Stenographisches Protokoll

70. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 16. April 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

70. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 16. April 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 16. April 1997: 9.01 – 20.37 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden

2. Punkt: Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärung

3. Punkt: Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung

4. Punkt: Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen

5. Punkt: Bauproduktegesetz – BauPG

6. Punkt: Bericht über den Antrag 22/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Solaranlagen für öffentliche Bauten

7. Punkt: Bericht über den Antrag 74/A (E) der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG)

8. Punkt: Bericht über den Antrag 75/A (E) der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I, der BGV II und der BIG

9. Punkt: Bericht über den Antrag 77/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die vorgezogene Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogramms für die Bauwirtschaft

10. Punkt: Bericht über den Antrag 137/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146 (Ennsnahe Trasse)

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70. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 12

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 210/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird, eine Frist bis 14. Mai 1997 zu setzen 31

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 31


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70. Sitzung / Seite 3

Redner:

Mag. Thomas Barmüller 93

Dr. Elisabeth Pittermann 95

Dr. Günther Leiner 96

Mag. Karl Schweitzer 96

Klara Motter 97

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 98

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 99

Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen, dem Außenpolitischen Ausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 152/A (E) betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit den Vertragspartnern des Nordatlantik-Vertrages über einen Beitritt Österreichs zum NATO-Vertrag eine Frist bis 4. Juli 1997 zu setzen 31

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 31


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70. Sitzung / Seite 4

Redner:

Herbert Scheibner 99

Peter Schieder 101

Dr. Andreas Khol 103

Dr. Jörg Haider 104

Hans Helmut Moser 105

Mag. Doris Kammerlander 107

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 108

Antrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi-Azar, Abdul Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigen, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 148

Bekanntgabe 31

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 31


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70. Sitzung / Seite 5

Redner:

Hans Helmut Moser 148

Anton Leikam 151

Günther Platter 152

Dr. Martina Gredler 153

Rudolf Anschober 154

Ablehnung des Antrages 155

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 31

Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen, den Bericht des Gesundheitsausschusses 652 d. B. über die Regierungsvorlage 110 d. B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden, gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Gesundheitsausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 36, 86

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Verfolgung der Mörder von Abdul Rahman Ghassemlou, Fadel Rasoul und Abdullah Ghaderi-Azar in Wien sowie mit dem Entkommen der weiteren Attentäter von Ebergassing gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 155

Bekanntgabe 80

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 80

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 156

Walter Murauer 158

Herbert Scheibner 159

Hans Helmut Moser 161

Mag. Doris Kammerlander 162

Dr. Franz Löschnak 163

Ablehnung des Antrages 164

Antrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortung von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten, insbesondere ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg preiszugeben, erteilt wurden, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 165

Bekanntgabe 92

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 93

Redner:

Rudolf Anschober 165

Mag. Doris Kammerlander 167

Mag. Johann Ewald Stadler 168

Ablehnung des Antrages 170

Unterbrechung der Sitzung 93

Aktuelle Stunde (13.)

Thema: "Moderne Medien im Netz der Fahndungsmethoden"

Redner:

Mag. Thomas Barmüller 12

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 15

Mag. Dr. Heide Schmidt 17

Dr. Johannes Jarolim 18

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 19

Dr. Michael Krüger 20

Mag. Terezija Stoisits 21

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 23

Dr. Martina Gredler 24

Dr. Robert Rada 25

Paul Kiss 26

Dr. Martin Graf 27

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 28

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 12, 104

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit dem Antrag 437/A auf Durchführung einer Gebarungsüberprüfung 170

Ausschüsse

Zuweisungen 29

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (110 d. B.): Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden (652 d. B.) 31

2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (125 d. B.): Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen (653 d. B.) 32

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (147 d. B.): Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung (654 d. B.) 32

Redner:

Dr. Harald Ofner 32

Mag. Walter Guggenberger 36

Klara Motter 38

Dr. Günther Leiner 42

Theresia Haidlmayr 44

Bundesministerin Eleonora Hostasch 48

Dr. Willi Fuhrmann 50

Dr. Alois Pumberger 52

Dr. Erwin Rasinger 55

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 57

Dr. Martina Gredler 58

Heidemaria Onodi 59

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 61

Dr. Alexander Van der Bellen 64

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 66

Dr. Brigitte Povysil 68

Manfred Lackner 71

Mag. Herbert Haupt 72

Günther Platter 75

Mag. Johann Maier 77

Werner Amon 79

Andreas Wabl 80, 86

Dr. Elisabeth Pittermann 83

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (tatsächliche Berichtigung) 85

Dr. Andreas Khol 86, 86

Annahme des Gesetzentwurfes in 652 d. B. 87

Genehmigung der Staatsverträge in 653 und 654 d. B. 88

Beschlußfassungen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 88

Beschlußfassungen im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 88

Entschließungsantrag der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Entkriminalisierung von Cannabis – Ablehnung 40, 87

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend die Legalisierung von Cannabis – Ablehnung 47, 87

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Erforschung und Dokumentation der Bedeutung der Kulturpflanze Hanf – Ablehnung 66, 87

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (127 und Zu 127 d. B.): Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen (655 d. B.) 88

Redner:


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70. Sitzung / Seite 6

Mag. Reinhard Firlinger 88

Ing. Erwin Kaipel 90

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 91

Mag. Thomas Barmüller 108

Dr. Alexander Van der Bellen 109

Paul Kiss 111

Jakob Auer 112

Theresia Haidlmayr (tatsächliche Berichtigung) 113

Mag. Reinhard Firlinger (tatsächliche Berichtigung) 113

Dr. Martin Graf 114

Jakob Auer (tatsächliche Berichtigung) 115

Genehmigung des Staatsvertrages in 655 d. B. 115

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 115

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 115

5. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (148 d. B.): Bauproduktegesetz – BauPG (648 d. B.) 115

Redner:

Matthias Ellmauer 116

Peter Marizzi 117

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 117

Mag. Thomas Barmüller 118

Karl Freund 118

Annahme des Gesetzentwurfes in 648 d. B. 119

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 22/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Solaranlagen für öffentliche Bauten (489 d. B.) 119

7. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 74/A (E) der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) (490 d. B.) 120

8. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 75/A (E) der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I, der BGV II und der BIG (491 d. B.) 120

9. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 77/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die vorgezogene Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogramms für die Bauwirtschaft (492 d. B.) 120

10. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 137/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146 (Ennsnahe Trasse) (493 d. B.) 120

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 120

Karlheinz Kopf 122

Mag. Thomas Barmüller 124

Kurt Eder 128

Ing. Mathias Reichhold 130

Doris Bures 131

Andreas Wabl 133

Franz Riepl 135

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 136

Ing. Erwin Kaipel 137

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 139

Karl Gerfried Müller 140


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70. Sitzung / Seite 7

Hannelore Buder 141

Mag. Herbert Kaufmann 142

Hermann Kröll 144

Mag. Dr. Udo Grollitsch 145

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 489, 490, 491, 492 und 493 d. B. 147

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I und der BGV II – Ablehnung 126, 147

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Gewährleistung der umgehenden Realisierung bereits projektierter Bauvorhaben – Ablehnung 127, 147

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 30

656: Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird

666: Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden

Bericht 30

III-83: Bericht über den Zivildienst und die mit ihm zusammenhängende finanzielle Gebarung für die Jahre 1995 und 1996; BM f. Inneres

Anträge der Abgeordneten

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend die Legalisierung von Cannabis (435/A) (E)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Erforschung und Dokumentation der Bedeutung der Kulturpflanze Hanf (436/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen auf Durchführung einer Prüfung durch den Rechnungshof gemäß § 99 (2) GOG (437/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Einführung eines Ethikunterrichts als Wahlpflichtfach (438/A) (E)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Euro-Informationskampagne und deren Leitung (439/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verdrängung des Verkehrs vom gebührenpflichtigen Straßennetz (2272/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den Aufwand für die Aufnahme von Verkehrsunfällen (2273/J)


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70. Sitzung / Seite 8

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Qualitätsproblem des Innsbrucker Juridikums (2274/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Benachteiligung der Tiroler Gymnasien bei der Stundenzuteilung (2275/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Verdrängung des Verkehrs vom gebührenpflichtigen Straßennetz (2276/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verstoß der Stadtgemeinde Innsbruck gegen das Volksbegehrengesetz (2277/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Wertverlust der Silbermünzen im Zuge der Einführung des Euro (2278/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Steuerprivilegien des ORF gegenüber anderen Wirtschaftsbetrieben (2279/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ungleichbehandlung des ORF im Zusammenhang mit seiner Befreiung von der Zwangskammermitgliedschaft (2280/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Mißstände an der österreichischen Botschaft in Belgrad (2281/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verkäufe von Liegenschaften und Wohnungen (2282/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Daten zu den Folgen des Budgetkonsolidierungsprogramms (2283/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Forstgut Aflenz der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (2284/J)

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Zuteilung der Werteinheiten (2285/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Dienstfreistellungen von öffentlich Bediensteten für Katastrophenfälle (2286/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Installierung von Notrufsäulen vor aufgelassenen Posten (2287/J)

Dr. Michael Spindelegger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "TATblatt"-Inserat in der Zeitschrift der Fakultätsvertretung für Grund- und Integrativwissenschaften (2288/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend aufklärungsbedürftige Mißwirtschaft der ÖH an der Universität Innsbruck (2289/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Auswirkungen des Universitätssparpakets auf die Leopold-Franzens-Universität (2290/J)


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70. Sitzung / Seite 9

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Einreichung von Kinderbetreuungsprojekten gem. § 22 Abs. 1 Z. 3 FAG 1997 (Zuschüsse aus Bundesmitteln) (2291/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend SMA-Projekt Kematen und Genehmigungskriterien des volks- und regionalwirtschaftlichen Nutzens einer Betriebsanlage sowie der Unbedenklichkeit des/der Betreiber/in (2292/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Wiener Kurdenmorde (2293/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wiener Kurdenmorde (2294/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Wiener Kurdenmorde (2295/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Befragung der Kunden und Kundinnen des Landesschulrates für Oberösterreich (2296/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Übungsmunition für die österreichische Gendarmerie (2297/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend ungerechtfertigte Ausbootung der Tiroler Bestbieterfirma Geppert bei der Auftragsvergabe für ein Turbinenprojekt im Bhutan (2298/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend mangelhafte Begründung von Rückforderungsbescheiden des Arbeitsmarktservice (2299/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Förderung der Mitgliederwerbeaktion des Gewerkschaftsbundes durch die Arbeiterkammern (2300/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Neuerungen im Asylverfahren zur Entlastung des VwGH (2301/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend krisenhafte Entwicklung im Kur- und Gesundheitsbereich (2302/J)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Georg Wurmitzer und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Nebenbeschäftigung des Kammeramtsdirektors der Kärntner Arbeiterkammer, Dr. Erwein P. (2227/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (1941/AB zu 1932/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1942/AB zu 1937/J)


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70. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Brigitte Tegischer und Genossen (1943/AB zu 2128/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger und Genossen (1944/AB zu 1985/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (1945/AB zu 1934/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (1946/AB zu 1940/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1947/AB zu 1941/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Irmtraut Karlsson und Genossen (1948/AB zu 1944/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1949/AB zu 1939/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1950/AB zu 1968/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (1951/AB zu 1996/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1952/AB zu 1951/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1953/AB zu 1954/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen (1954/AB zu 2110/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1955/AB zu 1992/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1956/AB zu 1962/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (1957/AB zu 2008/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Stampler und Genossen (1958/AB zu 1982/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Großruck und Genossen (1959/AB zu 2050/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1960/AB zu 2001/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1961/AB zu 2061/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen (1962/AB zu 1974/J)


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70. Sitzung / Seite 11

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen (1963/AB zu 1945/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1964/AB zu 1957/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1965/AB zu 1958/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen (1966/AB zu 2014/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Robert Sigl und Genossen (11/ABM zu 108/M)


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70. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 70. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 69. Sitzung vom 10. April 1997 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Preisinger, Rosenstingl, Dr. Kier, Haigermoser, Schaffenrath, Fink, Gatterer, Dr. Puttinger, Elmecker, Dr. Hlavac, Dr. Salzl, Dr. Partik-Pablé und Dkfm. Holger Bauer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Bundeskanzleramt hat für diese Sitzung folgende Mitteilung über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung eines Regierungsmitgliedes gemacht:

Die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Mag. Barbara Prammer wird durch Bundesminister Dr. Caspar Einem vertreten.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde. Es ist folgendes Thema vorgeschlagen worden:

"Moderne Medien im Netz der Fahndungsmethoden"

Die geschäftsordnungsmäßigen Bestimmungen sind bekannt.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Barmüller mit einer Redezeit von 10 Minuten. Nach ihm wird der Herr Bundesminister für Justiz eine Stellungnahme abgeben. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.03

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben die Aktuelle Stunde unter dieses Thema gestellt, weil wir der Überzeugung sind, daß die Diskussion, die derzeit über die neuen Medien im politischen Feld läuft, sehr einseitig ist.

Es hat in der Vergangenheit einige Beispiele gegeben, die gezeigt haben, daß offensichtlich mit politischer Hysterie auf neue Medien reagiert wird, die – sachlich betrachtet – nicht notwendig ist, und daß insbesondere die wirtschaftliche Dimension, die in den neuen Medien steckt und die diese neuen Medien eröffnen können – ich spreche ja auch ganz konkret vom Internet –, vergessen wird.

Wir meinen daher, daß es notwendig ist, einen Wechsel in der Fokussierung der Diskussion vorzunehmen und zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zu kommen, die notwendig sind, damit auch Österreich auf dem Gebiet der neuen Medien eine entsprechende Stellung erreichen kann.


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Der Umgang der Politik mit den neuen Medien, mit dem Internet konzentriert sich darauf, daß man sagt: Das ist etwas, was überwacht werden muß, das ist etwas, was eingeschränkt werden soll, das ist etwas, was jedenfalls sehr rigoros kontrolliert werden muß! 

Meine Damen und Herren! Wir meinen, daß es falsch ist, sich in diesem Zusammenhang hauptsächlich auf Rasterfahndung und Lauschangriff zu konzentrieren. Es wird noch eine ganz zentrale Frage sein, inwieweit die neuen Medien in diesem Bereich angewandt werden und wie das geschehen soll. Wir meinen, wir sollten in der Diskussion die wirtschaftliche Dimension der neuen Medien in den Vordergrund rücken. – Das ist hier noch nicht wahrgenommen worden. Es gibt mehr Beispiele dafür, daß das nicht nur im Hohen Haus so ist. Auch bei den Sozialpartnern ist es nicht anders, denn auch die Diskussion unter den Sozialpartnern ist keine, die die wirtschaftliche Dimension zum Beispiel des Internets erfaßt hätte.

Denn: Die jüngste Broschüre der Wirtschaftskammer – herausgekommen im März 1997 – ist übertitelt mit: "Aufbruch ins Zeitalter des globalen Wettbewerbs". Sie finden darin, was die Nutzung neuer Informationstechnologien angeht, bloß auf Seite 15 eine einzige Erwähnung, und dort interessanterweise auch bloß den Hinweis darauf, daß es ein Reservierungssystem im Tourismus gebe. – Es ist richtig, daß es das gibt, meine Damen und Herren, aber das ist doch viel zu kurz gegriffen. Das ist doch nicht das, was die neuen Medien im wirtschaftlichen Leben charakterisiert.

Wenn Sie mit Wirtschaftstreibenden eine Diskussion über dieses Thema führen – nehmen Sie etwa HP her; eine Firma, die in diesem Bereich sehr aktiv ist –, dann werden Sie erfahren, daß in diesem Bereich ein proaktives Vorgehen von seiten der Politik verlangt wird. Dieses ist notwendig. Es ist notwendig, daß von seiten der Politik jene Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Unternehmen, die jetzt schon in diesen Bereich vorstoßen, eine gewisse Investitionssicherheit geben.

Ich habe hier eine Grafik (der Redner zeigt diese)  – sie ist auch veröffentlicht worden –, die Ihnen zeigt, wie sich die Zahl der Anschlüsse beim Internet entwickelt hat

Meine Damen und Herren! Schauen Sie sich die Zahlen ab dem Jahr 1995 an – Jänner 1995, Juli 1995, Jänner 1996, Juli 1996, Jänner 1997 –, denn werden Sie sehen, daß man von unter 100 000 Anschlüssen auf bereits nahezu 900 000 Anschlüsse gekommen ist. Meine Damen und Herren! Das ist etwas, was wir in der Diskussion nicht übersehen sollten. Es ist dies ein klarer Hinweis darauf, daß dieser Bereich der Regelungen harrt, die diesen Bereich einer kontinuierlichen und nicht nur einer beschränkenden Entwicklung zuführen sollen, wie das derzeit der Fall ist. (Der Redner gibt den Bundesministern Dr. Michalek und Mag. Schlögl je eine Kopie der Grafik.)  – Damit es nicht heißt, daß die Opposition bei der Information mit der Regierung in gleicher Weise umgeht wie die Regierung bei der Information der Opposition, habe ich es Ihnen gleich jetzt gegeben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Mir liegt es nämlich vor allem daran, meine Damen und Herren, bei dieser Entwicklung auch aufzuzeigen – sie ist bisher sehr stark im privaten Bereich verankert –, daß es für die Unternehmen ein entscheidendes Problem ist, daß wir in Österreich nach wie vor Telekommunikationsgebühren und -entgelte haben, die einer wirklich breiten Nutzung entgegenstehen.

Wir gehen immer wieder den Weg des Vergleichs mit den nordischen Staaten, wir sagen immer wieder, das seien Staaten, die Österreich vergleichbar sind. Aber in Schweden, in Finnland und in Norwegen werden diese Medien in einem viel höheren Maße genutzt. Die Schweden haben aber auch nicht umsonst eine so extrem hohe Dichte an Mobiltelefonnutzung – rund 23 Prozent aller Anschlüsse in Schweden sind Mobiltelefone. In Österreich liegt dieser Wert knapp unter 5 Prozent.

Das ist etwas, was nicht unmittelbar die beiden Minister, die hier auf der Regierungsbank sitzen, angeht, sondern etwas, was den vom Innenressort zum Verkehrsressort gewechselten Minister Einem angeht, der es bis heute nicht zustande gebracht hat, einen neuen Telekommunikationsgesetz-Entwurf dem Parlament zuzuleiten, der sicherstellt, daß wir im Bereich der


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Kommunikationstechnologien Entgelte haben, die es für die Wirtschaft sinnvoll machen, diese Technologien auch wirklich zu nutzen.

Meine Damen und Herren! Letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Es muß auch Vertrauen in die Sicherheit der neuen Medien aufgebaut werden. Auch das ist wieder etwas, was nur mit entsprechender politischer Behandlung möglich ist.

Ich möchte jetzt – jedoch nicht aus plakativen Gründen – auf jenes Beispiel zurückgreifen, das noch vor wenigen Wochen die österreichischen Medien bewegt hat: Es ist zu einer Beschlagnahme von Computer-Equipment eines Providers, also eines Internet-Anbieters, gekommen. Diese Aktion war – das ist unbestritten – überschießend. Und es war dies eine Aktion, meine Damen und Herren, die dem Vertrauen in die neuen Medien nicht förderlich war.

Ich weiß, daß in diesem Zusammenhang von einer Untersuchungsrichterin, die auch im politischen Bereich aktiv ist, offenbar ihr persönlich-politisches Profil in den Vordergrund gestellt wurde und nicht so sehr die sachadäquate Behandlung der Problematik. Denn daß man bei einem Internetanbieter aufgrund einer Anzeige, die im Februar des Vorjahres in Deutschland gemacht wurde und die dann Anfang 1997 nach Österreich gekommen ist, einen Hausdurchsuchungsbefehl erläßt mit dem Auftrag, dort zu beschlagnahmen – dieser Hausdurchsuchungsbefehl wurde am 20. Februar erlassen und am 20 März vollstreckt –, ist schon eigenartig.

Es wurden dann diese Computer von seiten der Exekutive einfach vom Netz genommen durch Ausstecken – nicht etwa durch Abspeichern der Daten oder dergleichen, was der Rechtsverfolgung dienlicher gewesen wäre als die konkrete Vorgangsweise.

Es ist klar, daß gerade auch für Firmen, die darauf vertrauen, daß ihnen Internet-Dienstleistungen zur Verfügung stehen, mit einer solchen Vorgangsweise des Staates gegenüber privaten Wirtschaftstreibenden das Feld nicht wirklich entwickelt werden kann.

Daß dadurch Schäden entstehen, meine Damen und Herren, wird nicht nur behauptet, sondern das ist auch beweisbar. Ich habe nicht lange suchen müssen, um auf jemanden zu stoßen, der, wie er selbst sagt, durch diese "unplanmäßige Außerbetriebnahme der EDV-Anlagen" seines Providers geschädigt wurde. Das ist etwas, was man allenthalben finden kann. – Ich nenne deshalb dieses Beispiel, weil es ein Beispiel aus der Steiermark ist, es betrifft einen Ziviltechniker in Liezen.

Meine Damen und Herren! Sie werden zugestehen, daß Liezen nicht gerade der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Aktivität Österreichs ist. Aber wenn sich dort Unternehmer mit Hilfe neuer Medien einen besseren Zugang zum Markt sichern und Dienstleistungen anbieten, von denen sie wesentlich abhängen, dann sollten doch nicht von seiten des Staates in einer überschießenden, hysterisch anmutenden – ich sage es jetzt so – Form von Rasterfahndung und Lauschangriff – neue Medien, sehr überwachungsbedürftig – diese Dienstleistungen schlicht und einfach gekappt werden, ohne die Leute vorher davon zu informieren.

Sie werden auch zugestehen, daß ein Ziviltechniker aus Liezen, der mit Firmen in Wien und Graz in Verbindung steht, der digitalisierte Pläne macht, diese über das Internet verschickt, darauf vertrauen können muß, daß das auch in Zukunft möglich ist und nicht ohne Vorwarnung einfach abgeschnitten wird, noch dazu durch ein Vorgehen, das der Rechtsverfolgung gar nicht dienlich war.

Das, meine Damen und Herren, sind Maßnahmen, die nicht zielführend sind, die das Vertrauen in die neuen Medien nicht steigern. Die EU-Kommission sagt in einer Mitteilung an den Rat, die mit 27. 11. 1996 datiert ist, folgendes: Ein weiterer Schlüsselfaktor für den Erfolg der Informationsgesellschaft ist ihre soziale Akzeptanz.

Meine Damen und Herren! Wir müssen jene Rahmenbedingungen schaffen, damit diesbezüglich soziale Akzeptanz auch gegeben ist. Wir müssen entscheiden, welche Anpassungen wir im Konsumentenschutzgesetz brauchen, damit beim Handel über das Internet auch Konsumentenschutz gegeben ist. Wir müssen uns überlegen, was gemacht werden muß, damit auch


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finanzielle Transaktionen über das Internet möglich sind. Soll es etwa, so wie es heute das Bankgeheimnis gibt, dann, wenn finanzielle Transaktionen über private Provider abgewickelt werden, so etwas wie ein Providergeheimnis geben?

Wir müssen uns überlegen, meine Damen und Herren, und rechtlich festlegen, inwieweit verschlüsselt werden darf, wie vorzugehen ist, wenn es eine elektronische Unterschrift geben soll. Und wir müssen uns auch überlegen, in welchem Maße neue Medien für die Verwaltung zugänglich sein sollen, wenn es um Bewilligungsverfahren geht, wenn es um An- und Abmeldung bei der Sozialversicherung geht. Da könnten wir eine Menge an Zettelwirtschaft einsparen.

Meine Damen und Herren! Abschließend: Wir reden auch hier im Hohen Hause immer wieder von der Informationsgesellschaft, und es ist unbestritten, daß wir dieser ausgesetzt sind. Aber die Informationsgesellschaft ist keine Herausforderung der Zukunft, meine Damen und Herren, sondern sie ist eine Herausforderung der Gegenwart. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme hat sich der Herr Justizminister zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

9.13

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit den Ausführungen meines Vorredners darin überein, daß sich das Internet in den letzten Jahren als einer der wichtigsten Bausteine für eine globale Informationsgesellschaft und -struktur, aber auch als wesentlicher Katalysator für die Informationsgesellschaft nunmehr auch in Europa etabliert hat. Es ist ein Wirtschaftsbereich entstanden, der eine kraftvolle, schnell wachsende Branche ist.

Zugleich übt das Internet auch einen gewaltigen Einfluß auf das gesellschaftliche Leben und auch auf den kulturellen Bereich aus: Es macht unseren Bürgern zahlreiche Informationen zugänglich, es senkt die Barrieren bei der Beschaffung und bei der Verteilung von Informationsinhalten, und es bietet auch eine neue Ebene zwischenmenschlicher Kommunikation.

Das Internet ist also ein Medium, das neue Chancen bietet, die es wahrzunehmen gilt. Wir dürfen dabei aber nicht übersehen, daß es auch neue Gefahren in sich birgt. So faszinierend die Möglichkeiten einer via Internet vernetzten Welt sein mögen, darf diese Faszination doch nicht dazu verleiten, notwendige Grenzziehungen zu unterlassen. Die Freiheit muß auch in diesem Bereich ihre Grenzen jedenfalls dort finden, wo es um den Schutz des einzelnen und der Gesellschaft vor bedenklichen wirtschaftlichen Praktiken oder gar vor strafbaren Handlungen geht.

Die zunehmende Bedeutung der neuen Medien für unsere Gesellschaft wurden durchaus auch vom Bundesministerium für Justiz erkannt. Uns stellt sich dabei insbesondere die Frage nach einem Anpassungsbedarf beziehungsweise nach einer Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Über eines muß doch wohl Konsens herrschen: Auch hinsichtlich der neuen Medien ist ein Mindestmaß an Regelungen notwendig. Dies bedeutet nicht den Ruf nach einer Zensur des Internets, sondern trägt der Erkenntnis Rechnung, daß bei aller Freiheit der Kommunikation und des Informationsaustausches auch das Internet nicht quasi in einem rechtsfreien Raum existieren darf.

Im Spannungsverhältnis zwischen Informations- und Kommunikationsfreiheit auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsschutz, dem Eigentumsrecht, dem Datenschutz und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit auf der anderen Seite besteht ein im Verfassungsrecht gegründeter Wertekonsens als Rahmen für Printmedien und die briefliche Kommunikation. Diesem Konsens kommt auch in dem neuen Feld Anspruch auf Geltung zu.

Dabei geht es aber auch um die freie Entfaltung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien auf der Grundlage einheitlicher, fairer Rahmenbedingungen. So werden etwa die


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Regelungen hinsichtlich Datenschutz, Datensicherheit, Urheberrecht oder Verbraucherschutz auf ihre Anwendbarkeit nicht zuletzt auch im Rahmen gerichtlicher Verfahren zu prüfen sein. Dabei soll aber keineswegs ein neues Medium mit überschießenden Maßnahmen an die Kandare genommen werden, vielmehr sollen mit Augenmaß gezogene Grenzen vor nicht wünschenswerten wirtschaftlichen Praktiken und kriminellem Mißbrauch schützen.

Daß gerade für das Internet, das schließlich auch die kriminellen Möglichkeiten potenzieren kann, solche Grenzen nicht gelten sollten, läßt sich mit nichts begründen.

Gerade im Zusammenhang mit dem von meinem Vorredner angesprochenen, in den Medien breit, aber völlig einseitig dargestellten Beschlagnahmevorgang, der im übrigen zu einer Erhärtung der Verdachtslage auf Verbreitung von Kinderpornographie geführt hat – Näheres hiezu zu sagen, möchte ich quasi aus kriminaltaktischen Gründen in diesem Stadium des Verfahrens dem Herrn Innenminister überlassen –, wurde die Frage nach einer allfälligen strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Anbieters von Netzwerkdiensten für die Netzwerkinhalte gestellt. Diese läßt sich meines Erachtens durchaus auch aufgrund der bestehenden Bestimmungen befriedigend lösen:

Erhält ein Betreiber Kenntnis davon, daß in seinem Dienst Informationen mit strafgesetzwidrigem Inhalt angeboten werden, und nimmt er dies billigend in Kauf, so verwirklicht er dadurch selbst den entsprechenden Straftatbestand. Eine darüber hinausgehende strafrechtlich sanktionierte Verpflichtung, die Datenbestände im Netz regelmäßig nach strafrechtswidrigen Inhalten zu durchsuchen, wird im Regelfall nicht gegeben sein. Die allenthalben geäußerten Befürchtungen nach einer uferlosen Ausweitung der Haftung von Providern sind daher unbegründet.

Hohes Haus! Die neuen Entwicklungen erkennend, hat die Bundesregierung im Juli 1995 die Arbeitsgruppe "Österreichs Weg in die Informationsgesellschaft" eingesetzt, um sich umfassend mit den Herausforderungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien auseinanderzusetzen. Einer der dabei gebildeten Arbeitskreise war der Frage gewidmet, inwieweit durch die Verbreitung und Anwendung dieser Technologien Schutzlücken entstehen und daher gesetzgeberisches Handeln zur Schaffung spezifischer Vorkehrungen geboten ist.

Bei der Ermittlung eines legislativen Handlungsbedarfes und bei allfälligen zukünftigen legislativen Schritten sind verfassungsrechtliche Aspekte sowie Aspekte des Fernmeldewesens, aber auch – aus der Sicht des Bundesministeriums für Justiz – besonders die Sicherheitsbehörden und die gesetzlichen Grundlagen für deren Einschreiten angesprochen. Zu denken ist dabei etwa an die Festlegung von Mindeststandards für Netzanbieter und Benützer sowie von Sanktionen bei deren Verletzung. Dabei wird einer Selbstkontrolle der Betreiber eine wichtige Aufgabe zuzumessen sein, um bestehende Rechtsvorschriften zu ergänzen und zu ihrer Umsetzung beizutragen. Solche Maßnahmen scheinen mir in weit höherem Maße dazu geeignet zu sein, Mißbräuchen rasch und effizient entgegenzuwirken, als der Einsatz des klassischen Strafrechts, der im grenzüberschreitenden Bereich überdies unvermeidlichen praktischen Schwierigkeiten begegnet.

Aber auch auf dem Gebiet des Zivilrechts gilt es, eine Reihe von Fragen zu lösen, die das Internet als neues Kommunikationsmedium aufwirft. Einige dieser Fragen wurden schon angesprochen. Es geht zum Beispiel um Probleme des Konsumentenschutzes – wir bereiten gegenwärtig die Umsetzung der vom Europäischen Rat bereits verabschiedeten Fernabsatzrichtlinie vor – oder um die Themen elektronische Signatur und Kryptographie in elektronischer Form sowie um Fragen des Vertragsabschlusses via Internet. Österreich verfolgt auf diesem Gebiet mit großer Aufmerksamkeit die Regelungsbestrebungen in anderen Staaten sowie auf internationaler Ebene.

Insgesamt werden – entsprechend den Möglichkeiten im Internet, weltweit Informationen zu erfragen und weiterzugeben – Lösungen dieses Regelungskomplexes nur im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit und in einer international abgestimmten Vorgangsweise gefunden werden können. Österreich hat daher insbesondere die Entwicklungen im Rahmen der Euro


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päischen Union mitzugestalten und im europäischen Kontext vorzugehen. Hierfür wurden bereits wesentliche Vorarbeiten geleistet. So liegt mittlerweile das Grünbuch der Europäischen Kommission über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen Informationsdiensten sowie eine Mitteilung der Europäischen Kommission über illegale und schädigende Inhalte im Internet vor, die derzeit einer eingehenden Erörterung durch die europäischen Gremien unterzogen werden. Österreich hat in diesem Zusammenhang bereits seine Stellungnahme eingebracht.

Meine Damen und Herren! Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien, die zur Herausbildung neuer Medien geführt hat, stellt für die Gesellschaft als Ganzes eine eminente Herausforderung dar. Aufgabe der Zuständigen in allen betroffenen Ressorts wird es daher sein, die weitere technische Entwicklung und die Verbreitung und Anwendung der neuen Technologien im Hinblick auf allenfalls erkennbar werdende Regelungsdefizite zu prüfen. Dabei werden im nationalen Bereich die verschiedenen Kompetenzen zu koordinieren und auf internationaler Ebene Regelungsbestrebungen – zumindest im europäischen Gleichklang – zu forcieren sein. Inhaltlich bekenne ich mich dazu, bei allen Regelungen einen ausgewogenen Weg zwischen dem Laisser-faire eines falsch verstandenen Liberalismus und zensurartigen Reglementierungen zu suchen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. )

9.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

In der jetzt folgenden Debatte beträgt die Redezeit jeweils 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt.

9.25

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Hohes Haus! Ich stimme mit Ihnen, Herr Minister, darin völlig überein, daß es um die Balance geht, einerseits mit Gefährdungen umzugehen und auf der anderen Seite nicht überzuregulieren. Genau das ist der Grund, warum wir dieses Thema heute zum Thema einer Aktuellen Stunde gemacht haben.

Ich möchte nicht nur das Wort "Herausforderung", sondern viel lieber das Wort "Chance" gebrauchen. Wir glauben, daß das Internet und die modernen Kommunikationstechniken eine Chance für die Demokratie sind, eine Chance für eine offene Gesellschaft und für internationale Verständigung. Weil das so ist, ist es notwendig, sich damit auseinanderzusetzen und Ängste abzubauen. Denn wenn ich sage "eine Chance für die Demokratie", so glaube ich auch, daß das Internet für die Kommunikation behördlicher und staatlicher Stellen mit dem Bürger benützt werden sollte, um die Menschen viel mehr in Willensbildungsprozesse insofern einzubinden, als man ihnen Informationen gibt und sie auf diese Weise anregt, an der Demokratie teilzuhaben. Alles, was damit verbunden ist, sollte man als Chance erkennen.

Ich sehe das Internet auch als eine weitere Chance, und zwar insbesondere im Hinblick darauf, daß es sozusagen noch ein weißer Fleck auf der Landkarte der Regelungswut der Parlamentarier ist. Mit "Parlamentarier" sind die Mehrheiten gemeint, die sich zu Regelungen zusammenfinden. Solange dieser "weiße Fleck" noch besteht, ist die Chance da, das richtige Ausmaß zu treffen und vor allem das in den Mittelpunkt zu stellen, was uns Liberalen ein besonderes Anliegen ist: die Grundrechte der Bürger. Bei den modernen Informationstechniken geht es in besonderem Maße um die Privatsphäre und um den Schutz der Grundrechte der Bürger.

Herr Minister! Sie haben hier gesagt, Ihrer Meinung nach würde der Betreiber, wenn er einen strafbaren Tatbestand erkennt, somit den Tatbestand miterfüllen, strafbar zu sein. Das kommt mir so vor, als würden Sie sagen, daß der Briefträger ... (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Michalek. ) Das scheint mir ein zulässiger Vergleich zu sein, wenn Sie den Betreiber strafbar machen wollen für etwas, was über seine Schienen läuft. Sie machen ja auch nicht das Postamt, den Briefträger oder die Post schlechthin strafbar für das, was über ihre Kanäle an Strafbarem passiert. Genau das wäre aber eine Analogie, wenn Sie so vorgehen würden.


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Wenn ich von Grundrechten rede, dann geht es mir in hohem Maße auch um das Klima in einer Gesellschaft. Was Sie mit Meldestellen erreichen wollen, ist nichts anderes, als die anderen dazu aufzurufen, zu vernadern. Sie wollen dem subjektiven Empfinden des einzelnen überlassen, was strafbar ist und was nicht und was seiner Meinung nach vielleicht schon pornographisch sein könnte und was nicht.

Bitte mißverstehen Sie mich nicht: Niemand hier im Hohen Hause würde wohl so platt sein und sagen, ich würde der Pornographie die Mauer machen wollen! Mir geht es darum, zu bestimmen, wer zu entscheiden und zu beurteilen hat, was strafbar ist und was nicht. Das sollte meiner Meinung nach in den Händen der Richter bleiben. So aber, wie Sie vorzugehen gedenken, sieht es aus, als wollten Sie die gesamte Gesellschaft mit einbeziehen. Das wundert mich nicht.

Aber ich habe mich auch deswegen zu Wort gemeldet, weil ich die Gelegenheit auch dazu nützen möchte, neuerlich vor Lauschangriff und Rasterfahndung zu warnen. Mich wundert es nicht, wenn Sie hier alle in Geiselhaft nehmen wollen und sich der Mithilfe der anderen bei der Aufklärung von Straftaten versichern wollen. Sie machen mit dem Lauschangriff und mit der Rasterfahndung – sollten sie tatsächlich so wie geplant kommen – alle Bürger zu potentiellen Tätern. Sie verkehren damit die Unschuldsvermutung. Ich möchte keine Gelegenheit versäumen, das wieder und wieder zu betonen.

Ich habe in den "Salzburger Nachrichten" über die Sorge gelesen, daß künftig auch im Beichtstuhl, bei Anwälten oder in Redaktionen abgehört werden könnte, und gehört, daß der Abgeordnete Khol das nur insofern zurückweist, als er meint, daß man im Beichtstuhl sicher nicht abhören wird. Das erfüllt mich mit Sorge, denn ich weiß, was das für die Redaktionsstuben, für die Anwälte und für alle Berufe, deren Ausübung auf einem Vertrauensgrundsatz basiert, bedeutet. Sie ruinieren den Vertrauensgrundsatz, indem Sie ihn aushöhlen, indem Sie eine Umkehr durchführen und jeden einzelnen Gefahr laufen lassen, abgehört zu werden, wenn er sich mit jemandem bespricht, dem gegenüber sonst Vertrauensschutz bestünde.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend) : Daher appelliere ich, das Internet als Chance für vernünftige Regelungen und die jetzige Aktuelle Stunde als Warnung vor Lauschangriff und Rasterfahndung zu sehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.30

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Ich kann mich in vielen Punkten den Ausführungen meiner Vorredner anschließen. Allerdings möchte ich feststellen, daß bei den beiden Wortmeldungen des Liberalen Forums der Eindruck entstanden ist, daß das Internet mehr oder weniger lediglich dem Schutz des Liberalen Forums anheimgestellt wäre. Es ist gesagt worden, hier würde teilweise eine hysterische Debatte geführt werden und von der Regierung der großen Koalition würde eine Gefährdung des Internets ausgehen. – Dagegen möchte ich mich verwahren. Ich glaube nicht, daß die Diskussion über dieses Thema so zu führen ist. Man sollte vielmehr versuchen, sachlich an dieses Thema heranzugehen, und man sollte nicht durch derartige Ausführungen emotionalisieren.

Kollege Barmüller hat dazu aufgefordert, zu berücksichtigen, daß das Internet eine wirtschaftliche Macht ist und daß man um eine intensive Befassung mit dieser Materie sowie um die Öffnung des österreichischen Marktes für neue Medien kaum herumkommen wird. Dieses Faktum ist sicherlich richtig, doch gilt es, sich auch mit einigen anderen Punkten kritisch auseinanderzusetzen.

Uns allen ist klar, daß wir uns hin zu einer weltweiten Informationsgesellschaft entwickeln, sodaß es absolut notwendig ist, für neue Medien den Markt zu öffnen, uns mittels neuer Medien


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zu informieren, das Bildungswesen danach auszurichten und ein möglichst breites Spektrum an Kommunikation zu eröffnen.

Andererseits kann es dabei, wie bei jedem Medium, auch zu Mißbräuchen kommen. Dazu gehört nicht nur die Kinderpornographie, sondern auch nationalsozialistische Propaganda, die Verherrlichung von Gewalt, üble Nachrede sowie Wettbewerbs- und Urheberrechtsverletzungen. All dies findet immer wieder statt. Dem kann man nicht allein mit dem Wunsch entgegentreten, es zu verhindern, sondern wichtig ist es, vernünftige internationale Regelungen zu finden, mit denen man entsprechende Schranken setzt.

Unter dieser Voraussetzung kann man das, was der Herr Minister gesagt hat, nur unterstreichen. Es zeigt sich in einer Fülle von internationalen Vereinbarungen und Regelungen, daß die Weiterentwicklung vielfach nicht nur im legistischen Bereich stattfindet, sondern auch dort, wo die Betreiber sich selbst einer gewissen Regelung unterwerfen. Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an das Beispiel internationale Zivilluftfahrt. Dort gibt es seit Jahren Versuche, bestehende Haftungsregelungen international zu überarbeiten, und diese sind als freiwillige Regelungen der Luftfahrtbranche selbst wesentlich früher umgesetzt worden, als dies völkerrechtlich möglich gewesen wäre. – Auch im gegenständlichen Fall sollte es möglich sein, daß sich die Provider international zu gewissen Selbstmäßigungsregelungen durchringen, wodurch ein Großteil der tatsächlich bestehenden Probleme und Gefahren von vornherein minimiert werden könnte.

Will man das sachlich diskutieren, so muß man der Öffentlichkeit darlegen, in welcher Form das Internet heute schon weltweit eingesetzt wird. Es ist darauf zu verweisen, daß es insgesamt 70 000 Netze in über 100 Staaten gibt, daß weltweit bereits 40 Millionen Teilnehmer zu verzeichnen sind und daß in den Vereinigten Staaten von Amerika der Umsatz, der aus den Käufen über das Internet erzielt wird, heute schon 7 Milliarden Schilling pro Jahr beträgt. Infolgedessen ist es notwendig, sich damit auseinanderzusetzen – eine entsprechende EU-Richtlinie gibt es bereits –, auf welche Weise Käufe abgewickelt werden, welche Schutzmechanismen es gibt und wie dabei der Konsumentenschutz eingehalten wird.

Hinsichtlich der Frage, ob da ein rechtsfreier Raum besteht oder ob es bereits Regelungen gibt, kann man darauf verweisen, daß es betreffend geheime Daten – E-Mails – bereits eine umfangreiche Regelung gibt, und zwar verfassungsrechtlich durch das Fernmeldegeheimnis, das durch das Staatsgrundgesetz und die Menschenrechtskonvention abgesichert ist, sowie im einfachgesetzlichen Bereich durch Bestimmungen in der Strafprozeßordnung. Der gegenständliche Vorfall hat gezeigt, wie man mit Bestimmungen der Strafprozeßordnung nicht umgehen sollte: beispielsweise eine Fahndung ein Jahr, nachdem ein Antrag gestellt wurde, so durchzuführen, daß einfach der Stecker aus dem EDV-Netz gezogen wird.

Zusammenfassend ersuche ich darum, aus diesem einzelnen Anlaßfall nicht abzuleiten, daß es enormen Regelungsbedarf in einem rechtsleeren Raum gibt. Dem ist nicht so. Es ist sehr wohl ein Instrumentarium auf nationaler Ebene vorhanden, das man entsprechend ausrichten muß. Darüber hinaus muß es international unter Einbeziehung der Provider ebenfalls zu einer Regelung kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.36

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Minister! Hohes Haus! Die zunehmende Bedeutung des Netzes ist unbestritten; das ist heute schon gesagt worden. Mißbrauch, der im Netz passiert, gehört verfolgt, und daher ist es berechtigt, Fahndungsmethoden anzuwenden.

Herr Kollege Barmüller! Ich glaube nicht, daß durch die sachgerechte Anwendung von Fahndungsmethoden das Netz insgesamt gefährdet ist. Ich stimme aber mit Ihnen darin überein, daß die angesprochene Beschlagnahme und Hausdurchsuchung von einer aus meiner


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Sicht sträflichen Unkenntnis der Exekutive und Justiz im Hinblick darauf zeugt, wie man mit solchen Dingen umgeht. (Beifall bei der ÖVP.)

Den Stecker herausziehen ist in der Regel die falsche Variante; das ist das Einmaleins eines Anwenders. Ich wünsche mir, daß sich Exekutive und Justiz ehestmöglich mit den Möglichkeiten des Netzes und der neuen Medien auseinandersetzen, um in der Strafverfolgung und in den Fahndungsmethoden die richtigen Maßnahmen anzuwenden.

Die richtigen Maßnahmen können vielfältiger Natur sein, weil das davon abhängt, ob es sich um geheime oder öffentliche Daten handelt, ob es um Homepages oder Newsgroups geht, die allen oder mehreren Anwendern zugänglich sind, oder ob es um E-Mails geht, für die wir, wie mein Vorredner schon angemerkt hat, Fernmeldegesetz und Briefgeheimnis als Schutzmechanismus haben. Dabei muß anders vorgegangen werden.

Die Fahndung im Netz ist hochproblematisch, weil sie auf österreichische Anwender oder österreichische Provider nicht beschränkt ist, sondern weil sich das Internet durch Internationalität auszeichnet. Fahndungsmethoden können bei österreichischen Providern nur den Provider selbst treffen und greifen nicht, wenn zum Beispiel der österreichische Provider benutzt wird, um Benützer und Konsumenten im Ausland zu erreichen.

