erscheint, ist der Katastrophenfonds. Jetzt muß ich sagen, daß die Liberalen immer gegen eine Bindung von Steuern aufgetreten sind. Wir haben kein Problem damit und sagen: Ja, einverstanden. Aber der Katastrophenfonds wird zizerlweis ausgeräumt. Es wird jedes Jahr irgendwann einmal in den Katastrophenfonds gegriffen; es waren immer unterschiedliche Beträge, ein paar hundert Millionen, ein paar Milliarden, war alles schon da. Jetzt räumen wir ihn noch einmal aus, entnehmen ihm 600 Millionen Schilling und sagen: 400 Millionen lassen wir als eine Art Sockelbetrag. – Hier muß ich sagen: Ja, Herr Bundesminister, es wäre ehrlicher, zu sagen, daß die Republik, wenn eine Katastrophe kommt, sie ist groß genug, eine Versicherung in sich selbst macht und für die Katastrophe entsprechend aufkommen wird.

Ob diese 400 Millionen noch den beruhigenden Titel "Katastrophenfonds" verdienen, wage ich zu bezweifeln. Das ist eigentlich kein Fonds mehr. Es gibt jemanden – wie heißt er denn gleich?; Billa oder so ähnlich –, der ganz andere Fonds angelegt hat. Ein Katastrophenfonds mit einer Dotierung von 400 Millionen ist verhältnismäßig bescheiden; es ist ... (Abg. Dr. Kostelka und Abg. Dr. Khol: Das ist eine Privatstiftung!) Lieber Herr Kollege Kostelka! Mir erschiene es einfach ehrlicher, zu sagen: Verzichten wir auf den Fonds. Wir brauchen ihn nicht. – Das ist eben auch ein wenig eine Frage nicht nur der Semantik, sondern auch der Nachrichten, des Zeichens, das wir nach außen setzen wollen. (Abg. Dr. Kostelka: Was machen Sie in Ihrer Firma, wenn Rücklagen zu groß sind? – Dann lösen Sie sie auf!)

Lieber Herr Kostelka! Wenn Sie der Meinung sind, daß Rücklagen für Katastrophen in Höhe von über 400 Millionen zu groß sind, dann müßten wir allerdings blitzartig in eine Sachdebatte über die richtige, notwendige Vorsorge für Katastrophen eintreten. Da sage ich Ihnen: Stecken Sie sich diese 400 Millionen an den Hut! Sie sind auf jeden Fall zuwenig, und zwar viel zuwenig für Katastrophen, die uns hoffentlich erspart bleiben. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Kostelka: Ich will Sie wirklich nicht aufregen! Abg. Dr.  Lukesch: Achten Sie auf Ihren Blutdruck!) Herr Lukesch! Machen Sie sich über meinen Blutdruck keine Sorgen! Achten Sie auf Ihren eigenen! Sie sind ohnehin etwas rotgesichtig. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Du bist graugesichtig!) Ja, man könnte hier grau werden.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Der letzte und auch, wie ich meine, wirklich ernsteste Punkt ist folgender: Wir alle haben in verschiedenen Debatten in den Ausschüssen darüber diskutiert, daß es ein strukturelles Defizit gibt. Wir haben dieses Wort nicht erfunden. Wir haben Anleihe bei einer Studie, die dankenswerterweise, wie ich glaube, von unabhängigen, nicht parteipolitisch gebundenen Experten von hoher Fachkompetenz erstellt wurde, genommen. Wir wissen, daß in Österreich wie auch in anderen europäischen Ländern strukturelle Defizite bestehen. Wir wissen auch, daß diese strukturellen Defizite, wenn wir sie nicht in ihrem Ansatz korrigieren, wenn wir sie nicht in einen anderen, flacheren Winkel lenken, eine Budgetkonsolidierung schlicht und ergreifend ad absurdum führen. Das wissen wir. Das ist nichts Neues.

Herr Bundesminister! Hier ist der eigentliche Kritikpunkt. Diese Bundesregierung hat es trotz vernünftiger äußerer Umstände, trotz einer Bereitschaft der Bevölkerung, zur Budgetkonsolidierung beizutragen und Opfer zu bringen, trotz einer nunmehr wieder anspringenden Konjunk


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tur und damit einer Erleichterung für solche Maßnahmen nicht zustande gebracht, strukturelle Defizite zu beseitigen beziehungsweise die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß diese Defizite in Zukunft nicht zum Tragen kommen.

Damit werden all jene von uns, die auch in zwei, drei und vier Jahren noch diesem Hohen Haus angehören werden, vor die Situation gestellt werden, der Bevölkerung schärfere, strengere und härtere Maßnahmen, als sie heute erforderlich sind, aufzubürden, damit diese Republik und dieser Haushalt noch darstellbar sind. Das sind nicht meine Worte, meine Damen und Herren, denn mir würden Sie es vielleicht ohnehin nicht glauben, sondern sagen, das kommt ja von der Opposition. Wenn Sie es aber der Opposition nicht glauben wollen, dann glauben Sie es wenigstens Ihren eigenen Fachleuten, auch wenn es Herr Rürup ist! Er war in dieser Sache kein schlechter Mann. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, den Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner als Abänderungsantrag eingebracht und in seinen Grundzügen erläutert hat, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Hans Peter Haselsteiner, Volker Kier und PartnerInnen betreffend die Regierungsvorlage (887 d.B.) über ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz, das Parteiengesetz, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Familienberatungsförderungsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz erlassen werden, geändert werden (3. Budgetbegleitgesetz 1997)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Änderung der Regierungsvorlage (887 d.B.) über ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz, das Parteiengesetz, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Familienberatungsförderungsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz erlassen werden, geändert werden (3. Budgetbegleitgesetz 1997)

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Die Regierungsvorlage (887 d.B.) über ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz, das Parteiengesetz, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Familienberatungsförderungsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem


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begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz erlassen werden, geändert werden (3. Budgetbegleitgesetz 1997), wird wie folgt geändert:

Der Titel lautet wie folgt :

Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz, das Parteiengesetz, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Familienberatungsförderungsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz erlassen werden, geändert werden (2. Budgetbegleitgesetz 1997)"

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mühlbachler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte.

10.45

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Haselsteiner! Ich habe Sie noch nie so kompetent über ein Budget reden gehört wie heute. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Es gibt immer ein erstes Mal, Herr Mühlbachler!)

Ich vergleiche die Kompetenz Ihrer Aussagen mit dem Postulat der Liberalen, jeden Bürger von Österreich mit einem Grundeinkommen von 11 000 S zu versorgen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das haben Sie nicht verstanden! 6 000 bis 8 000!) Das geht ungefähr in dieselbe Richtung. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie müssen sich besser damit beschäftigen!) Ich glaube eines: Manchmal wäre es besser, man ließe sich von der Rednerliste streichen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Tun Sie das, Herr Mühlbachler!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit die Öffentlichkeit auch weiß, wovon wir reden, möchte ich ganz kurz die Eckpfeiler des Budgets 1997 erwähnen. Es geht um Ausgaben in der Größenordnung von – grob gesprochen – 750 Milliarden Schilling, um Einnahmen von – grob gesprochen – 682 Milliarden; das heißt also, das Budgetdefizit bewegt sich um 67 bis 68 Milliarden, exakt 67,3 Milliarden.

Wir sind es von der Opposition gewohnt, daß sie so wie in den Vorjahren meint, dieses Defizit würde nicht halten. Auch Dr. Haselsteiner hat sich bei der Debatte über das Budget 1997 dadurch hervorgetan, daß er geschrien hat, das Budget 1997 wäre ein Schwindelbudget, tatsächlich mußte er aber hinnehmen, daß der Vollzug gehalten hat, daß das Budget 1997 bis in Details hinein aufgrund eines exakten Vollzuges hält und daß wir damit die Maastricht-Kriterien erfüllen. Maastricht-Kriterien sind ja nicht irgendein Ziel, sondern sind ein europaweites Ziel, die Bundeshaushalte, die Staatshaushalte so weit in Ordnung zu bringen, daß für die Wirtschaftskörper in den Saaten Europas auch eine Stabilität für die Zukunft gegeben ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Das scheint mir sehr wichtig zu sein. Das scheint mir deswegen sehr wichtig zu sein, weil diese Stabilität auch Grundpfeiler für die Einführung einer gemeinsamen Währung, des Euro, ist. Heute wurde vom Kollegen Trattner wiederum auf den Euro hingewiesen, indem er gemeint hat: Andere warten noch zu. – Ja natürlich, das stimmt schon. Es gibt mehr Zögerer, nicht nur in der FPÖ. Wir wissen, daß Sie Zögerer und Zauderer sind, aber wir haben uns einer Stabilitätspolitik verschrieben, und in dieser Stabilitätspolitik hat auch der Euro seinen ganz festen Platz. (Abg. Scheibner: Die Zauderer Schweden! Die Zauderer Briten! Das sind lauter miese Zauderer! – Beifall bei der ÖVP.)


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Gestern hat zum Beispiel Herr Dr. Haider im Rahmen seiner Rede die Exportoffensive der Regierung vermißt. Ja liest er denn keine Wirtschaftsberichte? (Abg. Mag. Peter: Dann müssen Sie das als Exportoffensive bezeichnen!) Weiß er denn nicht, daß wir uns in einem Exportboom befinden, daß die letzten neun Monate ein Exportplus von mehr als 11 Prozent gebracht haben? (Abg. Mag. Peter: Was hat das mit Exportoffensive zu tun?) Ja ist Ihnen das unbekannt? – Eine derartige Offensive haben wir in den letzten Jahren nicht mehr verspürt. Das sollte doch auch der Bevölkerung einmal ehrlicherweise gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Sagen Sie es! Das glaubt Ihnen ohnehin niemand mehr!)

Noch etwas: Für mich gehört als wesentlicher Faktor beispielsweise auch dazu, daß Markttransparenz gegeben ist. Diese Markttransparenz erreicht man unter anderem durch die Einführung des Euro. – Ich weiß schon, es gibt viele sehr Gescheite, denen es überhaupt kein Problem bereitet, 100 S ad hoc in D-Mark oder Lira umzurechnen. Die wissen aus dem Stand heraus, daß 100 S 14,15 D-Mark oder 13 889 Lire sind! Oder wissen Sie es unter Umständen nicht?

Meine sehr geehrten Damen und Herren!  Wenn ich an die Wirtschaftstreibenden,  die ich kenne ... (Zwischenruf des Abg. Mentil. )  – Herr Mentil, Sie können sich nachher zu Wort melden. Hoffentlich sind Ihre Ausführungen von größter Qualität.

Für die exportorientierten Wirtschaftstreibenden, die ich kenne (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie kennen ja keine, Herr Mühlbachler! Das ist ja Ihr Problem! – Abg. Tichy-Schreder: Keine Unterstellungen, Herr Haselsteiner! – Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll ), wird die Einführung des Euro eine wesentliche Erhöhung der Markttransparenz, Hilfestellung und Erleichterung bedeuten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten uns doch nicht krampfhaft gegen Erleichterungen stellen, nur weil man, so wie die FPÖ, unter allen Umständen im Alten verharren möchte und zögert. (Abg. Scheibner: So wie die Schweden! – Abg. Aumayr: Das gehört nämlich nicht zur EU! – Abg. Scheibner: Und die Engländer!)

Ganz kurz noch zum Budget 1998: Wir haben ein Budgethearing abgehalten. Alle Parteien waren eingeladen, Experten vorzuschlagen, die das Budget 1998 beurteilen sollten. Eine derartige Beurteilung hat auch stattgefunden. Ich zitiere daraus.

Herr Professor Dr. Bernd Genser, der Experte der Freiheitlichen, hat sich beispielsweise anerkennend dazu geäußert, daß die Neuverschuldung des Budgets von 5 Prozent Mitte der neunziger Jahre auf nunmehr 3 Prozent verringert wurde. Wenn ein freiheitlicher Experte eine derart positive Beurteilung abgibt, muß doch etwas dran sein. (Abg. Jung: Das ist nicht alles, was er gesagt hat! – Abg. Scheibner: Zitieren Sie ihn weiter!) Ich nehme doch nicht an, daß Sie einen Experten bestellen, der nur Gutes über das Budget 1998 sagt! Soviel mute ich Ihnen absolut nicht zu.

Auch Herr Professor Schneider meint, daß die Erreichung des Maastricht-Zieles durchaus als großer Erfolg der Bundesregierung betrachtet werden könnte. Ich gebe zu, es waren für ihn noch einige Punkte im Rahmen des Schuldenmanagements offen. Aber wenn eine derartige Beurteilung durch Professor Schneider erfolgt ist, dann hat sie, so meine ich, auch Gewicht.

Wenn Herr Dr. Pichelmann, der Experte der Grünen, festgestellt hat, daß die Arbeitsmarktpolitik in Österreich trotz der vorangegangenen Wirtschaftsbudgets und ihrer einschneidenden Maßnahmen ganz gut wäre, dann hat das für mich ebenfalls Gewicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zuwenig, immer wieder nur davon zu reden, daß Strukturmaßnahmen und Reformwille gezeigt werden sollten. Das sind Worthülsen. – Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Wir haben es geschafft, das Budgetdefizit, das im Jahre 1995 noch weit über 100 Milliarden Schilling, nämlich bei 117 Milliarden Schilling, gelegen ist, auf 68 Milliarden Schilling im Jahr 1997 zu verringern. Und wir werden es für das Jahr 1998 noch einmal, nämlich auf 67 Milliarden Schilling, reduzieren können.


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Das sind meiner Meinung nach Zahlen, die sich sehen lassen können, und noch dazu trotz Reformen, die, wie Sie geglaubt haben, in diesem Staate Österreich von dieser Bundesregierung nicht zu schaffen wären. Wenn das alles tatsächlich schwarz auf weiß auf dem Papier steht, dann wird Ihnen von den Oppositionsparteien die österreichische Bevölkerung das Krankjammern unseres Staates nicht mehr abnehmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein Verlangen auf tatsächliche Berichtigung des Kollegen Peter vor. Ich bitte, zunächst den zu berichtigenden Sachverhalt und im Anschluß daran den tatsächlichen klarzustellen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. ) Herr Abgeordneter Peter ist der erste, dann kommen Sie dran.

10.56

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Mühlbachler hat in seiner beklagenswerten Uninformiertheit behauptet, das Liberale Forum würde eine Grundsicherung von 11 000 S verlangen. Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: In unserem umfassenden Steuerkonzept ist eine Grundsicherung in der Bandbreite von 6 000 S bis 8 000 S angeführt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz. ) Soviel halte ich auch für mindestens notwendig, um die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt abzufedern.

Zweitens hat Herr Abgeordneter Mühlbachler in seiner beklagenswerten Uninformiertheit behauptet, die Exporterfolge der österreichischen Wirtschaft mit einem Wachstum von 11 Prozent wären auf die Tätigkeiten der Bundesregierung zurückzuführen. Das ist falsch! (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. )

Ich berichtige tatsächlich: ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Es ist eine Frage der persönlichen Meinung, worauf das zurückzuführen ist. Die erste tatsächliche Berichtigung war in Ordnung. Haben Sie noch einen dritten Punkt?

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (fortsetzend): Einen dritten habe ich nicht, Herr Präsident. (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.) 

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. (Abg. Aumayr: Der war jetzt recht uninformiert! – Weitere Zwischenrufe.) Bitte um Ruhe! Herr Abgeordneter Trattner ist nun zu einer tatsächlichen Berichtigung am Wort.

10.57

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Abgeordneter Mühlbachler hat behauptet, der freiheitliche Budgetexperte Professor Dr. Bernd Genser habe die Budgetpolitik der Bundesregierung gelobt. (Abg. Dr. Höchtl: Hat er nicht?)

Es ist vielmehr richtig, daß Professor Genser den Anstieg der Ausgaben- und Einnahmenquote im Vergleichszeitraum negativ vermerkt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das war keine tatsächliche Berichtigung! Das ist eine tatsächliche Bekräftigung gewesen!)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte sehr.

10.58

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs kurz auf die Ausführungen des Kollegen Mühlbachler eingehen. – Wo ist er denn? (Abg. Mag. Peter: Er hat sich versteckt!) Schon


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verschwunden? (Abg. Mag. Mühlbachler: Ich bin hier!) Ah, nein, grüß Gott, Herr Kollege Mühlbachler! (Abg. Dr. Khol: Jetzt bist du schon kurzsichtig!)

Herr Kollege Mühlbachler! Sie haben die Stabilitätspolitik der Bundesregierung gelobt. Abgesehen von der Frage, was denn mit dem Budget 1998 stabilisiert wird – die Arbeitslosigkeit werden Sie ja nicht gemeint haben –, muß ich Sie daran erinnern, daß der Stabilitätskurs, soweit er sich auf die Defizite und die Verschuldung bezieht, deswegen notwendig geworden ist, weil eben diese Bundesregierung, die sich auch schon in den Jahren 1993 bis 1995 aus SPÖ und ÖVP zusammengesetzt hat, vorher einen katastrophalen Budgetkurs verfolgt hat. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. )

Darauf haben sich alle Experten im Hearing bezogen und es zustimmend oder lobend oder befürwortend, wie immer Sie wollen, erwähnt, daß der Katastrophenkurs der Jahre 1993 bis 1995 endlich geändert wurde. Daß das zustimmend zur Kenntnis genommen wurde, ist richtig! – Aber daß Sie abgesehen davon eine selektive Wahrnehmung von Experten haben, daß Sie immer nur das aufnehmen, was Ihnen gefällt, und alles andere, was Ihnen nicht gefällt, unter den Tisch fallen lassen, das macht das Hearing irgendwie zur Farce.

Herr Kollege Mühlbachler! Es gefällt mir auch nicht, daß Sie etwa vom Kollegen Genser aus Konstanz als einem freiheitlichen Experten sprechen. Das ist absurd! (Abg. Mag. Mühlbachler: Ich habe nicht gesagt "freiheitlich"!) Die FPÖ hat einen Experten nominiert, und die ÖVP hat einen Experten nominiert. Ich gehe davon aus, daß es Experten sind, aber weder freiheitliche noch schwarze Experten, sondern schlicht und einfach Experten. (Abg. Mag. Mühlbachler: "Experte, von den Freiheitlichen vorgeschlagen" habe ich gesagt!)

Sie haben wörtlich vom "freiheitlichen Experten Genser" gesprochen. Egal, wie die weltanschauliche Haltung des Kollegen Genser ist: Wenn jemand als Experte geladen ist, dann soll man das auch zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch anmerken, daß es eine Unsitte ist, die Experten in den Protokollen des Nationalrates, in den Einladungen und so weiter als parteizugehörig darzustellen. Das sind fünf Personen! Aus! Punkt! (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Herr Bundesfinanzminister! Im BFG 1998 werden als budgetpolitische Zielsetzungen unter anderem genannt (Abg. Dr. Khol: Der Bundesfinanzminister ist in Deutschland! Bei uns ist der Bundesminister für Finanzen!)  – Herr Bundesminister für Finanzen! –, daß das Budget eine Wirtschaftsoffensive bezweckt. Es soll hier eine Wirtschaftsoffensive zur Sicherung von Beschäftigung und zur Förderung des Wirtschaftsstandortes Österreich stattfinden, insbesondere sollen eine Technologie- und eine Exportoffensive der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt neue Impulse geben. – Das ist das Zitat. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Leider sind das rhetorische Pflichtübungen, die sich weder in den Budgetbegleitgesetzen, auch nicht in dem heute debattierten, noch in den Zahlen des Budgets widerspiegeln. – Ich erinnere Sie nur daran, daß aus den Mitteln der aktiven Arbeitsmarktförderung 1998 und 1999 insgesamt nicht weniger als 15 Milliarden Schilling zur Pensionsversicherung transferiert werden. Klarerweise fehlen diese Mittel in der Arbeitsmarktpolitik! Auch die vielbeschworene "Technologiemilliarde" gibt es weder 1998 noch 1999. Es gibt zwar eine Milliarde, diese ist aber nicht für Technologieförderung reserviert.

Nun etwas genauer zum 3. Budgetbegleitgesetz, das wir heute verhandeln. Laut Vorblatt handelt es sich dabei um budgetwirksame Änderungen einer Anzahl von Bundesgesetzen. – Schon das ist unrichtig: Im Artikel 18 beispielsweise wird keineswegs eine Materie, die irgend etwas mit dem Budget zu tun hat, behandelt. Die Vorlage beinhaltet vielmehr, wie auch die sogenannten Strukturanpassungsgesetze 1996/1997, eine Ansammlung verschiedener Materien, es geht aber darin wie Kraut und Rüben durcheinander. Kollege Trattner hat außerdem bereits darauf hingewiesen, daß die Vorlage keinen nennenswerten Beitrag zu irgendeiner Strukturreform leistet.


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Im einzelnen handelt es sich dabei teilweise um die dauerhafte Erhöhung von Abgaben – zum Beispiel Gebühren – und um die vorübergehende Erhöhung von Abgaben beziehungsweise um die Verpflichtung der Steuerzahler, dem Staat zinsenfreie Kredite – etwa in Form von Einkommensteuervorauszahlungen – zu gewähren, um Maßnahmen zur Ausgabendämpfung, die auch die Grünen unterstützen – zum Beispiel bei der Nicht-Valorisierung der Parteienförderung sowie der Klubfinanzierung –, interessanterweise auch um Ausgabenerhöhungen – wie etwa bei den Bundeszuschüssen zur Hagel- und Frostschädenversicherung – oder schlicht um das, was im internationalen Jargon als Creative Accounting bezeichnet wird – etwa jene berühmten 15 Milliarden Schilling, auf die bereits Herr Haselsteiner hingewiesen hat –, sowie um etwas, was ich als den "Charme" der kakanischen Legistik bezeichnen möchte, vor allem im Bereich der Gebührengesetze. (Abg. Dr. Stummvoll: Schöne Formulierung!) Schöne Formulierung, nicht wahr? (Abg. Tichy-Schreder: Sehr schön!) Danke.

Ich komme noch einmal zu jenen 15 Milliarden, die in Artikel 3 des Bundeshaushaltsgesetzes geregelt sind. Der nicht-freiheitliche Experte im Ausschuß, Professor Bernd Genser aus Konstanz, hat diese 15 Milliarden Schilling sehr treffend charakterisiert: Das seien keineswegs plötzlich entstandene zusätzliche Einnahmen, sondern ein unverzinster Kredit der Steuerzahler an den Staat – und nichts anderes! Diese Summe wird nun aus unerfindlichen Gründen, möglicherweise mit der Rückendeckung von Eurostat als Einnahme verbucht.

Sinn macht es keinen, denn wenn das die Logik der Maastricht-Definition von Budgetdefiziten wäre, müßten auch die Wohnbauförderungen der Länder als Ausgaben verbucht werden. Es gibt hier keinen Unterschied, Kollege Lukesch, denn den Einnahmen des Bundes steht zum Zeitpunkt der Verbuchung bereits eine Verpflichtung des Bundes gegenüber. Das sind Steuerguthaben, nicht irgendwelche Steuereinnahmen! Dadurch besteht eine Analogie zur Wohnbauförderung der Länder, bei der der Verausgabung des Landes bereits eine Forderung durch den Kredit gegenübersteht. Das ist, wie wir gelernt haben, nicht Maastricht-relevant. – Nun machen Sie es beim Bund genau umgekehrt! Soll sein! Wenn man das Einverständnis von Eurostat eines Tages schriftlich bekommt, kann man das nur zur Kenntnis nehmen, aber es widerspricht zentral der Maastricht-Definition von Defiziten.

Auch die Fortschreibung des 5-Prozent-Zuschlages bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist nichts anderes als eine Verpflichtung der Steuerzahler, dem Staat einen zinsenfreien Kredit zu gewähren, der später einmal, in den Jahren 1999/2000, zurückgezahlt werden muß.

Was den Artikel über die Hagel- und Frostschutzversicherung in diesem Budgetbegleitgesetz betrifft, der tatsächlich eine Ausgabenerhöhung zur Folge hat, habe ich schon im Ausschuß auf ein damit zusammenhängendes theoretisches, aber auch praktisch interessantes Problem hingewiesen, nämlich auf die Frage: Wem kommen letztlich die Versicherungsprämienzuschüssse zugute? (Abg. Mag. Peter: Den Versicherungen!)  – Wir wissen bereits aus der Wohnbaufinanzierung, daß die Zuschüsse des Staates in Wirklichkeit sehr häufig, jedenfalls zum Teil, eine Bankenfinanzierung darstellen. Deswegen ist die Vermutung, daß es sich bei diesen Zuschüssen zur Hagel- und Frostschädenversicherung in Wirklichkeit wenigstens teilweise um eine Versicherungsförderung und keineswegs um eine Förderung der Landwirtschaft handelt, zumindest für Ökonomen wie Herrn Peter, Herrn Haselsteiner und mich nicht abwegig. Das könnte man im Prinzip leicht überprüfen; es wurde aber offenbar nicht getan.

Nun komme ich zum kakanischen "Charme" des Gesetzes, den Gebühren. Die Gebühren werden durchschnittlich um 50 Prozent erhöht. Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß die Grünen das aus einer Reihe von Gründen ablehnen. Ich möchte nur die Arbeiterkammer zitieren, die in ihrer Stellungnahme schreibt – ich zitiere wörtlich –, "daß das bestehende Gebührenrecht in wesentlichen Teilen antiquiert und grundsätzlich überholungsbedürftig erscheint. Für Verwaltungsakte, die im überwiegenden Interesse des Antragstellers liegen, ist es legitim, Gebühren zu verlangen, die in einer vernünftigen Relation zu den Kosten des Verwaltungsaktes liegen und soziale Kriterien berücksichtigen sollen. Dabei sollte die Gebühr nicht nach der Zahl der Bögen, die der Antragsteller benötigt, bemessen sein, sondern in Relation zu den Kosten des Verwaltungsaufwandes stehen". – Davon ist in dieser Novelle allerdings keine Rede!


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Ich erlaube mir, meine restliche Redezeit noch dazu zu nützen, Ihnen Ziffer 4 des Artikels 10 vorzulesen. Darin heißt es: "§ 5 Abs. 2 lautet: (2) Unter Bogen ist Papier zu verstehen, dessen Seitengröße das Ausmaß von zweimal 210 mm x 297 mm nach einer oder nach beiden Richtungen nicht überschreitet. Für dieses Ausmaß überschreitende Papierblätter sind die festen Stempelgebühren im zweifachen Betrag zu entrichten. Bei inhaltlich fortlaufendem Text bleiben unbeschriebene Seiten bei der Berechnung der Anzahl der Bögen außer Ansatz." (Abg. Böhacker: Das ist aber wichtig! Das war bisher anders!)

Das ist super! Immerhin: Wenn man unbeschriebene Seiten beilegt, kostet das nichts! Das ist auf jeden Fall etwas, was ich diesem Gesetz entnommen habe.

Meine Damen und Herren! Zu Artikel 14, Publizistikförderung: Wenn ich mich recht entsinne, kostet die Publizistikförderung im Jahr ungefähr 7 Millionen Schilling, während die Presseförderung im Jahr Hunderte Millionen Schilling kostet. Die Publizistikförderung wird in Artikel 14 im Detail und kleinlich neu geregelt. Im gleichen Atemzug gibt es aber für die Frostschädenversicherung, wenn ich mich recht erinnere, mindestens 20 Millionen Schilling mehr allein vom Bund; der gleiche Betrag kommt von den Ländern noch hinzu. Mit kleinlichen Regelungen, im Detail mit Gummiparagraphen, werden etwa laut Punkt 3 dieser Bestimmung Druckschriften von der Förderung ausgeschlossen, die "wiederholt zur allgemeinen Mißachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Rechtsgebiet auffordern". Sicherlich bin auch ich nicht dafür, irgendwelche – sagen wir – neo-nationalsozialistischen Publikationen zu fördern. Aber hat die alte Bestimmung nicht ausgereicht? Hat der alte Beirat nicht ausgereicht? Haben diese Leute nach Gutdünken rechtsradikale oder linksradikale – oder was immer Sie wollen – Zeitschriften gefördert? Was heißt das: allgemeine Mißachtung auf einem bestimmten Rechtsgebiet? – Ich habe schon im Ausschuß gefragt, ob dann allgemeine Mißachtung auf unbestimmten, also sehr breiten Rechtsgebieten kein Ausschlußgrund wäre. Das können Sie ja wohl nicht gemeint haben. (Abg. Dr. Khol: Haben Sie die Erläuterungen gelesen? Da sind Beispiele genannt!)

Ich habe die Erläuterungen sehr genau gelesen und werde Sie jetzt darauf hinweisen. In Z 8 dieses Artikels wird gesagt: Von der Förderung sind auch periodische Druckschriften ausgeschlossen, "die von einer Gebietskörperschaft eine andere Förderung erhalten". Diese Z 2 der Z 8 dieses Artikels wird in den Erläuterungen mit keinem Wort erwähnt. Offen gesagt, das finde ich schon sehr merkwürdig, um keinen schärferen Ausdruck zu gebrauchen. "Die von einer Gebietskörperschaft eine andere Förderung erhalten" – halten Sie das für ein legistisches Meisterwerk?

"Eine andere Förderung": Wenn ich also eine Förderung beispielsweise für die Einstellung von Behinderten oder für die Verwendung von nicht chlorgebleichtem Papier bekomme, dann bin ich grundsätzlich von der Publizistikförderung ausgeschlossen? – Das können Sie ja wohl nicht gemeint haben. Aber so steht es im Gesetz.

Offenbar können Sie Ihrem eigenen Gesetz aber selbst nicht recht trauen, denn in einer Ausschußfeststellung, die mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP verabschiedet wurde, heißt es, daß der Beirat Mehrfachförderungen aus öffentlichen Mitteln "tunlichst" zu vermeiden habe. Was heißt da "tunlichst"? – Ins Gesetz schreiben Sie, daß Mehrfachförderungen ausgeschlossen sind, in der Ausschußfeststellung hingegen heißt es, daß Mehrfachförderungen aus öffentlichen Mitteln "tunlichst" zu vermeiden sind. Daran verstehe ich überhaupt nichts mehr.

Deswegen stellen Kollege Kier, Kollege Haselsteiner und ich folgenden kurzen Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Dr. Hans Peter Haselsteiner, Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend 3. Budgetbegleitgesetz 1997

Der Nationalrat wolle beschließen:


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"Die Regierungsvorlage (887 d.B.) über ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz, das Parteiengesetz, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Familienberatungsförderungsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz erlassen werden, geändert werden (3. Budgetbegleitgesetz 1997), wird wie folgt geändert:

Artikel 14 (Änderung des Bundesgesetzes über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984) entfällt.

Die nachfolgenden Artikel erhalten die Artikelnummern 14 bis 18.

*****

(Abg. Dr. Khol: Sehr gut! Dem Antrag werden wir nicht beitreten!)

Ich sage einmal etwas Positives über das 3. Budgetbegleitgesetz. (Abg. Wabl: Das ist sehr schwer!) – Es ist schwer, aber ich bringe es über mich. – Die Nichtvalorisierung der Parteienförderung, die Nichtvalorisierung der Sportförderung, die Nichtvalorisierung der Klubfinanzierung – allen diesen Punkten würden wir zustimmen, wenn wir getrennt darüber abstimmen könnten. Grundsätzlich positiv zu bewerten sind auch Teile der Novellierung des Bundeshaushaltsgesetzes, namentlich zum § 14.

Im § 14 wird jetzt genauer festgelegt, was bei Regierungsvorlagen und so weiter bezüglich Ausgaben- und Kostenschätzungen alles zu tun wäre. Allerdings haben wir schon bisher eine Reihe von Bestimmungen im Bundeshaushaltsrecht, die diese und ähnliche Materien betreffen. Alle diese Paragraphen sind weitestgehend totes Recht geblieben. Deswegen ist es sehr schön, was hier steht, aber solange es keine irgendwie durchzuziehende Verbindlichkeit, solange es keine Sanktionen bei Verletzung dieser Bestimmungen gibt, wird auch diese neue Novellierung des § 14 totes Recht bleiben.

Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, daß aus dem Budget gezielte Impulse für mehr Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung kommen sollen, denn – ich zitiere Sie – "der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist unser wichtiges Ziel", Ende des Zitats. Wo sind diese Impulse in den Budgetbegleitgesetzen, auch im heutigen 3. Budgetbegleitgesetz? Wo sind diese Impulse in den Ansätzen des BFG für 1998? – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Sigl. – Bitte.

11.14

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Als Ziele des Budgets 1998 hat unser Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger die Erhaltung der guten Beschäftigungssituation, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich sowie die Wiedergewinnung des budgetpolitischen Handlungsspielraumes, insbesondere zur langfristigen Finanzierung unseres Sozialstaates, bezeichnet.

Um diese Ziele zu erreichen, sollten und müssen wir den budgetären Weg, der mit dem Doppelbudget 1996 und 1997 eingeschlagen wurde, weiterhin beschreiten. Der Kurs der Budgetkonsolidierung, wie er im Entwurf des Bundesfinanzgesetzes 1998 vorgezeichnet ist, erfordert


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eine Anzahl budgetwirksamer Änderungen einiger Bundesgesetze. So stellen die drei Budgetbegleitgesetze nicht nur eine Zusammenfassung von Gesetzesänderungen dar, sondern symbolisieren meiner Überzeugung nach eine vernünftige und ausgewogene Budgetpolitik, die ihre beabsichtigte Wirkung sicherlich nicht verfehlen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf den Bundeshaushalt 1998 ist das 3. Budgetbegleitgesetz das umfangreichste. Die spürbarste Maßnahme für die Bevölkerung in diesem Gesetz ist sicherlich die Änderung des Gebührengesetzes 1957. Das Schwergewicht der im Gebührenbereich vorgeschlagenen Änderungen liegt in der Anhebung der festen Gebührensätze. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß seit dem Jahre 1984 keine Tarifanpassung mehr erfolgt ist.

Die Erhöhung der festen Gebührensätze trägt den seit der letzten Anhebung dieser Gebührensätze im Jahr 1984 geänderten Wert- und Preisverhältnissen Rechnung und dient als Maßnahme zu höherer individueller Beteiligung an den gestiegenen Verwaltungskosten und zur Verbesserung des Finanzierungsspielraumes im budgetpolitischem Bereich.

Wenn Herr Abgeordneter Böhacker von den Freiheitlichen die Regierung aufgrund der Anhebung der Gebührensätze der Preistreiberei bezichtigt (Abg. Böhacker: So ist es! Ich stehe dazu!), stelle ich dem entgegen, daß eine Indexanpassung nach 13 Jahren nicht mit "Preistreiberei" gleichzusetzen ist. (Abg. Böhacker: Das ist eine schlimme Preistreiberei!) Wenn man schon immer wieder einen Leistungsstaat fordert, sollte man wissen, daß Leistung ihren Preis hat.

Hohes Haus! Kurz möchte ich noch auf die Änderungen des Bundesgesetzes 1984 über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik eingehen, die zwar in finanzieller Hinsicht eher geringere Auswirkungen haben werden, jedoch aus demokratiepolitischer Sicht nicht ganz bedeutungslos sind. So konnte zum Beispiel das Förderungsvolumen für politische Bildungsarbeit und Publizistik für das Jahr 1998 im wesentlichen auf dem Stand des Jahres 1997 gesichert werden.

Weiters wurden aus Gründen der Effizienz einige Änderungen im Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik durchgeführt. So werden in Zukunft durch diese Novelle Mehrfachförderungen aus öffentlichen Mitteln – also die Förderung einer Zeitschrift durch mehrere Ressorts – auszuschließen sein.

Hervorheben möchte ich auch, daß künftig jene periodische Druckschriften von der Förderung ausgeschlossen sind, die den gewaltsamen Kampf gegen die Demokratie und den Rechtsstaat oder die Gewalt gegen Menschen als Mittel der Politik befürworten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Abschließend stelle ich fest, daß das 3. Budgetbegleitgesetz (Abg. Blünegger: Drittes Belastungspaket!)  – wie überhaupt der Bundeshaushalt 1998 – ein weiterer Vorstoß hin zu einem schlanken, effizienten und sowohl wirtschaftlich starken als auch sozial ausgeglichenen Staat ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher bitte ich Sie, dieser Regierungsvorlage im Interesse Österreichs Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Blünegger. )

11.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schreiner. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.19

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Hohes Haus! Herr Kollege Sigl, Sie haben die zentrale Aussage getroffen, dieses 3. Budgetbegleitgesetz sichere den Wirtschaftsstandort Österreich. (Abg. Dr. Khol: Jawohl!) Haben Sie sich wirklich genau überlegt, was Sie damit gesagt beziehungsweise uns hier vorgelesen haben?


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Ich darf Ihnen an zwei Beispielen erläutern, daß wir dazu völlig konträrer Meinung sind. Herr Bundesminister! Allein die Erhöhung des 5prozentigen Zuschlages zur Einkommensteuervorauszahlung und zur Körperschaftsteuervorauszahlung stellt erstens einen Vertrauensbruch gegenüber den Unternehmern und gegenüber den Steuerpflichtigen dar. Zweitens verlangen Sie damit einen Zwangskredit von Steuerpflichtigen, die Ihnen einen solchen Kredit freiwillig nicht geben würden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Da wir über den Wirtschaftsstandort Österreich reden: Es ist von seiten des Finanzministeriums eindeutig versprochen worden, daß dieser 5prozentige Zuschlag nur in den Jahren 1996, 1997 und 1998 eingehoben wird. Nun aber dehnen Sie diese Maßnahme auf 1999 aus. Man kann dazu nur eines sagen: Versprochen, gebrochen! – wie vieles von dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich habe mir folgendes ausgerechnet: Laut Budgetzahlen werden im Rahmen des Bundesvoranschlages 1998 von den Steuerpflichtigen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer insgesamt 88 Milliarden Schilling für den Staatshaushalt eingehoben. Der 5prozentige Zuschlag macht rund 5 Milliarden Schilling aus. Aufgrund dieses Zwangskredits von 5 Milliarden Schilling ergibt sich, auf 12 Monate berechnet, für den Steuerzahler und damit natürlich auch für die Betriebe ein Entzug an Liquidität von 5 Milliarden Schilling, und das kostet ihn bei einem Zinssatz von 6 Prozent über diesen Zeitraum 300 Millionen Schilling.

Das alles steht unter der Übertitelung – damit komme ich wieder auf Kollegen Sigl zu sprechen – "Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich". Herr Bundesminister! Ist das eine Sicherung? (Abg. Böhacker: Umgekehrt: Eine Gefährdung ist das!) Das ist eine Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben gestern über den sogenannten Vertrauensschutz gesprochen. Herr Bundesminister! Genießen den Vertrauensschutz nur Pensionisten mit anerkannten wohlerworbenen Rechten oder Personen, die bald in Pension gehen – Sektionschefs, Hofräte und dergleichen –, oder gebührt der Vertrauensschutz seitens Ihres Ministeriums nicht auch Hunderttausenden Steuerpflichtigen?

Dieser Vertrauensschutz wäre notwendig, denn ein Steuerpflichtiger soll sich gerecht behandelt vorkommen. Er soll nicht Scheingewinne versteuern müssen. Er soll das Handelsrecht beachten – aber gleichzeitig kommen Sie mit einer 5prozentigen Erhöhung der Vorauszahlungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer daher, die diesem Ziel diametral entgegensteht. Das nennen wir in der Finanzwissenschaft "Scheingewinnbesteuerung". Ich sage Ihnen: Das ist eine Schröpfaktion! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist eine klassische Schröpfaktion, was Sie mit diesem Budgetbegleitgesetz vorhaben, indem Sie das Versprechen, diese 5 Prozent ab dem Jahr 1999 auszusetzen, nicht wahr machen.

Ich möchte diese Gelegenheit dazu nützen, außer dieser 5prozentigen Erhöhung auch einen anderen Problembereich zu beleuchten. Insgesamt besteht das Budgetbegleitgesetz ja aus 19 Artikeln.

Herr Bundesminister! Daß das Gebührengesetz 1957 auch zum Bereich der Novellierung gehört, ist heute schon erwähnt worden. Sie erhöhen nun die Eingabegebühren um rund 50 Prozent von 120 auf 180 S, Sie erhöhen die Gerichtsgebühren – dies alles unter der Übertitelung "Valorisierung".

Wie stehen Sie zur Meinung der Industriellenvereinigung, die Ihnen in einer brieflichen Stellungnahme dargelegt worden ist? – Daß auf den Cites-Wiederausfuhrbescheinigungen nunmehr Stempelmarken im Wert von 180 statt vorher 120 S aufzukleben sind, führt bei den betroffenen Firmen zu weiteren enormen Kostenbelastungen. Bei kleinen Sendungen führt das dazu, daß die Eingangsgebühr ein Vielfaches der Gewinntangente ausmacht.

Die Industriellenvereinigung schreibt weiters: Dies stellt neben der wirtschaftlich gesehen exzessiven Exportsteuer einen eklatanten Wettbewerbsnachteil im Verhältnis zu Konkurrenten in anderen Ländern dar, die eine derartige Belastung nicht haben.


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Wir haben ein Außenhandelsdefizit, wir haben ein Defizit der Leistungsbilanz. Herr Bundesminister! Sie sprechen sich für den Wirtschaftsstandort Österreich aus. Wirtschaftsstandort Österreich heißt aber auch: Chancen im Export. Eröffnet das Chancen im Export, wenn Sie hier solche Gebühren draufschnalzen, daß die Gewinntangenten auf null geschmälert werden? (Zwischenruf des Abg. Fink. ) Herr Bundesminister! Packen Sie ein mit der Mär, daß Sie mit Ihrer Finanz- und Steuerpolitik den Wirtschaftsstandort Österreich sichern helfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich komme auf einen dritten Bereich zu sprechen, zu dem ich Ihnen ohne weiteres sagen kann, daß wir Freiheitlichen zustimmen werden. Das betrifft den Bereich der Klubfinanzierung und die Finanzierung im Kontext des Familienberatungsförderungsgesetzes. Dabei muß ich Sie und auch einen Teil der ÖVP-Abgeordneten konkret fragen: Wie stehen Sie eigentlich dazu, daß Ihnen das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung im Rahmen der Begutachtung nahelegt, den § 20 Abs. 2 Glücksspielgesetz nicht zu novellieren und diese Valorisierung bei der Sportförderung zuzulassen?

Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin Prokop verweist auf eine einstimmige Resolution des niederösterreichischen Landessportrates. Ich bin da ein wenig anderer Meinung. Ich glaube, daß man berechtigterweise sagen muß, daß diese Valorisierung ausgesetzt gehört. Aber insgesamt kann man über eines nicht hinwegsehen, Herr Bundesminister: Sie drücken Ausgaben und dämpfen Ausgabensteigerungen auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber erhöhen Sie unter Berufung auf die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich Steuern und Bemessungsgrundlagen.

Herr Bundesminister! Kollege Trattner hat bereits darauf hingewiesen, daß das alles unserer Ansicht nach nichts anderes als ein Sammelsurium an Einmaleffekten ist, die Sie früher oder später wieder werden zurücknehmen müssen. Oder aber diese Einmaleffekte werden sich – wie zum Beispiel die Anhebung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer – von selbst richten.

Denn was wird ein Unternehmer nächstes Jahr tun, wenn er die entsprechenden handelsrechtlichen Gewinne nicht erreicht? – Er wird zum Finanzamt gehen und sagen: Bitte, hier habe ich eine Zwischenbilanz; die Bemessungsgrundlage, die das Finanzamt angenommen hat, ist unrichtig. Dieser Unternehmer wird daher um Senkung der Körperschaftsteuer beziehungsweise Einkommensteuer ansuchen.

Was das an Verwaltungsaufwand, an Aufwand im Bereich der Administration erfordert, sichert wiederum nicht den Wirtschaftsstandort Österreich. Sie müssen endlich einmal zugeben, daß sich jemand, der sich in Österreich in der Wirtschaft betätigt, nicht reicher machen kann, als er ist. Im Gegenteil: Ein Kaufmann muß sich nach dem Prinzip der Vorsicht eher ärmer machen, als er ist.

Herr Bundesminister für Finanzen! In einem Wirtschaftsstandort Österreich wäre es ein Gebot der Stunde, daß auch der Finanzminister dem Rechnung trägt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich nunmehr Herr Bundesminister Edlinger gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

11.28

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mir gestatten, nach den ersten Diskussionsrednern Stellung zu ein paar Fragen zu nehmen, obwohl es zu einem gut Teil Wiederholungen von Ausführungen sind, die schon in Ausschußberatungen oder beim Hearing vorgebracht wurden.

Zunächst möchte ich feststellen – das ist bisher unwidersprochen geblieben, und ich denke, daß es auch von den noch folgenden Rednern kaum in Frage gestellt werden kann –, daß es Österreich in den beiden letzten Jahren gelungen ist, eine in dieser Größenordnung und in so kurzer Zeit noch nie dagewesene Budgetkonsolidierung vorzunehmen, und zwar sozial ausge


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wogen und mit geringeren Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung, als von vielen befürchtet wurde. (Abg. Ing. Reichhold: Belastungen! Tricks! Schwindel!)

Ich nehme keine bewertende Zuordnung von Experten vor, die von den politischen Parteien nominiert worden sind, aber folgendes möchte ich schon feststellen: Offenbar leidet die Politik – vielleicht muß ich mich da auch einschließen – sehr häufig unter selektiver Wahrnehmung, denn als Bundesminister für Finanzen, der ein Budget vorgelegt hat, das in einem Experten-Hearing auch von den Experten überprüft wurde, war ich eigentlich mit den Beurteilungen dieser Experten, und zwar von allen fünf, im großen und ganzen zufrieden. Sie haben nämlich – und dem ist keinesfalls zu widersprechen – eindeutig festgestellt, daß sich die Budgetkonsolidierungspolitik der Republik Österreich auf dem richtigen Weg befindet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich habe mehrmals, auch schon in diesem Hause, festgestellt, daß man, wenn man von Budgetkonsolidierung spricht, einen bestimmten Zeitraum und das Ineinandergreifen verschiedener Budgets beachten muß. Es ist völlig unmöglich, innerhalb eines Budgets eine radikale Trendumkehr vornehmen zu wollen, wenn man vermeiden will, daß durch solche Maßnahmen – es gäbe so einen Weg auch – ganz gewaltige Veränderungen in das soziale Gefüge unseres Staates geschlagen werden müßten, was diese Bundesregierung keinesfalls vorhat.

Daher muß man die Zeit von 1996 bis 1999 als eine Einheit sehen. Wir haben mit dem Doppelbudget 1996/1997 eine Budgetkonsolidierung wirklich unglaublichen Ausmaßes vollzogen, die in Gesamteuropa auch bemerkt worden ist, und zwar durchaus auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit. Diese Nachhaltigkeit war nicht in allen Segmenten der Maßnahmen gegeben – das wurde aber auch nie behauptet –, sondern es wurde eine Budgetkonsolidierung eingeleitet, und es ist Aufgabe dieses Budgets, das wir heute diskutieren, und jenes Budgets, das die Bundesregierung als vorläufigen Entwurf für 1999 bereits beschlossen hat, die einheitliche Phase der Konsolidierung fortzuführen. Ich betrachte – das habe ich bereits gesagt – das Budget 1998 und auch jenes für 1999, das Sie in wenigen Monaten hier beraten können, als jene Budgets, die den 1996 eingeleiteten Konsolidierungskurs stabilisieren, um jene Handlungsspielräume wiederzugewinnen, die wir brauchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht zu leugnen – und das tut auch niemand –, daß das Budget 1998 in einigen Bereichen Einmaleffekte aufweist. Ich wäre der letzte, der das in Abrede stellen würde, denn das wäre leicht widerlegbar, und so einfach will ich es Ihnen gar nicht machen. Ich habe nur manchmal das Gefühl, Sie bauen einen Pappsoldaten auf, als ob ich irgendwo einmal behauptet hätte, daß das gesamte Budget 1998 einnahmen- und ausgabenseitig aus strukturellen Maßnahmen bestünde. Nein, überhaupt nicht! (Abg. Ing. Reichhold: Wissen Sie jetzt auf einmal, was Einmaleffekte sind?) Die Tendenz der Budgets ... (Abg. Ing. Reichhold: Ich habe gedacht, Sie wissen nicht, was Einmaleffekte sind!) Ich weiß das schon, nur Ihre Frage war zuwenig präzise. (Abg. Mag. Trattner: Ich habe genau diese Frage gestellt!)

Nein, Herr Abgeordneter Trattner! Wenn Sie sich Ihre Frage anschauen und meine Antwort, dann sehen Sie, daß die Präzision meiner Beantwortung der Präzision Ihrer Frage entspricht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Hätten Sie mich anders gefragt, hätte ich möglicherweise anders geantwortet – mit allen Einschränkungen, die eine solche Beantwortung dann nach sich zieht, wenn man als Finanzminister auf der seriösen Seite bleiben will und auch nach wenigen Monaten noch zu den Zahlen stehen möchte, die man irgendwann einmal genannt hat.

Ich bin ja wirklich sehr überrascht darüber, daß zum Beispiel heute in den Debattenbeiträgen auch die Eckdaten des Budgets 1998 von niemandem in Frage gestellt worden sind. Es stellt eigentlich niemand in Frage, daß wir mit diesem Budget einen Schritt in Richtung nachhaltige Konsolidierung, Defizitrücknahme, Schuldenrückgang und letztendlich auch zur Erreichung jener Kriterien gehen, die wir benötigen, um die wirtschaftlichen Chancen, die uns das gemeinsame Europa bietet, wahrzunehmen. (Abg. Böhacker: Herr Finanzminister! Das steht heute nicht zur Debatte!) Das stellt niemand in Frage, und dafür bin ich Ihnen auch sehr dankbar. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Böhacker: Das steht heute nicht zur Debatte!)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch einmal: Ich gebe, wenn Sie mich konkret zu Zahlen fragen, Antwort nach bestem Wissen und Gewissen. Ich bin in der glücklichen Situation, daß ich an und für sich aus eigenem Erleben nur auf eine Phase von neun Monaten als Finanzminister zurückblicke, aber ich denke noch daran zurück, mit welchen Diskussionen ich anläßlich meines Amtsantritts konfrontiert war, als mir prophezeit wurde, in welchem Ausmaß das Budget 1997 aus dem Leim gehen werde. Das reichte von 7 über 13 bis zu 80 Milliarden, umfaßte also eine Bandbreite, bei der man nach dem Prinzip der Wahrscheinlichkeit jedenfalls recht haben konnte. Aber selbst diese geringe Quote der sogenannten Budgetlücke ist nicht eingetreten.

Ich könnte Ihnen jetzt Ihre eigenen Zitate vorwerfen, was ich nicht tun möchte, aber nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich bereits am 30. April, nachdem auch die Einnahmenschätzungen für April vorgelegen sind, erstmals gesagt habe, daß dieses Budget 1997 mit einigen Korrekturmaßnahmen – die wir gesetzt haben – so vollzogen werden kann, wie es mein Amtsvorgänger vorgelegt und dieses Haus vor mehr als einem Jahr beschlossen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist interessant, daß mir hier eine bestimmte trickreiche Vorgangsweise unterstellt wird, aber ich hätte es eigentlich für fair und anständig empfunden, wenn man beispielsweise jene Sorgen, die, wie ich den Medien entnommen habe, von manchen dieses Hauses im Hinblick auf den Voranschlag 1998 öffentlich geäußert worden sind, auch hier vorgebracht und diesbezüglich nachgefragt hätte.

Ich lese da etwa, daß ein nicht ganz unbedeutendes Mitglied dieses Hauses von 126 Milliarden Schilling Defizit und nicht von 67 gesprochen hat. Ein anderes Mitglied des Finanzausschusses sprach von 108 Milliarden. Ich habe mir beispielsweise bei diesem Experten-Hearing erlaubt, die Experten zu fragen, ob sie mir Auskunft darüber geben können, wie möglicherweise der eine oder andere Abgeordnete auf solche Phantasiezahlen kommen kann. – Aber selbst die Kreativität der Experten reichte dazu nicht aus (Abg. Dr. Khol: Wer waren denn diese Abgeordneten?), und zwar ganz einfach deshalb nicht, weil es sich um falsche, zum Teil polemische, mit dem Voranschlag, den ich vorgelegt habe, nicht im Einklang stehende Behauptungen gehandelt hat. (Abg. Kiss: Wer waren diese Abgeordneten, Herr Bundesminister? – Abg. Dr. Khol: Wer waren diese Abgeordneten?)

Daher möchte ich Ihnen wirklich für die bisherige Diskussion danken, denn Sie stellen meine Eckdaten nicht in Frage, Sie decken keine Einmaleffekte auf, die ich nicht selbst schon in meiner Budgetrede dargelegt hätte. Ich habe sie auch begründet, weil ich schon möchte, daß wir selbstverständlich alle Möglichkeiten, die die Budgetpolitik zuläßt und wodurch erreicht wird, daß sich unsere Formaldefizitquote im Rahmen hält, ausschöpfen, ohne daß wir weitere Einschränkungen, etwa im Investitions- oder Sozialbereich, vornehmen müssen und ohne daß wir zusätzliche Einnahmen erschließen müssen.

Ich meine daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Koalitionsregierung, deren Finanzminister ich ja bin, dieses Budget guten Gewissens vorlegen kann, daß dieses Budget in den Ansätzen halten wird und daß wir damit in die Situation kommen, jene internationalen Verpflichtungen wahrnehmen zu können, die wir eingegangen sind, und jene europäischen Chancen zu nützen, die wir brauchen, um Wachstum und Beschäftigung auch in unserem Land weiter voranzutreiben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend noch ein paar Bemerkungen. Ich möchte jetzt nicht wiederholen, wie das mit den Steuerguthaben ist – ich habe das im Hearing, im Ausschuß gesagt –, es sei denn, es wird gewünscht, damit es auch im Protokoll des Plenums steht. Hiezu haben wir eine unterschiedliche Auffassung, wobei ich allerdings anerkennen muß, daß Sie bemerkenswerterweise in der Zwischenzeit bereits zumindest sagen, möglicherweise ist das maastrichtkonform. In der ersten Ausschußsitzung, Herr Professor Van der Bellen, haben Sie diese Frage nicht als "möglich" gesehen, sondern eigentlich als "unmöglich" qualifiziert. Also da ist zumindest eine Annäherung erfolgt.


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Ich bin durchaus sehr froh darüber, daß sich auch ein anderer Abgeordneter dieses Hauses im Hinblick auf seine eigene Budgetkritik, wie hoch das Budget 1997 sein könnte, selbst als "lernfähig" bezeichnet hat. Auch ich bin lernfähig. (Ruf: Ah, da schau her! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Beifall der Abgeordneten Wurmitzer und Kopf. ) Und ich bin auch beweglich, wie ich Ihnen gleich beweisen werde. Ich bitte nämlich die Abgeordneten des Hohen Hauses, den historisch wichtigen Antrag des Herrn Abgeordneten Haselsteiner, das 3. BBG in 2. BBG umzutaufen, aus Gründen der Geschichtsforschung in etwa zehn Jahren wirklich zu unterstützen. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte damit meine kurzen Ausführungen beenden. Ich bin – nochmals – davon überzeugt, daß wir mit diesem Budget das Haus Österreich für das Jahr 1998 gut bestellen und daß wir auch die Chancen, die sich aus dem Budget ergeben, im Bereich des Vollzuges wahrnehmen werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr ist Herr Abgeordneter Auer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.41

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es steht jedem Oppositionspolitiker und auch jedem Regierungspolitiker frei, das Budget aus seiner Sicht darzulegen. (Abg. Mag. Peter: Das ist gut so!) Wie Sie es in Ihrer tatsächlichen Berichtigung dargelegt haben, Herr Kollege Peter – ich komme später noch darauf zu sprechen –, ist es aber ein bißchen sonderbar. (Abg. Mag. Peter: Das sagen Sie!) Ihr Budgetexperte, Herr Kollege Haselsteiner, meinte, es gebe bei diesem Budgetbegleitgesetz nichts zu debattieren (Abg. Dr. Haselsteiner: Wenig!), und er zielte damit in einer – so habe ich es empfunden – sehr präpotenten und höhnischen Art und Weise auf den Kollegen Schwarzenberger betreffend Hagelversicherung, Frostschutzversicherung und so weiter ab. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist das Wichtigste!) Das ist sicher nicht das Wichtigste, das ist keine Frage (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist das Bedeutendste!), aber man sollte auch über derartige Teilbereiche seriös diskutieren und nicht in der Art, wie Sie es getan haben! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Peter: Bei dem, was der Bauer nicht kennt, versteht der Auer keinen Spaß!)

Aber es steht Ihnen ja frei, meine Damen und Herren, weiterhin so zu diskutieren, es steht Ihnen frei, in dieser präpotenten Art und Weise zu diskutieren, denn diese Art und Weise Ihrer Politik wurde vom oberösterreichischen Wähler entsprechend honoriert. Er hat gesagt: LIF – nein danke! Wir brauchen euch nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Und nun zu den sachlichen Behauptungen, Herr Kollege Haselsteiner. (Rufe bei der ÖVP – in Richtung des Abg. Dr. Haselsteiner, der eben den Saal verlassen will –: Dableiben! Dableiben!) Weil Sie behaupteten, es sei unrichtig, was Kollege Mühlbachler hier gesagt hat, habe ich mir das Stenographische Protokoll Ihres Budgetdebattenbeitrags vom 21. März des Jahres 1996 ausheben lassen. Da meinte Herr Abgeordneter Haselsteiner, die Regierung gehe von einem respektive von zwei unrealistischen Budgets aus. (Abg. Mag. Peter: So ist es!) Und er sagte dann weiters, daß man von unrealistischen Wirtschaftswachstumsraten von 1,6 und 1,2 Prozent ausgehe und daß wir von der Regierung schon längst wüßten, daß dies nicht halten würde, sondern bestenfalls ein halbes Prozent drinnen sei.

Und dann, meine Damen und Herren, spricht er wortwörtlich von einem "Schwindelbudget" (Abg. Mag. Peter: Er hat Schüssel zitiert!) : Wir kennen sie alle, diese Schwindelbudgets. (Abg. Mag. Peter: Zitat Schüssel!) Sie sprechen darin von Budgetdefiziten in der Höhe von 90 Milliarden Schilling, und tatsächlich werden es 120 Milliarden Schilling sein! Sie sprechen – damit waren wir von der Regierung, von der Koalition gemeint – von einem Budgetdefizit von 102 Milliarden Schilling, und in Wahrheit werden es 118 Milliarden Schilling sein!

Meine Damen und Herren! Faktum ist: Das vorgelegte Budget 1997 hat auf Punkt und Beistrich gehalten! Nehmen Sie das auch zur Kenntnis! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Und nehmen Sie, meine Damen und Herren vom Liberalen Forum, weiters zur Kenntnis: Das Wirtschaftswachstum heuer beträgt nicht, wie Sie es prognostiziert haben, 0,5 oder 1,2, sondern 1,8 Prozent, und es wird – so ist es prognostiziert – 2,6 Prozent im nächsten Jahr sein. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schaffenrath: Papier ist geduldig!)

Herr Kollege Trattner meinte, die Budgetrede des damaligen Bundesministers Klima sei das offene Bekenntnis zur Arbeitsplatzvernichtung und zur Gefährdung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Meine Damen und Herren, was sind die Fakten? – Wir haben eine Rekordbeschäftigung, wir haben erfreulicherweise hervorragende Betriebsneugründungen. Ich erinnere nur in Stichworten an BMW Steyr, Hoffmann-La Roche, VA Tech Stahl und andere Bereiche, die aufgrund hervorragender Manager, hervorragender Mitarbeiter und des wirtschaftlichen Umfeldes in Österreich eine hervorragende Wirtschafts- und Arbeitsplatzpolitik fertigbringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unter diesem Aspekt kann man nur festhalten: Sie reden von den Problemen – wir nützen die Chancen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Budget 1998 ist wie jedes Budget die in Zahlen gegossene Politik. (Abg. Schaffenrath: Ehrlich? – Abg. Mag. Peter: Das ist ganz neu!) Es gibt hier tatsächlich Schwerpunkte, und ich möchte nur auf ein paar wenige eingehen.

Meine Damen und Herren! Dieses Budget wurde unter dem Aspekt der sozialen Ausgewogenheit erstellt, unter dem Aspekt der Erhöhung und Sicherung der Beschäftigungsquote (Abg. Schaffenrath: Rührend!), und es ist erfreulich, wenn man von einem Rekordbeschäftigungsergebnis von 3,3 Millionen Beschäftigten reden kann. Viele andere Länder in der EU können nur davon träumen, die gleichen Zahlen aufzuweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Folgendes ist unbestritten und soll noch einmal bekräftigt werden: Man kann sich in der Auswahl von Personal durchaus irren, man kann sich in der Auswahl von Experten durchaus irren, und ich gestehe auch noch zu, daß das Budget von Ministern und von Parlamentariern der Regierung anders gesehen wird als von den Parlamentariern der Opposition, aber es ist bemerkenswert und blamabel, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Ihre eigenen Experten das Budget im Gegensatz zu Ihnen durchaus positiv sehen. Da haben Sie Handlungsbedarf.

Wir stimmen diesem Budget jedenfalls gerne zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.48

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! 3. Budgetbegleitgesetz. Darüber wurde heute schon lang und detailreich hier berichtet, auch vom Herrn Bundesminister, und wenn ich jetzt als Nichtmitglied des Budget- oder Finanzausschusses das höre und lese, dann denke ich mir, hier geht es in erster Linie darum, das Budget zu konsolidieren, Geld hereinzubringen; siehe etwa das Gerichtsgebührengesetz, denn eine 50prozentige Erhöhung ist ja kein Klacks für die Bürgerinnen und Bürger.

Aber ich möchte jetzt – das hat ja Herr Professor Van der Bellen bereits getan – nicht die Dinge, bei denen es um viel Geld geht, in erster Linie in den Mittelpunkt meiner Ausführungen stellen, sondern das, wo es im Sinne von Geldnutzung oder Geldbeschaffung oder -zurverfügungstellung eigentlich um fast gar nichts geht, wo es aber für die Betroffenen zu Härten kommt, die um kleine Summen, die sie als Förderung beantragen und von denen sie bisher gewohnt waren, sie auch zugesprochen zu bekommen, umfallen.


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Und da, Herr Bundesminister, komme ich – wie auch Alexander Van der Bellen – auf die Publizistikförderung. Es ist überhaupt schon einmal sehr bemerkenswert, daß in einem Gesetz, das Budgetbegleitgesetz heißt, plötzlich die Publizistikförderung betroffen ist. Das ist deshalb sehr bemerkenswert, weil die Publizistikförderung in Österreich insgesamt einen Betrag darstellt, der ja, wenn man ihn in Relation zur Medienförderung insgesamt, vor allem zur Presseförderung, sieht, wirklich geradezu läppisch ist. Es handelt sich um 6,5 Millionen Schilling insgesamt.

Dabei geht es noch gar nicht um eine Bewertung der Höhe des Betrages oder darum, ob die Höhe ausreichend ist. Da geht es ja um Summen von an die 300 Millionen Schilling, wo die Presseförderung als solche ausgewiesen ist. Dabei rede ich noch gar nicht von jenen Summen, mit denen versteckte Medien- und Presseförderung betrieben wird, mit denen etwa Druckereien unterstützt werden. Da wird etwa mit Anzeigenaufträgen oder mit Verlagsförderungen Presse- und Medienförderung betrieben, und nur durch intensives Studium der Akten findet man überhaupt heraus, daß es da um Hunderte Millionen Schilling geht.

Herr Bundesminister! Die Bereiche, in denen es tatsächlich etwas einzusparen oder umzuschichten gäbe, sind von dieser Vorlage nicht betroffen. Die Presseförderung als solche wird im vorliegenden 3. Budgetbegleitgesetz – demnächst 2. Budgetbegleitgesetz – nicht erwähnt. Nun weiß ich allerdings nicht – Sie haben dazu nichts gesagt –, wieweit es überhaupt in Ihrer persönlichen und politischen Verantwortung als Finanzminister liegt, daß solche Dinge in diesem Gesetz aufscheinen.

Ich möchte jetzt gar nicht so sehr auf die ideologischen Fragen, die darin versteckt sind, eingehen, weil sie dabei wirklich nichts zu suchen haben. Aber es ist schon bedenklich, wenn die beiden Koalitionsparteien gemeinsam – so nach dem Motto: Es wird schon keiner draufkommen! – wirklich grundlegendste Fragen der Demokratiepolitik in Österreich in ein Budgetbegleitgesetz verpacken! Aber die Opposition ist ja auch nicht sozusagen auf der Nudelsuppe dahergeschwommen und entdeckt halt solche Sachen, auch wenn sie in einem Budgetbegleitgesetz verborgen sind. (Abg. Dr. Khol: Das ist ja keine besondere Kunst!)

Wenn also hier die ideologische Keule des Herrn Dr. Khol zuschlägt, wenn hier wirklich Machtpolitik, Parteipolitik, Parteimachtpolitik gegen das Menschenrecht auf Meinungsvielfalt eingesetzt wird, wenn hier Zweidrittelmehrheiten über solche wesentlichen Grundrechtsfragen entscheiden und es gar keine Diskussion darüber gibt, dann halte ich das für äußerst bedenklich. So ist es ja im wesentlichen!

Herr Dr. Khol! Wir sprechen hier von einem Kontrollinstrument, das gegen kleine Medien eingesetzt wird. Diese Keule wird so eingesetzt, daß man sagt: Die tanzen oder, in diesem Fall, schreiben nicht ganz nach unserer Pfeife, daher kommt jetzt die Keule des Entzugs von Zuwendung – im Sinne des Entzugs von Geld. Dabei handelt es sich zwar nur um ganz kleine Summen, diese haben aber für die österreichische Medienvielfalt eine wesentlich größere Bedeutung als Hunderte Millionen Schilling an Druckförderung für Zeitungen und für die Boulevardpresse in Österreich. All das ist hier drinnen versteckt.

Abgesehen davon entlarven Sie sich ja selbst, wenn Sie schreiben: Mehrfachförderungen wollen wir nicht – und zwar dort, wo es um Summen von 20 000 bis 50 000 S geht. Aber Mehrfachförderungen bei der Presseförderung werden überhaupt nicht diskutiert! Eine medienpolitische Diskussion in dieser Richtung gibt es gar nicht! Davor scheut man ja zurück wie der Teufel vor dem Weihwasser! So verhalten sich die Abgeordneten der Koalitionsparteien in diesen Fragen, weil man es sich mit der "Kronen Zeitung" oder dem "Kurier" oder auch mit anderen Zeitungen nicht verscherzen will. (Beifall bei den Grünen.)

Aber es ist ganz einfach, einer wirklich qualitativ höchststehenden feministischen Zeitung in diesem Land mit ideologischen, wertkonservativen Argumenten Förderungen zu entziehen. (Abg. Dr. Khol: "TATblatt"!) Das betreibt man dann noch über den Umweg, daß man zum Beispiel einen Beirat völlig entmündigt. Da darf man dann in diesem Beirat sitzen und vom Herrn Professor Khol Weisungen bekommen, da werden sogar noch Gutachter bestellt, um die


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Entscheidung noch weiter hinauszuzögern. Und dabei geht es um Summen, die so läppisch gering sind, daß sie in einem Budgetbegleitgesetz nicht einmal der Erwähnung wert wären.

Herr Bundesminister! Ich komme jetzt zu einem Punkt, der Ihnen – ich kenne Sie ja lange genug und schätze Sie immer noch sehr – eigentlich unangenehm sein müßte und von dem Sie vielleicht nichts wissen. Nicht Sie haben nämlich diese Feststellungen in der Regierungsvorlage getroffen, sondern die Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen. Vielleicht haben Sie, Herr Bundesminister, hier die Möglichkeit, die Damen und Herren Abgeordneten darauf aufmerksam zu machen, was das heißt.

Was bedeutet es, wenn SPÖ und ÖVP allein aufgrund der Tatsache, daß eine kleine Zeitung nicht ein-, sondern zweisprachig erscheint oder nur in der Sprache einer Minderheit erscheint, diese Zeitung von der Publizistikförderung ausschließen wollen? – Man wird dafür bestraft, daß man in zwei Sprachen publiziert! Das ist der Effekt dieser Ausschußfeststellung, die getroffen wurde. – Das ist bitte nichts anderes als ein Akt purer Minderheitenfeindlichkeit! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Mit diesem Beschluß werden nicht nur Zeitschriften der Volksgruppen diskriminiert, sondern das ist nichts anderes als ein Ruin der kleinen Zeitungen, durch den es zu einem sprachlichen Kahlschlag kommt. Diese kleinen Zeitungen – und es betrifft immer nur ganz kleine Zeitungen, kleine Hefterln – können ja in Wirklichkeit nur deshalb erscheinen, weil die Menschen, die sie machen, sich selbst ausbeuten. Aber es gibt halt wenige Druckereien, die gratis drucken, und für den Druck brauchen diese Zeitungen das Geld. Das gibt es aufgrund dieser Ausschußfeststellung aber künftig nicht mehr.

Auf der anderen Seite ist es in Österreich aber so, daß man selbstverständlich internationale Dokumente unterzeichnet. Die Charta der Regional- und Minderheitensprachen wird unterzeichnet, wird hoffentlich bald ratifiziert, und international – egal, ob in Straßburg oder in Brüssel oder wo immer – steht Österreich gut da. Da wird betont: Wir sind ja so freundlich zu unseren Volksgruppen; wir unterstützen jetzt die sprachliche und die kulturelle Vielfalt! – Aber wenn es ums Eingemachte geht, haben Sie alles vergessen.

Da wird ganz nebulos darauf verwiesen, daß es ja auch weiterhin möglich ist, Minderheitenpublikationen zu fördern, nämlich im Bundeskanzleramt und unter einem anderen Titel. Dagegen hätte ich ja noch nichts, aber dieser andere Titel hat kein Geld und keinen Topf. "Titel" bedeutet: Das ist ein Blatt Papier, auf dem etwas steht und wo nichts dahinter ist.

Wissen Sie, was jetzt passieren wird? – Es kommt wieder diese alte und so abzulehnende Methode zur Anwendung, die Art und Weise, wie man immer mit Volksgruppenorganisationen in Österreich umgegangen ist, so nach dem Motto: Haut euch selber die Schädel ein bei der Geldverteilung!

Man verweist auf die allgemeine Volksgruppenförderung und sagt: Das, was euch bei der Publizistikförderung entgeht, müßt ihr euch aus den Mitteln der allgemeinen Volksgruppenförderung holen. Aber das Budget der allgemeinen Volksgruppenförderung wird um keinen Schilling erhöht. Das heißt, man nimmt anderen Organisationen, die diese Subventionen bitter nötig haben, dieses Geld unter Umständen weg. Das ist die Konsequenz. Und man sagt: Die Leute sollen sich das selber ausstreiten. – Das ist eine politisch verantwortungslose Handlungsweise, meine sehr geehrten Damen und Herren, und die Volksgruppenorganisationen werden sich das nicht gefallen lassen! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Dr. Khol! All Ihre Versuche, hier Ihre klerikal-konservativen Wertvorstellungen – die ich im Dialog mit Ihnen ja durchaus herausfordernd finde – durchzusetzen, sind für mich alarmierend. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Mit Menschen und Personengruppen, mit Volksgruppenorganisationen so umzugehen, ist äußerst bedenklich! Es ist ja so, daß man diese Organisationen nicht einmal informiert, sie würden das normalerweise gar nicht erfahren! Eine Volksgruppe macht zum Beispiel eine Zeitung und sucht nächstes Jahr, so wie bisher, um Publizistikförderung an. Und dann sagt man ihnen: Sorry, der Herr Dr. Khol hat es sich voriges Jahr


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anders überlegt! – Ich muß Ihnen sagen, Herr Dr. Khol: So geht es nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Ich kenne Sie, Herr Dr. Khol, seit vielen Jahren als einen Förderer sprachlicher Vielfalt. Wir alle kennen Ihren Einsatz für Südtirol und andere Komponenten, die ja allseits bekannt sind. Aber daß Sie offen minderheitenfeindlich agieren – und das ist in diesem Falle gegeben –, ist ein neuer Zug an Ihnen. (Abg. Schaffenrath: So neu ist das nicht!) Ich würde Ihnen gerne Gelegenheit geben, ihn nicht Wirklichkeit werden zu lassen! (Beifall bei den Grünen.)

12.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Khol hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen. (Abg. Böhacker: Wir werden genau aufpassen, wie er das berichtigt!)

12.00

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Es gibt zwei tatsächliche Berichtigungen zu den Ausführungen meiner Vorrednerin anzubringen.

Ich berichtige die Behauptung der Abgeordneten Stoisits: Dr. Khol schafft ein Kontrollinstrument für kleine Zeitungen, die er mit der Mehrheitskeule erschlagen will. Ich stelle dem den berichtigten Sachverhalt gegenüber:

In Artikel 14 § 7 Abs. 2, 901 der Beilagen, heißt es:

"(2) Von der Förderung sind periodische Druckschriften ausgeschlossen, die im Jahr, für das die Förderung beantragt wird, oder in den beiden vorangegangenen Jahren

1. zum gewaltsamen Kampf gegen die Demokratie oder den Rechtsstaat aufrufen, oder

2. Gewalt gegen Menschen als Mittel der Politik befürworten, oder

3. wiederholt zur allgemeinen Mißachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Rechtsgebiet auffordern."

Zweitens: Frau Stoisits hat mir unterstellt, man wolle zweisprachige Zeitschriften von der Publizistikförderung ausschließen. Ich berichtige tatsächlich: Das Gesetz betreffend die Publizistikförderung enthält unverändert weiterhin die Förderung der zweisprachigen Zeitschriften.

In einer Ausschußfeststellung hält der Ausschuß auch für viele andere Gebiete fest – ich zitiere –:

"Der Budgetausschuß geht auch davon aus, daß langfristig Kinder- und Jugendzeitschriften aus der Publizistikförderung ausgegliedert werden und deren Förderung in das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie verlagert werden sollte."

Und weiters: "Ähnliches sollte auch für den Bereich der Förderung von Minderheitenpublikationen überlegt werden, die weiterhin im Bundeskanzleramt – aber unter einem anderen Titel – verbleiben kann."

Es ist also an keinerlei Kürzung der Publizistikförderung für Volksgruppen und Minderheiten gedacht. Im Gegenteil: Man wird mich immer auf der Seite der Volksgruppen finden, um sie noch stärker zu fördern als bisher. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol  – auf dem Weg zu seinem Platz in Richtung des Abg. Böhacker –: War das eine tatsächliche Berichtigung? – Abg. Böhacker: Ein bißchen politisch gefärbt, aber wir sind ja großzügig!)

12.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edler. – Bitte.

12.01

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich spreche zum 3. Budgetbegleitgesetz – nach der Lesart des Kollegen Haselsteiner zum 2. (Ruf: Zum zweiten!) Gut. Ich überlasse es Ihrer Bewertung.


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Meine Damen und Herren! Zum Einstieg einige Feststellungen. Der Herr Finanzminister hat heute die Stimmung beim Hearing im Budgetausschuß ganz klar und deutlich festgehalten. Ich finde, man sollte auch anerkennen und man sollte grundsätzlich über die Parteigrenzen hinweg darauf stolz sein, daß alle Experten – und ich will das jetzt wirklich nicht politisch betrachten – die Budgetkonsolidierung positiv bewertet und gemeint haben, daß wir uns auf dem richtigen Weg befinden.

Meine Damen und Herren! Weil heute auch eine Nachlese beziehungsweise eine Vorschau zur Pensionsreform angestellt worden ist, möchte ich doch einige Bemerkungen auch dazu machen. Ich meine, daß diese Pensionsreform, die wir in den nächsten Tagen, was den ASVG-Bereich betrifft, beschließen werden, wirklich international herzeigbar ist. Wir können stolz darauf sein, daß wir das – trotz erheblicher Schwierigkeiten – in der österreichischen Sozialpartnerschaft zustandegebracht haben.

Ich möchte auch an die Adresse der Beamten ein deutliches Dankeschön sagen, liebe Damen und Herren! Ich glaube, sie haben schlußendlich Verständnis dafür aufgebracht, daß diese Systemänderung – und es ist eine große Systemänderung! – wirklich notwendig ist, sodaß sie letztlich zugestimmt haben. Den Beamten ist, wie ich meine, Anerkennung zu zollen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zum 3. Budgetbegleitgesetz: Wir haben im Budgetausschuß noch einen Abänderungsantrag dazu eingebracht, der heute mit zur Beratung steht, und zwar betreffend das ASFINAG-Gesetz. Dabei geht es um redaktionelle Änderungen, aber es gibt mir die Möglichkeit, doch einige Positionen zu beziehen.

Es ist beim ASFINAG-Gesetz zu einer Neustrukturierung gekommen. Das ist positiv zu bewerten, besonders der Umstand, daß nun gesetzlich fixiert ist, daß die ASFINAG laut Aufgabenstellung für die Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes zuständig ist.

Unsere Erwartungen richten sich vor allem darauf, daß einerseits die Gefahrenstellen im österreichischen Autobahn- und Schnellstraßennetz so bald wie möglich beseitigt werden und daß andererseits der Straßenlückenschluß so rasch wie möglich erfolgt. Es ist auch wesentlich, in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß es zu einer Entlastung des Staatshaushaltes im Ausmaß von rund 80 Milliarden Schilling gekommen ist.

Meine Damen und Herren! Kritisch möchte ich jedoch anmerken – das wäre nämlich eine der Voraussetzungen auch für die Finanzierung der Vorhaben innerhalb der ASFINAG gewesen –, daß es nicht, wie gesetzlich vorgesehen, ab 1998 zur Einführung der LKW-Maut, des LKW-Road-Pricings kommt. Ich bedauere sehr, daß sich das verzögert. Mit gutem Willen und entsprechender Vorbereitung wäre es ohne weiteres möglich gewesen, diesen Termin einzuhalten. (Abg. Böhacker: Wer ist dafür zuständig? Farnleitner ist schuld!)

Ich kenne die Position der Bundesregierung und besonders des zuständigen Bundesministers Farnleitner. Man versucht zwar, die Verzögerungen über Expertenkommissionen zu legalisieren, trotzdem haben die Länder ihre Vetorechte geltend gemacht. Auf der anderen Seite treten aber die Länder auch ständig mit Forderungen in Erscheinung. Es wird daher in naher Zukunft nicht möglich sein, den notwendigen Straßenlückenschluß zu vollziehen. Das muß uns bewußt sein.

Meine Damen und Herren! Wir reden immer davon, daß es notwendig ist, sparsam vorzugehen, weitere Möglichkeiten der Einsparungen zu finden und das Ganze noch effizienter zu gestalten. Ich sehe daher nicht ein, daß wir, was das Road-Pricing für LKW betrifft, auf Einnahmen in der Größenordnung von 300 Millionen Schilling monatlich verzichten. Nicht nur, daß wir dadurch im Straßenbau nichts weiterbringen, sondern wir haben auch Probleme bei der Beschäftigungssituation in der Bauwirtschaft, wo wir mit diesen Mitteln sicherlich vieles bewegen hätten können.

Eine Maxime möchte ich besonders ansprechen: Was die Kostenwahrheit im Verkehr betrifft, sollten wir endlich zu gleichen Voraussetzungen für alle Verkehrsträger kommen.


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Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich einen Appell an die gesamte Bundesregierung, besonders aber an Herrn Bundesminister Farnleitner richten, im Interesse der Bevölkerung, der Umwelt, der Kostenwahrheit und der Beschäftigungspolitik die Aktivitäten der ASFINAG zu unterstützen, damit das LKW-Road-Pricing umgesetzt werden kann und damit wir gemeinsam das zustande bringen, was ich angesprochen habe. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Abg. Böhacker  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Achteinhalb!)

12.07

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! (Bundesminister Edlinger spricht mit Abg. Dr. Nowotny, der an der Regierungsbank steht.) Herr Bundesminister! Ich hoffe, Sie unterhalten sich über das Ergebnis 1860 München gegen Rapid Wien, das ja den Aufstieg von Rapid Wien gebracht hat. Ich hoffe auch, daß das Verhältnis zwischen Ihnen und dem deutschen Finanzminister durch das Ergebnis nicht getrübt wurde. Ich habe gesehen, Sie haben ihm bereits einen Freundschaftsschal überreicht, was ich sehr positiv finde. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesminister Edlinger: Das ist doch eine freundliche Geste, oder?) Ja, das finde ich auch.

Hohes Haus! Zurück zur Sache. Wir debattieren heute das 3. oder vielleicht das 2. Budgetbegleitgesetz. Das ist ja noch nicht ganz klar, zeigt aber in aller Deutlichkeit, wie hier seitens der Bundesregierung vorgegangen wird.

Herr Kollege Mühlbachler, der jetzt wieder nicht im Saal ist (Abg. Meisinger: Wie so oft!), zeichnet sich durch ein selektives Wahrnehmungsvermögen aus. Er hat gemeint, die Experten hätten unisono das Budget gelobt und alles in bester Ordnung gefunden. Er hat aber nur den ersten Halbsatz zur Kenntnis genommen. Die weiteren Hinweise, was alles nicht in Ordnung ist, die Punkte, bei denen Kritik angebracht wurde, hat er verdrängt – so, wie das bei der ÖVP üblich ist: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. (Abg. Meisinger: Er hat es "vergessen"!)

Außerdem möchte ich ihm sagen: Wir Freiheitlichen suchen unsere Experten nicht nach Parteizugehörigkeit aus. Wir wollen nämlich keine Experten, die uns nach dem Mund reden. Beim Kollegen Mühlbachler komme ich immer mehr zu der Ansicht, daß das Sprichwort: "Wie der Schelm denkt, so spricht er!" wirklich stimmt. Bei der ÖVP dürfte es doch so sein, daß die Experten nach Parteizugehörigkeit oder vielleicht auch nach Parteiabhängigkeit ausgewählt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Sigl hat hier wiederholt, was ich schon im Ausschuß gesagt habe: Die Erhöhung der Gebühren ist eine Preistreiberei des Staates. – Ich möchte das noch unterstreichen und hinzufügen: Es ist eine unappetitliche Preistreiberei. Denken Sie doch zum Beispiel daran, daß Mitte der siebziger Jahre die Eingabegebühr 15 S in Stempelmarken betragen hat, und jetzt soll sie auf 180 S erhöht werden. Das ist das Zwölffache! In diesem Zusammenhang von einer Indexanpassung zu sprechen, Herr Kollege Sigl, ist mehr als kühn. (Abg. Sigl: Haben Sie Ihre Honorarnoten in den letzten drei Jahren nicht erhöht?!) Ich kann auf Zwischenrufe jetzt nicht eingehen, ich habe nur 8 Minuten Redezeit.

Herr Finanzminister! Sie haben gemeint, die Budgetziele wurden erreicht. Nominell stimmt das selbstverständlich, Papier und Zahlen sind geduldig. Aber, Herr Bundesminister, Sie müssen der Opposition schon die Frage zugestehen, wie denn diese Zahlen erreicht wurden. – Ein Belastungspaket jagt das andere, die Konsolidierung des Budgets erfolgt zu 50 bis 60 Prozent einnahmenseitig, manche Experten sprechen sogar von zwei Dritteln. Sie und Ihre Vorgänger, Herr Finanzminister, haben den Bürgern jedoch immer versprochen, daß zwei Drittel durch Ausgabeneinsparungen und ein Drittel durch Einnahmenerhöhungen hereingebracht werden.


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94. Sitzung / Seite 52

Wir haben in Österreich die höchste Steuerabgabenquote in der Zweiten Republik, und zwar 45,7 Prozent nach EU-Standard, und eine Vielzahl von Einmal- beziehungsweise Erstmaleffekten haben dazu beigetragen, daß nominell diese Budgetzahlen erreicht werden konnten.

Herr Finanzminister! Sie haben heute wieder von Einmal- beziehungsweise Erstmalmaßnahmen gesprochen. Bei allem Respekt vor Ihnen und Ihrem Haus muß ich doch sagen, daß Ihre Beantwortung der Anfrage des Kollegen Trattner – vorsichtig ausgedrückt – eine Zumutung ist. Wenn Sie schon meinen, die Frage sei nicht präzise genug gestellt worden, dann darf ich Sie fragen, Herr Bundesminister: Auf welche Höhe belaufen sich die Auswirkungen der Einmal- beziehungsweise Erstmalmaßnahmen im Sinne Ihrer Definition von Einmal- beziehungsweise Erstmalmaßnahmen? Gleichzeitig darf ich Sie ersuchen, Ihrer Antwort Ihre Definition von Einmal- beziehungsweise Erstmalmaßnahmen beizufügen. (Bundesminister Edlinger: Das ist nicht von mir!)

Herr Bundesminister! Sie haben auch beklagt, daß heute nicht über die Eckdaten des Budgets gesprochen wurde. Herr Bundesminister! Wir diskutieren hier und heute das 3. oder, wenn Sie wollen, das 2. Budgetbegleitgesetz und führen keine Generaldebatte über das Budget. Wenn Sie das einfordern, dann haben Sie das Thema verfehlt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu den Artikeln 8 und 9, zur Umstellung der Zahlungsfrist der Versicherungssteuer. Das ist ebenfalls eine Einmal- beziehungsweise Erstmalmaßnahme, die – ich habe das schon im Ausschuß gesagt – auf seiten der Versicherung auf großes Unverständnis gestoßen ist. Das ging so weit, daß Vertreter der Versicherungswirtschaft von einem Wortbruch der Regierung gesprochen haben.

Sie werden sich alle daran erinnern, daß den Versicherungen, als sie die Aufgabe übernommen haben, die Kfz-Steuer über die Versicherungssteuer 2 einzuheben, zugesagt wurde, daß die Zinsengewinne der Ausgleich für die Kosten, die den Versicherungen dadurch entstehen, sein werden. Die Versicherungen beziffern nun diesen Ausfall mit 60 Millionen Schilling, und Generaldirektor Sellitsch hat klipp und klar erklärt, er werde diesen Ausfall auf die Prämien überwälzen müssen.

Herr Bundesminister! Wenn Sie sagen, diese 60 Millionen Schilling seien ein Klacks und wenn Sie die Bilanzen der Versicherungen anschauen, dann täten Ihnen die Versicherungen nicht leid, dann geben Sie hier und heute eine Garantie dafür ab, daß diese 60 Millionen Schilling nicht auf die Prämien überwälzt werden!

In diesem Zusammenhang ist eine Anfragebeantwortung an den Kollegen Van der Bellen interessant, die den Zinsengewinn und eine eventuelle Verlegung der Zahlungsfrist betrifft. In dieser Anfragebeantwortung schreiben Sie zu Punkt 4: "Abgesehen von der Zinswirkung hätte eine monatliche Überweisung den Vorteil einer Glättung des Zahlungsverkehrs zwischen Versicherungsunternehmen und Finanz, was sich allerdings bei der Steuerverrechnung wegen der unterschiedlichen Saisonmuster bei anderen Abgaben kaum auswirken würde". – Bis hierher ist es leicht verständlich, aber jetzt kommt es: "Andererseits muß man aber auch den Nachteil einer Verdreifachung der Transaktionen und des dadurch bedingten Verwaltungsaufwandes in Betracht ziehen. So gesehen scheint mir eine solche Zahlungsumstellung als isolierte Maßnahme derzeit nicht zweckmäßig zu sein."

Das schrieben Sie vor wenigen Monaten. Heute haben Sie aus der Not heraus, um wieder eine Einmalmaßnahme zu setzen, diese Umstellung auf die monatliche Zahlungsfrist in dieses 2. oder 3. Budgetbegleitgesetz mit eingebaut. (Bundesminister Edlinger: Van der Bellen hat mich überzeugt!)

Dort, wo es um das Kassieren geht, Herr Bundesminister, sind Sie sehr leicht zu überzeugen. Das ist auch bei der sogenannten Tschicksteuer der Fall, wo Sie immer erklären, Sie wollen Wettbewerbschancengleichheit schaffen. Wenn es um Abgaben geht, die in Österreich einmalig sind, wo es zu eklatanten Wettbewerbsverzerrungen kommt, wo es um die Steuerharmonisierung geht, die eventuell mit Steuerausfällen verbunden ist, sind Sie nicht so bereitwillig und so schnell zu überzeugen. Aber die Wirtschaft wird Sie dazu zwingen, denn, Herr Bundesminister –


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dies sei mir zu sagen gestattet, wenn wir hier schon über Generalthemen sprechen –, mit dieser Steuerpolitik sichern Sie den Standort Österreich nicht, mit dieser Steuerpolitik können Sie Ihre Vorgaben der Schaffung von Beschäftigung in Österreich sicher nicht umsetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Am Wort ist nun Herr Abgeordneter Kröll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.15

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Wortmeldung zum 3. oder, wenn Sie so wollen, zum 2. Budgetbegleitgesetz betrifft insbesondere den Finanzausgleich und das Finanzausgleichsgesetz. Ich verweise nur darauf, daß meine Kollegen Mühlbachler und Auer die Zusammenhänge schon umfassend dargelegt haben und auf so manche oppositionelle Meinung, was ihren Kern und ihren Wahrheitsgehalt betrifft, eingegangen sind. Ich möchte mich daher im wesentlichen auf den Bereich des Finanzausgleichsgesetzes beschränken.

Nach eingehenden Beratungen zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden, vertreten durch Gemeinde- und Städtebund, wurden Änderungen im Finanzausgleich ausverhandelt, die zusammen mit dem Budgetbegleitgesetz heute beschlossen werden sollen. Ich stehe nicht an, gleich an Anfang meiner Rede herzlich dafür zu danken – auch dem Herrn Staatssekretär in Vertretung des Herrn Ministers –, daß dies in einem konstruktiven Klima geschehen ist, obwohl – aber das liegt in der Natur der Sache – es gerade auch für die kommunalen Vertretungsverbände nicht einfach ist, für alle 2 500 Mitgliedsgemeinden und Bürgermeister, das heißt, für jeden das Richtige zu tun. Unterm Strich aber kann man diesem Ergebnis absolut zustimmen und ihm zugestehen, daß es ausgewogen ist, und zu dem Ergebnis dieser Beschlüsse auch stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Kommunalsteuer – und das ist das wesentliche Segment – bleibt als gemeindeeigene Steuer unangetastet. Ab 1. Jänner 1998 sind die Österreichischen Bundesbahnen gegenüber den Gemeinden kommunalsteuerpflichtig geworden, wobei jedoch, wie es im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes angeregt wurde, eine Kommunalsteuerbefreiung für den Infrastrukturbereich und den Bereich der gemeinwirtschaftlichen Leistungen erfolgt.

Diese Kommunalsteuer wird ein Aufkommen von rund 250 Millionen Schilling zur Folge haben, sie wird um 100 Millionen Schilling gemildert, eine Summe, die bisher der Bund für die Betriebsstättengemeinden nach § 20 FAG-Gesetz geleistet hat. Also man kann demnach von konkret 150 Millionen Schilling sprechen, die den Gemeinden jährlich zur Verfügung stehen.

Die Aufkommenserwartungen der Einnahmenadaptierungen werden sowohl durch Einmaleffekte – das wurde zuvor angesprochen – wie Sistierungen der Freibetragsbescheide bei der Lohnsteuer, Erhöhung der Vorauszahlungen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer als auch durch langfristig wirksame Maßnahmen wie der Tabaksteuer inklusive Einfuhrumsatzsteuer, Verschiebung der Bausparprämie und der Versicherungssteuer mit insgesamt 12,3 Milliarden Schilling für das Jahr 1998 und mit insgesamt 10,95 Milliarden Schilling für 1999 und mit rund 6,35 Milliarden Schilling für die Jahre ab 2000 prognostiziert.

Für die laufende Finanzausgleichsperiode bis zum Jahr 2000 ergibt sich aus dem Topf der gemeinschaftlichen Bundesabgaben für die Länder demnach ein Mehrbetrag von rund 4 Milliarden Schilling und für die Gemeinden und Städte ein solcher von rund 1,8 Milliarden Schilling. Das heißt im Klartext, daß die Gemeindeertragsanteile im Jahre 1998 um 852 Millionen Schilling, im Jahre 1999 um 658 Millionen Schilling und in den Folgejahren um etwa 225 Millionen Schilling steigen werden.

Für die Jahre 1998 und 1999 wurde vereinbart, daß der Bund von den Ertragsanteilen der Gemeinden an der Lohnsteuer einen Betrag von 150 Millionen Schilling pro Jahr einbehält. Dieser Vorwegabzug ist im Finanzausgleichsgesetz 1997 bis einschließlich 1999 befristet. Auf diese Befristung möchte ich ausdrücklich aufmerksam machen. Diese Maßnahme dient


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ebenfalls zur Stärkung des Bundeshaushaltes und soll auch als ein Beitrag der Gemeinden dazu verstanden werden.

Für Zwecke der Gesundheitsförderung, der Aufklärung und der Information stellen Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam einen Betrag in der Höhe von 100 Millionen Schilling jährlich zur Verfügung.

Es ist ein Anliegen der Kommunen, in besonderer Weise bei der Mittelverwendung eingebunden zu werden. Der Finanzminister hat gegenüber der Frau Gesundheitsministerin eine Verwendungszusage gegeben. Herr Staatssekretär, wir ersuchen Sie, daß dies auch tatsächlich geschieht.

Der Erhöhung des Kfz-Steuer um 200 Millionen Schilling jährlich ab 1. Jänner 1997 als teilweiser Ersatz für die gleichzeitige Senkung der Straßenbenützungsabgabe um 700 Millionen Schilling jährlich wird mit einem Vorwegabzug bei der Kraftfahrzeugsteuer Rechnung getragen.

Darüber hinaus gewährt der Bund den Ländern auch in den Jahren 1999 und 2000 eine Finanzzuweisung zur Förderung der Landwirtschaft. Im Jahr 1998 werden es 300 Millionen Schilling sein.

Im Finanzausgleichsgesetz 1997 wird auch eine Anpassung auf das Umsatzsteuergesetz 1994 vorgenommen, was die Getränkesteuer betrifft.

Beim Katastrophenfonds wurde vereinbart, daß auch die nicht verbrauchten Mittel, soweit sie die Höhe von 400 Millionen Schilling jährlich übersteigen, dem Bundeshaushalt zugeführt werden können.

Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident, darf ich nochmals auf die Wichtigkeit des Finanzausgleichs für alle drei Gebietskörperschaften zu sprechen kommen. Bund, Länder und Gemeinden sowie die Städte haben damit ein Fundament des Vertrauens, das die finanzielle Sicherheit zu gewährleisten hat. Der Finanzausgleich ist daher immer mit großer Sorgfalt zu vollziehen und auch von allen Partnern einzuhalten. Dies ist eine ganz entscheidende Ordnung, die das Miteinander zwischen Bund, Ländern und Gemeinden regelt. Vertrauen und Zahlen gehören da zusammen.

Da der geltende Finanzausgleich jedoch mit dem Jahre 2000 endet, soll von allen Seiten – Bund, Ländern und Gemeinden – sehr intensiv darüber nachgedacht werden, wie ein neuer Finanzausgleich auch strukturelle Neuordnungen mit sich bringt – unter Beachtung des Föderalismus und einer notwendigen Bundesstaatsreform im Geiste der Grundsätze der Subsidiarität. Unter Einhaltung dieser Eckdaten und Eckpfeiler grundsätzlicher Politik und in deren Verständnis müßte im neuen Jahrtausend eine strukturelle Neuordnung des Finanzausgleiches von allen Seiten mit großen Bemühungen angestrebt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben, daß wir ein gutes Ergebnis vorweisen können. Ich glaube, daß die Konsolidierung des Budgets seit den Wahlen 1995 für alle sichtbar klar ist und daß die gute Zusammenarbeit zwischen allen drei Gebietskörperschaften, dem Bund, den Ländern und den Gemeinden, gerade auch durch die Einbringung des heutigen Geschäftsstückes zur Beschlußfassung hier im Plenum des Nationalrates ein weiterer Schritt zu diesem gemeinsamen Ziel ist. – Ich danke Ihnen allen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nun ist Herr Abgeordneter Öllinger am Wort. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn wir uns in einer Phase der "gesteigerten" Aufmerksamkeit seitens alles Parlamentsfraktionen befinden (es befinden sich nur wenige Abgeordnete im Saal –


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Abg. Dr. Feurstein: Ich höre Ihnen zu!), möchte ich trotzdem diese Gelegenheit nützen, zum Thema Publizistikförderung ein paar Anmerkungen zu machen, und Sie bitten, mir zu diesem Thema noch einmal Ihr Ohr zu leihen. Das ist zwar ein Kapitel, das in das 3. Budgetbegleitgesetz eigentlich nicht hineingehört, da es nur wenig mit dem, was darin geregelt wird, zu tun hat, es ist aber meiner Ansicht nach eine demokratiepolitische Frage, wie Sie damit umgehen, daß Sie da einen Paragraphen hineingearbeitet haben, zu dem von Ihrer Seite – und da spreche ich vor allem die Regierungsparteien an – keine Stellungnahme kommt, zu dem Sie sich nicht erklären wollen, wobei aber jeder Mann und jede Frau weiß, daß es der erklärte Wille des Herrn Klubobmanns Khol ist, daß da mit angeblich demokratiefeindlichen Tendenzen im Rahmen der Presseförderung, der Publizistikförderung Schluß gemacht werden soll.

Nun weiß aber gerade der Herr Klubobmann Khol am besten, wie schnell man in den Verdacht des Terrorismus kommen kann, schließlich war es ja der Herr Klubobmann Khol, der noch vor einem Jahr eine Anfrage gestellt hat, die sich auf ein Presseprodukt bezogen hat, das die Förderung erhalten hat und in dem ein Inserat einer ominösen Organisation "Anarchia Vandalia" enthalten war, die der Herr Klubobmann Khol sofort – Verdacht witternd – als terroristische Organisation identifiziert hat. Es hat sich aber dann im Zuge der geschichtlichen Ereignisse des letzten Jahres herausgestellt, daß der Herr Klubobmann Khol als prominentester politischer Vertreter an einem Kabarettprogramm der sogenannten "Anarchia Vandalia"-Nachfolgeorganisation selbst teilgenommen hat. Es stellt sich somit – und das haben wir auch mit einer Anfrage zu erhellen versucht – die Frage, ob sich der Herr Abgeordnete Khol durch seine Teilnahme an einem Kabarett der "Anarchia Vandalia"-Nachfolgeorganisation nicht selbst mit dem Terrorismusverdikt etwas zu wenig auseinandergesetzt hat.

Im Rahmen der Publizistikförderung – und das ist heute schon einige Male, glaube ich, deutlich herausgearbeitet worden – geht es insgesamt um Förderungsbeiträge in der Höhe von 7 Millionen Schilling, und die durchschnittliche Förderung für jede Zeitung beträgt zwischen 20 000 und 30 000 S.

Es wird jetzt ein Paragraph hineingearbeitet, in dem es heißt: "Von der Förderung ausgeschlossen sind Publikationen, die wiederholt" – ich zitiere nur diesen Teil des Gesetzestextes – "zur allgemeinen Mißachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Rechtsgebiet auffordern." Das ist die Ziffer 3.

Ja, meine Damen und Herren, wissen sie eigentlich, was das heißen könnte? Das hieße, daß, wenn eine Wirtschaftszeitung, eine kleine zugegeben, eine Zeitung, die ein bestimmtes Publikum bedienen will – da komme ich jetzt auf ein Gebiet, das vielleicht dem Herrn Staatssekretär näherliegt –, auffordern würde, wie wir es ja im vergangenen Jahr erlebt haben, die Werkvertragsregelung nicht zu beachten (Abg. Dr. Krüger: Zu bekämpfen beim Verfassungsgerichtshof!), zu bekämpfen, weil sie verfassungswidrig ist (Abg. Dr. Krüger: Das ist in einem Rechtsstaat so üblich!), das bereits rechtswidrig wäre. (Abg. Dr. Krüger: Das ist nicht wahr!) Diese Zeitung würde sich der allgemeinen Mißachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Rechtsgebiet schuldig machen. (Abg. Dr. Krüger: Das ist legitim!)

Was geschieht, wenn beispielsweise in der Zeitung "täglich Alles" – und das hatten wir auch schon – ein bekannter Publizist und Kommentator auffordert: Jagen wir die Politiker wie die Hasen! – Diese Aufforderung ist zwar schon etwas älter, aber ich frage dennoch den Kollegen Krüger: Was ist das? (Abg. Dr. Krüger: Da kann man nicht empfindlich sein! Das ist ja lächerlich!) Da kann man nicht empfindlich sein! Genau das ist meine Meinung, Herr Kollege Krüger. Da kann man nicht empfindlich sein, das müssen wir uns gefallen lassen, ja ich würde Ihnen, Kollege Krüger, sogar antworten: Wir müssen uns politisch damit auseinandersetzen. Wir müssen eine Antwort darauf finden. (Abg. Dr. Krüger: Das ist lächerlich! Das ist keine Aufforderung zu einer strafbaren Handlung!)

Ich bin auch nicht dafür, die strafrechtliche Auseinandersetzung mit solchen Fällen zu suchen. (Abg. Dr. Krüger: Wo ist das eine Aufforderung zu einem Rechtsbruch?) Man könnte sie so interpretieren. (Abg. Dr. Krüger: Na bitte!) Ich bin auch nicht dafür, in diesem Fall die Auseinandersetzung zu suchen, indem ich das Strafrecht bemühe. Ich bin auch nicht dafür, in


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diesem Fall, im Fall des Kollegen Leitgeb – die Zeitung "täglich Alles" bekommt ohnehin keine Presseförderung, keine Publizistikförderung – mit dem Entzug von Mitteln die Auseinandersetzung zu führen. (Abg. Dr. Krüger: Wenn aber steht: Macht Anschläge auf FPÖ-Abgeordnete ...!) Wenn aber der Herr Verteidigungsminister Fasslabend auffordert, wir sollen der NATO beitreten und die Neutralität mißachten – und das hat er ja mehr oder minder deutlich schon gesagt –, was ist es dann? Ist es dann die Mißachtung eines Verfassungsgesetzes: ja oder nein? Darf der Politiker das machen, was der einfache Staatsbürger nicht machen darf, obwohl es sich in diesem Fall um ein Exekutivorgan der Republik und nicht um irgendeinen Politiker handelt? Darf er das machen: ja oder nein?

Daher frage ich: Wenn das Herrn Fasslabend erlaubt ist – ich stehe dazu, auch ihm soll es erlaubt sein, auch wenn ich die politische Auseinandersetzung über diese Frage führen will, weil ich es nicht einsehe, daß ein Minister ein Verfassungsgesetz in Frage stellt, aber ich bin dafür, die politische Auseinandersetzung zu suchen –, dann darf es dem einfachen Staatsbürger nicht erlaubt sein zum Beispiel zum Kampf gegen die Neutralität aufzufordern oder – das meint Herr Khol – zum Kampf für die Neutralität aufzufordern? – Für ihn und seinesgleichen ist es schon bedenklich, wenn sich jemand für die Verfassung, für die Neutralität und gegen die NATO ausspricht.

Damit sind wir doch beim eigentlichen Problem dieses Paragraphen. (Abg. Dr. Krüger: Was sagen Sie zum "TATblatt"?) Es ist dies ein Tendenzparagraph, mit dem versucht wird, von der Ansicht des Herrn Khol abweichende Meinungen zu ahnden. (Abg. Dr. Krüger: Was ist mit dem "TATblatt"?) Nur darum geht es bei diesem Paragraphen. Es geht um keine andere Bestimmung. Der Herr Khol glaubt zu wissen, was Recht und Ordnung in diesem Land ist, und er versucht, das auch mit den entsprechenden Paragraphen durchzusetzen. (Abg. Dr. Krüger: Würden Sie das "TATblatt" weiter fördern?)

Wenn sich das "TATblatt" strafrechtlich nichts zu Schulden kommen hat lassen: Ja. Selbstverständlich! Und das ist der Punkt. Wir haben ein Strafrecht, wir haben ein Medienrecht, und wenn Sie, Herr Kollege Krüger, oder irgendwelche anderen Abgeordneten in diesem Haus der Meinung sind, das Strafrecht reicht nicht aus, das Medienrecht reicht nicht aus, um mit politisch verfassungsfeindlichen Publikationen zurechtzukommen, dann bringen Sie bitte einen Antrag zum Strafrecht, zum Medienrecht ein und suchen Sie die Auseinandersetzung! (Abg. Dr. Krüger: Da geht es nicht um ein Verbot, sondern um eine mögliche Förderung!)

Ich würde aber davor warnen, die strafrechtliche und medienrechtliche Auseinandersetzung mit politischen Tendenzen in dieser Republik zu suchen. Es geht um die politische Auseinandersetzung, und der haben Sie sich von der FPÖ genauso zu stellen wie wir Grüne.

Wir suchen die Auseinandersetzung auf politischem Gebiet. Wir suchen den Dialog und die Diskussion, aber in diesem Fall geht es darum, Publikationen, die Herrn Abgeordnetem Khol mißliebig sind, von jeglicher Förderung auszuschließen. Herr Abgeordneter Khol meint zwar, daß das, was Herr Minister Fasslabend zum Thema NATO und Neutralität sagt, der Rechtsordnung dieser Republik entspricht, im selben Ausmaß ist er aber der Meinung, daß jemand, der beispielsweise dazu auffordert, den Wehrdienst nicht wahrzunehmen, ein Verfassungsfeind ist.

Und diesen Tendenzen des Herrn Abgeordneten Khol will ich entschieden widersprechen. Es kann nicht angehen, daß die Meinung des Abgeordneten Khol die Meinung dieses Hauses wird. Das betrifft vor allem Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei. Sie vor allem haben sich in dieser Frage zu erklären, wenn schon die ÖVP glaubt, daß sie wie ein Rudel der Meinung und der Diktion des Abgeordneten Khol in dieser Frage folgen soll.

Es geht hier um eine demokratiepolitische Frage grundsätzlicher Natur, auch wenn es nur um einen Förderungsrahmen von insgesamt 7 Millionen Schilling für Publikationen geht, die wir der Reihe nach aufzählen können und bei denen Sie sich entscheiden können, ob Sie der Meinung sind, daß sie mit 20 000 S oder 30 000 S oder gar nicht gefördert werden sollen. Aber zu dieser Auseinandersetzung waren Sie bis heute und bis jetzt nicht bereit. Daher ich fordere Sie auf, sich im Rahmen der noch folgenden Debatte dieser Auseinandersetzung zu stellen. Es geht –


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auch wenn es nur um 7 Millionen Schilling geht – um eine Äußerung des Parlaments zu demokratiepolitischen Fragen, und Sie können und dürfen sich nicht verweigern. (Beifall bei den Grünen.)

12.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Gerfried Müller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.34

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das 3. Budgetbegleitgesetz muß vor dem Hintergrund des Bundesfinanzgesetzes 1998 gesehen werden. Ich habe sowieso den Eindruck, daß wir uns schon in der Debatte über das Budget befinden. Warum in diesem Budgetbegleitgesetz unter anderem auch die Änderung des Finanzausgleiches und des Familienberatungsförderungsgesetzes vorgenommen werden, dazu möchte ich ganz kurz Stellung nehmen.

Sämtliche Punkte der Novelle zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes wurden – das ist schon betont worden – einvernehmlich mit den anderen Gebietskörperschaften ausverhandelt. Erfreulich für mich ist, daß für Zwecke der Gesundheitsförderung, Aufklärung und Information von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam 100 Millionen Schilling jährlich zur Verfügung gestellt werden. Damit wird gleichzeitig auch dokumentiert, daß die Gesundheitsförderung ein Anliegen aller Gebietskörperschaften ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mittels eines Verfassungsgerichtshoferkenntnisses wurde die Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der Kommunalsteuer aufgehoben. Jene Gemeinden mit ÖBB-Betriebsstätten werden zukünftig 250 Millionen Schilling mehr an Kommunalsteuer bekommen. Dadurch entfällt aber die bisherige Finanzzuweisung des Bundes an die ÖBB-Betriebsstandortgemeinden in der Höhe von 100 Millionen Schilling, jedoch holt sich der Bund 150 Millionen Schilling im Zuge des Finanzausgleiches von allen Gemeinden in den Jahren 1998 und 1999 zurück.

Ich sehe zwar nicht ganz ein, warum dieses Opfer alle Gemeinden – vor allem trifft das auch viele kleine Gemeinden, die ohnehin finanzielle Probleme haben – tragen müssen, ich hoffe jedoch, daß sich die Gemeindevertreter bei den kommenden Finanzausgleichsverhandlungen mehr für die kleinen Gemeinden engagieren und gegenüber den Vertretern der Städte konsequenter durchsetzen werden.

Hohes Haus! Die Familienberatungsstellen haben sich in den letzten Jahren durch flächendeckende Installation auch für den ländlichen Bereich zur einzig realistisch erreichbaren Serviceeinrichtung für die Probleme der Familien entwickelt. Und auch in den Städten sind sie zu einer überaus wichtigen Ergänzung der schon seit längerem bestehenden Beratungsmöglichkeiten geworden und sind sicherlich nicht mehr wegzudenken. Aber auch bezüglich der Inhalte haben die Familienberatungsstellen eine äußerst positive Entwicklung aufzuweisen. Über die Beratung werdender Mütter und über Fragen der Familienplanung hinausgehend haben die Familienberatungsstellen dem dringenden Bedarf der Bevölkerung entsprechend den ganzen Bereich der sozialen, rechtlichen und auch medizinischen Fragen der familiären Beziehungen miteinbezogen.

Diese Entwicklungen, die sich durchaus aus den tatsächlichen Erfordernissen und Bedürfnissen der Bevölkerung ergeben haben, lassen natürlich die Anpassung einiger Bestimmungen des Familienberatungsförderungsgesetzes unabdingbar erscheinen. Bei den Familienberatungsstellen ist derzeit die teilweise regelmäßige Anwesenheit eines Arztes Voraussetzung dafür, daß es eine Bundesförderung gibt, und es hat sich herausgestellt, daß die vierstündige regelmäßige Anwesenheit pro Kalendermonat nicht immer erforderlich ist. Dennoch muß natürlich sichergestellt werden, daß die Heranziehung eines Arztes infolge der Schwerpunktbildung in den Beratungsstellen weiterhin gesichert bleibt. Die ärztliche Betreuung der Familienberatungsstellen wird somit in Zukunft wesentlich flexibler gestaltet werden können.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Praxis erweisen sich Beziehungsprobleme in der Familie als Hauptteil des Beratungsbedarfes, und selbst dort, wo rechtliche und soziale Probleme im Vordergrund stehen, sind diese ohne deren Einbeziehung häufig schwer oder überhaupt nicht lösbar. Derzeit muß diese Beratung in den Familienberatungsstellen kostenlos durchgeführt werden. Das Beratungsangebot wird aber auch von jenen in Anspruch genommen, deren wirtschaftliche Situation es durchaus zuläßt, einen Kostenbeitrag zu leisten. Den Beratungsstellen ist mit dieser Änderung nunmehr die Möglichkeit gegeben, von Klienten, die finanziell dazu in der Lage sind, Kostenbeiträge für die Beratung einzuheben. Durch diese Möglichkeit kann das Beratungsangebot in weiterer Sicht auch ohne Mehrkosten für den Bund erweitert werden.

Ich verhehle nicht, daß bei der Ausstellung von Rechnungen Probleme und auch Bedenken im Hinblick auf die Anonymität bestehen und daß befürchtet wird, daß das vertrauliche Gesprächsklima beeinträchtigt werden könnte. Hier wird daher genauestens zu regeln sein, wie bei der Bemessung des Kostenbeitrages auf die wirtschaftliche Situation und auf die vorgenannten Bedenken der Ratsuchenden Bedacht genommen werden kann.

Ungleichbehandlungen und willkürliche Entscheidungen bei der Höhe der Honorarnoten dürfen und werden auch nicht auftreten, dennoch stehe ich zu einer Kostenbeteiligung. Die Honorarnoten werden im Rahmen einer Verordnung, auch im Einvernehmen mit dem Finanzministerium, geregelt.

Abschließend, meine Damen und Herren, kann gesagt werden, daß durch die Novellierung des Familienberatungsförderungsgesetzes ein Meilenstein in Richtung mehr Flexibilität, Selbstbestimmung und auch Kostenwahrheit gegangen wird.

Gleichzeitig wird auch erreicht, daß trotz Einsparungen in der Höhe von etwa 4 Millionen Schilling der Bevölkerung eine Beratungsstelle geboten wird, die an Qualität und Unterstützungsmöglichkeiten zunehmen wird, denn gerade in einem solch sensiblen Bereich muß das Angebot den Wünschen entsprechen. Daher gebe ich dieser Gesetzesnovellierung auch gerne meine Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Madl. 8 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.41

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In diesem Budgetbegleitgesetz, das wir jetzt verhandeln – welche Zahl es dann auch immer bekommen wird –, ist eine Novellierung enthalten, die im großen und ganzen positiv zu sehen ist, so nach dem Motto: Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn. – Das ist die Änderung des Familienberatungsförderungsgesetzes.

Es sind einige Schwerpunkte darin enthalten. Erstens: Die Hinzuziehung eines Arztes ist nur noch bei Bedarf erforderlich. Der zweite Schwerpunkt der Änderung ist, daß die Einhebung von freiwilligen Kostenbeiträgen gefordert wird. Die dritte Änderung normiert die Verschwiegenheitspflicht für Berater nach § 15 des Psychotherapiegesetzes. Darüber hinaus kommt es zu einer Zusammenfassung kleinerer Standorte als eine geförderte Beratungsstelle.

Zur Hinzuziehung eines Arztes bei Erforderlichkeit ist zu sagen, daß das sicherlich eine sinnvolle Änderung ist, weil es bei den Beratungen tatsächlich oft nicht notwendig ist, daß ununterbrochen ein Arzt anwesend ist. Natürlich ergeben sich aus dieser Änderung Einsparungsmöglichkeiten zwischen 3 und 4,5 Millionen Schilling, und ich hoffe nur, daß diese Einsparungen dann zu Maßnahmen, zu neuen Schwerpunktprogrammen führen werden und nicht zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden.

Unter Schwerpunktprogrammen und neuen Maßnahmen stelle ich mir vor, daß es auch ganz speziell ausgebildete Berater geben wird, die fähig sind, bei ihren Ratsuchenden aufkeimende


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oder schon gesetzte Gewalt in der Familie und Gewalt gegen Kinder zu erkennen und sie auch dann entsprechend zu behandeln.

Bei der Einhebung von freiwilligen Kostenbeiträgen regt sich in mir das Gefühl der Unsicherheit, denn wenn eine Honorarnote gestellt ist, dann muß ich beweisen, daß ich wirtschaftlich nicht in der Lage bin, diese Honorarnote zu bezahlen – und da ist die Anonymität durchaus nicht gewährleistet. Es müßte sichergestellt werden, daß diese Freiwilligkeit der Kostenbeiträge absolut anonym geschehen kann und muß. Alles andere würde eine Auswirkung auf die Qualität der Beratungen haben. – Ist man vorher oder nachher zu einer Spende bereit? Inwieweit kann sich der einzelne die Begleichung dieser Honorarnoten leisten? Das heißt, aufgrund einer Befragung werden dann die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ratsuchenden schon von vornherein feststehen. Ich glaube, daß es sich dann wieder nur ein paar Personen leisten werden können, diese Beratungszentren aufzusuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum die ärztliche Schweigepflicht für Berater in eine Schweigepflicht für Psychotherapeuten umgewandelt wurde, ist mir nicht ganz klar. Ich glaube, daß man es dabei hätte belassen sollen, denn meiner Meinung nach ist die Schweigepflicht, wie sie für Ärzte gilt, für Berater im Familienberatungsbereich durchaus gut und ausreichend gewesen.

Ich hoffe, daß dahinter nicht jene Regelung steckt, die zu befürchten ist, nämlich daß das eine absolute Schweigepflicht ist, was auch heißen kann, daß selbst Ratsuchende diesen Berater von der Schweigepflicht nicht entbinden können. Es ist richtig, daß es nirgendwo explizit drinnensteht, aber es ist zu befürchten, daß das dann so gehandhabt wird.

Gut an dieser Gesetzesvorlage ist auch die Aufhebung der Begrenzung der jährlichen Förderungsmittel, weil diese Regelung einen effizienteren und sinnvolleren Einsatz der Förderungsmittel dort gewährleistet, wo sie auch gebraucht werden.

Auch wenn ich habe gesagt, im großen und ganzen ist diese Änderung zu begrüßen, komme ich jetzt zum Schluß auf einen Punkt, den es zu kritisieren gilt. Meiner Meinung nach hat man es unterlassen, Voraussetzungen zu schaffen, die gewährleisten, daß man auch höchstqualifizierte Berater für die Familienberatungsstellen gewinnen kann. Aufgrund der Erfahrung der Familienberatungsstellen stellte sich heraus, daß eine längerfristige Planung – also nicht nur eine Planung über ein Jahr hinaus – mit den Trägern der Familienberatungsstellen von Nutzen wäre. Ein Modell zum Beispiel mit einem Dreijahresvertrag hätte nicht nur den Vorteil, die Rechtssicherheit der Träger der Familienberatungsstellen zu erhöhen, sondern schafft auch die notwendigen Voraussetzungen, Arbeitsprojekte auf mehr als ein Jahr im voraus zu planen und auch dem Personal längerfristig die Perspektive einer beruflichen Vorausplanung zu gewährleisten.