Deshalb ist internationale Zusammenarbeit von besonderer Bedeutung. Ich fordere daher Herrn Minister Schlögl auf, zu folgendem Faktum Stellung zu nehmen: Bereits im September vorigen Jahres haben wir eine Entschließung gefaßt, wonach eine zentrale Meldestelle einzurichten gewesen wäre, die Meldungen über Kinderpornographie oder sonstige Straftaten im Internet hätte anzeigen sollen. Es wäre interessant zu wissen, was inzwischen daraus geworden ist und wie viele Fälle bereits eingegangen sind und anschließend zu einer weiteren Verfolgung geführt haben – ausgenommen den genannten Fall, der offensichtlich zwar sehr spektakulär gehandhabt wurde, aber, international gesehen, dem Ansehen unserer Strafverfolgung eher geschadet als genützt hat.

In dieser Aktuellen Stunde muß selbstverständlich die Frage aufgeworfen werden, ob unsere geltende Rechtslage da ausreichend ist. – Ich meine, daß wir mittelfristig nicht umhin können, einige Vorschriften, die wir in Einzelgesetzen haben, durch konkret mit dem Internet befaßte Materien zu ergänzen.

Im Zusammenhang damit möchte ich darauf hinweisen, daß Österreich Fahndungen allein aufgrund des Suchbegriffes nicht zuläßt, weil das ein Erkundungsbeweis wäre, der aber in Österreich verboten ist. Deutschland kennt die Fahndung im Netz aber sehr wohl. Ich meine, daß wir uns in zunehmendem Maße, vor allem dann, wenn das geltende Recht in Strafprozeßordnung, Fernmeldegesetz, Briefgeheimnis, Datenschutz und was immer nicht ausreicht, mit der Frage werden auseinandersetzen müssen, wie wir einen geregelten Zugang zum Netz nicht nur möglich, sondern auch sicher machen können, denn die wirtschaftliche Bedeutung des Netzes ist unbestritten. Daß da der Handlungsbedarf zunehmen wird, ist, glaube ich, unbestritten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.41

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich gehe mit dem Herrn Bundesminister Dr. Michalek völlig konform, wenn er meint, daß wir uns von seiten des Gesetzgebers, aber auch von Regierungsseite her der Problematik der Haftung für Internet-Provider mit größter Behutsamkeit nähern müssen. Schließlich geht es dabei um die Wahrung von Grundrechten: Auf der einen Seite haben wir das Grundrecht auf Informationsfreiheit, das Grundrecht auf Kommunikationsfreiheit, auf der anderen Seite kann die Freiheit, wie Herr Bundesminister Dr. Michalek richtig ausgeführt hat, nicht grenzenlos sein und hat naturgemäß dort ihre Schranken, findet dort ihr Ende, wo in andere


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Grundrechte eingegriffen wird. Das gebietet schon der Grundsatz der Einheit unserer Bundesverfassung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Worte des Herrn Bundesministers Michalek zu dem genannten Kriminalfall richtig interpretiere und in Betracht ziehe, daß der Herr Bundesminister, wie bekannt, dazu neigt, Sachverhalte betreffend ein laufendes Verfahren eher behutsam darzulegen, dann komme ich nicht umhin, festzustellen, daß im konkreten Fall von einer Erhärtung des Verdachts auf Verbreitung von Kinderpornographie die Rede war. Das heißt mit anderen Worten, daß durch die gesetzte Maßnahme sehr wohl der Verdacht auf Verbreitung von Kinderpornographie erhärtet wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mich insbesondere an den Debattenbeiträgen des Liberalen Forums, aber auch an anderen Debattenbeiträgen stört, ist, daß sich zwar alle für den Schutz der Internet-Provider stark machen, daß aber sehr wenig von Jugendschutz und Schutz vor Kinderpornographie die Rede ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ja das wesentliche Element, darum geht es ja hier, das ist der Anlaßfall, nämlich daß eben ein schwerwiegender Fall von Kinderpornographie zu bekämpfen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzgeber darf sich jetzt nicht einfach zurücklehnen, und umso weniger dürfen das die Gerichte mit der Begründung tun: Für den Inhalt dieser modernen Kommunikationsmittel kann es keine Haftung geben! Wenn man es dabei bewenden läßt, wird Kinderpornographie uneingeschränkt zugelassen. Das darf nicht geschehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stellt auch eine klare Verkennung der Gesetzeslage dar, wenn hier die Rede davon ist, daß die Untersuchungsmaßnahme im genannten Fall rechtlich nicht gedeckt war. – Herr Kollege Barmüller, schauen Sie sich einmal die Bestimmungen des Fernmeldegesetzes an! Dort steht, daß der Netzbetreiber alle geeigneten Maßnahmen zu treffen hat, die eine mißbräuchliche Verwendung der Fernmeldeanlage ausschließen. Das heißt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Räumen wir doch einmal mit dem Vorurteil auf, daß wir uns da in einem völlig rechtsfreien Raum befänden! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da gibt es ganz konkrete Schutztatbestände. – Ich verkenne allerdings nicht, daß da – de lege ferenda – Handlungsbedarf besteht.

Blicken wir doch einmal in die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort wird unterschieden zwischen der Haftung der Access-Betreiber und der Haftung der Content-Betreiber beziehungsweise -Provider. Die Access-Provider stellen nur die Telekommunikation zu Verfügung. Da kann man naturgemäß keine schrankenlose Haftung für den Inhalt normieren. Anders ist es aber im Falle der Content-Provider.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sehr wichtig, daß dieses Problem diskutiert wird, aber es ist gänzlich unrichtig, wenn man glaubt, daß sich der Gesetzgeber und auch die Gerichte da völlig zu enthalten haben, nur weil einige Internet-Provider die Muskeln spielen lassen. Dort, wo es um Jugendschutz geht, dort, wo es um Schutz vor Kinderpornographie geht, kann der Sorgfaltsmaßstab nicht hoch genug angelegt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch nicht so, daß wir alle zu kapitulieren haben. Es ist zu überprüfen, ob eine selektive Datensperre gegen die Verbreitung von Kinderpornographie möglich ist. Wenn ein positives Wissen des Providers vorhanden ist, daß Kinderpornographie, daß strafbare Inhalte ausgestrahlt werden, kann sich der Gesetzgeber doch nicht zurückziehen und kapitulieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.46

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobro jutro, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Ich bin ein bißchen


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erstaunt darüber, daß ein an sich so erfolgreicher und intelligenter Rechtsanwalt wie Herr Dr. Krüger hier eine so einseitige und so populistische Kurzansprache an uns gehalten hat. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es ist eigentlich Ihr Geschäft, mit dem Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen, daß Sie Provider, denen man einfach den Stecker rauszieht, als Rechtsanwalt schützen! Und hier machen Sie in meinen Augen – zumindest vom juristischen Standpunkt aus und von Ihrem Beruf her – eine solch jämmerliche Vorstellung. Herr Dr. Krüger, da geht es um freie Meinungsäußerung! (Abg. Dr. Haider: Kollege Krüger versteht mehr als Sie!)

Das ist das Zentrum dieses Falles, den das Liberale Forum zum Anlaß genommen hat, heute darüber zu diskutieren. Es ist doch wirklich unglaublich, wenn Sie irgend jemandem von den Kolleginnen und Kollegen des Nationalrates hier unterstellen wollen, Kinderpornographie zu verteidigen. Um Gottes Willen! Waren Sie nicht anwesend, als wir hier vor zwei Jahren ganz scharfe Maßnahmen gegen Kinderpornographie beschlossen haben, die sich vom damals gültigem Rechtssystem abgehoben haben?

Aber, Herr Dr. Krüger: Kinder schützt man nicht, indem man Stecker von Computern herauszieht. Da sind ganz andere Maßnahmen notwendig, um tatsächlich und effektiv Kinder- und Jugendschutz zu betreiben. Da ist der Nationalrat zum Handeln aufgefordert! Aber das sind zwei Dinge, die parallel geschehen müssen, und das fordern wir auch ein. (Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Ich bin dem Liberalen Forum für diese Initiative dankbar, denn jetzt haben wir Gelegenheit, aufzuzeigen, wie skurril diese ganze Sache ist. Frau Dr. Fekter hat gesagt: Sachgerechte Anwendung beim Vorgehen von Sicherheitsbehörden ist hier gefragt. – Es wäre auch sachgerechtes und intelligentes Vorgehen nicht nur von Sicherheitsbehörden, sondern auch von Justizbehörden gefragt. Zeitungen habe ich entnommen, daß die zuständige Untersuchungsrichterin, die zufällig auch Mitglied dieses Hohen Hauses ist, ein Jahr, nachdem diese Verdachtsmomente aufgetreten sind, diese Maßnahme gesetzt hat. Das scheint mir nicht gerade ein sachgerechtes und effizientes Vorgehen zu sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier geht es um eine Materie, bei welcher das Internet als Massenkommunikationsmittel zu betrachten ist. Das ist etwas – das gebe ich zu –, wo sich sowohl die Behörden als auch die Politikerinnen und Politiker noch ein bißchen sozusagen auf blankem Eis befinden. Das Internet, ein Massenkommunikationsmittel, ist noch nicht in den Köpfen aller drinnen – auch nicht in den Köpfen der Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber.

Daher ist es meiner Ansicht nach ein prioritäres Anliegen, daß wir uns nicht darauf verlassen, daß jetzt das Ministerium oder die Sicherheitsbehörden tätig werden, die ja schon bewiesen haben, daß sie vom Stecker-Herausziehen viel, aber von sachgerechter Anwendung wenig verstehen. Wir hier im Hohen Haus sollten tätig werden und ähnlich handeln, wie wir es vor einigen Jahren beim Komplex Gentechnik gemacht haben, als der Nationalrat eine Enquetekommission eingesetzt hat, die damals wertvolle Vorarbeit dazu geleistet hat.

Wir sollten aktiv werden und uns hier im Hohen Haus mit dieser neuen Herausforderung und mit den neuen Gefahren, die damit verbunden sind, beschäftigen. Uns Grünen geht es auch darum, daß Zensur verhindert wird, denn wir sind der Meinung, daß das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Sicherung des Redaktionsgeheimnisses absolut zu beachten sind.

Auf der anderen Seite entwickeln wir uns in die Richtung, zu sagen: Die Zensur muß in den Händen der Nutzer bleiben. Das könnte eine Richtlinie für das jetzt notwendige Handeln sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Interessant ist diese Sache natürlich auch im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen, zu denen es im Nationalrat und bei den Behörden viel an Aktivitäten gibt, nämlich im Zusammenhang mit Rastern und Lauschen. Wenn es darum geht, die Bürgerinnen und Bürger dem "großen Lauschangriff" auszusetzen, ist die Politik sehr einfallsreich. Da wird ganz intensiv diskutiert, und da kann nichts schnell genug gehen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinderpornographie und Nazipropaganda sind Dinge, die wir extrem ernst nehmen müssen. Aber auch da plädiere ich dafür, coolen Kopf zu bewahren und ....

Präsident Dr. Heinz Fischer: Redezeit bitte!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend) : ... eine sachgerechte Gesetzgebung in die Wege zu leiten. (Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

9.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gelangt der Herr Innenminister. – Bitte, Herr Bundesminister.

9.52

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte versuchen, dieses Problem von einer anderen Seite ein wenig zu beleuchten und auch die Amtshandlungen, die stattgefunden haben, zu verteidigen, weil ich überzeugt davon bin, daß sie zu verteidigen sind und daß die Vorgangsweise sowohl von der Justizbehörde, von der Untersuchungsrichterin als auch von den Sicherheitsorganen korrekt und richtig gewesen ist.

Viele von Ihnen haben ganz richtig festgestellt, daß der Reiz des Internet dessen Vielfalt ist und die immense Datenmenge den hohen Wert des Internet darstellt. Gerade deshalb ist es meiner Meinung nach so dringend notwendig, daß überall dort, wo schwere, strafbare Tatbestände festgestellt werden, die Exekutive im Rahmen ihrer gesetzlichen Vorgaben und im Auftrag der Justizbehörde Gegenmaßnahmen setzt. Das ist gerade in den aktuellen Fällen von Kinderpornographie, aber auch von Rechtsextremismus besonders notwendig. Die von Ihnen, Herr Abgeordneter Barmüller, angesprochene Hausdurchsuchung in Wien, und zwar am 21. Februar 1997, war nicht etwas, was urplötzlich über den betreffenden Provider gekommen ist, sondern etwas, wo vorher viele Kontakte und Gespräche mit den Provider stattgefunden haben; er ist deutlich darauf hingewiesen worden.

Die Amtshandlung der Wirtschaftspolizei wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Gericht gemacht, mit Sachverständigen, die speziell dafür ausgebildet sind. Es hat genaue Vorkehrungen zur Beweissicherung gegeben. Den Vorwurf des Ziehens des Steckers aus der Dose möchte ich entschieden zurückweisen, weil wir dazu gar keine Alternative gehabt hätten, weil es nur durch die Unterbrechung der netzabhängigen Stromzufuhr möglich gewesen ist, daß sensible Daten nicht plötzlich verlorengehen. Diese Gefahr besteht, daß durch entsprechende Befehle das passiert.

Die Sicherheitsbehörde konnte nur so vorgehen, damit nicht notwendiges Beweismaterial vernichtet wird. Die gespeicherten Daten, die gesichert wurden, zeigen ja, daß das Beweismaterial unsere Handlungen, die wir gesetzt haben, rechtfertigt. Es stimmt, was vom Herrn Abgeordneten Krüger gesagt wurde, nämlich daß die Verdachtsmomente bei dieser Amtshandlung mehr als erhärtet wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser jüngste Fall zeigt meiner Meinung nach auch sehr deutlich die Schatten des neuen Mediums Internet auf. Unsere gemeinsame Aufgabe muß es sein, diese Widerwärtigkeiten und Abscheulichkeiten, die zum Teil dort angeboten werden, mit extremer Kraft zu bekämpfen und mit aller Härte der Exekutive sowie mit all unseren Möglichkeiten dagegen aufzutreten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir müssen aber – das sage ich auch ganz offen – gemeinsam mit den Providern darangehen, neue Methoden zu suchen, um strafbare Handlungen im Internet zu verhindern. Ich glaube, daß die Provider auch in Zukunft in die Pflicht genommen und wir gemeinsam ein präventives System erarbeiten werden müssen, um die Schattenseiten des Internets einigermaßen in den Griff zu bekommen. Ich glaube beispielsweise, daß es die Pflicht eines Providers ist, beim Verdacht, daß seine Dienste zu illegalen Handlungen mißbraucht werden, eine zentrale Stelle im Bundesministerium für Inneres sofort zu verständigen.


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Ich glaube auch, daß es notwendig ist, daß ein Provider einen Privaten, der Inhalte veröffentlicht, etwa in Form einer Newsgroup oder über eine Homepage, identifiziert und dafür vorsorgt, daß eine Identifizierung eines solchen Users jederzeit möglich ist. Ich glaube auch, daß der Provider verpflichtet werden sollte, auf Anfragen einer Sicherheitsbehörde künftig entsprechende Auskünfte zu geben. Allerdings muß auch klar sein, daß solche Verpflichtungen letztlich nicht nur den österreichischen Providern, sondern international auferlegt werden müssen. Deshalb werde ich mich auch bemühen, zumindest auf europäischer Ebene in dieser Hinsicht eine Akkordanz in der Vorgangsweise zu erreichen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Frau Abgeordnete Fekter hat auf eine Entschließung des Nationalrates hingewiesen. Ich darf Ihnen mitteilen, daß die geforderte Meldestelle Anfang dieses Jahres im Innenministerium eingerichtet wurde, daß bisher drei konkrete Fälle eingelangt sind, die auch von den Behörden verfolgt wurden. Wir sind auch fündig geworden und haben die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend: Informations- und Meinungsvielfalt sind eine unverzichtbare Voraussetzung für ein demokratisches Land. Ich sehe unsere Aufgabe darin, die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für eine demokratische Nutzung aller Informationsmöglichkeiten zu schaffen. Wir müssen aber die Rechte der Bürger, vor allem auch die der schwächsten in unserer Gesellschaft, schützen. Wir müssen auch im Bereich der neuen Medien gegen Extremismus, Rassismus und Kinderpornographie mit aller Härte und aller Entschlossenheit vorgehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.58

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich eigenartig, daß man Verhandlungsgegenstände in die Wege leitet, um möglicherweise einen kriminellen Vorgang wirklich zu erfassen, und auf der anderen Seite so vorgeht, als würde man noch nie mit diesem neuen Medium gearbeitet haben.

Herr Bundesminister, zur Frage des Stecker-Herausziehens: Ich habe das anders gelernt, als ich meine Ordination auf Computersystem umgestellt habe, und zwar hat man mir gesagt: Immer zuerst Daten sichern und dann den Stecker herausziehen, sollte irgend etwas sein, zum Beispiel eine Überflutung. Das wurde mir damals eingeschärft.

Herr Bundesminister! Zur Not, wenn Sie Angst haben, daß Daten eingegeben werden, damit Informationen verschwinden, entführen Sie doch ganz einfach das Keyboard, dann ist das nicht mehr möglich. (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum.)

Jedenfalls ist es so, daß Sie zumindest vorher die Daten hätten sichern lassen müssen, um ein wirklich umfassendes Bild zu bekommen. So ist es, fürchte ich, so, daß einige brisante Daten abhanden gekommen sind.

Nun etwas, wo ich gerne um Aufklärung bitten würde, Herr Bundesminister Schlögl: Die EDOK hat die Adresse, die Sie gerade erwähnt haben, wo man sich melden kann und wo man seit Anfang dieses Jahres dreimal erfolgreich gewesen ist. Aber das ist eigentlich nur die passive Methode, um der Situation Herr zu werden, wie Sie sich das wünschen würden.

Verwenden Sie doch auch aktive Methoden! Ich nehme an, daß Sie mit drei Mitteilungen innerhalb von vier Monaten wahrscheinlich nicht ausgelastet sind. Vielleicht könnten Sie uns hier aufklärend Informationen zukommen lassen.

Zu den Äußerungen meines Vorredners von der Freiheitlichen Partei möchte ich folgendes sagen: Sie haben das Fernmeldegesetz genannt – und damit ließen Sie eigentlich die Interpretation zu, daß alle Provider, inklusive Post, potentiell strafbar sind, weil das Fernmeldegesetz dermaßen umfassend formuliert ist, daß man alles hineininterpretieren kann. So kann man das


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nicht sehen. Die Provider haben sich, damit sie nicht in den Verdacht kommen, Kinderpornographie verbreiten und unterstützen zu wollen, selbst auferlegt, daß sie Daten und Newsgroups herausselektieren und sich so schützen.

Sie, Herr Abgeordneter, haben in den Raum gestellt, daß Provider an sich eine sehr merkwürdige Personengruppe beziehungsweise Gruppe von Firmen sind ... (Abg. Dr. Krüger: Sie haben mir nicht zugehört!) Es wäre gut, wenn Sie anerkennen würden, daß diese selbst Mechanismen eingeleitet haben, um mancher Probleme – wie zum Beispiel der Kinderpornographie – Herr werden zu können.

Es gibt aber noch ganz andere Probleme. Ich war in den USA und habe mich in der Gore-Gruppe mit neuen Technologien beschäftigt (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger ) , bei denen es eigentlich um den Schutz vor Terrorismus auf Kosten der Daten, die sich im privaten Bereich befinden, geht. Das bedeutet, daß dort die Privatsphäre völlig aufgegeben wird, daß man dieses neue Informationssystem, das in Ländern, in denen man sich nicht einfach frei artikulieren kann, sehr wertvoll ist. Und genau in dem Land, in dem man sich frei artikulieren kann, nämlich in den USA, wird das schön langsam eingeschränkt, kontrolliert und zu einer Vernetzung geführt, in der Leute erfaßt werden, die absolut nichts mit einem kriminellen Tatbestand zu tun haben, sondern ganz ehrenhafte Bürger sind. Diese können sich überhaupt nicht schützen, weil sie selbst nicht darüber informiert werden, daß sie in einer Ringfahndung erfaßt sind. Das ist ein Problem, das wir nicht einmal in Europa in den Griff bekommen – und schon gar nicht über die Informationssysteme, wie sie in Zukunft in Europa geplant sind.

Wir alle wissen, daß eine Überwachung des Systems unmöglich ist. Wir wissen aber auch, daß strafbare Handlungen zu verfolgen sind. Dies soll aber nicht dadurch geschehen, daß jetzt alles, was uns die Freiheit der Technologie ermöglicht, reglementiert wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

10.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte.

10.03

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse diese Debatte verfolgt, vor allem bezüglich der rechtlichen Ansätze, die es geben könnte, um derartige Dinge, die im Internet passieren, zu verhindern. Persönlich bekenne ich mich selbstverständlich zu freien Medien, sehe aber auch die Gefahren – und unterstreiche daher, daß alles unternommen werden muß, um derartige Auswüchse, wie pornographische Darstellungen, extremistische politische Parolen oder Anleitungen zum Bombenbauen, zu verhindern.

Ich möchte aber in diese Debatte nun auch einen anderen Aspekt einbringen. Wir haben bisher versucht, all das über Gesetze in den Griff zu bekommen. Es wird Sie sicherlich nicht verwundern, daß ich als Lehrer Sorge habe, daß sehr viele Kinder, die in ihrem Elternhaus freien Zugang zu solchen Medien haben, die die Möglichkeit haben, im Internet zu surfen, auch ganz unbewußt mit diesen Propagandasachen in Berührung kommen beziehungsweise davon sogar infiziert oder gar begeistert werden können.

Da eröffnet sich eine neue Herausforderung für die österreichische Schule. Es gibt zwar die Unterrichtsfächer Politische Bildung und Medienerziehung, nur scheint mir auf diese neue Technologie noch nicht beziehungsweise viel zuwenig Rücksicht genommen zu werden. Wenn es in bezug auf die Medienerziehung heißt, daß sich diese vornehmlich in der dritten und vierten Schulstufe der Sekundarstufe I mit diesen neuen Technologien auseinandersetzen soll – und dies vornehmlich in den Unterrichtsgegenständen Deutsch und Bildnerische Erziehung –, so möchte ich diese Fächer nicht abwerten, aber das scheint mir ganz einfach zu wenig zu sein, um diese Gefahren aufarbeiten zu können. Gefahren zu erkennen, das soll jetzt nicht heißen, daß wir zu einem neuen "Maschinenstürmerzeitalter" kommen. – Das Beispiel mit dem Stecker-Herausziehen wurde heute ja schon mehrmals strapaziert.


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Es ist wichtig, die Jugend darauf vorzubereiten, mit diesen Gefahren umgehen zu lernen. Die Sorgfaltspflicht muß für alle Betreiber an die erste Stelle gereiht werden. Da gebe ich all jenen Vorrednern, die das gefordert haben, hundertprozentig recht. Wir dürfen nicht so tun, als handle es sich hiebei um eine Kleinigkeit. Wir dürfen das nicht verharmlosen. Wir müssen die Jugend darauf vorbereiten. Ich könnte mir daher vorstellen – wir haben aber dafür heute nicht die richtigen Ansprechpartner auf der Regierungsbank –, daß Medienerziehung und politische Bildung verstärkt auf diese Problemfelder ausgerichtet werden. Es ist noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten – und daraus muß ein klarer, neuer Auftrag auch für die Schule formuliert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

10.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

10.07

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren Minister! Hohes Haus! Diese Aktuelle Stunde, deren Thema vom Liberalen Forum vorgeschlagen wurde, insbesondere die Ausführungen der Klubobfrau des Liberalen Forums, gibt uns die Möglichkeit, die Position der ÖVP zu den modernen Fahndungsmethoden miteinzubringen. Ich bin Ihnen dafür dankbar, Frau Dr. Schmidt, weil es auch so etwas Ähnliches wie eine Bilanz ist. Es ist mir wichtig, daß Sie als Klubobfrau einmal mehr im Plenum Ihre Sorgen um den Lauschangriff und letztlich auch die Probleme, die Sie damit haben, bekunden. Ich akzeptiere das.

Genauso haben wir aber in der Vergangenheit immer wieder unmißverständlich die glasklare Position der ÖVP deponiert: Die ÖVP war in der Vergangenheit, ist es jetzt und wir wird es auch in Zukunft sein, eine Partei, die ganz massiv diese Fahndungsmethoden für unsere Exekutive gefordert hat beziehungsweise fordert, und zwar immer auch in Zusammenarbeit mit der Justiz. Wir haben unsere Meinung nicht geändert, wir bleiben dabei, und wir wissen, daß wir damit den richtigen Weg gehen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Ich verstehe schon, Frau Klubobfrau Schmidt, daß Sie sich sorgen, was nun mit dem Beichtgeheimnis geschieht, ob es hiebei nicht bestimmte Ausnahmeregelungen – möglicherweise gar für die Kirchen – geben könnte. (Abg. Dr. Haselsteiner: Diese Sorge sollten Sie haben! Sie gehen ja beichten!) Daß Sie Probleme mit den Kirchen haben – sowohl mit der katholischen als auch mit der evangelischen –, ist ja ganz offensichtlich. Sie sagen doch unter anderem auch: Weg mit dem Religionsunterricht, her mit dem Ethikunterricht! Wir aber sagen: Der Religionsunterricht ist ein Pfeiler unserer christlichen Gesellschaft, unseres christlichen Abendlandes, der bleiben muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie, Frau Kollegin Schmidt, sagen unter anderem auch: Weg mit den Kreuzen, die an den Wänden hängen, aus den Schulklassen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller.  – Abg. Dr. Haselsteiner: Gehen Sie mal beichten! Sie beichten, wir lauschen! Gehen Sie zuerst zum Khol beichten!) Wir sagen: Die Kreuze sind in unserem Lande ein identitätsstiftendes Symbol; sie haben zu bleiben! (Beifall bei der ÖVP.)

Weil wir uns dieser Verantwortung bewußt sind, haben sich auf Ebene der Spitzen der Koalition die beiden Herren Minister Schlögl und Michalek, die Klubobleute Khol und Kostelka, die Justizsprecher und die Sicherheitssprecher zusammengesetzt, um über neue Fahndungsmethoden zu beraten. Frau Kollegin Schmidt, ich darf Sie beruhigen: Ein Abhören von Gesprächen in Beichtstühlen (Abg. Dr. Haselsteiner: Wird es nicht geben!) , jawohl, wird es nicht geben. Darauf können Sie sich verlassen! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie, Herr Kollege Haselsteiner, zeigen sich in dieser Angelegenheit eher belustigt. Dieses Verhalten dokumentiert für mich nur, daß Sie damit insistieren wollen; daß es Ihnen völlig egal ist, ob es die katholische Kirche gibt oder nicht oder was die katholische und die evangelische Kirche zu verkünden haben beziehungsweise nicht zu verkünden haben. Sie wollen mit dem, was Sie einbringen, lediglich eine Auflösung dieser unserer Werte erreichen. Und dagegen verwahren wir uns, dagegen sprechen wir uns aus! (Beifall bei der ÖVP.)


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Sie interpretieren "liberal" auf eine Art und Weise, mit der wir uns nie identifizieren können. (Zwischenrufe der Abgeordneten. Mag. Barmüller und Dr. Petrovic. ) Aber es ist Ihr gutes Recht, das zu tun. – Seien Sie versichert, daß wir immer die Verfassung und das Völkerrecht im Auge haben, wenn es um das sensible Thema Beichtgeheimnis geht. (Abg. Mag. Barmüller: Was ist mit den Grundrechten? Gehören die auch zur Verfassung?) Wir wissen, daß das Beichtgeheimnis durch die Verfassung gesichert ist, wir wissen, daß es durch das Völkerrecht gesichert ist, und wir wissen, daß es durch vertragliche Bestimmungen – Konkordat mit dem Vatikan – so abgesichert ist, daß wir auch die entsprechenden rechtlichen Maßnahmen setzen werden. (Abg. Dr. Petrovic: Nur das Beichtgeheimnis? Das ist wenig!) Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt also zusammenfassend: Die Regierung ist sich dessen bewußt, daß wir in bezug auf die Fahndungsmethoden einen Weg zu gehen haben, der nicht leicht ist. Wir gehen ihn aber. Die Regierung ist sich dessen bewußt, daß wir genau in jenen Bereichen, die zum Beispiel das Beichtgeheimnis betreffen, das tun, was die gläubige Bevölkerung, was das Christentum, was das uns auferlegte Gebot verlangt. (Beifall bei der ÖVP.)

10.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

10.12

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Minister! Die heutige Debatte gibt uns Gelegenheit, die Verbreitung pornographischer Materialien im Internet zu beleuchten. Man hört hier im Hohen Haus immer wieder die Beschwörung, daß es sich hiebei um ein "neues Medium" handle. Ich bin seit 1994 hier im Hohen Haus – und seit 1994 behandeln wir dieses Thema "neues Medium". Es ist nicht mehr neu, und wir haben uns diesbezüglich darüber schon sehr oft und eingehend in diesem Haus unterhalten und auch gesetzliche Maßnahmen gesetzt. (Abg. Mag. Barmüller: Die Bundesregierung macht nichts!)

Ich möchte nur daran erinnern, daß auch mit Zustimmung des Liberalen Forums im Jahre 1994 der § 207a im Strafgesetzbuch eingeführt wurde, sodaß eben die bildliche Darstellung von Kinderpornographie bestraft wird. Nicht nur die Herstellung beziehungsweise die Verbreitung wird bestraft, sondern auch derjenige, der das einführt, befördert, ausführt oder einem anderen anbietet, verschafft, überläßt, vorführt oder sonst zugänglich macht. Dieser Tatbestand ist nun einmal ein Faktum.

Wenn den Behörden erhärtete Verdachtsmomente vorliegen und diesbezüglich Anträge gestellt werden, dann hat auch ein Untersuchungsrichter nicht nur die moralische, sondern auch die gesetzliche Verpflichtung, diesbezüglich Verfolgungsmaßnahmen einzuleiten. Ich sehe da überhaupt keine Verfehlung, auch wenn man daraus politisches Kleingeld zu schlagen versucht.

In der Vergangenheit hat uns immer wieder der Tatbestand Kinderpornographie beschäftigt. Hinzugekommen ist, daß wir eben in diesem § 207a StGB im Jahre 1996 strengere Strafen vorgesehen haben, und dies war ganz einfach notwendig.

Ich kann mich auch daran erinnern – und das ist nicht einmal ein halbes Jahr her –, daß ein Dringlicher Antrag der ÖVP, und zwar am 19. September 1996, hier im Hohen Haus behandelt wurde. Im Zuge dieser Debatte kam es auch zu einem Entschließungsantrag, der von allen Parteien unterstützt wurde. Ich möchte Ihnen diesen in Erinnerung rufen: Es wurde beschlossen, daß der Bundesminister für Inneres ersucht wird, im Bereich der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit eine zentrale Meldestelle einzurichten, die Hinweise darauf entgegennimmt, daß über das Internet Daten zur Begehung oder Förderung krimineller Handlungen angeboten werden.

Wie wir hörten, ist diese Stelle eingerichtet worden. Es gehen dort auch Informationen und Verdächtigungen ein. Sie, Frau Abgeordnete Schmidt, sagen nun plötzlich, Sie möchten nichts mit Vernaderertum zu tun haben. Dann hätten Sie bitte damals diese Entschließung nicht mittragen dürfen! Es ist selbstverständlich, daß man der zuständigen Behörde auch alle Informationen zugänglich macht.


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70. Sitzung / Seite 28

Der zweite Punkt, der auch von allen Fraktionen unterstützt wurde, aber bis heute einer Erledigung harrt, ist viel wichtiger. In diesem wurde der Bundesminister für Inneres ersucht, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst eine bundesgesetzliche Regelung vorzubereiten, die es den Sicherheitsbehörden ermöglicht, Providern aufzutragen, den Zugriff auf solche Daten zu unterbinden. – Das war, wie gesagt, eine Willensäußerung des ganzen Hauses. Eine solche Regelung gibt es aber bis heute nicht. Ich hoffe, das wird uns bald zugänglich gemacht über die entsprechenden Ministerien – und dann werden wir darüber zu diskutieren haben, wie man die Zugriffsmöglichkeiten in solchen Angelegenheiten sinnvoll beschränkt.

Einige Gedankenanstöße meinerseits zur Aussage des Kollegen Barmüller, daß in diesem Zusammenhang eine Menge zu überlegen sei. Ich glaube, es gibt einige hundert Gruppen weltweit, die negatives Material – seien es Kinderpornos, Darstellungen von Gewalt oder Extremismus – verbreiten und anbieten. Das heißt, als Nutzer im Internet weiß man, wo man suchen muß, wenn man solches Material haben will. Der Provider hat selbstverständlich auch die Möglichkeit, diese Gruppen nicht nur über seinen Rechner verfügbar zu machen, sondern er kann selbstverständlich auch heute schon, wenn er sich technisch auskennt, so vorgehen, daß Dinge dieser Gruppen, die er dem Namen nach kennt – das darf nicht vergessen werden –, nicht auf seinem Server gelesen werden können. Ich meine, da ist die Situation eindeutig; man braucht da wirklich nicht herumzureden. Wenn es um solche Dinge geht, muß man diese Möglichkeiten eben nutzen.

Weiters müßte es meines Erachtens eine gesetzliche Verpflichtung geben, daß der Provider nur einer geschlossen Benutzergruppe, daß heißt definierten Leuten, Zugriff auf pornographisches Material ermöglicht. Dann kann er stichprobenweise – diese Möglichkeit muß man auch dem Provider geben – das Alter derjenigen kontrollieren, die solche Dinge abrufen. Auch beim Provider wird gespeichert, wer Daten abruft. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Eine solche Regelung kann jeder Provider treffen, und er sollte das bereits tun. Das heißt, ein Provider ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit zu beachten.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend) : ... sollte auch seine Kunden kennen. Wir müssen ihm die gesetzliche Handhabe dazu geben, wenn der Kampf gegen die Kinderpornographie gewonnen werden soll. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Letzte Rednerin hiezu ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

10.17

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Verehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, was die meiner Meinung nach sehr wichtige Debatte über die neuen Medien und notwendige Schutz- und Kontrollmechanismen an ideologischen Blüten hervorbringt: Zwischen Beichtstuhl und einer momentan wieder sehr heftig aufflackernden Sorge um unsere Kinder ist hier alles anzutreffen. Ich vermisse aber eine wirklich fachlich-sachliche Debatte.

Ich teile die Meinung des Herrn Justizministers, daß bei den neuen Medien ein Mindestmaß an Regelungen erforderlich ist. Aber genau das ist die Frage. Was ist dieses Mindestmaß, und welche Inhalte sollen diese Regelungen haben? Man redet über die negativen Auswüchse des Internet – es war hier zum Beispiel sehr viel von Kinderpornographie die Rede –, und selbstverständlich wagt niemand, in irgendeiner Art und Weise derartigen Darstellungen im Internet das Wort zu reden, ich vermisse aber die scharfe Zurückweisung der quantitativ wirklich beträchtlichen braunen Ergüsse im Internet, die Nazipropaganda, die betrieben wird, die Rekrutierung junger Menschen zu verbrecherischen Zwecken und Zielen.

Ich vermisse weiters seitens derer, die jetzt so besorgt darüber sind, was das Internet den armen Kindern antun kann, soziales Engagement in vielen Bereichen, und ich vermisse auch die Bereitschaft, dafür Geld zur Verfügung zu stellen.


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70. Sitzung / Seite 29

Wie schaut es denn mit Frauenhäusern und Kinderhäusern aus? Wie schaut es denn mit einem modernen Scheidungsrecht aus, das den Frauen die Möglichkeit gibt, der Gewalt auch in anderen Bereichen zu entrinnen? Nun plötzlich die großen Schutzmöglichkeiten bloß im Internet zu orten, das scheint doch wirklich sehr wenig zu sein.

Meine Damen und Herren! Es geht aber um viel mehr. Wenn nun in diesem Haus der Abgeordnete Kiss einmal mehr die Gelegenheit ergreift, um heftig für Rasterfahndung und ähnliche Fahndungsmethoden polizeistaatlicher Art zu werben, dann muß ich ihn schon fragen, wie sehr er bestrebt war, daß strafrechtliche Taten in der Vergangenheit mit konventionellen Methoden aufgeklärt werden.

Wir erleben gerade jetzt eine Debatte rund um das "Mykonos"-Urteil in Deutschland, in der auch Fragen in bezug auf die österreichische Politik und die österreichischen Sicherheitsbehörden aufgeworfen werden. Sind Sie bereit, diese Fragen zu klären – oder werden neue Fahndungsmethoden eingeführt, bevor geklärt ist, ob die Polizei überhaupt willens ist, sich allerorts ernsthaft der Verbrechensbekämpfung zu widmen? Wenn mutmaßliche Mörder ganz einfach das Land verlassen konnten, dann frage ich, wie es um die konventionellen Fahndungsmethoden und die Bereitschaft, diese auszuschöpfen, steht.

Ein weiteres Beispiel wären die Ermittlungen in den diversen Briefbombenserien. Allein meine Erfahrungen würden mittlerweile ausreichen, ein Buch über Fahndungs-Pannen und ähnliches zu schreiben. Es wurde dabei nämlich alles andere als professionell agiert. Ich frage mich, wem das nutzt und ob das Ganze nicht Methode hat.

Meine Damen und Herren! Wir sollten, wenn es um ein Mindestmaß an Regelungen für das Internet geht, meiner Ansicht nach von einigen Prinzipien ausgehen:

Erstens: die Wahrung bestehender Grundrechte. Ich behaupte sogar, wir benötigen neue, zusätzliche Grundrechte. Es geht doch dabei nicht um den Beichtstuhl, sondern um die BürgerInnenrechte in unserem Land, die mittlerweile massiv bedroht sind und die man nicht auf das Beichtgeheimnis beschränken kann, denn das wären armselige BürgerInnenrechte. (Beifall der Abgeordneten Dr. Gredler und Mag. Barmülle r. )

Zweitens: Wir müssen nach der Angemessenheit von Schutz- und Kontrollmechanismen fragen und danach, wen man allenfalls deliktisch zur Verantwortung ziehen kann. Wenn man die Provider angreift und die Primitivmethode des Stecker-Herausziehens praktiziert, dann kommt mir das so vor, als würde man in irgendeinem Unternehmen den Chef (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) oder einen Generalunternehmer konkret für irgendwelche Taten irgendwo an irgendeiner Stelle des Betriebes verantwortlich machen.

Ich denke, daß auch wir in diesem Haus mehr Sachverstand in dieser Materie brauchen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Ich rege daher dringend an, daß wir uns im Rahmen einer permanenten Enquetekommission schleunigst mit der Frage eines effizienten Schutzes – ohne Einschränkung der Grundrechte – befassen. (Beifall bei den Grünen.)

10.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist die heutige Aktuelle Stunde beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

 


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70. Sitzung / Seite 30

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2272/J bis 2281/J.

Zurückziehung: 2227/J.

2. Anfragebeantwortungen schriftlicher Anfragen: 1941/AB bis 1966/AB.

Anfragebeantwortung einer mündlichen Anfrage: 11/ABM.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird (656 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (666 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 434/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird;

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 432/A (E) der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Verlängerung der Österreichischen Nationalinitiative Wald – Dritte Welt;

Bautenausschuß:

Antrag 431/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird;

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 433/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Aufforderung an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr zur Evaluation der Zeitgemäßheit der Universitätsberechtigungsverordnung;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Bericht des Bundesministers für Inneres über den Zivildienst und die mit ihm zusammenhängende finanzielle Gebarung für die Jahre 1995 und 1996 (III-83 der Beilagen).

*****

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 3 sowie 6 bis 10 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen.


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70. Sitzung / Seite 31

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich mitteilen, daß ein Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über den Antrag der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen vorliegt, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 210/A der Abgeordneten Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird, eine Frist bis zum 14. Mai 1997 zu setzen.

Weiters liegt ein Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über den Antrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen vor, dem Außenpolitischen Ausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 152/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit den Vertragspartnern des Nordatlantik-Vertrages über einen Beitritt Österreichs zum NATO-Vertrag eine Frist bis zum 4. Juli 1997 zu setzen.

Da eine Dringliche Anfrage in der heutigen Sitzung nicht eingebracht wurde, werden die erwähnten Verlangen auf Durchführung von kurzen Debatten in der Reihenfolge, in der ich sie aufgezählt habe, gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung um 15 Uhr aufgerufen und verhandelt werden. Die Abstimmung über den jeweiligen Fristsetzungsantrag wird unmittelbar im Anschluß an die Debatte erfolgen.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der politischen Verantwortung der Bundesregierung sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahmen durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Morden am 13. Juli 1989 einzusetzen.

In diesem Zusammenhang liegt das von fünf Abgeordneten im Sinne der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung der heutigen Sitzung statt.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nunmehr gehen wir in die Tagesordnung ein. In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über folgendes erzielt: Demgemäß soll für alle Debatten eine Gesamtredezeit von acht "Wiener Stunden" vorgesehen werden, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten. Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit sind diese Redezeiten einstimmig beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (110 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden (652 der Beilagen)


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2. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (125 der Beilagen): Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen (653 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (147 der Beilagen): Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung (654 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung. Über diese wird die Debatte unter einem durchgeführt.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor. Daher findet sie auch nicht statt.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Als erster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Ofner zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. Als freiwillige Redezeit wurden mir 15 Minuten vorgeschlagen. (Abg. Dr. Ofner: Hoffentlich kann ich sie einhalten!) Dann stelle ich zur Sicherheit die Uhr gleich auf 20 Minuten ein.

10.28

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Suchtgift: Wie stellt sich die Situation diesbezüglich in Österreich 1997 dar?

Der Markt ist mit Heroin überschwemmt – so billig, so rein und damit so gefährlich wie niemals zuvor, denn seit der Öffnung der Ostgrenzen kommen alle Drogen auf viel kürzeren Wegen zu uns. Die Zentralen befinden sich nicht mehr in anderen Erdteilen, sondern ein paar Dutzend Kilometer von Wien entfernt, etwa in Preßburg.

Zusätzlich zu den "klassischen" Drogen Heroin, Kokain und ähnlichem gibt es auf dem Markt immer mehr, immer neue und immer gefährlichere Modedrogen, die die Fachleute kaum dem Namen nach kennen, geschweige denn deren Vertrieb auch nur ansatzweise unter Kontrolle hätten.

Die Zahl der Süchtigen steigt, und zwar radikal. Die Betroffenen werden immer jünger. Man hätte vor ein paar Jahren nicht geglaubt, daß das überhaupt noch möglich ist, aber es werden nun im Drogengeschäft nicht nur Jugendliche, sondern immer mehr Kinder dazu gebracht, suchtgiftabhängig zu werden.

Wenn man vor einigen Jahren in einer Kleinstadt Schüler gefragt hat, an welchen Schulen es Drogen gäbe, waren die alle durchaus in der Lage, diese aufzuzählen. – Wenn man sie heute fragt, dann verstehen sie die Frage nicht und sagen: "Überall!" Überall kann man, wenn nicht an, dann vor der Schule oder im Zusammenhang mit dem Schulbesuch zu Drogen kommen. Man hat, wenn man Kinder und Enkelkinder hat, wirklich Angst davor, was denen alles passieren kann, wenn sie in dieses gefährliche Alter kommen.

Ich selbst habe drei Kinder. Ich habe dem Herrgott gedankt, als altersmäßig die kritische Phase vorüber war. Nun habe ich zwei kleine Enkelkinder und mache mir jetzt schon Sorgen, was passieren wird, wenn sie etwas älter sein werden. Ich weiß, daß ich zwar – wie alle Großväter – die schönsten und die gescheitesten Enkelkinder habe, aber es haben wahrscheinlich alle Großväter ähnliche Sorgen.

Seit Wochen werden die Medien von Berichten über die Aufdeckung einer Drogenszene unter Prominenten beherrscht. Es enttäuscht mich ein wenig, daß die teilweise klangvollen Namen der betreffenden Personen nicht aufscheinen. Sie werden ganz verschämt geheimgehalten. Meiner


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Ansicht nach ist da Rücksichtnahme fehl am Platz. Der Fall wird mit dem Mantel des Geheimnisvollen umhüllt und bekommt damit fast einen positiven Anstrich. Meine Damen und Herren! Man müßte da einmal vehementer vorgehen und die Dinge auf den Tisch legen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Wiener Tageszeitung – es ist der "Kurier" – titelt auf der ersten Seite: "Wien: 1,7 Tonnen Heroin pro Jahr!" Da erübrigt sich wohl jeder Kommentar. 1,7 Tonnen Heroin pro Jahr! Welches Elend das für die Opfer und ihre Angehörigen bedeutet, muß ich vor diesem Gremium nicht näher erläutern. Mit anderen Worten: Die Verantwortlichen haben die Drogenproblematik nicht im mindesten im Griff! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor diesem Hintergrund soll nun das alte Suchtgiftgesetz fallen, ein Gesetz, das etwa ein Dutzend Jahre lang seine Aufgabe – in mancher Hinsicht tauglich, in anderer, darauf werde ich zu sprechen kommen, nicht tauglich – erfüllt hat. Es ist kein Zufall – davon bin ich überzeugt –, sondern ein Signal in die völlig falschen Richtung, wenn die neue Vorlage nicht aus dem Justizministerium, wo diese Materie traditionell angesiedelt ist, sondern aus dem Gesundheitsministerium stammt, wenn sie nicht im Justizausschuß, sondern im Gesundheitsausschuß ver- und behandelt wurde. Es handelt sich dabei um einen, eigentlich um den gefährlichsten Sektor der Schwerstkriminalität. Die Strafdrohung für die schwersten Drogendelikte ist mit dem Gesetz, das jetzt abgeschafft werden soll, verdoppelt worden, sie ist von zehn auf 20 Jahre angehoben worden.