Die dafür notwendigen finanziellen Voraussetzungen und Mittel müßten so kalkuliert werden, daß als Grundlage der Dreijahresverträge beispielsweise drei Viertel des Verbrauches der letzten drei Jahre herangezogen werden. Es ist doch wohl unbestritten, daß sich ein Personalangebot, das ich nur ein Jahr gewährleisten kann, auf die Qualität des bewerbenden Personals auswirkt. Wenn man auf eine dreijährige Vertragsdauer hinweisen kann, wird man sicherlich besser qualifizierte Personen für die Familienförderung gewinnen können.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag zur Verlesung:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Elfriede Madl, Edith Haller, Sigisbert Dolinschek, Dr. Martin Graf, Josef Koller und Genossen betreffend Dreijahresverträge mit Trägern von Familienberatungsstellen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie wird im Zusammenhang mit dem Bundesminister für Finanzen ersucht, entsprechende budgetäre Vorkehrungen zu treffen, um den Trä


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gern von Familienberatungsstellen die notwendige finanzielle Grundlage für den Abschluß von Dreijahresverträgen im Hinblick auf eine effizientere längerfristige Beratung und Projektplanung zu ermöglichen.

*****

Ich ersuche um die Zustimmung zu diesem Antrag, weil meiner Meinung nach beim Personal für Familienberatungsstellen das Beste gerade gut genug ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Madl überreicht und soeben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fink. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.48

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich glaube, man kann es nicht oft genug sagen, daß auch mit diesem 3. Budgetbegleitgesetz im Zusammenhang mit dem Budget 1998 der erfolgreiche Weg der Budgetkonsolidierung fortgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Und ich glaube auch, daß man es nicht oft genug wiederholen kann, daß sämtliche Experten beim Budgethearing dieses Budget als gut bezeichnet haben, und das haben sie in ihren positiven Stellungnahmen auch bestätigt. Auch der Experte der Freiheitlichen Partei – er wurde von der Freiheitlichen Partei nominiert, da sie nicht haben wollte, daß es ein Mann ihrer Partei ist – hat folgendes gesagt: beachtlicher Kraftakt, Stabilisierungserfolg, anerkennenswerte Leistung. – Anerkennen Sie diesen Stabilisierungserfolg!

Für das laufende Jahr wurde ein Abgang von 8 Prozent prognostiziert, jedoch wurde aufgrund der Maßnahmen, die vom Bund, von den Ländern und von den Gemeinden gesetzt wurden, ein maastrichtrelevantes Defizit von 2,8 Prozent erzielt. – Das ist doch ein Erfolg!

Die Budgets 1998 und 1999 werden – das wiederhole ich auch – den Wirtschaftsstandort und Arbeitsstandort Österreich nachhaltig absichern und unser ausgezeichnetes Sozialsystem festigen.

Im Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer wird die Budgetkonsolidierung mittels einiger Maßnahmen gestützt. Unter anderem wird die Bausparkassenförderung auf eine neue Grundlage gestellt, und zwar in der Form, daß die Höhe der Bausparprämie vom jeweiligen Zinsniveau abhängig gemacht wird. Schließlich wird die bereits für die Jahre 1996 bis 1998 festgelegte allgemeine Anhebung der Vorauszahlungen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer um 5 Prozent jährlich auch für das Jahr 1999 Geltung haben.

Ich kann allerdings in diesem Zusammenhang nicht ersehen, daß der Wirtschaftsstandort dadurch gefährdet ist, denn Österreich – betrachten Sie die anderen Steuersysteme in Europa – hat einen der niedrigsten Steuersätze, egal ob im Einkommensteuer- oder im Körperschaftsteuerbereich.

Wenn man übersehen will, daß die Wirtschaft in den nächsten Jahren wachsen wird, dann kann man sagen, es ist ungerecht, daß diese 5prozentige Anhebung verlängert wird, da aber die Wirtschaft wachsen wird  – das zeigen alle Prognosen, daß sie um ungefähr 3 Prozent wachsen wird –, ist, glaube ich, auch eine 5prozentige Erhöhung dieser Vorauszahlungen gerechtfertigt, und zwar auch insofern gerechtfertigt, als auch die Unternehmergewinne dementsprechend steigen werden.

Meiner Meinung nach wird aber mit den Budgets 1998 und 1999 die Konsolidierung abgeschlossen sein.


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Das nächste Problem, das zu lösen sein wird, ist eine Reform der Steuern. Von der Bundesregierung wurde bereits eine Steuerreformkommission eingesetzt. Wesentlicher Teil dieser Steuerreform muß es sein, daß es zu einer spürbaren Entlastung der Lohnsteuer kommt. Das bedeutet für mich konkret, daß die Durchschnittsverdiener zu entlasten sind, und zwar in der Form, daß für die Einkommen bis zu – meiner Meinung nach – 13 000 S brutto Steuerfreiheit besteht und daß die Steuertarife gesenkt werden. Die Steuerreform 2000 muß eine echte Entlastung sein und darf nicht zu einem Umverteilungsnullsummenspiel werden. Die Senkung der Einkommen- und Lohnsteuer soll auch durch eine Tarifsenkung herbeigeführt werden. Hauptziel dabei sollte die Verbreiterung der Tarifstaffeln sein.

Das bedeutet aus meiner Sicht, daß der Steuersatz von 10 Prozent statt wie bisher auf ein steuerpflichtiges Einkommen bis 50 000 S auf ein solches bis 75 000 S anzuwenden ist. Gleichermaßen sollte der Steuersatz von 22 Prozent auf ein Einkommen bis zu 200 000 S ausgedehnt werden, und in weiteren Steuersätzen sollte das genauso gehandhabt werden.

Als dritten Punkt fordere ich, daß die Eigenvorsorge durch die Absetzbarkeit attraktiver gestaltet wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Staatssekretär! Ich ersuche Sie, meine Vorschläge in Ihre Überlegungen einzubeziehen. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Herr Kollege! Ich fasse zusammen und meine, daß mit dem 3. Budgetbegleitgesetz in Zusammenhang mit dem Budgetentwurf 1988 weiterhin der richtige Weg beschritten wurde. Weitere Reformschritte werden folgen, und diese werden positiv sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr ist Herr Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer am Wort. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

12.54

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Fink! Sie können hier noch so unverfroren zu zwitschern versuchen, überzeugend und richtig wird das, was Sie von sich gegeben haben, deshalb nicht. (Zwischenruf des Abg. Fink. ) Sie können ein ähnliches Wortspiel mit mir erfinden, wenn es beliebt und wenn es Ihnen vor allem einfällt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Fink! Sie können noch so ... (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) – Mein Gott, Herr Kollege Pellargoni! Herr Kollege Pellargoni, gehen Sie ins Waldviertel und lassen Sie die Frau Kollegin Hagenhofer in Ruhe! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Genau das habe ich gemeint! Das habe ich gemeint! Das ist wieder ein besonders intelligenter Einwand! Das spricht auch für Sie!)

Herr Kollege Parnigoni! (Abg. Parnigoni: Ja, Herr Kollege?) Ich glaube, in dem Punkt halte ich mit Ihnen mit. (Abg. Parnigoni: Ja? Das kann ich mir nicht vorstellen!) Ich bin an sich ein bescheidener und selbstkritischer Mensch, aber das traue ich mir zu, in dem Punkt mit Ihnen mitzuhalten. Jetzt lassen Sie mich meine Rede halten, ich habe nur 8 Minuten Zeit. (Abg. Parnigoni: Reden Sie! Ich halte Sie nicht auf!)

O ja, durch Zwischenrufe, die Ihrem intellektuellen Niveau entsprechen, halten Sie mich auf, denn wenn ich nicht reagiere, glauben Sie vielleicht, mir fällt auf so etwas nichts ein. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Also, Herr Bauer, zwitschern Sie weiter!) Sehen Sie, das ist schon ganz gut, Sie steigen schon auf mich und sogar auf meine Wortwahl ein. (Abg. Parnigoni: Damit ich mich auf Ihr intellektuelles Niveau begebe!) Daß Ihnen selbst nichts einfällt, das habe ich befürchtet, Herr Kollege Parnigoni!

Herr Kollege Fink! Sie dürften über ein selektives Wahrnehmungsvermögen verfügen. Sie haben gesagt, daß auch der von den Freiheitlichen nominierte Budgetexperte gesagt hat, der Stabilisierungserfolg ist in Ordnung. Das ist an sich richtig, dann haben Sie allerdings einen Punkt gemacht. Weil ich gewußt habe, daß es solche Kolleginnen und Kollegen wie Sie, Herr


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Kollege Fink, geben wird, die nur die Hälfte wiedergeben, habe ich mir alles mit- und aufgeschrieben, was der Budgetexperte Universitätsprofessor Genser gesagt hat.

Er hat folgendes gesagt: Ja, ein punktueller Stabilisierungserfolg ist unbestreitbar. (Ruf bei der ÖVP: Punkt oder nicht?) Sie können jetzt einen Punkt oder einen Strichpunkt machen, wie es Ihnen beliebt. Er hat Ihnen allerdings – das meine ich mit selektivem Wahrnehmungsvermögen – dann folgendes ins Stammbuch geschrieben: Schwerpunkt bei diesen Stabilisierungsbemühungen sind Belastungen, zum Beispiel durch Abgabenerhöhungen, Schwerpunkt bei diesem punktuellen Sanierungserfolg sind Umschichtungen, Schwerpunkt sind Einmaleffekte und sonstige Tricks und Kniffe. – Die Ausdrücke "Tricks" und "Kniffe" stammen von mir. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Folgendes hat Herr Universitätsprofessor Genser auch gesagt: Einsparungen und strukturelle Maßnahmen, die auf Dauer, auf längere Sicht den Bundeshaushalt entlasten, sind deutlich in der Minderheit. – Ich sage Ihnen, von denen ist wenig zu sehen. Herr Kollege – Entschuldigung, wenn mir der Name von Ihnen in der letzten Reihe da hinten nicht gerade präsent ist –, wenn Sie es nicht glauben, dann empfehle ich Ihnen, schauen Sie sich die Ausgabenquote und schauen Sie sich die Einnahmenquote an. Wenn Sie sie nicht finden, suche ich gerne mit Ihnen gemeinsam und rechne es mit Ihnen gemeinsam nach, wenn Sie wollen. Sie werden sehen, daß die Einnahmenquote um 3,5 Prozent steigt, unter anderem durch diese Maßnahmen, die Sie hier und heute mit dem 3. Budgetbegleitgesetz beschließen werden – um 3,5 Prozent! Mit "Anstieg der Einnahmenquote" ist das gemeint, was alle Bürgerinnen und Bürger unter dem Vokabel "Belastungen" verstehen.

Die Ausgabenquote – also das, was man unter Einsparungen subsumieren kann – sinkt nur um 0,5 Prozent. Also Sie werden doch zugeben, Herr Kollege Fink und andere Damen und Herren der Regierungsfraktionen, daß damit klar bewiesen ist: Der Schwerpunkt Ihres Sanierungserfolges oder Ihrer Sanierungsbemühungen liegt auf der Einnahmenseite, liegt im Belasten der Österreicherinnen und Österreicher. Und das ist an sich keine Kunst. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Fink: Sie haben sich noch jedesmal geirrt!)

Wenn Sie es immer noch nicht glauben, Herr Kollege Fink, dann empfehle ich Ihnen eine noch viel einfachere Art der Nachprüfung dessen, was ich sage – ich meine das jetzt nicht persönlich auf Sie gemünzt, aber das findet jeder, und das versteht wahrscheinlich auch jeder –, nämlich indem man nachschaut, wie sich die Gesamtabgabenquote im Jahre 1998 aufgrund dieser Budgetbegleitgesetze entwickeln wird. Wir werden im Jahre 1998 eine Gesamtabgabenquote haben, die sich ungefähr bei 45 Prozent bewegen wird. (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer. ) Ich sage ja – zu Ihrer Beruhigung – zwischen 44 und 45 Prozent. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurmitzer. ) Es ist aber an sich egal, Herr Kollege Wurmitzer, wo genau zwischen 44 und 45 Prozent. Es ist in jedem Fall ein historischer Höchststand in der gesamten Zweiten Republik, Herr Kollege Wurmitzer!

Es hat noch nie eine Gesamtabgabenquote in diesem Land von 44 oder 44,5 Prozent gegeben. Sogar den Wiederaufbau haben wir mit einer geringeren Gesamtabgabenquote geschafft, als Sie brauchen, um das bißchen Budget zu sanieren. Das ist doch keine Kunst, Herr Kollege Wurmitzer, Steuern und Abgaben hinaufzusetzen. Dazu brauche ich keinen neuen Finanzminister, dazu brauche ich keine sogenannte große Koalition, die mittlerweile eine kleine geworden ist, sondern das kann jeder. Indem ich Steuern und Abgaben hinaufsetze, habe ich eine Zeitlang, ein paar Jahre, vielleicht zwei Jahre, Luft. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt bin ich beim nächsten Punkt. Auch das hat der von uns nominierte Budgetexperte gesagt, und zwar nicht nur er, darauf lege ich Wert: Der zweite Punkt ist, daß am sogenannten strukturellen Defizit mit derartigen Schwerpunkten nichts verändert werden kann und werden wird. Das heißt, wenn man bei den Staatsausgaben auf der Ausgabenseite keine strukturelle Veränderungen vornimmt, also Maßnahmen setzt, die eine dauerhafte Entlastung des Bundeshaushaltes bringen, die dauerhaft weniger Ausgaben garantieren, dann ist man über kurz oder lang wieder dort, wo man beim Abgabenerhöhen aufgehört hat. Das ist ja der Grund, warum wir


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einen historischen Höchststand der Gesamtabgabenbelastung in diesem Land haben: weil Sie, seit Sie an der Regierung sind, in der Regierung sitzen, gemeinsam mit den Sozialisten – ich sage bewußt Sozialisten – in der Regierung sitzen, immer wieder schwerpunktmäßig nur das gemacht haben und nicht strukturelle Reformen eingeleitet haben. Auch das, Herr Kollege Fink, hat nicht nur der von uns nominierte Budgetexperte gesagt. Ich gebe zu, von dem von den Sozialdemokraten nominierten Finanzexperten habe ich das nicht gehört, aber auch gar nicht erwartet. Wenn Sie genau zugehört haben, dann haben Sie gehört, es hat auch der von mir sehr geschätzte Herr Dr. Lehner, der von Ihnen nominierte Experte des Wirtschaftsforschungsinstitutes, anklingen lassen.

Geschätzte Damen und Herren! Hören Sie auf, vom Sparpaket und von Sparbudgets zu reden! Nennen Sie die Dinge beim Namen! Es sind und bleiben Belastungspakete und Belastungsbudgets – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.03

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute das 3. Budgetbegleitgesetz, das neben vielen anderen Maßnahmen die Voraussetzung schafft, das Budget 1998 zu erarbeiten – ein Budget, das für unser Land zukunftsweisend ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition! Ich verstehe natürlich die Nervosität, weil die Eckpunkte dieses Budgets nicht viele Kritikpunkte hergeben. Bezeichnend war auch die Diskussion im Hearing. Es war gut, wenn man aufmerksam zugehört hat, weil die Experten diese Eckpfeiler positiv dargestellt haben, und das ist für die Opposition nicht gut. Was ist dann geschehen? – Da man von den Experten etwas anderes hören wollte, als man zu hören bekam, ist man hergegangen und hat einen Experten aus der Gruppe herausgefischt und diesen massiv attackiert. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine Vorgangsweise, die nicht fein ist, die abzulehnen ist. (Abg. Böhacker: Das war aber wirklich peinlich! Das war aber wirklich peinlich! Das hat er sich nicht verdient! Außerdem ist er so intelligent!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war bei dieser Ausschußsitzung auch zu bemerken, daß von seiten der Freiheitlichen natürlich immer wieder Summen und Zahlen genannt werden, die die Leute verunsichern sollten. Kollege Trattner sprach von 108 Millionen Schilling, euer Chef spricht von 126 Millionen Schilling. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Geht doch endlich heraus und belegt diese 128 Milliarden! Geht heraus und belegt diese 108 Milliarden Schilling, die Kollege Trattner genannt hat, dann können wir darüber reden! Sie nur in den Raum zu stellen, bedeutet Verunsicherung und ist absolut nicht fair! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren – das kann man nicht oft genug sagen –, daß die Nettoverschuldung – auch wenn ihr das nicht gerne hört – unter der 3-Prozent-Marke liegen wird. Das Defizit wird nächstes Jahr weiter zurückgehen. Vor allen Dingen die Strukturmaßnahmen der letzten Jahre haben gegriffen. Der eingeschlagene Weg der Konsolidierung wird damit abgesichert.

Es kann doch in Wirklichkeit kein Fehler sein, daß mit dieser offensiven Politik Spielraum für die Zukunft geschaffen wird. Es ist doch viel besser, wenn wir Geld für sinnvolle Investitionen ausgeben können. Es ist doch viel besser, wenn wir Geld für Beschäftigung ausgeben können, und es ist doch besser, wenn wir die Ausbildung fördern können!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir verfolgen einen Weg, der erfolgreich ist, auch auf europäischer und internationaler Ebene. Schauen wir uns doch an, was in unseren Nachbarstaaten passiert! Schauen wir uns an, wie es in Deutschland zugeht! Schauen wir uns an, wie es denn in Frankreich ausschaut oder was sich in England tut! – Ich glaube, diesbezüglich brauchen wir internationale Vergleiche nicht zu scheuen, im Gegenteil, hier sind wir Vorreiter.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch einen Punkt anführen, nämlich in bezug auf die Änderung des Katastrophenfondsgesetzes (Zwischenruf des Abg. Meisinger ), wo es bei der Novellierung ganz klar zu Verbesserungen kommt. Enorm wichtig ist, daß bei dieser Gesetzesänderung der Katalog von Naturkatastrophen erweitert und neu gestaltet wird. Es ist erfreulich, daß in dieser Novellierung auch eine langjährige Forderung der Landwirtschaft berücksichtigt wird und daß jetzt auch Versicherungen, vor allen Dingen die Hagel- und Frostschäden betreffend, gefördert und unterstützt werden.

Ein nächster Punkt ist die Bereitstellung und Verwendung von Reserven. Diese werden in dieser Vorlage ebenfalls neu geregelt. Die Höhe der Reserve wird mit 400 Millionen Schilling begrenzt. Auch das ist sinnvoll, denn es ist ökonomisch falsch, nicht verwendete hohe Summen in Reserve zu halten, und auf der anderen Seite bezahlt der Staat noch einmal Zinsen bei der normalen Bedienung seiner Verpflichtungen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Dieses 3. Budgetbegleitgesetz ist eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Haushalt 1998 (Zwischenruf des Abg. Böhacker ), Kollege Böhacker. Aus diesem Grunde werden wir dieser Vorlage natürlich gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte, Herr Abgeordneter. Angezeigt wird eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten.

13.08

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Kollege Wimmer redet von offensiver Budgetpolitik und vergißt eigentlich, daß wir jahrjährlich unmäßig Milliarden an Schulden mehr machen. Ich frage mich schön langsam, ob Sie nicht den Blick für das ganz Große verlieren, wenn Sie sich alleine den Schuldenstand pro Kopf in Österreich ansehen. Das ist doch eine erkleckliche Summe, und ich kann das in Summe nicht so gutheißen wie Sie. Sie verzeihen mir, daß ich jetzt nicht eine allgemeine Budgetrede halte, sondern mich an die Vorlage, die wir hier zu behandeln haben, halte und einige Details beleuchte.

Es werden vor allem die Gerichts- und sonstigen Gebühren, wie wir schon gehört haben, enorm erhöht, nämlich um 50 Prozent. Ich rufe diesbezüglich in Erinnerung, daß wir die Gebührensätze in den vergangenen Monaten – so will ich jetzt schon einmal sagen – aus budgetären Gründen bereits massiv erhöht haben. Es ist nicht lange her, mit 1. September wurden die Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofgebühren erhöht, und es wurde damit natürlich versucht, einen Ausgleich hinsichtlich der ansteigenden Kosten in der Justiz zu finden. Letztendlich ist das eine Erschwerung des Zugangs zum Recht überhaupt. Wenn man sich die Flut der Beschwerden ansieht, die oftmals sehr begründet sind, dann muß man sagen: Es ist eine Frage der Anständigkeit – so würde ich das schön langsam schon bezeichnen –, es ist aber auch die Frage, was uns der Rechtsstaat überhaupt noch wert ist, wenn man betrachtet, wie teuer man den Gerichtszugang macht.

Wir haben bereits zwei Monate davor, Mitte vorigen Jahres, auch die Gerichtsgebühren erhöht. Ich rufe in Erinnerung, daß wir den Streitgenossenzuschlag bei den Gerichtsgebühren eingeführt haben, mit dem man sich letztlich auch etliche Millionen vom einfachen Mann zu holen versucht. In Summe ist eine Steigerung der Einnahmen von 245 Millionen Schilling ausgewiesen. Wir werden nächste Woche beim Detailkapitel noch darauf zu sprechen kommen. Tatsächlich sind es aufgrund der letzten Erhöhungen in diesem Bereich 700 Millionen Schilling an Mehreinnahmen gegenüber 1997. Da frage ich mich schon: Wer hat das zu bezahlen? – Die Antwort ist ganz einfach: der rechtsuchende Bürger. Dabei können wir letztendlich nicht mitspielen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gerade in einem Bereich wie dem Justizministerium, das ein Minibudget von knapp 10 Milliarden Schilling hat und eines der wenigen Ministerien ist, das eine Zweidritteldeckungsquote bei den Einnahmen hat, also noch ein relativ positiv wirtschaftendes Ministerium ist, versucht man,


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noch mehr als bisher die Daumenschraube beim Steuerzahler anzusetzen. Das ist schlichtweg unfair, würde ich meinen.

Letztendlich stellt sich die Frage, ob man nicht zu einem System übergehen sollte, das die Kostenwahrheit mehr beleuchtet. Wenn ich sehe, daß gerade die Einverleibungsgebühren und die Gebühren für Pfandrechtseintragungen um etliches erhöht werden sollen, nämlich um 20 Prozent, dann frage ich mich schon: Wen trifft das? – Das trifft besonders die wohnungsuchende Bevölkerung, die letztlich Wohnraum schafft. Hier noch einmal eine Verteuerung eintreten zu lassen, wo es doch bereits eine sogenannte kalte Progression durch die Wertsteigerung der Liegenschaften an sich gibt, aufgrund der dem Ministerium jährlich Mehreinnahmen zufließen, wäre wirklich zu überdenken. Es ist überhaupt nicht einsichtig, daß man Prozentsätze zur Abgeltung von Leistungen der Vollziehung beziehungsweise der Gerichte einführt, obwohl doch letztendlich ein Grundbuchansuchen immer in etwa die gleiche Zeit in Anspruch nimmt. Dies kann daher sicherlich nicht in Prozentsätzen, in Geld bemessen werden.

Daß die Gerichtsgebühren tatsächlich extrem teuer sind, dafür steht letztendlich Finanzminister Edlinger als Zeuge. (Bundesminister Edlinger spricht mit Abg. Rauch-Kallat.)  – Vielleicht hört er mir jetzt zu, denn es betrifft ihn persönlich. – Der Herr Finanzminister kennt mich ja schon von einer anderen Spielwiese. Er hat das Vergnügen gehabt, vor etlichen Jahren mit mir einen Prozeß zu führen. Ich habe ihn gewonnen. Ich bin sehr froh darüber! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Der Finanzminister hat ihn verloren. Damals war er noch nicht Finanzminister. Offensichtlich hat er damals Probleme gehabt, die Gerichts- und Anwaltskosten zu begleichen, denn er hat sie nicht selber gezahlt, sondern der Steuerzahler. Die MA 6 in Wien hat die Kosten von 250 000 S überwiesen. Dadurch erfährt man, wenn man selbst betroffen ist, daß der Rechtszugang sehr teuer sein kann. Der Finanzminister weiß das, wie gesagt, aus eigener Erfahrung. Er läßt aber andere für sich zahlen. Das dürfte auch das Motto dieses Hauses beziehungsweise dieser Budgetverhandlungen sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Für sich selber richtet man es sich, und für den Steuerzahler macht man es extrem teuer. (Bundesminister Edlinger ist noch immer in ein Gespräch mit Abg. Rauch-Kallat vertieft. – Abg. Böhacker: Herr Präsident!)

Genauso ist auch die Parteisteuer zu sehen, die heute hier behandelt wird. Ich finde es schon nahezu zynisch, herzugehen und zu sagen, die Parteisteuer werde auf ihren Umfang im Jahr 1997 eingefroren. Wenn man weiß, wie viele Hunderte Millionen Schilling in den Parteiapparaten versickern, ist das eigentlich nicht das richtige Signal an die Bevölkerung, der man jetzt wieder ein Sparpaket zumutet. (Abg. Fink: Geben Sie das Signal und verzichten Sie!) Ich habe schon auf genug verzichtet! Ich habe schon einen Abfertigungsanspruch gehabt und darauf verzichtet. Sie haben noch auf keinen Abfertigungsanspruch verzichtet! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist der Unterschied zu Ihrer politischen Betätigung bisher. (Abg. Fink: In diesem Haus hätten Sie die Möglichkeit, auf diese Parteisteuer zu verzichten!) Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, immer vor der eigenen Türe zu kehren. Sie haben mich dazu herausgefordert, daß ich das hier sage. So einfach ist das!

Aber warum regen Sie sich auf? Die Parteisteuer ist wirklich viel zu hoch, und man muß da endlich umdenken. Und letztendlich muß man auch sagen: Wenn schon der Bürger in Zukunft weniger Leistungen vom Staat bekommt – ungerechtfertigterweise weniger Leistungen! –, für diese aber mehr bezahlen muß, dann sollten auch die Parteien in einer ähnlichen Größenordnung auf die ihnen zukommenden Leistungen, die von der Allgemeinheit getragen werden, verzichten. Wir schlagen schon seit Jahren vor, daß man die Parteienförderung halbiert. (Abg. Böhacker  – in Richtung ÖVP –: Stimmt ihr mit?) Das geschieht aber nicht, das scheitert am Widerstand der großen Parteien. Offensichtlich müssen sie ihre Mandatare weiterhin anders versorgen. Entsprechende Beispiele sind ja tagtäglich zu vermerken. (Ruf bei der ÖVP: Tun Sie nicht so scheinheilig!) Das ist nicht der richtige Weg, das wird auch der Bevölkerung immer klarer, und das muß auch gesagt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zusammenfassend wiederhole ich noch einmal: Man sollte nicht permanent in den Sack des Steuerzahlers greifen, sondern vielleicht einmal versuchen, selbst auch etwas beizutragen. Der Herr Finanzminister wird heute von mir aufgefordert, dem Steuerzahler die 250 000 S seiner


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Prozeßkosten zurückzuzahlen. Das wäre ein kleiner Beitrag, das wäre ein gutes Signal! Das würde ich mir wünschen. Ich würde ihm auch dazu gratulieren, daß er endlich diesen Sprung geschafft hat. Wir warten darauf bereits seit vier Jahren. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stampler. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

13.16

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Gleich zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Georg Schwarzenberger, Dr. Ewald Nowotny, Franz Stampler und Genossen zum Bericht des Budgetausschusses betreffend die Regierungsvorlage (887 der Beilagen) eines 3. Budgetbegleitgesetzes 1997 (901 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

In Artikel 6 Z 1 lautet § 3 Z 4 lit. b:

"b) zur Erhebung der Wassergüte gemäß Hydrographiegesetz, BGBl. Nr. 58/1979;"

Begründung:

In der Novelle zum Katastrophenfondsgesetz 1996 ist ein Redaktionsversehen zu korrigieren.

*****

Nun komme ich zu meinen Ausführungen und möchte zunächst einmal zur Änderung des Katastrophenfondsgesetzes 1996 Stellung nehmen.

Gerade in diesem Jahr wurde uns vor Augen geführt, wie wichtig Investitionen in den Katastrophenschutz beziehungsweise in die Katastrophenschutzvorsorge sind. Die Hochwasserkatastrophe, die heuer im Juli die Republik erschüttert hat, machte deutlich, wie wichtig schnelle und unbürokratische Hilfe ist.

Die Mittel aus dem Fonds werden wie folgt verwendet: In Summe sind es 16,71 Prozent, die sich folgendermaßen aufteilen: 6,25 Prozent Bund, 2,79 Prozent Länder und 7,67 Prozent Gemeinden, für die Finanzierung von Maßnahmen zur Beseitigung von außergewöhnlichen Schäden.

Neu ist vor allem der einheitliche Schadenskatalog, in dem die Arten der Schäden, für die gefördert wird, eindeutig definiert werden, und daß die Förderung auf Versicherungsprämien der Frostversicherung ausgedehnt wird, da die Frostschäden in den letzten Jahren in manchen Gebieten immer mehr zunahmen.

72,58 Prozent werden erstens zur Beseitigung und Vorbeugung von Hochwasser- und Lawinenschäden, zweitens zur Erhebung der Wassergüte, drittens zur Finanzierung des Warn- und Alarmsystems und viertens zur Förderung der Frost- und Hagelversicherungsprämien verwendet.

7,16 Prozent der Mittel dienen – und ich glaube, das ist sehr gut und notwendig – der Beschaffung von Einsatzgeräten der Feuerwehren durch die Länder.

3,55 Prozent dienen zur Deckung außerordentlicher Erfordernisse, die in einem Land durch finanzielle Hilfe zur Beseitigung außergewöhnlicher Schäden physischer oder juristischer Personen entstehen.


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Aus diesen Mitteln wurden im heurigen Jahr aufgrund des verheerenden Hochwassers im Sommer an die betroffenen Länder insgesamt etwa 350 Millionen Schilling als Vorschuß für die Beihilfen ausbezahlt. Weitere Beträge für Niederösterreich als das am stärksten betroffene Bundesland werden noch folgen. Es ist dies ein wichtiger Beitrag, der zwar viele Schäden nicht wiedergutmachen, aber wenigstens mildern kann.

Neu ist in diesem Gesetz auch die Deckelung der Rücklagen aus den nicht verwendeten Mitteln, die insgesamt 400 Millionen Schilling nicht überschreiten sollen.

Ich möchte meine Ausführungen zu diesem Punkt aber auch dazu benützen, jenen unermüdlich im Einsatz stehenden freiwilligen Helfern zu danken, die vor allem bei der heurigen Hochwasserkatastrophe, aber auch sonst immer wieder unter Beweis gestellt haben, wie wertvoll ihre Arbeit ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Über 350 000 Einsatzstunden wurden allein in Niederösterreich, in Oberösterreich und in der Steiermark von der Feuerwehr geleistet. Über 13 000 Einsätze wurden getätigt, und über 25 000 Mann waren in diesen Ländern im Einsatz. Vielen Dank dafür!

Zurück zum Budget. Ganz kurz möchte ich noch das Hagelversicherungsförderungsgesetz ansprechen, wonach 25 Prozent zu den Hagelversicherungs- und Frostversicherungsprämien seitens des Bundes bezahlt werden, wenn die Länder jeweils eine Förderung in gleicher Höhe leisten. Hier möchte ich anführen, daß auch zu überlegen wäre, ob nicht für die Hagelprävention etwas getan werden kann.

Aus eigener Erfahrung kann ich berichten: Im Großraum Graz/Weiz wird von der steirischen Hagelabwehrgenossenschaft der Hagelabwehreinsatz mittels Flugzeugen durchgeführt. Im Jahr 1996 wurden an 31 Einsatztagen 101 Einsätze mit einer Flugdauer von 121 Stunden geleistet. Die Gesamtkosten alleine dafür betrugen zirka 4,3 Millionen Schilling, die zur Gänze von den Gemeinden und der Stadt Graz aufgebracht wurden. Persönlich könnte ich mir vorstellen, daß man in Zukunft vielleicht auch solche Präventionen unterstützen könnte, weil man dadurch Schadensfälle verhindern beziehungsweise vermeiden kann.

Es wurde versucht, mit diesem Budgetbegleitgesetz jene Schritte zu setzen, die für die Durchführung des Budgets notwendig sind. Ich lade Sie ein, diesem Budgetbegleitgesetz zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Blünegger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.22

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister Edlinger! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Als Facharbeiter in der Privatwirtschaft habe ich natürlich nicht unmittelbar die Fähigkeit, über Finanzprobleme zu reden. Aber eines kann ich sagen: Dieses 3. Budgetbegleitgesetz ist ein drittes Belastungsgesetz. Es ist ein drittes Belastungspaket, das uns heute vorgelegt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Laut Bundesregierung ist die Budgetkonsolidierung in den Vordergrund zu stellen. Das ist aus Ihrer Sicht richtig. Aber, Herr Bundesminister, diese Bundesregierung hat keine Hemmungen, dem kleinen Mann das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen ein Gleichnis bringen. Es ist vielleicht lustig, wenn man es sich anhört, aber die Geschichte ist wirklich so. Ein Arbeitskollege ist zu mir gekommen und hat gesagt: Ich mache es wie der Staat. Ich habe vor zwei Jahren 300 000 S Schulden gehabt. Da bin ich hergegangen und habe vor einem Jahr 150 000 S Schulden gemacht, und heuer werde


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ich halt mit 100 000 S Schulden auskommen müssen. – So wie in diesem Gleichnis wird es praktiziert. Das macht unter anderem der Staat Österreich. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! In diesem 3. Budgetbegleitgesetz sind Belastungen enthalten, wie etwa die Gerichtsgebühren, die Einkommensteuer, die Versicherungssteuer, die Feuerschutzsteuer und so weiter. Wenn heute Kollege Sigl diese Belastungen noch verteidigt und für richtig gehalten hat, dann muß ich sagen: Ich verstehe die Einstellung der Sozialdemokraten überhaupt nicht mehr! Sie nehmen auf den kleinen Mann überhaupt keine Rücksicht mehr.

Kollege Sigl, nur um ein Beispiel zu bringen: Die vorgesehene Erhöhung bei den Stempelmarken beträgt 50 Prozent. Das ist viel für einen Arbeitnehmer, vor allem für einen Kleinverdiener oder für einen Mindesteinkommensbezieher. Wenn man heute einen Reisepaß verlängern oder neu anschaffen möchte, zahlt man um 50 Prozent mehr Steuern. Und da sagen Sie noch, das sei der richtige Weg! Sagen Sie das der Bevölkerung auch dann, wenn sie diese Belastungen spürt; jetzt momentan weiß es noch niemand. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Erklär einmal das Drei-Säulen-Modell!)

Herr Bundesminister! Sie haben der Bevölkerung zugesichert, es werde kein weiteres Sparpaket geben. Wie bezeichnen Sie dann heute dieses 3. Budgetbegleitgesetz? Sie verdrehen wahrscheinlich die Begriffe. Sie nennen es jetzt Budgetbegleitgesetz, anstatt daß Sie klar und deutlich sagen, was es ist: ein Belastungsgesetz!

Es paßt Ihnen nicht in den Kram, wenn wir Freiheitlichen das aufzeigen und auch entsprechend dokumentieren. Ich bezeichne dieses Gesetz als eine Belastung für die Arbeitnehmer, für die Pensionisten, für die einkommensschwachen Menschen in Österreich, eine Belastung, die wir dem unmittelbar betroffenen Bevölkerungsteil sehr schwer werden beibringen können.

Ihnen, Herr Bundesminister, Hohes Haus, kann ich noch einen Spruch vorsagen: Wer auf diese Regierung, wer auf diese SPÖ und auf diese ÖVP baut (Abg. Dr. Khol: ... hat auf Sand gebaut!), der hat sein Haus auf Sand gebaut, Kollege Khol. Genau das ist es! (Abg. Dr. Khol: Das ist ein Spruch auf die FPÖ: Wer auf euch vertraut, hat auf Sand gebaut!)

Ich sehe auch keine Möglichkeit, so weiterzumachen, denn, Kollege Khol, die unmittelbare Sozialpartnerschaft, die Sie so hochgelobt haben, als man sich einig geworden ist, hat eigentlich gar nicht richtig gehandelt, sondern es war dies nur eine Showtime-Entscheidung. Als ich Kollegen Fink zugehört habe (Abg. Dr. Khol: Ein guter Mann, der Fink!), wie er diese Budgetkonsolidierung verteidigt hat, habe ich den Eindruck gehabt, er meint, es sei eigentlich verständlich, wenn ein Arbeitnehmer, der nur 13 000 S brutto hat, jetzt noch weitere Belastungen in Kauf nehmen wird müssen.

Wir Freiheitlichen können diesem 3. Budgetbegleitgesetz (Abg. Dr. Khol: ... nicht zustimmen! Das wissen wir eh schon lange!) nicht zustimmen, weil wir diese Belastungen der Bevölkerung einfach nicht für richtig halten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Habt ihr schon je einem Gesetz zugestimmt?)

13.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte, Herr Abgeordneter. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

13.28

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Der vorletzte beziehungsweise der letzte Redner haben Gott sei Dank die Möglichkeit, wieder in einem ziemlich vollen Saal zu sprechen – ich hoffe, daß das zumindest in den nächsten Minuten der Fall sein wird.

Ich war bei dieser Budgetdebatte hier im Hohen Haus von Anfang an dabei. Und das, was die Opposition heute hier geboten hat, verdient nicht einmal das Prädikat "heiße Luft". Diese heiße


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Luft war gestern schon draußen, und Sie haben auch heute vom Inhalt her nichts Neues bieten können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaugg: Der neue Raubzug!)

Angefangen beim Herrn Kollegen Trattner: "Budgettricks", "Einmaleffekte" – das habe ich alles schon gehört. Das höre ich jedes Jahr, das sind keine neuen Wortkreationen.

Das, was sich heute Kollege Haselsteiner geleistet hat, als er hier herausgegangen ist und sich in Formalismen begeben hat, mag vielleicht so zu beurteilen sein, daß er erstens einmal nicht vorbereitet war und daß er zweitens auch inhaltlich nichts sagen konnte. Außer Überheblichkeit, außer Beschimpfungen kam nicht viel von seiten des Liberalen Forums. (Beifall bei der ÖVP.) Das muß man auch ganz deutlich sagen. (Abg. Dr. Khol: Die Präpotenz der Rechtgläubigen!)

Herr Abgeordneter Van der Bellen! Abgesehen von dieser Anprangerung der Publizistikförderung kam auch nicht viel von Ihrer Seite. Darauf werde ich in meiner Wortmeldung noch eingehen.

Dieses Budgetbegleitgesetz – egal, ob es das 2. oder das 3. genannt wird – ist ein wichtiges Gesetz, weil es parallel zum Budget 1998 beschlossen wird und natürlich auch Strukturveränderungen enthält. Mit ihm wird dem Prinzip der Nachhaltigkeit Rechnung getragen. Es ist für uns junge Abgeordnete sehr wichtig, daß das auch im Hohen Hause greift. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Anstatt hier in Angstszenarien zu verfallen und in neuen Entdeckungen immer nur Gefahren und Risken zu sehen, sollte man lieber nach den Chancen der Zukunft fragen.

Ich möchte nun konkret auf drei Punkte eingehen.

Finanzausgleichsgesetzänderung: Da geht es darum, daß unter dem Strich für alle Beteiligten mehr Klarheit herrscht, mehr Manövriermöglichkeiten gegeben sind. Für die Gemeinden – das wurde von meinem Kollegen Kröll schon betont – ist es natürlich ein Erfolg, weil die Gemeindeertragsanteile steigen. Es ist auch ein Erfolg des Gemeindebundes, der hier Erwähnung finden sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt allerdings – das möchte ich als freier Abgeordneter sagen – auch einen kleinen Wermutstropfen, nämlich im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betreffend Kommunalsteuerbefreiung für die ÖBB. Es werden leider Gottes – das muß ich hier sagen – im Wege des Vorwegabzuges auch alle Gemeinden mit 150 Millionen Schilling belastet. Aber dennoch ist dies in Summe ein großes Plus für unsere Kommunen.

Nächster Punkt: Katastrophenfondsgesetz. Diesbezüglich wurde von Herrn Professor Van der Bellen ein Vergleich mit der Publizistikförderung angestellt. Herr Professor, auch wenn das vielleicht für Sie kein wesentlicher Wurf ist – für uns schon! Ich komme aus einem landwirtschaftlichen Gebiet, ich komme aus einer bäuerlichen Familie und weiß das natürlich zu schätzen. Wissen Sie, wie viele Existenzen gerade im Weinbau durch Frost oder Hagel gefährdet sind? Wissen Sie das? Mehr als genug! Daher kann ich diese Maßnahme, die den Bauern Abhilfe schafft, nur begrüßen, und ich bedanke mich im Namen der Weinbautreibenden recht herzlich dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Publizistikförderung nur ganz kurz; da wurde die heiße Luft auch schon ausgelassen. Worum geht es? – Es geht darum, daß die Förderungen auf dem Stand von 1997 eingefroren werden, und es geht darum, daß Mehrfachförderungen vermieden werden sollen. Damit erfolgt eine eindeutige Zuweisung an die jeweiligen Förderungstöpfe der Ministerien. Es kann gar keine Rede davon sein, daß Minderheitenpublikationen gefährdet wären. Aber wesentlich ist der Passus, daß in Zukunft Förderungen ausgeschlossen werden, die zum gewaltsamen Kampf gegen die Demokratie oder den Rechtsstaat aufrufen. Da wird ein Förderungsriegel eingeschoben.

Wenn man sich die Förderungen ansieht und einseitige Zeitschriften wie zum Beispiel das "TATblatt", dann muß ich sagen: Ich bin der Meinung, daß derartige Publikationen in Zukunft nicht mehr öffentlich gefördert werden sollen! (Beifall bei der ÖVP.) Sogar nach dem Bombenanschlag von Ebergassing waren Aufrufe in diesen Zeitungen zu finden, Abdrucke von


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Anschlagserklärungen, der Verkauf von Anschlagsanleitungen und und und. In anderen Zeitschriften wird dazu aufgerufen, den Wehrdienst zu verweigern. Gerade die Grünen sind es, die immer wieder derartige Töne anschlagen. Und wenn man sich die Meldungen anschaut, dann findet man auch folgendes: Frau Abgeordnete Petrovic, Sie selbst haben etwas unterschrieben, worin Sie dazu auffordern, Militärgesetze nicht zu befolgen. Ich meine: Publikationen, die eindeutig gegen das geltende Recht verstoßen, sollten auch in Zukunft nicht öffentlich gefördert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluß kommend: Wir begrüßen die Maßnahmen im 3. Budgetbegleitgesetz, weil sie nicht nur dem Budget 1998 helfen, sondern auch Strukturbereinigungen vornehmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

13.34

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Frage der Publizistikförderung und was die ÖVP offensichtlich darunter versteht, ist eine besonders delikate und besonders sensible Angelegenheit. – Herr Kollege Steindl, hier vom Rednerpult aus ist alles, was Sie sagen, immun, da ist es für Sie kein Problem, Frau Klubobfrau Petrovic zu denunzieren. Sie ist für diese Äußerung und für diese Worte vor einem ordentlichen Gericht gestanden und freigesprochen worden. Es ist ihr in allen Instanzen recht gegeben worden. Das sollten Sie dazusagen, wenn Sie hier ans Rednerpult treten und einen politischen Gegner denunzieren! – Das zum einen.

Zum zweiten: Offensichtlich ist es legitim in diesem Lande, daß ein Minister auf der Regierungsbank sitzen und ohne Unterbrechung im In- und Ausland offen die österreichische Verfassung mißachten kann. Er kann das publizieren, auch seine Mitarbeiter, und es gibt diesbezüglich überhaupt kein Problem beim Verfassungsbogeninhaber Khol. Es gibt auch überhaupt kein Problem beim Verfassungsbogenmitbenützer SPÖ. (Abg. Schieder: Na schon! Das gefällt uns nicht wirklich!) Gut, zumindest ein bißchen. Es hat auch schon Rücktrittsaufforderungen von Klubobmann Kostelka in Richtung Fasslabend gegeben, nachdem er in Prag gemeint hat, daß wir uns bereits so verhalten sollten, als ob die österreichische Verfassung außer Kraft gesetzt worden sei. – Und dann sagen Sie hier: Wir werden bezüglich der Publizistikförderung bei den kleinen Gruppen besonders genau hinschauen!

Meine Damen und Herren! Wir haben ein Medienrecht, ein Mediengesetz, und dieses Mediengesetz sorgt dafür, daß Aufrufe im Zusammenhang mit Verhetzung, mit rassistischen, faschistischen und anderen Äußerungen tatsächlich auch von ordentlichen österreichischen Gerichten geahndet werden. Aber Sie folgen dem Grundsatz: Das, was die fromme Denkungsart des Herrn Khol noch einschließt in den wunderbaren Verfassungsbogen, ist förderungswürdig. Was ununterbrochen offiziell von Regierungsseite gegen die Verfassung propagiert wird, das ist selbstverständlich förderungswürdig. Das ist die freie Diskussion, das ist die freie Meinungsäußerung!

Meine Damen und Herren! Man muß sich ja nur anschauen, wie Sie das alles verstehen. Sie sagen beispielsweise: Unter "Verletzung von Rechtsgebieten" ist insbesondere das Medienrecht und das Wehrgesetz gemeint.

Meine Damen und Herren! Sie haben offensichtlich vergessen, daß es Staaten und daß es Gesetze gibt, die ganz offensichtlich in vielen Bereichen gegen die Menschenrechte verstoßen, und daß es das legitime Recht in einer Demokratie ist, dazu Äußerungen nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich darzulegen. Und es kann nicht die Aufgabe von sogenannten Staatsparteien und Verfassungsbogenparteien sein, diese kleinen Medien fertigzumachen, zu unterdrücken und von den Förderungen auszuschließen, während jene Zeitungen, die offen von "Kulturkampf" sprechen, die offen den Verfassungsbruch propagieren, weiterhin unter der Schirmherrschaft eines Ministers stehen.


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Meine Damen und Herren! Ich halte das für eine demokratiepolitische Änderung in eine Richtung, die mir besonders problematisch erscheint, und ich sage Ihnen ganz offen: Mich wundert es, daß die Sozialdemokratie überhaupt kein Sensorium mehr dafür hat. Offensichtlich haben Sie alles fest im Griff: Ihre eigenen Jugendorganisationen, alle Dissidenten in Ihrer Partei – der Cap ist heute eh nicht da.

Meine Damen und Herren, das ist ein Vorgang der ungeheuerlich ist! (Beifall bei den Grünen.) Warum, Herr Kollege Steindl, gehen wir bei der Presseförderung im Zusammenhang mit der "Kronen Zeitung" nicht analog vor? Ich bin überzeugt davon, daß die "Kronen Zeitung" die am häufigsten nach dem Mediengesetz verurteilte österreichische Zeitung ist, nach allen Paragraphen, die dafür in Frage kommen. Andere Zeitungen, Zeitungen, von denen Sie hier und heute fordern, daß sie keine Gelder mehr bekommen sollen, haben nicht einmal annähernd so viele Verurteilungen wie diese Zeitung, die sich fast aller Bereiche schuldig gemacht hat – angefangen von rassistischen, antisemitischen und anderen Äußerungen – und auch verurteilt worden ist. Das zu beurteilen ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte und nicht irgendwelcher parteiähnlicher Kommissionen, die meinen, sie könnten Zensur ausüben bei Publikationen von Österreicherinnen und Österreichern. (Abg. Mag. Mühlbachler: Unsere Meinung wirst du uns nicht verbieten, oder?)

Ich habe Ihnen nicht Ihre Meinung verboten! Sie sind dabei, Staatszensur auszuüben mit Ihren Kommissionen und festzustellen, was Ihnen genehm ist und was Ihnen nicht genehm ist. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Hier heißt es: "... wiederholt zur allgemeinen Mißachtung der Rechtsordnung auffordern". – Wir sollten das Gehalt des Herrn Fasslabend sperren! Er fordert wiederholt zum NATO-Beitritt auf. Ja bitte, was ist das? Ist das ein freier Diskussionsbeitrag eines unabhängigen Bürgers, oder ist das die Meinung eines Ministers in der Exekutive? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, das kommt Ihnen ganz normal vor, wenn Sie zum Rechtsbruch auffordern! (Abg. Mag. Steindl: Das ist doch ein Unterschied!) Das kommt Ihnen staatskonform vor! Damit haben Sie kein Problem, Herr Steindl! (Abg. Rosemarie Bauer: Aber zum Abfackeln von Häusern ...!)

Frau Abgeordnete! Dafür sind nicht Sie zuständig, sondern die ordentlichen Gerichte, nicht Sie mit Ihrer undemokratischen Gesinnung, die Sie glauben, kleine Zeitungen kaputtmachen zu müssen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Unerhört!) Unerhört, Herr Kukacka, ist, daß Sie glauben, Sie können hier den kleinen Staatszensor spielen.

Selbstverständlich ist der Aufruf zur Gewalt gegen Menschen als Mittel der Politik abzulehnen, selbstverständlich ist das zu bekämpfen. Aber es kann doch nicht sein, daß Sie, Herr Kollege Kukacka, mit Hilfe einer parteieigenen Kommission, in die Sie Ihre eigenen Leute schicken, beurteilen, wer gegen das österreichische Gesetz verstößt und wer nicht. Das ist in einem Rechtsstaat ausschließlich den Gerichten vorbehalten, das sollten Sie sich merken. Wir haben die Gewaltenteilung, Herr Kukacka (Abg. Mag. Kukacka: Das bestreitet niemand!), und nicht die Verfassungsbogenjustiz des Herrn Andreas Khol.

Meine Damen und Herren! Wir werden dazu aufrufen, daß diese Gesetze nicht befolgt werden, und wir sagen: Diese Gesetze sind demokratiefeindlich und ... (Abg. Schwarzenberger: Haben Sie einen Eid auf die Verfassung abgelegt oder nicht?) Ja, Herr Abgeordneter Schwarzenberger! Das ist nämlich medien- und meinungsfeindlich, was Sie hier tun. Und das ist genau die Linie des Herrn Andreas Khol, der meint, den Verfassungsbogen bestimme er: Einmal ist die FPÖ drinnen, dann ist sie wieder draußen, dann ist sie wieder drinnen, dann ist sie wieder draußen – je nachdem, wie nett Herr Jörg Haider mit Herrn Schüssel Händchen hält. (Abg. Schwarzenberger: Das ist Ihre Sorge!) Das ist die Politik, die Sie hier verfolgen!

Meine Fraktion wird selbstverständlich gegen dieses Gesetz stimmen. Und ich sage Ihnen: Diese Art der Politik ist in bester Tradition einer Epoche in Österreich, die längst Vergangenheit ist! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Haselsteiner. )

13.42


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann Dr. Khol gemeldet. – Bitte.

13.43

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Mein Vorredner hat behauptet, Andreas Khol sei der Besitzer des Verfassungsbogens. Dem stelle ich die Tatsache entgegen: Ich bin der Erfinder! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Sie haben das nicht erfunden, das haben die italienischen Kommunisten erfunden!)

13.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

13.44

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Wabl, ich nehme zur Kenntnis, daß die Grünen selbstverständlich bereit sind, alles und jedes zu fördern und zu unterstützen, auch Zeitungen und Zeitschriften, die zum Bombenbasteln aufrufen. Nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis, daß wir bereit sind, in diesem Staat Grenzen zu ziehen, die nicht überschritten werden dürfen, auch in der Förderung von Zeitschriften (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Löschnak ), Grenzen nämlich dort, wo man darangeht, durch solche Schriften das Staatsganze, den Staat zu gefährden, zu untergraben und in Gefahr zu bringen. (Abg. Wabl: Die Französische Revolution ist spurlos an Ihnen vorübergegangen! Sie kennen ja nur die austrofaschistische Revolution und nicht die französische!) Dort und davor ziehen wir unsere Grenzen! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber nun zurück, Herr Kollege Wabl, zu den Budgetbegleitgesetzen, konkret zum 3. Budgetbegleitgesetz. Diese Koalition ist Anfang 1996 angetreten, um das Budget 1996 und auch die Budgets der nächsten Jahre maastrichtgerecht zu gestalten – nicht etwa aus Selbstzweck, sondern um Stabilität in diesem Land zu sichern, und zwar für jeden einzelnen, für die Wirtschaft und auch für das Gemeinwesen. Stabilität bedeutet, daß wir durch eine vernünftige, eine zurückhaltende, eine sparsame Budgetpolitik die Entwicklungen auf dem Zinsensektor, bei der Inflationsrate in den Griff bekommen, und zwar durch das bestgeeignete Instrument und Mittel: indem wir Beschäftigung sichern in diesem Land, damit der Wohlstand der Menschen, den sie sich durch ihre Arbeit erworben haben, gesichert ist, indem eben wenig oder keine Inflation stattfindet, indem Zinsen sehr niedrig gehalten und eine hohe Investitionsbereitschaft in diesem Land erhalten werden kann.

Das alles sind Dinge, die viele Oppositionspolitiker für dieses Budget in Abrede gestellt haben. Wie waren doch Unkenrufe damals laut, als behauptet wurde, diese Budgets seien Schwindelbudgets, sie würden nicht halten. – Sie haben gehalten! (Abg. Böhacker: Schüssel hat das gesagt!) Sie wissen ganz genau, was Schüssel gesagt hat. Er hat diese Budgets ganz sicher nicht als Schwindelbudgets bezeichnet. (Abg. Ing. Reichhold: Er hat schon vieles gesagt!) Sie reißen so wie immer Worte aus dem Zusammenhang. Sie haben diese Worte umgemünzt auf die Budgets. Aber die Budgets – das zeigt ja jetzt die Realität – verdienen nicht nur diese Negativbezeichnung nicht, ganz im Gegenteil: Sie haben gehalten.

Wie erinnert uns die Kritik der Opposition am nächsten Budget doch schon wieder daran, was Sie damals fälschlicherweise, irrigerweise über die Budgets 1996 und 1997 gesagt haben. Sie werden wieder unrecht behalten. Sie werden am Schluß wieder einbekennen müssen, daß das Budget 1998 gehalten hat und wir, die Verantwortlichen in diesem Land, wieder einen großen Beitrag zur Stabilität dieses Landes geleistet haben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Böhacker: Sie werden wieder ein Belastungspaket beschließen, Sie werden wieder den Bürgern in die Tasche greifen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich jetzt so positiv über die vorangegangenen Budgets und auch über das Budget 1998 gesprochen habe, werden Sie sich vielleicht wundern, wenn ich anschließend den Budgetbegleitgesetzen, die ja zum Teil die Basis dafür bieten, meine Zustimmung trotzdem versage. Ich erkläre Ihnen kurz, warum:


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Im Februar 1996 wurde ein Paktum abgeschlossen – auch über einen Finanzausgleich mit den Ländern, geltend bis zum Jahre 2000 –, und es wurde den Ländern versprochen, daß auch andere Begleitmaßnahmen wie zum Beispiel die Bundesstaatsreform bis zum jetzigen Zeitpunkt, nämlich bis zur Beschlußfassung des Budgets 1998 und der Begleitgesetze, umgesetzt sein werden.

Dieses Versprechen wird hiermit eindeutig gebrochen. Verzögert, verhindert, daß diese Maßnahmen gleichzeitig mit dem Budget beschlossen werden können, wurde es leider aus Kreisen unseres Koalitionspartners. Verstehen Sie daher bitte meine Nichtzustimmung nicht als Kritik am Budget oder einzelnen Maßnahmen, sondern speziell daran, daß Versprechen, Verträge, Vereinbarungen gebrochen werden. Verstehen Sie es nur als Signal – nicht als mehr und nicht als weniger – an diejenigen, die es bisher verhindert haben, daß diese Vereinbarungen eingehalten werden konnten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Graf. )

13.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

13.49

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Abgeordnete Steindl hat den Charme gehabt, die Redebeiträge der Opposition taxfrei als heiße Luft zu bezeichnen. Das gibt mir die Gelegenheit, die bisher getätigten Debattenbeiträge der Regierungsparteien auf den Prüfstand zu stellen.

Beginnen wir mit Herrn Abgeordneten Mühlbachler, der uns doch tatsächlich erklärt hat, die Regierung sei mit ihrer Exportoffensive erfolgreich. Halten wir die Fakten fest: Am 10. Juni wurde uns verkündet, 1,3 Milliarden Schilling jährlich für den Export sollen neue Arbeitsplätze schaffen. Im "WirtschaftsBlatt" steht noch, daß Pühringer und Dernoscheg das neue Programm für die Exportoffensive durchführen werden. Tatsächlich werden – so ist den Zeitungen und Meldungen zu entnehmen – 200 000 S und nicht 1,3 Millionen Schilling pro Jahr aufgewendet, womit im Dezember begonnen werden soll.

Das heißt also, das Wachstum der Exporte, das wir heute zu verzeichnen haben, ist nicht der Exportoffensive der Regierung zuzusprechen, die noch gar nicht begonnen hat und ohnehin minimal ist, sondern dem Abwertungseffekt des österreichischen Schillings, der in den letzten drei Jahren gegenüber den anderen Währungen an Wert verloren hat, was, wie alle Ökonomen wissen, selbstverständlich der exportierenden Industrie Vorteile bringt.

Von den 100 Millionen Schilling im Jahr, die im Rahmen der Wirtschaftskammer ausgegeben werden, und von den weiteren 100 Millionen Schilling, die für sonstige Aktivitäten ausgegeben werden, kann man nur in der Zukunft sprechen, aber nicht in der Vergangenheit. – Also: Heiße Luft! Nicht die Regierung macht eine Exportoffensive, sondern die Wirtschaft macht sie selbst, Herr Mühlbachler. Heiße Luft! – Ich bedauere das.

Der nächste Punkt: Wir hören von grandiosen neuen Hagelversicherungs-Förderungsgesetzen. Diese kosten den Bund jährlich 130 Millionen Schilling, die Frostversicherungsprämie kostet ihn weitere 20 Millionen Schilling, das macht 150 Millionen; verdoppelt durch die Bundesländer gibt die öffentliche Hand dafür 300 Millionen Schilling jährlich aus. Also für die Exportoffensive, die mit 1,3 Milliarden angekündigt war und die jetzt mit 200 Millionen jährlich dotiert wird, gibt man im Vergleich dazu für Hagelschutz und für Frostschutz 300 Millionen aus. Meine Damen und Herren! Ich halte das für ganz spannende Relationen.

Dem Herrn Steindl sei für seine Weinbauern ins Stammbuch geschrieben: Ich fordere jetzt hiermit vom Hohen Haus ein Schlechtwettertourismusgästeausfallshaftungsübernahmegesetz, denn allein die Verluste, die der österreichische Tourismus im verregneten Juli erwirtschaftet hat, sind höher als die Gesamtumsätze der Weinwirtschaft des ganzen Jahres. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist etwas ganz anderes!) Also wo bitte machen wir jetzt Vergleiche? Was sind 300 Millionen Schilling, die wir als Zuschüsse zu Prämien bezahlen? Ich bezahle meine


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Versicherungsprämien immer selbst. Das ist nichts anderes als eine Förderung der Landwirtschaft, an allen EU-Spielregeln vorbei, lieber Herr Präsident in der ersten Reihe! (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Wann also kommt bitte für den Tourismus das Schlechtwettertourismusgästeausfallshaftungsübernahmegesetz, um diese Verluste abzudecken, meine Damen und Herren? (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Lassen Sie mich weiter mit der heißen Luft beschäftigen. Der Herr Auer, bärbeißig wie er ist, der jeden Humor verliert, wenn jemand den Mut hat, über Landwirtschaftsförderung auch nur zu sprechen, redete über die Rekordbeschäftigung in diesem Land. – Sie haben recht, Herr Abgeordneter Auer! Es gibt eine Rekordbeschäftigung. Aber warum sind Sie nicht so fair und sagen, daß wir auch eine Rekordarbeitslosigkeit haben? – Gentlemen agree on facts, sie machen keine heiße Luft wie Sie.

Herr Abgeordneter Kröll, den ich als Bürgermeister sehr schätze, sagte in seinem Redebeitrag, die Kommunalsteuer bleibe unangetastet. Das heißt, daß Abgeordneter Kröll hiermit klar ausgedrückt hat, daß Arbeitsplatzsteuern, arbeitsplatzvernichtende Steuern aufrechterhalten bleiben. Warum, Herr Kollege Kröll, sagen Sie nicht: Ich brauche eine direkte Gemeindefinanzierung, die ist unverzichtbar, aber die Kommunalsteuer ist das falsche Instrument dazu, weil sie in meiner Gemeinde Schladming die Arbeitsplätze besteuert!? Warum sagen Sie nicht: Wir suchen eine neue Form der Gemeindefinanzierung, die über den Finanzausgleich geht, aber über den Beschäftigtenschlüssel, damit sie einen direkten Effekt auf die Dynamik der Wirtschaft in der Gemeinde hat!? – Das würde ich für einen fairen Debattenbeitrag halten. Aber nur zu sagen, die Kommunalsteuer bleibe unangetastet, das kann es nicht sein, denn Arbeitsplätze will doch niemand besteuern. Wir wollen mehr Arbeitsplätze in diesem Land haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nun komme ich zum Schwindelbudget des Herrn Khol. Auch darum ist viel heiße Luft gemacht worden. Kollege Haselsteiner hat in seiner Wortmeldung am 21. März 1996 gesagt: Dieser hundertfache Ausdruck – der des Schwindelbudgets – ist von Vizekanzler Schüssel in die Welt gesetzt worden. Und er hat ausdrücklich das getan, was Schüssel getan hat: Er hat das Budget 1994/95 als Schwindelbudget bezeichnet. Wir haben das für das Jahr 1996/97 nicht getan, denn da würde es auch nicht zutreffen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich von meiner Seite diese Debatte abschließen und dem Herrn Steindl ins Stammbuch schreiben: Präpotenz ist kein guter Maßstab für Wortmeldungen! Die Opposition hat genauso das Recht auf eine Meinung wie Sie, und die heiße Luft ist wohl überall zu Hause. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.54

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Situation wie heute war ich in meiner Tätigkeit der Zugehörigkeit zu diesem Haus noch nie. Ich mußte noch nie gegen ein Klubmitglied und noch dazu gegen einen Landsmann von mir hier im Nationalrat auftreten. Heute muß ich es leider tun, denn ich glaube, daß die Schwerpunkte falsch gesetzt worden sind.

Zum ersten möchte ich feststellen: Im Februar konnte noch nicht bekannt sein, daß es ein Budgetbegleitgesetz gibt. Es ist aber richtig, daß den Landeshauptmännern vom Herrn Bundeskanzler und vom Herrn Finanzminister zugesagt worden ist: Wenn es eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes gibt, dann wird auch die Bundesstaatsreform mit beschlossen. Ich bin mit Karlheinz Kopf einer Meinung, daß dieses Versprechen, diese Zusage des Bundeskanzlers, eingefordert werden muß, meine Damen und Herren, und zwar mit allem Nachdruck! (Beifall bei der ÖVP.)


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Es ist daher anläßlich der Verabschiedung dieses Budgetbegleitgesetzes im Ministerrat auch gelungen, eine klare Feststellung des Ministerrates durchzusetzen, in der zum Ausdruck kommt, daß die Bundesstaatsreform spätestens im Jahr 1998 im Parlament beschlossen werden muß. Dazu stehen wir, und das werden wir auch mit großem Nachdruck einfordern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Zusage ist bis heute nicht eingehalten worden, und deshalb verstehe ich grundsätzlich die Position von Karlheinz Kopf. Aber dieses Finanzausgleichsgesetz ist ein Gesetz, das einen Vertrag beinhaltet, einen Vertrag, der zwischen Bund, Ländern, Gemeindebund und Städtebund abgeschlossen worden ist. Dieser Vertrag sieht vor, daß die Landwirtschaft in den Jahren 1998 und 1999 über die Länder einen zusätzlichen Förderungsbetrag von 500 Millionen Schilling bekommt; das Bundesland Vorarlberg 10 Millionen Schilling. Wenn wir das Gesetz nicht beschließen, kann dieser Vertrag nicht eingehalten werden.

Dieses Gesetz sieht weiters vor, daß die Gemeindeertragsanteile in den Jahren 1998 und 1999 um 1,5 Milliarden Schilling steigen. Die Gemeinden in Vorarlberg werden um über 60 Millionen Schilling mehr bekommen, wenn dieses Gesetz beschlossen wird. Es sieht vor, daß die Länderertragsanteile in diesen beiden Jahren um 3,5 Milliarden Schilling steigen werden. Das Land Vorarlberg, der Finanzreferent, der Landtag, die Landesregierung, die Landesbevölkerung unseres Landes bekommen durch dieses Gesetz 166 Millionen Schilling.

Meine Damen und Herren! Ich sage noch einmal: Wenn manche glauben, daß man durch Ablehnung im Nationalrat Schlagzeilen bekommt – ich unterstelle das nicht dem Karlheinz Kopf –, so machen sie große Fehler. Es geht um einen Vertrag, eine Vereinbarung, die außerhalb des Nationalrates abgeschlossen worden ist und bisher, seit es das Bundesfinanzverfassungsgesetz gibt, hier im Nationalrat immer umgesetzt worden ist. Ich würde es als einen großen Vertrauensbruch gegenüber der Unterschrift des Finanzministers, gegenüber den Unterschriften der Ländervertreter, gegenüber den Unterschriften der Vertreter des Gemeindebundes und gegenüber der Unterschrift des Vertreters des Städtebundes betrachten, wenn dieses Gesetz abgelehnt würde.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz eignet sich nicht zum Austragen von tagespolitischen Sträußen. Dazu bin ich nicht bereit, und das möchte ich auch ganz klar und deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Ministerin Gehrer, die auch aus meinem Bundesland kommt, hat im Ministerrat diesem Gesetz bereits zugestimmt. Würden wir es hier im Nationalrat nicht tun, würde ich es als Vorarlberger Abgeordneter nicht tun, so würde ich einen großen Vertrauensbruch begehen, Und dazu bin ich nicht bereit. Ich wollte erklären, warum ich in dieser Position gegen meinen Landsmann und anders als mein Landsmann Karlheinz Kopf stimmen werde. (Beifall bei der ÖVP.)

14.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.00

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Noch ein paar Bemerkungen zur Publizistikförderung und damit zu den Budgetbegleitgesetzen. Ich richte meine Worte insbesondere an die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion, weil ich wirklich der Meinung bin, daß Sie – bedacht auf Ihr Koalitionsabkommen, bedacht auf Ihren Machterhalt – inzwischen zu weit gehen: bei dem, was Sie in Kauf nehmen, bei dem, was Sie tolerieren, und indem Sie sich mittlerweile von dem entfernt haben, was ich dachte, das sei einmal Ihre Programmatik gewesen.

In zwei Punkten ist diese Linie, wie sie aus diesem Budgetbegleitgesetz und aus den Ausschußfeststellungen hervorgeht, absolut unerträglich. Ich ersuche Sie wirklich, doch in Ihrer Fraktion einmal darüber zu diskutieren, wie weit Sie schon gegangen sind.


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Diese beschlossene Regelung ist – erster Punkt – ein dramatischer Bruch mit anderen Förderungsmaterien, sie ist inkonsequent, und – zweiter Punkt – sie ist ein schrecklicher Eingriff in die Meinungsfreiheit und die Meinungsvielfalt.

Zum ersten Punkt – ich weiß nicht, wie vielen hier es bekannt ist, mir ist es gut bekannt, ich habe in diesem Bereich etliche Jahre gearbeitet –: Es ist ein Prinzip der Wirtschaftsförderung, daß bei Betriebsansiedlungen, bei Betriebssanierungen versucht wird, sogenannte Förderungspakete zu schnüren. Das ist auch im Bereich der Landwirtschaft immer wieder gang und gäbe. Man schnürt Förderungspakete, und man versucht ganz bewußt, verschiedene Förderungsmittel zusammenzuhäufen, um ein möglichst attraktives Angebot für einen Investor zu machen. Da kommen dann Mittel aus dem ERP-Fonds, von der Finanzierungsgarantiegesellschaft, von der Arbeitsmarktverwaltung, von den Ländern und den Gemeinden zusammen – ein attraktives Angebot für einen Investor.

Ich habe nie eine Stimme in der ÖVP dagegen gehört, daß man derartige Förderungskumulierungen auf dem Wirtschaftssektor durchführt, auch wenn es sich um ganz potente Investoren, die das leicht auch so zahlen könnten, handelt. Man will sie anlocken, und da haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aus den verschiedenen Töpfen jede Menge Geld auf den Tisch zu legen.

Das gleiche gilt für die Landwirtschaft. Da gibt es EU-Förderungen, nationale Förderungen. Sie wissen, um wie viele Milliarden Schilling es da geht, Sie wissen, daß das bereits die Hälfte des EU-Budgets ausmacht, und Sie wissen auch, daß diese Gelder – und wir reden nicht von 6 oder 7 Millionen, sondern wir reden von vielen Milliarden – in dunklen Kanälen versanden. Ich habe hier von dieser Seite des Hauses noch kein Wort dazu gehört, und von Ihnen höre ich auch sehr wenig; aber die 6 oder 7 Millionen für kleine Zeitungen, etwa für feministische Zeitungen – das sind sie nämlich, radikal-feministisch, ich glaube, wir brauchen so etwas in Österreich –, werden "zugedreht". Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, wollen offenbar diese Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner nicht führen, das ist Ihnen unangenehm; 6, 7 Millionen, die kann man schon wegstreichen, während für die großen Wirtschaftsunternehmen die Milliarden nach wie vor vorhanden sind. – Meine Damen und Herren, überlegen Sie diese Inkonsequenz!

Zweiter Punkt, und das ist der mir noch wichtigere Punkt: die Meinungsfreiheit. Mein Kollege Andreas Wabl hat es bereits gesagt: Österreich ist – ich bin jedenfalls noch davon überzeugt – ein Rechtsstaat. Aufrufe zum Gesetzesbruch werden von den öffentlichen, von den staatlichen Gerichten geahndet. Meine Damen und Herren! Wenn Sie der Meinung sind, daß Sie über dieser Gerichtsbarkeit stehen, daß Sie befugt sind, dieser Gerichtsbarkeit oder auch dem Verfassungsgerichtshof Zensuren zu erteilen, dann, glaube ich, geht das in eine Richtung, die Ihnen in keiner Weise zusteht – aber mit Deckung der sozialdemokratischen Fraktion! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie sich hier auch den Rufen der ÖVP und der FPÖ anschließen, dann sage ich Ihnen: Ja, ich rufe nach wie vor dazu auf, Befehle, Soldaten gegen Flüchtlinge einzusetzen, nicht zu befolgen. Ich kann das mit meiner Überzeugung als Abgeordnete, als Frau und als Christin nicht vereinbaren. Ich glaube nicht, daß ein faires Asylverfahren vor einem Gewehrlauf beginnen kann. Wenn es eine Aufgabe für Armeen gibt, dann besteht diese nur in der militärischen Landesverteidigung, in der Abwehr von bewaffneten Angriffen, jedoch niemals in der Abwehr von Menschen in Not. Das ist meine Überzeugung, und zu der stehe ich. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin für diese Überzeugung, die ich immer schon geäußert habe, auch als ich noch nicht immun war, vor Gericht gestanden, und ich habe dort recht bekommen. – Mehr noch: Ich habe Klage gegen die Republik Österreich vor dem Verfassungsgerichtshof geführt, Herr Klubobmann Khol, der dieser meiner Klage wegen Beschränkung meiner verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte vollinhaltlich stattgegeben hat. Wem steht es da noch zu, ein Urteil über den Verfassungsgerichtshof, auf den Sie sich so gerne berufen, wenn Sie jetzt über die Familienförderung diskutieren, zu fällen? Ich frage Sie: Mit welchem Maß messen Sie, meine Damen und Herren? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr Khol: Mit dem Maß der Verfassung!)


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Herr Abgeordneter Khol, Sie haben leider nicht zugehört. Mein Aufruf, Militär nicht gegen Flüchtlinge einzusetzen, ist vom Verfassungsgerichtshof gedeckt. Eine dagegen gerichtete Polizeiaktion war verfassungswidrig. Das ist vom Verfassungsgerichtshof ausjudiziert, Herr Klubobmann Khol. Und das ist auch von Ihnen zu respektieren. (Abg. Dr. Khol: Ich respektierte das! – Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Wenn in diesen Budgetbegleitgesetzen davon die Rede ist, daß insbesondere das Medienrecht und das Wehrrecht ernst zu nehmen sind – ich weiß nicht, warum das Wehrrecht eine so besondere Stellung einnimmt –, wenn die Landesverteidigung ernst zu nehmen ist, Herr Klubobmann Khol, wenn die Verfassung ernst zu nehmen ist, dann frage ich Sie: Ist nicht in aller Form auch der Artikel 7 dieser Verfassung ernst zu nehmen? Und wie ist mit Publikationen umzugehen, die verurteilt worden sind, weil sie mehrmals gegen Frauen gerichtete, antifeministische Äußerungen abgegeben haben, und die nicht eine Auflage von ein paar hundert oder ein paar tausend Stück haben, sondern die ein paar Millionen Leserinnen und Leser erreichen? Herr Klubobmann Khol, wenn Sie nicht den Mut haben, die Glossen des Herrn Staberl oder des Herrn Leitgeb, die vielfach verurteilt worden sind, auch einmal zum Gegenstand der Debatte zu machen, dann sage ich Ihnen folgendes: Dann stehen Sie mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt, nicht die Grünen oder irgendwer anderer! (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen noch etwas, und das richte ich wieder vor allem an die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion: Immer wieder führen wir über die Publizistikförderung im Zusammenhang mit dem Budget die Debatte, und immer wieder wird betont, daß wir eigentlich darüber reden sollten, wie weit die Meinungsfreiheit geht und welches Spektrum abzudecken ist. Dürfen nur noch Zeitungen gefördert werden, die in einem sehr reaktionären Sinn für Vaterland, Kaiser – wie es jetzt verstanden wird: NATO – eintreten? Ist das Meinungsfreiheit, wenn die anderen sie nicht mehr haben?

Ich habe mehrmals in der Präsidiale angeregt, diesen Diskurs doch zu führen, eine öffentliche Enquete über Medienförderung, über Presse- und Publizistikförderung abzuhalten. Dann können wir darüber reden, wie mit Medien umzugehen ist, die vielfach verurteilt worden sind. Dann können wir darüber in einer öffentlichen, in einer breit angelegten Enquete mit Beteiligten aus der Medienlandschaft reden.

Wie sind Sie mit diesem Antrag in der Präsidiale und im Hauptausschuß umgegangen? (Ruf bei der ÖVP: Demokratisch!) Sie haben ihn abgelehnt. Sie wollen diese Enquete nicht, weil Sie nach wie vor den Herrschaften, die die mächtigen Zeitungen haben, das Geld – und nichts anderes tun Sie – hinten reinschieben, um sich deren Wohlwollen zu erkaufen. (Abg. Steibl: Was ist das für eine Sprache?) Das ist die Sprache, die Ihnen in dieser Angelegenheit gebührt, weil es die Wahrheit ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums. – Abg. Dr. Khol: Das ist ja unerhört! – Abg. Schwarzenberger: Schämen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Ziehen Sie einmal die Konsequenzen, und lassen Sie eine öffentliche, lange und breite Enquete über Medienvielfalt, über Pressefreiheit und über -förderungen in diesem Hause zu! (Beifall bei den Grünen.)

14.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen, und bitte die Mitarbeiter, die Gänge zwischen den Sitzreihen zu verlassen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 901 der Beilagen.


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Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Haselsteiner, Dr. Nowotny, Dr. Stummvoll und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kier, Dr. Van der Bellen und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Schwarzenberger, Dr. Nowotny und Genossen einen weiteren Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner liegen Verlangen des Abgeordneten Dr. Van der Bellen sowie des Abgeordneten Mag. Trattner auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen beziehungsweise von den Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs abstimmen lassen.

Entsprechend dem Verlangen auf getrennte Abstimmung lasse ich über Artikel 6 in der Fassung des Ausschußberichtes und unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages Schwarzenberger und Dr. Nowotny abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Ich lasse weiters über Artikel 11 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte Sie auch hier um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über Artikel 12 in der Fassung des Ausschußberichtes. Bei Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Ich lasse weiters über Artikel 13 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier, Dr. Van der Bellen und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung von Artikel 14 sowie die Änderung der nachfolgenden Artikelbezeichnungen zum Inhalt hat.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Daher abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über Artikel 14 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 15 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Ich lasse weiters über Artikel 16 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Artikel 18 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.


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Die Abgeordneten Dr. Haselsteiner, Dr. Nowotny, Dr. Stummvoll und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den Titel des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche die Damen und Herren des Hohen Hauses im Falle ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte die Damen und Herren des Hohen Hauses im Falle ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Madl und Genossen betreffend Dreijahresverträge mit Trägern von Familienberatungsstellen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Damit ist das Abstimmungsverfahren beendet.

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (890 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997) (909 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Wenitsch vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten wird angezeigt.

14.16

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe heute näher auf die Gesetzwerdung des AMA-Gesetzes ein, denn immerhin ist dies die dritte große Umstellung innerhalb kurzer Zeit. Das AMA-Gesetz soll in den Verfassungsrang erhoben werden. (Bundesminister Edlinger spricht mit einem Abgeordneten. – Unruhe im Saal.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Dürfte ich um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten! Auch auf der Regierungsbank, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf. (Bundesminister Edlinger reagiert nicht.) – Herr Bundesminister! Der Herr Abgeordnete spricht auch zu Ihnen und das Präsidium im Augenblick auch. – Bitte.

Abgeordneter Robert Wenitsch (fortsetzend): Das AMA-Gesetz soll in den Verfassungsrang erhoben werden. Das heißt, daß jeder Unsinn und jede Ungerechtigkeit durch den Verfassungsrang zum gültigen Gesetz werden und durch den Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben werden können.

Sehr geehrter Herr Minister! Ihr schlechtes Gewissen beim AMA-Gesetz zeigt für mich auch Ihr Verhalten im Landwirtschaftsausschuß am vergangenen Freitag, wo Sie die Fragen der Freiheitlichen betreffend die AMA nicht beantworten wollten, obwohl wir alle miterlebten, daß Ihnen ein zuständiger Beamter Ihres Ministeriums die Antworten übergeben hatte. Das finde ich etwas


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komisch, und das ist für mich ein Skandal, denn Sie behindern damit die Arbeit des Parlaments! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gravierenden Änderungen im AMA-Gesetz sind: erstens die Umstellung von Wirtschaftsjahr auf Kalenderjahr, zweitens die Umstellung von privatwirtschaftlicher Buchhaltung auf Einnahmen-Ausgaben-Rechnung des Staates, drittens ein verschärftes Weisungsrecht des Ministers und viertens – und darauf möchte ich etwas näher eingehen – die Änderung bei den Pensionsrückstellungen der AMA.

Die Republik übernimmt ab Inkrafttreten dieses Gesetzes die Garantie für die Pensionsansprüche der früheren Fondsmitglieder und jetzigen Verwaltungsräte. Angeblich sind das laut Ihren Aussagen, Herr Minister, wohlerworbene Rechte. Wie sind diese Rechte aber zustande gekommen? Die seinerzeitigen Verwalter der Agrarfonds haben mit den Ausgleichsbeträgen, die von Bauern und Konsumenten bezahlt wurden, einen privaten Pensionstopf gespeist. Dieser Pensionstopf wurde trotz Auflösung der alten Agrarfonds in die AMA hinübergerettet. Der angesammelte Betrag, Herr Minister, 400 Millionen Schilling, ist so hoch, daß beinahe mit den Zinsen alleine die Pensionen bezahlt werden können.

Das bestätigt mir auch Präsident Schwarzböck, der in einer Begutachtung zur AMA-Gesetz-Novelle folgendes schreibt: "Die Auflösung der Pensionsrückstellungen führt in der Folge auch zu einem Einnahmenentgang aus Zinsen, die bisher zu leistende Ansprüche weitgehend gedeckt haben." – Kein Wunder also, daß Herr Finanzminister Edlinger – er ist leider nicht mehr da – begehrliche Blicke auf dieses Geld geworfen und auch erreicht hat, daß dieser Pensionsfonds nicht mehr der Agrarbürokratie der AMA untersteht, sondern dem Budget eingegliedert wird.

Herr Minister! Ich frage Sie hier noch einmal: Was geschieht mit diesen 400 Millionen Schilling? Sie sprachen im Ausschuß davon, daß dieser Betrag zur Finanzierung der Verwaltungskosten der AMA herangezogen wird. Diese Verwaltungskosten betrugen im Vorjahr 324,6 Millionen Schilling und heuer 346,5 Millionen Schilling. Für das Jahr 1998 sind unter diesem Posten allerdings nur 1 000 S verbucht. Das ist ja sehr interessant: Wir kommen von 346 Millionen Schilling auf 1 000 S!

Allerdings hat man im Abänderungsantrag zu Kapitel 60 der Abgeordneten Nowotny und Co 60 Millionen Schilling veranschlagt, aber das sind noch immer um zirka 280 Millionen weniger als in den beiden Vorjahren.

Herr Minister! Aus welchem Grund glauben Sie, daß sich die Verwaltungskosten von 346 Millionen auf 60 Millionen reduzieren werden? Wohin verschwinden die restlichen 340 Millionen Schilling aus dem Pensionstopf der AMA? Was passiert, wenn alle Rücklagen aus diesem Pensionstopf aufgebraucht sind? Müssen dann die Bauern mit höheren Marketingbeiträgen rechnen, um diese Verwaltung der AMA auch in Zukunft zu finanzieren?

Meine Damen und Herren! Sie schaffen mit Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz wieder ein Privileg, denn der Bund übernimmt mit diesem Gesetzesbeschluß die Haftung für Zweit- und Drittpensionen von Leuten, die ohnehin schon genug Geld gescheffelt haben! Wie hoch diese Pension ist, konnte uns der Herr Minister leider nicht sagen. Ich, Herr Minister, kann Ihnen jedoch sagen, wie hoch die durchschnittliche Pension eines Bauern im Jahr 1996 gewesen ist, nämlich 7 502 S pro Monat, und das ist für mich ein Skandal!

Herr Kollege Schwarzenberger – Herr Kollege Schwarzböck ist ja leider nicht hier –, Sie beschließen heute ein Gesetz, mit dem Gelder, die von Bauern bezahlt wurden, einfach im großen Budgetloch verschwinden, anstatt diese 400 Millionen den Bauern direkt zuzuführen.

Herr Bauernbundpräsident Schwarzenberger! Sie stellten persönlich den Antrag auf Kürzung der ÖPUL-Gelder für unsere Bauern. Das bedeutet für die Bauern Einkommenseinbußen von im Durchschnitt rund 1 000 S pro Hektar. Warum Sie als Bauernbundpräsident diesen Antrag hier im Hohen Haus einbrachten, ist mir noch immer ein Rätsel, aber das werden Sie den Bauern in Zukunft erklären müssen.


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Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie beschlossen ein Sozialversicherungsgesetz, das für die Bäuerinnen und Jungbauern schwere Nachteile bedeutete! Sie sind dafür verantwortlich, daß Österreichs Bauern den höchsten Dieselpreis in der EU bezahlen müssen. Er ist nämlich doppelt so hoch, Herr Minister, wie der Durchschnittspreis in der EU, wenn man die Rückerstattungen und Beihilfen in den anderen EU-Ländern mit berücksichtigt. Sie lassen zu, daß durch die Ungerechtigkeit bei der Mehrwertsteuer die Bauern inzwischen 1,75 Milliarden Schilling verloren haben. Und in solch einer Situation gehen Sie her und betreiben Budgetsanierung auf dem Rücken der Bauern!

Herr Minister Molterer! Im Ausschuß vergangenen Freitag, als es um die Pensionsrechte der Vorläuferorganisationen der AMA ging, sagten Sie, daß es für Sie ein politisches Credo sei, nicht in bestehende Pensionsrechte einzugreifen. Diese politische Anständigkeit hätte ich mir von Ihnen auch gewünscht, als es hier im Hohen Haus um die Pensionsreform der Bauern ging. Und diese politische Anständigkeit hätte ich mir von Ihnen gewünscht, als es um die Kürzung der ÖPUL-Gelder für unsere Bauern ging, wo die Regierung einseitig aus dem Vertrag, den sie den Bauern zugesagt hat, ausstieg.

Herr Minister! Diese ÖPUL-Gelder wurden unseren Bauern von der österreichischen Bundesregierung und Ihnen persönlich für fünf Jahre garantiert. Bauernbundpräsident Schwarzenberger hat die österreichische Bauernschaft verraten – das ist schon in Ordnung, das muß er sich selbst mit den Bauern ausmachen. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Achs: Das ist nicht in Ordnung!) Die Interessenvertretung der Bauern, an der Spitze Kammerpräsident Schwarzböck, hat bei diesem Verrat an den Bauern mitgespielt! Ich habe hier keinen Aufschrei der Kammer gehört! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und Sie, Herr Minister, haben durch die Duldung dieses Verrates Ihr Wort gegenüber dem Staatsbürger Bauer endgültig gebrochen. – Danke. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.24

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn irgend jemand die Bauern verraten hat, so ist es der "F"-Obmann Haider, das beweist seine letzte Aussage im "trend". Dem Parteivorsitzenden wurde von seiten des "trend" folgende Frage gestellt: Rund 60 Prozent der EU-Subventionen werden für den Agrarbereich aufgewendet. Halten Sie diese Aufteilung gegenüber Klein- und Mittelbetrieben für zeitgemäß und fair? – Abgeordneter und FPÖ-Führer Haider hat darauf geantwortet: Die FPÖ ist grundsätzlich gegen Subventionen und im Gegenzug für niedrige Steuern. Damit werden Sie Klein- und Mittelbetriebe sichern können! Den Bauern sind diese Förderungen versprochen worden, und deswegen werden wir diese Förderungen auch verteidigen! (Beifall der Abg. Tichy-Schreder. )

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Offensichtlich hat Abgeordneter Wenitsch das System der Agrarmarkt Austria gar nicht verstanden, denn sie ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, hat ihren Sitz in Wien und drei Außenstellen, und zwar in Graz, Linz und Innsbruck. Diese Agrarmarkt Austria ist beauftragt, die EU-Marktordnungen und die Interventionen zu vollziehen.

Und wenn hier den 400 Millionen an Rücklagen nachgetrauert wird, dann möchte ich Ihnen sagen: Diese Gelder stehen für die Verwaltungskosten im nächsten Jahr zur Verfügung, und aus diesem Grund sind diese Verwaltungskosten im Budget nicht mehr vorgesehen. Das heißt, die Gelder, die im Budget für die Landwirtschaft vorgesehen sind, können zur Gänze für die Landwirtschaft aufgewendet werden.

Aus dem Jahresbericht 1996 der AMA geht hervor, daß allein die Landwirte 370 000 Anträge auf Ausgleichszahlungen gestellt haben, und die Agrarmarkt Austria war in der Lage, diese Anträge


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auch zu kontrollieren, sie richtliniengemäß zu vergleichen und die Gelder auch auszubezahlen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, es gibt keine Stelle in Österreich, die so streng und so scharf kontrolliert wird wie diese Agrarmarkt Austria. Sie wurde im heurigen Jahr vom EU-Rechnungshof, vom österreichischen Rechnungshof, von der Finanzkontrolle der Kommission, aber auch von der Revision des Landwirtschaftsministeriums insgesamt bereits 27 Wochen lang geprüft. Also hier wird von verschiedensten Seiten wirklich genau kontrolliert, daß die Auszahlungen gesetzeskonform und richtlinienkonform vonstatten gehen.

Unverständlich, meine sehr geschätzten Damen und Herren, ist mir schon die Forderung von Abgeordnetem Reichhold, die er bei der Beschlußfassung im Landwirtschaftsausschuß aufgestellt hat. Er hat verlangt, daß die Landwirtschaftskammer nicht mehr als Einreichstelle für diese 370 000 Anträge fungieren sollte – er hat das mit einer gewissen Befangenheit begründet. Die Bauern schütteln darüber nur den Kopf, denn wo können sie besser beraten werden als bei der Einreichstelle, nämlich den Bezirksbauernkammern und der Landwirtschaftskammer?

Es kann sein, daß es in Kärnten jetzt zu gewissen Schwierigkeiten gekommen ist, weil mit Hilfe der FPÖ in Kärnten gegen die Stimmen der ÖVP die Bezirksbauernkammern aufgelöst worden sind und der Weg zur Landwirtschaftskammer natürlich wesentlich weiter ist, als wenn man im eigenen Verwaltungsbezirk zur Bezirksbauernkammer gehen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie als Vizepräsident der Landwirtschaftskammer fordern, daß diese, wo sie doch die Interessenvertretung der Bauern ist, nicht mehr als Einreichstelle dienen soll, dann ist das sehr bezeichnend. Sie hat erst im vergangenen Jahr ihre Bezirksbauernkammern mit EDV-Einrichtungen ausgestattet, wodurch es in den Jahren 1996 und 1997 wesentlich weniger Fehlerquellen gegeben hat, als es noch im Jahre 1995 der Fall war, als die Anträge in Turnsälen gestapelt und von den Außenstellen der AMA aufgearbeitet werden mußten. Ich glaube, hier handeln wir auch im Interesse der Bauern, wenn wir danach trachten, daß die Landwirtschaftskammer weiterhin als Anlaufstelle und Beratungsstelle in den sicherlich schwierigen Fragen dieser EU-Ausgleichszahlungen fungieren kann.

Da im kommenden Jahr ein sogenanntes ÖPUL 98 nicht nur für vier Jahre, sondern wieder für weitere fünf Jahre die Förderungen garantiert (Beifall bei der ÖVP) und auch Beratung notwendig ist, ob man von ÖPUL 95 auf ÖPUL 98 umsteigen soll, ist es unbedingt erforderlich, die Landwirtschaftskammern auch weiterhin als Einlaufstellen beizubehalten. (Beifall bei der ÖVP.)

14.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.30

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich teile die Auffassung meines Vorredners, daß die AMA sehr streng kontrolliert worden ist, aber wahrscheinlich war das auch notwendig. Nicht umsonst ist jetzt in dieser Novelle, im § 19 Abs. 3, vorgesehen, daß im Zuge des Finanzplanes, der zu erstellen ist, auch ein Personalplan aufzustellen ist, der die zulässige Anzahl der Bediensteten der AMA festzulegen hat. Dann – und das macht uns Liberale immer etwas nachdenklich – ist noch angefügt: Hiebei – nämlich bei der Erstellung dieses Personalplanes – dürfen Planstellen nur in der Art und Anzahl vorgesehen werden, die zur Bewältigung der Aufgaben der AMA zwingend notwendig sind.

Wenn man es offenbar als notwendig erachtet, das in ein Gesetz hineinzuschreiben, was ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dann wird doch indirekt damit gesagt, daß es bei der AMA auch Planstellen gibt, die für die Erledigung der Arbeit eben nicht notwendig sind, daß offenbar andere Intentionen, andere Aufgaben ebenfalls in diesen Bereich hinein verlagert worden sind. Insofern ist also klar, daß offenbar auch ein Bedarf bestanden hat, die AMA sehr intensiv zu kontrollieren.


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Wir sind, was diese Konstruktion angeht, Herr Bundesminister, deshalb mißtrauisch, weil auch aus dem Zitat, das ich Ihnen jetzt aus dem § 19 Abs. 3 gebracht habe, klar hervorgeht, daß all diese Institutionen gerade auch im Bereich der Landwirtschaft dazu neigen, daß sie mit anderen Aufgaben überfrachtet werden, daß quasi andere Dinge, die nicht zu ihrem ursprünglichen Aufgabenbereich gehören, mit geregelt werden und erledigt werden. Wir halten das nicht für richtig.

Ich nehme aber nicht an, daß das der wesentliche Bereich war, den ich hier angeführt habe, sondern zentral ist wohl vor allem, daß es für den Haushalt 1998 eine wesentliche Änderung gibt. Herr Abgeordneter Schwarzenberger hat schon recht, daß der Abgeordnete Wenitsch offenbar nicht einmal das Vorblatt der Novelle genau gelesen hat. Dort steht nämlich ausdrücklich drinnen, daß die Auflösung der Pensionsrückstellungen bei der Erstellung des Bundesvoranschlages 1998 – in Klammer: Verwaltungsaufwand der AMA – Berücksichtigung finden wird. Damit ist aber auch klar, Herr Abgeordneter, daß man diese Pensionsrückstellungen deshalb auflöst, um im Jahr 1998 einen Budgeteffekt zu erzielen. Wahr ist aber, daß die Verpflichtungen betreffend die Pensionen aufrechtbleiben und dann umso härter in zukünftigen Budgets zu Buche schlagen werden.

Also insofern ist das eigentlich nur eine Rechenumstellung, die man gemacht hat, damit die Zahlen im Jahr 1998 verbessert werden, ich will nicht einmal sagen geschönt werden, aber sie werden verbessert. Die Lasten, die aber dennoch damit verbunden sind, deretwegen man diese Rückstellungen ja gemacht hat, werden in zukünftigen Budgets zu Buche schlagen.

Und jetzt sind wir wieder genau an dem Punkt, daß diese Bundesregierung, diese Koalition zwar auf einen Generationenvertrag pocht, aber nicht bereit ist, eine Generationenbilanz zu erstellen. Denn genau jene Personen, die, so wie ich, Mitte Dreißig sind, werden diese Lasten, die einfach auf zukünftige Budgets verschoben werden, in vermehrtem Ausmaß zu tragen haben.

Das ist einer der entscheidenden Gründe dafür, daß diese Novelle jetzt gerade in der Zeit der Budgeterstellung gemacht wird. Sie ist nicht fair, weil da Gelder, die zurückgestellt worden sind, für Verpflichtungen, die bereits absehbar sind, genommen werden, um jetzt einen Budgeteffekt zu bewirken. Das bedeutet aber, daß diejenigen, die die zukünftigen Budgets zu machen haben, das irgendwie unter den Hut bringen müssen. Zahlen werden es aber jene, die jetzt Mitte Dreißig sind, und eine solche Vorgangsweise lehnen wir entschieden ab. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich darf noch schnell drei andere Punkte anführen. Das Durchgriffsrecht des Herrn Landwirtschaftsministers auf den Vorstand wird verstärkt, aber nichtsdestoweniger, meine Damen und Herren, haben die Abgeordneten dieses Hauses in der AMA kein Interpellationsrecht. Sie ist zwar eine Körperschaft öffentlichen Rechts, sie ist zwar ausgegliedert und nicht privatisiert, aber wir haben nicht die Gelegenheit, nachzufragen, was dort geschieht. Obwohl Sie es für notwendig halten, hineinzuschreiben, daß nicht mehr Stellen im Plan vorgesehen werden dürfen, als für die Erledigung der Aufgaben notwendig sind, also obwohl es dort offenbar recht bunt zugeht, wenn es um die Erledigung auch anderer Aufgaben geht, haben wir nicht die Möglichkeit, nachzufragen: Was ist dort passiert? Wie geht das?

Das Durchgriffsrecht des Landwirtschaftsministers auf den Vorstand wird gestärkt, das Interpellationsrecht der Abgeordneten ist nach wie vor nicht gegeben.

Wir sehen auch die Gefahr, meine Damen und Herren – und hier beziehe ich mich auf den § 28b –, daß es durch die Übernahme von Dienstleistungen, die von der AMA erledigt werden, zu Quersubventionierungen kommen kann, was jedenfalls eine Störung des Marktes für diese Dienstleistungen bedeuten kann.

Meine Damen und Herren! Die Weitergabe von personenbezogenen Daten an Dritte, die im § 40 Abs. 2 bis 4 geregelt ist, ist nach unserer Auffassung zu weitgehend. Wir glauben, daß die Notwendigkeiten des Datenschutzes hintangestellt werden, um das quasi einfacher und leichter erledigen zu können.


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Insgesamt, meine Damen und Herren, stört uns aber an dieser Novelle, daß Sie durch die Auflösung von Pensionsrückstellungen einen Einmaleffekt für das Budget 1998 vorsehen und die Lasten, die damit verbunden sind, in den zukünftigen Budgets zu Buche schlagen werden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.35

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Agrarmarkt Austria hat ihre Tätigkeit als Marktordnungsstelle und Agrarmarketingeinrichtung am 1. Juli 1993 aufgenommen. Sie wurde als EU-konforme Institution eingerichtet und mit der Zielsetzung konzipiert, als dienstleistungsorientierte Organisation für die österreichische Agrarwirtschaft zu arbeiten.

Obwohl die Vorbereitungszeit bis zum EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 sehr knapp war, ist es gelungen, eine schlagkräftige, verwaltungsorientierte Organisation, die auch den EU-Regeln entspricht, auf die Beine zu stellen. Durch die AMA wurden 20 von insgesamt 22 Marktordnungen abgewickelt und nahezu alle agrarischen Förderungsmittel ausbezahlt.

Meine Damen und Herren! Die AMA ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Ihre wichtigsten Aufgaben sind: Vollziehung der Marktordnungen, Abwicklung von Förderungsmaßnahmen, zentrale Markt- und Preisberichterstattung, Maßnahmen zur Qualitätssteigerung, Förderung des Agrarmarketings. Im obersten Organ der AMA, dem Verwaltungsrat, sind die Sozialpartner vertreten, was einen Interessenausgleich aller beteiligten Berufsgruppen, von den Bauern bis hin zu den Konsumenten, garantiert.

Nach dem EU-Beitritt, der unter enormem Zeitdruck bewältigt wurde, kann man nunmehr im dritten Jahr der Mitgliedschaft eine starke Effizienzsteigerung der Ablauforganisation feststellen. Zeitdruck bei der Tätigkeit der AMA besteht aber nach wie vor, da gewisse Entscheidungen zur Umsetzung neuer Maßnahmen teils von Brüssel, aber auch vom Bundesministerium für Landwirtschaft relativ spät vor Inkrafttreten erfolgen und die Beauftragung der AMA entsprechend lang auf sich warten läßt.

Der größte Aufgabenbereich der AMA, die EU-Ausgleichszahlungen für alle agrarischen Bereiche, dominierte in den letzten Jahren die Tätigkeit der AMA und stellte hohe Anforderungen an alle dort Beschäftigten. Meine Damen und Herren! Wir haben es heute schon gehört: Allein von den Bauern wurden im heurigen Jahr 354 000 Anträge gestellt, wobei ein Förderungsvolumen von rund 21 Milliarden Schilling ausbezahlt wurde.

Dazu kommen noch zahlreiche Aktivitäten der AMA, wie zum Beispiel Erstellung von Ein- und Ausfuhrlizenzen, Interventionsmaßnahmen, Quotenverwaltungen und vieles mehr. Besonderes Augenmerk wird auch auf die Information der Wirtschaftsbeteiligung gelegt, die speziell im Außenhandelsbereich und bei Marktstützungsmaßnahmen große Priorität hat. Die Bemühungen der AMA haben letztlich dazu geführt, daß nunmehr die uneingeschränkte Zulassung als Zahlstelle durch die interne Revision des Bundesministeriums für Landwirtschaft und die Behörden aus Brüssel erfolgt.

Wir haben es heute schon gehört: Internationale Prüfstellen bescheinigen der AMA nicht nur eine effiziente Arbeitsleistung, sondern auch im Vergleich mit anderen EU-Marktordnungsstellen eine kostengünstige Verwaltungstätigkeit.

Im Zusammenhang mit den Kontrollen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die AMA, wie bereits der Herr Präsident gesagt hat, wahrscheinlich die bestkontrollierte Organisation in Österreich ist. Das AMA-Gesetz sieht die Tätigkeit eines Kontrollausschusses vor, der laufend dem Verwaltungsrat über die von ihm durchgeführten Kontrollen Bericht erstattet. Daneben ist die Staatsaufsicht des Bundesministeriums für Landwirtschaft im Verwaltungsrat und in allen Fachbeiräten vertreten. Weiters wird die finanzielle Gebarung von einem Wirt


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schaftsprüfer überprüft. Gemäß den Regelungen und Erfordernissen der EU hat die AMA einen internen Revisionsdienst errichtet, der als Anlaufstelle für alle externen Prüfdienste funktioniert.

Sowohl der österreichische Rechnungshof als auch der europäische Rechnungshof prüfen laufend die Abwicklung der Maßnahmen. Die Buchhaltung und die Außenrevision des Bundesministeriums für Landwirtschaft sind de facto als laufende begleitende Kontrolle bei Auszahlungen tätig.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang darf man auch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für Landwirtschaft nicht vergessen, der besonders strenge Kontrollen bezüglich des Mittelflusses aus der EU durchführt.

Aus der Aufzählung der kontrollierenden Organisationen können Sie erkennen, daß die AMA tatsächlich die bestgeprüfte Organisation in Österreich ist. Natürlich geschehen auch da Fehler, aber das Landwirtschaftsministerium tut sicherlich alles, um Fehler hintanzuhalten beziehungsweise auszumerzen.

Die AMA selbst hat die Aufgabe – die nicht immer ganz leicht ist –, die Rechtmäßigkeit aller Förderungsabwicklungen zu überprüfen. In Summe gab es im abgelaufenen Jahr rund 45 000 Prüfkontakte im Rahmen der Abwicklung der EU-Maßnahmen und bei verschiedenen flankierenden Maßnahmen. Eine ähnlich hohe Anzahl ist für 1997 zu erwarten.

Meine Damen und Herren! Zu der zum Beschluß vorliegenden AMA-Gesetz-Novelle 1997 ist zu sagen, daß es sich im wesentlichen um Adaptierungen im Bereich der Buchhaltung der AMA handelt. Von der bisherigen Form der Bilanzlegung nach dem Rechnungslegungsgesetz sollen in Zukunft die Grundsätze der Kameralistik, die auch vom Bund angewendet wird, übernommen werden. Ebenso wird die AMA zur Übernahme von Aufträgen ermächtigt, zum Beispiel von den Ländern, die in engerem Zusammenhang mit dem Wirkungsbereich der AMA stehen, was sicherlich Synergien mit sich bringen wird.

Grundsätzlich ist die AMA-Gesetz-Novelle notwendig, da sie den aktuellen Erfordernissen einer modernen Verwaltung entspricht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Abg. Wabl: Aumayr, bitte für mich sprechen!)

14.42

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Wieso sprichst du nicht? (Abg. Wabl deutet auf seinen Hals.) Ich werde mich bemühen.

Herr Präsident! Herr Minister! Es spricht also die Freiheitliche Partei mit Aumayr und die Grüne Partei mit Wabl. (Heiterkeit.)

Herr Bundesminister! Für diese AMA-Gesetzesänderung gibt es an und für sich überhaupt kein anderes Argument, als daß das Budget frisiert werden soll. (Abg. Tichy-Schreder: Der Tonfall ist schon etwas eigenartig!) Mit der Auflösung der Pensionsrückstellungen wird nur für 1998 ... (Abg. Gradwohl steht bei Bundesminister Mag. Molterer an der Regierungsbank.) Herr Kollege Gradwohl! Seien Sie bitte so lieb und stören Sie jetzt die Debatte nicht. Sie können ja mit dem Herrn Minister nach der Debatte weitersprechen. (Bundesminister Mag. Molterer: Er steht ja nur da!) Sie können sich ja zu Wort melden, aber es ist unerträglich, wenn, während eine Rednerin hier am Pult spricht, auf der Regierungsbank Gespräche geführt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist auch sehr unhöflich, Herr Kollege Gradwohl, das bin ich von Ihnen nicht gewohnt. (Abg. Gradwohl: Ich werde mich Ihrem Wunsch entsprechend ruhig verhalten!) Danke sehr. (Abg. Grabner: Erlaubt ist es nur, wenn eure Leute dort stehen!) Nein, von uns steht niemand da während einer Debatte. Nein, wirklich nicht, Herr Kollege! Das ist nämlich einfach unhöflich.


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Herr Bundesminister! Sie bringen für 1998 Ihr Budget auf Maastricht-Kurs mit diesem Deal, aber was ist, bitte schön, mit dem Jahr 1999, mit dem Jahr 2000? Da können Sie dann nicht mehr Pensionsrückstellungen für Ihre Verwaltungskosten aufwenden. Da haben Sie dann nicht mehr 300 oder 350 Millionen als Rücklagen zur Verfügung. Ich glaube beziehungsweise vermute, daß Sie dann wahrscheinlich die Marketingbeiträge für die Bauern erhöhen werden.

Es ist wirklich ein starkes Stück, Herr Minister, daß Sie diese Pensionsrücklagen, die eigentlich auch die Bauern bezahlt haben, jetzt dazu verwenden, eigene Kosten zu sparen, anstatt endlich einmal die Marketinggebühren für die Bauern zu senken. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Zwei Jahre lang könnten Sie die Marketingbeiträge halbieren, wenn Sie diese 340 oder 350 Millionen Schilling Pensionsrücklagen für die Bauern verwenden würden, aber die Bauern, Herr Bundesminister, interessieren Sie überhaupt nicht. Sie interessiert einzig und allein das Erreichen der Maastricht-Kriterien, koste es, was es wolle.

Wie sonst, Herr Bundesminister, ist es zu erklären, daß Sie rund 1 Milliarde von EU-Rückflüssen an den Bauern vorbei in die Taschen des Finanzministers geschoben haben? Wie sonst, Herr Bundesminister, ist es zu erklären, daß die bis heute ungelöste Mehrwertsteuerfrage für die Bauern Jahr für Jahr einen Schaden von 1,2 Milliarden Schilling bedeutet? Sie haben die Lösung dieser Frage seit langem versprochen, aber bis heute haben Sie das nicht geregelt. Jahr für Jahr schädigen Sie die Bauern um 1,2 Milliarden Schilling.

Herr Bundesminister! Wie sonst ist es zu erklären, daß Sie tatenlos zuschauen, wenn die österreichischen Bauern einen der höchsten Betriebsmittelpreise in der EU bezahlen, die höchsten Treibstoffpreise, die höchsten Dieselpreise?

Herr Bundesminister! Sie schauen auch tatenlos zu, wie jetzt die Mitversicherung für die bäuerlichen Familienangehörigen entfällt. Wissen Sie, Herr Bundesminister, was dieser Entfall der Subsidiarität für die Bauern bedeutet? Wissen Sie, Herr Bundesminister, was das für die Jungunternehmer, was das für die Bäuerinnen bedeutet? Die Sozialversicherungsbeiträge für die Bauern werden erhöht, und von der Bäuerinnenpension, Herr Bundesminister, bleiben nur mehr Fragmente. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es herrscht völliges Chaos bei der Krankenkasse. Der Vertrag der Sozialversicherung der Bauern mit der Ärztekammer, der den Bauern Jahr für Jahr Hunderte Millionen Schilling gekostet hat, nur damit Sie Ihrer schwarzen Ärztekammer gefällig werden, dieser Vertrag ist jetzt aufgelöst. Die Bauern stehen jetzt vor dem Nichts. Sie können weder mit einem Krankenschein zum Arzt gehen ... (Abg. Schwarzenberger: Für die Bauern ändert sich überhaupt nichts!) Die Ärzte nehmen den Krankenschein nicht an, Herr Kollege Schwarzenberger. Sie wissen es wahrscheinlich überhaupt noch nicht. (Abg. Schwarzenberger: Die haben bisher schon beim Arzt bezahlen müssen und haben 80 Prozent zurückerstattet bekommen!)

Herr Kollege Schwarzenberger! Ihr Kollege Auer forderte 1995, im August 1995, kurz vor der Nationalratswahl: Den bäuerlichen Familien können keine weiteren Belastungen zugemutet werden! Wir stellen uns daher entschieden gegen das Ansinnen des Sozialministers Hums, die Beiträge zur Sozialversicherung anzuheben! Die Beitragsbelastungen der Bauern sind im Wege der jährlichen Anpassung in der Zeit von 1992 bis 1994 ohnehin um 16 Prozent gestiegen, meinte Auer damals. (Abg. Schwarzenberger: Sie haben die Rede von morgen! Heute beschließen wir ja das AMA-Gesetz! Morgen ist das ASVG auf der Tagesordnung!) Nein, ich habe nicht die falsche Rede! Um mich brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Sie stimmen falsch ab, Herr Kollege Schwarzenberger! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Heute ist das AMA-Gesetz auf der Tagesordnung!)

Herr Bundesminister! Schützend stehen Sie aber vor den Pensionsansprüchen der Herrschaften aus den Getreidewirtschaftsfonds, aus dem Milchwirtschaftsfonds und aus dem Mühlenfonds. Da stehen Sie schützend davor: vor wohlerworbenen, sozialpartnerschaftlich, rot-schwarz geschaffenen hohen und höchsten Pensionen, vor Zweit- und Drittpensionen für diese Herrschaften, während Sie, Herr Minister, keinen einzigen Ton sagen zur Durchschnittspension der Bauern. 7 800 S beträgt die Durchschnittspension eines Bauern! Aber darüber verlieren Sie kein


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Wort, Herr Bundesminister. Für die Pensionsansprüche der Fondsangestellten, der Beamten, übernimmt der Herr Finanzminister jetzt auch noch die Haftung, während bei den Bauern, Herr Bundesminister, Herr Kollege Schwarzböck und Herr Kollege Schwarzenberger, die Pfändungen laufen, weil sie die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr bezahlen können. Das kostet Sie nur einen Lacher, ich weiß das.

Sie verwenden die Rücklagen, um sich die AMA-Beiträge zu ersparen, und zwar nur für ein Jahr zu ersparen, Herr Bundesminister. Sie haben aber keinen Genierer, keine Hemmungen, Marketingbeiträge von den Bauern zu verlangen, zum Beispiel von den Gemüsebauern. Da werden Marketingbeiträge nach Hektar berechnet, sie sind nach Hektar zu bezahlen, ganz egal, ob die Ernte verdorben ist, ob eine Dürre gewesen ist, ob und zu welchem Preis die Bauern ihre Produkte überhaupt verkaufen können. Sie haben Marketingbeiträge zu bezahlen. Ständig sinkende Preise – aber die Marketingbeiträge an die AMA, die bleiben gleich hoch. Wissen Sie, was das ist? – Das sind Schutzgeldzahlungen, Herr Kollege Schwarzenberger (Beifall bei den Freiheitlichen), Schutzgeldzahlungen, so wie bei der Mafia! 440 Beamte in der AMA, Vorstände, Verwaltungsrat, Bürokratie über Bürokratie, immer mehr hochbezahlte Beamte verwalten immer weniger schlechtverdienende Bauern. Das ist Ihre Agrarpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Gredler gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete. Die Geschäftsordnungsbestimmung ist Ihnen bekannt.

14.50

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Vielen Dank, Herr Präsident.

Meine Vorrednerin, Abgeordnete Aumayr, hat im Zusammenhang mit den gekündigten Verträgen mit der Bauernkasse gesagt, die Bauern stünden vor dem Nichts. So war der Wortlaut.

Ich berichtige tatsächlich, daß die Bauern selbstverständlich nach wie vor von den Ärzten behandelt werden. Die Empfehlung der Ärztekammer lautet, sich an die Tarife, die ausgehandelt worden sind, zu halten, in Einberechnung von 4,5 Prozent, die im Zuge der Mehrwertsteuerumstellung sozusagen von der Bauernkasse akzeptiert worden sind.

Daher würde ich sagen, daß sie nicht vor dem Nichts stehen, sondern daß sie als Privatpatienten unter denselben Bedingungen behandelt werden, wie sie vorher behandelt worden sind. (Abg. Aumayr: Aber nicht die Privatpatienten!) Ich weiß, daß viele Ärzte diese Situation selbstverständlich nicht ausnützen werden. (Abg. Aumayr: Ja! Sehr viele!) Aufklärungsbedürftig hingegen ist die Vorgangsweise des Ministerrates, in bestehende Verträge hineinzufahren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Schrefel vor. – Bitte.

14.51

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Die Regierungsvorlage, mit der das Agrarmarkt-Austria-Gesetz 1992 geändert wird, wurde am vergangenen Freitag mit den Stimmen der Koalitionsparteien im Landwirtschaftsausschuß beschlossen.

Hiebei handelt es sich keinesfalls um eine Eingliederung in das Landwirtschaftsministerium, wie vielfach von der Opposition behauptet wurde. (Abg. Ing. Reichhold: Von der Arbeiterkammer! Nicht von der Opposition!) Es handelt sich vielmehr um eine Anpassung des Rechnungswesens der AMA an jenes des Bundes. Da die Bedeckung des Verwaltungsaufwandes der AMA durch den Bund erfolgt, ist eine Akkordierung der zeitlichen Abfolge zwischen Finanzplanung und Jahresabschluß der AMA und Erstellung des Bundesvoranschlages vorzusehen.


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Meine Damen und Herren! Diese Anpassung des Rechnungswesens wird mehr Transparenz und eine bessere Nachvollziehbarkeit der Abwicklung von Geldflüssen aus der EU, aus den Bundes- und Landeshaushalten an die Landwirte zur Folge haben. Umso verwunderlicher ist die Haltung der Freiheitlichen, die im Ausschuß gegen die Novelle gestimmt und ihre Ablehnung mit fehlender Transparenz und angeblichem Fehlen wichtiger Informationen über die Tätigkeit der AMA begründet haben.

Frau Kollegin Aumayr! Es ist wohl auch für die Bauern ein erstrebenswertes Ziel, die Maastricht-Kriterien zu erreichen. Gerade ein harter Ecu ist für die landwirtschaftlichen Exporte und für unsere Betriebe von existentieller Bedeutung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ganz zu schweigen ist von der Abwesenheit der Liberalen und der Grünen im Agrarausschuß. Die Grünen haben sich heute anscheinend sogar von der Rednerliste streichen lassen. Sie haben durch ihre Abwesenheit vermutlich fehlendes Interesse an der Novelle signalisiert.

Mit der vorgeschlagenen Neuregelung sind keine administrativen Mehrkosten verbunden. Die Auflösung der Pensionsrückstellungen findet bei der Erstellung des Bundesvoranschlages für das Agrarressort Berücksichtigung und dient der Finanzierung des Verwaltungsaufwandes. (Abg. Aumayr: Für wie viele Jahre, Herr Kollege? – Abg. Schwarzenberger: Das können Sie der Regierungsvorlage entnehmen!) Der Bund übernimmt im Gegenzug die Pensionshaftung. (Abg. Aumayr: Ein Jahr! Sagen Sie das dazu!) Das steht in der Regierungsvorlage. (Abg. Zweytick: Vier Jahre! Wissen Sie das nicht?)

Meine Damen und Herren! Weiters wird im § 21 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Organe der AMA-GesmbH bei der Haushaltsführung die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu beachten haben. Außerdem wurde in einem ÖVP-SPÖ-Abänderungsantrag eine Adaption im Zusammenhang mit dem Weisungsrecht dahin gehend verlangt, daß der Bundesminister bei Nichtbefolgung von Weisungen Sanktionsmöglichkeiten haben soll.

Weiters wurde zu § 18 Abs. 1 in einer Ausschußfeststellung bemerkt, daß trotz Änderung des § 18 Abs. 1 die Einschaltung von Wirtschaftsprüfern zur Prüfung des Jahresabschlusses dem Vorstand sowie dem Verwaltungsrat der AMA weiterhin möglich ist.

Unsere Fraktion wird daher dieser Novelle und diesem wichtigen Instrument für die Förderung unserer Land- und Forstwirtschaft sowie der Vermarktung unserer landwirtschaftlichen Produkte gerne die Zustimmung erteilen, Frau Kollegin Aumayr! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koller.

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter Koller hat eine Redezeit von 8 Minuten. Da der Herr Bundeskanzler unterwegs ist und sich verspätet, würde ich vorschlagen, daß wir, falls Herr Kollege Koller die Redezeit von 8 Minuten ausschöpft und daher ein wenig bis nach 15 Uhr spricht, ihn doch ausreden lassen. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Ja, das ist ein guter Vorsitzender!)

14.55

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ganz zu Beginn des AMA-Gesetzes steht die Zauberformel dieser Republik, die Verfassungsklausel: Mit Zweidrittelmehrheit wird alles gültig.

Es ist schon bezeichnend. Wir Freiheitlichen fordern seit Jahren die verfassungsmäßige Absicherung des Weiterbestandes der österreichischen Bauernschaft, die gefährdet ist wie nie zuvor. Hier wird diese Zauberformel angewendet. Die Bürokratie der AMA wird verfassungsmäßig abgesichert, die Existenz der Bauern aber nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Sehr geehrter Herr Minister! Im Ausschuß haben wir Sie aufgefordert, mündlich zu antworten. Es wäre aus Gründen der Fairneß richtig gewesen, diese Antworten mündlich zu geben, da Beamte Ihres Ressorts anwesend waren. Aber trotzdem herzlichen Dank dafür, daß wir die Antworten schriftlich nachgereicht bekommen haben.