Es geht aber nicht nur darum, daß Schwerstkriminalität legistisch betreut werden muß, sondern auch darum, daß man – neben der Drogenkriminalität im engeren Sinne – die Beschaffungskriminalität nicht übersehen darf. Ein sehr hoher Prozentsatz der Eigentumskriminalität im Lande – Fachleute schätzen ihn auf 25 Prozent! –, vom Ladendiebstahl bis zum Raub, ist als Beschaffungskriminalität im Drogenbereich einzustufen. Meine Damen und Herren! Solch ein Gesetz, Schwerstkriminalität in großem Umfang, wird im Gesundheitsausschuß behandelt, weil es aus dem Gesundheitsministerium stammt! Das ist ein Trompetenstoß in die völlig falsche Richtung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber das paßt alles zur Atmosphäre der romantisierenden Verniedlichung, die wir Freiheitlichen bei vielen Verantwortlichen – beileibe nicht bei allen – in diesem Zusammenhang erleben. Und es paßt dazu, daß diese Vorlage im Ausschuß, nämlich noch dazu im unzuständigen Gesundheitsausschuß, in einer einzigen Sitzung durchgepeitscht wurde. Die Anträge der Oppositionsparteien auf Einsetzung eines Unterausschusses sowie der Antrag der Freiheitlichen, in diesem Unterausschuß Experten aus der Praxis zu hören, Fachleute der Polizei, der Erhebungsabteilungen der Gendarmerie, der Staatsanwaltschaft und aus dem Bereich der Drogenrichter, sind abgeschmettert worden, und zwar mit dem "Argument", daß das alles schon so lange liege und man sich nicht auch noch mit Fachleuten aufhalten könne. Aber wo ist es denn gelegen? Vielleicht im Parlament, vielleicht im Ausschuß? – Nein, im Schoß der Regierung! Es dann auch noch in nur zwei oder drei Stunden abzuhandeln, so, als wäre das ein Bagatellgesetz, erachte ich für skandalös, und ich werde einen Antrag in diesem Zusammenhang stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Alles läuft unter der Überschrift "Therapie statt Strafe". – Das klingt gut, ist aber beileibe nicht neu. Auch das noch geltende Gesetz ist unter dieser Prämisse erfunden worden, und zwar während der Zeit der kleinen Koalition. Ich habe als damals zuständiger Minister – es war noch keine Rede vom Gesundheitsminister als für schwere Kriminalitätsmaterie Zuständigem – versucht, zwischen den armen Teufeln, die selber süchtig sind und dealen, um ihren Bedarf zu decken, und den kalten Tätern, die nicht selber an der Nadel hängen und trotzdem ihre Geschäfte machen, zu unterscheiden. Das wurde damals unter dem Titel "Die beiden H" vorgebracht, nämlich "H" für Härte bei jenen, bei denen Hopfen und Malz verloren ist, und "H" für Hilfe, nämlich für diejenigen, denen man noch helfen kann. Wir haben aber in den zwölf Jahren, die seither vergangen sind, erkennen müssen: Das System der beiden "H" oder, wie man es jetzt nennt, "Therapie statt Strafe", funktioniert einfach nicht. – Leider, möchte ich hinzufügen. Aber es funktioniert einfach nicht!


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Die Dealer haben in der Praxis rasch gelernt – oder schon vorher gewußt –, daß es ihnen nur nützen kann, wenn sie behaupten, sie seien selbst abhängig. Es werden alle möglichen Tricks angewendet, um diese Behauptung glaubhaft zu machen. Niemand ist wirklich daran interessiert – und es ist das auch in der Tat sehr schwierig –, zu objektivieren, ob der Verhaftete tatsächlich süchtig ist oder nur ein gewisses Nahverhältnis zur Droge hat.

Wenn diese Behauptung aber einmal aufgestellt ist und nicht widerlegt wird, dann steht der Täter schon auf der Schiene Richtung "Therapie statt Strafe" und kann damit rechnen, daß er sich in einem bestimmten Stadium des Verfahrens – ich brauche das nicht näher zu erläutern, da es jeder selber nachlesen kann – der Therapie unterziehen darf, anstelle sitzen zu müssen.

Selbst das ist in der Regel sehr schwierig, auch wenn es der Betreffende wirklich will. Es gibt nämlich, wie wir aus der Praxis wissen, in Österreich – die Frau Bundesministerin, der Kollege Leiner und noch andere werden mir möglicherweise widersprechen – viel zuwenig taugliche Behandlungsplätze für Leute, die zu einer Entziehungskur bereit sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Leiner schüttelt den Kopf.)

Meinen Freund Leiner, der den Kopf schüttelt, werde ich mit seinen eigenen Worten, die er im Ausschuß gesprochen hat, widerlegen. Ich wiederhole noch einmal: Es gibt viel zuwenig Behandlungsplätze – außer für reiche Leute, die in die Schweiz ins Sanatorium gehen können! Es gibt für Kinder und Jugendliche praktisch überhaupt keine Plätze! Die Frage der Finanzierung ist für die Heilung von Drogenabhängigkeit ungeklärt.

Es werden Leute, die im Zusammenhang mit Drogendelikten, also Beschaffungskriminalität, vor Gericht verurteilt worden sind, und die erklären, sich einer Therapie unterziehen zu wollen, auf sechs Monate vertröstet. Die Prognose für diese Menschen brauche ich nicht zu stellen, die kann sich jeder einzelne selber ausrechnen. Ein von mir verteidigter, schwer heroinabhängiger Familienvater, dessen Bruder, ein Turnlehrer, schon an Drogen verstorben war, war zu einer Entziehungskur bereit. Es wurde ihm gesagt, daß er in sechs Monaten einen Platz bekommen werde. – Die Phantasie jedes einzelnen reicht aus, um sich auszumalen, was alles mit einem Heroinabhängigen, der erst nach sechs Monaten einen Entziehungsplatz bekommt, passieren kann.

Ein, zwei Abgeordnete, auch du lieber Freund Leiner, die gesagt haben, daß sie den Leuten, die deswegen zu ihnen kommen, immer gleich einen Behandlungsplatz verschaffen können, bestätigen damit nur meine Behauptung. Wenn man zu einem Abgeordneten gehen muß, um einen Behandlungsplatz zu kriegen, bedeutet das nämlich, daß es zu wenige gibt (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Er ist ja auch Arzt!)

Aber das hast ja nicht nur du gesagt! Ich bin überzeugt, daß du das jemandem, der eine Blinddarmentzündung hat, nicht sagen mußt, denn der braucht ja nur zum Portier gehen und sagen: Mir tut’s da weh. Wenn es der Portier nicht gleich mit der Häkelnadel macht, kriegt er sein Bett. Aber man kriegt keine tauglichen Entziehungsplätze! Ich glaube, es hat Kollege Guggenberger, der kein Arzt ist, gesagt, er habe noch immer jedem einen verschaffen können. – Wenn man schon zu einem Abgeordneten gehen muß, um einen Platz für die Entziehungskur zu bekommen, dann ist das ein Problem. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber unabhängig davon: Niemand ist in der Lage, nachzuprüfen, ob die Therapie (statt Strafe) tatsächlich und nachhaltig betrieben wird und zum gewünschten Erfolg geführt hat. Immer wieder müssen wir feststellen, daß die Händler zwar behaupten, selber abhängig zu sein und es vorziehen, "Therapie statt Strafe" auf sich zu nehmen – sie bringen auch die erforderlichen Bestätigungen, Papier ist ja relativ geduldig –, aber daß sie über kurz oder lange wieder auf der Straße stehen und den Stoff verkaufen, und zwar während jener Zeit, in der sie sich in Wirklichkeit schon in der Therapie befinden sollten. – Es funktioniert das einfach nicht, es tut mir leid! Es war seinerzeit meine Idee, diesen Gedanken im Gesetz unterzubringen. Die Tatsachen haben uns aber gelehrt, daß das eben nicht funktioniert.

Es gibt – und dazu muß sich jeder, der die Dinge ernst nimmt, bekennen – nur zwei Möglichkeiten: Entweder es stehen die Interessen der wirklich oder vermeintlich abhängigen aufge


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flogenen Drogendealer im Vordergrund und wir bemühen uns, sie vor dem Gefängnis zu bewahren und ihnen eine Therapie zu verschaffen, wo und wie lange immer, wie ernst gemeint und wie erfolgreich auch immer – nur soll er nicht ins Gefängnis kommen, denn genau überprüfen kann man das ohnehin nicht –, dann aber nehmen wir in Kauf, daß in sehr vielen Fällen der Betreffende sein verderbliches Geschäft fortsetzt, sich also weiter an seine Adressaten im Kreis der Schüler und Jugendlichen wendet und weitere, immer jüngere Menschen unglücklich macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das heißt, die Vorgangsweise in dieser Richtung – und ich betone immer wieder, daß es mir selber leid tut, das ich das erkennen mußte – ist nicht Humanität, sondern Scheinhumanität . Und zu dieser Scheinhumanität können wir Freiheitlichen uns nicht bekennen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht vielmehr darum, daß wir einen Weg finden, der in anderen Ländern, die als sehr fortschrittlich in diesem Bereich gelten – etwa Schweden –, teilweise schon begangen wird, nämlich daß man das Hauptinteresse auf das Schicksal der noch nicht an der Nadel oder woran immer Hängenden, der noch nicht ins Verderben gestürzten jungen Menschen richtet und sich darum kümmert, daß jener, der in seinem historischen Schicksal vielleicht auch ein armer Teufel ist, der Dealer ist, der Dealer sein muß – die meisten selbst Abhängigen müssen Dealer sein, um ihren eigenen Bedarf befriedigen zu können –, aus dem Verkehr gezogen wird, daß man dafür sorgt, daß er nicht mehr vor Schulen stehen kann, daß man dafür sorgt, daß seine Gefährlichkeit beendet ist, und daß man dafür sorgt, daß er hinter Gittern auch therapiert wird. So geht es ihm jedenfalls besser, als wenn er am Karlsplatz oder wo auch immer herumkugelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das heißt, wir dürfen uns nicht der Scheinhumanität verschreiben, indem wir sagen: Unser Interesse gilt dem straffällig gewordenen, abhängigen Dealer – vielleicht auch ein armes Schwein –, ihm wollen wir in erster Linie helfen, auch wenn das gefährlich für weitere junge Menschen ist. Wir müssen vielmehr dazu finden, zu sagen: Er gehört aus Sicherheitsgründen aus dem Verkehr gezogen, damit seine Gefährlichkeit beendet ist. Die Parole soll und darf nicht lauten: Therapie statt Strafe. Sie soll lauten: Therapie plus Sicherheit – die Sicherheit für den Betroffenen selbst und die Sicherheit für die jungen Menschen, die seinem Wirken sonst weiter ausgesetzt sein könnten.

Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin Strafverteidiger und verteidige auch in diesem Bereich, und ich nehme auch dort mein Geschäft ernst, aber ich erkenne, wie die Dinge wirklich laufen. Es geht darum, daß bei Drogendelikten von einigem Gewicht – Handel mit harten Drogen im größeren Stil – verpflichtend mit Untersuchungshaft vorgegangen werden soll. Es geht nicht an, daß, wenn Geständnisse oder Quasigeständnisse abgelegt werden, sich die Betroffenen nach ein paar Tagen wieder auf freiem Fuß befinden und zu einem hohen Prozentsatz – das behaupte ich – ihrem bösen Geschäft weiter nachgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch so, daß bei Drogendelikten mit einigem Gewicht – Handel mit harten Drogen in größerem Umfang, ich wiederhole es – verpflichtend mit unbedingten Freiheitsstrafen vorgegangen werden soll und nicht mit bedingten oder teilbedingten, und zwar nicht deshalb, um zum Ausdruck zu bringen, daß derjenige, der da straffällig geworden ist, ein ganz besonderer Bösewicht ist, den man besonders hart treffen muß, sondern deshalb, weil er besonders gefährlich für andere Menschen ist und weil man diese Gefährlichkeit entsprechend berücksichtigen muß.

Im Interesse der Kinder und im Interesse der jungen Menschen ist eine Lockerung im System der Drogengesetzgebung nicht am Platz. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie soll aber aufgrund der neuen Vorlage stattfinden. Wenn Sie sich die Vorlage im Detail anschauen, dann werden Sie erkennen können, daß vieles geändert werden soll, zum Beispiel, wenn es darum geht, ob Lockerungen nur für jemanden gelten sollen, der aufgrund der eigenen Sucht handelt, wie die bisherige Forderung ist, oder ob er in Zukunft auch dann verschiedene Benefizien erfahren soll, wenn er nur zum Teil wegen der eigenen Sucht und sonst meinetwegen aus Gewinnsucht oder was auch immer handelt.


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Es soll auch die Beschaffungskriminalität zu einem hohen Prozentsatz nicht mehr in der Form der Strafbarkeit unterworfen sein, daß der Betreffende wirklich einsitzen muß. Das heißt, wenn jemand abhängig ist und Eigentumskriminalität bis zu einer bestimmten Obergrenze begeht, dann soll er sich auch unter bestimmten Voraussetzungen das Sitzen ersparen. Das muß man sich alles ausrechnen. Es gibt nur Lockerungen, es gibt nur Scheinhumanität, es gibt nur falsch verstandene Liberalität in dieser Vorlage, und dazu können wir uns nicht verstehen.

Da werden Redner herauskommen – das höre ich förmlich schon, denn man hat ja das Vorausecho in den Medien bereits wahrnehmen können –, die erklären werden, manches sei auch strenger geworden. – Das ist überhaupt nicht wahr, da muß man einmal nachschauen in der Vorlage und versuchen, sie beim Wort zu nehmen. Sie sollen uns sagen, was wirklich strenger geworden ist: Man wird draufkommen, daß überhaupt nichts strenger geworden ist.

Man soll endlich damit aufhören, das Schicksal von Leuten, die selber abhängig geworden sind, von Prominenten, wie es jetzt der Fall ist, als tragisch-heroisch darzustellen und die Vorgangsweise, die sie an den Tag gelegt haben, als ein bisserl "schick". In Wahrheit hat das mit diesen Dingen nichts zu tun. Damit bemüht man sich nur, diesen das Mäntelchen des ohnehin Akzeptablen umzuhängen, und davon müssen wir wegkommen.

Wer Drogen im Mißbrauchswege konsumiert, der gehört geächtet. Nicht er selber, aber der Drogenmißbrauch gehört geächtet! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das darf nicht als eine romantische Sache gelten. – Du bist Sozialarbeiterin, ich weiß, du mußt den Kopf schütteln (Abg. Tegischer: Ich tue das aus Überzeugung!) , aber ich sage dir das aus der Warte des Anwalts, der 39 Jahre im Geschäft ist und der sich auskennt.

Der Drogenmißbrauch ist zu ächten, und es darf nicht so sein, daß man das als eine lockere Sache darstellt, bei der man sich halt nicht erwischen lassen darf.

Ich komme jetzt noch in aller Eile zu einem Antrag gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 der Geschäftsordnung. Ich beantrage deshalb, weil die Vorlage im Ausschuß durchgepeitscht worden ist, ohne daß auf die Materie etwa durch Einsetzung eines Unterausschusses oder durch Zuziehung von Experten näher eingegangen worden wäre, die Rückverweisung von Tagesordnungspunkt 1 als Verhandlungsgegenstand an den zuständigen Ausschuß – der in meinen Augen ein unzuständiger ist, aber immerhin der Gesundheitsausschuß. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Dr. Ofner! Könnte ich bitte diesen Antrag haben? Er liegt dem Präsidium nicht vor.

Ich gehe einstweilen in der Rednerliste weiter. Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger. Freiwillige Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.48

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! In der Debatte um das Suchtmittelgesetz sind zwei stark gegensätzliche Positionen deutlich geworden: Die Grünen und die Liberalen treten für eine Freigabe von Haschisch und Marihuana ein, und wenn es nach den Freiheitlichen geht, soll auf Suchtgiftkranke ausschließlich mit dem Prügel des Strafrechts hingedroschen werden. Wir von den Koalitionsparteien haben hingegen ein Suchtmittelgesetz erarbeitet, das folgendes zum Inhalt hat:

Der Grundsatz "Therapie statt Strafe" soll mit Augenmaß und viel Gespür für das Machbare erweitert werden. Suchtkranke sollen nicht in ihrer Existenz ruiniert werden, sondern es sollen ihnen Lebenschancen zurückgegeben werden. Es soll aber gegen gewerbsmäßige Dealer mit aller Härte und Strenge des Gesetzes vorgegangen werden. Wir wollen gesundheitspolitische Maßnahmen gezielt und effizient ausbauen, das Methadonprogramm soll gesetzlich verstärkt werden. Nicht zuletzt soll auch die Sicherheitsexekutive deutlich verbesserte Möglichkeiten in ihrem Kampf gegen die Drogenkriminalität bekommen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit setzen wir einen spezifisch österreichischen Weg fort: einen Weg, der sich bewährt hat, einen Weg, der darin besteht, eine vernünftige Balance zwischen gesundheits- und sozialpolitischen Hilfestellungen einerseits und kriminalpolitischen Maßnahmen andererseits zu finden.

Auf diesem Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wir in den vergangenen Jahren durchaus gut gefahren, und deshalb wollen wir ihn fortsetzen und ausbauen.

Wer diese Linie für falsch hält, dem sei ein Blick ins Ausland angeraten, beispielsweise in die Vereinigten Staaten, wo man, so wie es Herr Kollege Ofner sich vorstellt, ausschließlich auf Repression, auf Härte und auf Strenge des Gesetzes setzt (Abg. Mag. Haupt: Falsch! Völlig falsch! – Abg. Scheibner: Schon wieder nicht zugehört!) und wo man damit überhaupt nichts erreicht hat, oder aber nach Holland, wo man sich eigentlich zu einem resignativen Laisser-faire – da kann man halt nichts machen! – hinreißen läßt, oder aber in die Schweiz, wo man einmal Hü! und einmal Hott! macht, einmal eine strengere und einmal eine liberalere Linie fährt. – Wir sind schlicht und einfach besser gefahren als andere Länder, und das, sehr geehrter Kollege Ofner, ist unser bestes Argument. (Abg. Dr. Ofner: Das ist ja nicht wahr!)

Hören Sie, Herr Kollege Dr. Ofner: Während sich die Suchtgiftkriminalität etwa in der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Italien in den letzten 15 Jahren verdoppelt bis vervierfacht hat, ist sie in Österreich zwischen 1981 und 1991 praktisch überhaupt nicht angestiegen. (Abg. Dr. Ofner: Es sind nur wenige aufgeflogen! Es gibt noch andere!) Dann war eine Verschärfung des Problems festzustellen, aber in den letzten zwei Jahren hat sich wieder ein deutlicher Silberstreif am Horizont gezeigt. Beispielsweise mußten wir im Jahr 1995 lediglich einen Zuwachs von 1 Prozent verzeichnen. Und wenn Sie sich den Wiener Drogenbericht anschauen, Herr Kollege Dr. Ofner, dann werden Sie feststellen, daß letztes Jahr in Wien zehn Menschen weniger den Drogentod erleiden mußten als im Vorjahr. Das ist doch eine erfreuliche Bilanz, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Gehen Sie einmal auf die Straße! Gehen Sie in ein Inlokal! – Abg. Dr. Ofner: Gehen Sie auf den Karlsplatz!)

Mit diesem Gesetzesvorschlag werden wir diese Linie, die sich durchaus bewährt hat, fortsetzen, nämlich einen Kampf gegen verbrecherische Geschäftemacher, nicht aber einen Kampf gegen die Süchtigen, und Therapie auf freiwilliger Basis. (Abg. Dr. Haider: Reden Sie mit Rudas und Zeiler über den Schnee von gestern!) Herr Kollege Ofner, nur eine derartige Therapie kann überhaupt sinnvoll sein, nicht aber eine Zwangstherapie, wie Sie sich das vorstellen. Das ist ja nicht nur im Sinn einer zeitgemäßen, menschlichen Gesellschaft notwendig, das ist auch der einzig richtige Ansatz, um diesem Problem einigermaßen wirksam zu begegnen. (Abg. Dr. Ofner: Geh einmal auf den Karlsplatz und fahr nicht gleich vom Parlament nach Schwechat!)

Herr Kollege Ofner! Wegsperren hat noch niemals ein Problem gelöst, schon gar nicht das Drogenproblem. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Sag das einmal den Eltern der betroffenen Kinder!)

Beispielsweise haben wir bisher bei den Ersttätern im Cannabisbereich mit Kanonen auf Spatzen geschossen, und das war ganz einfach zuviel des Guten. Wir haben die Ersttäter zu regelmäßigen amtsärztlichen Besuchen gezwungen, und das ist irgendwann einmal dem Arbeitgeber oder der Schule aufgefallen. Sie waren dann stigmatisiert, und das hat sie erst recht dorthin geführt, wo wir sie nicht haben wollen.

Die Freiheitlichen allerdings haben den vorgesehenen Wegfall dieser sinnlosen, ja schädlichen Prozedur beklagt. Bei sozial integrierten Ersttätern wollen wir also in Zukunft mit einer Belehrung das Auslangen finden, und dieses Prinzip des Bauens einer goldenen Brücke zieht sich wie ein roter Faden durch diese ganze Novelle; das wird Kollege Fuhrmann noch ausführen.

Worin allerdings die Grünen und die Liberalen eine Verschärfung, eine zusätzliche Kriminalisierung dieses Bereiches sehen, das ist mir – mit Verlaub – rätselhaft. Und apropos Grüne und Liberale, zu deren Forderung, Hasch und Marihuana freizugeben: Ich will das keineswegs dämonisieren. Es gibt durchaus Stimmen aus dem Tiroler Suchtbeirat, aus der Tiroler Caritas,


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die das auch meinen. Trotzdem halte ich persönlich das nicht für richtig. Es steht zweifelsfrei fest, daß auch Haschisch ein Stoff ist, der schädlich ist. Man darf ihn nicht verharmlosen, auch wenn er nicht süchtig macht. Er schädigt das Zentralnervensystem, er schädigt die Lunge, er schädigt auch das Immunsystem. (Abg. Dr. Schmidt: Auch Alkohol und Zigaretten!) Unser Ziel muß es doch sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Gesellschaft zu begünstigen, die möglichst frei ist von Sucht und von Abhängigkeit. Freigabe aber bedeutet verstärkte, unbeschränkte Verfügbarkeit, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen zumindest wir nicht haben.

Eine Kritik ist allerdings sehr, sehr ernst zu nehmen, und zwar die Kritik des Kollegen Ofner daran, daß das Betreuungs- und Therapieangebot nicht in allen Bundesländern das beste ist. Hier muß man sehr stark differenzieren. In Wien und in Vorarlberg ist es durchaus beispielhaft. Andere Bundesländer sind gefordert, die Ärmel aufzukrempeln, und diesbezüglich habe ich schon ein Hühnchen mit dem Kollegen Ofner zu rupfen. Wenn ausgerechnet er beklagt, daß das Betreuungsangebot nicht ausreichend ist, dann muß man ihm eines vorhalten: Wir haben vor Wochen eine lebhafte Debatte in Tirol gehabt, in der es darum gegangen ist, in einem Ort am Achensee eine Therapiestation zu installieren. Der sozialdemokratische Bürgermeister hat das massiv versucht und hat sich dafür engagiert. Und wissen Sie, wer von Haus zu Haus gegangen ist, um Stimmung gegen diese Maßnahme zu machen? (Abg. Dr. Ofner: Der Ofner!) Das war der freiheitliche Gemeinderat von Maurach! Sich hier am Rednerpult darüber zu beklagen, daß es zuwenig Betreuungsangebote gibt, wenn Ihre Lakaien draußen in den Orten gegen diese Betreuungsangebote Stimmung machen, diese Doppelzüngigkeit, mein sehr geehrter Herr Kollege Ofner, ist völlig inakzeptabel! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Herren! Ich komme schon zum Schluß. Wir haben mit diesem Gesetz sicher nicht den Stein der Weisen gefunden. Eine drogenfreie Gesellschaft ist eine Illusion, das wird es nie geben. Aber eine Eingrenzung dieses Problems so weit wie möglich glauben wir mit dieser Vorlage erreichen zu können, und deshalb stimmen wir gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Ofner hat am Ende seines Redebeitrags einen Rückverweisungsantrag für die Vorlage in 652 der Beilagen gestellt. Dieser Rückverweisungsantrag wird nach § 53 Abs. 6 der Geschäftsordnung nach Erschöpfung der Rednerliste zur Abstimmung gebracht werden.

Am Wort ist nunmehr Frau Abgeordnete Motter. Die Redezeit ist auf 20 Minuten eingestellt.

10.58

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn festhalten: Auch wir Liberalen gehen verantwortungsvoll an dieses Problem, das nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt existiert, heran. Auch wir wollen keine Suchtgiftkranken, auch wir wollen keine abhängigen Menschen haben, damit das ganz klar ist, aber wir haben eben einen anderen Zugang, wie es bereits meine Vorredner aus ihrer Sicht dargestellt haben.

Wir sehen den Tatsachen klar ins Auge: 12 000 bis 15 000 Heroinabhängige in Österreich mit einer jährlichen Steigerungsrate von 15 Prozent. Herr Kollege Guggenberger, ich weiß nicht, wo Sie Ihre geschönten Daten herhaben. Es ist ein Faktum, daß die Zahlen steigend sind. Wenn Sie dann davon sprechen, daß wir bisher "gut gefahren" sind, dann widerspricht sich diese Aussage, Herr Kollege Guggenberger, von selbst. (Abg. Mag. Guggenberger: Besser gefahren!) Sie haben von "gut gefahren" gesprochen, ich habe mir das aufgeschrieben. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wir wissen auch um die starke Zunahme der Verbreitung der sogenannten Designerdrogen. In diesem Zusammenhang wissen wir nicht, welche neuen Errungenschaften uns auf diesem Gebiet noch ins Haus stehen. Wenn man zudem weiß, daß insbesonders junge Menschen stark gefährdet sind, müssen wir als politisch Verantwortliche handeln.


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Wir wissen genau, daß der jahrzehntelange Versuch der Eliminierung des Drogenangebotes und des Drogenkonsums aus unserem Kulturkreis gescheitert ist, und leider werden wir auch in Zukunft mit Drogenbenutzern leben müssen. Diesbezüglich, Herr Kollege Guggenberger, sind wir einer Meinung. Es ist nur die Frage, wo wir diese unserer Meinung nach kranken Menschen in unserer Gesellschaft ansiedeln wollen, ob am äußersten Rand der Verelendung und der Krankheit oder am Ort der Kriminalität und der Prostitution, oder ob wir die Drogensucht ins Zentrum unserer gesundheits- und sozialpolitischen Aufmerksamkeit rücken wollen. Wir Liberalen wählen diesen Weg. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eine Drogenpolitik, die Sucht ausschließlich mit den Mitteln des Strafrechts bekämpfen will und die eine völlige Abstinenz von Drogen für die Gewährung von staatlicher Hilfe voraussetzt, ist zum Scheitern verurteilt.

Meine Damen und Herren! Die schreckliche Bilanz von 120 bis 250 – die Zahlen schwanken einigermaßen – Drogentoten in unserem Land sollte uns wachrütteln. Diese Menschen sterben zumeist nicht an der Droge selbst, sondern aufgrund der verunreinigten Instrumente, die sie benützen, oder an den begleitenden Krankheiten.

Drogenprobleme beruhen weiters auch auf der Illegalität des Drogenkonsums. Die Kriminalisierung steht der Drogenhilfe und der Therapie im Wege und weist zudem der Polizei und der Justiz eine Aufgabe zu, die sie nicht lösen können. Herr Kollege Ofner, als ehemaliger Justizminister wissen Sie das ganz genau (Beifall beim Liberalen Forum ), und Sie haben seinerzeit auch eine andere Linie vertreten. (Abg. Dr. Ofner: Ja, Klara, aber sie war falsch! Ich habe eine ähnliche Linie vertreten wie die, die heute propagiert wird, aber ich habe erkennen müssen, daß sie falsch ist!) Das ist Ihre Meinung. Ich vertrete meine Linie immer noch, Herr Kollege Ofner.

Wir Liberalen begrüßen den Ansatz "Therapie statt Strafe" (Abg. Dr. Haider: Seit wann? Du hast schon ganz anders geredet!) – das stimmt nicht! –, der auch in der Regierungsvorlage vorgesehen war, aber durch den Abänderungsantrag, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wieder verwässert wurde. Daß hier ein Abgehen von den ursprünglich liberalen Ansätzen erfolgt ist, ist nicht nur meine Einschätzung, Herr Kollege Guggenberger, oder jene der Opposition, sondern es wurde vom Herrn Justizminister im Gesundheitsausschuß diese Meinung öffentlich geteilt.

In dieser Abänderung ist ein Scheitern des Ansatzes zugunsten eines Therapieausbaus bereits festgelegt. Wie sonst soll der § 12 Abs. 2 zu verstehen sein, in dem ausdrücklich herausgestrichen wird, daß die Kosten in der Therapie möglichst gering zu halten sind? Die Ausschußfeststellung kann nur als Kniefall der Gesundheitspolitik vor dem Finanzminister und den Finanzreferenten der Länder betrachtet werden, heißt es doch darin, der weitere Ausbau des Therapieangebotes werde nur nach Maßgabe der vorhandenen Budgetmittel erfolgen können. (Ruf bei den Freiheitlichen: Null!) – Genau, das ist richtig.

Schenkt man Medienberichten Glauben, wonach die Behörden bereits überlegen, wie die Therapiekosten zu decken sind, muß man sagen, es ist unverantwortlich, von einer "Errungenschaft" in Form von "Therapie statt Strafe" zu reden.

Zudem habe ich in vielen Gesprächen mit Therapeuten, Ärzten und Betroffenen noch nie gehört, daß in vielen Bereichen übertherapiert wird. Im Gegenteil. Alle, die sich bereits einmal um einen Therapieplatz für einen Drogenkranken bemüht haben, haben die Erfahrung gemacht, daß es fast unmöglich ist, in näherer Zukunft einen solchen Platz zu bekommen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch heute, so wie bereits im Ausschuß, aus unserer Sicht auf den Konsum dieser Stoffe, insbesondere auf den Stoff, der aus der Cannabispflanze gewonnen wird, hinweisen. Ich tue das gerne, und ich fürchte mich nicht vor den Nachrednern, die das alles widerlegen werden. Auch sie haben bis jetzt kein Rezept gefunden, das uns in der Drogenpolitik weiterbringt. Wir wollen es eben anders versuchen. Wir sind überzeugt, daß wir hier ein Umdenken und eine Neubewertung, sprich: eine Eliminierung aus dem Strafrecht, brauchen, denn die Gefährlichkeit dieser Stoffe beruht nicht auf ihren Substanzen, sondern liegt vielmehr in der Kriminalisierung und dadurch illegalen Verbreitung.


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Ich möchte auch die hartnäckige Behauptung im Ausschuß, wie schlimm doch die Amsterdamer Verhältnisse seien, entkräften. Bei genauerer Betrachtung kehrt sich dieses Gerücht ins Gegenteil um. Die pragmatische Handhabung in den Niederlanden, den Verkauf und den Besitz von Cannabisprodukten bis zu einer kleinen Menge zu dulden, hat dort zu einem Rückgang des Konsums von sogenannten harten Drogen geführt. Die Statistik weist aus, daß in Holland 1,6 Promille der Bevölkerung von Heroin und anderen Opiaten abhängig sind, gegenüber 2,7 Promille in den anderen EU-Staaten.

Meine Damen und Herren! Wie man weiß, tritt das Liberale Forum seit seinem Bestehen für die kontrollierte Freigabe von weichen Drogen ein. In einer Gesellschaft, die Alkohol- und Nikotingenuß nicht nur legitimiert, sondern auch schick findet, ist es schlichtweg Heuchelei, eine erwiesenermaßen ungefährliche Substanz zu kriminalisieren und die Cannabispflanze unter die Suchtgifte zu reihen, wie in § 2 Abs. 4 nachzulesen ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich sage, das ist unsinnig, kontraproduktiv und aufgrund von UN-Übereinkommen auch gar nicht notwendig. Wir sehen daher im Bekämpfen des Staates einer kontrollierten Abgabe von Cannabissubstanzen kein Hintanhalten der Beschaffungskriminalität. Im Gegenteil. Wir befürchten weiterhin die Gefahr des Abrutschens des Erstkonsumenten in den Bereich der härteren Drogen, da durch den Markt und die Brutalität – das gebe ich zu – der gewissenlosen Dealer weiche und harte Drogen nicht getrennt sind.

Die oft vorgebrachte Argumentation, Cannabis sei als Einstiegsdroge zu bewerten, ist hingegen nur insofern richtig, als durch das derzeit praktizierte Abdrängen des Verkaufs von Haschisch und Marihuana in den illegalen Markt die Nähe zu anderen gefährlichen Drogen herbeigeführt wird. Eine Trennung der Märkte würde daher auch zu einer Reduzierung der Zahl der von schweren Drogen Abhängigen führen, was wieder das Beispiel Holland zeigt.

Einer ähnlichen Auffassung haben sich unter anderem auch Polizeipräsidenten zahlreicher deutscher Bundesländer angeschlossen, die für die Abkehr vom bisherigen, Jahrzehnte hindurch gegangenen falschen Weg in der Drogenpolitik plädieren.

Im Hinblick auf die gesellschaftspolitische Notwendigkeit eines differenzierten, menschenwürdigen Umgangs mit Drogen, Sucht und Suchtkrankheit bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Motter, Dr. Schmidt und Partner/innen betreffend Entkriminalisierung von Cannabis

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, gesetzliche Maßnahmen vorzubereiten, die eine Entkriminalisierung von Erwerb, Besitz, Konsum sowie Ein- und Ausfuhr von Cannabisprodukten für den eigenen Gebrauch gewährleisten."

*****

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich zu dieser Materie noch festhalten, daß die liberale Fraktion auch in Zukunft die Notwendigkeit des Schutzes, insbesondere junger Menschen, vor jeder Art von Abhängigkeit und Sucht unterstützt. Herr Kollege Ofner, ich gebe Ihnen durchaus recht, wenn Sie sagen, daß Therapie und Sicherheit bei jungen Menschen Vorrang haben. Ich bin Mutter und bin froh, daß meine Kinder über diesen Weg sind (Abg. Dr. Ofner: Ich bin auch schon Großvater!), aber ich werde auch Enkel bekommen und befasse mich deshalb auch mit diesem Problem.

Was den Konsum sogenannter weicher Drogen betrifft, schließt die aus liberaler Sicht zentrale Würdigung der Freiheit jedes Menschen auch die Freiheit des Konsums gesundheitsbedenk


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licher Genußmittel ein. Die Hintanhaltung des Konsums von Rausch- und Genußmitteln ist daher nicht Aufgabe strafrechtlicher Verfolgung, sondern öffentlicher Aufklärung und Bewußtseinsbildung sowie ausreichender Bestimmungen des Jugendschutzes. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch zu einem weiteren Abänderungsantrag kurz Stellung beziehen. Bedeutende Mediziner im In- und Ausland kämpfen seit geraumer Zeit für den Einsatz von Cannabis in der Schmerztherapie von Aids- und Krebspatienten, und es gibt bereits genügend Beweise für den Erfolg dieses Weges. Ebenso unbestritten ist der Einsatz von Morphium anstelle von die Gesundheit wesentlich mehr schädigenden Arzneien in der Schmerztherapie.

Diesen Vorstellungen wurde in der Regierungsvorlage Rechnung getragen, in den Abänderungen wurde dies allerdings wieder abgeschwächt. Die §§ 7 und 8 in der ursprünglichen Fassung der Regierungsvorlage waren insofern positiv zu beurteilen, als sie endlich die Vermengung der Schmerztherapie mit der Suchtgiftkriminalität zu verhindern versuchten.

Diese Erkenntnis teilen wir, und durch eine prägnantere Formulierung des § 8 wollen wir unterstreichen, daß die medizinische Nutzung von Suchtmitteln nicht unter die Bestimmungen dieses Gesetzes fallen darf. Dadurch soll den Medizinern die oft bestehende Angst genommen werden, daß sie bei Anwendung von suchtmittelhaltigen Präparaten zum Wohle des Patienten mit den Bestimmungen dieses Gesetzes in Konflikt geraten könnten.

Ebenso soll der wissenschaftlichen Erkenntnis Rechnung getragen werden, daß menschliches Suchtverhalten und Abhängigkeit vor allem in psychischen Ursachen begründet sind, die zum Beispiel bei schwerkranken Krebspatienten in dieser Form nicht gegeben sind. Durch unseren Abänderungsantrag würde der ausschließlich medizinisch indizierte Gebrauch von Opiaten als therapeutisches Mittel bei Suchtkranken ermöglicht werden. Im Falle eines Mißbrauchs oder eines Behandlungsfehlers von seiten des betreffenden Arztes sind die Strafbestimmungen des Allgemeinen Strafgesetzbuches und des Ärztegesetzes ausreichend.

Ich bringe daher den

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Motter, Haidlmayr und weiterer Abgeordneter, mit dem die Regierungsvorlage (110 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 in der Fassung des Ausschußberichts (652 der Beilagen) geändert werden, geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel 1 § 8 lautet:

"§ 8. Die Abgabe von Suchtmitteln oder suchtmittelhaltigen Arzneimitteln für Schmerz-, Entzugs- und Substitutionsbehandlungen ist ausschließlich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zu beurteilen und unterliegt nicht dem gegenständlichen Gesetz."

*****

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend noch festhalten, warum ich in der Debatte im Ausschuß mit den anderen Oppositionsparteien für einen Unterausschuß gestimmt habe. Bei der gegenständlichen Vorlage handelt es sich um eine Materie, die in weiten Bereichen dem Strafrecht zuzuordnen ist. Kollegen und Experten aus dem Justizbereich wurden in


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diesem Zusammenhang nicht gehört. Außerdem wurde in der Debatte im Ausschuß und auch in der heutigen Debatte deutlich, wie unausgewogen die Positionen vieler Abgeordneter sind und wie wenig die wissenschaftlichen Erkenntnisse gerade im Bereich der Nutzung gewisser Suchtmittel für den medizinischen Bedarf ausdiskutiert sind. Vorurteile allein sind schlechte Ratgeber für eine derart komplexe Materie.

Schließlich wurde wieder einmal die Chance vertan, sich einer Auseinandersetzung über die psychologische, soziohistorische und kulturelle Anwendung von Drogen in einer Gesellschaft zu stellen. Der Drogenmißbrauch ist zu ächten, Herr Kollege Ofner. Ich frage Sie aber: Ächten Sie auch Alkohol und Rauchen? Wir alle konsumieren täglich diese Drogen. Sie sind längst gesellschaftsfähig geworden, und wir kennen auch die verheerenden Folgen dieser Drogen.

Wir Liberale können einem Gesetz, das eher repressiv als vorwärts orientiert ist, unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall beim Liberalen Forum.) Den Regierungsvorlagen 125 der Beilagen und 147 der Beilagen betreffend Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen werden wir unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneter Motter vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Gleiches gilt für den Entschließungsantrag, den sie vorgelesen hat, wobei ich ersuchen möchte, Entschließungsanträge dem Präsidium so zeitgerecht vorzulegen, daß ich die Verlesung dieses Antrages mitvollziehen kann.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Abgeordneter Dr. Leiner. – Herr Abgeordneter! Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten.

11.15

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! (Abg. Böhacker: Eine schöne blaue Krawatte!) – Du mußt dich ja darüber freuen, nicht? – Die Ausführungen Dr. Ofners waren schon bemerkenswert. (Abg. Mag. Schweitzer: Hervorragend!) Hervorragend. Viele Dinge sind auch aus meiner Sicht zu überlegen, aber ich bin der Meinung, daß sie bereits im Gesetz verankert sind.

Meine Frage ist auch an dich als Anwalt gerichtet: Wie verteidigst du eigentlich einen Süchtigen? (Abg. Dr. Ofner: Gut!) Verwendest du nicht die Argumente, die im Gesetz stehen? Du sagst, daß es falsch war, ein solches Gesetz zu schaffen. Ich meine, daß vielleicht die Wege, die man gegangen ist, die falschen waren.

Was war falsch? – Vielleicht hat man noch nicht die Möglichkeiten gehabt, die man heute hat. Vielleicht sind damals nicht die gesundheitsbezogenen Maßnahmen gesetzt worden, die heute greifen sollten.

Natürlich ist es berechtigt, Sorge zu haben, wenn man weiß, daß über 500 Milliarden US-Dollar für Suchtmittel ausgegeben werden, wenn man weiß, daß es 40 Millionen Süchtige in der westlichen Welt und 1 Million Abhängige in den EU-Ländern gibt. Aber wir haben vorhin diese zwei Extrempositionen gehört, diese zwei Pole, nämlich einerseits völlige Drogenfreiheit und andererseits totale Repression. Das ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg. Man muß einen Weg einer reellen und auch für den Patienten gerechten Möglichkeit der Therapie, aber auch der Bestrafung finden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist doch nicht so, daß wir den Dealer nicht bestrafen wollen. Du hast gesagt, du kannst nicht erkennen, daß das Gesetz schärfer geworden ist. Diesbezüglich sind schärfere Maßnahmen drinnen, aber der, der wirklich süchtig ist, hat die Chance, daß er davon loskommt. Er wird, so wie alle Kranken, auch behandelt.


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Wenn wir die Geschichte ablaufen lassen, muß man sagen: Früher hat man den Aussätzigen aus der Stadt verbannt. Man hat die psychisch Kranken eingesperrt oder verbrannt. Waren das Wege der Behandlung? Will man das heute mit den Süchtigen weiter fortsetzen? Das ist doch nicht der Weg! (Abg. Dr. Ofner: Man muß verhindern, daß er weitere zur Droge bringt!) Der Weg der Gesundung ist doch ... (Abg. Dr. Ofner: Und wo ist heute der Pernhaupt mit seinen Leuten? – Auf der Alm in einem Hof, weil er erkannt hat ...!)

Meine Damen und Herren! Pernhaupt, mit dem ich sehr gut bekannt bin und dessen Drogentherapie ich auch verfolgt habe, bei dem ich sogar einige Zeit war, hat gerade diese Theorie aufgenommen und verwirklicht sie auch.

Ich bin der festen Überzeugung, daß wir mit dem von uns eingeschlagenen Weg in die richtige Richtung unterwegs sind: keine Liberalisierung, aber eine weitere Entkriminalisierung der Süchtigen, Therapie vor Strafe, konsequent durchgeführt – konsequent durchgeführt, möchte ich noch einmal betonen, kein Suchtgift auf Krankenschein, aber eine rechtlich abgesicherte, ärztlich kontrollierte Substitutionstherapie und Behandlung – das sind die Grundsätze, die dieses Gesetz beinhaltet. (Beifall bei der ÖVP.)

Da sich Sucht auf einer Ebene menschlichen Seins abspielt, die viele Prozesse beinhaltet – es gibt ja viele Ursachen dafür –, kann sozialpolitisches Handeln allein die Drogenproblematik nicht beherrschen. Jede staatliche Drogenpolitik muß sich der Grenzen ihrer Möglichkeiten bewußt sein. Und es muß uns auch bewußt sein, daß es keine generelle Lösung der Drogenprobleme gibt.

Das Suchtproblem ist aber individuell sehr wohl lösbar. Dazu bedarf es erstens einer Drogenprävention, die versucht, den Einstieg in die Drogenszene zu verhindern. Die Möglichkeiten hierfür sind vorhanden, das wissen wir. Es hängt von uns ab, es hängt von jedem einzelnen von uns in der Gesellschaft ab, ob wir etwas dazu tun oder nicht.

Zweitens bedarf es einer Drogentherapie, die bereits bestehende Süchtigkeit als behandlungsbedürftig und letztlich als therapierbare Krankheit betrachtet. Wir müssen das als eine therapierbare Krankheit erkennen und auch entsprechend an diese Krankheit herangehen.

Drittens bedarf es einer Drogenrehabilitation, die die Möglichkeit zum Ausstieg aus der Drogenszene durch Rehabilitationswege erleichtert.

Diesen Weg müssen wir gehen, in diese Richtung wollen wir mit der vorliegenden Suchtgiftnovelle – mit einer Ausweitung der Therapiemöglichkeiten, mit einer Ausweitung der Rehabilitationsmöglichkeiten, mit einer Intensivierung der Prävention – gehen.

Ich stelle ganz provokant das Geld, das in Österreich für illegales Rauschgift aufgewendet wird – Experten schätzen, ungefähr 4 Milliarden Schilling jährlich –, dem Medikamentenverbrauch in Österreich gegenüber, das sind 13 bis 15 Milliarden Schilling.