Es gibt die Agrarmarkt Austria und die AMA-Marketing-GesmbH. Wer sitzt jetzt im Verwaltungsrat der AMA? – Herr Präsident Gerhard Wlodkowski (Abg. Großruck: Der Gorbatschow!), Herr Dipl.-Ing. Richard Kaiser, Herr Dr. Klaus Wejwoda und Herr Bürgermeister Bernhard Wolfram. Als Ersatzmitglied, siehe da, auch der Bruder des Herrn Ministers, Mag. Hans Kletzmayr. (Bundesminister Mag. Molterer: Was soll das? Was soll das?)

Im Vorstand sind Herr Dipl.-Ing. Josef Plank, Herr Dr. Leopold Simperl, Herr Dipl.-Ing. Werner Weihs und Herr Dr. Stephan Mikinovic. Hier gibt es aber auch Querverbindungen, denn in der Tochtergesellschaft der Agrarmarkt Austria-Marketing, siehe da, finden sich die gleichen Personen aus dem Verwaltungsrat, und zwar wieder Präsident Gerhard Wlodkowski, der stellvertretende Direktor des Verwaltungsrates Mag. Werner Muhm und der Verwaltungsrat Mag. Georg Kovarik. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Kriegt er auch zweimal gezahlt?) Und aus dem Vorstand wieder Dipl.-Ing. Josef Plank, Dr. Leopold Simperl und Dipl.-Ing. Werner Weihs.

Sehr geehrte Damen und Herren! Innerhalb von eineinhalb Jahren flossen Finanzmittel in der Höhe von 225 Millionen Schilling zwischen der AMA und ihrer Tochter AMA-Marketing. Was macht die AMA-Marketing? – Siehe da, Werbung! Hier wird ein Rind dargestellt, und zwar völlig falsch. (Der Redner hält die Abbildung eines Rindes in die Höhe.) Es wird das Vordere zum Hinteren, das Hintere zum Vorderen. Die Gustostückerl sind an ganz anderer Stelle, als sie sich normalerweise befinden. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Hier wird alles verdreht. So werden die Bauerngelder vergeudet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dr. Mikinovic gab im Bayrischen "Wochenblatt" vom 1. November 1997 ein Interview. Die Frage im Bayrischen "Wochenblatt" war folgende: "Es gab Kritik von Parlamentsabgeordneten der FPÖ an der AMA-Rindfleischbroschüre mit einer Teilnehmerkarte für ein Gewinnspiel, bei dem Rindfleischkochbücher verlost wurden. Die Abgeordneten sprechen in einer Anfrage an den Landwirtschaftsminister von einem Rind, das als Nilpferd mit Ärmelschonern dargestellt ist." (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Die Antwort des Herrn Dr. Mikinovic war folgende: "Es gibt keine fachlichen Mängel, denn, auch wenn es eigenartig klingt, bezeichnet man beim Rind Teile als Hinteres, die vor jenem Teil liegen, der als Vorderes bezeichnet wird. – Genauso ist Ihre Politik! Sie wissen nicht mehr, wo hinten und vorne ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Nur Sie allein wissen es!)

Laut diesem Gesetzentwurf hat der Herr Landwirtschaftsminister ein großes Durchgriffsrecht. Ich drehe jetzt den Spieß um. Sei es die Bestellung der Bediensteten des Aufsichtsrates, sei es das Einspruchsrecht oder sei es auch das Weisungsrecht, Herr Minister, machen Sie von diesem Recht Gebrauch, damit die AMA als Nachfolge der Monsterfonds nicht zur privaten Spielwiese der Sozialpartner wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Punkt 2 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrags gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Ich möchte dazu übrigens sagen, daß ich in der Früh der Meinung war, daß es einen Konsens darüber gibt, daß der Herr Finanzminister Stellung nehmen soll. Nachdem ich aber festgestellt habe, daß es diesen Konsens nicht gibt, werden wir ganz präzise nach der Geschäftsordnung vorgehen, und die Stellungnahme zum Dringlichen Antrag wird durch den Herrn Bundeskanzler erfolgen. Dieser wird in wenigen Minuten im Haus anwesend sein.

Daher unterbreche ich die Sitzung für wenige Minuten. Anschließend gelangt die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, zu Wort.


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Die Sitzung ist unterbrochen. (Abg. Dr. Khol: Ist das wieder einmal eine Sitzung! – Die Sitzung wird um 15.01 Uhr unterbrochen und um 15.04 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, Volker Kier, Dr. Hans Peter Haselsteiner, Klara Motter und Genossen betreffend Neugestaltung der "Familienförderung" (626/A) (E)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des schriftlichen Antrages 626/A (E). Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Der Nationalrat wolle beschließen:

,Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich, jedenfalls aber vor Vorlage des Budgetvoranschlages für das Jahr 1999, ihre Reformvorschläge und entsprechende Berechnungsmodelle zuzuleiten, die ohne Erhöhung von Steuern und Abgaben eine verfassungskonforme Neuregelung im Bereich der familienpolitisch motivierten Maßnahmen – Direktförderungen und Steuerbegünstigungen – bedeuten.‘

In formeller Hinsicht wird gemäß § 74a Abs. 1 GOG iVm § 93 Abs. 1 GOG die dringliche Behandlung des gegenständlichen Antrages verlangt."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße den Herrn Bundeskanzler und erteile der Antragstellerin, Frau Dr. Schmidt, das Wort. Redezeitbeschränkung: 20 Minuten. – Bitte.

15.04

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Minister! Hohes Haus! In der heutigen Ausgabe des "Standard" beschreibt Anton Pelinka die Angst vor dem Regieren anhand des Beispiels der Pensionsreform und will damit ausdrücken, daß die Regierung das Gesetz des Handelns aus der Hand gegeben hat, daß sie die Verantwortung delegiert und letztlich in der Frage der Pensionsreform die Gewerkschaften und weder Regierung noch Parlament entschieden haben. – Ich teile diese Auffassung.

Heute befassen wir uns mit einem Thema, bei dem die Gefahr besteht, daß eine gesellschaftspolitische Weichenstellung ebenfalls wieder außerhalb des Parlaments stattfindet. Diesmal sind es nicht die Gewerkschaften, diesmal ist es der Verfassungsgerichtshof. (Abg. Dr. Khol: Haben Sie noch nie was von Gewaltentrennung gehört?) Ich halte das deswegen für genauso bedenklich, weil das Gesetz des Handelns hier in diesem Parlament wahrgenommen werden muß; und ich halte es auch deswegen für bedenklich, weil mir die Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis schon beleuchtenswert zu sein scheinen.

Zum einen: Es ist Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, zu kontrollieren und nicht zu gestalten. Ich wäre ja schon froh, wenn wir uns wenigstens darüber einig wären.

Es ist dann Sache des Parlaments, wenn der Verfassungsgerichtshof zum Erkenntnis gekommen ist, daß jemand entweder in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten beschnitten wird oder aber ein Gesetz nicht der Verfassung entspricht, ob das aufgehobene Gesetz nunmehr entweder verfassungskonform gestaltet wird oder aber ob dieses Parlament die Verfassung weiterentwickeln möchte.


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Damit ich jetzt nicht mißverstanden werde: Es ist leider viel zu oft passiert, daß diese Regierungskoalition, daß sich die Mehrheiten in diesem Haus, seit ÖVP und SPÖ wieder ihre Zweidrittelmehrheit haben, in ihrer – ich möchte sagen – Machtvollkommenheit dafür eingesetzt haben, Gesetze mit einer Zweidrittelmehrheit auszustatten, um sie der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes zu entziehen. (Abg. Großruck: Ist das verfassungswidrig?) Das ist natürlich nicht verfassungswidrig. Das ist nur ein Ausdruck einer üblen politischen Kultur, Herr Kollege. Das ist meine Qualifizierung. (Beifall beim Liberalen Forum.) Daß Sie eine andere haben, ist bekannt!

Ich meine, daß die Demokratie davon lebt, daß die Instrumente der Demokratie im Geiste der Demokratie und mit Augenmaß eingesetzt werden. Darüber haben wir gestern schon gesprochen. Meiner Meinung nach richten Sie sich es sich, wie Sie es brauchen. Sie setzen Ihre Verfassungsmehrheit so ein, wie es Ihnen gerade paßt, beschließen rückwirkende Bestimmungen, was alles andere als eine Weiterentwicklung der Verfassung ist – so geschehen beim Strukturanpassungsgesetz beim vergangenen Budget –, beschließen Bestimmungen wie im Zivildienstgesetz, was alles andere als eine Weiterentwicklung der Verfassung ist, wo es Ihnen immer nur darum geht, daß der Verfassungsgerichtshof nicht kontrollieren kann, daß Sie ein dem Geiste der Verfassung widersprechendes Gesetz beschlossen haben.

Eine solche Vorgangsweise meine ich also nicht, wenn ich sage, daß mehrere Varianten zulässig sind, wenn der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gekommen ist, daß ein Gesetz verfassungswidrig ist, nämlich ob man das Erkenntnis eins zu eins umsetzt oder aber mit einer Verfassungsmehrheit die beanstandete Bestimmung bestätigt. Es geht vielmehr darum, daß im Lichte dieses Erkenntnisses in diesem Parlament die Debatte darüber stattfinden muß, ob wir das Ergebnis, das der Verfassungsgerichtshof uns vorgegeben hat, wollen oder ob es unseren gesellschaftspolitischen Vorstellungen nicht entspricht. Denn immer noch sind es die Volksvertreter, die die gesellschaftspolitischen Vorstellungen umzusetzen und in Gesetze zu gießen haben.

Was das Verfassungsgerichtshoferkenntnis betrifft, so hat Christian Rainer in der letzten Nummer des "trend" – wie auch im übrigen viele andere Journalisten bis hin zu Universitätsprofessor Doralt – festgestellt, daß von der Auswirkung dieses Erkenntnisses vor allem wohlhabende Eltern profitieren werden. (Abg. Dr. Lukesch: Der Doralt hat das wieder zurückgenommen!)  – Das ist eine Feststellung. Diese können Sie gerne ... (Abg. Steibl: Was ist "wohlhabend"? – Bundesminister Dr. Bartenstein: Doralt hat vom Mittelstand gesprochen!) Ich weiß, daß Herr Minister Bartenstein regelmäßig von der Regierungsbank Zwischenrufe macht. Ich habe etwas für Zwischenrufe übrig, daher stören sie mich nicht. Sie können sich aber durchaus irgendwann zu Wort melden. (Abg. Dr. Khol: Das hat schon Bundeskanzler Kreisky immer gemacht!) Jedenfalls ist das eine Tatsache, die uns vielleicht auch der Finanzminister näher erläutern wird, denn er ist für derartige Beurteilungen durchaus zuständig.

Christian Rainer bezeichnet – und ich zitiere ihn – diese Auswirkung als "pervers", und er meint, der Verfassungsgerichtshof könne sie zwar nicht direkt verhindern – wenn er es einmal so sagt –, verhindern könne sie nur der Gesetzgeber. – Ich schließe mich dem an.

Das ist der Grund, warum wir nicht nur heute diesen Dringlichen Antrag einbringen, sondern uns noch öfter mit dieser Materie im Parlament befassen werden, weil der Verfassungsgerichtshof immerhin die Aufhebung der Bestimmung mit 31. Dezember 1998 befristet hat. Das heißt, wir haben Zeit, und wir sollten uns die Zeit nehmen, sowohl die ideologische Debatte als auch die verfassungsrechtliche Debatte in diesem Haus zu führen, denn das Ergebnis dieser Debatte sollte keine Vorlage sein, die unter Zeitdruck – wie Sie es so gerne machen – mit den Mehrheiten, die Sie vorher schon festgelegt haben, irgendwie beschlossen wird, sondern die soll sich erst entwickeln.

Deswegen und weil damit mit Sicherheit auch finanz- und budgetrechtliche Auswirkungen verbunden sind, ist es notwendig, diese Debatte vor dem nächsten Bundesvoranschlag 1999 zu führen. Das ist der Grund, warum wir uns heute damit auseinandersetzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Sie von der ÖVP waren gestern auch der Meinung, man sollte eine familienpolitische Debatte abhalten, und Sie haben daher für "Ihre" Aktuelle Stunde den – angesichts des Verlaufes der Debatte und der Beiträge der ÖVP für mich eher skurrilen – Titel "zukunftsorientierte Familienpolitik" gewählt. (Abg. Steibl: Dann haben Sie nicht richtig hingehört!) Ich habe sehr genau hingehört! (Abg. Dr. Höchtl: Dann sind Sie taub!) Wissen Sie, ich hätte etwas nicht ... (Abg. Dr. Khol: Dann haben Sie uns nicht verstanden!) Ich habe es verstanden, aber wir haben ein grundsätzlich unterschiedliches Verständnis dieses Problems.

Mich hat etwas dabei eigenartig berührt. Ich habe kürzlich ein interessantes Buch gelesen. (Abg. Dr. Khol: Aber! Sie lesen auch Bücher! – Abg. Dr. Haselsteiner, zum Abg. Dr. Khol: Bist du wie der Pröll?) Ich lese auch Bücher, ganz recht. Ich sage Ihnen, welches in Erinnerung an Ihre Diskussion von gestern von besonderem Interesse ist. Es heißt "Muttertag und Mutterkreuz". Es ist ein Buch über den Kult um die deutsche Mutter im Nationalsozialismus. – Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß mich Wortmeldungen aus Ihren Reihen an diese von mir erst kürzlich genossene Lektüre erinnern. (Abg. Haller: Sie haben ja einen Komplex! – Abg. Dr. Graf: "Genossen" haben Sie dieses Buch? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Kollegin Moser von der ÖVP sagte gestern wörtlich, Kinder seien keine Sache der privaten Lebensgestaltung, Kinder seien ein "Geschenk an die Gesellschaft". (Abg. Rauch-Kallat: Natürlich!)  – In dem von mir erwähnten Buch steht, Kinder seien ein "Geschenk an den Führer". (Abg. Dr. Höchtl: Da ist aber ein bißchen ein Unterschied! Wissen Sie nicht, was im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes steht? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich gebe zu, es ist nicht genau dasselbe, Gott sei Dank. (Abg. Dr. Khol: Nein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Die armen Kinder werden jetzt von der Faschismuskeule getroffen!) Aber diese Assoziation hat sich mir aufgedrängt, denn auch damals war es so, daß Kinder nicht als private oder persönliche Angelegenheit, sondern als Staatsaufgabe gesehen wurden.

Was Sie tun, ist, Kinder vergesellschaften. (Abg. Dr. Höchtl: Wo steht das im Verfassungsgerichtsurteil drinnen?) Ich halte das bei einer Partei, die immer von Eigenverantwortung und vom Zurückdrängen des Staates redet und auch den Begriff "Subsidiarität" öfters im Munde führt, für besonders bemerkenswert! Ausgerechnet diese Partei will Kinder vergesellschaften!

Ich gebe zu, daß Ihnen der Verfassungsgerichtshof diese Artikulation erleichtert hat. (Abg. Mag. Kukacka: Schwachsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Aber auch Sie haben dem Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung erleichtert. Es gab ein kongeniales Zusammenwirken zwischen Verfassungsgerichtshof und ÖVP. (Ruf bei der ÖVP: Sie phantasieren!) Ich erinnere mich gut daran, daß wir erst vor kurzem darüber gesprochen haben, in Österreich eine bestimmte politische Kultur einzuführen, die Veröffentlichung der sogenannten Dissenting Opinion, die abweichende Stellungnahme beim Verfassungsgerichtshof. – Sie werden, wenn Sie sich das letzte Interview der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes in Deutschland durchlesen, sehen, welche positiven demokratiepolitischen Auswirkungen von einer solchen Dissenting Opinion ausgehen können. (Abg. Dr. Graf: Sie schauen immer nach Deutschland, wir sind aber in Österreich!) Wir haben darüber schon öfters diskutiert, die ÖVP hatte bislang jedoch immer abgeblockt. Vor dem Sommer aber waren wir bereits soweit, unser Rechtsverständnis weiterzuentwickeln – plötzlich aber wurde die Diskussion beendet, und zwar deswegen, weil es notwendig war, vorher noch dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Familienbesteuerung über die Bühne zu bringen.

Ich muß aber auch sagen, daß dieses Zusammenwirken durch die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der SPÖ erleichtert wurde, denn Sie haben es nicht zusammengebracht, gemeinsam eine meritorische Äußerung im Verfassungsgerichtshofverfahren zu machen. Dann wäre es dem Verfassungsgerichtshof nämlich viel schwerer gefallen, seine Ideen so, wie er es nun getan hat, zu artikulieren.

Das heißt, es sind mehrere Dinge zusammengekommen: Ihr habt euch auf keine gemeinsame Linie einigen können, damit gab es keine meritorische Stellungnahme der Bundesregierung, und


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damit konnte der Verfassungsgerichtshof schalten und walten und fuhrwerken, wie er wollte. Er hat dann aber etwas getan, was ich wirklich für eine klare Grenzüberschreitung halte. (Zwischenruf der Abg. Haller. )

Herr Vizekanzler Schüssel hat ja auch deutlich gesagt, daß die ÖVP mit ihren gesellschaftspolitischen Anliegen voll durchgekommen sei. (Abg. Großruck: So ist es! Das ist das Ergebnis!) Schöner hätte er es gar nicht ausdrücken können, daß der Verfassungsgerichtshof in dieser Frage Ihre Aufgabe erfüllt hat. (Abg. Mag. Kukacka: Wir glauben, daß es richtig ist!)

Ihre gesellschaftspolitischen Anliegen hat uns Kollegin Gatterer – wo ist sie denn? – wunderbar expliziert. (Abg. Großruck: Sie können es sich nicht richten!) Sie hat gesagt, der gerechte finanzielle Ausgleich zwischen jenen, die Kinder erziehen, und jenen, die Karriere und persönliche Freiheit einer Familie vorziehen, sei gefährdet, wenn wir jetzt darüber diskutieren. – Das heißt, Kollegin Gatterer teilt die Gesellschaft in zwei Klassen: in die einen, die Kinder erziehen, und in die anderen, die ihre Karriere vorziehen. (Abg. Großruck: Unsere Kinder werden Ihre Pension bezahlen! – Abg. Mag. Kukacka: So ist es!)

Daß diese beiden Dinge vielleicht vereinbar sein könnten, daß Familienpolitik, zumindest nach unserem Verständnis, bedeutet, diese Vereinbarkeit möglich zu machen (Abg. Großruck: Meine Kinder werden Ihre Pension zahlen!), ist Ihnen offensichtlich fremd. Nach Ihrer Ansicht gibt es zwei Gruppen: Die einen, die wollen das, die anderen wollen jenes. Damit tun Sie aber nichts anderes als auch andere Parteien, die diese Gruppen gegeneinander ausspielen. (Abg. Jung: Das tun ja Sie, Frau Dr. Schmidt!)

Das Ergebnis Ihrer gesellschaftspolitischen Vorstellungen entspricht genau jenem Zustand, in dem wir uns befinden, nämlich daß die beiden Möglichkeiten nicht vereinbar sind (Zwischenruf der Abg. Gatterer ) und die einen den anderen sagen, wer mehr für die Gesellschaft leistet – da, wie Kollegin Moser gesagt hat, Kinder ein "Geschenk an die Gesellschaft" sind. (Abg. Großruck: Ein Geschenk Gottes!) Das ist die "zukunftsorientierte" Familienpolitik, die sich die ÖVP vorstellt!

Die Aussage des Verfassungsgerichtshofes, daß Kinder nicht Sache privater Lebensgestaltung seien (Abg. Steibl: Das paßt Ihnen nicht!) und daher – "daher" sage ich nun dazu, denn ich kann seine Folgerung anders nicht nachvollziehen – der Gleichheitsgrundsatz nicht am niedrigen oder hohen Einkommen der Eltern zu messen sei, das heißt also, der Ausgleich nicht nach diesem Kriterium stattzufinden habe, sondern an Eltern mit und ohne Unterhaltsverpflichtung, ist bereits eine ideologische Festlegung. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Ich muß sagen: Ich hätte mir dafür zumindest eine Begründung des Verfassungsgerichtshofes erwartet. Er hat das nicht getan. (Abg. Jung: Wer wird denn Ihre Pension einmal zahlen, Frau Dr. Schmidt? – Abg. Mag. Kukacka: Wer wird denn Ihre Pension einmal zahlen? – Unsere Kinder! – Abg. Dr. Höchtl: Jawohl, unsere Kinder!)

Wenn Sie nicht bereit sind, endlich eine gescheite Pensionsreform zu machen, dann werden wir nie eine Pension bekommen! Vielleicht können Sie einmal umdenken. Umdenken, das ist es, was wir jetzt brauchen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir brauchen den Umstieg vom Generationenvertrag auf den Versicherungsvertrag. Sie aber versuchen mit Ihren Anreizen, einen nicht mehr haltbaren Generationenvertrag aufrechtzuerhalten. (Abg. Mag. Kukacka: Der ist sehr wohl haltbar! – Abg. Dr. Höchtl: Wir bekennen uns zu den Kindern! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Darüber sollten Sie nachdenken, aber umdenken ist etwas, was bei Ihnen offensichtlich nicht möglich ist!

Der Verfassungsgerichtshof begründet gar nicht, warum er diesen Maßstab am Gleichheitsgrundsatz anlegt. Ich frage mich auch, nach welchem Verständnis zwar der Unterhalt für Kinder, aber nicht der für die Ehepartner absetzbar sein soll. Zählt die Verantwortung für Ehepartner nicht? Können Sie mir diesen Unterschied begründen? (Abg. Haigermoser: Das ist aber ein gravierender Unterschied! Wirklich schlicht ist diese Frau!) Auch Ehepartner haben einen gegenseitigen Unterhaltsanspruch. Ich möchte wissen, warum das unterschiedlich beurteilt wird, sodaß zwar der Unterhalt von Kindern absetzbar ist, jener für Ehepartner aber nicht. (Abg.


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Schwarzenberger: Es gibt auch ein Verbot für Kinderarbeit ...! Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der einzige Grund dafür wäre, zu sagen, daß Kinder "Geschenke an die Gesellschaft" und nicht sozusagen eine Angelegenheit der persönlichen Lebensgestaltung sind. Wenn wir das schon haben, dann kommen wir aber meiner Meinung nach ... (Rufe bei der ÖVP: Keine Kinder! Keine Kinder!) Das ist wohl das unsinnigste Argument aus der untersten Lade! (Abg. Jung: Es besteht ja auch eine Unterhaltspflicht für Kinder!)

Am wesentlichsten ist meiner Ansicht nach jedoch, daß – und es kann niemand leugnen, daß das eine Grenzüberschreitung ist – der Verfassungsgerichtshof laut seinen Ausführungen sagt, es müßte zumindest die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhaltes der Kinder erforderlich sind, im Effekt steuerfrei bleiben. (Abg. Großruck: Wer wird Ihre Pension zahlen, Frau Schmidt?) Mit keinem Wort begründet er "zumindest die Hälfte". Ich frage mich: Warum nicht ein Drittel? Warum nicht zwei Drittel? Wie kommt er zur Hälfte?

Glauben Sie nicht, daß Sie hier als Abgeordnete durch ein derartiges Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bevormundet werden? Eine krassere Grenzüberschreitung als diese kann ich mir überhaupt nicht vorstellen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich halte das auch für eine Provokation, und zwar deswegen, weil der Verfassungsgerichtshof den Begriff "die Hälfte" mit keinem Wort begründet. (Abg. Dr. Lukesch, auf die Galerie zeigend: Die Jugend zahlt Ihre Pension!) Wissen Sie, was das ist? – Das ist kein Demokratieverhalten, sondern Majestätsverhalten, denn es wird einfach gesagt: So ist es! Friß, Vogel, oder stirb!

Es wundert mich nicht, daß Sie für derartiges Verständnis haben, denn Sie haben eine Landeshauptfrau in Ihren Reihen, die, wie wir erst kürzlich auf dem Bildschirm gesehen haben, ihre Meinung zu einer Angelegenheit, über die ich gar nicht reden möchte, um 180 Grad gedreht hat: Landeshauptfrau Klasnic hat in Sachen Konrad erst das eine und dann haargenau das Gegenteil gesagt. Auf die Frage, wie es eigentlich dazu komme, daß sie von gestern auf heute das Gegenteil sage, meinte Sie, das sei einfach ihre persönliche Meinung. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie glaubt, sie braucht der Bevölkerung nicht zu begründen, warum ihre Meinung so ist. Das ist Majestätsgehabe! Daß das in Ihrer Partei selbstverständlich ist, ist Ihr Kaffee. Aber das Parlament hat sich etwas Derartiges nicht gefallen zu lassen. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. )

Ich habe es auch begründet. Sie können gerne bei Ihren Zwischenrufen von der Regierungsbank aus bleiben. Ich bin auch bereit, darauf einzugehen. Ich habe es begründet, was in der ÖVP offenbar nicht üblich ist. (Abg. Jung: Machen Sie weiter mit Ihrem Minderheitenprogramm! – Abg. Schwarzenberger: So verschrecken Sie Ihre letzten Wähler!)

Wir sehen daher nun eine Gelegenheit, die Umstellung der Familienförderung auf unser Transfermodell, das schon seit langem auch im Parlament vorliegt, zu diskutieren. Wir gehen dabei davon aus, daß jene Eltern, die es sich nicht leisten können, der Unterstützung, und zwar einer größeren Unterstützung, als sie sie bisher bekommen haben, bedürfen. Denn jene, die die Transferleistungen nicht benötigen, brauchen auch keine staatliche Zuwendung. Das heißt, es geht uns nicht um die Ideologie, Kinder zu haben oder nicht, sondern darum, wer das Geld braucht. Meiner Meinung nach muß dieser Ausgleich, auch nach dem Gleichheitsgrundsatz, gemacht werden. Das ist unser Verständnis.

Ich muß kurz auf die Ausführungen von Minister Bartenstein eingehen, der gerade ungläubig den Kopf schüttelt. Ihre Unredlichkeit, mit der Sie uns gestern durch das Beispiel eines Paares mit zwei Kindern und einem Einkommen von 20 000 S unterstellt haben, daß wir den Kindern oder den Eltern etwas wegnehmen wollen und daß das unsozial sei, war kaum überbietbar! (Abg. Steibl: Das stimmt nicht!)


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Das war eine Ungeheuerlichkeit, denn entweder haben Sie unser Transfermodell nicht gelesen ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Lesen Sie nach! Das steht in Ihrem eigenen Antrag!) Sie sollten ihn einmal lesen, bevor Sie solche Dinge sagen! Ich halte das wirklich für unübertreffbare Unredlichkeit – noch dazu wenn es von der Ministerbank aus kommt. Wenn Sie sich die anderen Sachen auch so wenig anschauen, wird mir ganz schwummerig bei Ihrer Politik! (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. )

Ich werde Ihnen das gleich sagen. Wir gehen davon aus, daß das Kind im Mittelpunkt steht, denn das ist uns ein Anliegen. Aber wir gehen auch davon aus, daß es Sache der Eltern ist, für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen. Es gibt nun ein bestimmtes Existenzminimum, das ein Kind einfach braucht. (Abg. Jung: Haben Sie schon einmal einen Schulschikurs bezahlt, Frau Dr. Schmidt?) Ich will es Ihnen jetzt gar nicht so breit explizieren, denn Sie können es sich selbst anschauen, der Antrag liegt ja hier im Parlament.

Das Existenzminimum ist je nach Alter gestaffelt. Wenn Sie zum Beispiel annehmen, ein Paar hat zwei Kinder mit 16 und 12 Jahren ... (Abg. Großruck: Ein gleichgeschlechtliches?) Zu den Gleichgeschlechtlichen werden wir bei einem anderen Tagesordnungspunkt kommen. (Abg. Großruck: Das fordern Sie natürlich auch!) Ihr zynisches Lachen darüber wundert mich gar nicht! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bei jenem Beispiel, das Minister Bartenstein das letzte Mal gebracht hat, also bei einem gemeinsamen Einkommen von 20 000 S, ergibt sich nach unserem Modell der Unterhaltsanspruch aus 17 Prozent für den 12jährigen und 20 Prozent für den 16jährigen, das macht insgesamt 7 400 S – nach der Judikatur so ausgerechnet. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. ) Das Existenzminimum wird durch die Berechnungen für beide Kinder ermittelt, nämlich 6 400 und 7 100 S. Wenn man nun die Eigenleistung der beiden Unterhaltspflichtigen abzieht, ergibt sich eine Differenz von 6 100 S. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) – Der Transfer nach dem derzeitigen Modell ergibt 3 750 S. Nach unserem Modell läge er um 2 350 S höher.

Soviel zur "Seriosität" des Herrn Ministers Bartenstein, der gemeint hat, wir wollten den Eltern etwas wegnehmen. Nach diesem unserem Modell würden bei einem Einkommen von 20 000 S die Eltern um 2 350 S mehr bekommen als jetzt. Ich bin der Meinung, daß sie das in dieser Gehaltsklasse auch benötigen – im Gegensatz zu seiner (auf den auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Dr. Bartenstein weisend), in der man es meiner Meinung nach nicht vom Staat braucht. (Beifall beim Liberalen Forum, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

Da meine Redezeit bereits zu Ende geht, möchte ich nur noch kurz folgendes sagen: Für uns ist Familienpolitik nicht nur Steuerpolitik – das ist sie maximal am Rande –, sondern auch Beschäftigungspolitik, nämlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen. (Abg. Großruck: Gesellschaftspolitik!) Sie wissen, wie viele Maßnahmen da noch fehlen! (Bundesminister Dr. Bartenstein: Für uns ist Familienpolitik auch Sozialpolitik!)

Für uns ist Familienpolitik Wohnpolitik, für uns ist Familienpolitik Verkehrspolitik – und dazu gehört auch Stadtplanungspolitik, sagen Sie das einmal Ihrem Herrn Görg! (Abg. Dr. Graf: Und Integrationspolitik!)  – und all jene Dinge, die helfen, daß Kinder in einer für sie lebenswerten Umgebung aufwachsen können! (Abg. Großruck: Das brauchen Sie uns nicht zu sagen! Da brauchen wir von Ihnen keinen Ratschlag!)

Wissen Sie, was noch dazugehört? Wenn man an Kinder denkt (Ruf bei der ÖVP: Sie wollen doch überhaupt keine Kinder!), kann man Reformen nicht aufschieben beziehungsweise vor sich herschieben, wie Sie das tun. Sie lassen die Rechnung für all das, was Sie nicht gemacht haben, die Kinder bezahlen! (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abgeordneten Mag. Posch und Ing. Langthaler. )

15.24


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand der Verhandlungen gelangt der Herr Bundeskanzler zu Wort. – Ich darf Ihnen das Wort erteilen, Herr Bundeskanzler.

15.24

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte eingangs um Entschuldigung für meine Verspätung zu bitten. Ich hatte anläßlich des ersten Besuches eines türkischen Regierungschefs seit rund 20 Jahren natürlich nicht nur wichtige Fragen der bilateralen Politik und Wirtschaftsentwicklung sowie der europäischen Entwicklung, sondern auch Fragen der Menschenrechte und des Minderheitenschutzes anzusprechen und habe mich deswegen ein bißchen verspätet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Erlauben Sie mir weiters, sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, etwas zu Ihren Ausführungen über die Pensionsreform zu sagen. Ich habe mir drei klare Ziele gesetzt: Wir wollen mit dieser Reform ein Stückchen mehr Gerechtigkeit erreichen. Wir wollen sie, um Unsicherheit zu vermeiden, termingerecht Ende des Jahres abschließen (Abg. Jung: Ein Ziel von vorgestern!), und vor allem wollen wir diese Reform gemeinsam zustande bringen.

Mit dem Wort "gemeinsam" meine ich ein Instrument, das es seit Jahrzehnten in der österreichischen Politik, und zwar zwischen Parlament, Regierung und Sozialpartnerschaft gibt. Dieses Instrument hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Wohle unseres Landes sehr bewährt. Ich lasse es nicht willkürlich zerschlagen, auch wenn mancher vielleicht danach strebt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich trete klar dafür ein, daß – unabhängig von politischen Wertungen und persönlichen Zielsetzungen – der Spruch des Verfassungsgerichtshofes für die Bundesregierung selbstverständlich zu respektieren ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Es ist Sache des Parlaments, das zu entscheiden!)

Der Verfassungsgerichtshof hat aber in seinem Erkenntnis die grundsätzliche Position, auf der das Familiensteuergesetz 1992 aufgebaut ist, als rechtlich möglich bestätigt. Es wurde also das bestehende System der Kinderförderung als solches vom Verfassungsgerichtshof nicht in Zweifel gezogen, sondern nur das Ausmaß der steuerlichen Kinderförderung in bestimmten Einkommenskategorien und in bestimmten Fällen von Unterhaltsleistungen als ungenügend bezeichnet.

Das Erkenntnis erlaubt es somit, im gegenwärtigen System der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern durch Transfers und Kinderabsetzbeträge zu bleiben. Ich hoffe das, weil ich mich ausdrücklich zu dieser sozial gerechten Form der Familienförderung bekenne. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Rufe beim Liberalen Forum: Grundsicherung!)

Es liegen verschiedene Varianten vor, dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu entsprechen, und es gibt nach Ansicht einzelner Experten sicherlich auch Möglichkeiten, am gegenwärtigen Ausmaß der Kinderförderung nur relativ geringfügige Korrekturen anzubringen.

Eine Minimalumsetzung – das ist das Problem dabei – würde allerdings bedeuten, daß nur in jenen konkreten Fällen, in denen sich nach Auffassung des Gerichtshofes die Berücksichtigung der Kinderlasten als ungenügend erweist, eine Anhebung der Kinderförderung notwendig wäre. Von einer solchen Minimallösung wären also bei weitem nicht alle Kinder betroffen, sondern nur eine relativ geringe Zahl von Kindern, nämlich jene von besonders gut verdienenden Eltern. Ich möchte hinzufügen, daß ein derartiges Modell weder meiner Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit noch der meiner Partei entspricht und daß wir daher eine Minimalvariante nicht realisieren werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir brauchen daher eine Neugestaltung der Familienförderung, die zwei Ziele gleichzeitig realisieren muß: Es muß eine Lösung sein, die erstens verfassungskonform ist und zweitens im Interesse der sozial schwächeren Familien in diesem Lande liegt. Ich bin überzeugt davon, daß


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wir innerhalb dieser sachlichen Eckpunkte eine Lösung erarbeiten können. Deshalb habe ich im Rahmen der Bundesregierung Frau Bundesministerin Prammer, Herrn Bundesminister Edlinger und Frau Abgeordnete Mertel, der Koalitionspartner die Herren Bundesminister Bartenstein und Fasslabend und Herrn Abgeordneten Feurstein beauftragt (Rufe beim Liberalen Forum: Oje!), aufbauend auf einer Analyse der Experten ... (Abg. Ing. Langthaler: Drei Männer! Wieso laßt ihr euch das gefallen? – Abg. Steibl: Wir haben Vertrauen!)

Ich würde weder Abgeordnete noch Mitglieder der Bundesregierung diskriminieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist also diese Arbeitsgruppe beauftragt worden ... (Abg. Dr. Schmidt: Wenn Sie "Diskriminierung" nicht verstehen, tun Sie mir leid! – Weitere Zwischenrufe.) Soll ich Ihnen die Namen zur besseren Verständlichkeit noch einmal wiederholen? Hat es funktioniert? – Gut, danke schön.

Das Buhrufen findet nicht nur im Austria Center statt, sondern auch im Hohen Haus. (Abg. Haigermoser: Fürs Pfeifen gibt es einen Ordnungsruf! – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Kier und Dr. Schmidt.  – Weitere Zwischenrufe.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, daß diese aus Frauen und Männern bestehende Arbeitsgruppe aufbauend auf Expertengutachten eine Lösung ausarbeiten wird, die – wie ich hoffe – eine sozial gerechte Familienförderung realisieren wird. Der Verfassungsgerichtshof hat die bestehenden Bestimmungen per Ende 1998 aufgehoben, sodaß es an sich genügend Zeit für die Reparatur gibt. Ich stelle aber eindeutig klar, daß aus Gesamtsicht eine Lösung bereits erforderlich ist, bevor es zur Behandlung des Budgets 1999 kommt.

Sehr geehrter Herr Finanzminister! Weiters ist aus meiner Sicht klar, daß wir die ins Auge gefaßten Grenzen der Budgetdefizite auch für das Jahr 1999 nicht überschreiten sollen und aus diesem Grunde eine Steuererhöhung nicht beabsichtigt ist. Ich kann daher hoffen, daß unter Einhaltung des angegebenen Zeitplanes sowie unter Beachtung einer seriösen Budgetierung eine Lösung gefunden werden kann.

Hohes Haus! Abschließend möchte ich sagen: Wir dürfen bei aller Diskussion um dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht vergessen, daß Österreich ein sehr gut ausgebautes System der Familienförderung hat. Dieses System sollte auch nach dem vorliegenden Erkenntnis außer Streit stehen. Wir liegen damit international im Spitzenfeld. Bund, Länder und Gemeinden stellen jedes Jahr mehr als 200 Milliarden Schilling für die Familienförderung zur Verfügung. Wir sollten gemeinsam dazu beitragen, daß unsere Diskussion in der österreichischen Bevölkerung nicht den Eindruck und die Sorge erweckt, daß uns die Familie zu wenig wert wäre.

Ich nehme in diesem Sinne die Gelegenheit wahr, an Sie den Appell zu richten, die Diskussionen im Interesse der Familien in unserem Land sachlich und ohne unnötige Emotionalisierung zu führen. Dieses Thema ist zu wichtig, als daß daraus politisches Kleingeld geschlagen werden sollte. Es sind alle aufgerufen, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in sozial verträglicher Weise zu entsprechen und das auch umzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für die Stellungnahme.

Im Zuge der weiteren Debatte sind die einzelnen Redezeiten mit 10 Minuten und die Fraktionsredezeiten mit 25 Minuten limitiert.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

15.34

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Gleich anknüpfend an die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers möchte ich sagen: Wir werden uns sehr darum bemühen, die Diskussion ruhig zu führen. Aber ohne Emotionen kann man so eine Diskussion nicht führen, denn in dieser


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Frage geht es um Werthaltungen. (Zwischenruf der Abg. Steibl. ) Herr Kollege Khol ist daher nicht anwesend, stelle ich fest. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich stelle weiters fest: In der vom Herrn Bundeskanzler genannten Sechserkommission oder Arbeitsgruppe, die das Problem behandeln soll, sind unter den Mitgliedern zwei Frauen und vier Männer. Die ÖVP hat drei Männer geschickt. Auch das ist eine symbolische Werthaltung, glauben Sie mir das. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Rosemarie Bauer: Falsch!) Das ist eine symbolische Werthaltung, denn wenn Sie Familienpolitik über Personen chiffrieren, dann kommt damit etwas Bestimmtes zum Ausdruck. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dessenungeachtet hat mich die Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers enttäuscht, als er vom Respektieren des Verfassungsgerichtshofserkenntnisses sprach. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß man so ein Erkenntnis respektiert. (Abg. Dr. Schmidt: Volker, warte, bis sie dir zuhören!) Herr Bundeskanzler! Was mich enttäuscht hat, ist, daß Sie aufgrund der Unzufriedenheit über eine inhaltlich gestaltende Komponente im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und der daraus resultierenden sachlichen Kritik vermuten, ein Verfassungsgerichtshofserkenntnis werde nicht respektiert. (Bundeskanzler Mag. Klima: Das habe ich nicht gesagt!)

Selbstverständlich ist ein Erkenntnis zu respektieren, darin sind wir einer Meinung. Das heißt aber nicht, daß man das Erkenntnis sklavisch nachvollziehen muß. Vielmehr muß man überlegen, welche die eigentlichen Ursachen dieses Erkenntnisses sind und was das eigentliche Problem ist.

Hier wird immer wieder das Wort "Familie" verwendet, obwohl die Kinder gemeint sein sollten. Ich möchte daher noch einmal ganz deutlich folgendes herausarbeiten (Abg. Rosemarie Bauer: Jetzt verweigert er das Wort "Familie" auch schon!) : Im Mittelpunkt steht das Kind, denn – ich sage das, auch wenn es der ÖVP schwerfällt, das zur Kenntnis zu nehmen – es gibt auch Waisenkinder. (Beifall beim Liberalen Forum.) Wenn wir ordentliche Politik machen wollen, dann muß sie für das Kind wirksam sein, unabhängig davon, in welchem familiären Zusammenhang es lebt. (Abg. Steibl: Um das Wort "Familie" nicht in den Mund zu nehmen? Ist "Familie" negativ?)

Wenn das Kind Glück hat und in einer vertrauten Umgebung permanenter Bezugspersonen lebt – das sind häufig die Eltern, und die Eltern nehmen ihre Pflichten auch wirklich ernst –, dann ist das auch uns lieber. Glauben Sie mir das. Aber auch das Kind, das auf ein Kinderdorf angewiesen ist, ist gleich wichtig. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Ihre Fraktion (in Richtung ÖVP) hat in der gestrigen Aktuellen Stunde und auch in der heutigen Debatte durch Zwischenrufe deutlich gemacht, daß Ihnen die Kritik meiner Klubobfrau daran nicht gefällt, daß Sie Kinder als ein Geschenk an die Gesellschaft und als Staatsaufgabe definieren. Deshalb sage ich Ihnen, daß Sie einen sehr schweren Fehler begehen, wenn Sie von dieser Meinung nicht abgehen. Denn dann machen Sie das Kind zu einem Nutzenobjekt. Verstehen Sie mich? Sie machen es zu einem Objekt von Nutzen und Vorteil. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )

Damit aber geraten Sie in eine tödliche Falle. Wenn Sie das nämlich ernst nehmen, frage ich Sie: Wie halten Sie es dann mit behinderten Kindern? Das frage ich Sie mit aller Deutlichkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.) Wenn Sie derart von reinen Nutzenüberlegungen ausgehen, daß Sie sagen, Kinder seien Geschenke an die Gesellschaft und diese Kinder werden die Pensionen zahlen (Abg. Dr. Graf: Das ist Ihre Interpretation!), und wenn das Ihr einziger Zugang ist, dann frage ich Sie: Wie halten Sie es mit behinderten Kindern? (Abg. Dr. Graf: Das ist Ihre Interpretation!)

Wenn man aber das Kind in den Mittelpunkt stellt, dann hat man dieses Problem überhaupt nicht. Verstehen Sie den Unterschied? (Abg. Dr. Puttinger  – lächelnd –: Nein!) Dann hat man das Problem nicht, denn dann ist das behinderte Kind selbstverständlich ein Kind, dem man sich besonders zuwenden muß und das man möglicherweise über das Kindesalter hinaus ein


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ganzes Leben lang begleiten und betreuen muß. (Abg. Rauch-Kallat: Dafür zahlen wir auch die Familienbeihilfe!) Verstehen Sie mich? Das ist ein fundamentaler Unterschied im Zugang zum Menschen und seiner Würde. Das möchte ich Ihnen von dieser Stelle aus sagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Deswegen haben wir ein Modell entwickelt, das sich den Kindern zuwendet und das die Kinder nicht zu einer betriebsgewöhnlichen Ausgabe macht. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ist ein Unterschied, glauben Sie mir das!

Wenn Sie das Problem lösen wollen, dann müssen Sie die eigentliche Rechtsmaterie angreifen. Sie müssen sich dann ansehen, wie unser Unterhaltsrecht beschaffen ist. Ist es nicht noch viel zu sehr im 19. Jahrhundert verwurzelt? Der standesgemäße Unterhalt als Denkfigur: Ist das nicht vielleicht der fundamentale Fehler in sozialrechtlicher Hinsicht? Die Inanspruchnahme der Unterhaltspflichtigen auf Grenzen, die viel zu niedrig sind: Ist nicht vielleicht das ein Problem, das wir lösen müssen?

Wie halten wir es – jetzt für die Fachleute gesagt – mit unserem Nettobegriff im Einkommensteuerrecht? – Wenn wir einen subjektiven Nettobegriff haben und das Kind daher als außergewöhnliche Belastung betrachten, dann müssen wir den Weg über die Steuern gehen. Wenn wir hingegen einen objektiven Nettobegriff haben, der die außergewöhnliche Belastung gar nicht kennt, dann können wir nicht über die Steuern gehen und müssen entsprechend der Leistungsfähigkeit der Eltern Transfers vornehmen.

Das ist eine Möglichkeit, das Problem zu lösen und gleichzeitig dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs gerecht zu werden. Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie auch, daß Sie das nicht wollen. Möglich aber ist das, und damit wäre die Regelung verfassungskonform. Denn nur weil das Kind dem Gesetz nach als außergewöhnliche Belastung, als Betriebsausgabe aufgefaßt werden kann, konnte der Verfassungsgerichtshof zu diesem Ergebnis kommen.

Meiner Ansicht nach sollten Sie darüber nachdenken, ob es manchmal nicht wichtiger wäre, sich mit dem eigentlichen Problem zu beschäftigen und erst dann die Ideologie einzuschalten, als von vornherein eine vorgefaßte Meinung zu haben und dabei in Kauf zu nehmen, daß Kinder auf der Strecke bleiben.

Um Ihnen ganz polemisch ein Extrembeispiel vorzuführen: Ihr Europa-Abgeordneter (in Richtung ÖVP) Karl Habsburg hat – wie Sie wissen –, als er an der Grenze mit einem Diadem im Wert von deutlich über einer Million Schilling ertappt wurde, erklärt, dieses sei ein Spielzeug für seine Tochter. (Abg. Dr. Schmidt: Standesgemäß, Volker!) Sie kennen ja das Problem: ein Diadem um eine Million Schilling als Spielzeug für die Tochter. Ich kann mir schon vorstellen, daß so jemand Spielzeug für seine Tochter recht gern von der Steuer absetzen möchte, aber da werden wir nicht mitmachen. Verstehen Sie mich? Da werden wir nicht mitmachen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Kopf: Aber bitte!)

Herr Kollege Kopf, wenn Sie sich darüber so aufregen, dann muß ich annehmen, daß es vielleicht kein Spielzeug für die Tochter war. Das ist ja die wahrscheinlichere Variante. Vielleicht war es einfach eine Abgabenhinterziehung, auch das ist möglich. Aber wenn derselbe Europa-Abgeordnete dann für sich in Anspruch nimmt, daß wir – mit "wir" meint er sich, Pluralis majestatis, Sie kennen das –, also wir alle, die wir politische Verantwortung tragen, durch Anstand, Fleiß, Ehrlichkeit und andere Tugenden Vorbilder für die Familien sein müssen, dann hat er zwar abstrakt recht, subjektiv aber nicht. Denn mit Leuten, die Diademe über die Grenze bringen, diese als Kinderspielzeug betrachten und gleichzeitig dafür eintreten, daß man Kinderkosten von der Steuer absetzen kann, möchte ich nicht gemeinsam Familienpolitik machen. Verstehen Sie mich? (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Mag. Posch.  – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der horizontale Ausgleich zwischen den Kinderreichen, den Kinderarmen und den Kinderlosen, den Sie zu Recht einfordern, findet in dieser Gesellschaft statt. Wir haben ein kostenloses Schulwesen, wir haben Schülerfreifahrten, wir haben Lehrmittel, wir haben freien Zugang zu den Universitäten, wir haben halbe Tarife in den Museen und so weiter und so fort.


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Wir haben allerdings zuwenig Kinderbetreuungseinrichtungen, da gebe ich Ihnen recht. Dort müßte im horizontalen Ausgleich nachgebessert werden. Wir haben zuwenig vorschulische Erziehung, auch da gebe ich Ihnen recht, dort wäre ein Feld für weiteren horizontalen Ausgleich. Es gibt einige Felder, auf denen man Familienpolitik machen kann – meine Klubobfrau hat darauf hingewiesen –: das Wohnungswesen, das Verkehrswesen, die Raumplanung, die Kinderspielplätze und so weiter. Nur ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das ist keine Familienpolitik!)

Das ist Familienpolitik. Familienpolitik als Selbstzweck, Herr Bundesminister Bartenstein, das würde heißen, daß Sie in der Lage wären, "Familie" zu definieren. Definieren Sie mir das: Ist das die Alleinerzieherin? Ist das das Waisenkind? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Jede Familie!) Ist das das geschiedene Paar? Ist das die Lebensgemeinschaft? Was ist für Sie Familie? Wie hoch geht sie vertikal? Reicht sie von den Enkelkindern bis zu den Großeltern?

Sollen wir es so machen wie Ihre Sozialpolitiker in der Steiermark und in Salzburg, wo sie verlangen, daß die Eltern zuerst ihre Kinder auf Unterhalt klagen, bevor sie Sozialhilfe bekommen? Wollen Sie das alles reaktivieren? (Abg. Dr. Graf: Jedermann weiß, was die Familie ist, nur Sie nicht!) Wollen Sie wirklich Familienpolitik wie in der Sahelzone machen, wo es heißt: Wer mehr Kinder hat, ist besser abgesichert? – Und das Ergebnis ist Überbevölkerung. – Wir haben in Österreich dieses Problem nicht direkt, aber wir sind für die Dritte Welt mit verantwortlich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn man die falsche Gesinnung hat, dann darf man nicht den Anspruch erheben, Politik für alle zu machen. Glauben Sie mir das. Es geht darum, daß wir hier die Möglichkeit haben, sozial ausgewogen und treffsicher dort hohe Transfers darzustellen, wo es die soziale Lage erfordert, aber keine Transfers darzustellen, wo es die soziale Lage nicht erfordert. Denn auch ich würde mich genieren, für meine 14jährige Tochter Familienbeihilfe in Anspruch zu nehmen, weil ich das nicht brauche. Es wäre mir sehr lieb, wenn dieses Geld woanders zur Vermehrung der Unterstützung eingesetzt werden könnte. Dann hätte ich ein angenehmes Gefühl und nicht das Gefühl, daß ich zwangsbeglückt werde. – Ich danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. Ich erteile es ihm. – Bitte.

15.44

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Kollege Edlinger! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Kollegin Schmidt und Herr Abgeordneter Kier! Sie haben Emotionen für diese Debatte eingefordert. Diese können Sie in der Erwiderung dessen, was Sie gesagt haben, gerne auch von mir haben. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das glaube ich nicht!)

Vorerst möchte ich Sie insbesondere bitten, korrekt zu zitieren, und zwar zum einen den Verfassungsgerichtshof. Frau Kollegin Schmidt und Herr Abgeordneter Kier! Der Verfassungsgerichtshof sagt nicht, daß Kinder nicht Privatsache seien, sondern er sagt, daß Unterhaltsleistungen nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung seien. Auf dieses eine Wort, nämlich das Wort "bloß", kommt es an.

Frau Kollegin Schmidt! Wenn Sie Herrn Professor Doralt aus Innsbruck zitieren, dann bitte ich Sie, das korrekt zu tun. Ich zitiere ihn wortwörtlich aus der "Tiroler Tageszeitung" vom 29. Oktober 1997. Darin sagt Herr Professor Doralt, dem in diesem Hohen Haus – nicht von Ihnen, aber von einem anderen Mitglied – schon mehr als unrecht getan worden ist, wortwörtlich: Wenn es einen Nutznießer dieses Erkenntnisses gibt, dann sind es die kinderreichen Familien in den mittleren Einkommensbereichen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schaffenrath und Dr. Schmidt. )

Ich zitiere wörtlich, Frau Kollegin Schmidt, im Gegensatz zu Ihnen. Zitieren bitte auch Sie wörtlich und richtig. (Beifall bei der ÖVP.) Hängen Sie Herrn Professor Doralt nicht das Attribut


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an, auch er würde dieses Erkenntnis so interpretieren, als würde es die Reichen reicher machen. Er tut das nicht. Er spricht von anderem, und mein Zitat war wörtlich und korrekt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren des Liberalen Forums! Der Verfassungsgerichtshof macht in seinem Erkenntnis nicht Familienpolitik. Das ist eine völlig falsche Einstellung und Ansicht. Er hat lediglich geprüft, ob das Einkommensteuergesetz gleichheitswidrig ist und ob es gleichheitswidrig interpretiert und ausgelegt wird oder nicht. Das einzige, was der Verfassungsgerichtshof sagt, ist, daß Unterhaltsverpflichtungen zumindest zur Hälfte – das ist seine Interpretation – steuerfrei zu stellen sind, nicht mehr und nicht weniger. Ich nehme zur Kenntnis, daß das Liberale Forum und Sie, Frau Dr. Schmidt, meinen, daß Unterhaltsleistungen der Steuerpflicht unterliegen sollten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß mit Frau Dr. Schmidt sich ausgerechnet eine Juristin dazu hergibt, eine Schelte ... (Abg. Dr. Schmidt: Sie sind zunehmend unseriös!) Sie haben meine Zwischenrufe kritisiert, aber ich nehme Ihre gerne zur Kenntnis. Ich empfinde sie geradezu als aufmunternd und motivierend. (Abg. Dr. Schmidt: Es ist ein Unterschied, ob man auf der Abgeordnetenbank oder auf der Regierungsbank sitzt!)

Ihre Schelte des Verfassungsgerichtshofes könnten Sie sich in der Tat auch sparen. Denn auch diese unterliegt offensichtlich einer gewissen Beliebigkeit, Frau Kollegin Schmidt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Vielleicht gestatten Sie den Abgeordneten, daß sie noch fragen dürfen! Wie eine Majestät! Unglaublich!)

Ich darf Sie daran erinnern, daß Ihnen der Verfassungsgerichtshof sehr zupaß kam für die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die von diesem Hohen Haus beschlossene Werkvertragsregelung. Sie haben nur zum geringeren Teil vom Verfassungsgerichtshof recht bekommen. Da war Ihnen der VfGH sehr recht. Jetzt aber ist Ihnen das, was er sagt, absolut nicht recht. Jetzt wird er von Ihnen gescholten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Sie sind nicht in der Lage ...!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kier! Es ist ja nicht so, daß der FLAF und die Familientransferleistungen in diesem Land nicht sehr wohl auch die horizontale Verteilung berücksichtigen würden. Sie berücksichtigen die Notwendigkeit einer horizontalen, aber auch einer vertikalen Verteilung, und zwar sehr wohl von oben nach unten, nur nicht in dem Ausmaß, wie Sie das offensichtlich vorhaben.

Ich darf Ihnen sagen, was die letzte Wifo-Studie ganz deutlich festgestellt hat, daß von der Finanzierung her das untere Einkommensdrittel dieses Landes 15 Prozent zu den Familientransferleistungen beiträgt, aber mit 40 Prozent fast die Hälfte aller Familientransferleistungen bekommt. Hingegen erbringt das obere Einkommensdrittel nicht weniger als 45 Prozent der Leistungen, also fast die Hälfte, bekommt aber nur 26 Prozent wieder heraus. Das heißt, sehr geehrter Herr Abgeordneter Kier, auf der Finanzierungs- und Aufkommensseite finden Sie sehr wohl die vertikale Verteilungsfunktion des Familienlastenausgleichsfonds und der Familientransferleistungen in diesem Land vor.

Meine Damen und Herren! Was wir heute hier erleben, ist so etwas wie der Abschied des Liberalen Forums von der Familienpolitik. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Sagen Sie, wie Sie es meinen, wenn Sie, Herr Abgeordneter Kier, als Sozialsprecher – und nicht als Familiensprecher, denn das ist in Ihrer Fraktion meines Wissens Frau Abgeordnete Motter – diese Anfrage vorbringen, zur Diskussion stellen und dann davon sprechen, daß Familienpolitik Verkehrspolitik, Stadtpolitik und einiges mehr, unter anderem auch Lohnpolitik sein sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus Ihrer Sicht ist Familienpolitik nichts anderes als Sozialpolitik! (Abg. Dr. Schmidt: Sie verstehen überhaupt nichts!) Sie kümmern sich in Ihrem Modell – das werde ich Ihnen noch beweisen – erst dann um Familien, wenn es den Kindern so geht, daß diese Familien bereits zum


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Sozialfall geworden sind. (Abg. Dr. Khol: Ja! Das ist es!) Das aber wollen wir mit Sicherheit nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Denn dann macht man aus Familienpolitik nicht Sozialpolitik, sondern dann degeneriert die Familienpolitik zur Sozialpolitik. Das aber weise ich als Familienminister auch hier im Hohen Haus mit aller Deutlichkeit zurück. (Beifall bei der ÖVP.)

Tatsache, sehr geehrter Herr Abgeordneter Kier, ist jedenfalls, daß Kinder in diesem Land leider Gottes ein zunehmender Armutsfaktor geworden sind (Abg. Schaffenrath: So ist es!) und daß man deswegen sehr wohl den Mehrkinderfamilien helfen muß. (Abg. Dr. Kier: Dann helfen Sie doch den Familien!) Ich werde Ihnen in drei Minuten beweisen, daß Sie mit Ihren Modellen die Mehrkinderfamilien schädigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben in diesem Land eine Situation, in der bereits mehr als ein Viertel der Alleinverdiener – und auch die wollen Sie schädigen – mit zwei Kindern dem Risiko ausgesetzt sind, armutsgefährdet zu sein oder an der Armutsgrenze zu leben. Und wenn diese Alleinverdienerfamilie drei Kinder hat, dann ist es schon in fast der Hälfte der Familien der Fall, daß sie armutsgefährdet sind oder bereits unter der Armutsgrenze liegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Lassen Sie mich an den Modellen, die das Liberale Forum mit den heutigen Unterlagen selbst vorgelegt hat, kursorisch zeigen, wie es mit der Familienpolitik des Liberalen Forums aussieht. Zuerst führen Sie ein Modell an, das ich überhaupt nur als "Madonnenmodell" bezeichnen kann, denn da gibt es einen Partner A, aber keinen Partner B. (Abg. Schaffenrath: Das gibt es!) Und in der Tat, wenn dieser Partner A ein Einkommen von 10 000 S hat, dann, muß ich sagen, ergibt das gegenüber dem Ist-Zustand eine Verbesserung von 2 700 S pro Monat. Wehe, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn dieser Partner A aber zugeben sollte, daß in diesem Haushalt auch ein Partner B lebt und eventuell ohne eigenes Einkommen Haushaltsleistungen erbringt! Dann ist die zusätzliche Leistung für diese offensichtlich sehr einkommensschwache Familie nur mehr 1 160 S im Monat wert. (Abg. Dr. Khol: Das ist eine Schande!) Also, bitte, ja nicht sagen, daß im Haushalt ein Partner lebt! Bleiben wir beim "Madonnenmodell" des Liberalen Forums, dann steigt man besser aus! (Abg. Dr. Khol: Das Modell ist eine Schande!)