Der Ge- und auch Mißbrauch von Drogen ist und bleibt ein gesellschaftspolitisches Problem und trifft nur auf den ersten Blick nur die Jugend. Wenn man von Drogen spricht, meint man in erster Linie die illegalen Drogen. Jeder fünfte Österreicher im Alter zwischen 15 und 40 Jahren hat mindestens einmal Rauschgift probiert. Die Drogenabhängigen werden in Österreich seit Jahren konstant auf 10 000 bis 15 000 Personen geschätzt. Vergleicht man aber die Zahl der Abhängigen – 100 000 Medikamentenabhängige, mehr als 300 000 Alkoholabhängige –, dann stellt man fest, daß die Zahl der Abhängigen der Drogenszene eigentlich minimal ist. Trotzdem sehen wir hier ein großes Problem, das angegangen werden muß.

Daß es keine Schwarzweißmalerei im Bereich der Drogen geben kann, zeigt sich auch ganz deutlich im Bereich der Schmerztherapie. Ich sehe die Bestrafung des Handels mit psychotropen Substanzen – jedoch bei weiterer Ermöglichung der ärztlichen Behandlungsfreiheit mit Schlaf- und Beruhigungsmittel – als wesentlichen Punkt dieser Novelle an.


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Ausdrücklich möchte ich auf die nunmehr bessere Möglichkeit hinweisen, Schmerzen zu behandeln. Wir wissen, daß ungefähr 5 Prozent der Bevölkerung Schmerzen hat. Es gibt zirka 80 000 Krebskranke, die entsprechend behandelt werden müssen. Diesbezüglich sind bessere Bedingungen geschaffen worden, und wir haben jetzt die Möglichkeit, diesen Menschen echt zu helfen. Die Bereitschaft der Ärzte jedoch, diese Mittel auch wirklich zu verschreiben, muß mehr gefördert und gefordert werden. Darüber hinaus ist es einfach unmenschlich und medizinisch nicht vertretbar, daß diese Menschen leiden müssen. Ich bin froh, daß diese Schmerztherapie jetzt möglich ist. Man diskutiert sogar darüber, bei rheumatischen Beschwerden oder bei Ischias Opiate zu geben; davon war kürzlich bei einem Schmerzkongreß in Salzburg die Rede. (Abg. Dr. Ofner: Das wird aber nicht auf dem Karlsplatz stattfinden!) – Nein, aber in den Ordinationen.

Wir müssen insofern Vorsorge treffen – und ich glaube, da sind wir aufgerufen: wir als Eltern –, daß wir nicht den Kindern bereits streßbezogen irgendwelche Beruhigungs- oder Schlafmittel geben. Ich glaube, daß wir verhindern sollten, daß diese Medikamente bereits in der Kindheit gegeben werden, was jetzt häufig der Fall ist.

Durch dieses Gesetz können die in Chemielabors am Reißbrett kreierten Drogen jetzt nicht mehr diese Zusammensetzung haben und dadurch bereits außerhalb des Bereichs der Suchtmittel fallen, sondern verboten werden. Die vorliegende Novelle des Suchtgiftgesetzes soll dieses Schlupfloch für Drogenhersteller ein für allemal schließen.

Ich habe immer die Meinung vertreten – und dafür bin ich auch öfters angegriffen worden –, daß Drogensüchtige wie Kranke zu behandeln sind, daß aber jene, die mit dieser Krankheit ihre Geschäfte treiben, von der vollen Härte der Justiz erfaßt werden sollten. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist nichts Neues, das wissen wir, und das war auch bisher gang und gäbe. Durch dieses Gesetz wird eine wesentliche Voraussetzung für eine verbesserte Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität national und international geschaffen sowie ein weiterer Schritt in der Bekämpfung der Drogensucht in Österreich gesetzt. Wir von der ÖVP haben aber gefordert, daß nicht nur dieses Gesetz beschlossen wird, sondern daß es auch Begleitmaßnahmen dazu geben muß:

Erstens: Ausbau der Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen und die budgetäre Absicherung solcher Maßnahmen.

Zweitens: Förderung der Grundlagenforschung in Drogentherapie und Suchtverhalten. Wir wissen nicht, warum der eine süchtig wird und der andere nicht.

Drittens fordern wir als gesetzbegleitende Maßnahme die Einrichtung eines Suchtbeirates, wie das in Vorarlberg bereits der Fall ist.

Viertens: die aktive Teilnahme Österreichs an den EU-Programmen der Drogenbekämpfung.

Fünftens: Einbeziehung der schulischen und außerschulischen Jugenderziehung in die Aufklärungs- und Vorsorgearbeit. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.27

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Ministerin! Herr Minister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungsvorlage 110 der Beilagen vom 26. Mai 1996 war grundsätzlich doch in einigen Punkten ein Stück Liberalisierung in der österreichischen Suchtgiftpolitik. Leider wurde dieses Stück Liberalisierung in einem Abänderungsantrag, der uns nur wenige Stunden vor Beginn der Ausschußsitzung von der SPÖ und von der ÖVP vorgelegt wurde, wieder zunichte gemacht. Der in der Regierungsvorlage von Mai 1996 enthaltene und grundsätzlich zu begrüßende Ausbau des Grundsatzes "Therapie statt Strafe" wurde durch diesen Abänderungsantrag, der übrigens 22 Seiten umfaßte, und durch die Ausschußfeststellung von SPÖ und ÖVP wieder demontiert.


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Allein, daß die Kosten der gesundheitsbezogenen Maßnahme jetzt nur mehr im Verhältnis zum Erfolg – bei Wahrung der Qualität der Therapie – gesehen werden und daß sie so gering wie möglich zu halten sind, zeigt, daß es die Alternative "Therapie statt Strafe" nicht geben wird; bei gleichwertigen Angeboten soll die günstigere Form gewählt werden. Damit wurde die Intention der Regierungsvorlage eingeschränkt und im Grunde genommen wieder ausgehebelt.

Die Textierung, wie ich sie eben vorgelesen habe, läßt absolut nicht zu, daß Qualitätsansprüche im Vordergrund stehen, sondern es ist ausschließlich nur mehr der Kostenfaktor das ausschlaggebende Instrument für eine Therapie. Daß damit keine Qualität sicherzustellen ist, versteht sich, glaube ich, von selbst. Auch der Grundsatz "Therapie statt Strafe" kann in dieser Form niemals erfüllt werden, ja nicht einmal annähernd erfüllt werden, denn wenn es, wie Sie wissen, derzeit so ausschaut, daß auf 350 Abhängige ein Therapieplatz kommt, dann sagen Sie mir bitte, wie Sie diesen Anspruch erfüllen wollen.

Wenn ein Abhängiger, der eine Therapie machen will, zwei bis zwölf Monate auf einen Therapieplatz warten muß, dann führt das dazu – das wissen Sie genausogut wie ich –, daß die Therapiewilligkeit in diesem Zeitraum wesentlich eingeschränkt ist beziehungsweise eine Therapie vielleicht sogar schon hinfällig geworden ist, da viele Menschen, die eine Therapie machen wollen, in einer derart langen Wartezeit versterben.

Therapiewillige Menschen haben nichts davon, wenn "Therapie statt Strafe" suggeriert wird, denn Sie, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, wissen ganz genau, daß es gerade in den westlichen Bundesländern so gut wie keine Therapieplätze gibt. Richter können in diesen Bundesländern den abhängigen Menschen gar keine Alternative zur Strafe bieten, weil es nämlich kein Therapieangebot gibt. Dadurch kommt es automatisch zur Kriminalisierung dieser Menschen. Sie werden eingesperrt, weil es keine Therapieplätze gibt – und dafür sind Sie verantwortlich.

Sie haben in Ihrem Gesetz Versprechen gemacht, die Sie nicht einhalten können. Ich glaube, damit zeigen Sie wieder einmal ganz deutlich, wie unglaubwürdig Sie geworden sind. Sie wissen ganz genau, daß es in Österreich nicht einmal eine einzige Aufzeichnung gibt, aus der hervorgeht, wie viele ambulante und wie viele stationäre Therapieplätze es in Österreich gibt. Eine derartige Liste existiert nicht.

Wenn heute ein Drogenabhängiger, der eine Therapie machen will, bei irgendeiner Einrichtung landet und dort zufällig kein Platz übrig ist, dann kann ihm nicht einmal ein Stück Papier gereicht werden, damit er sich umschauen kann, wo denn für ihn vielleicht Platz wäre. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen über vorhandene Therapieplätze.

Es ist interessant, was im Ausschuß gelaufen ist. Herr Guggenberger hat gesagt, man könne den Anspruch auf "Therapie statt Strafe" erfüllen, es gebe genug Plätze, und Herr Dr. Leiner hat das bestätigt, indem er gemeint hat: Innerhalb von drei Tagen bringe ich jeden Abhängigen auf einem Therapieplatz unter! Wenige Tage später hat Herr Guggenberger in einer Presseaussendung Herrn Leiner und der ÖVP ausrichten lassen, sie mögen sich doch endlich darum kümmern, daß in den westlichen Bundesländern Therapieplätze geschaffen werden. (Abg. Mag. Guggenberger: Das habe ich immer gesagt! Das habe ich auch zuerst gesagt!) Also so viel Toleranz Ihrer Glaubwürdigkeit gegenüber können Sie langsam wirklich niemandem mehr in Österreich zumuten.

Ich weiß, daß Sie immer noch glauben, daß die Psychiatrie jene Anlaufstelle ist, die Therapieplätze für Abhängige mehr oder weniger sicherstellt. Meine Damen und Herren von der SPÖ, von der ÖVP und auch von den Freiheitlichen! Haben Sie bis heute nicht kapiert, daß drogenkranke Menschen krank sind? Sie sind nicht psychisch krank, sondern sie sind drogenabhängig und haben deshalb in der Psychiatrie nichts zu suchen. (Abg. Mag. Guggenberger: Es geht um Psychotherapie!) Eine Statistik zeigt ganz genau, daß nur 30 Prozent aller Drogenabhängigen auch psychische Probleme haben. (Ruf bei der ÖVP: 50!) 100 Prozent der Drogenabhängigen stecken Sie aber in die Psychiatrie. Daß das keine Motivation sein kann,


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einen Entzug zu machen, das versteht sich, glaube ich, von selbst. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Guggenberger: 50 Prozent, das ist ja jeder zweite!)

Herr Guggenberger! Wenn Sie noch etwas dazu zu sagen haben und Ihre Redezeit bereits erschöpft ist, dann schreiben Sie es irgend jemandem von Ihren Kollegen auf, aber reden Sie mir nicht ständig drein. Ich mache das bei Ihnen ja auch nicht.

Seien Sie von der SPÖ und von der ÖVP doch einmal bereit, sich einzugestehen, daß Sie dieses Gesetz, das Sie heute beschließen wollen, ja gar nicht erfüllen können. Sie können es nicht erfüllen, denn Sie haben die Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen nicht geschaffen. "Therapie statt Strafe", so wie Sie das eigentlich der Bevölkerung weismachen wollen, steht für Sie nicht im Vordergrund, denn dann hätten Sie die Rahmenbedingungen absichern müssen, und das haben Sie nicht getan. Ihnen geht es im Grunde genommen nur darum, daß Menschen, die drogenabhängig sind, weiterhin kriminalisiert werden und daß Menschen, denen es schlechtgeht, keine oder kaum Möglichkeiten haben, eine Alternative zum Eingesperrtwerden in Anspruch zu nehmen.

Ich weiß, Sie können sich jetzt auf die sogenannte Zurücklegung bei erstmaligem Erwischen berufen. Das stimmt, die gibt es. Aber bitte, Herr Guggenberger, seien Sie doch einmal ehrlich: Wenn ich, um straffrei zu bleiben, nur alle fünf Jahre einen Joint rauchen darf und wenn ich, wenn es mich früher danach gustet, dann kriminell bin – wenn das nicht lächerlich ist, dann frage ich Sie: was sonst? Wenn ich nach drei Jahren einen Joint rauche und dabei erwischt werde, bin ich kriminell. Habe ich die Fünfjahresgrenze übersprungen, kann ich das völlig legal tun. So einen Gesetzespassus als Fortschritt zu werten, ist wirklich lächerlich.

Sie alle, meine Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP, wissen, daß die Herausgeber der angesehenen Zeitschrift "The Lancet" in der November-Ausgabe 1995, also schon vor längerer Zeit, festgestellt haben, daß die Freigabe von sogenannten weichen Drogen absolut nicht daran scheitern kann, daß es medizinische Bedenken gibt. Die Freigabe oder die Nichtfreigabe, die weitere Kriminalisierung von Cannabis ist ausschließlich ein Politikum und hat mit den Gesundheitsschäden überhaupt nichts zu tun.

Sie alle, meine Damen und Herren, müßten eigentlich wissen, daß die gesundheitsschädigendste Droge, die wir in Österreich haben, die aber legal, ja die Nobeldroge schlechthin ist, der Alkohol ist. An zweiter Stelle steht die Medikamentenabhängigkeit, worunter Menschen leiden. Daß Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit nicht unter Strafe gestellt sind oder werden, ist ganz logisch, denn ich glaube, alle Gerichte wären damit überfordert.

Ich frage Sie: Was spricht dagegen, weiche Drogen freizugeben, wenn die damit verbundenen Gesundheitsschäden, wie es in "The Lancet" zu lesen ist, viel geringer sind als bei Alkohol- und Tabakmißbrauch?

Meine Damen und Herren! Es ist nicht mehr aufrechtzuerhalten, daß Sie den Dealermarkt fördern und stark unterstützen. Denn nur die Freigabe der sogenannten weichen Drogen bei zentralen Stellen – zum Beispiel in Apotheken oder in sogenannten Coffee-Shops, wie es sie bereits in Amsterdam gibt – würde sicherstellen, daß a) die Beschaffungskriminalität zurückgeht und b) der Umstieg zur sogenannten harten Droge viel geringer wird.

Dafür gibt es ganz klare Beweise. In Amsterdam wurde zwischen 1982 und 1992 eine Studie gemacht. Diese Studie besagt, daß der Umstieg von den sogenannten weichen zu den harten Drogen in diesem Zeitraum von zehn Jahren vom Durchschnittsalter von 22 Jahren auf 34 Jahre zurückgegangen ist und daß jetzt nur mehr 1,7 Prozent der Abhängigen von starken Drogen im Altersbereich von unter 22 Jahren liegen. Wenn Sie das nicht als Erfolg sehen, dann frage ich Sie, woran Sie Ihre Erfolge denn messen wollen und was Sie als Erfolg sehen. (Beifall bei den Grünen und der Abg. Motter. )

Ein weiteres Anliegen der Grünen ist die Ermöglichung der medizinischen Nutzung von Cannabis. Der medizinische Gebrauch der Hanfpflanze ist ein Ergebnis jahrhundertelanger Erfahrung, und bis 1974 war es auch in Österreich erlaubt, daß Cannabis zum medizinischen


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Gebrauch eingesetzt wurde. Alle, die sich etwas mit Gesundheitspolitik auseinandergesetzt haben, wissen, daß Cannabis nicht nur krebskranken und aidskranken Menschen hilft, sondern daß es noch viele andere Anwendungsgebiete gibt, wo gute Erfolge zu erzielen waren. Diese Nutzung im medizinischen Bereich ist ebenfalls wieder oder noch immer kriminalisiert.

Meine Damen und Herren! Sie werden doch nicht glauben, daß dann in den Krankenhäusern die Leute herumsitzen und einen Joint rauchen werden. Dazu wird es natürlich nicht kommen. Die Freigabe von Cannabis für medizinische Bereiche würde ausschließlich dazu führen, daß die Leute Cannabisprodukte in Form von Kapseln konsumieren. Niemand braucht Angst zu haben, daß plötzlich die Wartesäle mit Joints rauchenden Menschen voll sein würden. Das wird es nicht geben.

Meine Damen und Herren! Für mich ist klar, warum Sie sich noch immer gegen die Anwendung von Cannabis im Bereich der Medizin wehren, während Sie sich auf der anderen Seite für die legale Verabreichung von Schlaftabletten und Tranquilizern, die stark abhängig machen – die Abhängigkeit bei diesen beiden Mitteln ist viel höher als bei Cannabis, aber das ist für Sie okay –, aussprechen, nämlich weil Sie damit die Pharmaindustrie unterstützen. Wenn Sie Cannabisprodukte freigeben würden, dann würden Sie der Pharmaindustrie ein Stück Markt wegnehmen, und das wollen Sie nicht, sondern Sie wollen sie stärken, und mit dem vorliegenden Gesetz können Sie das auch weiterhin tun.

Ich möchte aus diesem Grund einen Entschließungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend die Legalisierung von Cannabis

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, legistische Maßnahmen, insbesondere eine Novellierung des neuen Suchtmittel- und Psychotropen- sowie des Arzneimittelgesetzes für eine Legalisierung von Erwerb, Besitz, Einfuhr und Ausfuhr von Cannabis für den eigenen Gebrauch sowie für die Legalisierung von Cannabis als Medizin vorzubereiten.

*****

Es wäre aus unserer Sicht auch wünschenswert, wenn die staatlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Heroinabhängige möglich gemacht werden würde. Ich glaube, man würde den Heroinabhängigen damit sehr helfen, denn sie würden, wenn sie das Heroin beim Arzt gegen Entgelt bekommen könnten, wissen, welchen Reinhaltsgehalt es hat. Heute müssen sie sich das Heroin auf dem Schwarzmarkt zu hohen Preisen beschaffen.

Meine Damen und Herren! Sie können mir jetzt entgegenhalten: Wir haben in Österreich ja ein Methadon-Programm, damit tun wir eigentlich ohnehin schon etwas für die Heroinabhängigen! Aber Sie alle, insbesondere die Leute, die aus der Gesundheitspolitik kommen, müßten doch wissen, daß Methadon der Kick fehlt. Doch ein Heroinabhängiger braucht auch den Kick, und diesen muß er sich nach wie vor auf dem Schwarzmarkt kaufen. Die Behandlung mit Methadon ist für Heroinsüchtige keine Hilfe, weil sie sich die restlichen Möglichkeiten, um zu überleben, auf dem Schwarzmarkt beschaffen müssen. Die staatliche Abgabe von Heroin wäre daher ein ganz wichtiger Punkt. Nur die kontrollierte Abgabe von Heroin im medizinischen Bereich und eine klare Regelung der Abgabe von sogenannten weichen Drogen durch den Staat würden ermöglichen, daß man den Dealermarkt aushungert. Damit würde man auch erreichen, daß die Beschaffungskriminalität zurückgeht. Wenn Drogenabhängige klare medizinische Angebote in Anspruch nehmen könnten, ohne kriminalisiert zu werden, würde man auch verhindern, daß sie aufgrund ihrer Krankheit in der Gosse verrecken.


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Meine Damen und Herren! Sie wissen ganz genau, daß es nichts bringt, wenn kranke Menschen kriminalisiert werden. Kranke Menschen sind krank und haben Anspruch auf eine ordentliche Behandlung, sie dürfen nicht weiterhin kriminalisiert werden. Sie tragen die Verantwortung dafür, Sie entscheiden, ob die Dealer auch weiterhin jene unbegrenzte Möglichkeit haben werden, ihre Stoffe auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Damit werden Menschen weiterhin in Abhängigkeit gebracht und gezwungen, in die Kriminalität zu gehen, um ihre Drogenkrankheit unter Kontrolle zu bringen.

Mit diesem Gesetz, das heute hier beschlossen werden soll, bleibt der große Markt der Dealer uneingeschränkt aufrecht. Es bleibt weiterhin aufrecht, daß Menschen, die krank sind, kriminalisiert werden und nicht als krank anerkannt werden, daß Menschen, die drogenabhängig sind, automatisch in die Psychatrie gesteckt werden, wo sie gar nicht hingehören.

Meine Damen und Herren! Allein der Grundsatz der Ausschußfeststellung, daß alle Therapieangebote, die es in Zukunft geben soll oder die es bereits gibt, ausschließlich nach ökonomischen Gesichtspunkten zu erfolgen haben, zeigt ganz genau, daß Sie mit diesem Gesetz Ihrem Anspruch, der ursprünglich in der Regierungsvorlage vom 26. Mai 1996 drinnen stand, nämlich "Liberalisierung" und "Therapie statt Strafe", nicht einmal im Ansatz gerecht werden können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der Abg. Motter. )

11.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der von Frau Abgeordneter Haidlmayr vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

11.47

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich vorerst einige grundsätzliche Bemerkungen zu dem in Diskussion stehenden Gesetz machen. Ich glaube, daß wir in Österreich zu Recht darauf verweisen können, daß wir eine erfolgreiche Drogenpolitik betreiben. Das beweisen alle Vergleiche mit anderen Ländern und auch internationale Studien. Das neue Suchtmittelgesetz, in dem die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen im Drogenbereich ihren Niederschlag fanden, bildet eine entsprechende rechtliche Grundlage zur Fortführung unserer erfolgreichen Drogenpolitik.

Meine Damen und Herren! Dieses Suchtmittelgesetz löst das alte – das kann man jetzt schon bald sagen – Suchtgiftgesetz ab. Es nimmt auf neue Entwicklungen insofern Bezug, als Suchtgifte, aber auch psychotrope Stoffe und die entsprechenden Vorläuferstoffe in die gesetzlichen Bestimmungen Eingang finden.

Ich möchte aus diesem Gesetz jene zentralen Punkte herausgreifen, die aus meiner Sicht besonders wichtig sind. Wir haben nun die Chance, eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Maßnahmen für Menschen mit Suchtgiftproblemen zustande zu bringen. Wir sind auch in der Lage, einen verbesserten Jugendschutz vor Mode- und Designerdrogen zu gewährleisten. Ich meine damit nicht nur Ecstasy. Wir können mit diesem Gesetz auch neuen Entwicklungen, Entwicklungen, bei denen wir noch gar nicht abschätzen können, wie sie sich auswirken werden, beikommen.

Meine Damen und Herren! Als besonders wichtig betrachte ich es, daß wir eine bessere rechtliche Grundlage für die Schmerztherapie haben; Herr Abgeordneter Dr. Leiner hat aus seiner Erfahrung als Arzt schon darauf verwiesen. Wir kennen viele Fälle von schwerst krebskranken Patienten, wo wir mitleiden. Ab nun besteht für den Arzt die Möglichkeit, im Rahmen seiner Behandlungsfreiheit bessere Mittel für eine Schmerztherapie anzuwenden. Damit kann er sicherlich so manches Leid mildern.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch auf die bessere rechtliche Verankerung der Substitutionstherapie verweisen, wo man in Fällen, in welchen man aufgrund der aktuellen Situation


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meint, keine echte Heilung erreichen zu können, durch eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes zumindest eine Besserung erzielen kann.

Ich möchte aber auch auf die zentrale Botschaft dieses Gesetzes verweisen, wonach wir sagen, es geht um Therapie statt um Strafe. Dabei geht es darum, strengere Maßnahmen gegen das organisierte und internationale Verbrechen setzen zu können, wobei das Prinzip "Therapie vor Strafe" bei Drogenkranken stets Beachtung finden soll.

Herr Abgeordneter Dr. Ofner – er ist im Moment nicht da; aber das ist auch die Meinung seiner Fraktion – hat gemeint, "Therapie statt Strafe" funktioniere nicht. Wir wissen aus vielen Untersuchungen, daß es in der Drogentherapie keinen hundertprozentigen Erfolg gibt. Das ist ein Faktum, das wir zur Kenntnis nehmen müssen. Aber trotzdem beweisen alle aktuellen Studien, daß die Delinquenzquote und die Rückfallwahrscheinlichkeit nach drogentherapeutischen Maßnahmen deutlich sinken.

Sehr geschätzte Damen und Herren, insbesondere Sie von den Freiheitlichen! Ich frage Sie: Was ist die Alternative zu dem Programm, das wir anbieten möchten, zu der Chance, die wir anbieten möchten? – Die Alternative ist das Einsperren. Einsperren produziert aber noch mehr Sucht. Einsperren produziert noch mehr Kriminalität, noch mehr Opfer, noch mehr Täter und nicht zuletzt menschliches Leid. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das ein vernünftiges politisches Ziel sein kann! Aus unserer Sicht ist es das auf jeden Fall nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde mehrmals die Frage der Therapieplätze angesprochen. Ich möchte dazu feststellen, daß wir in Österreich eine umfassende stationäre Behandlung anbieten können, gleichzeitig aber auch sagen, daß auch dieses Angebot nicht garantiert, daß wir wirklich jedem Drogenkranken sofort den von ihm gewünschten Therapieplatz zur Verfügung stellen können. Es gibt in Österreich zirka 600 Behandlungsplätze in etwa 25 Einrichtungen, und diese Therapieplätze, sehr geschätzte Frau Kollegin Haidlmayr – sie ist im Moment nicht da –, befinden sich überwiegend nicht in psychiatrischen Kliniken. Die Bundesländer haben jeweils Kontingente in den bestehenden Einrichtungen, wo sie ihre Patienten einweisen können.

Zusätzlich zu diesen in den Krankenhäusern bestehenden Therapieplätzen gibt es noch die Möglichkeit der körperlichen Entgiftung und der Entzugsbehandlung. Dafür gibt es in den Bundesländern verschiedene zusätzliche Einrichtungen. Aber es haben auch die Krankenanstalten eigene Entzugsstationen. Darüber hinaus gibt es niederschwellige Einrichtungen wie Drogenambulanzen und Ambulatorien, Beratungsstellen, Nachbetreuungsstellen und auch Rehabilitationszentren, die das Angebot abrunden. Es wird also versucht, den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Drogenkranken Rechnung zu tragen.

Meine Damen und Herren! Auch ich meine, daß Drogenkranke Kranke im Sinne des Krankheitsbegriffes sind und ihnen daher gleichermaßen alle Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung stehen sollten. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Amon. )

Erlauben Sie mir auch eine Bemerkung zur Frage des Qualitätsanspruches, den Frau Kollegin Haidlmayr hier angezogen hat. Ich meine, daß in diesem Gesetz dem Qualitätsanspruch sehr gut entsprochen wird. Ich darf darauf verweisen, daß erstmals die gesundheitsbezogenen Maßnahmen gesetzlich festgeschrieben werden. Dabei werden ergänzend die klinische Psychologie und auch die Psychotherapie einbezogen. Was ich für sehr wichtig erachte, ist die Forderung, daß alle Einrichtungen, in denen gesundheitsbezogene Maßnahmen durchgeführt werden dürfen, von dem Ressort, für das ich die Verantwortung übertragen bekommen habe, bewilligt werden müssen. Diese Einrichtungen müssen das Betreuungsangebot genau definieren, Dokumentationen machen, jährlich einen schriftlichen Bericht erstatten und über einen mit Fragen des Suchtgiftmißbrauchs vertrauten Arzt verfügen. Wir haben im Ausschuß die Gelegenheit gehabt, über diese Frage sehr ausführlich zu diskutieren. Ich bin der Meinung, daß mit diesen rechtlichen Vorgaben ein hoher Qualitätsanspruch erfüllt wurde.


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Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zum Schluß meiner Ausführungen auch eine Bemerkung zu der Frage Cannabis. Durch dieses Gesetz – ich möchte es bei dieser Aussage bewenden lassen – wird der Konsum von Cannabis weder freigegeben noch verschärft geahndet. Ich glaube, damit gehen die Vorwürfe von der einen wie auch von der anderen Seite ins Leere. Ich meine, es konnte mit diesem Gesetzentwurf doch eine Balance zwischen den Ansprüchen, die auf die totale Freigabe abzielen würden, und den Ansprüchen, die in einer extremen rechtlichen Verfolgung von Drogenkranken enden würden, gefunden werden.

Meine Damen und Herren! Ich würde mich freuen, wenn wir mit diesem heutigen Beschluß die Weiterentwicklung der Drogenpolitik erfolgreich fortsetzen können und damit auch in die Lage versetzt werden, internationale Abkommen zu ratifizieren und damit dem Ausland gegenüber zu bekunden, wie wir uns die Bewältigung dieses Problems von Menschen vorstellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

11.57

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Es gibt offensichtlich Themen, die bei einer Diskussion dadurch geprägt sind, daß sie denjenigen, die sich an dieser Diskussion beteiligen, unter die Haut gehen, und dementsprechend emotional fällt dann auch die Diskussion aus. Das kommt in einer gewisse Schärfe in den Argumenten zutage. Ich meine, daß gerade das Thema "Suchtgifte" beziehungsweise "Suchtmittelgesetz" ein solches ist.

Meine Damen und Herren! Ich möchte allen, die sich zu diesem Thema schon zu Wort gemeldet haben und noch zu Wort melden werden, zubilligen, daß sie es ernst meinen, daß sie es gut meinen und daß sie, so wie wir, die wir dieses Gesetz heute beschließen wollen, getragen sind von dem Gedanken, die Jugend dieses Landes – aber nicht nur die Jugend, denn alle, die jung sind, werden älter –, also alle Menschen dieses Landes vor der – ich bringe jetzt keinen Vergleich aus dem Tierreich, weil dafür dieses unfair wäre – ungeheuren Gefahr zu schützen, in das Suchtgiftmilieu gebracht zu werden, die Einzelperson davor zu schützen, in das Suchtgiftmilieu eingeführt zu werden, süchtig zu werden, und diejenigen, die das vorhaben, davon abzuhalten, diese aber, wenn sie es dennoch tun und sich nicht davon abhalten lassen, möglichst zu erwischen und dann auch zu strafen.

Meine Damen und Herren! Der Zugang zu dieser Thematik ist bei den einzelnen Fraktionen dieses Hauses ganz offensichtlich ein unterschiedlicher – bei allem guten Willen, den ich schon einleitend zugebilligt habe. Ich bekenne mich zum Zugang meiner Fraktion – der übrigens auch der Zugang unseres Koalitionspartners ist –, daß das primär eine Frage der Gesundheit der Menschen, der Gesundheit der Gesellschaft dieses Landes ist, was auch dadurch zum Ausdruck kommt – etwas, was ich auch befürworte –, daß sich in dieser Debatte zuerst die Gesundheitssprecher und dann die Frau Gesundheitsministerin und dann die für den Justizbereich Verantwortlichen zu Wort melden. Es hat ja offensichtlich auch auf der Regierungsbank gemäß dieser Einstellung eine Absprache gegeben.

Meine Damen und Herren! Wir dürfen keine Traumtänzer sein, wir brauchen uns nicht einzubilden, daß wir es schaffen könnten, in diesem schwierigen Bereich ohne Strafrecht, ohne strafrechtliche Bestimmungen, ohne Sicherheitsexekutive, ohne Staatsanwälte und Richter auszukommen. Schön wäre es, wenn wir eine solche Gesellschaft erleben könnten! Aber da sollten wir uns nichts vormachen, denn das wird nicht so sein.

Es ist daher notwendig, daß wir uns abgesehen von den anderen richtigen und wichtigen Punkten dieses neuen Suchtmittelgesetzes damit befassen, wie wir die Abwehr der Kriminellen, die Menschen in die Abhängigkeit der Droge führen wollen, bestmöglich bewältigen.


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In diesem Zusammenhang muß ich gleich auf die Frage, die Kollege Ofner in seinem Debattenbeitrag gestellt hat, nämlich: Was habt ihr überhaupt verschärft?, sagen: Es ist schon, als wir die Novelle zum Strafgesetzbuch beschlossen haben, was die Abschöpfungsmöglichkeiten betrifft, eine intensive De-facto-Verschärfung eingetreten. Und dadurch, daß wir jetzt auch die psychotropen Stoffe und die Vorläuferstoffe ins Suchtmittelgesetz hineinnehmen, sanktionieren, wenn damit gehandelt wird, wenn Leute dazu verführt werden, sie einzunehmen, ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aussage, daß eine Verschärfung vorgenommen worden ist, durchaus richtig – auch wenn die Strafausmaße im einzelnen nicht erhöht worden sind. Wir haben das höchste Strafausmaß ja ohnehin mit 20 Jahren, daher brauchen wir wirklich nicht noch hinaufzugehen. Ob wir jetzt "20 Jahre" oder "lebenslänglich" für den extremen, großkriminellen Drogendealer sagen – ich glaube, das wäre Etikettenschwindel.

Es ist mir sehr wichtig, in meinem Debattenbeitrag, der sich leider auf 8 Minuten einzugrenzen hat, noch eine Bemerkung dazu unterzubringen, was Kollege Ofner als Justizsprecher der FPÖ hier gesagt hat, was, wie ich glaube, so nicht stimmt, wie er es gesagt hat. Man muß sich von der justizpolitischen Seite her damit auseinandersetzen.

Ich gehe auf seinen Zwischenruf ein, der vielleicht nicht im Protokoll steht; er hat, als Kollegin Motter sagte, sie habe selbst Kinder, gerufen: Ich habe Enkelkinder! – Auch ich habe Enkelkinder. Da brauchen wir doch in keinen Wettbewerb einzutreten. Auch ich möchte, daß nicht nur die mit mir blutsverwandten jungen Menschen, sondern alle jungen Menschen in diesem Lande vor den Dealern geschützt werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zweiter Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es ist ganz einfach nicht richtig – und das wird auch durch noch so oftmaliges Wiederholen nicht richtiger –, daß Dealer aufgrund der Bestimmungen des Gesetzes geschnappt werden und nach ein paar Tagen schon wieder draußen sind und den Stoff den jungen Menschen anbieten. – Das ist es ja nicht.

Ich bitte alle Kollegen und Kolleginnen – Kollege Pumberger, Sie kommen ja nach mir dran, Sie können sich damit noch gerne auseinandersetzen, aber ich bitte um Verständnis dafür, daß ich nicht mehr dazu sage, da ich nur sehr wenig Redezeit zur Verfügung habe und die Lampe schon blinkt –, sich den § 35 sehr genau und ehrlich anzuschauen und zu überlegen, worum es uns dabei geht – das ist auch noch ein Satz in Richtung der Kollegin Haidlmayr –, nämlich um folgendes: Man soll nicht einen "Kleinen" – so wie es Ofner gesagt hat –, der, um seine Sucht, die ihn schon in den Krallen hat, finanzieren zu können, gezwungenermaßen dealt, der irgendwo etwas stiehlt, weil er es sich anders nicht beschaffen kann, wenn er den sogenannten cold turkey in seinen Eingeweiden fühlt, mit der vollen Härte des Gesetzes existentiell vernichten. Dem wollen wir eine Chance geben, um nicht lebenslang keine Existenzmöglichkeit mehr zu haben.

Das ist der Sinn und Zweck dieses Gesetzes. Und ob man das jetzt im Detail mit einer vorläufigen Zurücklegung der Anzeige macht oder indem man sagt, wenn schon bis zu zwei Jahren verurteilt wurde, daß man die verhängte Strafe aufschiebt, wenn die Person, die bestraft oder angezeigt worden ist, beweist, daß sie bereit ist, daran mitzuwirken, von dieser Suchtkrankheit loszukommen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist gescheit, richtig, und das hat man zu tun. Und dazu kann man als Parlamentarier, der dieses Gesetz beschließt, mit vollem Herzen stehen.

Noch einen Satz in Richtung der Kollegin Haidlmayr: Ich weiß, daß die Diskussion betreffend die Freigabe von Produkten der Cannabis-Pflanze in einem Land wie Österreich, in dem die gesellschaftlich legalisierte Droge der Alkohol ist – mit all den entsetzlichen Auswirkungen, die mir auch aus meinem beruflichen Leben als Rechtsanwalt durchaus bekannt sind –, sehr leicht in die Richtung gleiten kann, daß man uns vorwirft: Einen, der einen Joint raucht, verfolgt ihr mit aller Härte des Gesetzes, und jemandem, der in einem Bierzelt einem Sechzehnjährigen fünf Krügel Bier verkauft, obwohl er sieht, daß er schon schwerbetrunken ist, tut ihr eigentlich nichts!

Frau Kollegin Haidlmayr! Diesbezüglich bin ich auf Ihrer Seite, aber ich lade Sie ein, sich den § 35 anzuschauen, Sie werden feststellen, daß Sie sich geirrt haben. Es ist nicht so. Der


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Staatsanwalt kann die Anzeige zurücklegen, aber nur beim ersten Mal, beim ersten Joint braucht er nicht einmal bei der Bezirkshauptmannschaft als Gesundheitsbehörde anzufragen, ob da Gefahr besteht. Wenn es innerhalb von fünf Jahren der zweite Joint ist, halte ich es nicht für schlecht, wenn der Staatsanwalt bei der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde anfragt, ob die betreffende Person in einem größeren Ring ist – er kann dann immer noch einstellen. Der Staatsanwalt hat das ad personam zu beurteilen, und das ist richtig und wichtig – und ich glaube, dazu kann man auch stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das, was sonst noch in dieser Richtung gesagt wurde, ist – und das ist meine feste Überzeugung – sehr ernst zu nehmen, ist in weiterer Folge im gesellschaftlichen Diskussionsprozeß durchaus nicht zu schubladisieren, nämlich nur deswegen, weil wir heute dieses Gesetz beschließen.

Ungeachtet dessen bin ich der Auffassung, daß dieses Suchtmittelgesetz mit all den Möglichkeiten, die jetzt gegeben sind, von seiten der Sicherheitsbehörde, von seiten des Staatsanwaltes, von seiten des Richters auf den Einzelfall einzugehen, ein gutes und vernünftiges Gesetz ist, das einen durchaus hoffnungsvollen Schritt in die Richtung setzt, das Problem der Drogen in diesem Land auch pro futuro vernünftig im Griff zu behalten und hoffentlich noch besser in den Griff zu bekommen, als es bisher schon der Fall war. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. Da die Anlage nicht funktioniert, werde ich Sie durch Läuten auf das Ende der Redezeit aufmerksam machen.

12.07

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Fuhrmann, Sie haben hier behauptet, die armen, bemitleidenswerten Drogenabhängigen, die zu Mitteln greifen müssen, um sich Drogen zu beschaffen, die dealen oder irgendeine andere Straftat begehen müssen, könne man nicht bestrafen, solle man nicht einsperren, diesen Leuten müsse man Verständnis entgegenbringen. (Abg. Dr. Fuhrmann: Da haben Sie mir leider nicht aufmerksam zugehört!)  – Wissen Sie, Herr Kollege Fuhrmann, daß Sie damit für Leute wie einen Verbrecher wie Tony Wegas hier ein Plädoyer abgegeben haben? – Das ist in höchstem Maße unvertretbar, Herr Kollege Fuhrmann. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fuhrmann: Ist ja nicht wahr! – Raub fällt nicht unter § 35!) Das spiegelt die Drogenpolitik in Österreich wider.

Wenn Frau Ministerin Hostasch stolz behauptet: Österreich hat eine erfolgreiche Drogen politik!, kann ich ihr recht geben. – Die Zahlen sprechen dafür: steigende Zahlen von Drogentoten, steigende Beschaffungskriminalität, steigende Suchtgiftkriminalität überhaupt. Aber die österreichische Antidrogen politik ist gescheitert, Frau Bundesministerin, und dieses Gesetz trägt auch dazu bei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eines lasse ich auch nicht auf uns sitzen: Kollege Guggenberger hat behauptet, daß Exjustizminister Ofner alle Suchtkranken einsperren wolle. – Das ist nicht unser Ziel, und das hat Ofner auch nicht so gesagt. Ich stelle vielmehr richtig, daß wir keine Straffreiheit für im Rahmen der Drogenkonsumation straffällig gewordene Österreicherinnen und Österreicher und auch Fremde, die sich bei uns befinden – und es sind sehr viele, die straffällig werden –, wollen, wir wollen nicht, daß man ihnen einen Freibrief erteilt, daß man ihnen eine Pseudobehandlung ermöglicht (Abg. Dr. Fuhrmann: Tut man ja nicht!) , wodurch sie frei herumgehen und ihr übles Geschäft weiter ausüben und unsere Jugend bedrohen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das geltende Suchtgiftgesetz war bisher nicht in der Lage und wird bis zum 31. Dezember dieses Jahres, bis zu dem es noch Gültigkeit hat, nicht in der Lage sein, die Zahl der Süchtigen zu senken. Ganz im Gegenteil. Diese Zahl steigt weiterhin eminent an.


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Dieses Gesetz ist auch nicht in der Lage, die explosionsartig ansteigende Drogenkriminalität in den Griff zu bekommen. Es ist auch nicht in der Lage, auch nur irgendeinen Einfluß zur Eindämmung des organisierten Verbrechens im Zusammenhang mit Drogen auszuüben. Und es ist auch nicht in der Lage, die Beschaffungskriminalität in den Griff zu bekommen.

Dieses Gesetz trägt höchstens dazu bei, da es nicht in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen, daß weiterhin junge Existenzen vernichtet werden, daß unsere Kinder und Enkelkinder leichter in den Sog der Drogenkonsumation gezogen werden. Durch die Verniedlichungspolitik, Verharmlosungspolitik, mit der man Haschisch mit diesem Gesetz de facto freigibt, wird der Trend in diese Richtung weiter verstärkt.

Dieses Gesetz trägt auch nicht dazu bei, die Zahl der Drogentoten zu senken. – Kollege Guggenberger von der SPÖ hat den Wiener Drogenbericht zitiert und sich gerühmt, daß wir in Wien im vergangenen Jahr um zehn Drogentote weniger gehabt haben. (Abg. Mag. Guggenberger: Zehn Drogentote weniger!) Ich muß dazu sagen: Wir haben im vorigen Jahr 247 Drogentote gehabt, ist Ihnen das nicht genug? Wenn es um zehn weniger als 1995 waren, betrachten Sie das als Erfolg? (Abg. Mag. Guggenberger: Das sind 247 zuviel!) – 247 Drogentote sind exakt so viele, wie wir Abgeordnete im Nationalrat und Bundesrat zusammen haben. Und jeder einzelne muß sich Gedanken darüber machen, ob er durch die Drogenpolitik nicht auch ein Quentchen Mitverantwortung an diesem rasanten Anstieg der Zahl der Drogentoten und an diesem Dilemma, das dahintersteckt, trägt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es betrifft das ja nicht nur jene Bedauernswerten, die an den Drogen direkt sterben. Die Statistik enthält ja nicht jene, die an Aids versterben, weil sie sich im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum infiziert haben. Sie enthält auch nicht jene, die Suizid verüben, nicht jene, die an Hepatitis C sterben. Es sind auch jene nicht enthalten, die als Angehörige die Nerven wegwerfen: die Mütter, die Väter, die Geschwister, die hineingezogen werden, wenn ein Familienmitglied drogenkrank ist. All diese bemitleidenswerten Menschen sind nicht in der Statistik angeführt.

Daher: Reißen wir uns am Riemen, machen wir eine ordentliche, konstruktive Drogenpolitik, nehmen wir keine Legalisierung und Liberalisierung hinsichtlich der weichen Drogen vor, wie Sie dies mit dieser Gesetzesvorlage beabsichtigen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tegischer: Wollt ihr alle einsperren?) Denn dieser Gesetzentwurf ist ein Fortschreiben jenes Weges, den die österreichische Drogenpolitik seit Jahren und Jahrzehnten geht. Es handelt sich dabei um einen falschen Weg, meine Damen und Herren, es ist das ein Weg in Richtung Liberalisierung, keine Verschärfung – es ist überhaupt keine Verschärfung enthalten, all die Details gehen in Richtung Liberalisierung. Und diesen Weg der Liberalisierung gehen wir Freiheitlichen als einzige Partei geschlossen nicht mit.

Ich sage Ihnen folgendes, meine Damen und Herren: In Wien gibt es 5 000 bekannte Heroinsüchtige, die Heroin im Wert von 2 Milliarden Schilling pro Jahr konsumieren (Abg. Tegischer: Die Lösung hätten wir gerne! – Einsperren?)  – nur in der Stadt Wien; das sind 500 000 S, eine halbe Million Schilling pro Süchtigem –, und die müssen sich das Geld beschaffen.

Eine neue Studie aus der Bundesrepublik Deutschland sagt, daß jeder Heroinsüchtige pro Tag durchschnittlich zehn Straftaten begeht. Und diese Heroinsüchtigen können wir nach der neuen Gesetzeslage überhaupt nicht mehr in den Griff bekommen. (Abg. Tegischer: Die sind krank!)

Alle Staaten, die einen Weg in Richtung Liberalisierung gegangen sind, sind mit diesem Weg gescheitert. Schweden hat es schon 1986 versucht, zwei Jahre später hat es wieder eine restriktive Politik eingeführt.

Es ist in fast allen Staaten so: Die Drogenpolitik wird in einer Art Pendelbewegung betrieben: Einmal geht man in Richtung Liberalisierung, dann sieht man, daß das nicht geht, daß die Zahl der Drogenfälle zunimmt, und dann macht man wieder eine restriktive Politik, aber dann kommt wieder Druck von der linken Seite, von der Schickeria, von der Schickimicki-Gesellschaft, wo es einfach in ist, Drogen zu konsumieren, man gibt dem Druck wieder nach und geht in Richtung Legalisierung und Liberalisierung.