Nun ein zweites Beispiel – damit komme ich jetzt zu Ihnen, Frau Dr. Schmidt –: Sie haben mir gestern ungeheuerliche Unredlichkeit vorgeworfen (Abg. Dr. Kier: Nicht nur gestern, sondern auch heute!), weil ich Ihnen gesagt habe, daß Ihr Modell sehr wohl Familien mit 20 000 S Einkommen benachteiligt. (Abg. Dr. Schmidt: Sie sind heute genauso unseriös! – Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. ) Ich halte mich an Ihre eigenen Unterlagen. Da sind sie. Wir können das gerne durchgehen. Ich bin gewohnt, in Zahlen zu operieren und in Zahlen zu denken. Das mache ich auch da. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie geben ja selbst zu, daß nach Ihrem Modell Nummer 3 eine Familie mit zwei Kindern im Alter von 18 und neun Jahren und einem Nettoeinkommen von 17 500 S, der man für den nicht erwerbstätigen Partner noch eine fiktive Bemessungsgrundlage von 8 000 S hinaufdividiert, dann gerade um 10 S weniger bekommt als heute. Gerade 10 S! – Und jetzt, nach Ihrem Referat, Frau Abgeordnete Schmidt, habe ich mir erlaubt, auszurechnen, was denn mit dieser Familie nach dem Modell Heide Schmidt/Liberales Forum passiert, wenn das Einkommen auf diese sagenhaften 20 000 S netto pro Monat ansteigt, diese 20 000 S, die ich bereits gestern vormittag hier angeführt habe und weswegen Sie mir heute nachmittag ungeheuerliche Unredlichkeit vorwerfen. (Abg. Dr. Schmidt: Mit Recht!) Wissen Sie, was dann passiert, Frau Dr. Schmidt? – Diese Familie bekommt nach dem Modell des Liberalen Forums gegenüber dem Status quo pro Monat um 935 S, pro Jahr um 11 220 S weniger. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Das ist falsch! Das ist falsch! – Abg. Dr. Khol: Das ist eine Schande!)

Schauen wir uns noch ein drittes Modell an, das auch Sie hier anführen und das man nur nachzulesen braucht: Eine Familie, bestehend aus zwei Doppelverdienern, einmal 25 000 S netto, einmal 10 000 S netto. Denen geht es schon ganz gut. Das ist Mittelstand, gehobener Mittelstand, aber von Reichtum ist dort, bei zwei Kindern, noch lange keine Rede. Denen


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nehmen Sie nach Ihren eigenen Unterlagen – da braucht man gar nichts nachzurechnen, nur abzulesen – pro Monat 3 525 S weg, pro Jahr 42 300 S. Ist das das Liberale Forum? (Abg. Dr. Khol: Das ist ein liberales Modell! Das ist eine Schande!) Ist das Mittelstandsorientierung? Ist das Mittelstandsfreundlichkeit? – Nein, ist es nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich lasse mich gerade von Ihnen, Frau Dr. Schmidt – da ich Sie persönlich und intellektuell sehr schätze –, durchaus auch der ungeheuerlichen Unredlichkeit zeihen (Abg. Dr. Schmidt: Und ich wiederhole das auch! Ich wiederhole es!), aber nur dann, wenn es auf Zahlen und Fakten basiert, und nicht dann, wenn der Hintergrund so falsch ist, wie Sie ihn heute hier dargestellt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Die Bestimmung § 74a Abs. 4 ist eine SollBestimmung, die des § 74a Abs. 5 ist eine zwingende für alle Redner. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. Sie können sich allerdings zu wiederholten Malen melden. Bitte um den Schlußsatz. (Abg. Dr. Schmidt: Es ist eine Frage der Fairneß, wie das der Herr Minister handhabt! – Abg. Dr. Graf: Wer hat denn die Geschäftsordnung geändert?)

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein (fortsetzend): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Schmidt! Sie sagen ja dankenswerterweise – und das ist der Schlußsatz –, daß Sie mit Ihrem Modell Einsparungen von insgesamt 17 Milliarden Schilling für den Finanzminister bringen. Diese 17 Milliarden Schilling nehmen Sie den Familien weg. Das heißt nicht weniger, als daß Sie jedem Kind in diesem Land durchschnittlich fast 10 000 S wegnehmen. (Abg. Dr. Schmidt: Vielleicht Ihnen! Sie brauchen es vielleicht nicht!) Ihr Modell ist familienfeindlich, Ihr Modell ist mittelstandsfeindlich (Abg. Dr. Schmidt: Das Gegenteil ist der Fall!), und Ihr Modell ist letztlich auch frauenfeindlich, weil Sie Alleinverdienerfamilien massiv benachteiligen und Frauen mit Ihrem Modell nicht nur zurück an den Herd drängen, sondern – noch schlimmer! – Sie zwingen sie in die Fabrik, Sie zwingen Sie an die Supermarktkassen. (Abg. Dr. Schmidt: Das Gegenteil ist der Fall! Sie drehen es um!) Darauf läuft es hinaus! (Beifall bei der ÖVP.)

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Sie hat das Wort. Redezeit: gleichfalls 10 Minuten.

15.56

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde mich bemühen, Ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, auch wenn es nur dadurch gelingen sollte, daß ich meine Stimme hebe.

Herr Haselsteiner hat, als Herr Bundesminister Bartenstein in Aussicht gestellt hat, daß er emotional werden könnte – das war leider nur in der Bank zu hören –, dessen Emotionalitätsfähigkeit bezweifelt. – Herr Haselsteiner! Ich habe gewußt, daß Herr Bartenstein emotional reagiert, wenn es um das Verfassungsgerichtshoferkenntnis geht, denn ich habe ja schon vor ungefähr zwei Wochen, als ich seine Meinung nicht ganz geteilt habe, das Fett abbekommen.

Aber etwas, Frau Schmidt, darf ich schon zu Ihren Ausführungen zur Klarstellung sagen: Die Bundesregierung hat unmittelbar nach Bekanntwerden des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein Lösungsmodell bis Ende Februar kommenden Jahres vorschlagen soll. Die Eckpunkte dieses Lösungsmodells bestehen in Verfassungskonformität, in einem verstärkten Eintreten für sozial schwächere Familien und darin, die Kinder in das Zentrum der Überlegungen zu stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie, Herr Bartenstein, meinen, daß Familienpolitik zur Sozialpolitik degeneriert, dann, Herr Familienminister, kann ich Ihnen nicht folgen, denn das bedeutet, daß Sozialpolitik in Ihren Augen etwas Degeneratives ist. Sie haben es in Ihren Ausführungen gesagt, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie es wirklich so gemeint haben, wie es geklungen hat und wie Sie es wörtlich formuliert haben. (Beifall bei der SPÖ.)


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Nach dieser Klarstellung bezüglich der Existenz einer Arbeitsgruppe erübrigt sich die Forderung des Liberalen Forums. Ich glaube, daß wir die Kinder ins Zentrum unserer Überlegungen stellen sollten. Dazu gehört auch die Frage, die die letzten Tage beherrscht hat: In welchem Ausmaß und in welcher Form sind Kinder steuerliche Absetzposten? – Ich sage: Kinder sind mehr! Sie sind auch mehr wert als steuerliche Absetzposten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Selbstverständlich haben wir Sozialdemokaten uns Gedanken gemacht und uns auch auseinandergesetzt mit den verschiedenen Modellen der verschiedenen Interessengruppen, diverser Familienorganisationen. Aber ich stelle fest, daß auch dem LIF – wie auch vielen anderen, die sich jetzt in der Öffentlichkeit geäußert haben – ein Fehler unterlaufen ist, und zwar deshalb, weil das Liberale Forum nur einen ganz bestimmten Teil der Familienleistungen herausgreift und betrachtet. Ich glaube, daß das problematisch ist. Ich halte es für einen Fehler, nur einen einzigen Aspekt, ein Segment herauszunehmen und auf dieser Basis eine Reform zu verlangen.

Wir Sozialdemokraten – ich habe das auch gestern betont – gehen von einer Gesamtsicht aus, von einer Gesamtsicht, wie wir den konkreten Bedürfnissen der Familien, der Kinder, der Mütter und der Väter entsprechen können, wie wir die Familien unterstützen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wichtig ist für uns aber auch die Gesamtsicht des Leistungskataloges der Familienförderung. Und wenn wir davon schon sprechen, möchte ich das noch einmal unterstreichen: Österreich liegt im internationalen Vergleich mit den Familienförderungen im Spitzenfeld. Wir geben jährlich 200 Milliarden Schilling für die Familien aus, und wir müssen dieses hohe Niveau halten. Das ist unser Ziel. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir also vom Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis ausgehen, so ist, wie es zunächst analysiert wird, auch zukünftig die steuerliche Berücksichtigung von Kindern durch Transfers und Absetzbeträge möglich. Das heißt, daß demnach auf die tatsächliche Unterhaltsleistung, also das tatsächliche Einkommen der Unterhaltsverpflichteten, abgestellt werden soll. Ein derartiges Modell wäre allerdings unsozial, weil es nur einigen wenigen Eltern mit hohen Einkommen eine Besserstellung bringen würde, vor allem beim Zusammentreffen zweier Komponenten, nämlich hohes Einkommen und studierendes Kind. Aber es kann doch nicht unser Anliegen sein, jenen, die schon genug haben, jenen, die schon viel haben, noch mehr zu geben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Die Umsetzung dieses Erkenntnisses ohne gezielte Förderungen und Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Jungfamilien, zur Verbesserung der Situation von Alleinerziehenden und Mehrkinderfamilien mit geringem Einkommen ist für uns nur schwer denkbar.

Ich glaube, eines ist klar: Auch das teuerste Familienförderungssystem ist nicht in der Lage, in einer komplexen Industriegesellschaft alle Probleme der Familien, so etwa auch das Phänomen der neuen Armut, zu lösen. Nur ein Beispiel: In Österreich gibt es rund 253 000 Alleinerziehende; über 90 Prozent davon sind Frauen. Durchschnittlich haben diese Frauen – inklusive aller Transferleistungen und Zulagen, abzüglich der Kosten für das Kind – bloß 6 500 S pro Monat zur Verfügung. Ein Drittel der weiblichen Angestellten und 40 Prozent der Arbeiterinnen müssen mit weniger als 6 200 S monatlich auskommen. (Abg. Dr. Gredler: Ein Skandal!)

Die Frage der Einkommenspolitik kann daher von uns nicht außer acht gelassen werden, nicht ausgeklammert werden, desgleichen die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, die immer weiter auseinanderklafft. Ebensowenig können wir das Problem der Wiedereinsteigerinnen, die nach einer Zeit der Kinderbetreuung wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen, vernachlässigen, denn die Chancen für Wiedereinsteigerinnen, Arbeit zu finden, stehen 50: 50, und es sind 39 Versuche erforderlich, bis sie wieder einen Arbeitsplatz bekommen.

Überdies meine ich, daß auch Überlegungen anzustellen sind, wie wir das bisherige Finanzierungssystem, mit dem wir die Familienförderungen finanzieren, auf neue ökonomische Entwicklungen abstellen. Das bedingt eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis und einen schritt


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weisen Umbau von der gegenwärtigen lohnsummenabhängigen Finanzierung hin zu einer wertschöpfungsbezogenen Abgabe. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch Sie, meine Damen und Herren vom Liberalen Forum, geben eigentlich keine Antwort darauf, wie Sie sich eine künftige Finanzierung Ihres Modells vorstellen. Sie geben auch keine Auskunft darüber, wie Sie sich die Finanzierung dieses Existenzminimums vorstellen. Sie sprechen lapidar davon, daß Ihr Modell einkommensneutral ist, bleiben aber den Nachweis dafür schuldig. (Abg. Dr. Haselsteiner: Aufkommensneutral, Frau Kollegin!)

Unserer Auffassung nach – und ich habe das schon mehrfach gesagt – müssen wir uns auf ganz bestimmte Familiengruppen konzentrieren. Das sind Alleinerziehende, Jungfamilien, einkommensschwache Familien, insbesondere solche mit mehreren Kindern. Wir müssen schauen, daß die Sachleistungen wie Schulbücher und Freifahrten erhalten bleiben (Abg. Wabl: Die werden schon reduziert!) , und wir müssen sukzessive die Kinderbetreuungseinrichtungen ausbauen. (Abg. Wabl: Die haben Sie schon reduziert! Wo sind die Freifahrten für die Studierenden?)

Es geht also vor allem darum, daß diese Familien an der allgemeinen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Gesellschaft entsprechend teilnehmen können, und es geht auch darum, die finanzielle Basis der Familien mit niedrigem Einkommen und nicht die der Höchstverdienenden zu verbessern. (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich müssen wir bei allen Reformbestrebungen, bei allen Reformbemühungen eines beachten, nämlich die Familienförderung effizient, mit geringem Verwaltungsaufwand zu gestalten. Im übrigen geben Sie vom Liberalen Forum auch keine Antwort darauf, wie Ihr Modell in der Praxis administriert werden soll.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß zum jetzigen Zeitpunkt alle Vorschläge, alle Diskussionsbeiträge zu sammeln und zu prüfen sind. Sie sollen im Interesse der Familien zu einer Weiterentwicklung unserer Familienförderung beitragen und auch dazu, daß wir das im Sinne der Familien und der Kinder umsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat zu Wort. Gleiche Redezeit. – Bitte sehr.

16.05

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich komme nicht umhin, mich über den heutigen Dringlichen Antrag des Liberalen Forums zu wundern, denn eines ist an diesem Antrag wirklich bemerkenswert: Es ist das erste Mal seit der Gründung des Liberalen Forums, daß von dieser Partei das Wort "Familie" mit Vehemenz überhaupt in die politische Diskussion eingebracht wird. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist ein Unsinn! – Abg. Dr. Kier: Sie schlafen! – Abg. Wabl: Der Blaublütler spricht!) Familie ist ein Begriff, dem die Liberalen nie wirklich Bedeutung beigemessen haben (Abg. Dr. Haselsteiner: Nicht die Familien, die Sie vertreten!) , und ihr heutiger Antrag beweist das ja auch wieder. Ich komme aber gerne noch darauf zurück. (Abg. Dr. Haselsteiner: Die Familie des Bartenstein ist etwas anderes! Wenn es nach Ihnen ginge, kämen Familien gar nicht zustande!)

Mit schillernden Themen haben Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den Liberalen, die Sie als Splitterfraktion selbstverständlich einen Profilierungsbedarf haben, in den letzten Jahren den Beifall der Öffentlichkeit gesucht, und tatsächlich, Herr Haselsteiner, haben Sie keinem Zeitgeistthema widerstanden, dessen Sie nur irgendwie habhaft werden konnten. Sie haben es am Wegrand aufgesammelt und thematisiert. Aber "Familie" ist im Sprachgebrauch des Liberalen Forums tatsächlich ein neuer Begriff. Sie werden zugeben müssen, daß "Familie" zwischen den liberalen Modethemen wie Drogenfreigabe, Kruzifixe, Homosexuellenehe und Abschaffung des Religionsunterrichtes tatsächlich nicht beheimatet ist. (Beifall bei der ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)


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Familienpolitik, meine Damen und Herren, hatte bisher in der Gesellschaftspolitik des Liberalen Forums keinerlei Stellenwert. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Es beginnt ja schon damit, daß das Parteiprogramm der Liberalen mit dem Begriff "Familie" gar nichts anzufangen weiß. (Abg. Schaffenrath: Aber Sie schon, Frau Rauch-Kallat!) Man sucht ihn dort vergeblich. Er taucht in diesem Programm kein einziges Mal auf; nicht einmal unter dem Punkt "Bildung und Erziehung" spielt Familie für die Liberalen eine Rolle. (Zwischenrufe beim Liberalen Forum. – Abg. Wabl: Und jetzt grasen sie in Ihrer Wählerklientel!)

Und so stellt sich für mich die Frage (Abg. Dr. Haselsteiner: Das glaube ich nicht!), was Frau Abgeordnete Schmidt mit ihrem heutigen Antrag, der wohl deshalb so dringlich ist, weil die Liberalen doch einen gewissen Aufholbedarf festgestellt haben, eigentlich bezwecken will. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das glaube ich nicht, daß Sie sich diese Frage stellen!) Haben Sie plötzlich erkannt, daß Sie neben der Liberalisierung von Drogen und der Abschaffung des Religionsunterrichtes doch auch ein Thema brauchen, das mehrheitsfähig ist? (Abg. Schaffenrath: Ihr Zugang interessiert mich!) Oder haben Sie endlich erkannt, daß von "Familie" 8 Millionen Österreicherinnen und Österreicher betroffen sind? Denn jeder von uns ist Teil einer Familie. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schaffenrath: Sagen Sie einmal, wie stehen Sie zu unehelichen Kindern?) Jeder von uns ist, wenn schon nicht Vater oder Mutter, so doch Tochter oder Sohn und damit verantwortlich für einen Teil einer Familie.

Frau Abgeordnete Schmidt! Mit diesem Antrag, mit diesem Ihrem LIF-Modell beweisen Sie jedoch nichts anderes, als daß Ihre Partei der Familie nach wie vor keinerlei Bedeutung in der Gesellschaft zugestehen möchte. (Abg. Mag. Barmüller: Bitte aufhören! Jetzt wird es wieder schmerzlich!) Das von Ihnen vorgelegte Familientransfermodell zählt im Kern ... (Abg. Mag. Barmüller: So viel Kurzsichtigkeit habe ich noch nie erlebt!) Warum erregt Sie das so, Herr Abgeordneter Barmüller? Sie sind doch sonst ein vernünftiger Mensch! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Bei Ihnen verliert man die Vernunft!)

Dieses Ihr Familientransfermodell zielt im Kern darauf ab (Abg. Mag. Barmüller: Ich kann diese Doppelmoral nicht mehr hören! Nicht von Ihnen, Frau Abgeordnete!) , Familien und (Abg. Mag. Barmüller: Nicht von Ihnen! Was haben Sie für eine Familie? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Für einen Toleranten ist das nicht so einsehbar! Das sind jetzt die Toleranten! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und beim Liberalen Forum) Gesellschaft grundsätzlich in Frage zu stellen und zu unterminieren. (Abg. Mag. Barmüller: Das ist eine Minderqualität vom Rednerpult!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich muß eines sagen: Wenn Antragsteller gehört werden wollen, müssen auch Antwortende gehört werden können, und wenn Antwortende gehört werden sollen, sollen auch Antragsteller gehört werden. Nur auf dieser Basis kann man diskutieren. Das gilt auch für Sie, Kollege Barmüller!

Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (fortsetzend): Frau Abgeordnete! Indem Sie Kinder zur reinen Privatsache machen wollen, geben Sie ihnen denselben Stellenwert wie etwa der Entscheidung zum Kauf einer Wohnung oder der Entscheidung zum Kauf eines neuen Autos. Georg Mautner Markhof, einer, der Sie kurzzeitig begleitet hat, hat es bei seinem Parteiaustritt auf den Punkt gebracht: Das Liberale Forum betreibt in der Tat die Demontage der Familie!

Frau Abgeordnete Schmidt! Kinder sind nicht bloß Privatsache: Sie sind in der Tat ein Geschenk an die Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP.) Und es ist eine gewagte Unterstellung, wenn Sie versuchen, diese Aussage der Abgeordneten Moser mit einem Familienbild aus dem Dritten Reich in Verbindung zu bringen. Frau Abgeordnete Schmidt! Das sagen gerade Sie, die Sie Generalsekretärin der Freiheitlichen Partei zu einer Zeit waren, in der sich diese noch zum deutschen Volkstum bekannt hat, die Sie im Bundespräsidentenwahlkampf 1992 auf Plakaten beworben wurden, die mich frappant an das "deutsche Mädel" erinnert haben, und die Sie bis zu Ihrem Absprung von der Freiheitlichen Partei in vielen Ideologien, an die Sie heute wahrscheinlich nicht mehr erinnert werden wollen, Ihrem Führer hörig waren. Sie waren ihm hörig! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf beim Liberalen Forum: Was Sie jetzt gesagt haben, ist peinlich!)


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Frau Schmidt! Sie sollten sich daran erinnern, aus welchem Stall Sie kommen, auch wenn Ihnen der Stallgeruch jetzt unangenehm ist, und nicht versuchen, andere zu diffamieren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Zurück zu Ihrem heutigen Antrag: Die Liberalen haben offensichtlich nicht verstanden, worum es beim Urteil des Verfassungsgerichtshofes zur Familienbesteuerung eigentlich geht. Es sollte den Damen und Herren vom Liberalen Forum klar sein, daß der Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis zur Familienbesteuerung nicht seine familienpolitischen Vorstellungen geäußert hat, auch wenn das der Verfassungsrechtler Mayer gerne so sehen möchte, sondern ausschließlich die derzeitige Rechtslage nach dem Einkommensteuergesetz auf eine Gleichheitswidrigkeit geprüft und dabei die Benachteiligung von unterhaltspflichtigen Eltern im Vergleich zu Steuerpflichtigen ohne Unterhaltspflichten derselben Einkommensstufe festgestellt hat. Allein diese Frage und nicht etwa die Frage, welches System der Familienförderung oder Familienbesteuerung das beste ist, hatte der Verfassungsgerichtshof zu behandeln! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der horizontale Lastenausgleich ist sicherlich keine Förderung nach dem Gießkannenprinzip. Der horizontale Lastenausgleich ist ein Grundprinzip der österreichischen Familienpolitik, die europaweit Vorbildcharakter hat. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen vom Liberalen Forum! Horizontaler Lastenausgleich ist keine Förderung nach dem Gießkannenprinzip, sondern vielmehr das Resultat der Logik, daß die Eigenschaft Familie bestimmte Lasten mit sich bringt und deshalb auch staatliche Leistungen nach sich zieht.

Die Familienbeihilfe stellt zusammen mit dem Kinderabsetzbetrag den Kern des Familienlastenausgleichs dar. Mit Ihrem Modell, Frau Abgeordnete Schmidt, nehmen Sie den österreichischen Familien 17 Milliarden Schilling weg, was den Mittelstand voll treffen würde. (Abg. Dr. Khol: 17 Milliarden! – Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Herr Millionär Haselsteiner! Für Sie sind 17 Milliarden Schilling vielleicht nicht viel, für die österreichischen Familien aber sehr wohl! (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz davon zu schweigen, daß nach Ihren Vorstellungen die Auszahlung der Familiengelder mit dem Jahresausgleich erfolgen soll, also mindestens eineinhalb Jahre nach dem tatsächlichen Anfall der Kosten für die Kinder. – Frau Abgeordnete Schmidt! Die österreichischen Familien werden sich dafür bei Ihnen zu bedanken wissen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Mit Ihrer Beschränkung der Familienbeihilfe auf sozial Bedürftige degradieren Sie die Familienpolitik zur reinen Sozialpolitik. – Das würde sicherlich keinen Fortschritt in der Familienpolitik bedeuten – aber einen Fortschritt haben wir von Ihnen ohnehin nicht erwartet.

Einem einzigen Punkt in Ihrem Papier können wir zustimmen, nämlich der Senkung der Lohnnebenkosten: Das ist gut für Betriebe, das ist gut für Arbeitsplätze, das ist gut für den Wirtschaftsstandort. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie haben doch zehn Jahre nichts anderes getan, als die Lohnnebenkosten zu erhöhen!) Es darf diese Senkung der Lohnnebenkosten aber sicherlich nicht durch eine Senkung der Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds vorgenommen werden! Das muß auf eine andere Weise geschehen, zum Beispiel durch eine Ökologisierung des Steuersystems.

Meine Damen und Herren! Für die ÖVP ist klar, daß staatliche Transferleistungen an Familien zumindest einen Teil der Lasten für jene ausgleichen sollen, die Kinder haben, und zwar unabhängig vom Familieneinkommen. Es geht uns um die Solidarität mit jenen, die die Verantwortung übernommen haben, Kinder zu erziehen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Die Österreichische Volkspartei hat schon im Jänner dieses Jahres ein Modell vorgelegt, das steuerliche Gerechtigkeit für alle Familien enthält, und wir werden auf Grundlage dieses Modells verhandeln. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schluß. (Abg. Mag. Stadler: Der letzte Zettel!) Richtig: Ich komme zum letzten Zettel.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Aber nicht den ganzen, bitte!


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Abgeordnete Maria Rauch-Kallat
(fortsetzend): Wir wollen damit sicherstellen, daß für die Millionen österreichischer Familien, die Liebe und Zuwendung geben und für die zukünftige Generation Verantwortung, finanzielle Belastung und Verzicht auf sich nehmen, mehr Gerechtigkeit erreicht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

16.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte. Gleiche Redezeit.

16.16

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Minister! Hohes Haus! Als ich den Dringlichen Antrag des Liberalen Forums gesehen habe, war ich der Meinung, daß es heute in diesem Hohen Haus endlich die Möglichkeit geben wird, über die Familienförderung objektiv, sachlich zu diskutieren. Jede Fraktion soll ihre Konzepte vorlegen, und wir werden versuchen, gemeinsam das Beste herauszufinden.

Frau Dr. Schmidt! Ich habe Ihnen sehr gut zugehört. Sie haben von den 20 Minuten Ihrer Redezeit 18 Minuten dazu verwendet, das Höchstgericht, den Verfassungsgerichtshof, zu beschimpfen. – Ich gebe zu: Es wird nicht von uns erwartet, daß wir ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes unkritisch und unkommentiert zur Kenntnis nehmen. Aber die Art und Weise, wie Sie vorgegangen sind, ist, meine Damen und Herren, ist demokratiepolitisch mehr als bedenklich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haselsteiner: Das sagen gerade Sie, Böhacker!)

Herr Kollege Kier hat moniert, daß hier immer über die Familie gesprochen wird, wenn es doch um die Kinder geht. – Anscheinend hat Kollege Kier den eigenen Dringlichen Antrag nicht gelesen! (Abg. Mag. Stadler: Er sollte einmal mit seiner Exfrau reden!) Darin ist nämlich von "Neugestaltung der ,Familienförderung’" und nicht von Neugestaltung der Kinderförderung die Rede. – Jetzt kenne ich mich nicht mehr aus: Geht es um die Kinder, oder geht es um die Neugestaltung der Familienförderung?

Auf der letzten Seite des Antrages steht unter anderem: "Die administrativen Kosten sind gegenüber jenen des gegenwärtigen Systems minimal, da die Höhe des Transfers durch das zuständige Finanzamt beim Jahresausgleich zu berechnen ist". – Nach meinem bescheidenen Wissensstand gibt es bereits seit Jahren keinen Jahresausgleich beim Finanzamt mehr. Wie Sie das machen wollen, weiß ich nicht! Daran sieht man, wie unscharf bei der Verfassung dieses Antrags vorgegangen wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Fakten liegen doch auf dem Tisch. Österreich ist im internationalen Vergleich bei der sogenannten Familienförderung zweifellos nicht das Schlußlicht. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, daß trotz dieser an sich nicht schlechten Familienförderung mehr als 100 000 österreichische Mehrkinderfamilien an oder unter der Armutsgrenze leben. Das sollte uns zu denken geben!

Einer der Gründe dafür ist wohl auch die ungerechte Besteuerung im Bereich der österreichischen Familien. In Österreich wird jedes Einkommen gleich besteuert, egal wie viele Menschen von diesem Einkommen leben müssen. Meine Damen und Herren, das ist nachweislich – das sagen alle Experten – ein Grund für die Familienarmut in Österreich, die es unverzüglich abzustellen gilt!

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche, insbesondere Frau Kollegin Haller und ich, haben uns gemeinsam mit Experten – Universitätsprofessoren! – redlich bemüht, ein Modell in Form eines steuerlichen Familiensplittings zu entwickeln. Es erhebt nicht den Anspruch, alleinseligmachend zu sein, aber wir haben uns bemüht, und es gilt auch das Modell einer Oppositionspartei in Erwägung zu ziehen und zu prüfen.


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94. Sitzung / Seite 109

Beinahe reflexartig kam insbesondere von den Sozialdemokraten Ablehnung, mit der Begründung: Das ist familienfeindlich, frauenfeindlich und so weiter und so fort.

Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und Ihnen das freiheitliche Familiensteuersplitting in seinen Grundzügen vorstellen:

Wir stellen uns vor, daß das gesamte Einkommen der Familie – und der Begriff "Familie" ist sehr weit gefaßt, er umfaßt auch Partnerschaften und Alleinverdiener plus Kinder –, sowohl die steuerpflichtigen Bezüge als auch die dazugehörigen staatlichen Transferzahlungen, addiert wird. Dieser ermittelte Betrag ist dann durch einen Splittingfaktor, der variabel sein kann, zu dividieren. Das ergibt die Bemessungsgrundlage für die Lohn- oder Einkommensteuer. Die sich ergebende Lohn- oder Einkommensteuer wird wiederum mit dem Splittingfaktor multipliziert.

Ein Vorgehen nach diesem Modell hätte zum Ergebnis, daß das Existenzminimum jedes Familienmitglieds steuerfrei bleibt. Dieses Modell entspricht in weiten Bereichen auch den Intentionen des Verfassungsgerichtshofes.

Es kam aber sofort der Hinweis darauf, daß dieses Modell die Frauen zurück an den Herd zwingt. – Das ist absolut unrichtig! Denn eine der Grundlagen dieses Modells ist die Freiwilligkeit: Jede Familie hat das Recht, die Option, selbst zu erklären, ob sie das Steuersplittingsystem oder die Individualbesteuerung will.

Ein weiterer Vorwurf lautete, daß dieses Modell die Besserverdienenden bevorzuge. – Auch das ist absolut unrichtig! In diesem Modell ist eine Deckelung vorgesehen, bis zu welcher Höhe ein Familiensplitting möglich ist. Es ist also sogar das Gegenteil der Fall: Es kommt zu einer Umverteilung von oben nach unten.

Außerdem wurde gesagt, daß die Verwaltung dieses Modells zu kompliziert sei. – Auch das ist absolut unrichtig! Ganz im Gegenteil: Aufgrund der bereits 2,1 Millionen Arbeitnehmerveranlagungen, die durchgeführt wurden, und aufgrund der Selbständigenveranlagungen kann ohne weiteres auch das Familieneinkommen ermittelt werden. Es würde genügen, daß man in der Einkommensteuerklärung oder in der Arbeitnehmerveranlagungserklärung ankreuzt, ob man Familiensplitting oder Individualbesteuerung will.

Laut Aussage der SPÖ ist dieses Modell der Freiheitlichen sozial ungerecht. – Ganz im Gegenteil: Durch die Einführung einer Negativsteuer bei entsprechend niedrigen Einkommen, bei denen der Splittingfaktor nicht mehr wirkt, kommt es wiederum zu einer Umverteilung von oben nach unten.

Auch die Behauptung, daß dieses Modell nur für die klassische Familie gilt, ist unrichtig: Dieses Modell hat für die Familie im weitesten Sinn zu gelten – das habe ich schon gesagt –: für Partnerschaft, Alleinerzieherinnen mit Kindern und dergleichen mehr. (Abg. Dr. Schmidt: Was bedeutet "dergleichen mehr"?) Es gibt ja verschiedene Beziehungen: Es gibt Alleinerzieherinnen, es gibt Alleinerzieher, und es gibt weibliche und männliche Kinder, Frau Kollegin, nicht wahr? – Das stimmt, dann sind wir uns ja einig! (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Ich habe nur 10 Minuten Redezeit. Wir können uns nachher draußen unterhalten, dann werde ich Ihnen das erklären. Ich gehe davon aus, daß Sie meine Ausführungen verstehen werden. Wir haben aber auch ein schriftliches Programm dazu, darin können Sie alles nachlesen, und wir können uns das wirklich in aller Ruhe anschauen. Denn ich meine, es sollte unser aller Aufgabe hier in diesem Hohen Haus sein, alle Modelle zu prüfen. Man darf nicht einfach nur sagen: Ein Modell, das von den anderen kommt – gleichgültig, ob von den Freiheitlichen, von den Liberalen, von den Sozialdemokraten, von der ÖVP oder von den Grünen – , ist schlecht. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Habt ihr ein Konzept? Ich hoffe es! (Abg. Wabl: Selbstverständlich!) Dann werden wir uns dieses auch anschauen.

Gemeinsam sollten wir für die österreichischen Familien das Beste finden. Es hat keinen Sinn, wenn wir hier reden und dann wieder im Nichtstun erstarren. Wir haben jedenfalls unser Modell! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Durch die Einbeziehung der sozialen Transferleistungen in die Besteuerung wird es wiederum einen Effekt der Umverteilung von oben nach unten geben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Frau Kollegin Mertel, auch Sie fordern doch immer eine Umverteilung hin zu den niedrigen Einkommen!

Meine Damen und Herren hier in diesem Hohen Haus! Wenn Sie es wirklich ernst meinen mit einer Neugestaltung der Familienförderung und wenn Sie die Umsetzung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ernst nehmen – nicht eins zu eins, aber im Sinne der österreichischen Familien und im Sinne der österreichischen Kinder –, dann befreien Sie sich von ideologischen Grabenkämpfen und treten Sie in eine Diskussion mit allen Fraktionen hier in diesem Hohen Haus ein! Wir wollen die ideologische Streitarena jedenfalls verlassen, wir wollen eine Lösung für die österreichischen Familien finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Öllinger. – Bitte. Gleiche Redezeit.

16.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Ministerbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte eigentlich nicht dort fortsetzen, wo Kollegin Rauch-Kallat aufgehört hat, und war insofern für den eher ruhig gehaltenen Beitrag des Kollegen Böhacker sehr dankbar. Ich meine, daß es bei der Debatte um die Familienförderung nicht darum geht, den Stallgeruch von irgend jemandem zu erörtern und zu debattieren, und ich glaube, daß man den Willen zur Verbesserung der Familienförderung auch nicht dadurch dokumentieren kann, daß man das Wort "Familie" möglichst oft verwendet. Frau Kollegin Rauch-Kallat, es kann nicht Sinn und Perspektive dieser Debatte sein, daß wir uns gegenseitig an den Kopf werfen, daß jemand das Wort "Familie" zu oft oder zu selten verwendet. (Zwischenruf der Abg. Rauch-Kallat. )

Ich verweise darauf, daß es gestern gerade von Ihrer Fraktion im Zusammenhang mit der Debatte in der Aktuellen Stunde Wortmeldungen gegeben hat, die mir zu denken gegeben haben. (Abg. Dr. Khol: Das sollen sie ja!) Es wurde von der "funktionierenden Familie" gesprochen. (Abg. Rauch-Kallat: Gott sei Dank!)  – Wie funktioniert eine Familie? Was ist eine funktionierende Familie? Funktioniert sie, wenn Kinder produziert werden oder wenn die Beziehung stabil ist? Wodurch funktioniert eine Familie? – Dazu müßten Sie sich etwas näher erklären! (Abg. Dr. Khol: Es gibt Pflichten und Rechte!)

Jemand von Ihrer Seite – ich glaube, es war Abgeordneter Morak – hat davon gesprochen, daß er zu Hause zwei Steuerabzugsposten sitzen hat. Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wenn Sie sich beim Thema Familienförderung einer solchen Sprache bedienen, auf der anderen Seite aber Weihrauch verbreiten, indem Sie von Kindern sprechen, die an die Gesellschaft gespendet werden, dann müssen Sie sich auch die Frage stellen lassen, welche Art von Familienpolitik Sie betreiben wollen. Geht es wirklich nur darum, daß die Eltern vom Finanzminister etwas mehr abkassieren? Oder gibt es noch eine andere Idee, die Sie mit "Familie" verbinden, außer daß Sie der Gesellschaft und Herrn Fasslabend und den anderen Herren auf der Regierungsbank, die das dann verarbeiten sollen, ein Geschenk machen wollen?

Geht es um mehr? – Ich frage mich, worum es wirklich geht. Herr Bundeskanzler! Ich habe von Ihnen gehört – und ich halte das für eine Erklärung, an der Sie noch gemessen werden können – , daß es die Möglichkeit gibt, dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes so zu entsprechen, daß man eine Sanierung wirklich nur für die 3 Prozent der Einkommensbezieher, die es betrifft, vornimmt. – Das wäre die billigste Lösung. Die Sozialdemokratische Partei sagt nein dazu, weil ihr – und das habe ich gestern auch von der ÖVP gehört – jedes Kind in dieser Gesellschaft gleich viel wert ist. Wenn Sie diesen Grundsatz weiter beherzigen wollen, dann werden Sie allerdings mit diesem Urteil des Verfassungsgerichtshofes, wenn Sie den Spruch so akzeptieren, nicht weiterkommen! (Beifall der Abg. Parfuss. )

Das ist Ihr Problem: Sie müßten etwas ehrlicher sein. Sie wissen genauso gut wie ich, daß Sie, um dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes entsprechen zu können, bei gleichen Leistungen


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für jedes Kind die Familienbeihilfe in dem Segment der über Neunzehnjährigen auf 3 500 S oder 3 300 S anheben müßten. – Ich sage: Das wäre gut, denn die Familienbeihilfe ist derzeit zu niedrig. Aber es war ja gerade Ihre Politik, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die dazu geführt hat, daß die Familienbeihilfen gekürzt und die Geburtenbeihilfen gestrichen worden sind und daß es keine Valorisierung gegeben hat! Ich will nicht meinen Beitrag von gestern wiederholen, den ich an dieser Stelle gebracht habe, worauf mir Kollege Morak gesagt hat, daß all das nicht stimmt. Offensichtlich hat er sich mit diesen Themen an und für sich nicht beschäftigt und ist dann in der Debatte irgendwie darauf gekommen, daß es doch anders sein könnte, als er glaubt.

Ich verweise noch einmal auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofes, ich habe es mir sehr genau durchgelesen und bin dabei auf einige interessante Punkte gestoßen. Der Verfassungsgerichtshof – und das war auch meine erste Stellungnahme – hat ein Urteil gefällt, das ein perverses Signal aussendet, und zwar in der Hinsicht, daß dadurch Bezieher von hohen Einkommen begünstigt werden sollen. (Abg. Dr. Lukesch: Das ist falsch!) Wenn man aber das Urteil des Verfassungsgerichtshofes genau durcharbeitet, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß das Problem weniger im Urteil des Verfassungsgerichtshofes liegt als in dem diesem zugrunde liegenden Unterhaltsrecht, das weitgehend ein Richterrecht ist.

Im Unterhaltsrecht steckt die Ungerechtigkeit. Doch wenn Sie tatsächlich Gerechtigkeit schaffen wollen – Sie alle hier auf der Regierungsbank spreche ich damit an –, dann müssen Sie im Unterhaltsrecht etwas machen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich werde Ihnen das anhand einiger Beispiele, die auch im Urteil des Verfassungsgerichtshofes eine Rolle spielen, zu belegen versuchen. Darin kommen einige Begriffe vor, so beispielsweise auch der Begriff Unterhaltsanspruch. Der Unterhaltsanspruch wird in Prozenten ausgedrückt, und zwar abhängig vom Einkommen der Eltern. Da haben wir als erstes das Problem, daß er altersmäßig steigt: Je älter die Kinder, desto höher ist der Prozentanteil. Wir wissen aber auf der anderen Seite – Herr Minister, Sie haben ja vorhin den Verteilungsbericht zitiert –, daß wir in unserem bestehenden System von Familienförderung ein Problem gerade damit haben, daß Ungerechtigkeiten dadurch erzeugt werden, daß die älteren Kinder eindeutig bevorteilt werden. Aber die älteren Kinder sind dann eben nicht alle älteren Kinder, sondern da bleiben nur noch wenige übrig, nämlich jene, die bildungsbereit oder bildungswillig oder wie immer man das ausdrücken will sind und studieren. Diese Kinder bleiben übrig. Doch wir wissen aus der Zusammensetzung der studierenden Jugendlichen, daß das nicht in erster Linie Kinder aus einkommensschwachen Familien sind. Das hat natürlich zur Folge, daß der Unterhaltsanspruch, weil er vom Alter der Kinder abhängig ist, diese Kinder – eigentlich Erwachsenen – begünstigt.

Der zweite Punkt, der im Urteil des Verfassungsgerichtshofes eine Rolle spielt, ist der Regelsatz. Der Regelsatz steigt auch mit dem Alter des Kindes. – Ich stelle bescheiden die Frage, ob es wirklich so ist, daß der Regelsatz bei einem 0- bis 3jährigen mit 1 970 S bemessen werden kann und bei einem 19- bis 28jährigen mit 5 500 S. Wenn ich mir die Lebenssituation der meisten jungen Familien ansehe, dann stelle ich fest, daß sie eher dann Probleme haben, wenn sie eine Familie gründen, denn da entstehen die meisten Kosten, da muß Wohnraum für die Kinder geschaffen werden, da muß eine neue Wohnung gesucht oder ein Zimmer adaptiert werden. Natürlich gibt es bei älteren Kindern auch einen erhöhten Bedarf, aber es gibt immerhin auch – derzeit noch! – kostenlose Leistungen, die die Gesellschaft zur Verfügung stellt: die Bildung, die Hochschule. Erst dann, wenn das kostenpflichtig wäre, würde diese Argumentation zutreffen.

Der dritte Punkt, den ich zu bedenken gebe – der Verfassungsgerichtshof unterstützt diese Argumentation ausdrücklich und übernimmt sie aus dem Unterhaltsrecht –, ist der, daß es im Unterhaltsrecht einen sogenannten Unterhaltsstopp gibt. Das ist für mich ein völlig paradoxes Signal. Der Unterhaltsstopp sagt nichts anderes aus, als daß die Eltern, wenn ihr Einkommen so hoch ist, daß der zweieinhalbfache Regelsatz überschritten wird, trotzdem nicht mehr bezahlen müssen. Es ist mir einsichtig, daß der zweieinhalbfache Regelsatz bei einem 19- bis 28jährigen – das wären 13 000 S bis 14 000 S – eine hohe Summe ist, und ich sehe eigentlich nicht ein – und damit sind wir wieder beim Grundproblem angelangt –, daß ein 19- bis 28jähriger, der


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erwachsen ist – sprechen wir es doch aus! – von seinen Eltern noch 15 000 S bis 16 000 S als Unterhaltsanspruch erhalten soll und sagen kann: Ich brauche mich um meinen Unterhalt nicht zu kümmern, sondern ihr, liebe Eltern, habt für meinen Unterhalt zu sorgen!

Das sind Fragen, die grundsätzlich mit diesem Unterhaltsrecht und mit diesem Richterrecht – es ist zum Großteil kein geschriebenes Recht – verbunden sind. Daher wäre nicht in erster Linie – obwohl auch – der Verfassungsgerichtshof zu geißeln, sondern dieses Richterrecht, das in den letzten Jahrzehnten eine Praxis begründet hat, die die Besserverdienenden begünstigt.

Nun wissen wir aus der Verteilungsstudie, daß auch die Familienförderung – und ich unterstütze trotzdem in der Tendenz das bestehende System der Familienförderung – die oberen Einkommensgruppen begünstigt. Sie können die Studie von Guger von vorne nach hinten lesen: Die Familienförderung (Zwischenruf der Abg. Dr. Sonja Moser ) verteilt um zu den Selbständigenhaushalten! Ich kann es Ihnen ja vorlesen. Ich kann Ihnen auch Zitate bringen. Die Familienförderung verteilt fast ausschließlich nach horizontalen Kriterien, obwohl dabei der größte Teil der Mittel in die obere Hälfte der Einkommenshierarchie fließt und so weiter. – Das sind klare Aussagen aus der Verteilungsstudie, und wir haben uns damit zu beschäftigen. (Weiterer Zwischenruf der Abg. Dr. Sonja Moser. )

Ich sage Ihnen nur noch eines zu der Debatte um die Familienförderung (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Sie dürfen nicht vergessen, daß es in erster Linie um die Kinder geht, um die Förderung der Kinder, um die Chancengleichheit und um die Optimierung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Aber wenn sich die Debatte in ihrem Verlauf nicht darauf bezieht, dann ist die ganze Debatte um Familienförderung und Familienlastenausgleich, um Steuerabzugsposten sinnlos, dann können Sie sie führen, aber sie hilft den Betroffenen nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Motter zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.36

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren Minister auf der Regierungsbank! Herr Präsident! Herr Familienminister Bartenstein, um es klar zu sagen: Wir verabschieden uns nicht von der Familienpolitik, wir verabschieden uns allerdings von einer Politik, wie sie die ÖVP für die Familie macht, denn diese setzt Normen, die der mündige Bürger nicht will und auch nicht verdient hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Minister Bartenstein! Eine Regierung – zu der auch Sie gehören –, die den Familien auch nur einen Schilling wegnimmt, wie bereits geschehen ... (Abg. Rauch-Kallat: 17 Milliarden nehmen die Liberalen den Familien weg! – Abg. Dr. Petrovic, in Richtung ÖVP: Sind die Liberalen an der Regierung?) Lassen Sie mich bitte ausreden, ich habe nicht soviel Zeit! – Eine Regierung, die den Familien auch nur einen Schilling wegnimmt, hat nicht das Recht, sich so aufzuspielen! (Weiterer Zwischenruf der Abg. Rauch-Kallat. )

Frau Kollegin Rauch-Kallat! Zu Ihren Äußerungen möchte ich gar nichts sagen, denn sie sprechen für sich. (Abg. Dr. Khol: Sie können dem nichts entgegensetzen!) Aber eines sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben: In unserem Parteiprogramm befassen wir uns ... (Abg. Dr. Khol: Sie sind nicht in der Lage, dem etwas entgegenzusetzen, Frau Motter!) Ich könnte viel sagen, aber ich möchte nicht. (Abg. Dr. Khol: Tun Sie es!) Nein, mir ist anderes wichtiger, und da möchte ich bei meinem Vorredner anknüpfen. (Abg. Dr. Khol: Wittgensteins Tractatus, letzter Satz: Worüber man nicht reden kann, darüber muß man schweigen!)

Aber eines sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Wir haben in unserem Parteiprogramm 17 Aussagen, die sich mit Familienpolitik beschäftigen. Es ist auch nicht alles richtig, was Bischof Krenn sagt. Merken Sie sich das! (Beifall beim Liberalen Forum und der Abg. Dr. Petrovic. )


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Herr Kollege Böhacker! Es geht uns um die Neugestaltung der Familienförderung, und Familien bestehen nun einmal aus Kindern. Das ist für mich der Anlaß – ich möchte da an die Aussage des Kollegen Öllinger anschließen –, klar und sachlich darauf hinzuweisen, daß im Mittelpunkt all unserer Überlegungen zum Thema Familienförderung einzig und allein das Wohl des einzelnen Kindes steht. Es muß uns allen darum gehen, Strukturen zu schaffen, die es den Kindern ermöglichen, in einem Umfeld aufzuwachsen, in dem jedes Kind möglichst viele Chancen zur Entfaltung seiner Persönlichkeit vorfindet. Das heißt, es muß vor allem um die Gestaltung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen gehen, und es kann nicht darum gehen, sich in die Gestaltung des Lebens einzelner einzumischen.

Meine Damen und Herren! Die Familie hat heute viele Formen und Normen. Es ist nicht so, wie es sich die Damen und Herren von der ÖVP wünschen und so gerne hätten, nämlich daß die Familie nach ihrem Bild gelebt wird. (Abg. Scheibner: Wie ist denn eine Familie?) Es muß – ich habe es gestern schon gesagt – jedem selbst überlassen bleiben, wie sie oder er die Form des Zusammenlebens für sich bestimmt. Entscheidend ist aber für uns, daß wir darauf achten, daß alle Kinder, egal, wie ihre Eltern sich miteinander arrangieren, bestimmte Voraussetzungen erhalten.

Es ist jedenfalls eine Tatsache, daß gerade Kinder in steigendem Maße armutsgefährdet sind. So sind 21 Prozent aller Kinder in Österreich von Armut bedroht, hingegen "nur" – unter Anführungszeichen – 9 Prozent der Erwachsenen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie ist das in den homosexuellen Familien?) Das, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, und auch bei Ihnen, Frau Kollegin Partik-Pablé (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was ist bei mir? – Abg. Dr. Khol: Was ist bei der Frau Dr. Partik-Pablé?), ist nicht zuletzt auf die von Ihnen verordneten Sparmaßnahmen zurückzuführen, denn Kürzungen des Karenzgeldes, des Arbeitslosengeldes, Kürzungen im Bildungsbereich, um nur einige zu nennen, sind nur kurzfristige Geldbeschaffungsaktionen, die wiederum nicht Kinder von reichen Eltern treffen, sondern ganz bestimmt Kinder aus armen Familien, und diese haben das Geld weiterhin bitter notwendig. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was ist bei mir? – Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Bitte, laß mich jetzt ausreden, Helene, du hast mich ganz genau verstanden. Auch diese Eltern haben das Recht, Familie zu leben, wie du es mir soeben vorwerfen wolltest. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Welche Eltern?)

Meine Damen und Herren! Das belegt auch der Umstand, daß Kinder alleinerziehender Mütter und Väter dreimal mehr von der Armut bedroht sind als Kinder aus einer Mutter/Vater/Kind-Familie. Wir wissen auch, daß Arbeitslosigkeit das Armutsrisiko um das Fünffache erhöht. Wenn wir also hier über Förderung der Familien sprechen, müssen wir uns auch mit dem Gedanken beschäftigen, wie wir eine effiziente Beschäftigungspolitik machen können, und da gehe ich konform mit den Aussagen meiner Klubchefin Dr. Schmidt. Laut Studie von Hans Steiner und Walter Wolf, "Armutsgefährdung in Österreich", sind in Österreich – und das ist eine Zahl, die man auf der Zunge zergehen lassen muß – 270 000 Kinder armutsgefährdet, und davon kommen 50 Prozent aus Arbeiterfamilien, denen eine genaue Umsetzung (Abg. Dr. Khol: Denen Sie die 17 Milliarden wegnehmen wollen!)   also bitte schön! – des Urteils des Verfassungsgerichtshofes nichts bringen würde. (Abg. Dr. Khol: 17 Milliarden! – Abg. Dr. Petrovic, in Richtung des Abg. Dr. Khol: Wer hat das zweite Karenzjahr halbiert?) Daß die steuerliche Absetzbarkeit der Unterhaltskosten hauptsächlich den Besserverdienenden zugute kommen würde, müßten Sie, so meine ich, schön langsam begreifen, sofern Sie es begreifen wollten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es muß – ich wiederhole es noch einmal – um das Kind gehen und nicht darum, wie Sie, Herr Klubobmann Khol, familienpolitische Vorstellungen verwirklicht haben wollen!

Meine Damen und Herren! Das Modell des Liberalen Forums, das für jedes Kind ein Grundeinkommen vorsieht, welches von verschiedenen Faktoren abhängig ist, stellt ein brauchbares Konzept dar. Außerdem trägt es dem im UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes verankerten Status von Kindern als Rechtssubjekt voll Rechnung. Ich glaube, auch das sollte


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man einmal bedenken, wenn man ein so großer EU-Befürbeworter ist wie Sie, Herr Klubobmann Khol. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das Modell der sozialen Staffelung garantiert zudem, daß die finanziellen Zuschüsse wirklich nur jenen Kindern zugute kommen, deren Eltern, aus welchen Gründen auch immer, dieses Grundeinkommen nicht erbringen können.

Abschließend möchte ich noch festhalten, daß allein mit finanzieller Unterstützung, in welcher Form auch immer, zuwenig getan ist. (Abg. Mag. Stadler: Rote Karte: Eine Minute noch! – Abg. Dr. Khol zeigt in Richtung des Liberalen Forums eine rote Karte.) Ergänzend und genauso wichtig sind Sachleistungen und eine kindgerechte Infrastruktur. Wir alle wissen, daß wir mehr Kindereinrichtungen brauchen, eine zukunftsweisende Bildungspolitik und so weiter.

Ich möchte aber auch noch sagen – und das ist auch ein Faktum –, daß Österreich in Europa das kinderfeindlichste Land ist. Das ist belegbar! Ich möchte Sie deshalb, meine Damen und Herren – auch Sie, Frau Kollegin Mertel –, bitten, in der neuen Arbeitsgruppe auch unser Modell, das wir hier heute vorgelegt haben, zumindest zu diskutieren, wenn Sie es schon nicht zur Kenntnis nehmen wollen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Rauch-Kallat gemeldet. Ich bitte, zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt und dann den tatsächlichen Sachverhalt darzulegen.

16.44

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Motter, ich habe mich nicht, wie von Ihnen behauptet, in meinen Aussagen zum Parteiprogramm der Liberalen und dem darin nicht enthaltenen Familienbegriff – wie auch sonst nie – auf Bischof Krenn berufen (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!), sondern auf die Web-site des Liberalen Forums im Internet. Sollten Sie, meine Damen und Herren, jedoch in der Zwischenzeit Ihr Parteiprogramm geändert haben, dann würde ich Ihnen als junger dynamischer Partei den guten Rat geben, Ihre Web-site zu aktualisieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Es war keine tatsächliche Berichtigung, aber es war nicht schlecht!)

16.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kaufmann. – Bitte.

16.45

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte eingangs zwei Fakten feststellen: erstens einmal das Faktum, daß wir in Österreich eine Familienförderung haben, die der Qualität nach, aber auch dem Förderungsvolumen nach eine der besten Familienförderungen in Europa ist, und das ist auch von der OECD klipp und klar festgestellt worden.

Zweites Faktum: Alle Parteien tragen derzeit die Forderung vor sich her, daß vor dem Steuergesetzgeber alle Kinder gleich zu sein haben. Ich will schon in Erinnerung rufen, daß die Sozialdemokratische Partei in Alleinregierung vor zirka 20 Jahren gegen den Widerstand der ÖVP durchgesetzt hat, daß die Freibeträge auf Absetzbeträge umgestellt werden.

Nun einige Gedanken zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Es ist völlig klar, daß eine exakte Umsetzung der Forderung des Verfassungsgerichtshofes nur die Bezieher hoher Einkommen begünstigen würde. Ich weiß nicht ganz genau, was Herr Minister Bartenstein unter mittleren Einkommen versteht. Das mittlere Einkommen in Österreich beläuft sich laut Bericht des Sozialministeriums auf 20 000 S brutto monatlich.

Sie brauchen nichts zu zitieren, Herr Minister, Sie können es ganz genau ausrechnen: Wenn man davon ausgeht, daß der zivilrechtliche Unterhalt zur Hälfte steuerlich berücksichtigt werden soll, und wenn man dem die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag gegenüberstellt, kommt man auf ein Monatseinkommen von 75 000 S, und nur Monatseinkommen, die darüber


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liegen, können von diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes positiv betroffen sein – alle anderen nicht. (Widerspruch bei der ÖVP.) Das hieße, daß es in Österreich etwa 30 000 Steuerpflichtige geben würde, die davon positiv betroffen wären, und diese 30 000 Steuerpflichtigen würden 400 Millionen bis 500 Millionen Schilling pro Jahr bekommen. Das kann man ganz einfach und ganz leicht nachrechnen.

Ich will hier noch einmal feststellen – der Herr Bundeskanzler hat das klipp und klar gesagt –: Eine Lösung, von der nur jene, die mehr als 75 000 S pro Monat brutto verdienen, profitieren, kommt für die Sozialdemokratische Partei ganz sicherlich nicht in Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein anderer Eckpunkt ist folgender: Würde man die Fiktion aufstellen und davon ausgehen, daß der Kinderabsetzbetrag tatsächlich für alle Kinder gleich ist, ihn aber so ansetzen – das heißt, bei Einkommen über 75 000 S –, daß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes tatsächlich Rechnung getragen wird, so würde sich das Gesamtvolumen der Familienförderung drastisch erhöhen. Wenn man bei diesen hohen Einkommen anknüpfen und das über alle Einkommen durchziehen würde, so wäre ein Gesamtvolumen von zirka 9 Milliarden Schilling notwendig, um diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Rechnung zu tragen. Dies wäre aber unter der Voraussetzung der Fall, daß in dieser Familienförderung die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag berücksichtigt würden. Die Valorisierung anderer Beiträge, wie etwa der kostenlose Zugang zu den Universitäten, die Schülerfreifahrt et cetera, würden den Betrag allerdings senken.

Hätten wir aber tatsächlich 9 Milliarden Schilling im Budget zur Verfügung, dann würden mir, muß ich sagen, bessere Dinge für die Familien in diesem Land einfallen (Abg. Gatterer: Was denn?) als das, was sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergeben würde, zum Beispiel die Valorisierung des Karenzgeldes, die viel mehr bringen würde (Beifall bei der SPÖ), oder mehr Mittel für die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen. Ich weiß schon, daß das möglicherweise der Geisteshaltung, die Minister Bartenstein oder Frau Abgeordnete Rauch-Kallat hier erkennen ließen, nicht ganz entsprechen würde. Es ist hier nämlich geäußert worden, es sei so quasi ein Rückschritt, daß Frauen berufstätig sind. (Abg. Wabl: Warum gibt es dann nicht mehr?)

Für uns ist das kein Rückschritt. Man muß nur die Gelegenheit dazu bieten, das heißt, man muß auch Kinderbetreuungseinrichtungen schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiteres Beispiel: mehr Mittel für billigere Wohnungen, erschwinglichere Wohnungen für junge Familien. Das setzt aber voraus, Frau Rauch-Kallat, daß man nicht meint, die Sozialpolitik sei etwas Untergeordnetes. Sie haben wortwörtlich gesagt, die Familienpolitik darf nicht zur Sozialpolitik degenerieren. Was heißt denn das? – Das heißt, daß die Sozialpolitik bei Ihnen überhaupt keinen Stellenwert mehr hat (Abg. Rauch-Kallat: Zur reinen Sozialpolitik!), und da unterscheiden wir uns sehr deutlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, daß das einige Eckpunkte sind, mit denen wir in die Diskussion gehen müssen. Es war offensichtlich nicht Sinn dieses Antrages, daß wir zu einem endgültigen Modell kommen, sondern daß wir prinzipiell einmal eine Diskussion darüber führen. Ich halte diese Diskussion für wertvoll und sinnvoll. Wir werden diesem Entschließungsantrag dennoch nicht zustimmen, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens einmal wird eine Vorlage für den Budgetvoranschlag 1999 verlangt. – No na! Wann soll denn das sonst geregelt werden als gemeinsam mit dem Budget 1999 (Abg. Dr. Schmidt: Vorher!) oder vorher natürlich? Sie schreiben hier: mit der Vorlage. Aber das ist ohnehin völlig klar!