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70. Sitzung / Seite 54

Meine Damen und Herren! Das Prinzip "Therapie statt Strafe" ist grundsätzlich nicht schlecht. "Therapie statt Strafe" soll für jene gelten, die drogenkrank sind, aber nicht für jene, die im Zusammenhang mit ihrer Drogensucht straffällig werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Gesetz sieht vor, daß man in Zukunft eine dreijährige unbedingte Strafe in eine bedingte umwandeln kann, wenn nur von sich behauptet wird, daß man an eine Droge gewöhnt sei. Es werden vielleicht Straftäter sagen: Ja, ich bin an eine Droge gewöhnt! – nachweisen kann man es nicht –, und damit wird möglicherweise ein Dealer, der gar nicht süchtig ist, auch von dieser Straffreiheit Gebrauch machen und am nächsten Tag schon wieder auf freiem Fuß sein und sich einer psychotherapeutischen Beratung unterziehen, wofür das Gesetz keinen Erfolgsnachweis verlangt. Das ist wirklich eine schlimme Sache.

Ein Herr Tony Wegas, Anton Sarközi, ein Schickimicki-Mann, der von der österreichischen Politik gefördert, einem 300-Millionen-Publikum als Star präsentiert wurde, der kläglich gescheitert und zum Verbrecher geworden ist, würde nach dem neuen Gesetz, wenn er über 80 Jahre alte Damen überfällt, sie beraubt, nach dem neuen Gesetz straffrei gehen. (Abg. Tegischer: Das ist falsch! Das fällt nicht unter § 35! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) – Er würde straffrei gehen, das ist nicht falsch, das steht so im Gesetz.

Dieses Gesetz bedeutet einen Freibrief für Dealer. Auf einen Großdealer vom Drogenkartell entfallen ungefähr 500 bis 1 000 Kleindealer, weil beinahe jeder Konsument auch ein Dealer ist, weil er sich die Drogen beschaffen muß. Und diese Kleindealer, die Verbrechen verüben, sollen auch dann nicht eingesperrt werden, wenn sie vor Schulen Drogen an Minderjährige verteilen, wenn sie Mitglied einer Drogenbande sind, was besonders schwerwiegende Verbrechen sind. Auch für sie ist die Höchststrafe drei Jahre unbedingt, die jetzt in eine bedingte Strafe umgewandelt wird, wenn sie sich einer psychotherapeutischen Beratung unterziehen – auch sie müssen keinen Therapieerfolg nachweisen.

Wir haben gesehen, daß sich Tony Wegas schon monatelang keiner Kontrolle mehr unterzogen hat, aber trotzdem auf freiem Fuß geblieben ist. Das ist dann die Praxis nach dem Gesetz, das wird jetzt legalisiert. Dafür sind wir nicht zu haben, weil wir Verantwortung für unsere Jugend und Verantwortung für die österreichische Bevölkerung in der Drogenpolitik übernehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen noch folgendes zur Substitutionsbehandlung: Die Substitutionsbehandlung wird jetzt ermöglicht, nicht nur per Verordnung mit Methadon, sondern das wird jetzt zum Gesetz und ist mit jedem Suchtmittel möglich.

Es hat sich jetzt de facto Kollege Leiner durchgesetzt, denn die ÖVP sagt immer, dieses Gesetz trage ihre Handschrift – Kollege Rasinger hat das in einer Pressekonferenz gesagt. – Jawohl, es trägt die Handschrift des Kollegen Leiner, der in einer Presseaussendung die Therapie mit Heroin auf Krankenschein gefordert hat. Mit dem § 8 im Suchtmittelgesetz ist das jetzt möglich geworden. Kollege Leiner, ich gratuliere Ihnen, aber daß Sie sich auch noch rühmen, daß es die Handschrift der ÖVP ist, wenn Sie Heroin auf Krankenschein abgeben können, wenn Sie eine Substitutionsbehandlung mit Heroin durchführen können – und das ist enthalten, da können Sie mit dem Kopf verneinend nicken, das ist ganz einfach möglich und nicht mehr strafbar –, daß sich die ÖVP durchgesetzt hat, verstehe ich nicht, da ja innerhalb der ÖVP große Schwierigkeiten auftreten. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Kollege Rasinger zum Beispiel hat in einem "Kurier"-Interview gesagt: Haarsträubend, dieses Gesetz! In Zukunft wird jeder erwischte Dealer erklären, er sei süchtig, und zwei Jahre später einen Behandlungserfolg nachweisen.

Kollege Kukacka – er ist heute gar nicht gekommen – hat gesagt, daß dieser Gesetzentwurf seine Zustimmung nicht bekommt, er wird seine Zustimmung verweigern – aus all den von mir angeführten Gründen.

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch sehr viel zu sagen, aber meine Redezeit ist zu Ende, daher nur noch folgendes: Die Freiheitlichen fordern eine Drogenpolitik, die bei der Beratung


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von Schülern und Lehrlingen durch professionelle Lehrer, durch professionelle Ärzte und Drogenfahnder anfängt, einen Ausbau der Drogenfahndung, sowohl personell als auch technisch, eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit Europol, ausreichende Therapieplätze für Suchtkranke und keine Bevorzugung von drogensüchtigen Kriminellen gegenüber allen anderen Kriminellen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rasinger. – Sie haben das Wort. Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

12.20

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eigentlich wollte ich mit dem Thema "Angst der Eltern um ihre Kinder" anfangen. Aber, lieber Abgeordneter Pumberger, wenn du das Gesetz von 1985, das dein Kollege Ofner damals als Justizminister federführend betrieben hat, derartig in Grund und Boden verdammst, dann glaube ich, wäre ein Gespräch zwischen euch beiden angesagt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn du heute noch dazu das Märchen verbreitest, daß es nun Heroin auf Krankenschein gibt, dann muß ich dir sagen, ich hoffe, du bist als Arzt nicht so schlampig (Beifall und Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ), weil im Gesetz steht keine einzige Zeile davon.

Es steht nur im Gesetz: Arzneimittel können zu Substitutionszwecken abgegeben werden. – Heroin ist kein Arzneimittel, Heroin ist in Österreich keine erhältliche ... (Abg. Dr. Pumberger: Suchtmittel, nicht Arzneimittel!)  – Auch wenn du noch so viel "herumrandalierst" – es ist kein suchtmittelhältiges Arzneimittel mit Heroin in Österreich auf dem Markt und wird auch nicht auf dem Markt sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber ich glaube, wir sollten uns nicht mit derartigen Peinlichkeiten aufhalten. Ich glaube, das Thema ist viel zu ernst, denn es handelt sich um tatsächlich echte Tragödien. Ob es jetzt 240 oder 250 Drogentote sind – es sind auf jeden Fall zu viele. Ob wir international gesehen mit etwa 12 000 Heroinabhängigen gut oder nicht gut liegen – aus meiner Sicht sind es auf jeden Fall zu viele.

Mein Ziel, das Ziel meiner Fraktion, der ÖVP, ist es, in Österreich ein möglichst drogenfreies Leben umzusetzen. Das ist natürlich irreal, aber wir wollen nicht resignieren, wir wollen diesem Ziel zumindest einen Schritt näherkommen.

Wie schaut denn der Weg aus, der heute hier gezeichnet wurde? – Den einen Weg hat Herr Abgeordneter Ofner gezeichnet, er hieß "law and order". Ich sage Ihnen folgendes: In Amerika – Herr Haider, Sie sind ja oft in Amerika – werden ganze Stadtteile de facto aufgegeben, weil die Mischung von Armut, leichter Verfügbarkeit von Waffen und Drogen dort die Kriminalitätsrate derart in die Höhe getrieben hat. Und die Strafen – dort gibt es sogar die Todesstrafe – haben nichts bewirkt, die Zahl der Süchtigen ist wesentlich höher.

Kalifornien gibt heute schon mehr Geld für Gefängnisse als für Bildungseinrichtungen aus. Die deutschen Polizeipräsidenten – das wurde auch heute schon gesagt – haben gesagt: Nur mit den Mitteln des Strafrechts und den der Polizei zur Verfügung stehenden Mitteln können wir das Problem nicht lösen. – Also tun wir doch nicht so, als ob wir mit noch mehr Polizei und mit noch mehr Gefängnissen das Problem lösen könnten. Das ist nur eine Scheinlösung! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Liebe Frau Kollegin Haidlmayr! Ich schätze Sie sehr, aber wenn Sie die Haschisch-Freigabe mit medizinischen Aspekten begründen, dann muß ich Ihnen schon sagen: Ich glaube, Sie verwechseln da zwei Dinge. Im medizinischen Bereich – diesbezüglich gibt es sogar Forschungsversuche – ist Haschisch im Endstadium von HIV, im Endstadium von Krebs ein Segen, weil es den Appetit anregt, weil es das schreckliche Erbrechen deutlich mindert. Aber das als


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Begründung herzunehmen, daß sich jetzt jeder einraucht, ist nicht sehr gut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bedenken Sie folgendes – in diesem Zusammenhang wird immer wieder Holland als Beispiel gebracht, das muß man sich einmal genau anschauen: In Holland hat man festgestellt, daß dort, wo Haschisch ist, Heroin nicht weit ist. Und wenn man das eine freigibt, dann hat man auch denselben Vertriebsweg beim anderen Produkt, und man muß damit rechnen, daß das einen großen Druck darstellt.

Auch wenn Sie den Kopf schütteln, Herr Professor Van der Bellen, muß ich Ihnen sagen: Es ist leider so, und an Tatsachen kann man nicht vorbeigehen. Aber Holland ist Gott sei Dank restriktiver geworden.

Nun zur Heroin-Freigabe, ob auf Krankenschein, in der Apotheke oder beim Arzt: Frau Haidlmayr! Ich bin Arzt geworden und nicht Abgeber von Heroin! Ich habe andere Sorgen, als jeden Tag ... (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Peter : Das heißt, Sie verweigern die Behandlung von kranken Menschen!)

Mir reichen jene 12 000 von harten Drogen Abhängigen. Wenn Sie Heroin de facto freigeben, dann muß ich Sie fragen – angesichts der Suchtbereitschaft bei legalen Süchten in Österreich; es gibt 300 000 Alkoholabhängige, mit ihnen gibt es große Probleme; von den 17jährigen Jugendlichen rauchen 50 Prozent –, ob Sie glauben, daß es dann noch bei dieser Zahl von 12 000 bleibt? – Ich garantiere Ihnen, es wird dann 50 000 bis 100 000 geben, die von harten Drogen abhängig sind. Ich würde mit Ihnen wetten, aber ich will die Wette lieber nicht eingehen.

Der österreichische Mittelweg, den Herr Ofner verlassen hat, obwohl er ihn einmal mitbeschlossen hat, hat sich, so glaube ich, bewährt; er war nicht romantisierend und nicht verniedlichend. Er basiert auf vier Säulen: erste Säule Prävention, zweite Säule Repression durch Justiz und polizeiliche Maßnahmen, dritte Säule Therapie, vierte Säule Therapie durch Substitution.

Über die Repression wird man noch reden müssen, aber wenn Sie den österreichischen Richtern nicht zutrauen, daß sie darüber entscheiden können, ihre Befugnisse, die jetzt bescheiden erweitert werden, zu nützen, dann frage ich mich: Welches Vertrauen haben Sie überhaupt?

Wenn Sie nicht akzeptieren, daß der Handel mit Tabletten, mit Ecstasy, der Handel mit Tranquilizern im Sinne der UNO-Konventionen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft wird, dann muß ich Sie fragen, was denn sonst Verschärfung ist. Ich verstehe die Welt nicht mehr, wenn Sie nicht akzeptieren, daß der Hauptausschuß – in dem sitzen übrigens auch Sie von der FPÖ – sehr rasch reagieren und Höchstmengen freisetzen kann, denn das ist doch eine Maßnahme in Richtung Verschärfung!

Ich will wirklich keine falsche Humanität, weil ich glaube, Dealer richten in diesem Land genügend Tragödien an.

Zweiter Punkt: Langzeittherapie. Natürlich muß im Bereich der Langzeittherapien noch mehr gemacht werden, wir haben aber 1980 praktisch bei Null angefangen, 1985 kamen wir durch Ofner weiter, und wir sind heute auf einem relativ guten Weg. Ich meine, daß die Zahl der Langzeitentzüge in den nächsten fünf Jahren sicher verdoppelt werden müßte.

Nächster Punkt: Substitution. In diesem Gesetz wird die rechtliche Grauzone endlich genau abgegrenzt und gesetzlich formuliert, es ist eigentlich ein Schutz für Ärzte. Ich möchte an dieser Stelle Exminister Löschnak danken, der damals den ersten Schritt gewagt hat, diesen Substitutionserlaß herauszugeben. Deutschland ist erst Jahre später gefolgt. Deutschland hat das jahrelang verhindert und hat heute noch größere Probleme. Deutschland hat in diesem Zusammenhang vom "goldenen Schuß auf Staatskosten" und so weiter gesprochen. Heute schwenkt Deutschland in diesem Bereich auf den österreichischen Weg ein, und ich danke dafür.


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Wir liegen im Bereich der Substitution weit vor Deutschland. Wir wissen, daß durch die Substitution mit Methadon – Sie verteufeln das, Frau Haidlmayr, aber wenn Sie dann Heroin als einziges Mittel abgeben, dann können Sie sicher sein, daß kein Mensch mehr auf Methadon eingestellt werden will – die Kriminalität um 90 Prozent gesenkt, die HIV-Ansteckungsrate dramatisch gesenkt, die Arbeitsfähigkeit erhöht und die Langzeitentzüge überhaupt erst möglich gemacht werden.

Wichtig scheint mir aber auch der Punkt Prävention zu sein. Das ist überhaupt der wichtigste Punkt, er ist heute kaum angesprochen worden, er ist auch nicht Teil des Gesetzes, er kann auch nicht Teil des Gesetzes sein. Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, daß eine Großszene entsteht, das betrifft polizeiliche Maßnahmen – kein Zürich!

Zweitens: Aufklärung. Bitte treten Sie unserem Vorschlag bei, einen Präventionsfonds zu fördern!

Drittens: Die Einstiegsschwellen in der Jugend, auch wenn das niemand hören will, sind Alkohol und Rauchen, in diesen Bereichen müssen wir wirklich mehr tun. Es ist nicht notwendig, daß 37 Prozent der 16jährigen schon regelmäßig rauchen.

Vierter Punkt: Sport. Sport und Drogen vertragen sich nicht. Auch wenn dieses Thema von Frau Vranitzky in Österreich aufgebracht wurde – es ist richtig.

Fünftens: Stärkung der Persönlichkeit. Die Kinder müssen lernen, daß es auch ein Nein gibt. Es geht auch um emotionelle Geborgenheit, es geht um Wohlstandsverwahrlosung. Das ist Familienpolitik; gute Familienpolitik ist wahrscheinlich gute Drogenpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum Schluß: Es ist irreal, das Ziel Drogenfreiheit zu erreichen, aber wir sollten zumindest die Vision haben, ihr einen Schritt näherzukommen.

Mit diesem Gesetz wird der österreichische Mittelweg, der erfolgreich war, jedenfalls weiterbeschritten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Pumberger hat das Wort zu einer tatsächlichen Berichtigung verlangt.

Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, mit dem Sachverhalt zu beginnen, den Sie berichtigen wollen. – Bitte.

12.30

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rasinger, Gesundheitssprecher der ÖVP, hat behauptet, ich hätte das Gesetz nicht richtig interpretiert und behauptet, es wäre jetzt möglich, Heroin zur Entzugs- und Substitutionsbehandlung einzusetzen.

Ich stelle tatsächlich richtig, daß, nicht wie Rasinger gesagt hat, "Arzneimittel" im Gesetz steht, sondern da heißt es folgendermaßen: Suchtmittelhaltige Arzneimittel – da fällt auch heroinhältiges Arzneimittel im Sinne des Suchtgiftgesetzes hinein – dürfen zur Entzugs- und Substitutionsbehandlung eingesetzt werden.

Im Rezeptpflichtgesetz wird das insofern geändert, daß im § 7 Artikel 7 das Rezeptpflichtgesetz auf Arzneimittel, die ein Suchtgift im Sinne des Suchtmittelgesetzes enthalten, keine Anwendung findet. Daher ist das aus dieser Gesetzeslage herausgenommen. Es kann also de facto – ich hoffe, daß es nicht der Fall sein wird – Heroin in Zukunft als Entzugs- und Substitutionsbehandlung im Sinne einer Presseaussendung und des Wunsches vom parlamentarischen Gesundheitssprecher der ÖVP, Dr. Leiner, eingesetzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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12.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

12.31

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ofner hat gesagt, solange man einen Abgeordneten braucht, um jemandem ein Bett in einer Entziehungsanstalt zu verschaffen, ist die Situation dramatisch. Ich möchte ihm diesbezüglich recht geben.

Die Situation ist dramatisch, weil man in dieser Etappe kaum mehr andere Möglichkeiten hat, außer mit Methadon auszuhelfen. In dieser Etappe würde ich etwa das verfolgen, was jetzt in Zürich und auch in Deutschland sehr gut angelaufen ist – da möchte ich Kollegen Rasinger recht geben, der jetzt gerade hinausgeht –: In Deutschland ist man dabei, einen neuen therapeutischen Ansatz zu implementieren, das heißt, daß man eine Abgabe von Heroin in kontrolliertem Rahmen ermöglicht. Das ist wie in Zürich, wo eine Station eingerichtet wurde, in der die Süchtigen in Zusammenarbeit mit den Ärzten vereinbaren, welche Menge sie benötigen. Manche Süchtige sind auch damit einverstanden, die Menge zu verkleinern, um dadurch einen Entzug sozusagen überhaupt erst zu ermöglichen.

Das Gute daran ist, daß diese Süchtigen wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden können, daß es weniger Infektionen gibt, weil sie sich etwa über Spritzen nicht mehr infizieren. Sie haben weniger Infektionen, weil die Gelegenheiten, infiziert zu werden, nicht mehr gegeben sind, weil ihr Gesundheitszustand wesentlich besser ist, weil sie in einem geregelten Leben, einem geregelten Broterwerb nachgehen können. Das, so glaube ich, ist der Ansatz, der sehr ernst ist und den wir in Österreich mitverfolgen sollten. Es reicht nicht, nur mehr Betten zur Verfügung zu stellen, sondern ... (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Selbstverständlich gegen Entgelt. (Abgeordnete der Freiheitlichen unterhalten sich laut.)

Ich weiß nicht, Herr Haider, ob Sie sich wegen mir oder wegen Ihrer Partei aufregen (Abg. Dr. Haider : Sie sind nicht so bedeutend!) , aber hören Sie mir zu, dann werden Sie vielleicht Ansätze finden, wie man die Drogenpolitik in Österreich besser gestalten könnte!

Ich glaube wirklich, daß man den Menschen helfen könnte, indem man ihnen diese Möglichkeiten bietet, das heißt also, saubere Spritzen, saubere Produkte zur Verfügung stellt. Im Sinne der Entwicklung, die es jetzt auch in Amerika gibt, haben wir bei Cannabis sehr wohl eine Unterscheidungsmöglichkeit. Es ist doch pervers, zu sagen, beim ersten Joint habe man nach dem österreichischen Rechtssystem keine Bedenken, sondern nach dem zweiten Joint innerhalb von fünf Jahren kämen die Bedenken, und man müsse sich erkundigen. Das ist doch eine perverse Situation. Entweder man hat Bedenken, dann muß der erste Joint ausreichen, oder man hat keine Bedenken, und dann ist es völlig irrelevant, ob man jemanden beim ersten oder beim zweiten oder gar beim dritten Mal erwischt.

Ich glaube wirklich, daß man bei Cannabis eine Milieutrennung machen kann, eine Milieutrennung, die es auch ermöglicht, einer Sucht nachzugehen. Obwohl wir vom Liberalen Forum durchaus eine suchtfreie Welt als ein Idealbild ansehen würden, sehen wir ein, daß sich manche Personen Suchtmittel gönnen wollen. Darunter fallen Alkohol und Nikotin – schauen Sie einmal, wer aller draußen raucht –, und darunter fällt auch nun einmal Cannabis.

Solange das ein Bestandteil unserer Welt ist, muß man dem auch Rechnung tragen. Man sollte das Milieu trennen, indem man auf der einen Seite etwas legalisiert, was unbedenklich ist, was keine Einstiegsdroge ist, und was nur dann eine Einstiegsdroge bedeuten würde, wenn das Milieu nicht getrennt ist und daher Kriminelle den Vertriebsweg kontrollieren. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Totalverbote auszusprechen in einer Zeit, in der man an Lacken und Benzin snifft, Totalverbote auszusprechen in einer Zeit, in der man sich, wie jeder Vorredner bis jetzt gesagt hat, an jeder Schule alles Mögliche besorgen kann, was man will, halte ich nicht für eine sinnvolle Art und Weise, das Problem global anzugehen. Es ist nun einmal wirtschaftlich gesehen interessant, über dunkle Kanäle Suchtmittel nach Österreich und nach Europa zu bringen, um damit viel Geld zu verdienen. Solange die ökonomische Komponente im Vordergrund steht, wird man sicherlich nicht in der Lage sein, diese Situation auf Dauer in den Griff zu bekommen.


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Deswegen noch einmal: Milieutrennung; Cannabis sollte herausgenommen werden. Deshalb würde ich Sie bitten, sich den Antrag, den Frau Abgeordnete Motter eingebracht hat, noch einmal ganz genau anzuschauen, weil er in diese Richtung geht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Als besondere Pikanterie finde ich es, daß wir erst jetzt in der Lage sind, dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen zuzustimmen. Lange hat es gedauert, meine Herrschaften! Jetzt sind die Vereinten Nationen, im speziellen diese Überwachungsorganisation in Wien, mit Österreich im Gespräch, warum wir nicht endlich Schritte in diese Richtung setzen. Wenn man ökonomischen Profit von Sucht, von Drogensucht trennen würde, würde man das Problem viel schneller und effektiver lösen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Onodi. – Bitte.

12.37

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir nun die gesundheitspolitisch relevanten Schwerpunkte dieses Gesetzes betrachten, so finden wir da auch eine verbesserte rechtliche Verankerung der Schmerztherapie sowie der Entzugs- und Substitutionsbehandlung.

Während derzeit nach dem Suchtgiftgesetz Suchtgifte nur dann verschrieben werden dürfen, wenn die Behandlung mit anderen, nicht suchtgifthältigen Arzneimitteln keinen Erfolg verspricht, soll die Neuregelung auf eine dem jeweiligen Schmerzniveau angepaßte ärztliche Behandlung auch mit Opiaten hinwirken und ungenügende Verschreibungspraxen verhindern helfen. Damit, sehr geehrte Damen und Herren, soll auch eine effektive Schmerzbehandlung gerade als wichtiger Bestandteil der Krebsbehandlung möglich sein.

Als weitere gesundheitsbezogene Maßnahme wäre die Verankerung der klinischen Psychologie, der Psychotherapie und der psychosozialen Beratung und Betreuung zu sehen. Gesundheitsbezogene Maßnahmen und Einrichtungen müssen in Zukunft eine Qualitätsbestätigung erhalten. Sie müssen in Zukunft genehmigt werden, und dadurch ist dann auch eine Qualitätssicherung gegeben. So muß sichergestellt sein, daß die Behandlung in diesen Einrichtungen grundsätzlich abstinenzorientiert erfolgt und die gesellschaftliche Wiedereingliederung des Suchtkranken verfolgt.

Die Einrichtung muß über einen mit Fragen des Suchtgiftmißbrauches hinreichend vertrauten Arzt sowie – je nach Betreuungsangebot – für die Durchführung der klinisch-psychologischen und psychotherapeutischen oder psychosozialen Maßnahmen über entsprechend qualifiziertes und mit Fragen des Suchtgiftmißbrauches hinreichend vertrautem Personal verfügen. Durch diese Personalerfordernisse soll sichergestellt werden, daß sämtliche therapeutische Maßnahmen dem Stand der jeweiligen Wissenschaft entsprechen.

Durch diese gesundheitspolitischen Maßnahmen und durch die Ziele dieses neuen Suchtmittelgesetzes sind vor allem drei Grundsätze verankert: Ausbau des Prinzips "Therapie statt Strafe" für Drogenkranke, strengere Maßnahmen gegen die organisierten und internationalen Verbrechen und auch die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Maßnahmen für Menschen mit Suchtgiftproblemen.

Zum Schluß möchte ich noch in zweiter Lesung einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen zum Suchtmittelgesetz einbringen.

In den Kernpunkten betrifft dieser Abänderungsantrag zum Teil Zitierungsänderungen. Darüber hinaus soll er aber vor allem klarstellen, daß das zuständige Organ der Zollwache für die zuständige Sicherheitsbehörde einschreitet und nicht – wie in der Regierungsvorlage vorgesehen – die nächstgelegene Sicherheitsbehörde.


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Weiters stellt die Änderung auf ein allfälliges Inkrafttreten des Artikels 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens erst nach dem 1. Jänner 1998 ab.

Ich ersuche Sie, sehr geehrter Herr Präsident, den Antrag verteilen zu lassen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. )

12.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Antrag, den Frau Abgeordnete Onodi soeben in den Kernpunkten erwähnt hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen. Im Hinblick auf den Umfang komme ich Ihrem Ersuchen nach und veranlasse die Vervielfältigung und die Verteilung. Der Antrag wird auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen zum Bericht des Gesundheitsausschusses (652 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (110 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Artikel I § 2 Abs. 2 der RV in der Fassung des Abänderungsantrages lautet:

"(2) Als Suchtgifte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten ferner Stoffe und Zubereitungen, die durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über psychotrope Stoffe vom 21. Februar 1971 zu Wien, BGBl. III Nr. ... /1997, Beschränkungen im Sinne des Abs. 1 unterworfen, in den Anhängen I und II dieses Übereinkommens enthalten und im Hinblick darauf, daß sie aufgrund ihrer Wirkung und Verbreitung ein den Suchtgiften im Sinne des Abs. 1 vergleichbares Gefährdungspotential aufweisen, mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales Suchtgiften gleichgestellt sind."

2. Artikel I § 43 Abs. 5 der RV in der Fassung des Abänderungsantrages lautet:

"(5) Wenn sich im Rahmen der Verpflichtungen der Zollorgane, an der Vollziehung von Verboten und Beschränkungen des Besitzes, der Verbringung oder der Verwendung von Waren im Verkehr über die Grenzen des Anwendungsgebietes (§ 3 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 659/1994) mitzuwirken, der Verdacht einer strafbaren Handlung nach diesem Bundesgesetz ergibt, sind diese Organe ermächtigt, für Sicherheitsbehörden Personen festzunehmen (§§ 175 bis 177 StPO) und eine körperliche Untersuchung mit bildgebenden Verfahren zu veranlassen (Abs. 2 und 3) sowie Suchtmittel vorläufig sicherzustellen, sofern diese Maßnahmen keinen Aufschub dulden. Die Zollorgane haben dabei die Befugnisse und Verpflichtungen von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Sie haben die zuständige Sicherheitsbehörde unverzüglich von den getroffenen Maßnahmen in Kenntnis zu setzen; festgenommene Personen sowie sichergestellte Sachen sind ohne Verzug der Sicherheitsbehörde oder dem Gericht zu übergeben."

3. Artikel I § 47 der RV in der Fassung des Abänderungsantrages lautet:

"§ 47. (1) Dieses Bundesgesetz tritt, sofern Abs. 2 nicht anders bestimmt, mit 1. Jänner 1998 in Kraft.


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(2) § 10 Abs. 2 tritt mit 1. Jänner 1998 oder, sofern Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens von 1990 am 1. Jänner 1998 noch nicht in Kraft gesetzt ist, gleichzeitig mit dessen Inkraftsetzung in Kraft."

(3) Das Suchtgiftgesetz 1951 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft.

(4) Durchführungsverordnungen zu diesem Bundesgesetz dürfen bereits vor dem 1. Jänner 1998 erlassen werden. Sie dürfen jedoch, sofern Abs. 5 nicht anderes bestimmt, frühestens mit diesem Tag in Kraft gesetzt werden.

(5) Regelungen gemäß § 10 Abs. 2 dürfen frühestens mit Inkraftsetzung des Artikels 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens von 1990 in Kraft gesetzt werden."

4. Artikel III der RV in der Fassung des Abänderungsantrages lautet:

"Artikel III

Das Arzneimittelgesetz, BGBl. Nr. 185/1983, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 657/1996, wird wie folgt geändert:

§ 87 Z 4 lautet:

‘4. das Suchtmittelgesetz, BGBl. I Nr. .../1997,’."

5. In den Artikeln IV, V, VI, und VII der RV in der Fassung des Abänderungsantrages tritt an die Stelle der Wortfolge "des Suchtmittelgesetzes BGBl. Nr. ... /..." die Wortfolge "des Suchtmittelgesetzes BGBl. I Nr. .../1997".

6. Artikel X der RV in der Fassung des Abänderungsantrages lautet:

"Artikel X

Das Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl.I Nr. 12/1997, wird wie folgt geändert:

§ 16 Abs. 2 lautet:

‘(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, oder

2. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder

3. nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. .../1997, handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.’"

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster hat sich Herr Bundesminister Dr. Michalek zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

12.41

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren ist es in Österreich unbestrittener Grundsatz, daß das Drogenproblem nicht durch rein repressive Maßnahmen, also durch den Einsatz des Strafrechts allein, sinnvoll zu lösen ist. Es stand immer außer Frage, daß Sucht und Abhängigkeit primär medizinische Probleme sind, daß es also über das Strafrecht hinausgehender medizinisch-therapeutischer Ansätze bedarf.


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Die Justiz kann sich dieser Einsicht nicht verschließen, sondern mußte und muß in ihrem Bereich kreative Lösungen entwickeln, um auf ein äußerst vielschichtiges und komplexes Problem adäquate Antworten zu finden. So haben wir es mit dem geltenden Suchtgiftgesetz gehalten, und so soll es auch mit dem neuen Suchtmittelgesetz bleiben.

Grundlegende Überlegung dieses – zu Recht gesagt – keineswegs neuen Konzeptes "Therapie statt Strafe" ist es, daß dort, wo medizinische und therapeutische Maßnahmen notwendig, sinnvoll, erfolgversprechend und adäquat sind, das Strafrecht vorerst einen Schritt zurücktreten und der Behandlung und Betreuung die Möglichkeit geben soll, dem Abhängigen zu helfen und diesen quasi unter dem Damoklesschwert des Strafrechts zur Inanspruchnahme des Hilfsanbotes zu motivieren. Nur dort, wo schwerere Verbrechen, organisierte Kriminalität, Drogenhandel am Werk sind, soll sogleich mit voller Härte vorgegangen werden.

Das beste Mittel für sicherheitspolitische Aktivitäten ist immer noch, Gesetzesverstöße für die Zukunft möglichst zu verhindern, auch und gerade dann, wenn das Recht bereits gebrochen wurde. Dies gilt im besonderen Maße im Drogenbereich für den Abhängigen selbst, dessen Sucht ihren Ursprung ja nicht in der Böswilligkeit krimineller Energie hat, sondern eine körperliche und seelische Krankheit mit sozialen Ursachen ist.

Wie sehr auch das neue Suchtmittelgesetz diesem Grundgedanken Rechnung trägt, kann an den beiden strafrechtlichen Schwerpunkten des Gesetzes festgemacht werden, bei der vorläufigen Anzeigezurücklegung und beim vorläufigen Aufschub des Strafvollzuges.

Die vorläufige probeweise Anzeigezurücklegung bei nicht großen Mengen von Suchtmitteln wird durchaus maßvoll und in Übereinstimmung mit den Wünschen der Praxis nach Lockerung des sich bisher als zu eng erwiesenen Korsetts ausgedehnt auf weniger schwere Fälle strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Suchtmittels. Damit wird fakultativ und keineswegs zwingend ermöglicht, daß nicht nur der Süchtige, der bloß wegen des Erwerbs oder des Besitzes von Suchtmitteln angezeigt wird, sondern auch der, der sich etwa im Wege eines geringeren Eigentumsdeliktes oder einer Rezeptfälschung die Mittel für seine Sucht beschafft hat, nicht jedenfalls mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen verurteilt werden muß, sondern unter bestimmten präzisen Voraussetzungen sogleich einer Behandlung und Betreuung zugeführt werden kann.

Zur Klarstellung: Die bloße Behauptung der eigenen Sucht reicht keinesfalls aus, und das diesbezüglich von Herrn Abgeordneten Dr. Ofner gebrachte Beispiel des Straßenhändlers ist weder bisher noch künftig ein Fall der vorläufigen Zurücklegung.

In schwereren Fällen, in denen der Staatsanwalt Anklage erhebt und das Gericht eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt, soll das Gericht nicht nur wie bisher den Vollzug einer Strafe von bis zu zwei Jahren vorerst aufzuschieben haben, um den Verurteilten die Möglichkeit zu geben, durch Absolvierung einer Therapie aus dem Teufelskreis von Sucht und Kriminalität auszubrechen, sondern darüber hinaus künftig – gerade auch auf Wunsch der Praxis nach mehr Flexibilität –, ebenfalls keineswegs zwingend, sondern fakultativ, die Möglichkeit erhalten, in Einzelfällen auch Personen, die zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, und Süchtigen, die wegen weniger schwerer Fälle der Beschaffungskriminalität verurteilt wurden, die Chance auf Therapie statt Strafe als Brücke in ein drogen- und verbrechensfreies Leben zu gewähren.

Auch in diesem Zusammenhang eine Klarstellung: Der vom Herrn Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses als Beispiel gebrachte aktuelle Fall ist weder nach der geltenden noch nach der künftigen Rechtslage ein Fall des vorläufigen Strafaufschubes.

Hohes Haus! In wenigen Gebieten ist jeder einzelne Staat so sehr auf internationale Zusammenarbeit und Solidarität angewiesen wie im Bereich der Bekämpfung der Drogenabhängigkeit und des Drogenhandels. Schon früh hat sich die internationale Staatengemeinschaft zusammengefunden und völkerrechtliche Verträge abgeschlossen, um das Drogenproblem zu bekämpfen. Wien als Sitz der Vereinten Nationen hat hier historische Bedeutung. Nicht nur die wesentlichen mit Drogenbekämpfung befaßten UN-Organisationen haben ihren Sitz in Wien, sondern es wurden in Wien auch die bedeutendsten einschlägigen internationalen Rechtsinstru


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mente der letzten Jahre ausgearbeitet: Die Übereinkommen von 1971 und 1988 sehen weitgehende Maßnahmen auf internationaler Ebene in bezug auf Suchtgifte, bewußtseinsverändernde Substanzen und chemische Substanzen vor, die als sogenannte Vorläuferstoffe häufig zur illegalen Herstellung von Suchtgiften abgezweigt werden.

Mit dem heute zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetz werden die in den Konventionen der Vereinten Nationen vorgesehenen Maßnahmen lückenlos umgesetzt und damit die Voraussetzungen für die Ratifikation geschaffen, sodaß künftig auch Österreich als letztes Mitgliedsland der EU diesen Konventionen als Partei angehören wird. Damit werden insbesondere auch die Voraussetzungen geschaffen, daß neue Formen des Suchtmittelmißbrauches – ich darf nur die Schlagworte Ecstasy oder Rohypnol erwähnen – wirksam und nachhaltig bekämpft werden können.

Hohes Haus! Der Süchtige bedarf unserer Hilfe, der Drogenhändler und Schwerkriminelle aber verdient ohne Zweifel Verfolgung und Bestrafung.

Das Suchtmittelgesetz trägt diesem Grundgedanken durch Strafandrohungen für Drogenhandel Rechnung, die zu den höchsten unserer Rechtsordnung gehören. Die wirkliche Bandbreite der Maßnahmen gegen Drogenhandel und organisierte Kriminalität läßt sich aber nur mit Blick auf die teilweise jüngst verschärften Bestimmungen des Strafgesetzbuches ermessen. Denken Sie an die neuen Straftatbestände der kriminellen Organisation oder der Geldwäsche oder an die Bestimmungen zur Abschöpfung der Bereicherung und des Verfalles.

"Therapie statt Strafe" setzt, um Erfolg und Akzeptanz haben zu können, ohne Zweifel konsequente Strafverfolgung von Drogenhandel voraus. Nachfragereduzierung und Angebotsreduzierung sind zwei Seiten derselben Medaille.

Hohes Haus! Mit den Reformen der letzten Jahre im Straf- und Strafprozeßrecht einerseits und mit dem Inkrafttreten des neuen Suchtmittelgesetzes andererseits haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um unseren seit langem konsequent und geradlinig und keineswegs in einem Zickzack-Kurs wie in manch anderen Staaten gegangenen Weg des doppelten Ansatzes effizient und mit Augenmaß zu verfolgen.

Noch ein Wort auch meinerseits zur Strafbarkeit des Cannabis-Konsums: Keine Bestimmung des vorliegenden Gesetzes ist im Sinne einer Freigabe von Drogen, weder weichen noch harten, zu verstehen. Auch Cannabis ist in den Anhängen der einzigen Suchtgift-Konvention angeführt und somit wie bisher voll in den Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes und damit auch in den Strafbestimmungen erfaßt.

Es war die bürokratisch überfrachtete Behandlung von Cannabis-Erstkonsumenten, die in der Praxis Widerspruch gefunden hat. Bei einem Großteil der Anzeigenrücklegungen nach dem bisherigen § 17 Suchtgiftgesetz handelt es sich um Erstdelinquenten im Cannabis-Bereich, um Formen des Neugierkonsums. Die Behandlungsbedürftigkeit ist in diesen Fällen von den Bezirksverwaltungsbehörden in aller Regel verneint worden. Es soll daher künftig der Staatsanwalt – wiederum fakultativ – die Möglichkeit haben, wenn er keinen Zweifel an der fehlenden Behandlungsbedürftigkeit eines innerhalb der letzten fünf Jahre nicht einschlägig auffällig gewordenen Cannabis-Konsumenten hat, das Verfahren ohne Einholung einer Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde vorläufig, also bloß auf Probe, einzustellen. Hat der Staatsanwalt Zweifel, so hat er wie bisher die Gesundheitsbehörden in seine Entscheidung einzubeziehen.

Meine Damen und Herren! Nach den jahrzehntelangen Erfahrungen der Praxis habe ich keine Zweifel, daß die Anklagebehörden und die Gerichte auch mit den neuen Möglichkeiten bei der vorläufigen Anzeigezurücklegung und dem vorläufigen Strafvollzugsaufschub wie bisher verantwortungsbewußt und sachgerecht umgehen werden.

Zum Schluß noch ein Wort zur Kritik an der bestehenden therapeutischen Struktur. Allfällige Defizite dürfen doch – lassen Sie mich das ganz deutlich sagen – nicht dazu führen, das Kind mit dem Bade auszuschütten und das als richtig erkannte Konzept "Therapie statt Strafe" an sich in Frage zu stellen oder gar als falsch über Bord zu werfen. Das Orten von Defiziten in


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diesem Bereich kann doch nur bedeuten, die diesbezüglichen Anstrengungen zu verstärken. Unsere bisherige keinesfalls erfolglose Doppelstrategie darf doch deswegen nicht aufgegeben und in eine eindimensionale Drogenpolitik der Repression zurückgeführt werden.

Wir müssen dem Süchtigen weiterhin bei der Bewältigung der Gründe für seine Sucht, beim Loskommen von der Sucht helfen, nicht zuletzt auch zur Vorbeugung vor weiteren strafbaren Handlungen und damit im Interesse der öffentlichen Sicherheit.

Die Justiz ist bereit, ihren Teil auch an diesem Verantwortungsbereich zu tragen. Das zeigt sich auch daran, daß die Justiz schon bisher einen nicht unerheblichen Beitrag zu den Kosten gesundheitspolitischer Maßnahmen leistet und diesen Beitrag künftig noch steigern wird. – Danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.54

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Bundesminister! Ich stimme Ihnen durchaus in einigen Punkten zu, vor allem Ihrem Einleitungsstatement, das sinngemäß lautete: Mit polizeilichen Maßnahmen allein, mit strafrechtlichen Maßnahmen allein wird man das Drogenproblem nicht lösen können. Ähnlich hat sich auch Kollege Rasinger von der ÖVP geäußert.

Das ist meiner Meinung nach völlig richtig. Die Frage ist nur: Werden die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis ausreichend gezogen? Wie lange ist es her, daß wir mit dem sogenannten Drogenproblem in Österreich zu kämpfen haben? 20 Jahre oder länger? Wie lange ist es her, daß das Drogenproblem in den Vereinigten Staaten ein derartiges Ausmaß angenommen hat? 40 Jahre? 50 Jahre? Wie lange ist es her, daß die Prohibition in den USA zuerst beschlossen und dann wieder aufgehoben wurde? 70 Jahre? (Abg. Dr. Haselsteiner: 90 Jahre!)  – 90 Jahre sind es nicht, das war meiner Erinnerung nach in den zwanziger Jahren, aber es ist eine sehr, sehr lange Zeit. Da haben Sie schon recht, Herr Dr. Haselsteiner.

Haben wir speziell aus den Erfahrungen mit der Prohibition wirklich ausreichend gelernt? Was ist denn damals passiert? Die Prohibition hat das Ausmaß an Alkoholkrankheit nicht beseitigt. Die Abschaffung der Prohibition hat das Ausmaß an Alkoholkrankheit auch nicht ansteigen lassen. Aber eines ist ganz sicher passiert: Die Prohibition hat die Mafia als ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor und gesellschaftlichen Faktor erst ermöglicht.

Dasselbe passiert jetzt seit 50 Jahren mit Drogen wie Heroin und so weiter – nur weltweit und in einem ungleich größeren Maßstab, mit ungleich größeren Chancen für das organisierte Verbrechen als damals mit diesen Bierflaschen und dem Whisky in den Vereinigten Staaten.

Man sollte sich vielleicht doch anschauen – nicht, was die linke Schickeria dazu sagt oder irgendwelche irregeleiteten volkstümlichen Sänger oder die Grünen oder die Liberalen –, was die Polizeipräsidenten zu dem Problem sagen.

Die Polizeipräsidenten von zehn deutschen Großstädten, nämlich zehn jener zwölf, bei denen das Drogenproblem am ärgsten ist, diagnostizieren erstens: Rechtsstaatlich kontraproduktiv haben wir auch noch die organisierte Kriminalität fett gemästet. – Das sagt der Bochumer Polizeipräsident. Und die Polizeipräsidenten sagen zweitens als Konsequenz aus dem Ganzen, was sie wollen, nämlich eine staatlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Süchtige – weil sie mit dem Problem nicht fertig werden. Das muß man einmal zur Kenntnis nehmen.

Auf die Details dieser Geschichte möchte ich gar nicht eingehen, und jeder weiß, daß ich kein Fachmann dafür bin, aber das Wesentliche, glaube ich, haben die Polizeipräsidenten erkannt: Man muß versuchen, dem organisierten Verbrechen so weit wie möglich den Markt zu entziehen, die Profitchancen zu nehmen, die es dafür gibt. Das ist, wie gesagt, die Haltung von Polizeipräsidenten. Das ist keine Liberalisierung, das ist eine kontrollierte, wenn Sie so wollen,


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Entmachtung der Mafia, um die es da geht, und im übrigen durchaus etwas, was der damalige Gesundheitssprecher der ÖVP, Herr Dr. Leiner, im Jahr 1993 wortwörtlich gesagt hat. Ich habe die Presseaussendung mit, für den Fall, daß Sie es nicht glauben. Das war genau vor vier Jahren, im April 1993.

Im übrigen – abgesehen von den wirtschaftlichen und kriminalpolitischen Begründungen dieser Maßnahme – scheint es auch medizinisch, psychologisch und sozial geboten, denn die überwältigende Mehrheit der Drogentoten stirbt nicht einfach sozusagen an der Droge selbst, sondern stirbt an der falschen Einschätzung von dem, was sie einnehmen. Das heißt, sie können die "Qualität" – unter Anführungszeichen – dieses Gutes nicht einschätzen, weil sie auf die unkalkulierbaren Risken des Schwarzmarktes angewiesen sind. Auch das ist uns aus der Prohibitionszeit bekannt: Die Vermischung von Whisky mit Methylalkohol und mit was weiß ich für giftigen Stoffen hat damals vielen Leuten das Leben gekostet oder sie lebenslang zu Krüppeln gemacht. Das sind alte Dinge, das ist wohlbekannt.

Natürlich würde diese staatliche Kontrolle des Heroinmarkts mit zusätzlicher Therapie und – ich füge hinzu – auch zusätzlichen polizeilichen Maßnahmen gegen die Restkriminalität, die existieren wird, etwas kosten. Aber es existieren auf der anderen Seite enorme Einsparmöglichkeiten in diesem Sektor. Für Deutschland etwa wurde geschätzt, daß allein der Sachschaden, der aufgrund der Beschaffungskriminalität entsteht – von den Personenschäden ganz zu schweigen –, doppelt soviel kostet wie der ganze Polizeieinsatz gegen Suchtgiftdealer und -abhängige. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt noch ein paar Worte zu meinen Vorrednern aus der SPÖ, nämlich zu Herrn Kollegen Guggenberger, Frau Bundesministerin Hostasch und Herrn Dr. Fuhrmann. Alle Redner aus der SPÖ haben zum Problem Cannabis Stellung genommen – mit den merkwürdigsten Argumenten, muß ich sagen.

Kollege Guggenberger sagte sinngemäß, Cannabis macht zwar nicht süchtig, es ist auch sonst nicht besonders schädlich, aber so richtig gesundheitsförderlich ist es auch nicht, glaubt er, und deswegen muß man es verbieten. Also bitte, wenn das die Logik ist, was ist denn dann damit ? (Der Redner hält eine Zigarettenpackung in die Höhe.) Das macht schon süchtig – das habe ich in meiner berüchtigten Tabakrede ja nicht bestritten –, das ist sicher gesundheitsschädlich, das hat viele Nachteile, die Cannabis nicht hat. Ich hoffe nicht, daß Kollege Guggenberger einen Gesetzesvorschlag vorbereitet, der Zigaretten verbietet; von Alkohol ganz zu schweigen. Der ist nicht schädlich? Der macht nicht abhängig? Das kennen wir nicht seit Jahrzehnten? Was ist denn mit Koffein, was ist mit Coca-Cola? Alles verbieten? Ja wollen Sie die Mafia wirklich großziehen?! Das wäre nämlich die Konsequenz daraus. Das kann er ja nicht ernst meinen.

Das kann Kollege Guggenberger nicht ernst meinen, aber warum meint er es dann bei Cannabis ernst? Das Grundproblem beim Cannabis haben meine Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ nicht verstanden. Das Grundproblem ist nicht, ob es ein bißchen gesundheitsschädlich oder in bestimmten medizinischen Applikationen sogar gesundheitsförderlich ist, sondern etwas ganz anderes. Daß Sie diesen Stoff – sage ich einmal – verbieten und die Erstkonsumenten, die jetzt straffrei gestellt werden – was sehr schön ist, aber das löst das Problem auch nicht –, zwingen, sich an die mafiosen Händler zu wenden, das ist das Problem. Der Erstkonsument wird sozusagen staatlich dazu angehalten, wenn nicht gezwungen, zum Drogendealer zu gehen, um eine harmlose Droge zu kaufen. (Abg. Dr. Pumberger: Es gibt keine harmlose Droge! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Gut, es gibt keine harmlosen Drogen. Noch einmal: Auch Zigaretten sind in gewisser Weise nicht harmlos. Ich bin der letzte, der das bestreiten würde. (Abg. Scheibner: Sie haben soeben gesagt, Cannabis sei eine harmlose Droge!) Aber damals, bei meinem Einstieg in diese – streiten wir uns gar nicht darum – gar nicht so harmlose Droge vor unendlicher Zeit, vor 30, 40 Jahren, war ich nicht gezwungen, zu einem kriminellen Drogendealer zu gehen, da ging ich in die bekanntlich vom Staat geführte Tabak-Trafik und kaufte mir dort eine Schachtel Zigaretten – diese spezielle Sorte wird von der Firma Reemtsma in Hamburg hergestellt –, und das war es dann auch. Da hatte ich eine Qualitätsgarantie. (Abg. Dr. Haselsteiner: Seit damals rauchen


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Sie "Ernte"?) Nein, das war damals nicht "Ernte", seit damals habe ich sicher 20mal meine Marke gewechselt, aber immer hatte ich eine gewisse Qualitätsgarantie. Wenn ich "Gauloises" kaufe, weiß ich, was ich kaufe, wenn ich "Ernte" kaufe, weiß ich, was ich kaufe. (Abg. Scheibner: Sie sollten sich ein Pickerl aufkleben, damit man sieht, wofür Sie werben!)

Eben das ist beim Heroin nicht der Fall. Das ist das eine Problem. Und das zweite Problem ist, daß der Staat gerade durch diese Verbotspolitik speziell die Jugendlichen in den Erstkontakt mit dem kriminellen Dealer bringt. Das ist das Problem! Cannabis ist nicht die Einstiegsdroge – zeigen Sie mir eine einzige Studie, die das ernsthaft behauptet –, sondern das Problem ist, daß der Staat speziell die Jugendlichen geradezu in den Kontakt mit dem kriminellen Dealer bringt. Das ist das Problem, und § 35 des gegenwärtigen Gesetzes wird dem in keiner Weise gerecht. (Abg. Wurmitzer: Das ist eine einseitige Darstellung! Sehr einseitig!)

Weil es nie schadet, sich noch zusätzlich ein bißchen zu informieren, bringen wir, Herr Kollege Wurmitzer, einen entsprechenden Entschließungsantrag ein, und wenn Sie dem zustimmen, können Sie anschließend dann die Studie lesen, nämlich einen Entschließungsantrag betreffend Erforschung und Dokumentation der Bedeutung der Kulturpflanze Hanf. In der Begründung dieses Entschließungsantrags wird nicht bestritten, daß Cannabis eine berauschende, euphorisierende – oder wie immer Sie das nennen wollen – Wirkung hat. Das hat Alkohol bekanntlich auch. Aber Cannabis hat darüber hinaus eine Vielzahl von anderen Verwendungsmöglichkeiten: als Rohstoff für Textilien, Papier, Farben, Lacke, als Nahrungsmittel, als Brennstoff und was weiß ich, wofür noch. Das ist kulturhistorisch sehr interessant.

Wir würden es daher begrüßen, wenn Sie nachfolgendem Antrag zustimmen könnten.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Theresia Haidlmayr, Freunde und Freundinnen betreffend Erforschung und Dokumentation der Bedeutung der Kulturpflanze Hanf

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Studie zur Erforschung und Dokumentation der universellen Bedeutung der Kulturpflanze Hanf in Auftrag zu geben.

*****

Das verpflichtet Sie noch zu gar nichts, aber Sie haben dann eine Studie, deren Ergebnisse Sie zur Kenntnis nehmen können oder auch nicht. Aber sich grundsätzlich in solchen Dingen einer möglichen neuen Erkenntnis zu verweigern, würde ich für problematisch halten. (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend: Die Freiheitlichen werden noch einen Antrag auf Rückverweisung der ganzen Materie an den Ausschuß einbringen. Dieser Antrag wird von uns unterstützt werden, aber selbstverständlich – das halte ich nur für das Protokoll fest – aus Motiven, die zu ihren völlig konträr sind. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Haselsteiner .)

13.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

13.06

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Das neue Suchtmittelgesetz, das wir heute beschließen, wird – ich glaube, darüber sind sich alle einig – das Suchtproblem nicht


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lösen. Es kann nur ein Weg zur Problemlösung sein, denn eine suchtfreie Gesellschaft wird es nicht geben, die hat es nie gegeben, und es wäre eine Illusion, daran zu glauben.

Der Gesetzgeber muß aber auf die negativen gesellschaftlichen Phänomene im Zusammenhang mit den Suchtmitteln reagieren, und zu diesen Phänomenen gehören erstens die Selbstzerstörung und die soziale Entwurzelung, zweitens die Begleitkriminalität und drittens das Aufbrechen der Marktmechanismen, die, wie Herr Kollege Van der Bellen ausgeführt hat, dazu geführt haben, daß wir die Mafia in diesem Bereich ziemlich groß haben werden lassen.

In der letzten Zeit ist diesen Marktmechanismen in der Suchtmitteldebatte besonderes Augenmerk geschenkt worden, und gerade in den Forderungen der Grünen in Richtung Freigabe oder eben staatlich kontrollierter Abgabe von Heroin nimmt man besonders auf diese Marktmechanismen Bezug. (Abg. Dr. Pumberger: Das will auch Leiner von der ÖVP!)

Herr Kollege Van der Bellen! Ich kenne den Ansatz, der in diese Richtung geht, ich glaube aber, daß er noch sehr, sehr problembehaftet ist. Derzeit gibt es ein Programm der UNO in Zürich, bei dem die kontrollierte Abgabe von Heroin an Süchtige erfolgt. Dieses Forschungsprogramm wird zeigen, wie sich das insgesamt auswirkt. Ich glaube den Polizeipräsidenten, die hoffen, daß damit einige Probleme gelöst werden, nicht so sehr wie den Forschungsergebnissen, die aus diesem Programm in Zürich gewonnen werden und vielleicht in zwei Jahren vorliegen werden.

Bis dahin lehne ich eine staatliche Abgabe von Heroin ab, und zwar deshalb, weil wir auf das Phänomen des Drucks der Beschaffung ja ohnehin mit Substitutionsprogrammen reagieren. Wir arbeiten schon längere Zeit mit dem Methadon-Programm – bisher nur mit Verordnung, jetzt auch gesetzlich geregelt –, und ich glaube, daß wir damit schon einen Großteils des Drucks wegnehmen konnten.

Zugegebenermaßen hat Methadon natürlich auch Nebenwirkungen und ist wahrscheinlich noch nicht das Endergebnis der medizinischen Forschung. Ich gehe davon aus, daß speziell die pharmazeutische Industrie demnächst bessere Substitutionsprodukte vorlegen wird.

Die Marktmechanismen sind natürlich ein Riesenproblem, und wir reagieren ja in diesem Gesetz auch darauf, indem wir nicht nur die Drogen erfassen, sondern auch die Vorläufersubstanzen. Es ist nämlich auffallend, daß der Transport der Vorläufersubstanzen den umgekehrten Weg geht, und zwar von den Konsumentenländern, den klassischen Industrieländern, hin zu den Produzentenländern: zum Beispiel Essigsäureanhydrid, das zur Heroinherstellung benötigt wird, von dem 1996 in der Türkei 16,5 Tonnen beschlagnahmt wurden, die aus Europa stammten. Das heißt, die Vorläufersubstanzen gehen von der europäischen Industrie in die Produzentenländer und die Drogen kommen retour. Diese Vertriebswege gehören in internationaler Zusammenarbeit massiv gestört.

Dem Phänomen der Selbstzerstörung, das man natürlich gesellschaftlich behandeln muß, begegnen wir mit dem Grundsatz "Therapie statt Strafe". Heute ist speziell von der Freiheitlichen Fraktion so getan worden, als ob dieser neue Grundsatz ohnehin nicht zielführend wäre. (Abg. Dr. Pumberger: Für Kriminelle nicht!) Das möchte ich bestreiten, denn dieser Grundsatz war schon bisher als wesentliches Element im Gesetz verankert, allgemein unbestritten und geltendes Recht. Das kann man nicht ignorieren. Neu ist aber der Vorschlag, Süchtigen, die zur Beschaffung des für ihre persönliche Sucht benötigten Suchtgifts andere strafbare Handlungen begangen haben, andere Möglichkeiten anzubieten. (Abg. Dr. Pumberger: Auch wenn jemand eine alte Frau niederschlägt?)

Natürlich muß man hierbei berücksichtigen, wie groß das Verschulden ist. Und wenn Sie, Herr Kollege, das Gesetz genau gelesen haben (Abg. Dr. Pumberger: Habe ich!) , dann wissen Sie, daß die Kriminellen nicht frei gehen; so ist es ja nicht, sondern es ist eine vorläufige Zurücklegung durch den Staatsanwalt – gekoppelt an eine sehr geringe Schuld. Das heißt, wenn einer eine alte Frau niederschlägt, dann ist die Schuld nicht gering, dann kommt dieser Ansatz nicht zum Tragen. (Abg. Mag. Stadler: Wie beim Herrn Wegas!) Beim Herrn Wegas ist die Tat erst nach dem Therapieansatz geschehen (Abg. Mag. Stadler: Er hat sich ja nicht therapiert!) , und deshalb lebt ja die Strafe wieder auf. (Abg. Dr. Haider: Das beschließt ihr ja erst!) Das war


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auch nach vorhergehendem Recht so, Herr Kollege Haider! Das war auch bisher schon geltendes Recht.

Gerade der Fall Wegas ist ein klassisches Beispiel dafür, daß das, was man als Therapie ... (Abg. Mag. Stadler: Stehen nicht nur SPÖler, sondern auch ÖVPler auf der Hunderterliste vom Herrn Wegas?) Ich beschäftige mich mit dem Suchtmittelgesetz und nicht mit den Skandalgeschichten. (Abg. Mag. Stadler: Der Herr Wegas hat ja eine Hunderterliste! Stehen da auch ÖVPler drauf?)

Es ist so, Herr Kollege Stadler: Das geltende Recht, bei Herrn Wegas angewandt, führt dazu, daß er jetzt die Strafe, die vorher zugunsten der Therapie ausgesetzt worden ist, abbüßen muß und eine neue dazubekommt für die Handtaschlfladereien et cetera. Man darf die Dinge nicht vermengen. (Abg. Mag. Stadler: Da haben die zwei alten Damen etwas davon, wenn das jetzt auflebt!) Das Opfer hat immer wenig davon, wenn es in eine kriminelle Tat involviert ist. (Abg. Mag. Stadler: Das ist opferfeindlich, was Sie da sagen!) Herr Kollege Stadler! Ich will eigentlich meine Rede gar nicht durch Ihre polemischen Zwischenrufe so unterbrechen (Abg. Mag. Stadler: Das ist nicht polemisch, das ist Realität!) , weil sie zur Sachlage nichts beitragen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Die zwei alten Damen werden sich bedanken für das, was Sie da sagen!)

Das Gesetz nimmt genau darauf Bezug – der Herr Minister hat es ausgeführt –, daß Straftaten natürlich geahndet und die Kriminellen in dieser Szene mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden, daß wir aber die Kleinen an der Front, die armen Süchtigen, die krank sind, nicht nur wegsperren, sondern eben der Therapie zuführen wollen, damit wir sie von der Sucht wegbringen. Das halte ich für den richtigen Ansatz.

Das Gesetz, das Österreich bereits seit Jahrzehnten hat und das jetzt novelliert werden soll, hat ja auch dazu geführt, daß im internationalen Vergleich die Drogenproblematik bei uns nicht in dem Ausmaß eskaliert ist, wie es zum Beispiel in der Schweiz oder in Holland sehr wohl der Fall war. Die Bocksprünge zwischen Liberalisierung und Prohibition sind kontraproduktiv.

Aus diesem Grund möchte ich den kontinuierlichen, moderaten Weg, den wir eingeschlagen haben, auch fortgesetzt wissen. In diesen moderaten Weg paßt eben die Freigabe nicht hinein und es paßt auch die staatliche Verabreichung von Heroin nicht hinein, denn damit würden wir uns eine Szene züchten, die uns erst richtige, große Probleme bringen würde. Diese Szene möchte ich in Österreich nicht haben! (Beifall bei der ÖVP.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

13.15

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Nach 26 Jahren soll Österreich nun der UN-Drogenkonvention, der Psychotropenkonvention beitreten. Nach 26 Jahren sieht die Regierung plötzlich akuten Handlungsbedarf. Nach 26 Jahren ist dieser Handlungsbedarf so akut, daß im Gesundheitsausschuß gegen den Willen aller Oppositionsparteien das Verlangen auf Einsetzung eines Unterausschusses mit Expertenhearing niedergestimmt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich empfinde es als reine Willkür der Regierungsparteien, ein Gesetz durchzuboxen, das bei näherer Beleuchtung und bei fachlicher Diskussion unterschiedlicher Experten nicht die geringste Chance gehabt hätte. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Klar an diesem Gesetz ist ganz eindeutig der Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Nicht die Verhinderung, nicht die Einschränkung des Drogenkonsums soll Ziel der Gesetzesnovellierung sein, sondern ein angeblich möglicher kontrollierter Umgang mit Drogen.


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Ich möchte mich jetzt mit Ihnen nicht darum streiten, ob es eine gute Drogenpolitik ist, daß man 250 oder 243 Tote im Jahr hat. Das ist für mich kein Maßstab einer Drogenpolitik (Abg. Mag. Stadler: Das ist Zynismus!) , das ist Zynismus. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Maßstab für mich ist, daß wir mehr Süchtige und wesentlich jüngere Süchtige haben als früher. Wissen Sie, wie alt die letzten Süchtigen – letzte oder vorletzte Woche ist es in der Zeitung gestanden – waren, die man aufgegriffen hat beim Drogenkonsum? – 11 Jahre, meine Damen und Herren! 11 Jahre! Das sind Kinder, keine Jugendlichen!

Jetzt frage ich mich: Wie kommt man zu so einem Gesetz? – Ich bin sehr froh, daß Herr Dr. Litzka vorhin anwesend war – ich glaube, er ist jetzt auch noch da –, ich möchte ihn nämlich zitieren. Dieses Zitat stammt aus einer Zeitschrift aus dem Jahre 1991: "Das Ändern von Gesetzen", so sagt er, "ist in Österreich wie das ständige Bohren harter Bretter. Sie können etwas tun, Sie können etwas liberalisieren, aber Sie müssen sehr oft irgendwo ein Schäufelchen Repression hineingeben, damit Sie sich die Liberalität erkaufen können. Es wirkt sehr verlogen", sagt er, "aber es ist umso wahrer. Und ich", sagt er weiter, "bin ein Experte im Bauen von Gesetzen und im Vertreten im Parlament. Seit langem." (Abg. Meisinger: Ungeheuerlich! – Abg. Mag. Stadler: Unglaublich, Herr Minister!)

Litzkas "Schäufelchen Repression" in diesem Gesetzentwurf findet man relativ schnell. Es wurde einfach der Katalog der illegalen Substanzen wesentlich erweitert. Aber bitte, das ist ja von der UNO ohnehin seit 26 Jahren gefordert worden! Neben dieser der Verschleierung dienenden Maßnahme, die man auf den ersten Blick als Verschärfung hinnehmen könnte, sieht der Entwurf jedoch die weitgehende Entkriminalisierung und Liberalisierung des Drogenkonsums vor.

Einige Beispiele – es wurden bereits viele diskutiert, daher gehe ich nur kurz darauf ein –: In der vorliegenden Novelle wird die Möglichkeit eingeräumt, Suchtmittel unter dem Titel Substitutionsbehandlung oder Entzugsbehandlung zu verschreiben oder abzugeben. Es ist ganz eindeutig so, daß man diese Möglichkeit hat. Je nach Gesetzesauslegung heißt das, es stünde auch einer staatlichen Abgabe von Heroin auf Krankenschein nichts mehr im Wege. Wenn Herr Dr. Rasinger etwas anderes sagt, dann hat er dieses Gesetz wieder einmal sehr publikumswirksam verkauft, aber nicht genau gelesen – wie schon des öfteren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Er ist nicht mehr da!)

Jetzt sagen Sie mir – auch Herr Dr. Van der Bellen, der Sie doch so viel von der Prohibition gesprochen haben –: Ist es denn nicht etwas absurd, wenn der Arzt dem Alkoholiker Schnaps zur Behandlung gibt? Es gibt ja ein Substitutionsprogramm mit Methadon. Das ist ja keine Frage, das kann man auch jetzt schon anwenden. Es ist auch das Prinzip "Therapie statt Strafe" bereits im geltenden Suchtgiftgesetz enthalten. Das ist nichts Neues, das gilt ja schon. Aber nach der neuen Novelle bekommt nun eine Person, die Suchtgift erworben und konsumiert hat, einen Anspruch darauf, daß ihre Straftat auf Bewährung ausgesetzt wird, wenn es nur geringe Mengen sind, mit denen sie gehandelt hat oder die sie konsumiert hat, wenn diese Person selbst süchtig ist und unter der Bedingung, daß sie sich einer möglichen, gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzieht. Ich betone: einer möglichen, die ihr zumutbar ist, deren Erfolgsquote jedoch von niemandem kontrolliert wird.

Was ist denn außerdem bitte eine geringe oder eine große Menge? – Wir setzen doch ein Strafausmaß fest für Mengen, die noch nicht einmal definiert sind! Diese werden ja erst hinterher durch Verordnung von der Frau Bundesministerin festgesetzt, daß heißt, die Frau Bundesministerin, die Regierungsparteien haben schlußendlich in der Hand, wie dieser Gesetzesbegriff dann wirklich auszulegen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Je nachdem, wie viele Drogenabhängige die Gesundheitsministerin kriegt! – Abg. Dr. Haider: Je nachdem, wie viele Genossen auf der Hunderterliste stehen!) Das ist die Frage. (Abg. Mag. Stadler: Wahrscheinlich steht die ganze SPÖ auf der Hunderterliste!)

Noch einmal zum Thema Cannabis, das von den verschiedenen Fraktionen mit so unterschiedlicher Argumentation behandelt wurde. Wenn ich mir den Gesetzestext genau durchlese, dann denke ich mir, daß die Grünen und die Liberalen eigentlich froh sein müssen, denn Cannabis


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und Haschisch ist ja damit praktisch freigegeben. Meine Damen und Herren! Es passiert Ihnen ja gar nichts, wenn Sie es in geringen Mengen selbst konsumieren. Es passiert ja nichts, Sie können es ja nehmen. Wozu also die Aufregung?

Was hat das in Holland gebracht? – In den achtziger Jahren, also von 1980 bis 1991, ist die Zahl der Coffeeshops in Amsterdam von 20 auf 300 angestiegen. Wollen Sie das auch in Österreich haben? Sollen wir in Österreich in einer zunehmenden Anzahl von Coffeeshops Haschisch konsumieren, und zwar nur deswegen, weil wir auch Alkohol konsumieren, nur deswegen, weil wir rauchen? – Man kann doch nicht ein Übel durch ein anderes rechtfertigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Haschischkonsum Jugendlicher hat sich in Holland von 1984 auf 1988 durch die Freigabe verdoppelt. Jeder Jugendpsychologe oder Jugendpsychiater wird Ihnen sagen, daß dann, wenn mehr angeboten wird, von den Jugendlichen auch mehr probiert wird. Es ist ja ganz klar, daß sie es ausprobieren, wenn es ihnen frei zur Verfügung steht.

Damit kommen wir zu dem mir wichtigsten Punkt. Wenn Schüler Suchtgift mißbrauchen – ich habe Ihnen erzählt, daß es Elfjährige waren, die in den letzten Wochen aufgegriffen worden sind –, dann sind sie einer schulärztlichen Untersuchung zuzuführen. Sie können aber sagen, sie wollen nicht, und auch die Eltern können sagen, sie wollen nicht. Was passiert dann? – Dann muß erst die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde eingeschaltet werden. (Abg. Mag. Stadler: Mahlzeit! Das dauert mindestens zwei Monate!) Aber wissen Sie, wie lange man bei Jugendlichen zum Beispiel Ecstasy (vergl.Teh) im Harn nachweisen kann? – Nur zwei Tage lang! Wenn der Harn aber erst nach Wochen untersucht wird, dann kann kein Mensch mehr sagen, ob der Jugendliche wirklich Suchtgift genommen hat oder nicht.

Damit habe ich im Gesundheitsausschuß argumentiert. Daraufhin hat mir Herr Dr. Litzka (vergl.Teh) mangelndes Fingerspitzengefühl bei den Kindern vorgeworfen, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Er weiß, wie man mit dem Parlament umgeht, der Herr Doktor!) Ich muß Ihnen sagen, bei elfjährigen Suchtgiftkonsumenten fehlt mir wirklich jedes Fingerspitzengefühl – da will ich einfach wissen, ob das Kind Rauschgift genommen hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da will ich es wissen, und ich will keine Angst haben und nicht wegschauen vor einer Realität, mit der ich vielleicht nicht mehr umgehen kann. Ich würde mich mit meinem Kind dem Problem stellen!

Damit kommen wir auch zum Punkt der Diskussion: Bei der Entstehung einer Drogensucht in einer Gesellschaft spielt die Einstellung dieser Gesellschaft eine wesentliche Rolle. Genau diese Einstellung kommt in dem entsprechenden Gesetz zum Ausdruck. Das Drogenproblem tritt nämlich vor allem in jenen Ländern auf, die keine klare Stellungnahme zur Drogenproblematik haben. Aber genau das, genau diese klare Stellungnahme vermisse ich in diesem Gesetz. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Es gibt eine mehr als klare Stellungnahme! Das war eine Selbstfalle!)

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und gerade dich, Kollege Rasinger, der du dir dieses Gesetz so sehr auf deine Fahnen heftest, etwas fragen: Weißt du, was Herr Vizekanzler Schüssel in einer Presseaussendung vor kurzem zu diesem Thema gesagt hat? (Abg. Dr. Khol: Natürlich!) – Ich zitiere: Jetzt härteste Mittel gegen Drogenhandel einsetzen. Der Drogenkonsum darf nicht auf Schickimicki-Parties bagatellisiert werden. Eine gesellschaftliche Ächtung ist möglich. (Abg. Dr. Khol , Abg. Dr. Stummvoll: Machen wir! Alles richtig!) – Aber jetzt ist plötzlich die Liberalisierung des Drogengesetzes auf den Fahnen der ÖVP und der Familienpartei zu sehen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Es wird absolut nicht liberalisiert!) Ehrlich gesagt, ich glaube es nicht, ich kann es nicht glauben. (Abg. Dr. Khol: Sie haben das Gesetz gar nicht gelesen, und wenn Sie es gelesen haben, dann haben Sie es nicht verstanden! – Abg. Dr. Haider zu Abg. Dr. Khol: Frau Dr. Povysil versteht ein bisserl mehr davon, lieber Herr Khol!) Ich habe das viel genauer gelesen als Sie und viel genauer als Herr Dr. Rasinger, den ich gerade widerlegt habe.


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Meine Damen und Herren! Allein aufgrund der fehlenden Therapiezentren ist das Motto "Therapie statt Strafe" lediglich eine publikumswirksame Augenauswischerei! Das ist es, was ich Ihnen vorwerfe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mein Motto – und dieses Motto möchte ich auch unseren Kindern weitergeben – lautet: Dem Leben mehr Leben geben – und weniger Sucht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Das wollen wir auch!)

13.26


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70. Sitzung / Seite 72

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.26

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Kaum ein anderes Thema – die heutige Debatte beweist dies – wird derart hart und kompromißlos diskutiert wie die rechtliche Behandlung des Drogenmißbrauchs. Die einen sehen immer viel zuviel Nachsicht, die anderen viel zuviel Strafe bei der Behandlung dieser sicherlich sehr sensiblen und bedeutungsvollen Frage.

Bedeutungsvoll ist diese Frage deshalb, weil sie mit mehreren sozialen Grundprinzipien in unserer Gesellschaft auf das engste verknüpft ist. Da ist einerseits die Frage angesprochen, wie wir mit denjenigen umgehen, die nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu helfen und die die gelebte Solidarität auch wirklich brauchen. Gleichzeitig aber ist in diesem Bereich die Frage angesprochen, wie wir glauben, daß sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln soll. Leider lassen sich diese beiden Fragen im Grunde nicht miteinander harmonisieren, denn die Fragen nach individueller Hilfe und nach gesellschaftlicher Zielvorstellung sind logisch zwingend nur isoliert zu betrachten.

Worum geht es? – Ich erhoffe – und ich hoffe, das ist auch Ihr Ziel, geschätzte Damen und Herren – und wünsche mir eine Gesellschaft, in der es keine Drogen gibt, in der niemand den Drang verspürt, aus irgendwelchen Gründen der Wirklichkeit entfliehen zu müssen. Es ist aber heute schon mehrmals angeklungen: Dieser Wunsch ist eine Illusion, und wir müssen uns daher real damit auseinandersetzen, daß es Menschen gibt, die Stoffe verschiedenster Art im wahrsten Sinne des Wortes mißbrauchen.

Dabei sind wir zwangsläufig bei der anfangs gestellten, individualisierenden Frage angelangt, was denn mit diesen Personen geschehen soll. – Die Antwort im Sinne von Solidarität und im Sinne von Hilfe ist klar: Helfen dort, wo Hilfe nötig und möglich ist, und das ist sie in sehr vielen Bereichen des Drogenkonsums. Strafen dort, wo Strafe nötig ist, besonders dort, wo es um größere Mengen Suchtgift geht, wo es um den Weiterverkauf geht, und selbstverständlich auch dort, wo es um die Herstellung und den Import solcher Stoffe geht. Das bedeutet aber auch, daß sich der Staat dort, wo weder Hilfe noch Strafe gebraucht wird, mit seinem Machtapparat möglichst weit zurückziehen soll.

Die Frage, warum wir die sogenannten leichten Drogen – wie zum Beispiel Cannabis, wie das in der heutigen Diskussion bereits mehrmals angeklungen ist – nicht freigeben, kann ich Ihnen aus meiner Sicht leicht beantworten. Individuell gesehen mag eine völlige Freigabe – Herr Professor Van der Bellen, ich sage bewußt "mag" – vielleicht Sinn machen, aber dies würde völlig im Widerspruch zu unserem gesellschaftlichen Grundziel einer drogenfreien Gesellschaft stehen. Wir dürfen nämlich nicht die Wirkung des Signals, das wir durch eine Freigabe oder durch eine Nichtfreigabe aussenden, vernachlässigen.

Geschätzte Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird dem neuen Suchtmittelgesetz heute die Zustimmung erteilen. Es vereint die gesellschaftspolitische Zielsetzung eines Nein zu Drogen mit dem Faktum, daß es Drogenmißbrauch und Drogengebrauch in unserer Gesellschaft als tatsächliches Problem gibt, und daß die betroffenen Personen Hilfe und Therapie statt Strafe benötigen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

13.30

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Die heutige Diskussion um das neue Suchtmittelgesetz hat sehr viele Facetten des Problems aufgezeigt. Ich möchte mich zunächst mit den Ausführungen des Erstredners der sozialdemokratischen Fraktion, des Kollegen Guggenberger, auseinandersetzen, weil ich meine, daß zwei Dinge nicht so im Raum stehen bleiben dürfen.

Erstens möchte ich dem Kollegen Guggenberger mitteilen, daß die freiheitlichen Gemeinderäte in Tirol keine Lakaien sind, wie er gemeint hat, sondern, so wie alle anderen Gemeinderäte in Österreich auch, auf die Verfassung vereidigt und in ihren Maßnahmen auch ihrem Gewissen verpflichtet sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er sollte einmal beim Tiroler SPÖ-Landesobmann Prock (vergl.Teh) und beim Tiroler SPÖ-Bürgermeister in Aurach am Achensee (vgl.Teh) nachfragen, wieso es ihnen nicht gelungen ist, die Bedenken der Bürger dahin gehend, daß sich im Umfeld eines Therapiezentrums – wie zum Beispiel bei den Therapiezentren in Wien – die Drogenszene erst recht einstellt, auszuräumen. Es bestehen die berechtigten Bedürfnisse und das berechtigte Verlangen, die Kinder, die Einheimischen und die Touristen am Achensee vor solch unliebsamen Zuständen, wie sie etwa in Wien im Umfeld der Therapiezentren im vierten und siebenten Bezirk gegeben sind, zu bewahren. Hätte Kollege Guggenberger dort nachgefragt, dann wäre seine Kritik vom Rednerpult aus vielleicht anders zu verstehen gewesen. So, wie er sie geäußert hat, ist sie auf jeden Fall zurückzuweisen.

Es ist klar, daß die Änderung des Suchtmittelgesetzes aus meiner Sicht eine Besserung bringt, zum Beispiel im Bereich der medizinischen Schmerztherapie. Ich meine, daß die medizinische Schmerztherapie in Österreich in den letzten Jahren stark darunter gelitten hat, daß die Formalismen, aber auch die Diskriminierung durch den Mißbrauch mit allzu auffällig gehandhabten Suchtgiftrezepten den Ärzten die Bereitschaft genommen haben, das zu verschreiben, was Jahrzehnte hindurch in der Schmerztherapie bewährt war, was vor allem auch durch die lange medizinische Erfahrung in der Schmerztherapie auch hinsichtlich seiner Nebenwirkungen bestens bekannt war.

Es sind daher immer neue, immer teurere, immer aufwendigere und hinsichtlich der Nebenwirkungen auch immer fragwürdigere Präparate in die Schmerztherapie eingeflossen. Ich hoffe, daß es durch die vorgesehene Änderung in diesem Bereich einige Verbesserungen bei der Schmerztherapie und der Anwendung von Präparaten, die seit Jahrzehnten bewährt sind, gibt.

Hinsichtlich aller anderen Punkte und Abschnitte, die heute hier zur Diskussion stehen, bin ich mit dem Gesetz nicht zufrieden. Ich meine auch, daß die heutige Diskussion in vielen Punkten falsch gelaufen ist.

Kollege Leiner hat zum Beispiel gemeint, daß es rund 300 000 Alkoholabhängige, 500 000 Alkoholgefährdete, 100 000 Medikamentenabhängige und konstant zwischen 12 000 und 18 000 Drogenabhängige in diesem Lande gibt und daß daher alles dafür spricht, in diesem neuen Suchtmittelgesetz jene Liberalisierungsmaßnahmen Platz greifen zu lassen, die darin festgeschrieben sind. – Ich möchte ihm aus meiner Sicht entgegenhalten: Vielleicht ist die Situation gerade deswegen so, weil es im Suchtmittelbereich keine Liberalisierung gab, im Medikamentenbereich durch die Rezeptpflicht eine gewisse Restriktion bestand und im Alkoholbereich aufgrund der gesellschaftlichen Toleranz gegenüber diesem Suchtmittel überhaupt nur die Kaufkraft des Konsumenten den Zugang zum Markt geregelt hat. Ich möchte darauf hinweisen, daß die unterschiedlichen Zahlen daher durchaus auch aus dem Status quo, nämlich dem abgestuften System der Beschränkung zu verstehen sind und nicht dahin gehend, daß ein entsprechend unterschiedlicher Bedarf nach Abtötung von Defiziten im psychischen Bereich und im sozialen Bereich durch Drogen besteht.


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Ich meine, daß sich die Zahlen durchaus unterschiedlich verändern würden, wenn die unterschiedlichen Zugangshürden zu den Drogen in den genannten drei Bereichen verändert würden. Die Erfahrungen jener Länder, die Liberalisierungstendenzen verwirklicht haben – wie zum Beispiel die Schweiz, und da besonders der Kanton Zürich, aber auch einige Bundesstaaten in Amerika –, sprechen eine deutliche Sprache. Dort, wo liberalisiert worden ist, hat sich die Gesamtzahl der Abhängigen zwar nicht verändert, sehr wohl haben sich aber die Anteile zueinander verändert, also der jeweilige Anteil der Drogenabhängigen, der Medikamentenabhängigen und der Abhängigen von der klassischen gesellschaftstoleranten Droge Alkohol an der Gesamtzahl, und zwar in den drei untersuchten Ländern ungefähr gleichermaßen.

Wenn man sich Länder auf anderen Kontinenten ansieht, die einen anderen kulturellen Umgang mit Drogen haben, dann stellt man fest, daß der Konsum von dort traditionell verwendeten Drogen, etwa das Kauen der Betelnuß, das Kauen von Kokablättern (vergl. Teh) und ähnliche Dinge mehr, in den Staaten Südamerikas oder auch im arabischen Raum toleriert wird, während es dort – etwa in den moslemischen Ländern des asiatischen Subkontinentes – heftigste Repressionen gegen die in Europa zulässige Droge Alkohol bis hin zur Todesstrafe gibt.

Ich meine daher, daß in diesem Bereich auch die kulturelle Entwicklung nicht ganz negiert werden kann und daß jeder Staat gut beraten ist, die Anzahl der zulässigen und gesellschaftsfähigen, gesellschaftlich transparenten Drogen auf ein Mindestmaß einzuschränken und diesbezüglich keine ausufernde Politik zu betreiben.

Ich denke auch, daß das Problem, das meine Kolleginnen und Kollegen bereits im Gesundheitsausschuß angesprochen haben und das auch die Kollegen Ofner, Pumberger und Povysil heute hier schon angerissen haben, wesentlich mehr Beachtung verdient hätte, nämlich das Problem, daß das Drogeneintrittsalter unserer Kinder immer niedriger wird.

Die Tatsache, daß die Kriminellen, daß die Drogenszene heute bereits im Vorfeld der Schule und im Vorfeld der Freizeitbetreuung unserer Kinder massiv tätig werden, sollte uns alle hier im Parlament erregen und nicht dazu führen, daß wir hier erörtern, inwieweit oder wie hier noch Liberalisierungstendenzen aus fragwürdigen Experimenten abzuleiten wären, die außerdem dann, wenn man sich damit beschäftigt, ohnehin schon lange wieder der Vergangenheit angehören.

Auch die Situation im so oft zitierten Holland oder Amsterdam ist ja zurzeit nicht so positiv, wie es die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion dargestellt haben – im Gegenteil. Auch dort muß man sich massiv um den sozialen Bereich kümmern. Jene Leute, die man in die permanente, lebenslange Drogenabhängigkeit gedrängt hat, wurden zwar in einem gewissen Ausmaß entkrimininalisiert, man hat aber damit in der Humankomponente, nämlich in der Bekämpfung des Grundleidens, nämlich der Drogenabhängigkeit, versagt, vielleicht sogar bewußt versagt, indem man sie bewußt in der Abhängigkeit bleiben läßt. Auch die Kritik an den Methadonprogrammen, die Kritik an den anderen Substitutionsprogrammen, die versucht worden sind, ist evident. Alle wissenschaftlichen Versuche in diesem Bereich haben nach vier bis fünf Jahren Praxis gezeigt, daß sie nichts genützt haben. (Abg. Dr. Rasinger: Das Methadonprogramm ist nicht gescheitert!)

Ich zitiere etwa auch das englische System der Verschreibungsmöglichkeit bis hin zum Heroin: Die englischen Ärzte haben aus einem anderen Zugang zum Gesundheitssystem heraus global, in allen Ländern des britischen Kolonialsystems sowie in allen Nachfolgestaaten, immer alle am Markt und in den Apotheken erhältlichen Drogen nach ihrem medizinischen Gewissen frei verschreiben können: vom Heroin über Morphium bis hin zum Methadon, Herr Kollege Rasinger. Ich würde dir empfehlen, dich einmal mit den Programmen der Stadt London zu beschäftigen, die fünf Jahre lang mit der Freiverschreibung sämtlicher Drogen – nicht nur Methadon, sondern sämtliche Drogen, auch Heroin, frei verschreibbar über ein Rezept – versucht hat, die Drogenszene in London zu bessern und zu entkriminalisieren. (Abg. Dr. Rasinger: Du vermischst zwei verschiedene Dinge!)


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Warum hat man im englischen System aber wieder damit aufgehört? – Weil man erstens erfolglos geblieben ist und weil man zweitens von den medizinischen Ethikkommissionen – volkstümlich ausgedrückt – die rote Karte bekommen hat, weil nämlich die ethische Komponente, die Rückführung der Drogenabhängigen in eine humane Lebenswelt mit der Möglichkeit der freien Gestaltung ihrer Lebenszukunft mit all diesen Systemen nicht erreicht werden konnte. Die ethische Komponente darf uns aber nicht egal sein! Wir dürfen in einer Diskussion über die Liberalisierung und Änderung des Suchtmittelgesetzes die ethische Komponente nicht außer acht lassen.

Es geht nicht um technische Begriffe, es geht auch nicht um die Strafrahmen, die im übrigen gleichgeblieben sind und keine Verschärfungstendenzen haben – das sei auch noch für das Protokoll hier aufgezeigt. Weder die Regierungsvertreter hier am Rednerpult noch die beiden Bundesminister haben hier eine einzige Verschärfungsmaßnahme konkret erläutern können.

Eines ist doch klar: Seit der ersten UNO-Konvention 1971 und den Neufassungen bis 1988 sind doch nur die Anhänge um die jeweiligen Marktanteile der Vorläufersubstanzen erhöht worden. Wenn man die UNO-Konvention von 1971 ansieht, dann muß man sagen, daß wir heute hier einen fast dreißigjähren Prozeß nachvollziehen, indem wir endlich auch im österreichischen Gesetz die Anhänge nicht mehr nur als Suchtgiftgesetz, sondern nunmehr als Suchtmittelgesetz berücksichtigen. Das halte ich für einen längst notwendigen Schritt. Daher geben wir Freiheitlichen auch unsere Zustimmung zu diesen zwei Konventionen sowie auch zur Geldwäsche-Konvention, wie wir schon im Ausschuß festgestellt haben. Herr Kollege Rasinger! Wir lassen aber sicherlich nicht gelten, daß das, was hier nachgeholt wird, nunmehr als Strafverschärfung verkauft wird.

Vergessen wir aber bei der Cannabis-Diskussion auch nicht, daß die Cannabispflanze, die heute geraucht wird, nicht mehr die Cannabispflanze des Jahres 1968, der Hippie-Bewegung, oder die Cannabispflanze des vorigen oder vorvorigen Jahrhunderts ist! Der wichtigste von 426 Inhaltsstoffen, die in Cannabis nachzuweisen sind, ist das Tetrahydrocannabinol, das THC, das die stärkste Suchtwirkung hat. Die Cannabispflanzen, die es um die Jahrhundertwende gab, hatten lediglich einen Anteil von nicht einmal 18 Prozent THC an der Gesamtmenge der 426 Wirkstoffe.

Die Pflanzen, die heute auf dem Markt sind und geraucht werden, weisen eine Inhaltsmenge an THC von bis zu 60 Prozent auf. (Abg. Mag. Stadler: Das findet der Rasinger harmlos!) Ich frage mich, was dann geschieht, wenn in den Ländern der südlichen Hemisphäre, wo sich die Anbauflächen befinden und wo heute in den Pflanzen diese hohen Inhaltsmengen nachzuweisen sind, die Landwirtschaft mittels Gentechnik erfolgreich eine Inhaltsmenge von vielleicht 100 Prozent anpeilt. Wir wissen, daß es durch die Erhöhung des THC-Gehaltes bei Cannabis-Rauchen neben den bekannten Schäden der Lunge, neben den bekannten Störungen des Immunsystems nunmehr auch vermehrt zu psychotischen Krisen mit massiven Persönlichkeitsveränderungen kommt und daß das, was noch in den sechziger Jahren für diesen Bereich gegolten hat und in den damaligen Studien enthalten ist, heute obsolet ist. Ich weiß ganz genau aus Diskussionen zu anderen Fachgegenständen, daß sowohl Sie, Herr Kollege Rasinger, als auch Sie, Herr Kollege Leiner, durchaus so bewandert sind, daß Sie die einschlägige medizinische Fachliteratur und nicht nur die Tageszeitungen lesen. (Abg. Dr. Rasinger: Auch wenn Kollege Stadler Gegenteiliges behauptet: Ich bin gegen die Hasch-Freigabe!) Und wenn Sie sich etwa die Jänner-Nummer der Chicagoer Ausgabe des neuen psychologischen Magazins "Science" anschauen, dann werden Sie das dort publiziert finden.

Ich weiß auch, Kollege Leiner – auch wenn Sie heute lachen –, daß Sie keine Diskussion im Gesundheitsausschuß über die neueste Fachliteratur haben wollten, weil die neuesten diesbezüglichen Literaturstellen deprimierend sind. Sie haben die Diskussion abgedreht und auch keinen Unterausschuß des Gesundheitsausschusses zugelassen. Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Leiner: Ich werde es Ihnen hier in der Öffentlichkeit nicht ersparen, Sie und Ihre Fraktionskollegen darauf hinzuweisen, warum dieser Unterausschuß nicht stattfinden durfte, nämlich weil die neuen medizinischen Erkenntnisse auch in diesem Bereich deprimierend und durch nichts zu widerlegen sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Da brauche ich nicht, wie Frau Kollegin Motter, auf neue medizinische Erkenntnisse zu warten, sondern muß nur das lesen, was im Jahre 1997 an einschlägiger Top A-Fachliteratur auf dem englischen Markt schon vorhanden ist und weltweit als anerkannte Grundlage der Wissenschaft und der Forschung gilt. Daher ist unser Antrag auf Rückverweisung nicht nur eine moralische, sondern auch eine politische Verpflichtung, um Ihnen und Ihren Mitstreitern im Gesundheitsausschuß den Spiegel vorzuhalten und jene Literaturdiskussion zu führen, die Sie sich offensichtlich ersparen wollten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Platter. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

13.42

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aus der Sicht des Innenausschusses, aus der Sicht der inneren Sicherheit, aber besonders aus meiner persönlichen Sicht als einer, der viele Jahre im Kriminaldienst und dort insbesondere im Bereich der Suchtgiftbekämpfung tätig war, auf dieses neue Suchtmittelgesetz eingehen.

Wenn man die Kriminalität in Österreich betrachtet, so ist feststellbar, daß die Gesamtkriminalität erfreulicherweise leicht rückläufig, aber das organisierte Verbrechen und vor allem der Handel mit Suchtgiften im Steigen begriffen ist. Aber gerade im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten warne ich vor Statistiken, die heute auch mehrmals herangezogen wurden, denn es hängt ausschließlich von der Anzahl und vom Engagement der Exekutivbeamten an, wie viele Straftaten zur Anzeige gebracht werden. Speziell im Suchtgiftbereich gibt es fast überhaupt keine Anzeigen gegen unbekannte Täter.