Zweitens dürfte Ihnen ein logischer Fehler unterlaufen sein – das kann aber passieren –: Sie verlangen eine verfassungskonforme Neuregelung. Aber das, was Sie in der Begründung darstellen, ist eben gerade keine – und Sie haben das ausführlich begründet – verfassungskonforme Neuregelung, sondern eine Neuregelung, die eine Verfassungsänderung bedingen würde. Und daher werden wir diesem Entschließungsantrag auch aus diesem Grund nicht die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.52


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edeltraud Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

16.52

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kanzler! Sehr geehrte Herren Minister! Mein Vorredner hat (Abg. Schwemlein: Den Nagel auf den Kopf getroffen!) gemeint, daß die Familienpolitik mehr im sozialen Bereich angesiedelt werden sollte.

Der Familienminister hat darauf zu achten, daß es den Familien besser geht, und die Sozialministerin hat dazu beizutragen, daß es den Leuten generell besser geht. Aber im Bereich der Familie sollte man nicht immer nur die Sozialpolitik sehen, sondern in erster Linie – da gebe ich dem Liberalen Forum durchaus recht – die Kinder in den Mittelpunkt stellen. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sagt ja auch, man soll nicht Reiche und Arme vergleichen, sondern man soll Familien in derselben Einkommenssituation vergleichen, und zwar Familien, die keine Kinder haben, und Familien, die Kinder haben. Dem sollten wir Augenmerk zollen, und dem sollten wir versuchen gerecht zu werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Frau Schmidt! Ich möchte Ihnen, da Sie mich persönlich auf eine Presseaussendung angesprochen haben, worin es geheißen hat, Kinder sind Geschenke an die Gesellschaft, folgendes sagen. Meine Kinder sind ein Geschenk an mich persönlich. Das fasse ich so auf! (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Mertel: Nur zur Hälfte!) Aber wenn ich in der Früh hierherfahre und an den schönen Tag denke, den wir gemeinsam hier verbringen werden, und ein Kind lächelt mich an, dann ist das ein Geschenk an mich und auch an die Gesellschaft. – Nur damit wir uns verstehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Kier hat gesagt, die Rechnung sollen die Kinder bezahlen. Laut Ihrem Modell müssen die Kinder wirklich die Rechnung bezahlen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Frau Moser hat das noch nicht verstanden!) Wenn man Ihren Vorschlag durchrechnet, dann kommt man darauf, daß Sie die Kinder 17,5 Milliarden Schilling bezahlen lassen würden. Das ist eine Ungeheuerlichkeit! Sie haben recht: Die Rechnung müssen die Kinder bezahlen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben uns gestern während der Aktuellen Stunde eingehend über die Situation der Familie unterhalten. Die ÖVP hat ihre Vorschläge eingebracht und Solidarität zwischen Familien, die Kinder haben, und Familien, die keine Kinder haben, eingefordert. Ich glaube auch, daß man, wenn man von Familien und von Familienförderung spricht, das nicht nur auf die Kinder- und Familienbeihilfe reduzieren sollte.

Frau Mertel, ich gebe Ihnen hundertprozentig recht: Familie ist viel mehr. Familie heißt, ein gutes Bildungssystem zu haben, mitversichert zu sein, ein gutes Gesundheitssystem zu haben, und es bedeutet auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ohne Zweifel wäre es viel zuwenig, wenn man sich nur auf den Bereich der monetären Unterstützung der Familie beziehen würde. Natürlich ist die Wohnungsfrage für viele Jungfamilien eine große Belastung. Und natürlich müssen wir uns im Zusammenhang mit der Familie überlegen, wo wir den Jungfamilien bessere Ausgangschancen auch im Gehaltsbereich geben können, keine Frage. All das ist Familie und Unterstützung der Familie.

Aber im Moment ist die aktuelle Frage: Wie können wir die Familien im Steuerrecht besser berücksichtigen? Und da habe ich manchmal das Gefühl, daß Ihre Fraktion wie die berühmte Katze um den heißen Brei schleicht. Sie sprechen alle Bereiche an, um in dem einen Bereich nicht handeln zu müssen, um nicht Farbe bekennen zu müssen. Ich würde mir wünschen, daß wir möglichst schnell zu einer Lösung kommen, weil es unmoralisch ist, daß die Familien pro Jahr um 10 Milliarden Schilling zuviel Steuer zahlen. Das kann man einfach nicht verantworten, und da müssen wir schnelle Lösungen finden. (Beifall bei der ÖVP.)

Da wir uns auf eine beschränkte Redezeit geeinigt haben (Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin Gatterer! Da war die ÖVP mit dabei!), möchte ich nur mehr kurz zum Modell des Liberalen Forums etwas sagen. Ich wundere mich sehr, daß gerade von Ihrer Fraktion ein geändertes


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Modell des Familiensplittings gefordert wird, daß es keine Individualbesteuerung für Frauen mehr geben soll, sondern eine Art Familieneinkommen. Gerade das lehnen wir Frauen strikt ab.

Von der Bürokratie möchte ich gar nicht reden. Die Familien würden sich schön bedanken, wenn das über den Jahresausgleich geregelt würde, denn dann müßten sie sehr lange warten. Sie kritisieren ja auch immer die langen Fristen, die Dauer, bis Familien zu ihrem Geld und zu ihrem Recht kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Schmidt gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt und anschließend den tatsächlichen Sachverhalt zu formulieren. – Bitte sehr. (Abg. Dr. Khol: Sie sind kein deutsches Mädel, ist das die Berichtigung?)

16.58

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Das ist die unterste Schublade, genauso wie bei Kollegin Rauch-Kallat. – Herr Präsident! Kollege Kaufmann hat als einen der beiden Gründe, warum er dem Entschließungsantrag nicht zustimmen könne, genannt, daß wir beantragen, daß die Reformvorschläge gemeinsam mit dem Budgetvoranschlag 1999 vorgelegt werden.

Dies ist tatsächlich unrichtig, wie er inzwischen weiß. Ich möchte nur, daß das auch im Protokoll steht. Wahr ist vielmehr, daß wir beantragen, vor Vorlage des Budgetvoranschlages 1999 die Reformvorschläge diesem Parlament zu präsentieren. Das ist der Sinn des gesamten Antrages.

Ich nütze die Gelegenheit für eine zweite tatsächliche Berichtigung. Kollegin Gatterer hat gemeint, daß nach unserem Modell eine Familienbesteuerung die Grundlage der Transferleistungen wäre. Dies ist tatsächlich unrichtig. Wahr ist vielmehr, daß den Liberalen die Individualbesteuerung nicht nur sehr am Herzen liegt, sondern daß sie selbstverständlich auch die Grundlage unseres Transfermodells ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte sehr.

16.59

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Klima hat gesagt, bei uns gebe es ein gut ausgebautes Familienförderungssystem, um das wir international beneidet würden.

Frau (Abg. Dr. Mertel: Wie heiße ich?) Abgeordnete Mertel hat gemeint, 200 Milliarden Schilling geben wir für die Familien aus. Ich halte Ihnen folgendes entgegen: Manchmal bin ich kurz vor dem Schreien, wenn ich mein Haushaltsbudget anschaue, so resümiert eine alleinerziehende Mutter ihre Befindlichkeit (Abg. Dr. Mertel: 40 Prozent der Arbeiterinnen haben nicht einmal 6 200 S!), wenn sie ihr Einkommen sieht, das ihr zur Verfügung steht. – Das ist die erste Feststellung aus der Zeitschrift des ÖGB, "Solidarität". 250 000 Alleinerzieherinnen leben mit einem Einkommen von 6 500 S. – Das ist die zweite Feststellung aus der Zeitschrift "Solidarität". (Abg. Dr. Mertel: 40 Prozent der Arbeiterinnen: 6 200 S!) Die Armut greift immer mehr auf die Familien über, besonders auf die Alleinerzieherinnen, besonders auch auf die Familien mit mehr als drei Kindern und auf die Familien mit behinderten Menschen. – Das ist die dritte Feststellung aus der "Solidarität".

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Pro Woche werden es um drei Familien mehr, die an der Armutsgrenze leben. Und da von einem gut ausgebauten Familienförderungssystem zu sprechen, ist falsch. Angesichts dessen kann man ganz einfach unser Familienförderungssystem, das uns 200 Milliarden Schilling kostet, nicht als gut bezeichnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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Herr Minister! Frau Abgeordnete Mertel! Die Armut der Familien ist das Ergebnis dieser großkoalitionären Politik, die seit dem Krieg die meiste Zeit in Österreich die Politik gemacht hat. Diese Art der Familienpolitik ist wirklich das größte Armutszeugnis, das sich diese große Koalition erworben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Antrag des Liberalen Forums: Ich teile Ihre Auffassung, daß die Kinder nicht vergesellschaftet werden dürfen, und vor allem, daß die Kinder nicht das Opfer sind, das man der Gesellschaft bringt, wie es immer wieder, insbesondere von ÖVP-Abgeordneten, dargestellt wird. Ich habe es schon einmal erwähnt, daß mich das immer schon gestört hat, die Kinder nicht als meinen persönlichen Reichtum oder als Reichtum der Familie zu sehen, sondern als Opfer für die Gesellschaft.

Ich gebe Ihnen recht, daß die Kinder in den persönlichen Bereich fallen. Aber gerade deshalb ist meiner Meinung nach der Ansatzpunkt für eine Förderung der Familien wichtig. Es muß außer Zweifel gestellt werden, daß jene, die eine Mehrbelastung haben, auch gefördert werden sollen. Ich glaube aber, daß man beim Einkommen ansetzen soll, und zwar bei der Steuerleistung. Derjenige, der mehr Belastung hat – das ist einmal ein Familienvater oder eine Familienmutter mit mehreren Kindern –, der kann ganz einfach nicht mit dem gleichen Satz oder mit den gleichen Beträgen zur Steuerleistung herangezogen werden wie jemand, der diese Belastungen nicht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb, finde ich, ist der einzige Weg, zu einer gerechten Besteuerung zu kommen, der, daß man beim Steuerrecht ansetzt und die Familie dabei berücksichtigt. Unser Modell des Splittings trägt dem natürlich Rechnung, und derjenige, der keine Steuer bezahlt, der hat die sogenannte Negativsteuer. Die gibt es ja auch jetzt schon. Der bezahlt keine Steuer, sondern dem wird etwas rückvergütet. Ich glaube wirklich, daß das richtig ist.

Herr Abgeordneter Öllinger! Wenn Sie sagen, es wäre diskriminierend, wenn man sagt, ich habe einen Steuerabzugsposten zu Hause sitzen, dann ist es, finde ich, genauso diskriminierend, wenn man wie bei Ihrem Modell sagt, ich habe einen Transfer zu Hause sitzen oder wie auch immer. Man kann alles irgendwo ins Negative kehren. Unser Steuersystem zur Herstellung der Einkommensgerechtigkeit ist geeignet, die Belastungen, die mit einer Familie und mit Kindern zusammenhängen, richtig zu bewerten.

Ich möchte aber noch etwas sagen. Hier ist gelacht worden, als Frau Kollegin Gatterer von der guten Familie gesprochen hat. Ich finde, darüber gibt es nichts zu lachen, eine gute Familie ist nichts, was man lächerlich machen sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Eine gute Familie ist genauso wertvoll wie eine gute Freundschaft, eine gute Lebensgemeinschaft oder etwas ähnliches. Daß man das lächerlich macht, finde ich nicht sehr sinnvoll und nicht schön. Es ist gelacht worden, als Frau Kollegin Gatterer gesagt hat, wir sind interessiert an einer guten Familie und so weiter und so fort. Ich glaube, daß wir alles dazu tun müssen, um eine gute Beziehung – egal, ob es jetzt eine Familie oder eine Lebensgemeinschaft oder sonst irgend etwas ist – zu fördern.

Zum Transfermodell noch etwas: Sie haben sich, Frau Abgeordnete Schmidt, in Ihrer Wortmeldung hauptsächlich – zu 80 Prozent, hat mein Kollege gesagt – kritisch mit dem Verfassungsgerichtshof auseinandergesetzt und haben uns leider überhaupt nicht erklärt, wie dieses Ihr Transfermodell funktionieren soll. Wir glauben nämlich, daß es in der Praxis nicht optimal funktionieren wird. Vielmehr sollten Sie sich unser Modell auch überlegen und es nicht nur deshalb ablehnen, weil es von den Freiheitlichen kommt und Sie schon in der Zeit, in der Sie bei uns waren, mit diesem Modell konfrontiert worden sind. Ich glaube, dieses System ist wirklich geeignet, auf der einen Seite die maximale Gerechtigkeit und auf der anderen Seite die maximale Förderung herbeizuführen.

Eines ist mir noch sehr wichtig in diesem Zusammenhang. Der Herr Bundeskanzler hat erwähnt, daß eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden ist, die eine gerechte, gute Familienförderung und so weiter ausarbeiten soll. Der Herr Bundeskanzler ist leider nicht mehr da, daher ersuche ich Sie, Herr Familienminister, meine Bitte entgegenzunehmen: Ich glaube, es ist dringend notwendig,


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sich vor allem mit der Lage der Familien mit behinderten Angehörigen zu befassen. (Abg. Ing. Langthaler spricht mit Bundesminister Dr. Bartenstein.) – Frau Kollegin Langthaler, ich möchte wirklich etwas Wichtiges besprechen, denn auch der Herr Minister widmet den Familien mit behinderten Kindern viel zuwenig Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich höre von Ihnen sehr viel, angefangen von den Sekten bis hin zur Kinderförderung, aber über Familien mit behinderten Kindern habe ich noch sehr wenige Aussagen von Ihnen gehört. Ich möchte das jetzt gar nicht als bösartige Kritik verstanden wissen, sondern nur als Mahnung, sich damit mehr auseinanderzusetzen. Viele glauben, mit dem Pflegegeld sind jetzt auch die Probleme der Familien mit behinderten Kindern oder Angehörigen gelöst. Aber das stimmt ganz einfach nicht, sehr geehrter Herr Minister und meine Damen und Herren!

Als das Pflegegeld eingeführt worden ist, haben sich zuallererst einmal diejenigen Institutionen auf das Pflegegeld gestürzt, in denen Behinderte untergebracht sind – sei es tageweise oder sei es auch stationär. Als zweites haben sich die Sozialversicherungsanstalten auf das Pflegegeld gestürzt, und zwar in der Form, daß die Selbstbehalte erhöht worden sind oder neue Selbstbehalte eingeführt worden sind. Dazu kann ich eine Reihe von Beispielen anführen. Das Pflegegeld wird siebenmal angerechnet, aber nur einmal kassiert, und deshalb ist die finanzielle Lage der Familien und der Angehörigen von Pflegebedürftigen trotz Einführung des Pflegegeldes kaum besser geworden.

Die Familien mit Behinderten haben nicht nur ein ungeheures Leid zu tragen, sie haben nicht nur eine ungeheure Opferbereitschaft jeden Tag aufzubringen, sondern sie haben jede Menge finanzieller Nöte und vor allem, sehr geehrter Herr Minister, haben sie auch die große Angst, was mit ihren Angehörigen passieren wird, wenn sie selbst nicht mehr in der Lage sind, diese zu pflegen. Und dafür sieht leider Gottes niemand etwas bei uns vor. Die Länder drücken sich vor der Verantwortung, und auf Bundesebene vermisse ich noch immer entsprechende Initiativen.

Sehr geehrter Herr Minister! Vielleicht könnten Sie diese Initiative ergreifen. Wir als Abgeordnete der Oppositionspartei sind leider zu schwach dazu, denn ich würde es wirklich sehr gerne übernehmen, den Eltern Behinderter oder den Angehörigen von Pflegebedürftigen diese große Sorge zu nehmen, nämlich nicht zu wissen, was mit ihren Angehörigen geschieht. – Ich danke Ihnen schon jetzt für die Bereitschaft, da etwas zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

17.09

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Jetzt lichten sich schon die Reihen, wiewohl die Debatte spannend und durchaus interessant ist. Beim Urteil des Verfassungsgerichtshofes ist mir eines aufgefallen, was ich im Hinblick auf die Argumentationslinie der ÖVP besonders interessant und pikant finde: Der Verfassungsgerichtshof lehnt sich in seinem Urteil an ein Unterhaltsrecht an, das keines ist, sondern, wie wir wissen, ein Urteil des Obersten Gerichtshofes. Und nicht nur das. Es wurde dafür geschaffen, im Trennungsfall und im Scheidungsfall zu wirken.

Genau dieses Paradoxon, daß etwas, was für den Scheidungsfall und Trennungsfall überlegt, berechnet und prozentmäßig festgehalten wurde, nun als Legitimation im Falle der aufrechten Familie herangezogen wird, zeigt schon auf ... (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) – Nein, das ist nicht von der Hand zu weisen, sondern das ist genau der Punkt, Frau Kollegin Bauer! Sogar Ihre eigenen Expertinnen und Experten in der ÖVP sagen hinter vorgehaltener Hand: Das ist nicht umzusetzen, was uns der Verfassungsgerichtshof vorgegeben hat, weil das nicht funktionieren kann! (Beifall bei den Grünen.)

Sie können hier schönreden und schönfärben, soviel Sie wollen, was dieses Urteil betrifft. Es ist in Kreisen der SPÖ und in Kreisen der ÖVP längst klar, daß damit nicht zu arbeiten und zu hantieren ist, weil das ein untauglicher Versuch ist, Gerechtigkeit herzustellen.


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Abgesehen davon – das haben wir gestern auch schon festgestellt – haben Sie eine eigenartige Auffassung von Familie und Familienpolitik, wenn Sie den Familien in zwei Sparpaketen ziemlich alles abgeräumt haben, was man ihnen abräumen kann, gekürzt und genommen haben, und dann verfallen Sie auf die eigenartige Idee, zu guter Letzt jene, die Kinder haben, gegenüber jenen, die keine Kinder haben, auszuspielen. Sie versuchen dann, auf diese Art und Weise wieder soziale Gerechtigkeit herzustellen, die Sie vorher weggenommen und herabgestrichen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Wie wir sehen, funktioniert das so nicht, das funktioniert auch deswegen so nicht, weil zum Glück viele "überreißen", daß nur versucht wird, zwei Gruppen gegeneinander auszuspielen, um im Prinzip zu kaschieren, was mit diesen Sparpaketen schon viel früher passiert ist.

Es war schon in den Debatten herauszuhören, welche Auffassung von Familienpolitik die einzelnen Parteien und die einzelnen Abgeordneten haben, wenn sie hier vom Rednerpult aus von der Familie sprechen und die Familie verteidigen.

Eines ist schon auch markant bei diesem Urteil des Verfassungsgerichtshofes: daß nämlich Familie auf einen monetären Faktor reduziert wird. Dabei bleiben Ausgaben völlig unberücksichtigt, und zwar sehr wohl auch monetäre Ausgaben, die zum allgemeinen Wohl der Familie getätigt werden und daher keine Absetzposten sind und auch keine sein können, seien es zum Beispiel Ausgaben für Wohnung, für Wohnraum, seien es Ausgaben für Nahrungsmittel, seien es aber auch Ausgaben, die in Form von Bausparverträgen für die Familie zurückgelegt werden und nicht im speziellen für das Kind.

In einer funktionierenden oder intakten Familie – mit "intakt" meine ich eine nicht in Trennung oder Scheidung befindliche Familie; das ist die einzige Unterscheidung dieser beiden Begriffe für mich – gibt es eine Menge von Ausgaben, die nicht in Form eines Absetzbetrages zuzurechnen sind, die nicht namhaft gemacht und nicht genannt werden können und die dann in dieser Qualifizierung von Familie und Familienpolitik und von Absetzsteuerbeträgen völlig unter den Tisch fallen. Und nicht nur das. Wir wissen, daß es außerdem natürlich eine Menge von Leistungen gibt, die nicht monetär sind und die in diesem Modell des Verfassungsgerichtshofes, das uns nun bezüglich Beurteilung und Bewertung von Familie vorgegeben wird, überhaupt keine Berücksichtigung finden können.

Darüber hinaus verschärft dieses Verfassungsgerichtshofurteil einmal mehr die Verteilungssituation und den Verteilungsaspekt zwischen Männern und Frauen. Wir wissen, daß nach wie vor die Männer diejenigen sind, die nicht nur berufstätig sind, nach wie vor vollerwerbsberufstätig sind, sondern auch jene sind, die im Schnitt mehr verdienen. Daher wird es, wenn es um Absetzbeträge geht, natürlich darum gehen, daß dieser Absetzbetrag vom Einkommen des Mannes abgezogen wird. Das heißt, das führt dazu, daß der Mann gegenüber der Frau das höhere Nettoeinkommen hat, soweit sie überhaupt berufstätig oder vollerwerbsberufstätig ist.

Das verschärft die Situation, die wir jetzt schon haben, nämlich eine Verteilungssituation zwischen Männern und Frauen, wobei es natürlich wieder – ich kann das nur noch einmal sagen – falsch ist, beim monetären Faktor anzusetzen und zu glauben, daß mit diesem Faktor Familienpolitik überhaupt geregelt und in eine Form gegossen werden kann, die so etwas wie soziale Gerechtigkeit herstellen kann. Das klingt aus Ihren Ausführungen immer wieder heraus.

Um es noch einmal zu sagen: Dieses Urteil ist nicht umsetzbar, und es wird auch ganz sicher so nicht umgesetzt werden, wie manche von Ihnen das heute darzustellen versuchen.

In der zweiten Hälfte meiner Wortmeldung möchte ich noch auf das liberale Modell eingehen. Sie legen ein Modell vor, das von den Steuerabsetzbeträgen weggeht. Sie legen ein Modell vor, das den Anspruch der Kinder auf ein angemessenes Existenzminimum regeln soll und das den Anspruch auf Transferleistungen vom Steuerrecht abkoppelt. Das ist hervorzuheben. Aber das ist für mich schon so ziemlich alles, was ich hervorheben kann, denn Sie zementieren mit Ihrem Modell genauso – nur auf eine andere Art und Weise – eine Einkommensverteilung, die in unserer Gesellschaft vorherrscht. Sie schaffen mit diesem Modell in keiner Form irgendeine Art von sozialer Gerechtigkeit – es mag sein, daß Sie das auch nicht vorgehabt haben –, sondern


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Sie zementieren die bestehende Einkommensverteilung, Sie zementieren sie vor allem in jenen Bereichen, in denen es um den Zugang geht.

Ich denke, wenn wir über Familienpolitik reden, so ist nicht nur der Bereich der Bildung wichtig, sondern der Zugang zur Bildung ist wichtig. Wie findet ein Kind einen Zugang zur Bildung, zur Ausbildung? Wie findet ein Jugendlicher einen Zugang zu einem Lehrplatz, einen Zugang zu einem Beruf oder zu einer Berufskarriere? – Sie zementieren mit Ihrem Modell vorgegebene Einkommensstrukturen und verschärfen die Situation, die wir haben. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Der nächste Schritt ist die Einführung der Studiengebühren. Das ist logischerweise implizit in Ihrem Modell enthalten – bei dieser Zementierung von Einkommensverhältnissen.

Aber nicht nur das – Sie vermeiden den Begriff von Familieneinkommen. Sie vermeiden ihn, weil Sie nach wie vor in Ihrer Ideologie natürlich auch von der Individualbesteuerung ausgehen. Sie vermeiden ihn, aber Sie wenden ihn trotzdem an, und das kommt natürlich heraus, denn wenn beide Elternteile und die Arbeit beziehungsweise Nichterwerbsarbeit beider Elternteile als Grundlage zur Berechnung herangezogen werden, so ist das nichts anderes als ein Familieneinkommen. Was Sie damit verursachen oder erreichen, ist nichts anderes als eine Verfestigung genau jener Familienstrukturen, die völlig unzeitgemäß sind.

Eine Anknüpfung an das Unterhaltsrecht in der heutigen Zeit ist unzeitgemäß, denn es verstärkt die privaten Machtverhältnisse. (Beifall der Abg. Dr. Petrovic. ) Es verstärkt die Abhängigkeit der Kinder gegenüber den Eltern, und selbst dann, wenn die Kinder den Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern einklagen, schaffen Sie ein Klima der materiellen Abhängigkeit und der Macht anstelle eines familiären Klimas, wie es hier so vielfach beschworen wird.

Zuallerletzt noch: Es ist auch frauenfeindlich, weil Sie zwar die Hausarbeit bewerten – das ist positiv, Sie bewerten eine nichterwerbstätige Arbeit mit 8 000 S –, Sie rechnen sie aber zum erwerbstätigen Einkommen hinzu, und somit mindert das wiederum den Anspruch, den das Kind hat. Es mindert sozusagen die Leistung, die erbracht werden kann. In diesem Punkt ist es extrem frauenfeindlich! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben uns das auch näher angeschaut, und ich nenne Ihnen ein einziges Beispiel, bei dem das besonders auffallend ist, das ist jenes mit den fiktiven 8 000 S. Gehen wir von einer geschiedenen Frau aus, die in diesen Bereich fällt – also nicht berufstätig, 8 000 S –, den Sie hier heranziehen. Diese Frau bekommt eine Alimentationsleistung in der Höhe von 4 200 S, was bei Gott nicht viel ist – und dann nichts mehr. Nach Ihrem Modell bekommt sie keine Transferleistung mehr. So schaut Ihr Modell aus!

Es ist schlecht durchdacht, es schafft Ungleichheiten, es verschärft die Ungleichheiten, die wir heute haben, und es wirft eine Reihe von Fragen auf, die ich hier gar nicht thematisieren kann.

Das wirft folgende Fragen auf: Was ist bei Ihnen ein Einkommen? Sind Werkverträge Einkommen? Wird Einkommen aus Vermögen herangezogen? Was alles ist Einkommen? Wann wird ein Einkommen gerechnet? Wird es am Jahresende gerechnet, wenn es aus unselbständiger Arbeit stammt, oder wird es monatlich gerechnet? Wie gehen Sie vor? – Die Erfassung ist eine Frage für sich, und da geben Sie auch unter der Hand zu, daß das eine extreme Verteuerung der administrativen Kosten ergeben würde. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Mein Schlußsatz: Es ist kein taugliches Modell, weil es die ungerechte Verteilungssituation, die wir haben, zementiert. (Beifall bei den Grünen.)

17.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort gemeldet. – Sie haben das Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. Die Gesamtredezeit für Ihre Fraktion beträgt noch 9 Minuten.

17.20

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Liberale Forum hat ein Modell erarbeitet, das darauf hinausläuft, die Familien


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förderung komplett umzugestalten. Mit dem in Verhandlung stehenden Entschließungsantrag wird die Bundesregierung jedoch nur aufgefordert, dem Nationalrat Reformvorschläge und entsprechende Berechnungsmodelle bis zum Budgetvoranschlag 1999 zuzuleiten, die ohne Erhöhung von Steuern und Abgaben eine verfassungskonforme Neuregelung im familienpolitischen Bereich bedeuten. Genau das muß und will die Bundesregierung tun, denn das Verfassungsgerichtshoferkenntnis zwingt sie geradezu dazu.

Dem Modell der Liberalen können wir Sozialdemokraten uns nicht so ohne weiteres anschließen, aber nicht deshalb, weil es, wie Minister Bartenstein befürchtet, frauenfeindlich ist, wenn jemand in einem Supermarkt oder in einer Fabrik arbeitet. Diese Tätigkeiten sind, ganz im Gegenteil, gesellschaftlich notwendig, und den Frauen verschaffen diese Tätigkeiten, auch wenn sie unter schwierigen Arbeitsbedingungen stattfinden, trotzdem Brot- und Gelderwerb und vielleicht zum Teil auch Befriedigung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. )

Uns geht es um etwas anderes, nämlich um die Kostenneutralität. Die Liberalen haben zur Kostenneutralität festgehalten, daß deren Modell für das Budget aufkommensneutral sein sollte. Das sollte, so glaube ich, auch noch in den Berechnungen, die der Finanzminister angekündigt hat, überprüft werden.

Es gibt auch noch eine grundsätzliche Frage, die beim Modell des Liberalen Forums zu prüfen ist, nämlich daß bei Transferleistungen des Staates in Zukunft nicht mehr jedes Kind gleich viel erhalten soll. Das kann in dieser kurzen Zeit meiner Meinung nach nicht abgehandelt werden, das muß sicher noch gründlich diskutiert werden.

Hohes Haus! Das vordringlichste ist nun, sehr schnell die Auswirkungen dieses Erkenntnisses neben den – erlauben Sie mir die drastische Ausdrucksweise – grauslichen ideologischen Tönen, die immer wieder vorkommen, zu eruieren. Ich erinnere daran, daß dieses Erkenntnis oft dahin gehend interpretiert wird, daß Kinder für Reiche nur noch Abschreibposten sind. Auch diesbezüglich muß Klarheit geschaffen werden, und zwar nicht nur dahin gehend, was das für das Budget 1999 bedeuten würde.

Berechnungen der AK zufolge – das hat Herr Abgeordneter Kaufmann schon kurz ausgeführt – würde die Umsetzung des Erkenntnisses nur 30 000 österreichischen Steuerzahlern zugute kommen. Es wäre mit zirka 400 Millionen budgetwirksam, dabei würden aber nur die direkten Transferleistungen des Staates und die Kinderabsetzbeträge berechnet werden. Anders stellt es sich dar, wenn sämtliche Transferleistungen berücksichtigt werden, die von allen Steuerzahlern, nämlich von jenen mit Kindern und jenen ohne Kinder, erbracht werden: kostenloser Schul- und Universitätsbesuch, Förderung von Kindergärten, kostenlose Mitversicherung, Teile der Wohnbauförderung, Schulbücher, Freifahrten. All das sind Steuerleistungen, die von den Steuerzahlern mit Kindern, aber auch ohne Kinder erbracht werden. Dann ist allerdings nicht mehr sicher, ob diesen Abschreibern noch etwas zum Abschreiben übrigbleibt.

Ein Studienjahr kostete – erhoben nach einer Wifo-Studie – im Jahre 1991 104 500 S. Die höheren Schulen, die von überdurchschnittlich vielen "Abschreibkindern" besucht werden, sind auch nicht viel billiger. Werden also sämtliche Leistungen der direkten und indirekten Familienförderung berücksichtigt, so reduzieren sich diese 30 000 noch einmal um ein erkleckliches. Übrig blieben dann ein paar Superreiche, die dann in der Zeitung stehen, weil sie abschreiben, damit sich das Kind vielleicht das Futter für die Reitpferde leisten kann. – Ich frage mich: Kann das wirklich jemand wollen in dieser Republik?

Finanzminister Edlinger hat immer wieder betont, er werde sich die finanziellen Auswirkungen dieses Erkenntnisses ganz genau ausrechnen lassen. Darauf bin ich schon sehr gespannt, denn das Erkenntnis läßt Berechnungsinterpretationen zu, die sehr unterschiedlich sind. So kommt der heute schon zitierte Professor Doralt auf wesentlich höhere Zahlen als die Arbeiterkammer. Das Erkenntnis erscheint allerdings sehr schwammig, und zwar insofern, als es schon mehr oder weniger in sich birgt, daß, wenn dieses Erkenntnis bis zum 1.1.1999 umgesetzt sein wird,


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der nächste Beschwerdeführer schon wieder an der Schwelle des Verfassungsgerichtshofes steht.

Die Bundesregierung hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die von seiten der SPÖ mit zwei Frauen und einem Mann besetzt wurde, Ilse Mertel, Barbara Prammer und Minister Edlinger. Auf der Seite der ÖVP verhandeln drei Herren. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das stimmt nicht, Frau Kollegin! Nehmen Sie zur Kenntnis, daß Frau Rauch-Kallat in dieses Komitee nominiert wurde!) – Ich bin sehr erfreut, daß eine weitere Frau Mitglied dieser Kommission ist. Das läßt hoffen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Steibl.  Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.26

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Tatsache ist – das ist immer wieder festgestellt worden –, Kinder kosten Zeit und Geld, aber die Familien sind keine Sozialhilfeempfänger des Staates, sondern unverzichtbare Partner der öffentlichen Hand. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Dies hat auch der Verfassungsgerichtshof mit dem ergangenen Spruch zur Familienbesteuerung festgestellt, nur paßt dies dem Liberalen Forum und manch anderen Parteien hier im Haus nicht, weil es ihnen gegen den Strich geht.

Wie schaut eigentlich das LIF-Modell aus? – Das muß man sich ganz konkret und genau anschauen. Es ist unter anderem extrem mittelstandsfeindlich, und es ist nicht nur ein Pluspunkt für die Alleinerzieher, Alleinerzieherinnen. Ich bin eine, die sehr wohl diese Gruppe unterstützt und befürwortet, daß etwas für sie getan wird, aber ich glaube, daß es auch notwendig ist, daß Kinder Väter haben. Es kommt nicht von ungefähr, daß zum Beispiel die Tagesmütterorganisation in der Steiermark mittlerweile Psychologen bei Veranstaltungen einladen, damit es Kindern von Alleinerzieherinnen ermöglicht wird, auch den Umgang mit Männern zu erlernen. (Zwischenruf.) Sie können in der Carnerigasse 34 in Graz anrufen, wenn Sie das nicht glauben.

Das LIF-Modell beinhaltet auch für die Alleinverdiener einen riesengroßen Nachteil, denn es gibt nicht nur Familien, die aus Alleinerziehern bestehen, sondern es gibt auch Familien, in denen zumindest eine gewisse Zeit lang ein Familienmitglied – sprich Vater oder Mutter – nicht außer Haus berufstätig ist. Die sind dann die Dummen.

Zudem stellt man, wenn man sich das Modell genau anschaut, auch fest, daß das ein richtiger Bürokratismus ist. Aber sind nicht gerade Sie gegen diese Gesetzesaufblähung und für Einfachheit unseres Staates?

Wenn man das im Zuge des Jahresausgleiches machen muß, muß man – nichts gegen die Finanzämter, unsere Beamten sind hochzuschätzen und arbeiten auch exzellent – trotzdem ein bis zwei Jahre warten. Würden Sie das gerne den Familien antun, daß sie ein bis zwei Jahre auf das Geld warten müssen, das ihnen zusteht? 

Das Urteil des VfGH bringt mit sich, daß jedes Kind mehr Geld bekommt, und das will auch die ÖVP. (Beifall bei der ÖVP.) Und wenn Sie sagen, daß dadurch die Reichen – unter Anführungszeichen – "privilegiert" werden, dann sagen wir, daß uns jedes Kind gleich viel wert ist. In diesem Zusammenhang möchte ich einmal die Frage aufwerfen: Wer ist reich? – Angeblich verdienen nur an die 30 000 Österreicher mehr als der Mittelstand.

Es sind heute schon einige Journalisten zitiert worden, und ich möchte in diesem Zusammenhang Martina Salomon vom "Standard" zitieren, die unter dem Titel "Millionäre unter uns" schreibt: "In diesem Zusammenhang drängt sich außerdem die Frage auf: Wer ist besser gestellt – ein kinderloses Ehepaar, wo jeder für sich 25 000 S verdient und dann nach Abzug der Steuern rund 30 000 S zur Verfügung hat, oder jemand, der fast 50 000 S verdient, fast die Hälfte davon versteuern muß und vom Rest den Lebensunterhalt für vier Leute bestreiten muß?"


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Es ist schon x-mal zitiert worden: Wenn ein Alleinverdiener 25 000 S verdient und nur ein Kind davon erhalten muß, so hat er monatlich ein Minus von zirka 800 S. – Ich glaube, das muß man sich einmal ganz genau anschauen!

Abschließend: Ich würde mir wünschen, daß wir über Familienpolitik anders sprechen. Familienpolitik ist nicht nur Sozialpolitik. Familienpolitik ist viel, viel mehr. Wir müssen weg vom Gießkannenprinzip, weg von der Meinung, Familienpolitik sei Sozialpolitik, und hin in Richtung einer Bildungspolitik für Familie gehen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Weg von der Gießkanne meinen Sie?) Jawohl. Wir sollten mehr über Familienbildung nachdenken. Und eine "Familienbildung" hätten auch wir hier in diesem Plenarsaal dringend notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

17.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Haller. – Moment! Bitte um Entschuldigung. (Abg. Dr. Schmidt: Bitte, was soll das?)

Ich habe festgestellt: Ordnungsgemäß ist Frau Abgeordnete Haller gemeldet. (Abg. Dr. Schmidt: Sie ist nicht da! So kommen wir nicht weiter!) Ich höre die Version, daß sie abgemeldet wurde. Sie ist nicht im Saal. (Abg. Dr. Kostelka: Dann ist es vorbei, Herr Präsident!) Die Wortmeldung findet jedenfalls nicht statt. (Abg. Dr. Schmidt: Die Wortmeldung ist damit verfallen!)

Es gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete. Die Redezeit, die Ihnen noch zur Verfügung steht, beträgt 5 Minuten.

17.32

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die SPÖ setzt in ihren Familienförderungsmodellen stärker auf öffentliche Leistungen, sie setzt verbal auf den Ausbau von Kindergärten, von Betreuungseinrichtungen. Die ÖVP will – so verstehe ich das – die traditionelle, klassische Kernfamilie aufwerten, finanziell entlasten und staatliche Einrichtungen nur insofern für zuständig erklären, als diese traditionelle Kernfamilie, so wie es Morak gesagt hat, nicht funktioniert.

De facto passiert heute weder das eine noch das andere, sondern de facto passiert das, was mir zum Beispiel – ich bekomme viele solche Briefe – eine Frau aus dem 21. Bezirk schreibt: Ich bin 19 Jahre alt, verheiratet, habe ein Kind und bin derzeit in Karenz. Die Karenzdauer beträgt eineinhalb Jahre. Alle Gemeindekindergärten, aber auch Pfarrkindergärten nehmen Kinder erst ab drei Jahren. Privatkindergärten nehmen Kinder erst ab zwei Jahren. Nun frage ich Sie, wie es mir in den restlichen eineinhalb Jahren beziehungsweise im letzten halben Jahr möglich sein kann, arbeiten zu gehen. (Abg. Tichy-Schreder: Tagesmütter!) Mein Mann verdient nämlich nur zirka 14 000 S. Und mit diesen 14 000 S muß meine Familie alle Ausgaben, und das in einer Großstadt, bestreiten.

Das ist das Ergebnis der ÖVP-Familienpolitik, die, ach, die Familie so hochhält, sodaß es vielen Familien ergeht wie dieser 19jährigen Wienerin mit ihrem Kind und ihrem Mann, der 14 000 S verdient. Sie hat keine Möglichkeiten mehr; das sage ich Ihnen. Und all diese Kürzungen – von der Geburtenbeihilfe bis zur Dauer der Karenzzeit – haben Sie zu vertreten, nicht die Liberalen oder irgendeine andere Oppositionspartei in diesem Haus. (Abg. Fink: Nichts gekürzt!)

Zum zweiten: Es stellt sich auch die Frage nach Ihrem Familienbegriff. Dieser hängt offenbar am Reisepaß. Gerade jetzt nach den Erklärungen der Bischöfe mutet das umso komischer an. Wie erklären Sie denn, daß Sie erstens ausländischen Eltern, deren Kinder im Ausland sind, die Kinderbeihilfe gestrichen haben, daß diese Eltern zweitens keinen Unterhaltsabsetzbetrag haben und daß sie drittens aber auch ihre Kinder aufgrund erfüllter Quoten nicht herholen können? Ist das keine Familie? Wird das nicht mehr vom umfassenden christlichen Anspruch und von Ihrem Prinzip der Familie erfaßt? Ich finde das doch sehr merkwürdig und zugleich sehr, sehr traurig. Ich hoffe, daß sich auch hier eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer findet, der das einklagt, denn ich bin überzeugt, daß die Versagung aller drei Möglichkeiten sicherlich verfassungswidrig ist. (Beifall bei den Grünen.)


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Ein dritter Punkt – und damit schließe ich an die Ausführungen von Mag. Pollet-Kammerlander an –: Ich denke auch, daß das Unterhaltsrecht ein untauglicher Anknüpfungspunkt ist, um eine moderne Kinder- und Jugendförderung und damit Familienförderung zu begründen. Die ganze Geschichte der sozialen Emanzipation ist dadurch gekennzeichnet, daß Menschen aus existentiellen, materiellen Abhängigkeiten herausgelöst worden sind. Und das waren keine leichten, einfachen, geschenkten Prozesse. Das begann mit der Emanzipation der Sklaven, der Leibeigenen aus den Abhängigkeitsverhältnissen und setzte sich in der Sozialbewegung fort, indem Menschen unabhängig wurden, zumindest auf einem gewissen existenzsichernden Niveau unabhängig wurden gegenüber den Risken Krankheit, Alter oder auch Arbeitslosigkeit. Es sind soziale Netze geschaffen worden, die Menschen dann, wenn solch eine Risikosituation eintritt, nicht in völlige Abhängigkeit von sehr, sehr zufälligen Familien- oder Partnerverhältnissen geraten lassen.

Die einzige Personengruppe, der man diese Unabhängigkeit noch vorenthält, sind die Kinder. Diese werden beinhart auf das Unterhaltsrecht verwiesen und ideologisch ganz bewußt auch von den reaktionären Kräften dorthin gebracht. Auf einem Flugblatt der ÖVP heißt es: "Geben Sie der Jugend eine Chance! Entlasten Sie die Eltern!" Ich bin bei der ersten Botschaft gerne dabei. Der Jugend soll man viel mehr Chancen geben, als das heute der Fall ist. Aber dann fördern wir bitte die Jugend direkt und nicht, indem wir den reichen Herrn Papa entlasten! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. )

17.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Gerfried Müller. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Die Redezeit, die Ihnen noch verbleibt, beträgt 3 Minuten.

17.38

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Herren Bundesminister! Österreich hat im europäischen Vergleich ein fortschrittliches, ausgereiftes und auch sehr hoch dotiertes Familienförderungssystem. Unabhängig vom Verfassungsgerichtshof, der dieses System ja nur in einem kleinen Bereich als verfassungswidrig aufgehoben hat, muß die Familienförderung ständig weiterentwickelt werden, um auch in Zukunft den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu entsprechen.

Der Entschließungsantrag der Liberalen, in dem Reformvorschläge ohne Erhöhung von Steuern oder Abgaben eingefordert werden, würde meiner Meinung nach eine Umverteilung der Familienleistungen von den Familien mit geringen Einkommen hin zu den Großverdienern bedeuten. Da spielen wir Sozialdemokraten mit Sicherheit nicht mit!

Bei genauer Betrachtung des liberalen Modells zur Grundsicherung sind auch viele Widersprüche feststellbar. Im vorliegenden Modell wird der Unterhaltsanspruch vom Elterneinkommen mit maximal 70 Prozent berechnet, im heutigen Antrag ist nur mehr von 50 Prozent die Rede. Daraus schließe ich, daß die Liberalen selbst laufend Adaptierungen ihrer Vorschläge vornehmen, weil das vorliegende Papier einfach nicht umsetzbar ist.

Die Einbeziehung eines fiktiven Bezuges für Nichtverdienende finde ich grotesk. Zum Beispiel im ländlichen Bereich, wo es viele Alleinverdiener mit geringem Einkommen gibt, würde gerade dieser Vorschlag die Familienbeihilfe massiv reduzieren. Das kann wohl wirklich nicht ernstgemeint sein.

Selbstverständlich, geschätzte Damen und Herren, nehmen wir das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Kenntnis, jedoch glaube ich, daß es diesem Haus vorbehalten sein muß, zu entscheiden, wie die zukünftige Familienförderung auszusehen hat. (Beifall bei der SPÖ.) Jedenfalls kann und darf es nicht sein, daß die Besserverdienenden noch höhere Förderungen bekommen als bisher. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Schrefel! Über die Niederösterreichische Volkspartei beziehungsweise über die Medien haben Sie uns wissen lassen, daß der Verfassungsgerichtshof die Familienbesteuerung aufgehoben hat und "somit die Linie der Volkspartei in Richtung einer gerechten und verfas


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sungskonformen Familiensteuerreform bestätigt". Herr Kollege Schrefel! Ist es Ihrer Meinung nach wirklich gerecht, wenn ausschließlich die Besserverdienenden davon profitieren würden?

Hohes Haus! Für uns Sozialdemokraten steht die Familienförderung für Jungfamilien und natürlich auch für Familien mit mehreren Kindern, jedoch gesehen unter dem Aspekt eines geringeren Einkommens, im Mittelpunkt. Steuergeschenke an Spitzenverdiener kommen für uns nicht in Frage! (Beifall bei der SPÖ.)

17.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte, Sie haben das Wort. 5 Minuten Redezeit.

17.41

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte hier anläßlich der Behandlung des Dringlichen Antrages des Liberalen Forums zur Neugestaltung der Familienförderung deutlich sagen: Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in Richtung Familienbesteuerung ist ein Meilenstein! Endlich werden die Leistungen der Familien gesehen und entsprechend gewürdigt. Es ist nämlich schon ein gewaltiger Unterschied, ob ich ein Einkommen habe und dieses für mich allein verbrauchen kann oder ob ich auch noch vier Kinder habe und einen Ehegatten, also sechs Personen davon leben müssen. Diese Kosten müssen und werden in Zukunft berücksichtigt werden.

Wenn ich beispielsweise an die Mittelstandsfamilien denke, die bei dem Modell des Liberalen Forums sehr schlecht wegkommen: Ein Nachbar von mir hat als Direktor einer Schule ein Einkommen von fast 30 000 S netto. Er hat fünf Kinder, von denen vier in Ausbildung sind. Das sind keine reichen Leute, die müssen sparen, meine Damen und Herren! (Beifall des Abg. Jung. )

Das Bartenstein-Modell mit den Absetzbeträgen und mit der Auszahlung einer Negativsteuer bei niedrigem Einkommen würde all dies berücksichtigen. Dieses Modell unseres Familienministers ist nicht für geldreiche Leute, sondern für kinderreiche Leute. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jung. )

Im Zusammenhang mit der heutigen Diskussion über den Dringlichen Antrag des Liberalen Forums habe ich noch im Ohr, wie Frau Abgeordnete Schaffenrath vor kurzem betreffend die Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung meinte, Ehe und Familie dürften nicht bessergestellt werden als andere Formen des Zusammenlebens. Der heutige Antrag des Liberalen Forums würde laut Durchrechnung meiner Ansicht nach für die Familien einen großen bürokratischen Aufwand mit sich bringen, aber keine Verbesserungen. Er richtet sich eher gegen die Familien.

Der Großteil der Menschen in unserem Land wünscht sich die Familie als Lebensform, und wir müssen dafür Sorge tragen, daß unsere Kinder auch die Möglichkeit bekommen, in einem gesicherten Umfeld heranzuwachsen. Und das können sie am besten in einer guten Familie, wobei heute die Definition, was eine "gute Familie" ist, schon mehrmals gegeben wurde.

Frau Abgeordnete Dr. Schmidt! Sie haben uns von der ÖVP gestern oder heute den Vorwurf gemacht, wir wären die Verhinderer der freien Entwicklung der Gesellschaft. Genauso haben Sie es hier gesagt! Dazu möchte ich feststellen: Akzeptieren Sie doch, daß die Familie als Form des Zusammenlebens und als Garant für eine gute Entwicklung unserer Kinder auch von der Mehrheit der Bevölkerung in diesem Land gewünscht wird! Wir von der Österreichischen Volkspartei stehen dazu.

Wir stehen auch dazu, daß es in jeder Gesellschaft Grundsätze für das Zusammenleben geben muß. Grundsätze sind zum Schutz der Schwächeren da. Wir wollen keine sitten- und keine wertelose Gesellschaft. Diese führt nämlich zu totalem Egoismus. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt. ) Nur eine breite Absicherung, die Unterstützung von am Existenzminimum lebenden Familien, aber auch die Absicherung des Mittelstandes, garantiert in Zukunft eine solidarische Gesellschaft. Das Modell des Liberalen Forums nimmt auf die Bedürfnisse von


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kinderreichen Familien im mittelständischen Bereich zuwenig Rücksicht. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Mit der Besserstellung von Familien durch eine gelebte Partnerschaft, in der beide gleichwertig sind, wird auch eine Besserstellung der Rolle der Frau, die sich dafür entschieden hat, ihre Kinder zu Hause zu betreuen, erreicht. Wenn nämlich in diesem Zusammenhang hier davon die Rede ist, daß mit unserem Modell die Frau vom Arbeitsplatz weggelockt werden soll, dann hat man den Inhalt der Reform nicht verstanden. Solidarität in der Gesellschaft heißt auch, daß ich eine Chance haben muß, mir einen Weg auszusuchen. Wenn sich eine Frau nun dafür entscheidet, ihre Kinder selbst erziehen zu wollen und dafür ihren Beruf für kürze oder längere Zeit oder ganz aufzugeben, dann soll sie diese Möglichkeit haben. Denn diese Aufgabe ist eine sehr wichtige, eine Herausforderung für die Zukunft und auch ein beglückendes Erlebnis. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jung. )

17.46


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Haidlmayr. Die Restredezeit für Sie beträgt 3 Minuten. Aus diesem Grund gebe ich Ihnen die Möglichkeit, Ihre Wortmeldung von Ihrem Platz aus durchzuführen. – Bitte, Sie sind am Wort.

17.46

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sie reden jetzt seit Stunden über den Begriff "Familie", und ich habe für mich überlegt: Was ist Familie? Sie wissen doch ganz genau, daß es die traditionelle Familie schon lange nicht mehr gibt. (Widerspruch bei der ÖVP.) Ist es Familie, wenn heute jemand geschieden ist, in einer Lebensgemeinschaft lebt, mit seiner Partnerin oder seinem Partner wieder Kinder hat? – Das kann keine Familie mehr sein, weil irgend jemand draußensteht, seien es die Kinder aus erster Ehe, seien es die Kinder aus der Lebensgemeinschaft.

Wir müssen den Begriff "Familie" umdefinieren. Es geht ganz konkret um das Zusammenleben von Menschen mit Kindern oder auch ohne Kinder, aber wir müssen uns vom traditionellen Familienbegriff verabschieden. (Rufe bei der ÖVP: Nein!) Wissen Sie, wie oft ich schon erlebt habe – und Sie werden das aus Ihrem Bekanntenkreis wahrscheinlich auch kennen –, daß man plötzlich völlig überrascht ist, weil die nach außen hin so intakte Familie plötzlich nicht mehr funktioniert? Wollen Sie sagen, nur wenn man verheiratet ist und Kinder hat, ist das gleichzeitig ein Beweis dafür, daß man Familie oder Zusammenleben automatisch auch lebt? Ich kann Ihnen sagen: Egal, ob Familie, Alleinerzieherin oder ein Leben in Lebensgemeinschaft – es geht um die Interessen der Kinder und um sonst gar nichts! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute von einer Familienbesteuerung reden, dann muß ich sagen: Das ist der falsche Weg. Ich kann Ihnen genug Familien in Ihrem Sinn nennen, die wohlhabend sind und in denen die Kinder trotzdem nichts haben. Nicht deshalb, weil es finanziell nicht möglich wäre, sondern weil von der Obrigkeit in der Familie – und die Obrigkeit ist immer derjenige, der das Geld hat – einfach verboten wird, daß der Sohn oder die Tochter ein bestimmtes Studium macht, weil dem Vater die Richtung nicht gefällt, weil verboten wird, daß das Kind während der Sommerferien schwimmen geht, da dies gerade nicht in die Laune von Mutter oder Vater paßt.

Wenn wir etwas aufwerten müssen, dann sind es die Kinder. Und Kinder können wir nur dann aufwerten, wenn wir ihnen ein Recht auf Selbstbestimmung zuerkennen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hans Helmut Moser. )

Das Recht auf Selbstbestimmung beginnt damit, daß wir die Freiheit der Wahl der Schule für jedes Kind sicherstellen müssen und nicht von der Finanzierbarkeit durch die Eltern abhängig machen dürfen, daß wir alle Verkehrsmittel für alle Kinder bis zum 15. Lebensjahr frei benutzbar machen müssen – Kinder haben kein Einkommen, sie wollen aber auch mit dem Bus oder mit dem Zug fahren –, daß wir alle Freibäder, ja alle Freizeitmöglichkeiten für Kinder zum Nulltarif anbieten müssen, denn das gibt den Kindern die Chance, selbständig und eigenständige Persönlichkeiten zu werden und sich ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Bitte um den Schlußsatz. Die Redezeit ist abgelaufen.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): ... schon sehr bald aus der Abhängigkeit der Eltern lösen zu können.

Wir brauchen noch eines – und das ist mein Schlußsatz –: Wir brauchen ein Wahlrecht für Kinder und nicht, daß Eltern für die Kinder mitwählen. Kinder sollen selbst wählen können. (Beifall bei den Grünen.)

17.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist leider zu Ende.

Als nächster hat sich Abgeordneter Dr. Haselsteiner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Ihre Redezeit beträgt noch 8 Minuten.

17.51

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Üblicherweise stelle ich bei Budgetdebatten fest, daß es eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen Regierung und Opposition in der Zieldefinition gibt. Wir wünschen uns bei der Budgetpolitik immer diese berühmte Standortqualität, geringe Defizite et cetera. Und ich erachte es für wichtig, daß die Ziele, die in diesem Land politisch verfolgt werden, gemeinsame Ziele sind.

Es gibt auch in der Familienpolitik ein gemeinsames Ziel. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, er möchte eine sozial gerechte Familienförderung. Er hat dann dazugesagt: unter Beibehaltung der Eckpunkte. Frau Steibl hat gesagt, weg vom Gießkannenprinzip. Das ist eigentlich das, was wir immer fordern und von dem wir beklagen, daß wir es noch nicht erreicht haben. Auf jeden Fall wollen wir das Kind im Mittelpunkt sehen, und auf jeden Fall wollen wir es nicht in irgendeiner Form vermarktet oder mißbraucht in diesem Sinne wissen. – So weit, so gut, meine Damen und Herren.

Um diese Debatte einmal in Gang zu bringen und weil wir Liberale glauben, daß wir diesen Ansprüchen mit den bestehenden Systemen nicht gerecht werden können, haben wir ein Modell erarbeitet. Wir haben dieses Modell viele Monate, ja Jahre bevor das VfGH-Erkenntnis ergangen ist, erarbeitet (Abg. Dr. Graf: So alt sind Sie doch noch gar nicht! – Zwischenrufe bei der ÖVP), weil wir geglaubt haben beziehungsweise immer noch glauben – meine Herren von der ÖVP, bitte nicht so aufgeregt! –, daß es ein vernünftiges und ein gutes Modell ist.

Wir nehmen aber zur Kenntnis, daß es ein freiheitliches Modell gibt, das womöglich auch nicht schlecht ist. Auf jeden Fall werden wir es diskutieren, und vielleicht gibt es dann auch noch ein Modell von den Regierungsparteien – zumindest würde es, wenn dieser Antrag angenommen werden würde, vor der nächsten Budgetdebatte ein solches Modell geben –, und auch das würden wir debattieren, studieren und zu verbessern versuchen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie, Herr Minister Bartenstein, aber jetzt hergehen und in ein Modell, das natürlich Parameter hat, die verschiebbar sind, etwas hineininterpretieren, damit Sie das Schreckgespenst der Liberalen im Land verbreiten können, daß sie den Kindern 17 Milliarden Schilling nehmen wollen, dann, bitte schön, Herr Kollege Bartenstein, muß ich Ihnen bei aller Wertschätzung und bei unserer fast freundschaftlichen Verbundenheit sagen: Das ist ein ganz mieser Trick, und Ihnen wird nicht geglaubt werden. Sie haben es ja mit dem Thema Drogen probiert, Sie haben uns in vielen Dingen zum Wauwau gestempelt. Und auch Ihre inferiore, letztklassige Wortmeldung, Frau Rauch-Kallat, wird daran nichts ändern. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Lukesch: Nein, das ist die Wahrheit! – Abg. Rauch-Kallat: Haben Sie es verlangt oder haben Sie es nicht verlangt?)

Frau Rauch-Kallat! Glauben Sie mir, ich mag hin und wieder ein grober Klotz sein. Aber heute erinnere ich mich an meine gute Erziehung und werde daher nicht auf Ihre persönlichen Familienverhältnisse eingehen, die ja ein Bild für sich sind und die Sie disqualifizieren, an dieser


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Stelle andere Menschen auf diese Art und Weise anzugreifen! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr.
 Maitz: Arroganz ist kein Argument!) Das ist eine Frechheit! (Abg. Dr. Maitz: Sie sind eine Frechheit!)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie diese Modelle studieren oder wenn wir über diese Modelle konstruktiv beraten wollen, dann müssen wir – und zwar alle, nicht nur die Liberalen, sondern auch die Konservativen, auch die Christlichsozialen – unser Gehirn von Ideologien befreien, denn wenn wir unser Gehirn mit Ideologien vollgestopft lassen, dann werden wir keine konstruktive Debatte führen können.

Ich bin ja in einer glücklichen Lage: Ich brauche mich nicht schimpfen zu lassen, daß ich von anderer Leute Kinder Pension beziehe, ich habe Gott sei Dank selber drei Kinder. Aber wie klingt es denn aus Ihren Reihen? Muß man sich schon schlecht vorkommen, wenn man keine Kinder hat? (Abg. Rosemarie Bauer: Hat das jemals jemand gesagt?) Muß man sich schlecht vorkommen, wenn die eigenen Kinder vielleicht nicht die Talentiertesten sind und zum Bruttoinlandsprodukt nicht den Durchschnitt beitragen, sondern unter dem Durchschnitt liegen? (Abg. Rosemarie Bauer: Kein einziger Redner hat das gesagt!)

Herr Lukesch, ist das die nächste Stufe: Der hat ja keine Kinder, und der hat zwar Kinder, aber weißt eh, die arbeiten nichts, das ist ein schlechter Mensch!? Ob einer keine Kinder hat oder Kinder, die nicht arbeiten, das ist keine Qualifikation, Herr Lukesch, Herr Großruck! Merken Sie sich das! (Beifall beim Liberalen Forum und der SPÖ.)

Sie gehören einer eigenartigen Partei an, Herr Bundesminister! (Rufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon soweit sind, zu sagen, Kinder sind ein Geschenk an die Gesellschaft, dann muß ich Ihnen etwas erzählen. Ich habe mit meinen drei Buben diskutiert und habe ihnen gesagt, sie seien öffentliches Interesse. Na, die haben sich schön bedankt! Sie wollen kein öffentliches Interesse sein. Sie wollen das sein, was sie sind, nämlich meine und meiner Frau Kinder, aber nicht Ihre Kinder und nicht die Kinder der Gesellschaft – und das steht ihnen zu! (Beifall beim Liberalen Forum und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie sagen, Kinder sind ja Geschenke an die Gesellschaft. Ich sage Ihnen: Meine Frau und ich und meine Kinder wollen der Gesellschaft nichts schenken. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Wenn sich aber die Gesellschaft ... (Abg. Dr. Kostelka: Das glaube ich! – Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Lukesch, hören Sie zu! Wenn sich aber die Gesellschaft etwas nimmt, was ich ihr nicht ... (Anhaltende Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Lukesch und Dr. Puttinger. ) Ich schenke mehr in der Woche, Herr Lukesch, als Sie in Ihrem Leben, merken Sie sich das, Sie Klemmer! Sie sind doch ein berühmter Klemmer, Herr Lukesch! Ich schenke in der Woche mehr als Sie in Ihrem Leben!