Wenn die Statistik bei Suchtgiftdelikten rückläufig ist, so heißt das aber noch lange nicht, daß in Österreich der Handel mit Suchtgiften nicht blüht. Ich behaupte sogar, daß in Österreich noch nie so viele Drogen verwendet wurden, wie das derzeit der Fall ist. Und ich muß ganz ehrlich sagen: Das menschliche Elend der Betroffenen und die explosive Dynamik der Suchtgiftkriminalität gehen mir persönlich sehr unter die Haut.

Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung des Suchtgiftmißbrauchs ist zweifellos eine beinharte Angelegenheit. Es läßt sich sehr leicht darüber diskutieren, aber es sind viele Maßnahmen und auch entsprechende Rahmenbedingungen notwendig, um im Bereich der Suchtgiftbekämpfung erfolgreich sein zu können. Eine Schlüsselrolle spielt dabei zweifellos das Suchtmittelgesetz, auf das ich nun in einzelnen Punkten eingehen möchte.

Wenn hier im Parlament der Ruf von einigen Abgeordneten nach Freigabe von Haschisch oder überhaupt aller Drogen hörbar ist, so bin ich froh darüber, daß diese Liberalisierungsgedanken im Entwurf des neuen Suchtmittelgesetzes nicht realisiert worden sind. Eine solche Liberalisierung, meine Damen und Herren von den Grünen und vom Liberalen Forum, würde nämlich bedeuten, daß wir mit einem Sog von Süchtigen aus verschiedenen Ländern zu rechnen hätten, und das würde darüber hinaus eine erhöhte Gefahr für unsere Jugendlichen bedeuten, mit Suchtgiften in Kontakt zu treten. Und dies wollen wir zweifellos nicht. Das wird wohl nicht in unserem Interesse liegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin außerdem sehr froh darüber, daß auch künftig diese Drogen nicht freigegeben werden und daß in Österreich kein Suchtgift auf Krankenschein zu erhalten ist. Wo Sie das gelesen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen, weiß ich nicht.

Ich begrüße darüber hinaus, daß die lückenhafte Rechtslage bezüglich der Designerdrogen beseitigt wurde. (Beifall des Abg. Dr. Rasinger. ) Der Trend zu sogenannten Modedrogen ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich stark bemerkbar. Insbesondere aufgrund der derzeitigen Rechtslage haben Suchtgiftfahnder sehr negative Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel war ein Aufgriff von 2 000 Ecstasy-Pillen in Niederösterreich strafrechtlich nicht relevant, weil der chemische Aufbau dem Gesetzgeber unbekannt war. Erfreulich ist daher, daß der Gesundheitsminister beziehungsweise die Frau Gesundheitsministerin nun per Verordnung


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Modedrogen in die Verbotsliste aufnehmen und somit rasch auf neue Trends auf dem Suchtgiftmarkt reagiert werden kann.

Aus der Sicht der inneren Sicherheit begrüße ich außerdem, daß die Strafandrohung beim neuen Suchtmittelgesetz unverändert streng sein wird und insbesondere bei Dealern eine Strafandrohung von bis zu 20 Jahren vorgesehen ist. Das ist auch wiederum ein Beweis dafür, daß in diesem Gesetz keine Liberalisierung vorgesehen ist. (Abg. Mag. Stadler: Aber, Günther, was ist mit dem Dealer, der selber abhängig ist? Der geht dann frei?)

Ich komme jetzt zu diesem Thema, zu dieser kritischen Gesetzesstelle, bezüglich welcher ich meine Bedenken äußern möchte; Bedenken, die ich auch in den Vorberatungen schon mehrmals zum Ausdruck gebracht habe. Es handelt sich um jene Gesetzesstelle, wonach die vorläufige Zurücklegung der Anzeige und der Aufschub des Strafvollzugs auf die Beschaffungskriminalität erweitert werden sollen. Diese Bedenken möchte ich aufgrund meiner früheren Praxis äußern, weil ich im Bereich der Suchtgiftfahndung einerseits mit Menschen zu tun hatte, die Suchtgift konsumierten, also Opfer waren, und andererseits mit Menschen, die gedealt haben, also hundertprozentig als Täter zu bezeichnen waren. Ich möchte hier nur ganz kurz folgenden Fall erwähnen:

Ich habe mitangesehen, wie ein junger, 14jähriger, sportlicher Bursche von einem Dealer in die Sucht getrieben wurde. Diese Sucht hat nicht nur den jungen, aufgeweckten Burschen zerstört, sondern natürlich auch die gesamte Familie. Eigentlich hat der Dealer diesen jungen Burschen und diese ehemals intakte Familie zerstört. Der 14jährige hat für seine Sucht Geld gebraucht. Mutter und Vater haben ihm Geld gegeben, der Vater dann nicht mehr, die Mutter heimlich. Schließlich hatten sie kein Geld mehr, um es ihm zur Linderung seiner Sucht zu geben. Am Ende brach dieser ehemals so nette junge Bursche in das eigene Elternhaus ein und bestahl seine Eltern.

Ich möchte dazu nichts weiter ausführen, aber eines ist klar: Die Schuld an dieser Tragödie trägt der Dealer, ausschließlich und ganz allein der Dealer!

Wir haben nun in diesem Entwurf die Zurücklegung der Anzeige auf die Beschaffungskriminalität erweitert. Es ist vorgesehen, daß bei einem Suchgiftabhängigen, der eine strafbare Handlung begeht, der Strafvollzug aufgeschoben wird, wenn er sich einer Therapie unterzieht – dies unter dem Motto "Therapie statt Strafe". (Abg. Mag. Stadler: Die meisten Dealer sind selber süchtig!) Ich komme darauf noch zu sprechen, Herr Kollege.

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Ich halte nichts davon, jeden einzusperren, denn damit kann man sicherlich keinen Menschen heilen – dies gilt insbesondere für jene, die Opfer dieser Drogen sind –, aber bei Dealern schaut die Sache etwas anders aus.

Ich werde mir in Zukunft in der Praxis ganz genau anschauen, wann und in welchem Fall ein Strafvollzug aufgeschoben beziehungsweise eine Anzeige zurückgelegt wurde. (Abg. Mag. Stadler: Und was tust du dann?) Ich habe kein Verständnis dafür, daß Dealer, die junge Menschen in die Sucht treiben, human behandelt werden. Für sie ist eine entsprechende Bestrafung notwendig. Dealer sind streng zu bestrafen, auch süchtige Dealer sind streng zu bestrafen (Abg. Mag. Stadler: Das ist nach dem Gesetz nicht mehr möglich!) , und die Jugend ist bestmöglich vor ihnen zu schützen. Das und nur das allein wird Aufgabe des Gesetzgebers sein. Ich werde mir diese Angelegenheit in den nächsten Jahren sicherlich anschauen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das geht ja nicht mehr! – Abg. Dr. Khol zu Abg. Mag. Stadler: Das stimmt nicht!)

Meine Damen und Herren! Unabhängig von diesem neuen Suchtmittelgesetz muß man zur Kenntnis nehmen, daß eine Bekämpfung des Suchtgifthandels nur dann eine Chance auf Wirksamkeit hat, wenn eine weitgehende internationale Zusammenarbeit besteht. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Mag. Stadler, Dr. Khol und Dr. Rasinger. ) – Mit Sicherheit wurde diese Angelegenheit korrigiert. Herr Kollege Stadler! Wir werden uns diese Fälle ganz genau anschauen. Wir werden sicher nicht zulassen, daß dies Platz greifen wird. (Beifall bei der ÖVP.) Ich kenne die Szene schon lange, ich weiß ganz genau, was sich dort abspielt, und bin


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der Überzeugung, daß diese Dinge (Abg. Mag. Stadler: Wie lange warst du bei der Suchtgiftabteilung?) – sieben Jahre –, die Sie jetzt vermuten, mit Sicherheit nicht eintreten werden.

Kehren wir wieder zurück zur internationalen Kriminalität. Ich bin der Meinung, daß gerade im Bereich der organisierten Kriminalität entsprechende Maßnahmen erforderlich sind. Die österreichische Sicherheitspolitik muß sich mehr auf die Verbrechensvorbeugung und -bekämpfung ausrichten. Den Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen (Abg. Mag. Stadler: Günther, stimme nach deiner Überzeugung und nicht nach dem, was die ÖVP vorgibt!) – ich habe keine lange Redezeit mehr, Herr Kollege Stadler – kommt gerade im Kampf gegen die Suchtgiftkriminalität besondere Bedeutung zu. Diesbezüglich sind strukturelle und personelle Vorbereitungen von seiten des Innenministeriums im Hinblick auf die Realisierung des Schengener Abkommens dringend notwendig. Diese sind derzeit noch mangelhaft. Vor allem ist die europäische Zusammenarbeit zur Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität zu intensivieren, zumal Österreich immer stärker in das Netzwerk der internationalen Drogenkartelle eingebunden und zum Endverbrauchermarkt aufgebaut wird. Daher müssen gerade im Bereich des Drogenhandels auf europäischer Ebene verstärkt Gegenmaßnahmen in Angriff genommen werden.

Zusammenfassend und zum Schluß kommend: Ich sage ja zum neuen Suchtmittelgesetz, weil der Grundsatz "Therapie statt Strafe" sehr erstrebenswert ist. Ich sage ja zum neuen Suchtmittelgesetz, weil auch weiterhin leichte Drogen beziehungsweise Drogen überhaupt unter Strafe gestellt werden und keine Liberalisierung feststellbar ist. Ich sage auch ja zu diesem Entwurf, weil die Strafandrohung weiterhin unverändert streng sein wird. Aber ich werde, wie bereits erwähnt, genau beobachten, inwieweit bei Dealern – auch bei süchtigen Dealern! – die Zurücklegung der Anzeige beziehungsweise der Aufschub des Strafvollzuges zur Anwendung kommt. (Abg. Mag. Stadler: Das wird die Regel sein!) Ich verwende deshalb diese klare Sprache, weil mir der Schutz der Jugend vor Drogenhändlern das wichtigste Anliegen in dieser sensiblen Materie ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Er hat sich gewunden wie ein Wurm!)

13.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.53

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Haupt hat sich bitter darüber beklagt, daß die Fraktionen von ÖVP und SPÖ im Gesundheitsausschuß den Anträgen der Opposition auf Einsetzung eines Unterausschusses nicht stattgegeben haben. Ich darf hiezu schon einiges klarstellen: Diese Regierungsvorlage liegt seit Mitte 1996 vor. Es wäre ein Leichtes gewesen, in Form der Präsidiale darauf hinzuweisen, daß ein Unterausschuß gewünscht wird. Es wäre auch ein Leichtes gewesen, wenn, Herr Kollege Stadler, Ihr Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, Kollege Pumberger, die anderen Fraktionen davon verständigt hätte, daß ein Unterausschuß gewünscht wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da dies nicht geschehen ist, war es für uns auch nicht notwendig, diesem Antrag der Oppositionsparteien zuzustimmen. Daher wird aus unserer Sicht auch die Rückverweisung – das darf ich namens meiner Fraktion klarstellen – absolut abgelehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Freiheitlichen Partei ist es heute gelungen, einen neuen Begriff in die innenpolitische Diskussion zu bringen. Nach der "ordentlichen Beschäftigungspolitik" hat heute Kollege Pumberger von der "ordentlichen Drogenpolitik" gesprochen. Und worin besteht nun diese "ordentliche Drogenpolitik"? – Man kann sie mit einem Wort zusammenfassen: Ihre Drogenpolitik heißt Einsperren. Und ich möchte dazu sagen: Namens unserer Fraktion wird das mit allem Nachdruck abgelehnt! (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade aus diesem Grund bekennen wir uns zu diesem neuen Suchtmittelgesetz (Abg. Mag. Stadler: Da würden viel zu viele prominente Rote eingesperrt werden! Sagt der Wegas!) , weil damit den Ersttätern, den Kleinen, die Möglichkeit geboten werden kann, aus diesem Kreislauf herauszukommen. Eine Law-and-order-Mentalität zur Bekämpfung des Drogenproblems, Kol


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lege Stadler, ist heutzutage absolut fehl am Platz. Sie wissen, daß Minderjährige und Erwachsene – nicht nur jene aus der Schickeria, sondern ganz normale Menschen aus besten Familienverhältnissen – einfach in die Drogenszene abrutschen, ins Elend stürzen, kriminell werden, in Untersuchungshaft landen und schließlich durch die Justiz rechtskräftig verurteilt werden. Nach der Freilassung beginnt dieser Kreislauf von neuem.

Wir bekennen uns zu diesem Suchtmittelgesetz, weil damit Suchtgiftkranken eine Chance gegeben wird. Wir können sie aus diesem teuflischen Kreislauf herausholen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Schauen wir uns die Statistiken dann an!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Drogensucht kann nicht nur mit dem strafrechtlichen Instrumentarium bekämpft werden. Drogensucht ist eine körperliche und seelische Krankheit mit höchst sozialen Ursachen. (Abg. Mag. Stadler: Die Gesellschaft ist schuld!) Daher wurde – das darf ich hier auch ganz deutlich sagen – der Entwurf dieses Suchtmittelgesetzes völlig zu Recht im Gesundheitsausschuß behandelt, nachdem ihn vorher Beamte des Gesundheitsministeriums und Beamte des Justizministeriums in einer Arbeitsgruppe erstellt haben. Und es wurden dabei die justizpolitischen und sicherheitspolitischen Erfordernisse berücksichtigt.

Damit ich mich hier klar ausdrücke: Das Strafrecht ist nur ein Bestandteil der Drogenbekämpfungsstrategie. Der Schwerpunkt muß weiterhin im Bereich der Prävention und im Bereich der Therapie liegen. Dieser Entwurf, den wir heute beschließen, wird diesen Anforderungen gerecht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei hat auch angeschnitten, wir würden uns zuwenig mit den Problemen der Jugendlichen und der Kinder beschäftigen. Ich stimme grundsätzlich zu, daß dies auch aus unserer Sicht eines der Hauptprobleme darstellt. Auch ich bin der Meinung, daß im schulischen Bereich verstärkt aufgeklärt werden muß. Aber ich bin auch der Meinung, daß junge Menschen nicht kriminalisiert werden sollen. Und daher bekennen wir uns zu diesem Entwurf, den wir heute beschließen.

Wir können uns nicht damit einverstanden erklären, daß beispielsweise in Salzburg – so war es den "Salzburger Nachrichten" vom 25. Oktober zu entnehmen – freiheitliche Landtagsabgeordnete in einer öffentlichen Diskussion verlangt haben, es möge eine Auflistung jener Schulen im Land erfolgen, an denen Drogenmißbrauch vorgekommen ist. Was würde das bedeuten? – Es würde "Drogenschulen" geben, es würden Schulen kriminalisiert werden. Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Wollen Sie das? – Wir wollen das nicht! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: "Stürmischer" Applaus von der SPÖ!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf sieht im § 35 – Kollege Fuhrmann ist bereits sehr deutlich darauf eingegangen – auch die Möglichkeit vor, daß Personen, die strafbare Handlungen nach § 27 oder § 30 getätigt haben, unter bestimmten Voraussetzungen von dieser Neuregelung profitieren können. Auch in diesen Fällen kann die Staatsanwaltschaft die Anzeige vorläufig zurücklegen. Ich bekenne mich vollinhaltlich dazu, denn hier geht es darum, daß gerade die Kleintäter, diejenigen, die aus irgendwelchen sozialen Umständen in die Drogenszene gerutscht sind, nicht kriminalisiert werden. (Abg. Mag. Stadler: Erkläre das einmal den Gendarmeriebeamten, was die dazu sagen!)

Dem gegenüber, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehen aus unserer Sicht weiterhin strengste Strafsanktionen gegenüber Drogenhändlern. Eines möchte ich Ihnen schon sagen: Schauen Sie sich im europäischen Vergleich an, wie die anderen Länder Europas Suchtgiftdelikte bestrafen. Wir haben in Österreich die Höchststrafen, und es sei mir gestattet, das hier sehr deutlich hervorzuheben. (Abg. Jung: Das wird nicht gehandhabt!)

Es geht hier darum, daß wir zur wirksamen Bekämpfung der organisierten Kriminalität diese Strafen beibehalten. Um diese jedoch entsprechend bekämpfen zu können, sind weitere justizpolitische Maßnahmen notwendig, und ich bekenne mich dazu. Daher wird es aus meiner Sicht notwendig sein, gerade unter diesem Aspekt die Fragen der neuen Fahndungsmethoden einer endgültigen Klärung und Regelung in diesem Hause zuzuführen.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen den Händlern beziehungsweise den Großdealern mit aller Härte begegnen, die uns der Rechtsstaat gibt, den Suchtkranken aber mit Hilfe und Therapie. Eine drogenlose Gesellschaft, wie sie heute öfters angesprochen wurde, wird es genauso wie eine problemlose Gesellschaft nie geben. In einer offenen und, wie ich meine, demokratischen Gesellschaft wird es daher auch immer Drogen geben, außer wir streben eine geschlossene Gesellschaft mit polizeistaatlichen und repressiven Strukturen an. Das ist jedoch ein Weg, den die Sozialdemokratie nicht gehen wird.

Abschließend daher: Wir bekennen uns nachdrücklich zu diesem Entwurf, zu diesem Suchtmittelgesetz. Es gibt denjenigen, die Hilfe und Therapie benötigen, die entsprechende Hilfe und sieht die strengste Bestrafung derjenigen vor, die als Dealer und Großhändler auftreten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.02

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst die Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß es sich hier um ein an sich sehr gutes Gesetz handelt, weil es auf der einen Seite die Therapie stärker betont – und ich glaube, daß gerade in der Drogenpolitik die Therapie ein sehr wesentlicher Bestandteil ist –, aber auf der anderen Seite sehr, sehr deutlich macht, daß es zu keiner Freigabe von leichten Drogen kommen wird. Ich halte das für wichtig und bedeutend und glaube nicht, daß man die Freigabe leichter Drogen damit argumentieren kann, daß wir auch ein Alkoholproblem haben und daß wir ein Problem mit dem sehr umfassenden Konsum von Zigaretten haben. Denn in Wahrheit wäre es ja wünschenswert, auch diese Probleme weiter in den Griff zu bekommen und weiter einzudämmen. Es ist dies jedenfalls keine Argumentation dafür, ein weiteres Problem zu schaffen und daher für eine Freigabe einzutreten. (Abg. Wabl: Warum stellen Sie keinen Antrag auf Verbot von Alkohol und Zigaretten?)

Der Kampf gegen Drogen ist zweifelsohne eine Sisyphusarbeit, und daher glaube ich, daß wir verstärkt auf den Bereich der Prävention setzen müssen. Ich halte den Ansatz für völlig falsch, Jugendlichen eine drogenfreie Welt vorzugaukeln, ihnen zu sagen, daß eine Welt denkbar ist, in der es keine Drogen gibt. Denn Faktum ist, daß wir in einer Welt leben, in der es Drogen, Alkohol, Tabletten, Dopingmittel im Sport und ähnliches mehr gibt.

Daher glaube ich, daß es gut ist, Jugendliche sehr früh mit dem Problem zu konfrontieren, um ihnen dann auch die Chance zu geben, im entscheidenden Augenblick nein zu einer Droge zu sagen. Ich hielte es aber für problematisch, in einer Welt zu leben, in der man sich Kokain beim "dm" kaufen kann. Das ist eine Welt, die ich mir nicht wünsche, eine Welt, der ich entschieden den Kampf ansage. (Beifall bei der ÖVP.)

11 Prozent der Jugendlichen zwischen 13 und 21 Jahren haben bereits Drogenerfahrung. Daher sind Prävention und Aufklärung der richtige Ansatz und nicht – das möchte ich schon auch sehr klar zu den Freiheitlichen sagen – eine reine Law-and-Order-Politik, wie Sie sich das vorstellen. Sie machen hier wieder eine Hubschrauberpolitik: Sie landen, wirbeln viel Staub auf und verschwinden dann wieder. Das ist die Politik, die Sie von den Freiheitlichen machen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich frage Sie ganz konkret, vielleicht kann mir das jemand in einem Zwischenruf beantworten: Was tun Sie, um das Drogenproblem einzudämmen? Gibt es irgendeinen Vorschlag? Sagen Sie es mir! (Abg. Mag. Stadler: Wir übernehmen die Mandate der Österreichischen Volkspartei!) Das glaube ich eben nicht, Herr Stadler, und das ist der Unterschied. Sie machen Hubschrauberpolitik, Sie wirbeln Staub auf und verschwinden dann wieder. Sie kümmern sich nicht eingehend um dieses Problem. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir als Junge Volkspartei etwa engagieren uns diesbezüglich sehr intensiv. Wir haben seit einem Jahr die Aktion "Fantasy statt Ecstasy" laufen, in deren Rahmen wir in diesem Jahr


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bereits mit 90 000 Jugendlichen direkten Kontakt hatten. Wir stehen vor Diskotheken und betreiben Aufklärung, weil wir eben meinen, daß eine Aufklärungspolitik, eine gute Präventionspolitik allemal sinnvoller ist als eine reine Law-and-Order-Politik. (Beifall bei der ÖVP.)

Richtig ist, daß wir Probleme im Bereich der Therapieplätze haben. (Abg. Mag. Stadler: Freund Küssel wird das nicht unterschreiben!) Es ist ein Unterschied, ob man so einen "Gesinnungsfreund" ausschließt oder ob man ihn – da er bei Ihnen Beheimatung gefunden hat – bei Gemeinderatswahlen aufstellt. Das ist ein gewaltiger Unterschied! Das darf ich Ihnen auch sehr deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, daß uns dieses Gesetz dazu zwingen wird, verstärkt Therapieplätze auszubauen, weil wir diese Therapie auch anbieten müssen, wenn wir mit diesem Gesetz dem Grundsatz "Therapie statt Strafe" nähertreten wollen. Ich halte die Freigabe von Cannabis-Produkten eindeutig für falsch und glaube, daß dieses Gesetz der richtige Mittelweg ist: nämlich dort Strafe, wo sie notwendig ist, aber keine Freigabe der Einstiegsdrogen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.07

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der Abgeordnete Mag. Stadler hat gemäß § 33 Abs. 1 des Geschäftsordnungsgesetzes beantragt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, und zwar zur Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Verfolgung der Mörder von Abdul Rahman Ghassemlou, Fadel Rasoul und Abdullah Ghaderi-Azar sowie mit dem Entkommen der weiteren Attentäter von Ebergassing.

Dazu liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Gemäß § 33 Abs. 2 Geschäftsordnungsgesetz finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Nächste Wortmeldung: Abgeordneter Wabl. – Bitte.

14.08

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich bin kein Suchtgiftexperte. (Abg. Schwarzenberger: Aber Suchtgiftintendant!) Ich rauche nicht. Ich gebe zu, daß ich manchmal gerne Wein trinke, vor allem steirischen Wein. Der vom Zweytick ist besonders gut (Beifall bei der ÖVP) , obwohl ich lieber hätte, daß der Zweytick ein Bioweinbauer wird, aber das kommt noch. Er wird schon noch draufkommen, was das Richtige ist. (Abg. Kiss: Was ist mit Inländer-Rum?)

Ich glaube, daß man Drogen oder Suchtgifte in einer kultivierten Gesellschaft durchaus einsetzen kann. Ich halte das für eine psychologisch interessante Einrichtung, wenn Menschen zusammensitzen – und bei manchen kommt ja nur dann die Wahrheit zutage, wenn sie ein Gläschen getrunken haben. Bei vielen kommt leider nach zwei, drei Gläsern anderes zutage, aber das ist ein Problem, das ich jetzt nicht besprechen möchte.

Ich habe eine ganz wesentliche Frage, die mir bitte die wichtigen Ökonomen der FPÖ und auch der ÖVP erklären sollen. Ich habe hier drei wunderschöne Dinge mitgebracht, alle ganz wichtig: Eine Flasche Rum – den genieße ich vor allem im Punschkrapferl –, eine Packung Zigaretten (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger ), und hier habe ich für die Genießer von Cannabis ein bißchen Cannabis mitgebracht – getarnt in einer Medikamentenschachtel.

Meine Damen und Herren, wenn ich mit dem Rum handle, kann ich furchtbar reich werden. Wenn ich mit den Zigaretten handle, kann ich ein reicher und angesehener Kunstmäzen werden. Der österreichische Staat verdient auch ordentlich an den Steuern. Meine Damen und Herren, dabei wird man wirklich sehr, sehr reich.

Mauhart, der Chef der Austria Tabakwerke, ist ein angesehener Mann, ein sehr angesehener Mann. (Abg. Mag. Stadler: Der ist schon längst abgesetzt!) Jetzt ist er schon in Pension oder


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abgesetzt. Wahrscheinlich hat er dieses Suchtgift zu wenig erfolgreich verkauft, wenn er schon abgesetzt worden ist, er war offenbar kein guter Dealer.

Und wenn ich mit Cannabis handle, meine Damen und Herren, kann ich reich werden, in der Regel komme ich aber ins Gefängnis. (Abg. Mag. Stadler: Aber woher!) Jetzt verstehe ich eines nicht: Ich habe gehört, laut Untersuchungen sind die Schäden, die Cannabis verursacht, im Vergleich zu den beiden Suchtgiften Alkohol und Zigaretten relativ gering.

Es gibt 300 000 Alkoholkranke in Österreich. Meine Damen und Herren! Was das an sozialem Elend, an persönlichem Elend bedeutet, das können nur jene ermessen, die entweder selber davon betroffen sind, oder jene, die als Ärzte oder KrankenpflegerInnen damit zu tun haben. Das ist das Hauptproblem in Österreich, Problem Nummer eins: 300 000 Menschen!

Verbieten ist selbstverständlich der falsche Weg. Kollege Van der Bellen hat das ja schon dokumentiert. In Amerika hat es dazu geführt, daß zwar eine Präsidentenfamilie sehr reich geworden ist in der Zeit der Prohibition – sie hat damit ein Affengeld verdient –, aber viele Menschen sind gestorben, weil die Qualität nachgelassen hat, und man konnte natürlich diejenigen Dealer nicht anzeigen, die gepanschtes Getränk verkauft haben. Und seitdem Alkohol wieder zugelassen ist, verdient der Staat daran, es verläuft alles in geordneten Bahnen, und es gibt jetzt in Amerika sogar schon eine Weinkultur, was es dort jahrelang, jahrzehntelang nicht gegeben hat.

Meine Damen und Herren! Keiner würde auf die Idee kommen, Alkohol zu verbieten. Ja Sie von der ÖVP und von der FPÖ legen sogar ein Veto im Ministerrat ein, wenn es darum geht, Alkohol beim Autofahren zu verbieten! Sie sind sogar dagegen, daß man Alkohol beim Autofahren verbietet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wir sind nicht im Ministerrat!)

So weit gehen Sie, Herr Stadler: Wenn verboten werden soll, daß Menschen mit Alkohol im Blut Auto fahren, sind Sie der Meinung, das sei eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, ein ökonomisches Desaster für die Buschenschanken, für die Weinbauern. (Abg. Mag. Stadler: Wir sind nicht im Ministerrat!)

Herr Abgeordneter Stadler! Sie sind nicht im Ministerrat, aber Sie und die ÖVP – damals noch der Herr Fischler – haben das bei der Abstimmung hier erfolgreich verhindert. Das ist Ihre Politik! Das ist das Problem Nummer eins: 300 000 Menschen.

Meine Damen und Herren! Bezüglich Zigaretten kenne ich die Zahl der Opfer nicht genau: der Todesopfer, der Mitraucher, der Krebskranken. Der Staat verdient damit relativ wenig im Vergleich zu dem, was an volkswirtschaftlichen Schäden entsteht. Trotzdem kommt niemand auf die Idee – und ich sage: Gott sei Dank –, das zu verbieten.

Das Cannabis-Problem kenne ich überhaupt nicht. Ich würde mich brennend für die Studie interessieren, die Herr Guggenberger vorgetragen hat, wonach es die Intelligenz beeinträchtigt. Ich habe das zwar noch nie probiert. Einmal wollte ich es probieren, ich glaube, das war mit 18, da ich aber kein Raucher bin, konnte ich es nicht inhalieren. Das war ein untauglicher Versuch, und der Wein und das Bier im Gasthaus haben wesentlich besser geschmeckt.

Aber, meine Damen und Herren, sagen Sie mir doch bitte, warum Sie jene Menschen, die damit handeln, einsperren wollen! Sagen Sie mir das bitte! Was ist daran logisch? (Abg. Jung: Wabl will Freigabe des Drogenhandels!) Ich verstehe ja, wenn Sie argumentieren, man solle nicht zu zwei Übeln noch ein drittes dazugeben, aber Sie kommen ja auch nicht auf die Idee, Alkohol oder Zigaretten zu verbieten.

Das Problem Nummer zwei ist heute schon mehrmals angesprochen worden. Dr. Leiner hat gesagt, 100 000 Menschen leiden unter Medikamentenmißbrauch. Das ist auch Drogenmißbrauch. Ich habe nicht gewußt, ob Kollege Leiner auf Minister Bartenstein losgeht, als er heute gesagt hat, alle Menschen, die an der Krankheit ihr Geld verdienen, müßten mit der härtesten Strafe rechnen, die das Gesetz vorsieht, denn ich glaube, daß die Pharmaindustrie in einigen Bereichen sehr wohl bewußt an der Krankheit verdient und viele Dinge mißachtet. (Abg.


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70. Sitzung / Seite 82

Dr. Fekter: Wabl, das ist Schmutz, was Sie da von sich geben!) Ich kenne Skandale sonder Zahl, wo mit dem Medikamentenverkauf Mißbrauch betrieben wird.

Kollege Ofner hat richtig gesagt – er ist jetzt nicht da –, er habe Angst davor, daß seine Kinder die Suchtgifte gleich nebenan kaufen können. Hat er noch nie Angst gehabt, weil seine Enkelkinder beim Nachbarn ohne Probleme Alkohol kaufen können, Zigaretten kaufen können? Ich gebe ihm recht, er soll Sorge haben, aber die gesellschaftlichen Probleme, die dazu führen, daß die Menschen in Drogen Zuflucht suchen – sie werden süchtig, weil sie nach etwas suchen –, sind so nicht lösbar, meine Damen und Herren. Und ich kann Ihnen nur eines sagen: Sie müssen mir diesen Widerspruch erklären. Kollege Amon hat gesagt, er will nicht noch ein Drittes hinzufügen.

Meine Damen und Herren! Sie wissen ganz genau, daß die Probleme nur in den Griff zu bekommen sind, wenn wir diese Drogen staatlich kontrolliert abgeben. Alkohol wird abgegeben, denn wenn wir ihn verbieten, entgehen dem Staat die Steuereinnahmen, und es wird genauso getrunken, es werden diese Dinge dann heimlich im Keller erzeugt. Das ist bei allem so. Das Verbieten ist sinnlos, und ich finde es unmenschlich für ein Land und für eine Gesellschaft, daß sie in dieser Art und Weise unterscheidet. Ich kenne einige Fälle in der Steiermark, wo Kinder, weil sie einmal eine Haschischzigarette geraucht haben und dann irgendwie durch die Straßen getaumelt sind, stigmatisiert worden sind. Und beim Alkohol sagt man: Na gut, der hat halt heute beim Fest zuviel gesoffen.

Ich bin weder dafür, daß sich die Menschen betrinken, noch bin ich dafür, daß sie sich ständig mit Haschischzigaretten einrauchen oder andere Drogen konsumieren. Aber, meine Damen und Herren, die Politik, die Sie hier betreiben, ist entweder kurzsichtig, zynisch oder menschenverachtend.

Ich habe den Vorwurf nicht gerechtfertigt gefunden, Sie seien nur fürs Strafen und nur fürs Wegsperren. Kollege Ofner hat lang und deutlich ausgeführt, daß es an Therapieplätzen fehlt. (Abg. Mag. Stadler: Kollege Wabl, wer hat den Rum ausgetrunken? War das ein Grüner?) Das ist selbstverständlich richtig, aber das ist nicht das Problem. Wir können dieses Problem nur in den Griff bekommen, wenn wir die harten Drogen über die Apotheken abgeben (Abg. Mag. Stadler: Wer hat ihn ausgetrunken? Sitzt er hier herinnen?), von Ärzten verschrieben, wenn es nicht anders möglich ist, denn dann muß sich das Gesundheitssystem mit den Kranken auseinandersetzen. Und damit würden wir, wie Kollege Van der Bellen sagt, der Mafia die wirtschaftliche Basis entziehen. (Abg. Mag. Stadler: Schwarzenberger sagt, Sie haben den Rum ausgetrunken!)

Und ich sage Ihnen: Diese Schwerstkriminalität, von der Sie reden, ist meistens eng verknüpft mit der Waffenschwerstkriminalität, und die findet in Österreich ebenso statt. Lesen Sie die "Süddeutsche Zeitung": Österreich ist ein Hauptumschlagplatz dieser Schwerstkriminalität. Ich hätte gern, daß Sie von den Freiheitlichen hier auch mit dieser Vehemenz auftreten, wenn es darum geht, daß die Schwerstkriminalität in diesem Bereich bekämpft wird. Ich habe kein Verständnis dafür, Herr Stadler, wenn Sie die Mafia reich werden lassen wollen. Das will ich nicht, dagegen werde ich mich verwahren. (Abg. Mag. Stadler: Ich will wissen, wer den Rum ausgetrunken hat!) – Wollen Sie den letzten Schluck Rum auch noch austrinken? Den hat meine Großmutter zum Kuchenbacken verwendet. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben ihn getrunken, bevor Sie geredet haben!) Ich will jetzt keine Negativwerbung machen, deshalb sage ich nichts dazu und nehme die Rumflasche wieder an mich, aber, meine Damen und Herren, erklären Sie mir bitte diesen Widerspruch.

Herr Abgeordneter Stadler, ich weiß nicht, wie alt Ihre Kinder sind. (Abg. Mag. Stadler: Sehr nette kleine Kinder!) Ganz klein noch? Dann haben Sie damit noch kein Problem. Ich wünsche Ihnen, daß Ihre Kinder, wenn sie einmal aufgrund der fehlenden Lebensinhalte zu einem Suchtgift greifen, nicht zum Rum greifen (Abg. Mag. Stadler: Wenn Sie nicht Rumwerbung machen im Parlament, dann werden sie es auch nicht tun!), nicht zur Zigarette greifen und nicht zum Haschisch greifen, sondern daß sie zu den Grünen gehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Mag. Stadler: Das hoffe ich auch!)

14.19


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70. Sitzung / Seite 83

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte.

14.19

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Da zu dieser Gesetzesvorlage schon so viel debattiert wurde, möchte ich nur mehr einige wenige Aspekte einbringen.

Es ist wichtig, bei schweren Schmerzzuständen großzügig analgetisch wirksame Suchtgifte einsetzen zu dürfen. In Österreich ist der geringere Alkaloidverbrauch in der Medizin nicht durch restriktive Gesetze bedingt, sondern dadurch, daß bei uns, anders als in Skandinavien, potente nichtmorphinhältige Analgetika zugelassen sind und die Nebenwirkungen der Alkaloide von Schwerkranken oft als unangenehm empfunden werden.

Die ÄrztInnen sind in der Anwendung der Morphine und -analoga erfahren, und nur sehr selten werden behandelte Patienten abhängig.

Manche Fraktionen beklagen, daß Cannabis in Österreich weder medizinisch angewendet wird noch frei erhältlich ist. Ich lehne es ab, Cannabis freizugeben, da negative Wirkungen auf das Gehirn in wissenschaftlichen Arbeiten beschrieben wurden und der Gruppendruck zur Konsumation bei Freigabe größer ist.

Gestatten Sie mir aber, Ihnen bezüglich "linker Schickeria" aus einem Zeitungsartikel der "Kronen Zeitung" vom 28. März 1997 zu zitieren. Da heißt es: "Steirischer Fitneß-Kaiser humpelte in Haft, Bodybuilder und Einbrecher als Komplizen. – In Prothese Drogen geschmuggelt. Sein Kapfenberger Fitneß-Studio hatte ihm jährlich 7,6 Millionen Schilling an Mitgliedsbeiträgen gebracht, doch damit kam Gerhard Bleiweis (31) nicht aus. In seiner Beinprothese schmuggelte er Drogen nach Österreich, verdiente Millionen. Nun sitzt er mit zwei Komplizen in Haft, doch die Schulden sind höher als jemals zuvor ..."

Gehört der Herr Bleiweis der "linken Schicki-Micki-Szene" an? – Nein, er ist freiheitlicher Politiker! (Oh!-Rufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wer ist das? Kenne ich nicht!) Ein Drogendealer! Sie sind "innovativ", keine Partei hat einen Drogendealer in ihren Reihen. (Abg. Mag. Stadler: Wer ist das?) Der Herr Gerhard Bleiweis aus Kapfenberg, das ist Ihr Kandidat! (Abg. Mag. Stadler: Wir warten auf die Wegas-Liste!)

Sein Motto: "Als erfolgreicher Jungunternehmer sehe ich die Notwendigkeit, zukunftsorientierte Strategien zu entwickeln." – Er hat es geschafft, ich gratuliere Ihnen zu diesem Kandidaten! Sie haben "tolle" Politiker in Ihren Reihen und reden immer nur von den anderen. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin, wir warten auf die Wegas-Liste! Sie hat die Wegas-Liste, sagt sie! Wo ist die Wegas-Liste? ) Reden Sie nachher! Melden Sie sich zu Wort, und gewöhnen Sie sich ab, immer dreinzureden, Sie unhöflicher Mensch! (Lebhafter Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin, wir warten auf die Wegas-Liste!) Sie sollen endlich einmal nicht dreinreden! Sie können sich zu Wort melden, eine tatsächliche Berichtigung steht Ihnen zu. Ihr ewiges Dreinreden ... (Abg. Mag. Stadler: Stimmt es, daß die Frau Zechner drauf ist? – Nennen Sie mir die Wegas-Liste!) – Da haben Sie das, bitte (ein Papier vorweisend), ich bin sicher nicht auf der Wegas-Liste. (Abg. Mag. Stadler: Sagen Sie mir: Wie viele Rote sind da drauf? Stimmt es, daß da prominente Rote drauf sein sollen? – Sie hat die Wegas-Liste, sagt sie!)

Bezüglich medizinischer Anwendung... (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. ) Herr Präsident, sorgen Sie bitte für Ruhe! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin, bitte, die Wegas-Liste! Welche Roten ...?) Na, Sie werden es ja sicher in der Zeitung schon gelesen haben! Melden Sie sich zur tatsächlichen Berichtigung, melden Sie sich zu Wort, und lesen Sie sie vor!


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70. Sitzung / Seite 84

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Hohes Haus! Am Wort ist die Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Ich bitte, das zu respektieren. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen, darunter neuerliche Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. )

Am Wort – ich wiederhole es noch einmal – ist die Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Ich bitte, dies zu respektieren. – Frau Abgeordnete, wenn Sie bitte fortsetzen. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (fortsetzend) : Sie werden von Ihrer eigenen Fraktion als Präsident ordentlich desavouiert, muß ich sagen.

Bezüglich medizinischer Anwendung möchte ich feststellen, daß im AKH bei der Ethikkommission eine Studie über den Gebrauch eines Cannabisderivates eingereicht wurde. Sollte sich dieses Medikament in Studien als besonders innovativ erweisen und bewähren, wäre eine Zulassung möglicherweise denkbar. Vor jeder Neuzulassung aber sind wissenschaftliche Überprüfungen unumgänglich. Ich sehe weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit, Heroin auf Rezept oder durch Therapeuten abzugeben, da es als Medikament nicht zugelassen ist. Wie durch das Methadonprogramm ersichtlich, sind Morphinanaloga wegen des gleichen Rezeptors austauschbar.

Der Zugang zu Behandlungsplätzen muß für die Betroffenen jederzeit möglich sein. So lebenswichtig die Therapie ist, so wichtig ist die Prophylaxe. Eine kritiklose Verschreibung von Benzodiazepinpräparaten ist wegen des hohen Suchtpotentials zu vermeiden. Gerade diese Zielgruppe ist nämlich besonders gefährdet. Eine psychotherapeutische Behandlung ist aufwendiger, aber wirkungsvoller als rasche Linderung der Beschwerden durch Tranquilizer oder Schlafmittel.

Wir Sozialdemokraten vertreten seit jeher das Prinzip "helfen statt strafen". (Abg. Mag. Stadler: Ach so? Das hört man! Was ist mit der Wegas-Liste?) – Wir haben keine Drogendealer als Politiker, deswegen brauchen wir sie ja nicht herzugeben. (Abg. Mag. Stadler: Können Sie ausschließen, daß ein sozialistischer Politiker auf der Wegas-Liste ist?) Nicht der süchtige Mensch ist zu bekämpfen – wegsperren, einsperren –, sondern das Suchtgift. (Abg. Mag. Stadler: Können Sie das ausschließen?) Ich kann überhaupt nichts ausschließen, aber, wie gesagt, Sie haben Ihren bereits in den Medien. Ihrer ist bereits in Haft. Das ist ein Drogendealer, das andere ist vielleicht ein Benützer. Sie haben Ihre Drogendealer bei sich, Ihre "innovativen"! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das stimmt ja nicht! Fragen Sie den Herrn Minister, wie viele rote Spitzenpolitiker auf der Wegas-Liste sind!)

Herr Präsident! Schauen Sie einmal, daß vielleicht ein bißchen Ruhe herrscht!

Nicht der süchtige Mensch ist also zu bekämpfen, sondern das Suchtgift, die Geschäftemacherei und in erster Linie die Ursache des Drogenabusus. (Abg. Mag. Guggenberger – in Richtung der Freiheitlichen ein Papier vorweisend –: Das ist ein Vöcklabrucker Funktionär! – Rufe bei den Freiheitlichen.) Wir Politiker ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum dritten Mal: Darf ich vielleicht darauf hinweisen, daß Frau Abgeordnete Dr. Pittermann am Wort ist. Das Wort "Debatte" kommt zwar in der Geschäftsordnung vor, aber in einem anderen Sinn, als es jetzt hier abläuft. Ich bitte noch einmal, die Wortmeldung der Frau Abgeordneten zu respektieren, und zwar alle Fraktionen! (Weitere Zwischenrufe).

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (fortsetzend) : Wir Politiker müssen die gesellschaftlichen Voraussetzungen schaffen, den Menschen ein angstfreies Leben ohne Repression zu ermöglichen. Wir wollen eine Gesellschaft, die Schwächere nicht ausstößt, verachtet, verhöhnt, sondern Hilfe und Problemlösungen anbietet. Der Stärkere darf den Schwächeren nicht ausbeuten, sondern soll Verantwortung für dessen menschenwürdiges Dasein tragen. (Abg. Dr. Khol hat sich zu Minister Dr. Michalek auf die Regierungsbank begeben und spricht


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70. Sitzung / Seite 85

mit ihm. – Abg. Mag. Stadler: Der Khol fragt schon, wer auf der Wegas-Liste ist!) Sie halten ja noch immer nicht den Mund?! Herr Präsident ... (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete Dr. Pittermann! "Den Mund halten" ist auch nicht der passende Ausdruck in diesem Hohen Haus, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf. (Beifall und Bravorufe des Abg. Mag. Stadler. ) Machen Sie bitte von Ihrer Wortmeldung kräftig Gebrauch, Frau Abgeordnete!

Ich möchte auch die Fraktionen bitten, die Zwischenrufe zu unterlassen. Ich wiederhole noch einmal: Das Wort "Debatte" wird in der Geschäftsordnung nicht in dem Sinne verwendet, wie sie jetzt hier – unter Anführungszeichen – "abgeführt" wird.

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (fortsetzend): Wenn Politiker jene Schwächeren als Schmarotzer denunzieren, die die Tüchtigen, Fleißigen, Anständigen ausnützen, diese Schwächeren am liebsten in Straflager schickten, dann dürfen uns Entsolidarisierung der Gesellschaft und Drogenkonsum nicht wundern. Aber natürlich: Für Drogendealer ist der Drogenkonsum ideal. (Abg. Mag. Stadler: "Debatte" heißt nicht lesen, Frau Primaria!)

Es ist Menschenrecht, frei von Sorgen um Arbeitsplatz, Wohnung und Zukunft, gleichberechtigt mit dem anderen Geschlecht, anderen Generationen, Glaubensgemeinschaften und Nationen, zu leben. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. ) – Diese Perseveration ist ein bißchen langweilig.

Unsere Hauptsorge gilt Kindern und Jugendlichen. Damit sie keine Drogen konsumieren, müssen wir ihr Selbstbewußtsein stärken, sie lehren, an sich zu glauben, nein zu sagen, wir dürfen aber nicht ihre Hoffnungen und Träume zerstören. Wer sich angenommen fühlt, braucht aus dieser Welt nicht zu flüchten. Drogenabhängige Jugendliche haben meist ein schweres Schicksal hinter sich. Es ist unsere Pflicht, ihnen aus ihrer Hölle zu helfen, nicht, sie zu bestrafen. Jeder Schilling, den wir für Prävention und Hilfe investieren, ist ein gut angelegter. Die Schulen sollten neben lexikonähnlicher Wissensvermittlung Kommunikation und Problemlösung lehren, um abususgefährdete Menschen ohne die entspannende Wirkung von Alkohol, Nikotin und anderen Drogen kommunikationsfähig zu machen.