Wenn wir aber jetzt Geschenke haben, die wir nicht verteilen wollen oder die wir nicht geben wollen und jemand nimmt sie sich, dann ist das kein Geschenk mehr, meine Damen und Herren. Dann ist das eine Vereinnahmung – vielleicht ist es ein Diebstahl, vielleicht ist es ein Raub. In jedem Fall ist es ein strafrechtlicher Tatbestand. Ich werde mir meine Kinder von der ÖVP nicht rauben lassen! (Beifall beim Liberalen Forum und der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Oberkrämer! – Anhaltende Zwischenrufe.)

17.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haselsteiner hat von der guten Erziehung gesprochen. Die hat jeder hier in diesem Haus genossen, und jeder möge sich bitte daran erinnern.

Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

17.58

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Bundeskanzler! Ich melde mich deswegen in aller Kürze zum zweiten Mal zu Wort, weil Sie, Herr Abgeordneter


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Haselsteiner, es unter anderem als Unterstellung qualifiziert haben, daß ich sage, das von Ihnen vorgelegte Modell, das Sie ja heute aktiv mit diesem Dringlichen Antrag hier im Plenum zur Diskussion stellen, nehme den Familien 17 Milliarden Schilling. Und ich mache nicht mehr und nicht weniger als das, was ich schon bei meiner ersten Wortmeldung getan habe, sehr geehrter Herr Abgeordneter Haselsteiner, meine geschätzten Damen und Herren des Liberalen Forums: Ich zitiere Ihre Unterlagen.

Der von Ihnen eingebrachte Dringliche Antrag sagt ausdrücklich, daß 10 Milliarden Schilling an Entlastung daraus ableitbar sind, daß Sie die Abschaffung der steuerlichen Kinderabsetzbeträge fördern. (Abg. Schaffenrath: Kinderbetreuung!) Das sind 10 Milliarden Schilling. Ich kann mir durchaus, so wie auch andere in diesem Hohen Haus, vorstellen, daß die Entlastung von Arbeitskosten, die Sie als Äquivalent hier anführen, etwas Wichtiges ist – aber bitte nicht auf Kosten der Familien! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie mich jetzt fragen, wie ich denn auf 17 Milliarden Schilling komme, nehme ich die Presseunterlage Ihres Herrn Sozialsprechers Kier her, der die Presseunterlage folgendermaßen einleitet: "LIF-Modell macht Familienbeihilfen sozial treffsicher und spart 7 Milliarden Schilling ein." Das heißt, die von Ihnen gewünschte soziale Staffelung der Familienbeihilfen spart nochmals 7 Milliarden Schilling ein, und 10 plus 7 ergibt 17. (Abg. Dr. Schmidt: Sie brauchen ja nichts vom Staat, bei Ihrem Gehalt! Und so soll es auch sein!)

Diese "soziale Treffsicherheit" Ihres Modells möchte ich unseren Familien gerne ersparen, denn diese soziale Treffsicherheit trifft unsere Familien materiell ins Mark! (Beifall bei der ÖVP.)

18.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich noch Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. Die Redezeit, die Sie zur Verfügung haben, beträgt 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Schmidt: Sie war draußen, als Sie sie zu Wort gerufen haben!)

18.01

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Da Frau Kollegin Haidlmayr gemeint hat, Kinder wollen das Wahlrecht, sie brauchen eigentlich kein Geld, sage ich Ihnen aus freiheitlicher Sicht folgendes: Kinder brauchen vor allem eine intakte Familie, in der sie aufwachsen können. Das ist die freiheitliche Sicht der Dinge! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte auf die cholerischen Äußerungen des Kollegen Haselsteiner nicht eingehen. Er hat heute ein gutes Abbild eines liberalen Abgeordneten hier am Rednerpult geboten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auch die Begründerin des Dringlichen Antrages, Frau Schmidt, ist, so glaube ich, in ihren Überlegungen von irgendwelchen Zwangsvorstellungen geleitet. Sie hat explizit gesagt, der Verfassungsgerichtshof solle kontrollieren, ob Verfassungsgesetze eingehalten werden. – Der Verfassungsgerichtshof hat ja nichts anderes getan! Er hat dasselbe zum zweiten Mal kontrolliert, und er hat ein Urteil gesprochen. Das ist ein Urteil des Höchstgerichtes, Frau Kollegin Schmidt! Wenn Sie als Juristin die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes in dieser Art und Weise kritisieren, wie Sie es heute wieder getan haben, dann muß ich mich schon fragen, ob das Ihr – unter Anführungszeichen – "liberales" Weltbild ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Ja, das ist es!)

Denn es geht beim Urteil des Verfassungsgerichtshofes nicht um Familienförderung – Frau Kollegin Schmidt, das verstehen Sie vielleicht nicht –, sondern es geht um Steuergerechtigkeit und um nichts anderes. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Stummvoll. ) Diese gestehen Sie den Österreichern mit Familie anscheinend nicht zu.

Um das zu erreichen, gibt es drei verschiedene Möglichkeiten: mit Freibeträgen, mit Steuerabsetzbeträgen – oder mit dem so verpönten Familiensplitting. Das wäre aber sogar nach wissenschaftlicher Erkenntnis – auch Herr Familienminister Bartenstein hat es einmal eingestanden – ein sehr gutes Modell, um die Verfassungskonformität zu erreichen.


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Meine Kritik und die Kritik der Freiheitlichen richtet sich vor allem gegen die Abgeordneten der ÖVP, natürlich auch gegen den Familienminister, aber genauso gegen die Abgeordneten Ihres Regierungspartners, der SPÖ. Denn Sie alle haben – ich darf Sie daran erinnern – auf die Verfassung geschworen, und Sie haben wissentlich – Klubobmann Khol hat es ja eingestanden – 1992 einem Reparaturgesetz zugestimmt, das nicht verfassungskonform war. Sie haben das wissentlich gemacht! Und da stellt sich schon die Frage, warum Sie das getan haben. Ich sage es Ihnen: um Zeit und natürlich Geld zu schinden – zu Lasten der österreichischen Familien! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Beschönigen Sie das nicht! Wenn Sie heute zu einer anderen Auffassung gelangt sind, dann soll mich das nur freuen, aber die Probe aufs Exempel wird kommen. Die Probe aufs Exempel ist das Modell, das Herr Familienminister Bartenstein vorgestellt hat und das Professor Lehner berechnet hat, wie wir wissen. Dieses Modell umfaßt eine Summe von zirka 9 Milliarden Schilling, und laut Expertenmeinung steht heute schon wieder fest, daß damit das Auslangen für das Umsetzen des Verfassungsgerichtshofurteils nicht gefunden werden kann. Ich habe Sorge und Bedenken, Herr Familienminister, hinsichtlich Ihrer Verhandlungsposition Ihrem Koalitionspartner gegenüber, wenn Sie schon von Anfang an mit einem Modell in die Verhandlungen gehen, das so weit unter den Mindesterfordernissen liegt.

Wir Freiheitlichen stehen zu unserem Modell. Es kostet mindestens 20 Milliarden Schilling. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist ja ganz billig!) Wir begründen das damit, daß man den Familien in den letzten Jahren viel höhere Milliardenbeträge weggenommen hat, und es wäre nur recht und billig, ihnen das zumindest zum Teil wieder zurückzugeben. Dieser Meinung, Herr Kollege Nowotny, sind nicht nur wir Freiheitlichen. Hören Sie zu!

Am 3. November dieses Jahres hat es eine Konferenz der beamteten Landesfamilienreferenten gegeben, und diese haben aufgrund ... (Abg. Dr. Nowotny: Um das Geld des Bundes ist Ihnen nichts zu teuer!) Nein, für Österreichs Familien ist mir nichts zu teuer! (Abg. Dr. Nowotny: Für den Bund!) Aber auch den Landesfamilienreferenten nicht, diese haben nämlich aufgrund des VfGH-Erkenntnisses ein Modell erarbeitet, das insgesamt 27 Milliarden Schilling kosten würde. Sie vertreten das mit genau der gleichen Argumentation wie wir Freiheitlichen. (Abg. Dr. Nowotny: Und das halten Sie für seriös?) Natürlich halte ich das für seriös!

Lassen Sie mich noch ganz kurz zum LIF-Modell kommen. Frau Kollegin Schmidt, das, was Sie uns heute präsentiert haben, ist einfach konfus. Es ist es eigentlich gar nicht wert, daß man es ernst nimmt. In diesem Modell kommt ein Widerspruch nach dem anderen vor. Sie wollen einerseits Kinder als Privatangelegenheit, dann wieder wollen Sie sie in den Mittelpunkt stellen. Sie erkennen einerseits die Unterhaltspflichten beider Elternteile an, aber das Recht aus diesen gemeinsamen Unterhaltspflichten – und das ist die steuerliche Berücksichtigung dieser Pflichten – stellen Sie in Abrede. Sie haben immer gegen das freiheitliche Modell des Familiensplittings gewettert, Kollege Haselsteiner – heute zum ersten Male nicht mehr –, und zwar gegen die wahlfreie Veranlagung bei der Steuer. Sie fordern aber in Ihrem Modell, daß für die finanzielle Bemessung der Unterhaltspflicht die Einkommen beider Elternteile herangezogen werden sollen. Also was ist das dann anderes als eine Haushaltsbesteuerung? Da hat Kollegin Gatterer schon recht.

Was die 17 Milliarden Schilling betrifft, die Sie den Familien wegzunehmen gedenken: 10 Milliarden gestehen Sie in Ihrem Modell, das hier vorliegt, ja selbst ein. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Auf der letzten Seite ist das ganz explizit ausgedrückt. Wenn es nun um 7 Milliarden Schilling mehr sind, dann wird das wohl auch so stimmen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!


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Abgeordnete Edith Haller
(fortsetzend): Ich bin gerade dabei! Wir Freiheitlichen begrüßen jede Debatte, in der es um Familienprobleme geht. Dieses liberale Modell zeugt aber ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, die Redezeit ist zu Ende!

Abgeordnete Edith Haller (fortsetzend): ... von einem Profilierungskomplex der Liberalen ... (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, Sie sind nicht mehr am Wort. Es tut mir leid, Ihr Debattenbeitrag ist zu Ende.

Ich möchte aus gegebenem Anlaß die Damen und Herren Abgeordneten bitten, möglichst rasch und unmittelbar zum Schlußsatz zu kommen, wenn vom Präsidium gesagt wird, daß die Redezeit zu Ende ist.

Es hat sich jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kier zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

18.09

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Mehrere Debattenredner haben hier tatsachenwidrig behauptet, daß wir Kürzungen in der Höhe von 17 Milliarden Schilling fordern. Der Herr Bundesminister hat das vorgerechnet, indem er gesagt hat, 10 Milliarden Schilling Absetzbeträge fallen weg und 7 Milliarden Schilling wollen wir einsparen.

Das ist tatsächlich unrichtig, weil die Absetzbeträge, die wir streichen wollen, durch deutlich angehobene Familienbeihilfen ersetzt werden sollen, und die 7 Milliarden Schilling sind ein mögliches Einsparungspotential und keine beabsichtigte Streichung. Es war mir wichtig, das tatsächlich zu berichtigen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 626/A (E) der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Neugestaltung der "Familienförderung".

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt worden.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über den 2. Punkt der Tagesordnung betreffend AMA-Gesetz-Novelle 1997 wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Gradwohl. – Meine Damen und Herren! Bevor ich ihm das Wort erteile, mache ich darauf aufmerksam, daß wir in Kürze eine Abstimmung durchführen, bei der ein verfassungsrechtliches Quorum geboten ist.

Bitte, Herr Abgeordneter Gradwohl, Sie haben das Wort.

18.11

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich werde versuchen, obwohl ich als betroffener Familienvater an dieser Materie sehr interessiert bin, mich nach dieser spannenden Diskussion zur Familienpolitik wieder mit dem Gegenstand des zweiten Tagesordnungspunktes zu beschäftigen und auch Ihr Interesse wieder auf die AMA zu lenken. Es wird mir wahrscheinlich ein wenig schwer fallen, aber ich kann diese meine Situation nicht ändern.

Ich möchte meine Betrachtungen zur AMA-Gesetz-Novelle mit einer Replik auf die Ausführungen einiger Vorredner einleiten. Frau Kollegin Aumayr! Es tut mir leid, daß ich unhöflich war


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und während Ihrer Rede mit dem Herrn Landwirtschaftsminister gesprochen habe. Allerdings habe ich Ihre Schelte nicht verdient, denn Ihren weiteren Ausführungen habe ich entnommen, daß Sie in Ihrer Wortwahl etwas unhöflicher waren, als mein Stehen an der Regierungsbank es gewesen sein kann. Daher denke ich, obwohl ich nicht der Verteidiger des Herrn Landwirtschaftsministers bin: Wer Höflichkeit einfordert, sollte sie auch selbst üben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Aumayr: Wann war ich unhöflich?)

Da ich Ihren Ausführungen sehr aufmerksam zugehört habe, bin ich Ihnen für eine Passage in Ihrer Rede dankbar, denn damit haben Sie eigentlich unterstrichen und bestätigt, daß die Agrarpolitik in Österreich hervorragend funktioniert. Sie haben nämlich gesagt, es wird von immer weniger schlecht verdienenden Bauern berichtet. Es ist im Grunde genommen positiv, wenn die Bauern nicht mehr schlecht verdienen und die Zahl derer, die schlecht verdienen, immer kleiner wird, wenn sie also nicht weniger, sondern mehr verdienen. Daher danke ich Ihnen für dieses positive Urteil und für diese positive Meldung zur Agrarpolitik.

Herr Kollege Koller, auf dessen Ausführungen ich auch noch kurz replizieren möchte, hat von der Zauberformel der Verfassungsbestimmung gesprochen, mit der die Agrarpolitik quasi alle Möglichkeiten offen hat.

Herr Kollege Koller! Ein Blick in dieses "Zauberbuch", nämlich in die österreichische Bundesverfassung und in die gesetzlichen Bestimmungen wird Sie davon überzeugen, daß es sich nicht um eine Zauberformel handelt und auch kein Zauberstab erforderlich ist, sondern daß es sich dabei um die verfassungsmäßige Regelung der Durchgriffsmöglichkeiten einer Bundesbehörde handelt. – So viel dazu. Vielleicht schauen Sie sich das an, dann werden Sie nicht mehr von "Zauberlehrlingen" sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Vorredner haben hier bereits über den sachlichen Inhalt der AMA-Gesetz-Novelle referiert, ich erspare es mir daher, noch näher darauf einzugehen. Ich möchte aber vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Wochen die Gelegenheit benutzen, um zwei Bereiche der AMA anzusprechen, nämlich den Bereich des AMA-Marketings und den Bereich der Gütezeichen für agrarische Produkte der Agrarmarkt Austria.

"Vor dem Hintergrund der letzten Tage" habe ich gesagt und werde das auch erläutern: Es befand sich ein AMA-Gütezeichen, das Österreich als Herkunftsland angibt und die Ware als österreichisches Produkt ausweist, auf ausländischem Fleisch. Es befand sich außerdem – und ich setze voraus, daß hier im Haus bekannt ist, daß die Biolandwirtschaft in Österreich sich nicht zur Gentechnik bekennt – auf einem Produkt, das von der Lebensmitteluntersuchungsanstalt als gentechnisch verändertes Produkt erkannt wurde, die AMA-Biokennzeichnung.

Vor einigen Tagen war der Direktor der AMA-Vermarktungsgesellschaft im Fernsehen und hat vor laufender Kamera gesagt: Dort, wo ein AMA-Gütesiegel drauf ist, ist 100 Prozent österreichische Ware drinnen. – Aufgrund eines Anrufes mußte er dann vor laufender Kamera diese seine Aussage wieder zurücknehmen und zugeben, daß der Anrufer recht hatte, daß nämlich das AMA-Gütezeichen auf nur 70 Prozent österreichischen Inhalt der Produkte abgestimmt ist.

Herr Bundesminister! Ich meine – auch angesichts der Tatsache, daß eben dieser Direktor der AMA-Marketing vor Gericht gegenüber einem erfolgreichen Vermarkter eine Ehrenerklärung abgeben mußte und daß von diesem Vermarkter ein Urteil gegen ihn erwirkt wurde –, in diesem Bereich besteht Handlungsbedarf. Ich meine das auch vor dem Hintergrund, daß etwa im "Wirtschaftsblatt" vom 5. November zu lesen ist, daß Herr Mikinovic die AMA-Produkte besser vermarkten möchte. Ich selbst hatte vor rund zwei Jahren die Gelegenheit, bei einem Besuch in der AMA dieses Thema mit den zuständigen Herren zu besprechen. Bereits damals wurde verlangt – und in den letzten zwei Jahren wurde dies laufend gefordert –, das Marketing für die österreichischen landwirtschaftlichen Produkte zu verbessern.

Angesichts all dessen möchte ich Sie, Herr Bundesminister, ersuchen, auf die AMA dahin gehend einzuwirken, daß nicht nur ein neues Marketingzeichen, das Edelweiß, eingeführt wird, sondern daß man in Zukunft seitens der AMA unsere österreichischen landwirtschaftlichen


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Produkte grundsätzlich professioneller vermarktet beziehungsweise an den Konsumenten bringt. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Minister! Mit der Novelle dieses AMA-Gesetzes erweitern Sie Ihre Kompetenzen hinsichtlich Ihres Weisungsrechtes. Dieses Weisungsrecht ist freilich nicht so ausgefallen, wie Sie sich das vorgestellt hätten, denn Ihrer Meinung nach wäre ein Durchgriffsrecht des Ministers bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern richtig gewesen. Nun, ein solches Durchgriffsrecht ist es zwar nicht ganz geworden, aber Sie sind nach wie vor die letzte Instanz und können die Entscheidungen des Verwaltungsrates korrigieren.

Für uns stellt sich die Frage: Wozu brauchen wir diesen Verwaltungsrat eigentlich noch? – Ihr Erstentwurf hat ja gezeigt, daß Sie de facto ohne weiteres auf diese sozialpartnerschaftliche Einrichtung verzichten können. Die AMA wäre demnach auch de facto in das Landwirtschaftsministerium eingegliedert worden. Ich möchte betonen, daß nicht die Freiheitlichen dagegen protestiert haben, sondern die Arbeiterkammer, also die Sozialpartnerschaft, hat protestiert, weil sie fürchtet, ihren Einfluß zu verlieren und auch, weil sie ihre Schreibtische dort verteidigt. Und das ist ja auch kein Wunder, denn diese 16 Herren bekommen für traditionell vier Sitzungen im Jahr rund 1,26 Millionen Schilling pro Jahr. Umgerechnet ergibt das ein stolzes Sitzungsgeld von 20 000 S pro Sitzung. Da verstehe ich schon, daß man diese Pfründe verteidigen will, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Punkt ist für uns die Frage – und in diesem Punkt muß ich dem Herrn Abgeordneten Gradwohl durchaus recht geben –, was Sie mit der Agrarmarketing Gesellschaft vorhaben, denn diese springt ja von einem Fettnäpfchen ins andere. Wir Freiheitlichen haben aufgedeckt, daß sie noch vor kurzem in Bayern, in München, Werbung für spanischen Wein gemacht hat und daß sie unlängst in einer Broschüre das Vordere des Rindes als "Hinteres" bezeichnet und sich damit in aller Öffentlichkeit lächerlich gemacht hat.

Außerdem müssen Sie hier eingestehen, daß – entgegen Ihren Aussagen vor dem EU-Beitritt, Herr Bundesminister – das agrarische Handelsbilanzdefizit größer und nicht kleiner geworden ist. Es betrug vor unserem EU-Beitritt 10 Milliarden Schilling, und jetzt ist es weit höher. Man spricht von 17 Milliarden, aber man kann das nicht genau beweisen, weil das diesbezügliche statistische Material schlecht ist.

Die österreichische Exportpolitik ist deshalb nicht von Erfolg gekrönt; die Exportmengen sind zwar gestiegen, nicht aber die Wertschöpfung. Es ist deshalb nicht viel zu verdienen, weil unsere Markenprodukte im Ausland nicht entsprechend plaziert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen, und zwar auf die Frage, ob Sie mit der Agrarmarkt Austria eine Reform anstreben. Herr Abgeordnete Gradwohl hat es erwähnt, und wir Freiheitlichen haben schon immer gesagt: Es ist einfach eine Tatsache, daß dort, wo "AMA" draufsteht, nicht unbedingt Österreich drin sein muß. Bei Wurstwaren zum Beispiel können 30 Prozent der Ingredienzen und Beifügungen aus dem Ausland importiert werden. (Abg. Großruck: Pfeffer!) Wenn Sie eine Wurst mit 30 Prozent Pfeffer herstellen, dann können Sie sie gleich wegwerfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das gesamte Wurstbrät und viele Beifügungen kommen natürlich aus dem Ausland. Bei Backwaren können es sogar bis zu 50 Prozent sein. Wir Freiheitlichen waren es, die durch Anträge, durch massives Drängen hier in diesem Hause darauf hingewiesen haben, daß dieser Schwindel ein Ende haben muß, weil sonst der letzte Rest des Vertrauens der Konsumenten auch noch dahinschwinden wird, vor allem im Hinblick auf die Ereignisse rund um die BSE-Krise.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich noch mit dem Bereich der Pensionen auseinandersetzen. 400 Millionen Schilling an Pensionsrücklagen werden jetzt aufgelöst und 1998, dafür verwendet, um die AMA-Bürokratie und die Administration zu finanzieren. Wir Freiheitlichen hätten uns einen anderen Weg gewünscht, nämlich, daß mit diesem Geld die Zwangsbeiträge für die Agrarmarketing Gesellschaft gekürzt werden. Diese sind nämlich in Österreich doppelt so hoch wie jene in Deutschland. Wenn Sie schon ständig in Publikationen und Reden das Wort "Wettbewerbsgleichheit" in den Mund nehmen und zumeist andere dafür verantwortlich machen, Herr Bundesminister, dann hätten Sie hier Handlungsbedarf, dann müßten Sie diese Agrarmarketingbeiträge senken, damit wir zumindest auf das Niveau unseres wichtigsten Handelspartners – Deutschland – kämen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie hätten mit dieser Novelle die Chance gehabt, diese Gelder sinnvoll für die Bauern einzusetzen statt für die Absicherung Ihrer Bürokratie. Gleichzeitig mit der Senkung der Agrarmarketingbeiträge hätten Sie auch eine Reform dieser Agrarmarketing Gesellschaft anstreben können. Ich meine nämlich, daß es nicht ausreichen wird, in diesem quasi geschützten Bereich schöne Broschüren und irgendwelche Werbeaktionen zu machen. Sie laufen auf diese Weise Gefahr, abgekoppelt vom Markt zu agieren. Warum versuchen Sie nicht, in diese Gesellschaft den Handel, die Banken einzubauen, die Genossenschaften und Verarbeitungsbetriebe in diese Gesellschaft mit einzubeziehen, um auch die Finanzierung zu erleichtern und damit den Bauern nicht so tief in die Tasche greifen zu müssen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind nur einige der Reformvorschläge und Kritikpunkte, die wir vorbringen möchten. Diese Reform zeigt uns, daß erstens die Sozialpartnerschaft in bestimmten Bereichen zu einer leeren Hülse degradiert wird, die nur Kosten verursacht, aber in Wirklichkeit nichts mehr entscheiden kann, und zum anderen beweist sie einmal mehr, daß Sie die geringen Mittel, die Sie zur Umverteilung haben, nicht den Bauern zugute kommen lassen, sondern Ihrer Administration und Bürokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

18.24

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte auf die Details der Novelle des AMA-Gesetzes nicht eingehen. Herr Abgeordneter Grabner hat in vorbildlicher Weise dargestellt, worum es geht. Ich möchte nur auf einige Punkte, die in der Diskussion angesprochen worden sind, eingehen.

Herr Abgeordneter Wenitsch! Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich die Möglichkeiten der Geschäftsordnung genutzt habe und der freiheitlichen Fraktion und allen anderen Fraktionen dieses Hauses zeitgerecht, schriftlich und umfassend die Antworten übermittelt habe. Herr Abgeordneter Koller hat das ja auch durchaus positiv angemerkt. Vielleicht kann Wenitsch bei Koller nachlesen, was ich schriftlich geantwortet habe. (Abg. Wenitsch: Nach der Debatte!)

Zur Pensionsrückstellung. Es ist so, daß diese Pensionsrückstellungen aus Verwaltungskostenbeiträgen der Molkereien und der Mühlen aus der Zeit des Milchwirtschaftsfonds und des Getreidewirtschaftsfonds angespart wurden. Es handelt sich um Pensionszusagen beziehungsweise Rückstellungen, die aus der Vergangenheit, aus dem Milchwirtschaftsfonds und aus dem Getreidewirtschaftsfonds in die AMA mitgenommen wurden.

Diese Rückstellungen werden im heurigen Jahr aufgelöst. Aus diesen Rückstellungen werden die Verwaltungskosten der Agrarmarkt Austria des heurigen Jahres gedeckt. Im Gegenzug übernimmt der Bund die Haftung, und der Bund wird dann, wenn diese Rückstellungen aufgebraucht sind, wieder in die Verwaltungskostenfinanzierung einspringen. Das ist ein einfacher Vorgang, der auch klar dokumentiert ist. (Abg. Wenitsch: Ihr Wort in Gottes Ohr!)

Herr Abgeordneter Barmüller! Ich verstehe nicht, daß aus Ihrer Sicht die Frage des § 28 b kritisch gesehen wird, weil gerade seitens der Liberalen immer wieder die Frage gestellt wird, ob


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es nicht möglich ist, daß nichtstaatliche Stellen bestimmte Aufgaben übernehmen. Diese Möglichkeit wird der Agrarmarkt Austria nun gegen Übernahme der Kosten durch die, die den Auftrag vergeben, angeboten. Was daran problematisch sein soll, verstehe ich nicht.

Frau Abgeordnete Aumayr! Ich habe schon des öfteren gesagt, und auch zum Abgeordneten Reichhold sage ich es noch einmal deutlich: Ich stehe dazu, daß es diese Marketingbeiträge gibt, weil sie eine gute Investitionsgrundlage für die Bauern bilden, weil mit dem Geld, das für Marketing eingehoben wird, tatsächlich auch Verkaufserfolge erreicht werden.

Herr Abgeordneter Koller – ich sehe ihn derzeit nicht –: Natürlich ist es richtig, daß mein Bruder Ersatzmitglied des Agrarmarkt Austria Verwaltungsrates ist. Wenn Sie daraus etwas ableiten, ist das Ihre Sache. Ich trete nicht für Sippenhaftung ein. (Abg. Dr. Fekter: Die hat schon Maria Theresia abgeschafft!) Ich habe auch nicht zur Sprache gebracht, daß die Schwester Ihres Parteichefs jetzt Landesrat in Oberösterreich ist und dort verwandtschaftliche Beziehungen gepflegt werden. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Was das für ein Problem sein soll, weiß ich nicht. Vielleicht ist es Ihres, meines ist es jedenfalls nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Der Hofinger wurde wegrationalisiert!)

Herr Abgeordneter Gradwohl! Es kann im Marketingbereich immer etwas verbessert werden, das ist überhaupt keine Frage. Wir haben in diesem Bereich Erfolge zu verzeichnen, aber man kann natürlich unterschiedlicher Meinung darüber sein, wie schnell sie vor sich gehen. Auch mir wäre es lieber, wenn sich manche Erfolge schneller entwickeln würden, wir sollten aber auch deutlich sagen – und ich bitte Sie, die Szene wirklich objektiv zu betrachten –, daß durch die Initiative der AMA die österreichischen Unternehmen etwa auf dem deutschen oder auf dem italienischen Markt durchaus gepunktet haben.

Ich war heuer auf der ANUGA, der weltgrößten Nahrungsmittelmesse, und ich muß Ihnen sagen, ich habe dort durchaus mit Stolz gesehen, daß 150 österreichische Unternehmer – kleine, mittlere und auch große Unternehmen – mit Hilfe der Agrarmarkt Austria tatsächlich den Schritt in diesen heißumkämpften deutschen Markt gegangen sind. Das hilft nicht nur den österreichischen Bauern, sondern das sichert letztendlich auch Beschäftigung. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Reichhold! Ich stehe dazu, daß die Sozialpartner wichtige Funktionen haben, und zwar auch in der Agrarmarkt Austria. Es wundert mich sehr, daß Sie als Vizepräsident einer Sozialpartnereinrichtung, nämlich der Kärntner Landwirtschaftskammer, die Abschaffung der Sozialpartner fordern. Ich trete dafür ein, daß die Sozialpartner auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der Agrarmarkt Austria haben. (Beifall bei der ÖVP.)

18.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters wurde nicht verlangt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 909 der Beilagen.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält Verfassungsbestimmungen. Ich stelle daher zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mehrheitlich angenommen worden. Ich möchte ausdrücklich festhalten, daß das verfassungsmäßige Zweidrittelquorum gegeben ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch in dritter Lesung erfolgt eine mehrheitliche Annahme, und zwar mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Quorum.

3. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 605/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird (900 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile daher sogleich als erstem Redner in dieser Debatte dem Abgeordneten Mag. Firlinger das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.31

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der vorliegende Antrag der Kollegen Stummvoll und Nowotny zur Änderung des Bausparkassengesetzes beinhaltet sicher in Teilbereichen eine gewisse Flexibilisierung und Verbesserung dieser gegenständlichen Gesetzesmaterie.

Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß auch wir als freiheitliche Fraktion im Ausschuß und auch jetzt die Verbesserungen zu würdigen wissen, und zwar jene Verbesserungen, durch die der Bausparer tatsächlich von diesen Neuerungen profitiert, wie beispielsweise die Auszeichnung der Effektivverzinsung, das Zugänglichmachen der Bausparfinanzierung für alle Arten von Wohnen, von Eigentum bis hin zur reinen Miete. Das sind positive Änderungen.

Es erscheint uns auch grundsätzlich notwendig, den Finanzierungsrahmen auszudehnen. Daher fällt es uns nicht schwer, zu einer Reihe von Ersatzsicherheiten, die jetzt per Gesetz eingeräumt werden, ja zu sagen. Ich meine allerdings, daß eine Reihe von Bestimmungen nicht reformiert wurden, bei denen jedoch eigentlich Reformbedarf herrscht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sehe beispielsweise nicht ein, daß der Herr Finanzminister im Wege der Verordnungsermächtigung, was die Regelung im Detail mit den Bausparkassen betrifft, einen sehr breiten Spielraum hat. Das heißt, der Finanzminister kann heute hergehen und praktisch über Nacht mit der Verordnungsermächtigung den Eigenmittelanteil entweder auf- oder zumachen. Er kann dies auch nachträglich tun beziehungsweise kann er in bestehende Verträge eingreifen. Das ist etwas, was wir bei keinem Gesetz goutieren, denn das erzeugt ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit und ist sicher nicht im Sinne der Bausparer.

Wir haben auch ganz klar gesagt, daß eine Kürzung der Bausparprämie für uns nicht in Frage kommt. Die Kürzung der Bausparprämie ist aber nicht – ich begrüße den Herrn Minister (Bundesminister Edlinger: Danke schön!) – Gegenstand des Bausparkassengesetzes, sondern diese findet sich im Einkommensteuergesetz und wurde im Zuge des Budgetbegleitgesetzes verabschiedet.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Handlungsspielraum für den Finanzminister zu groß ist. Es geht um ein Milliardenvolumen an Finanzierungen, und da sollte das Parlament, glaube ich, sehr wohl etwas mitzureden haben, überhaupt dann, wenn es um bereits bestehende Verträge geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei dieser Vorlage – sosehr wir auch einzelne Punkte anerkennen –, bei diesem Punkt ist für uns der point of no return erreicht, und Sie werden sicher nicht erleben, daß wir bei irgendwelchen Gesetzesmaterien rückwirkende Eingriffsmöglichkeiten befürworten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Bundesminister! Ich möchte auch noch auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen. Die Vorlage der Kollegen Stummvoll und Nowotny sieht vor, daß der Refinanzierungsrahmen der Bausparkassen auf eine sehr breite Basis gestellt wird, indem man die bisherige Beschränkung, nämlich daß Refinanzierung ausschließlich auf Basis von Schuldverschreibung mit sechsjähriger Dauer möglich ist, fallen gelassen hat. Anstelle dieser Bestimmung will man jetzt den Bausparkassen die Emission von Wertpapieren in praktisch unbeschränktem Umfang ermöglichen. Ich glaube nicht, daß das Aufgabe der Bausparkassen ist.

Meine Damen und Herren! Wenn ein Kreditinstitut erhöhten Refinanzierungsbedarf für alle Arten von Geschäften hat, dann soll sich ein solches Kreditinstitut auch tatsächlich um eine Universalbankenlizenz bemühen und nicht einfach durch die Hintertür klammheimlich derartige Möglichkeiten ausschöpfen. Ich glaube, das geht entschieden zu weit.

Sinn und Zweck der Bausparkassen ist es, meine Damen und Herren, die Refinanzierung auf gesicherter Basis zu ermöglichen. Der Refinanzierungszeitrahmen sollte zehn Jahre nicht überschreiten, da es sonst keine Zwischenfinanzierung ist, von der die Bausparkassen wie auch der Bausparer profitieren können. Aber wenn der Haftungsrahmen und der Refinanzierungsrahmen darüber hinausgehen, dann betrifft das eigentlich den Bereich der allgemeinen Banken. Und dann muß meiner Meinung nach der richtige Weg gegangen werden, dann müßte eine andere, eine umfassendere Konzession beantragt werden.

Meine Damen und Herren! Wir sehen uns daher veranlaßt, einen Abänderungsantrag zu diesen beiden Punkten einzubringen, den ich hiermit zur Verlesung bringen möchte:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Firlinger, Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen zum Antrag 605/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz – BSpG, BGBl. Nr. 532/1993 geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes (900 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. "§ 2 Abs. 1 Z 4 lautet:

4. das sonstige Wertpapieremissionsgesetz nach § 1 Abs. 1 Z 10 BWG, eingeschränkt auf Schuldverschreibungen, deren Laufzeit zehn Jahre nicht übersteigt."

2. "§ 11 Abs. 1 lautet:

Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, zur Sicherung und Erfüllung der Verpflichtung der Bausparkassen gegenüber ihren Gläubigern und einer ausreichenden Zahlungsbereitschaft Verordnungen [zu] erlassen, hierbei ist das volkswirtschaftliche Interesse an einer funktionsfähigen Wohnbaufinanzierung zu beachten. Verordnungen dürfen nicht in bestehende Verträge eingreifen."

*****

Meine Damen und Herren! Das ist unser Prinzip und zu diesem Prinzip bekennen wir uns.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß Kollege Graf einen separaten, einen Fünf-Parteien-Antrag einbringen wird. Im Ausschuß wurde von uns die Einbeziehung von Superädifikaten hineinreklamiert. Ich bin froh, daß die Koalitionsparteien diese Notwendigkeit erkannt haben und daß es diesen Fünf-Parteien-Abänderungsantrag gibt.


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Meine Damen und Herren! Dennoch können wir, falls Sie unserem ersten Abänderungsantrag nicht zustimmen, der Vorlage insgesamt die Zustimmung in dritter Lesung nicht geben. Ich bitte dafür um Verständnis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Mag. Firlinger vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt, wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.39

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bausparkassengesetz, mit dem wir uns heute beschäftigen, betrifft sicher eine der populärsten Sparformen in ganz Österreich; eine Sparform, deren Zweck es ist, Wohnraum zu schaffen und zu sichern. Dazu gehört aber unweigerlich natürlich auch die Möglichkeit der Kreditgewährung.

Ich wurde bei einer Begegnung mit jungen Bürgerinnen und Bürgern darauf aufmerksam gemacht, daß für die Schaffung von Genossenschaftswohnraum solche Kredite nicht in Anspruch genommen werden können. Eine junge Bürgerin hat mir im Zusammenhang mit der Kreditgewährung gesagt – und ich glaube, damit hat sie recht –, sie würde sich gerne die Eigenmittelersatzdarlehen durch einen solchen Bausparkredit ermöglichen. Das ist aufgrund der bisherigen Gesetzeslage nicht möglich gewesen. Diese Initiative der jungen Bürgerin hat aber auch die Tatsache neuerlich in den Raum gestellt, daß bei der Bausparkasse in Wirklichkeit immer wieder ein West-Ostgefälle festzustellen ist: Im Osten wird fleißig gespart, im Westen wird das im Wege der Kredite wieder ausgegeben, weil eben durch die Rechtsformen im Wohnungsbau, aber auch durch das Eigentumsrecht die Eigentumswohnungen, die Eigenheime eher im Westen angesiedelt sind, während im Osten durch das Fehlen der Möglichkeit der Eigenmittelfinanzierung bei Genossenschaftswohnungen dieses Gefälle entsteht.

Diese Initiative einer jungen Bürgerin bringt uns heute eben zur Änderung des Bausparkassengesetzes. Zweck der Änderung ist es, daß in Hinkunft Bausparkredite nicht nur für den Kauf beziehungsweise den Bau eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung zur Verfügung stehen, sondern durch diese Initiative soll die Möglichkeit geschaffen werden, die notwendigen Eigenmittel durch Bausparkredite entsprechend zu finanzieren. Die gleichzeitige Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze für unbesicherte Darlehen von derzeit 100 000 S auf 300 000 S wird verstärkt die Möglichkeit der Wohnungsrenovierung schaffen und damit aber auch aus meiner Sicht eine dementsprechende Wirtschaftsbelebung in diesem Bereich erreichen. Wer den Wiener Wohnraum mit seinen vielen Altbauwohnungen kennt, weiß, daß man mit 100 000 S nur eine sehr geringfügige Wohnungsrenovierung durchführen kann. Ich glaube, daß das eine richtige Initiative ist.

Der dritte Punkt: Auch die konsumentenpolitischen Anliegen werden durch diese Novelle entsprechend verbessert, was die Übersichtlichkeit, die Darstellung der Veränderungen der Kreditzinsen betrifft. Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, glaube ich, kann man dieser Novelle mit Fug und Recht die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.42

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Spätabendlich gibt es ein Novum – so kann man das fast bezeichnen – in diesem Haus, es gibt nämlich einen Fünf-Parteien-Antrag, der letztlich auf die Initiative der Freiheitlichen zurückzuführen ist. Das ist schon etwas, was wir uns an die Fahnen heften können. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich werde mir auch gestatten, diesen einzubringen. (Abg. Dr. Nowotny: Wenn sie vernünftig sind, sind wir gerne dazu bereit! – Zwischenruf des


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Abg. Mag. Stadler. ) – Es ist immer alles sachlich begründet, Kollege Nowotny, aber Sie lernen auch dazu; ich werde das schon noch begründen.

Kollege Verzetnitsch hat in seinem Redebeitrag gemeint, man solle in Zukunft alle Formen des Wohnens fördern; dem kann man natürlich nur zustimmen. Es wurde leider Gottes eine Form des Wohnens vergessen, das wird jetzt "repariert" und das ist durchaus im Sinne der Wohnraumsuchenden und auch der Wohnraumschaffenden. Daher können wir das ungeteilt mittragen und haben auch kein Problem damit.

Aber lassen Sie mich noch etwas sagen: Die Bausparförderung ist ja nicht nur ein Mittel zur Schaffung von Wohnraum, sondern mittelbar auch ein Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen, das darf nicht außer acht gelassen werden. Wenn man also im Bausparbereich etwas ändert, so wäre es durchaus sinnvoll gewesen, wenn man schon daran denkt, daß man Kürzungen im Prämienbereich und in anderen begleitenden Maßnahmen heranzieht, verspätete Auszahlungen durchführt oder Prämien gutschreiben läßt, begleitend dazu das von uns immer vorgeschlagene, international altbewährte Luxemburger Modell einzuführen, womit letztendlich – und das sagt ja auch mittlerweile die ÖVP – 11 000 Arbeitsplätze in Österreich geschaffen werden hätten können. (Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

Ich möchte das nur ganz kurz erklären. Sie wissen, die Hälfte der Mehrwertsteuer rückzuvergüten würde die Arbeitnehmer vom Pfusch zurückhalten, würde Arbeit schaffen – weiße Arbeit, legale Arbeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das würde letztendlich auch Steuern bringen und die Leute in ordentlicher Beschäftigung halten. Es wurde leider verabsäumt, dies als begleitende Maßnahme zu berücksichtigen. Mein Kollege Firlinger hat ja schon in seiner Rede angeführt, daß es einige Wermutstropfen gibt, denen wir aus verschiedensten Gründen, unter anderem auch aus demokratiepolitischen Gründen, nicht zustimmen können: Man greift halt nicht in bestehende Verträge ein, die die Republik mit den einzelnen Steuerzahlern abgeschlossen hat. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen, darum würde ich Sie bitten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sollte aber viel mehr diskutiert werden. Sie wissen Bescheid, es liegen ja bereits lange auch Anträge von uns den diversen Ausschüssen vor. Es ist nicht neu, man hätte dies im Gesamtpaket natürlich mitdiskutieren können. (Zwischenruf des Abg. Eder. ) Aber da auch ein Antrag, ein Fünf-Parteien-Antrag entstanden ist, besteht ja wirklich Hoffnung, auch in diesem Bereich, Herr Kollege Eder, zu einem Konsens zu kommen und schlußendlich einen Durchbruch zu erringen. Die Freiheitlichen werden dabei mithelfen; gemeinsam mit den Sozialisten ist ja so vieles möglich.

Abschließend möchte ich einen Antrag folgenden Inhalts einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eder, Dkfm. Dr. Stummvoll, Dr. Graf, Dr. Haselsteiner, Dr. Van der Bellen und Genossen zum Bericht des Finanzausschusses (900 der Beilagen) über den Antrag 605/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Dkfm. Dr. Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes (900 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

I. Die Z 10, 12 und 15 des Antrages 605/A werden wie folgt geändert:

10. In § 10 Abs. 3 Z 5 wird der Punkt durch einen Beistrich ersetzt. Der Z 5 werden folgende Z 6 bis 9 angefügt:

"6. Haftungsübernahme durch eine Gemeinde,


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7. Abtretung von Ansprüchen gemäß § 17 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, BGBl. Nr. 319/1979, oder vergleichbare Ansprüche von Miet- oder sonstigen Nutzungsberechtigten auf Rückzahlung von Beträgen, die zur Finanzierung des Bauvorhabens geleistet wurden,

8. Abtretung und Halten von Pfandrechten auf Liegenschaften gemäß 1422 ABGB durch Kreditinstitute eines Mitgliedstaates (§ 2 Z 5 BWG),

9. Abtretung von Baurechten und Rechten an Bauwerken, die nicht im Eigentum des Grundeigentümers stehen (Superädifikate), soweit diese Rechte im Inland gelegene Grundstücke betreffen."

12. § 10 Abs. 5 lautet:

"(5) Der Anteil von Darlehen und Garantien gemäß § 2 Abs. 1 Z 5, für die Ersatzsicherheiten nach Abs. 3 Z 1 bis 3, 5, 7, bis 9 gestellt werden oder bei denen von einer Besicherung nach Abs. 4 Z 2 abgesehen wird, darf insgesamt 20 vH des Gesamtbestandes der Darlehensforderungen gemäß 2 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a und b zuzüglich der Garantien gemäß § 2 Abs. 1 Z 5 nicht übersteigen. Der Anteil von Darlehen und Garantien gemäß § 2 Abs. 1 Z 5, bei denen von einer Besicherung nach Abs. 4 Z 2 abgesehen wird, darf jedenfalls nicht mehr als 10 vH des Gesamtbestandes der Darlehensforderungen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit a und b zuzüglich der Garantien gemäß § 2 Abs. 1 Z 5 betragen."

15. Im § 18 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

"(1a) § 2 Abs. 1 Z 4 und 5, § 3 Abs. 2 Z 2 und 4, § 4 Abs. 1 Z 4 und Abs. 2 und 3, § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1, Abs. 3 Z 6 bis 9, Abs. 4 und 5, § 11 Abs. 2 Z 5 und 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. XXX/1997 treten mit dem Tag nach der Verlautbarung im Bundesgesetzblatt in Kraft."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist der Inhalt? – Ich habe schon erwähnt: Nunmehr werden wirklich alle Formen des Wohnens in die Bausparkassenfinanzierung miteinbezogen. Das ist gut so. Ungefähr 45 000 Superädifikatseigentümer werden es uns danken. – Ich danke und ersuche um Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Graf eingebracht und auch verlesen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.47

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute diese Novellierung des Bausparkassengesetzes hier im Hohen Haus debattieren, dann sollten wir doch auch zu Beginn festhalten, daß die Geschichte des Bausparens in Österreich eigentlich eine einzige Erfolgsstory ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Debattenbeitrag nicht allzu sehr mit Zahlen belasten, aber gestatten Sie mir diesbezüglich doch ein paar Bemerkungen zu dieser Erfolgsstory "Bausparen". Derzeit gibt es über fünf Millionen Verträge, das ist eine Sparsumme von fast 200 Milliarden Schilling, es gibt Ausleihungen von fast 170 Milliarden Schilling. 60 Prozent der Österreicher sagen, daß das Bausparen die beliebteste Sparform für sie ist, und das Wifo weist nach, daß es die effizienteste und kostengünstigste Wohnbauförderung überhaupt ist.


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Wir haben allein im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Finanzierungsleistung von 18 Milliarden Schilling gehabt; daraus wurden fast 20 000 Wohneinheiten geschaffen. Wenn man das auf Arbeitsplätze umlegt, so sind das fast 70 000 Arbeitsplätze. Das ist im Grunde eine unglaubliche Erfolgsstory! Ich glaube, auch das sollte man einmal anerkennen, vor allem deshalb, weil wir ja ohnehin in der Regel sehr viele negative Rückmeldungen bekommen; man braucht nur die Zeitungen durchzuschauen. Aber ich glaube, das ist wirklich eine unglaublich positive Meldung, wenn man sich die Geschichte des Bausparens in Zahlen vor Augen führt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Zielsetzungen der Novelle haben zum Teil die Vorredner schon erwähnt. Ich möchte nur drei Dinge hervorheben: Erstens soll die Flexibilität des Bausparens erhöht werden. Es soll zweitens ein verstärkter Mitteleinsatz für den Wohnungsbau angeregt werden, und drittens gibt es auch Bestimmungen in Richtung erhöhter Konsumentenschutz.

Die wesentlichsten Maßnahmen dafür sind aus meiner Sicht erstens die Einführung der Möglichkeit für Wertpapieremissionen, wobei sowohl die Befristung der Laufzeit als auch die Einschränkung auf Schuldverschreibungen beseitigt wird. Ich glaube, das sind sehr wichtige Maßnahmen, um den Bausparkassen den Zugang zu entsprechenden Finanzmitteln zu erleichtern.

Es wird zweitens die Möglichkeit des Garantiegeschäfts nach dem Bankwesengesetz eingeführt, und es werden drittens neue Sicherstellungsformen, wie etwa die Haftungsübernahme durch Gemeinden, die Abtretung von Ansprüchen nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz oder auch etwa von Pfandrechten, beschlossen.

Was den Konsumentenschutz betrifft, ist – und ich erwähne das bewußt – im Abtausch gegen den Wegfall der Genehmigungspflicht von Entgelten im Bausparkassenbereich die Angabe der Effektivverzinsung vorgesehen. Das ist gleichsam ein Abtausch: überholte Genehmigungspflicht weg, dafür Angabe der Effektivverzinsung. Ich gehe allerdings davon aus – das sage ich ganz offen –, daß diese Angabe der Effektivverzinsung im Abtausch gegen diese überholte Bestimmung erfolgt und nicht für die Zukunft generell präjudiziell ist. Das möchte ich hier in der parlamentarischen Diskussion bewußt anmerken.

Meine Damen und Herren! Ich glaube insgesamt, daß wir einen weiteren Schritt setzen, damit auch im nächsten Jahrtausend diese Erfolgsstory Bausparen weitergeht. (Beifall bei der ÖVP.)

18.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste auf der Rednerliste ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

18.52

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Verzetnitsch hat uns in seiner kurzen, aber umso eindrucksvolleren Rede voll überzeugt, daß diese Vorlage richtig, wichtig und sinnvoll ist. Wir werden dafür stimmen. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Allgemeine Heiterkeit.)

18.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nun ist Herr Abgeordneter Eder am Wort. – Bitte.

18.53

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mir ein Beispiel am Kollegen Van der Bellen nehmen und nur kurz replizieren auf die Überlegung, die Kollege Graf hier vorgebracht hat, und zwar zum Luxemburger Modell. Es ist schon klar, daß das Luxemburger Modell zwar ein sehr interessantes und durchaus diskutables wäre, aber man muß dazusagen, daß es in Luxemburg keine Wohnbauförderung im Sinne der österreichischen Wohnbauförderung gibt. Ich lade Kollegen Graf ein, wenn er dieses Luxemburger Modell ernsthaft in Diskussion bringen will, daß er auch mit den Ländervertretern, den Landeshauptleuten und den Landeswohnreferenten redet und sie fragt, was ihnen lieber wäre: das Luxem


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burger Modell oder die Wohnbauförderung, wie wir sie in Österreich im klassischen Sinne haben.

Zum zweiten möchte ich einige Bemerkungen insofern machen, als ich meine, daß das, was wir heute hier beschließen, deshalb sehr gut ist, weil – und das wurde noch nicht so deutlich gesagt – vor allem in den Ballungszentren, in den Städten, das Geld für Bausparverträge aufgebracht wird. Und Kollege Stummvoll hat völlig recht: Wir haben rund 5 Millionen Bausparverträge, aber davon stammen rund 3,5 bis 4 Millionen aus den Städten und der Rest aus dem ländlichen Raum. Bisher war es so, daß schwerpunktmäßig im ländlichen Raum mit diesen Krediten Ein- oder Mehrfamilienhäuser, Reihenhausanlagen finanziert wurden, und nunmehr – und das halte ich an diesem Gesetz, das wir heute diskutieren, für eminent wichtig – wird die Möglichkeit eröffnet, daß vor allem auch im Bereich des Mietwohnbaues, des gemeinnützigen Wohnbaues, für Reparaturen, für Mietwohnungen im Altbestand Bausparkredite in Anspruch genommen werden können.

Alle anderen Daten und Zahlen wurden hier schon genannt. Ich bin auch sehr froh darüber, daß die Novelle in dieser Form über die Bühne geht, und ich freue mich, daß ein gemeinsamer Antrag, der im Bautenausschuß auf Anregung der größeren Oppositionspartei zustande kam, zu einer gemeinsamen Lösung und zu einer gemeinsamen Annahme führen wird. Das freut mich wirklich. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.55


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94. Sitzung / Seite 144

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.56

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Geschichte des Bausparens wurde als Erfolgsgeschichte bezeichnet. Ich glaube, wir werden in wenigen Wochen, wahrscheinlich im Dezember, ein historisches Ereignis erleben können, nämlich daß die einmillionste Wohneinheit in Österreich mit Hilfe dieser Bausparmittel mit finanziert werden wird. Das ist ein Ergebnis, das aufgrund jahrelanger Tätigkeit zustande kam, aber es ist ein beachtliches Ergebnis, das man zweifellos auch als besonderen Erfolg in der gesamten Baugeschichte Österreichs bezeichnen muß.

Ich habe mir die bisherigen Ergebnisse des Jahres 1997 herausgesucht, um zu zeigen, wie die Entwicklung auf diesem Gebiet allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres gewesen ist. Es wurden schon in den ersten neun Monaten des Jahres 1997 561 000 neue Bausparverträge abgeschlossen. Das ist eine gewaltige Zahl an neuen Verträgen. Es wurden allein in diesem Jahr bereits an die 30 000 Wohneinheiten über die fünf vorhandenen Bausparinstitute mit finanziert.

Kollege Stummvoll hat darauf hingewiesen, daß Bausparen die beliebteste Sparform geworden ist. Es ist wirklich beachtenswert, daß Bausparen wesentlich intensiver als Sparform genützt wird als Lebensversicherungen, als Sparbücher, als Anleihen, als Investitionsfonds et cetera. Das heißt, all diejenigen, die im Laufe der Jahre immer wieder gesagt haben, man könnte diese Sparform eventuell abschaffen, befinden sich mit ihrer Meinung zweifellos im Gegensatz zur überwiegenden Mehrheit der Österreicher.

Wenn heute alle fünf Parteien einen Abänderungsantrag einbringen und beschließen werden, nehme ich das als Bekenntnis dafür, daß nun alle fünf Fraktionen wirklich ohne Vorbehalte für das Bausparen eintreten. Für mich ist die Geschichte des Bausparens ein Bekenntnis zum Eigentum, ein Bekenntnis zweifellos zur Freude, sich ein eigenes Heim, eine eigene Wohnung zu schaffen. Es handelt sich um eine sehr menschenfreundliche Lösung, und es ist ganz einfach ein Anreiz für Menschen, wenn das Sparen für ein bestimmtes Ziel unterstützt wird. Wenn wir das mit dieser Novelle noch weiter fördern können, glaube ich, dann haben wir einen gemeinsamen positiven Schritt gesetzt. Die Erfolgsstory Bausparen soll auch im nächsten Jahrtausend eine Erfolgsstory bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. Auch für Sie gilt eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

18.59

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Ich mache es ganz kurz. Ich kann mich auch den Ausführungen meiner Vorredner anschließen. Günther Stummvoll hat ja schon die Vorteile mit Statistiken belegt. Herr Präsident Verzetnitsch! Ich kann Ihre Meinung voll übernehmen, möchte nur vielleicht etwas korrigieren: Statistisch gesehen wäre es so, wie Sie sagen, aber daß es zwischen Ost und West unter Umständen Probleme gäbe – hier die "Westis", da die "Ossis" –, das könnte ich von meinem Bundesland nicht sagen. Das Burgenland ist ein Land der Häuselbauer, das möchte ich betonen. Ich möchte aber als Bürgermeister feststellen: Wir setzen heute einen richtigen Schritt, denn sehr viele Jungfamilien bauen sich nicht zuerst ein Haus, sondern nehmen eine Wohnung, eine Genossenschaftswohnung, und wenn nun die Möglichkeit geboten wird, diese mit einem Bauspardarlehen zu finanzieren, dann kann das nur im Sinne der jungen Familien sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste kommt Frau Abgeordnete Frieser zu Wort. Auch für Sie gilt: 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.00

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Da die meisten meiner Vorredner das Hohelied auf die Bausparkassen-Erfolgsstory gesungen haben, lassen Sie mich doch zwei kritische Anmerkungen machen.

Wir haben das Bausparkassengesetz sozusagen dem Bankengesetz unterworfen, allerdings haben wir den Bausparkassen nicht die Möglichkeit gegeben, wie Banken zu agieren. Mein Kritikpunkt ist, daß das Kreditvolumen mit 1,5 Millionen beschränkt ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl. – Das Kreditvolumen! Bitte, genau aufpassen, Herr Kollege Höchtl, ich habe das schon richtig wiedergegeben. – Jeder weiß, daß mit 1,5 Millionen beziehungsweise 1,9 Millionen inklusive der Eigenmittel kein Einfamilienhaus errichtet werden kann. Viele von uns hätten sich gewünscht, daß diese Summe erhöht wird. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Der zweite Kritikpunkt betrifft die Vertragsbedingungen, wiewohl ich weiß, daß wir als Gesetzgeber auf diese Vertragsbedingungen nicht unmittelbar Einfluß nehmen können, aber vielleicht kann man auf die Bausparkassen dahin gehend einwirken, daß sie mehr Flexibilität an den Tag legen, was die Eintragung im Grundbuch betrifft. Die Bausparkassen bestehen in den meisten Fällen auf die Eintragung auf dem ersten Rang. Mehr Flexibilität wäre wünschenswert, und zwar dahin gehend, daß sie auch eine Eintragung auf dem zweiten oder dritten Rang akzeptieren, wenn das noch gerechtfertigt ist.

Der dritte Punkt, der noch verbesserungswürdig wäre – aber das ist eben auch von Bausparkasse zu Bausparkasse verschieden –, ist, daß die Wartezeit bis zur Zuteilung des Kredites häufig eine Zwischenfinanzierung erforderlich macht. Diese Zwischenfinanzierungen schlagen sich natürlich auf das Gesamtbudget dementsprechend nieder.

Ich hoffe, Herr Präsident Verzetnitsch, daß zu Ihnen BürgerInnen kommen und Ihnen diese Vorschläge unterbreiten. Vielleicht ist es dann leichter, Verbesserungsschritte wieder einmal miteinander zu bewältigen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.03

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Hohes Haus! Das Gesetz findet unsere Zustimmung, es geht in die richtige Richtung, und ich habe dem Redebeitrag des Kollegen Van


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94. Sitzung / Seite 145

der Bellen nichts hinzuzufügen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen. – Allgemeine Heiterkeit.)

19.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, weshalb ich die Damen und Herren bitte, jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 900 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen einen Abänderungs- sowie einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Eder, Dr. Stummvoll, Dr. Graf, Dr. Haselsteiner, Dr. Van der Bellen und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag Firlinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 1 § 2 Abs. 1 Ziffer 4 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über die Ziffer 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Der Zusatzantrag der Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen bezieht sich auf § 11 Abs. 1.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Eder, Dr. Stummvoll, Dr. Graf, Dr. Haselsteiner, Dr. Van der Bellen und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffern 10, 12 und 15 des Gesetzentwurfes bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.


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94. Sitzung / Seite 146

4. Punkt

Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt mir nur ein Wahlvorschlag, lautend auf Frau Abgeordnete Ing. Monika Langthaler, vor. Ich werde daher im Sinne des § 66 Abs. 1 der Geschäftsordnung hierüber nicht durch Stimmzettel, sondern durch Erheben von den Sitzen abstimmen lassen.

Ich frage, ob es gegen diese Form der Abstimmung Einwendungen gibt. – Dies ist nicht der Fall. Ich gehe daher so vor.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Vorschlag die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen worden.

Frau Kollegin Langthaler, ich darf Ihnen zu dieser Wahl gratulieren. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 626/A und 627/A eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 3242/J bis 3255/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Freitag, 7. November 1997, um 9 Uhr ein. Die Tagesordnung ist im Saal verteilt worden. Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 19.08 Uhr