Dieses Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung: Prävention und Therapie statt Strafe. Wir Sozialdemokraten kämpfen weiter für die sozialen Rahmenbedingungen, für eine suchtarme Gesellschaft und werden unseren humanen Weg weitergehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Gut gelesen, Frau Primaria!)

14.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich der Abgeordnete Dipl.-Ing. Schöggl gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich verweise auf die Geschäftsordnung.

14.29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich stelle die Äußerung der Frau Abgeordneten Pittermann richtig: Der von ihr angesprochene Herr Bleiweis hat weder ein Naheverhältnis zur Freiheitlichen Partei noch eine Funktion, noch ein Mandat, noch sonst irgend etwas mit der Freiheitlichen Partei zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Vielleicht sollte man auch die anderen in der Öffentlichkeit kursierenden Papiere jüngsten Datums im Zusammenhang mit Wegas auf Mitglieder der Sozialistischen Partei hin überprüfen.


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70. Sitzung / Seite 86

14.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, damit haben Sie allerdings die tatsächliche Berichtigung etwas überschritten.

Zu Wort gemeldet ist der Herr Abgeordnete Dr. Khol. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.30

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wabl! Ich würde Sie bitten, klarzustellen, daß in dieser Schachtel kein Cannabis enthalten war, weil ich davon ausgehe, daß Sie als Abgeordneter auch die Gesetze respektieren. Der Besitz auch von kleinen Mengen von Cannabis ist für jeden, für jeden jungen Menschen, für jeden Menschen in der Republik, strafbar.

Ich bitte Sie, klarzustellen, daß Sie hier eine leere Schachtel gehabt haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist der Herr Abgeordnete Wabl. Es ist dies die zweite Wortmeldung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.31

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Danke, Herr Präsident, daß Sie meine Wortmeldung noch zur Kenntnis genommen haben.

Herr Abgeordneter Khol, zu der Dramatik, die Sie hier verbreitet haben: Ich wollte hier an sich den Hustensaft von Bayer vorführen. Er war nämlich einmal mit Heroin versetzt, und Heroin hat ja die bekannten "interessanten" Wirkungen.

Das (ein Fläschchen vorweisend) sind Nasentropfen – ich mache hier keine Werbung für die Firma –, das sind ganz einfach Nasentropfen, und ich habe mir gedacht, das provoziert Sie zu einer Wortmeldung, und wir hören auch aus Ihrem Munde, wie Sie zu diesem Problem stehen. (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Noch eine Wortmeldung!)

14.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Khol.

14.32

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Kollege Wabl! Ich möchte Sie an die Worte erinnern, die einmal in einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes gestanden sind: Im Rechtsstaat steht kein Mensch über dem Gesetz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Koppler: Herr Oberlehrer!)

14.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters entfällt.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, zu diesem Zweck Ihren jeweiligen Platz einzunehmen.

Zum Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie weitere Gesetze geändert werden (652 der Beilagen), haben die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen einen Rückverweisungsantrag gestellt.

Ich lasse daher zunächst über diesen Rückverweisungsantrag abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 652 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Motter, Haidlmayr und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.


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70. Sitzung / Seite 87

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 2 Abs. 2, § 43 Abs. 5 und § 47 sowie auf die Artikel III bis VII und X bezieht.

Ich lasse daher zunächst über den vom Abänderungsantrag der Abgeordneten Motter, Haidlmayr und Genossen betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen abstimmen.

Die Abgeordneten Motter, Haidlmayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I § 8 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Artikel I § 8 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Motter und Genossen betreffend Entkriminalisierung von Cannabis.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend Legalisierung von Cannabis.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt. (Unruhe.)

Ich bitte um etwas mehr Ruhe – oder um Ruhe überhaupt, wenn das möglich wäre. (Heiterkeit.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Erforschung und Dokumentation der Bedeutung der Kulturpflanze Hanf.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages samt Anlage und Erklärung in 125 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.


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70. Sitzung / Seite 88

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG, daß die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kundzumachen ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages samt Anhängen und Erklärung in 147 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht mit Mehrheit. Die Genehmigung ist damit mehrheitlich erteilt.

Ich lasse nun über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG, daß die chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kundzumachen ist.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

4. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (127 und Zu 127 der Beilagen): Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen (655 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Mag. Firlinger vor. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

14.39

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich wäre gegen die Ratifizierung des Abkommens über Geldwäsche aus inhaltlicher Sicht nichts einzuwenden, wenn der ganze Komplex der Geldwäsche – das muß ich ausdrücklich betonen – nicht immer nur bruchstückhaft mal da, mal dort behandelt werden würde, sondern in einem verhandelt und auf eine taugliche gesetzliche Grundlage gestellt werden würde.


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70. Sitzung / Seite 89

Ich halte es für wesentlich, daß man da einen integralen Zusammenhang sieht, und daß nicht das, was gerade opportun ist, der Beschlußfassung unterzogen wird, sondern eben integral, vorausschauend, in einem Paket. Die Paketlösung, die geht mir ab.

Meine Damen und Herren! Die Realität schaut ganz anders aus. Wie Sie wissen, ist die Frage der Anonymität zu einem Fall für den Europäischen Gerichtshof geworden, sie ist so gut wie ein Fall für den Europäischen Gerichtshof, ein Fall, dessen endgültige Vollziehbarkeit sich über einen Zeitraum von ein bis eineinhalb Jahren hinziehen wird.

Obwohl Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, heute schon ganz genau wissen, daß mit Sicherheit der Entscheid des EuGH negativ, also zugunsten der Abschaffung der Anonymität ausfallen wird, bleiben Sie in dieser wichtigen Frage untätig und tun dann nach außen hin weiter so, als wäre alles paletti, als wäre diese Frage der Anonymität kein Thema. Ich bezeichne das schlichtweg als eine unredliche Politik der Tatsachenverschleierung, und diese Politik, meine Damen und Herren, wird zusammenfallen wie ein Kartenhaus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Regierungsfraktionen haben wahrlich Besseres zu tun, als mit Akribie an die Problemlösung heranzugehen. Die Regierung beschäftigt sich derzeit sehr viel mit Fragen der zukünftigen Einheitswährung, das ist gar nicht schlecht – nur: Die Regierung macht auf diesem Sektor auch keine Fortschritte. Die Regierung hat etwas Besseres zu tun: Sie bestellt einen ehemaligen Generalsekretär des Sparkassenverbandes, Herrn Gustav Raab, als unabhängige Aufklärungsinstanz. Er wird von der Regierung hochoffiziell als Experte eingesetzt, und wenige Wochen später stellt sich heraus, daß Herr Raab auf einer offiziellen Liste als hochoffizieller EU-Lobbyist nicht zur Aufklärung, sondern zum Puschen dieser Frage, zum Erzeugen einer Pro-Stimmung aufscheint. Das sind die Sorgen der Regierungsparteien, das bewegt sie. Die Frage der Anonymität, die Frage eines ordentlichen Bankwesengesetzes beschäftigt sie nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Propaganda statt Information!)

Meine Damen und Herren! Wir müssen diesen integralen Zusammenhang sehen. Wir können nicht nur ein Stück herausgreifen, dieses ratifizieren, weil man sich vielleicht dem internationalen Druck beugt, sosehr ich es inhaltlich begrüße, daß das organisierte Geldwäschertum, das auch in Österreich sein Unwesen treibt, entsprechend verfolgt und auch kriminalisiert wird.

Meine Damen und Herren! Statt endlich für eine Verbesserung des Bankgeheimnisses nach Schweizer oder Luxemburger Vorbild zu sorgen, wie dies von den Freiheitlichen wiederholt verlangt wurde und auch durch entsprechende Anträge untermauert ist, setzen Sie jetzt ein Abkommen in Kraft, das in Wahrheit trotz eines positiven Grundinhaltes nur dafür geeignet ist, das Gewissen Österreichs im Ausland zu beruhigen, aber mehr als das wird es wahrscheinlich nicht sein. Und Sie verhandeln die Umsetzung des Geldwäscheübereinkommens etwa nicht im Finanzausschuß und nicht im Justizausschuß, sondern Sie setzen auch noch den Gipfelpunkt der Infamie darauf und verhandeln es im Gesundheitsausschuß! So, meine Damen und Herren, geht es wirklich nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nach meiner Einschätzung wurde diese Vorgangsweise bewußt gewählt, und zwar deshalb, daß nur ja niemand auf die Idee kommen kann, darauf hinzuweisen, daß da etwas fehlt, nämlich jene Schutzbestimmungen für Sparer und Anleger, die verhindern, daß der Staat nicht unter dem Vorwand "Geldwäsche" Einblick in sämtliche Konten nimmt, nur weil jemand einen Verdacht äußert – sei er begründet oder unbegründet.

Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz klar festhalten: Wir Freiheitlichen stehen zur Bekämpfung der internationalen Geldwäscheorganisationen, und so gesehen ist die nationale Umsetzung wichtig. Aber wir müssen uns auch über den Zeitpunkt der Umsetzung unterhalten, und ich stehe auf dem Standpunkt, daß das nur gleichzeitig mit der Inkraftsetzung eines verbesserten Bankwesengesetzes, einer Verschärfung des Bankgeheimnisses geschehen kann. Nicht vorher und nicht nachher, sondern gleichzeitig muß das geschehen.

Andernfalls schaffen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ein Präjudiz. Es scheint Sie aber dieses Präjudiz nicht zu stören. Seit langer Zeit liegt im Justizausschuß ein


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Initiativantrag der Freiheitlichen, mit dem das Bankwesen geändert werden soll. Das stört Sie aber nicht. Dieser Antrag ist im Ausschuß regelrecht versandet, nur weil die Koalitionsparteien – wie ich eingangs schon sagte – noch immer keinen Handlungsbedarf sehen.

Auch unser Fristsetzungsantrag wurde erst vor kurzem abgelehnt, weil eben kein Handlungsbedarf von seiten der SPÖ und der ÖVP besteht. Nach außen will man nicht, kann man unmöglich den Eindruck entstehen lassen, daß die Freiheitlichen schneller, präziser und bürgernäher arbeiten als die Regierungsparteien. Diesen Eindruck kann man und will man nicht entstehen lassen, das ist aus Ihrer Sicht verständlich, nur der Bürger, meine Damen und Herren, der versteht es nicht.

Ich gratuliere Ihnen zu dieser "reifen" Leistung, die Probleme immer und ewig auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. In bezug auf das Beispiel, das ich eben gebracht habe, wurde erfolgreich gemauert. Wir Freiheitlichen werden uns aber nicht abhalten lassen, dieses Thema nachhaltig einzufordern.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Den Erklärungsbedarf in ein oder eineinhalb Jahren gegenüber der österreichischen Bevölkerung werden nicht wir haben, sondern Sie, und zwar dann, wenn Österreich wohl das Geldwäscheabkommen unterzeichnet und ratifiziert hat, aber weder Anonymität noch ein taugliches Bankgeheimnis in Österreich zur Verfügung stehen und damit ausreichende Schutzbestimmungen gegen Mißbrauch geschaffen worden sind. Das wird niemand verstehen, aber das werden Sie zu verantworten haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Herr Abgeordneter, um 15 Uhr würden dann Ihre Ausführungen zu unterbrechen sein, sollten Sie so lange sprechen wollen.

14.47

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Hauptzweig der grenzüberschreitenden Kriminalität ist neben gesetzwidrigen Glücksspielen, Auftragsmorden, illegaler Giftmüllentsorgung, Kreditkartenbetrug und Zinsenwucher nach wie vor der Schmuggel von Drogen, Waffen und gestohlenen Fahrzeugen bis zu Frauen für Prostitution und illegalen Einwanderern.

Das Ergebnis dieser Verbrechen sind Unsummen von Schwarzgeld, die weißgewaschen werden. Die globalen Umsatzschätzungen dafür reichen bis zu rund 10 Billionen Schilling im Jahr. Damit erzielt dieser Wirtschaftszweig einen größeren Gesamterlös, als die Rohölproduktion aller erdölexportierenden Länder ausmacht. Das gesamte gewaschene Geld entspricht 2 Prozent des weltweit jährlich erwirtschafteten Bruttosozialprodukts. Den Löwenanteil davon nimmt nach wie vor der Drogenhandel ein.

Der Kampf gegen die Geldwäsche ist die wichtigste Aufgabe, wenn der Teufelskreis des Drogenhandels durchbrochen werden soll. Leider ist die organisierte Kriminalität der Exekutive noch weit voraus, und daher muß die internationale Staatengemeinschaft reagieren. Die Kriminellen reisen, haben ihre Basis in einem Land, von dem aus sie in anderen Staaten operieren. Wer nicht reist, ist die Justiz.

Der Ausbau von Zeugenschutzprogrammen beziehungsweise der grenzüberschreitende Austausch von Beweismitteln können bei der Bekämpfung dieser Hydra nur als erste Schritte gesehen werden. Es zeigt sich immer wieder, daß ein Netzwerk nur durch ein solches bekämpft werden kann, weshalb die Zusammenarbeit in der Verbrechensbekämpfung auf ein globales System koordinierter Maßnahmen ausgeweitet werden muß. Dazu gehören auch bilaterale und multilaterale Auslieferungsabkommen und ähnliche Formen gegenseitiger Hilfestellung.

So empfehlen als einziges Mittel gegen die Geldwäsche unter anderem der Internationale Währungsfonds und die UNO schon lange eine verstärkte internationale Zusammenarbeit mit


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bindenden internationalen Konditionen, um den weltweiten Kampf gegen die Geldwäsche koordinieren zu können.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist mit dem heute von uns zu ratifizierendem Übereinkommen über die Geldwäsche gelungen. Es verfolgt das Ziel, die internationalen Bestimmungen über Geldwäsche und die Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von deliktisch erworbenen Vermögenswerten einander anzunähern und die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich zu verbessern.

Das Übereinkommen ist vom Grundsatz getragen, eine gemeinsame Strafrechtspolitik zu verfolgen und dabei moderne und wirksame Methoden auf internationaler Ebene anzuwenden.

Positiv hervorzuheben ist für Österreich, daß es vom Zeitplan her gelungen ist, das Europaratsübereinkommen zur Geldwäsche im ungefähren zeitlichen Gleichschritt mit dem am 1. März des heurigen Jahres in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz zu ratifizieren. Durch die Kombination von internationalen Übereinkommen und dem innerstaatlichen Strafrechtsänderungsgesetz steht uns für die Zukunft ein wirksames und schlagkräftiges Instrumentarium zur Bekämpfung dieser Form der schweren Kriminalität zur Verfügung.

Erfaßt werden alle Kriminalitätsformen, insbesondere aber Delikte, die wie der illegale Drogenhandel bedeutende illegale Gewinne abwerfen. Zentral für das Übereinkommen ist der weite Begriff des Vermögensgegenstandes und der darauf Bezug nehmende und daher ebenso weite Begriff des Ertrages. Damit soll sichergestellt werden, daß wirklich jeder wirtschaftliche Vorteil, welcher Art auch immer, erfaßt wird, der durch eine strafbare Handlung erlangt wurde. Es ist daher nicht notwendig, daß der Vermögensgegenstand im Besitz desjenigen sein muß, der die strafbare Handlung begangen hat. Dadurch können auch jene Vermögensteile erfaßt und abgeschöpft werden, die bei anderen, vom Täter verschiedene Personen angefallen sind.

Dieses neugeschaffene Instrument der Abschöpfung der illegalen Bereicherung soll aber neben jenen Geldern, die dem Täter durch die Straftat zugeflossen sind, auch jene Zuwendungen erfassen, die für die Begehung von Straftaten empfangen wurden, unabhängig davon, ob diese Verbrechen auch tatsächlich begangen wurden.

Um dies alles auch tatsächlich in der Praxis erreichen und umsetzen zu können, sieht das Übereinkommen ein komplettes Regelwerk vor, das alle Stadien des Verfahrens, beginnend bei der ersten Ermittlung bis zur Verhängung von Einziehungsentscheidungen, abdeckt und ein flexibles System der internationalen Zusammenarbeit bei all diesen Verfahrensstadien vorsieht. Es ist ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum bisherigen Zustand, der sich nur auf allgemeine Rechtshilfe, auf Abkommen zwischen den einzelnen Staaten stützen konnte.

Eine wesentliche Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Verpflichtung zur Schaffung nationaler Mindeststandards, die es den Mitgliedsstaaten ermöglichen, den Tätern die Früchte ihrer Verbrechen zu entziehen. Das Übereinkommen strebt hierbei eine Verringerung der Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsordnungen an. Eine Gleichschaltung der nationalen Gesetzgebung ist jedoch nicht Ziel und Folge des Übereinkommens.

Meine Damen und Herren! Mit der Annahme des Übereinkommens können wir einen weiteren wichtigen Grundstein im Kampf gegen das organisierte Verbrechen legen. Doch bis das gesamte Gebäude steht, ist es, so fürchte ich, für uns noch ein langer Weg, den wir trotzdem oder gerade deswegen unverzüglich zu beschreiten haben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Stummvoll vor. Um 15 Uhr muß ich unterbrechen, Sie haben daher 6 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

14.54

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Kollege Kaipel, hat den Inhalt dieses


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Übereinkommens sehr ausführlich dargestellt. Ich möchte mich daher auch im Hinblick auf die Unterbrechung um 15 Uhr sehr kurz fassen und nur einige wenige Punkte hervorheben.

Ich stimme mit meinem Vorredner darin überein, daß dieses Übereinkommen des Europarates einen unglaublich wichtigen weiteren Schritt im Rahmen einer international akkordierten Vorgangsweise gegen die organisierte Kriminalität darstellt. Ich glaube in der Tat, daß da ein gemeinsames Vorgehen der westlichen Industriestaaten notwendig ist.

Das Übereinkommen ist sehr umfassend ausgelegt. Es umfaßt praktisch alle Delikte: Drogenhandel, Waffenhandel, Handel mit nuklearen Substanzen, Menschenhandel und so weiter. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Ich komme da gerne auf den Zwischenruf des Kollegen Firlinger zurück. Herr Kollege Firlinger hat – und ich bedauere das genauso, wie ich das bei der Debatte am 27. Februar bedauert habe – hier als Abgeordneter des Hohen Hauses in einem europäischen Rechtsstreit eine Position vertreten, die nicht die Position der Republik Österreich ist. Ich bedauere das, weil in einem europäischen Rechtsstreit die Mitglieder des Hohen Hauses eigentlich auf der Seite der Republik Österreich stehen müßten und nicht auf der Seite des Gegners. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Frage Geldwäsche und Anonymität ist, glaube ich, sehr klar zu beantworten. Herr Kollege Firlinger! Es gibt zwei Bereiche, in denen es Anonymität noch gibt, nämlich die anonymen Wertpapierdepots – sofern nach dem 1. August 1996 Wertpapiere zugeführt werden, ist die Identität jedoch zu überprüfen – und das anonyme Sparbuch.

Dazu muß ich folgendes sagen: Wer glaubt, daß er mit anonymen Sparbüchern Geldwäsche betreiben kann, gibt sich einem großen Irrtum hin (Abg. Auer: Träumer!) , ist eigentlich ein Träumer, wie Sie richtig sagen, Herr Kollege Auer.

Herr Kollege Firlinger! Geldwäsche heißt, daß schmutziges Geld dem Kreislauf zugeführt wird und aus diesem sauber herauskommt. Erklären Sie bitte hier, wie ein Sparbuch, das am Schalter vorzulegen ist, auf dem eine kleine Pensionistin vielleicht ein paar tausend Schilling hat, zur Geldwäsche verwendet werden soll?!

Erst gestern haben wir im Ministerrat die Stellungnahme der Republik Österreich an die Europäische Kommission beschlossen, in der in 11 Punkten detailliert angeführt wird, welche Schritte wir seit 1987 in Österreich autonom gegen die Geldwäsche gesetzt haben. Sie wissen genausogut wie ich, daß im Artikel 189 des EU-Vertrages steht, daß das Ziel, Geldwäsche zu verhindern, verbindlich ist, daß aber die Wahl der Mittel zur Zielerreichung den einzelnen Mitgliedsstaaten freisteht.

Herr Kollege Firlinger! Sie argumentieren wirklich wider besseres Wissen, und das halte ich Ihnen vor. Sie argumentieren hier wider besseres Wissen gegen die offizielle Position der Republik Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, wir brauchen uns auch von keinem Oppositionsredner vorwerfen zu lassen, daß wir nicht ganz energisch, durch gezielte effektive Maßnahmen den internationalen Kampf gegen die Geldwäsche aufgenommen haben und sehr intensiv weiterführen. – Herr Kollege Firlinger, Sie nehmen da eine Außenseiterposition ein! (Beifall bei der ÖVP.)

14.57

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Abgeordneten Anschober und Genossen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, und zwar zur Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Mord an Dr. Abdul Rahman Ghassemlou (vgl.Si) und seiner zwei Vertrauten.


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Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung darüber ebenfalls nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Ich unterbreche nun die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 4 bis 15 Uhr zum Zwecke des Aufrufens der Durchführung einer kurzen Debatte.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wiederaufgenommen. )

Kurze Debatten über Fristsetzungsanträge

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme die Verhandlung wiederum auf, und wir gelangen jetzt zur kurzen Debatte über den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Barmüller, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 210/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird, eine Frist bis zum 14. Mai 1997 zu setzen.

Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen nun in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß dem Antragsteller eine Redezeit von 10 Minuten, jedem weiteren Redner eine solche von 5 Minuten zusteht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Barmüller als Antragsteller. 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.01

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Fristsetzungsantrag zum Antrag, den wir bereits vor über einem Jahr betreffend das Gentechnikgesetz eingebracht haben, deshalb heute wieder eingebracht, weil es nach dem Gentechnik-Volksbegehren und dessen überragendem Erfolg auch von seiten der Regierung geheißen hat, jetzt sei man bereit, diese Verhandlungen aufzunehmen und hier im Parlament voranzutreiben.

Wir sind der Überzeugung, daß das, was wir bereits vor einem Jahr eingebracht haben, eine taugliche Verhandlungsgrundlage darstellt und daß eigentlich kein Grund besteht, noch zuzuwarten, wenn bereits gesagt worden ist, Herr Abgeordneter Leiner, man möchte bis zum Sommer zu einem Ergebnis kommen. Daher wäre es gut, diesen Antrag, der bereits hier im Haus liegt, auch in Verhandlung zu nehmen. Es sind auch schon einzelne Anträge im Gesundheitsausschuß in Verhandlung gestanden, die so quasi noch im Vorfeld zum Gentechnik-Volksbegehren auf die Tagesordnung gesetzt worden sind, damit nicht der Eindruck entstehen könnte, man wolle sich diesem Thema verweigern.

Der Fristsetzungsantrag lautet auf den 14. Mai, da ist die nächste Nationalratssitzung. – Ich weiß, das ist relativ kurz. Meine Damen und Herren! Alles, was in dem Antrag steht, den wir bereits vor über einem Jahr hier im Hause eingebracht haben, können Sie letztlich auch in dem Bericht über die Enquete-Kommission lesen. Dieser Bericht ist hier im Hause unmittelbar vor der Beschlußfassung des Gentechnikgesetzes einstimmig beschlossen worden.

Ich darf es nur kurz Revue passieren lassen: Wir verlangen, daß es mehr Schutz für die Bevölkerung und für die Umwelt geben soll, indem man auch Umweltanwälten Parteienstellung und ein Beschwerderecht an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts einräumt.

Wir meinen, daß die Information und Kontrolle durch den Gesundheitsminister verstärkt werden sollten, und sind daher dafür, daß ein Gentechnikregister angelegt werden soll, in dem alle Anmeldungen und Genehmigungsanträge erfaßt werden sollen.


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Meine Damen und Herren! Wir meinen, daß ein zentraler Punkt gerade die Haftungsbestimmungen sein werden. Wir brauchen im Gentechnikgesetz eigene Haftungsbestimmungen. Dies ist in der Diskussion um das Gentechnikgesetz, wie auch Frau Abgeordnete Rossmann weiß, natürlich damals schon versprochen worden. Faktum ist aber auch, daß die Koalition das Umwelthaftungsgesetz trotz Beschluß des Gentechnikgesetzes hier im Hause bis heute schuldig geblieben ist. Es gibt einen Entwurf beim Herrn Bundesminister für Justiz. Aber der liegt in der Schublade, er wird nicht herausgenommen, er wird nicht verhandelt. Die Diskussion über die Umwelthaftung in diesem Hause wird seit Beschlußfassung des Gentechnikgesetzes nicht mehr vorangetrieben.

Meine Damen und Herren! Noch einmal: Es sind Bestimmungen notwendig in bezug auf die schwierige Nachweissituation, die Geschädigte gerade im Zusammenhang mit der Gentechnologie haben können, weil es um minimale Kausalitäten geht und weil es einfach für einzelne Geschädigte erleichtert werden soll, darzulegen, daß sie einen Schaden erlitten haben. Das ist nach wie vor ausständig, das sollte gemacht werden. Da reichen jene Haftungsbestimmungen, die wir heute haben, nicht aus.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie auch daran erinnern, daß es bereits im Forstgesetz Bestimmungen und Rechtsfiguren gibt, die auch im Bereich der Gentechnik durchaus anwendbar wären. Diese Rechtsfiguren – ich spreche hier konkret § 54 des Forstgesetzes an – sind letztlich daraus entstanden, daß auch dort, wo Forstschäden durch Immissionen entstehen und nicht genau nachweisbar ist, woher welche Anteile kommen, andere Regelungen für den Geschädigten, leichter instrumentalisierbare Regelungen gefunden wurden. Das ist etwas, was die Liberalen auch für den Bereich der Gentechnik diskutiert haben wollen.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus meinen wir, daß jene Unternehmen, die im Gentechnikbereich tätig sind und auch Freisetzungen machen, Vorsorge treffen sollen, und zwar soll ihnen das von Gesetzes wegen vorgeschrieben werden, damit sie Schadenersatzansprüche auch tatsächlich befriedigen können, wenn etwas schiefgeht. Das ist etwas, was bei der Kosten-Nutzen-Verteilung nur fair ist. Es kann nicht angehen, daß man nur Gewinne privatisieren, aber die Risken auf die Allgemeinheit überwälzen will. Ich glaube, niemand hier im Hause, niemand auch von jenen Unternehmern, die das machen, will das letztlich. Daher sollten wir auch gesetzliche Vorsorge treffen, daß entsprechende Absicherungen erfolgen, sei es über Versicherungen oder sei es durch das Unternehmen selbst.

Ein ganz zentraler Punkt ist schließlich noch, daß wir sagen, wir wollen eine klar ersichtliche und verständliche Kennzeichnung auf allen Produkten, die nachweislich entweder mit gentechnologischen Verfahren oder aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt worden sind, die gentechnisch veränderte Organismen oder Teile von diesen enthalten. Selbst wenn sie mit wissenschaftlichen Mitteln nicht mehr nachweisbar sind, aber sehr wohl nachweislich in solchen Verfahren hergestellt worden sind, soll das gekennzeichnet werden, damit die Konsumentinnen und Konsumenten die Chance haben, wirklich eine Entscheidung zu treffen, indem sie sagen, ich will das eine Produkt, das mit gentechnischen Verfahren hergestellt worden ist, oder indem sie sagen, nein, ich möchte ein anderes Produkt kaufen, eines, das im Biolandbau hergestellt worden ist, weil es letztlich auch eine Entscheidung dafür ist, welche Strategien im Bereich der Agrarpolitik man in Zukunft verfolgen will. Will man eine stärker industrialisierte Landwirtschaft, dann ist die Gentechnik auch ein Mittel dazu, oder will man, wie es in Österreich oft gesagt worden ist, einen stärker biologisch orientierten Landbau, dann muß eben eine andere Entscheidung von den Konsumenten vor dem Supermarktregal gefällt werden. Aber wir müssen auch die Konsumentinnen und Konsumenten in die Lage versetzen, diese Entscheidung zu treffen. Daher enthält der liberale Antrag, der seit über einem Jahr hier im Hause liegt und nicht behandelt worden ist, als einen der entscheidenden Punkte diese klar verständliche und ersichtliche Kennzeichnung.

Meine Damen und Herren! Letzter Punkt unseres Antrages ist der, daß wir sagen, es ist nicht einzusehen, daß die Verfahrensdauer, innerhalb der über Freisetzungsanträge entschieden werden muß, bloß drei Monate sein darf. Es ist allgemein gemäß den Verwaltungsverfahrensgesetzen so, daß ehestmöglich eine Entscheidung getroffen werden muß, längstens aber in


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sechs Monaten. Wir halten es auch für den Bereich der gentechnologischen Verfahren für angemessen, daß man ehestmöglich entscheidet, aber auch eine Frist von sechs Monaten zuläßt, wenn es notwendig ist, die entsprechenden Unterlagen beizubringen und sich eine Meinung zu bilden.

Meine Damen und Herren! Der Antrag insgesamt – das sei noch einmal hier erwähnt – ist in all seinen Inhalten sehr, sehr stark angelehnt an jenen einstimmig hier im Hause beschlossenen Bericht der Gentechnikkommission. Das ist damals, nämlich im Jahre 1994, von allen Fraktionen außer Diskussion gestellt worden. Alle haben gesagt, daß es sich um Maßnahmen handelt, die umgesetzt werden sollten. Daß sie dann vom damaligen Minister Ausserwinkler nicht so ins Gesetz genommen worden sind und man gemeint hat, es sei sinnvoll, dies in zwei Gesetze zu splitten, sei dahingestellt. Das ist vergossene Milch.

Faktum ist aber, daß es hoch an der Zeit ist – ich glaube, das Gentechnik-Volksbegehren hat das auch bewiesen –, daß wir diese Materie wieder in Verhandlung nehmen. Die entsprechenden Anträge liegen seit über einem Jahr hier im Hause. Dieser Fristsetzungsantrag soll dazu dienen, daß diese Diskussion jetzt flott fortgeführt wird. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.08


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Pittermann vor. Ab jetzt gilt eine Redezeitbeschränkung von 5 Minuten pro Redner. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.08

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Gentechnik ruft – geschürt durch Medien, deren Argumentation sich viele anschließen – Ängste hervor. Es scheint in der Natur des Menschen zu liegen, Neues abzulehnen, wie jeder Chef, der Mitarbeiter zu Neuem motivieren möchte, weiß. Unsere Aufgabe ist eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Technologie und deren Einsatz.

Schon Sokrates zeigte Einsicht in unser Nichtwissen mit folgendem Zitat: Ich weiß, daß ich fast nichts weiß, und kaum das. Daher bewundere ich jene, die alles zu wissen vermeinen.

Der Gesundheitsausschuß beschäftigt sich am 29. April 1997 mit diesem Thema, ebenso derzeit die Bundesregierung. Gefahr im Verzug, nämlich daß sofortige Maßnahmen nötig sind, besteht nicht. Ich möchte auch derzeit nur auf einen Punkt des Antrages, der mich beruflich betrifft, eingehen. Der Träger des Krankenhauses, aber auch der durchführende Arzt haftet selbstverständlich bei jeder Therapie. Da Therapien fast immer einen Eingriff in die Integrität des Körpers darstellen, müssen vor jeder Therapie Wirkung, Risiko und Notwendigkeit gegeneinander abgewogen werden. Keine Therapie ist risikolos, und die Patienten müssen nach dem derzeitigen Wissensstand aufgeklärt werden.

Bei allen neuen Technologien und Erfindungen kann man Langzeitwirkungen erst nach Jahren abschätzen. All jene, die Technik, Medizin und Chemie so häufig verteufeln und in dem Rousseauschen Ruf "Zurück zur Natur!" enden, haben übersehen, daß diese es erst möglich gemacht haben, daß sich die Lebenserwartung in diesem Jahrhundert bei uns praktisch verdoppelt hat.

Auch wir Sozialdemokraten stehen der Gentechnik kritisch gegenüber. Wir wollen aber Wissenschaft weder verhindern noch in verbotene Heimlichkeit abdrängen. Wir wollen unsere Bevölkerung weder in Panik stürzen, noch wollen wir den Österreichern, die bekanntermaßen reiselustig sind, vorgaukeln, daß sie in dieser Welt gentechnikfrei leben können. Um uns verantwortungsvoll, ausreichend und zukunftsorientiert mit dieser Materie auseinandersetzen zu können, lehnen wir den Fristsetzungsantrag ab. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte.

15.11

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nur kurz mit dem Antrag beschäftigen. Zu den ersten zwei Punkten betreffend Parteienstellung des Umweltanwaltes möchte ich sagen, daß in beiden Fällen diese Parteienstellung dort verlangt wird, wo nach dem GTG ohnehin schon eine öffentliche Anhörung durchzuführen ist. Daher ist eine Erweiterung der Parteienstellung auf Umweltanwälte entbehrlich. Sonst wird alles nur noch bürokratischer.

Punkt 3: Die 90-Tage-Frist für die Genehmigung von Freisetzungsanträgen zu streichen stünde in krassem Widerspruch zum EU-Recht, das hier keine strengere nationale Regelung zuläßt.

Punkt 4: Daß die Frist für die umfangreiche Meldung von Unfällen bei Freisetzung von 14 Tagen auf eine Woche gesenkt wird, würde ich deshalb ablehnen, weil für eine Bewertung der Unfallauswirkung dann zu wenig Zeit zur Verfügung stehen würde. Man braucht, um eine seriöse und gute Bewertung durchführen zu können, auch genügend Zeit.

Punkt 5: § 55 betrifft die Kennzeichnung. Wie diese Kennzeichnung auszusehen hat, wird bereits im § 62 GTG geregelt und auch ganz genau beschrieben. Der Abänderungsantrag betrifft daher den falschen Paragraphen GTG, und inhaltlich bringt er eigentlich auch nichts. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Punkt 6: Ich bin ich eigentlich dagegen, daß Vertreter des Nationalrates oder der Parlamentsklubs in die Gentechnikkommissionen entsandt werden, weil die Debatte nicht parteipolitisch geführt werden sollte, sondern diese Kommission sollte möglichst aus Fachleuten und sachlich orientierten Menschen zusammengesetzt sein. (Abg. Mag. Barmüller: ... Sozialpartner!)

Zum Gentechnikregister möchte ich noch bemerken, daß der Bundesminister bereits einen Bericht vorlegen muß. Ein derartiges Register ist eigentlich nicht notwendig, weil jeder im Bundesministerium nachfragen kann.

Die Haftung ist etwas anderes. Man könnte das noch weitergehend durchdiskutieren, aber das GTG sieht bereits ausdrücklich eine Haftungsverschärfung vor:

Erstens: Es unterwirft Naturprodukte, die GVO sind, dem Produkthaftungsgesetz.

Zweitens: Es übernimmt die Haftung aus dem Arzneimittelgesetz für Gentherapien, indem es die Bestimmungen des AMG über klinische Prüfungen für anwendbar erklärt – § 76 GTG –, und als Schutzgesetz bewirkt es, daß jeder, der das GTG nicht einhält und dadurch einen Schaden verursacht, nach dem bürgerlichen Recht deliktisch haftbar ist, sofern er nicht beweisen kann, daß ihn keine Schuld trifft. Das bedeutet also Umkehr der Beweislast. Da das GTG vorschreibt, daß immer so vorzugehen ist, daß kein Schaden eintritt, insbesondere in den §§ 13 und 45 GTG, fällt jeder Schaden unter diese Beweislastumkehr. Daher wäre bei Freisetzungen eventuell über die Höhe zu diskutieren. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.15

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden der Fristsetzung zustimmen. Es liegt nämlich ein ähnlich lautender Antrag von uns seit Mai 1996 im Gesundheitsausschuß, dessen Schwerpunkt ebenfalls die Haftungsfrage ist.


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Herr Kollege Leiner! Das ist der zentrale Punkt, die Haftungsfrage. Sie haben versucht, das etwas abzuschwächen. Tatsache ist, daß durch diese Technologie eine Unzahl von Unwägbarkeiten auftreten wird und es keine Risikoabschätzung von Allergiegefahr, Resistenzen et cetera gibt. Durch horizontalen Gentransfer können Konstruktionen entstehen, mit denen wir wirklich im Moment noch nicht rechnen können, und Folgewirkungen auftreten, die wir nicht voraussehen können. Die Frage der Rückholbarkeit ist in der Diskussion vor diesen beiden Volksbegehren nicht einmal andiskutiert worden. Auch die Frage der Langzeitfolgen ist absolut undurchsichtig und undurchschaubar. Es gibt eine Unzahl ungeklärter Fragen, aber trotzdem keine klare Haftungsregelung.

Ich hoffe ja, daß wir sie nicht brauchen werden, weil die Gentechnik in Österreich nicht in der Form Einzug halten wird, wie Sie es vielleicht hoffen oder glauben. Trotzdem sollte man für den Eventualfall vorsorgen und sich mit der Haftung entsprechend auseinandersetzen. Dieses Gentechnikgesetz gehört vor allem in diesem Punkt schnellstens reformiert, und deshalb werden wir dieser Fristsetzung auch zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte.

15.17

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Kollege Leiner! Glauben Sie nicht auch, wenn Sie schon hier alle unsere Forderungen ablehnen, daß auch die Opposition ein Recht hat, Anträge einzubringen, die dann auch behandelt werden und nicht über ein Jahr in der Schublade liegen sollten? (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Leiner: Die sollten aber sinnvoll sein!) Die sind sinnvoll! Ich werde es Ihnen erklären.

Nun zu den Ausführungen von Frau Kollegin Dr. Pittermann – sie ist leider nicht da. Wir wollen heute sicher keine Ängste schüren, wir befassen uns mit unausweichlichen Forderungen, deren Realisierung schon lange ansteht. Das Volksbegehren hat es bewiesen.

Das Gentechnik-Volksbegehren ist geschlagen. 1,2 Millionen Bürger und Bürgerinnen haben unterschrieben. Herr Kollege Leiner! Das ist wahrlich ein stolzer Erfolg, der unsere verantwortlichen Politiker bereits jetzt in höchstem Maße erfreut, wie in den Printmedien nachzulesen ist. Laut Aussage unseres Bundeskanzlers ist nun Handlungsbedarf angesagt. Ja wo denn, wenn nicht hier?! Wo soll denn gehandelt werden, wenn nicht im Parlament, Herr Kollege Leiner? (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Über diese Punkte können wir im Ausschuß diskutieren. Selbstverständlich sollen Sie auch zu Wort kommen, aber wir wollen auch unsere Argumentation dort darlegen können. Wir müssen zunächst die Möglichkeit dazu haben.

Meine Damen und Herren! Ich frage mich ernsthaft, warum erst ein Volksbegehren gestartet werden muß. Denn um den schwierigen Bereich der Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft und der Medizin zu regeln, wurde bereits 1995 das Gentechnikgesetz im Hohen Haus beschlossen. Im Vorfeld – und jetzt passen Sie gut auf, Herr Kollege Leiner – dieses Beschlusses befaßte sich eine Enquete-Kommission mit dieser Frage und stellte die Technikfolgenabschätzung am Beispiel der Gentechnologie als besonders heiklen Punkt dar. Mein Kollege Barmüller hat es schon ausgeführt und auf seinen Antrag verwiesen, der seit 22. Mai 1996, also seit fast einem Jahr, im Hohen Haus liegt und dem Justizausschuß zugewiesen ist. Ich kann auf einen Antrag, der am 23. Mai 1996 eingebracht wurde und seit dieser Zeit, Herr Kollege Leiner, im Gesundheitsausschuß dahinvegetiert, verweisen.

Es ehrt auch Frau Bundesministerin Prammer, daß sie in der kurzen Zeit ihrer Ministertätigkeit erkannt hat, daß Kennzeichnungspflicht Vorrang hat. Die Versäumnisse in der Vergangenheit rechtfertigen aber diese Erkenntnisse keineswegs, denn aus dem Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission aus 1994 geht hervor, und das wurde zudem bei der Beschlußfassung des Gentechnikgesetzes von allen Parlamentsfraktionen gefordert – ich darf noch einmal auf den Wortlaut verweisen –: "Die Möglichkeit des Verbrauchers, sich beim Kauf bewußt für oder gegen ein Produkt, das mit Hilfe gentechnischer Mittel oder Verfahren hergestellt oder verändert


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wurde, entscheiden zu können, muß durch eine klare, ersichtliche und verständliche Kennzeichnung gewährleistet sein." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das wurde 1994 erklärt. Heute schreiben wir das Jahr 1997. Ein Volksbegehren wurde diese Woche abgeschlossen, und ohne das Gentechnik-Volksbegehren schmälern zu wollen, stelle ich fest, daß die Versäumnisse, die wieder einmal ganz deutlich zutage treten, keine Entschuldigung und auch keine Rechtfertigung mehr vertragen. Die Anträge der Liberalen wie auch der anderen Oppositionsparteien liegen seit langem hier im Haus. Diese Anträge wurden und werden ignoriert. Deshalb fordern wir, daß dem Justizausschuß eine Frist bis 14. Mai – eine kurze Frist – gesetzt wird, um das Gentechnikgesetz 1994 zu ändern. Ich fordere auch Frau Kollegin Dr. Fekter – sie ist leider auch nicht da – als Vorsitzende des Justizausschusses auf, ihre Aufgaben endlich wahrzunehmen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

15.22

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grünen werden diesem Fristsetzungsantrag des Liberalen Forums selbstverständlich zustimmen. Ich bin schon sehr erstaunt, was hier und heute unter dem Titel einer Fristsetzungsdebatte seitens der Rednerin und des Redners von den Regierungsparteien abgewickelt wurde.

Bei einer Fristsetzung geht es überhaupt nicht um die Frage, ob der Inhalt des Antrags der Liberalen gut oder schlecht ist, ob das als Technikfeindlichkeit zu werten ist oder ob der Verweis im Paragraphen soundso richtig oder falsch ist. (Abg. Dr. Leiner: Es geht schon um den konkreten Antrag!) Es geht nicht um diese inhaltliche Frage, sondern um die Frage, wann wir endlich auch über Oppositionsanträge in Sachen Gentechnik in diesem Hause ernsthaft debattieren. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Ich werte diesen sehr weiten Gestaltungsspielraum der Regierungsabgeordneten im Rahmen einer Fristsetzung schon als ein Präjudiz, das sich die Opposition auch als Beispiel nehmen wird, wenn es uns einmal im Rahmen einer Fristsetzung um inhaltliche Ausführungen geht. Dies sei nur angemerkt.

In Sachen Gentechnik und in Sachen dieses Antrags führen Sie Ihre eigene Argumentation ad absurdum, wenn allein ein Antrag betreffend eine Abänderung des Gentechnikgesetzes 1994 betrachtet wird. Jetzt diskutieren wir diesen Antrag beziehungsweise darüber, ob er überhaupt bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Mai im Ausschuß debattiert werden soll; das ist jetzt die Frage. Ich erinnere mich noch sehr gut an das Gentechnikgesetz 1994. Minister Bartenstein hat uns persönlich versprochen, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung auch auf gentechnische Anlagen bezogen werden muß.

Da gab es wiederholt Äußerungen von seiten der Regierung, in denen bekundet wurde, wie wichtig denn die Haftungsfrage sei. Herr Abgeordneter Leiner! Frau Abgeordnete Pittermann! Diese Anlagen stehen in Produktion. Da gibt es Private, die daraus Gewinne ziehen. Wenn aber etwas passiert – und das nicht gerade durch bösen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, was ich ja doch nicht hoffen will –, dann tragen wir es alle. Das heißt, der Nutzen ist privatisiert, das Risiko ist sozialisiert. Das haben Sie vor mittlerweile drei Jahren beschlossen. Die Diskussion über die Kehrseite der Medaille, nämlich über eine strenge, verschuldensunabhängige Haftung, hat ja noch Zeit. Das will man nicht einmal bis zum 14. Mai ernsthaft diskutieren.

Ich frage Sie: Was wollen Sie eigentlich noch lang diskutieren? Es gibt einen fertigen Entwurf des Justizministeriums, Ihres Justizministers, einen Entwurf der entscheidungsreif ist. Der einzige Grund, warum Sie dieser Fristsetzung nicht zustimmen, ist, daß Sie eigentlich eine Regelung in Sachen Gentechnik, die den Interessen der Bevölkerung zugute kommt, nicht wollen. Was vor diesem Hintergrund von den Äußerungen von Regierungsmitgliedern, vom Kanzler selbst, zu halten ist, wenn er angesichts der über 1,2 Millionen Unterschriften gesagt hat: Jetzt


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ist schneller Handlungsbedarf gegeben! Jetzt muß rasch etwas passieren! Die Menschen in Österreich müssen ernst genommen werden!, ist klar. Nicht einmal Abgeordnete dieses Hauses, Volksvertreterinnen und Volksvertreter, werden mit ihren berechtigten Wünschen, daß nach einem Jahr über so einen Antrag entschieden werden soll, ernst genommen.

Meine Damen und Herren! Sie werden nicht von uns hier – das können wir leider nicht –, aber Sie werden von der österreichischen Bevölkerung, von den vielen Menschen, die an der Gentechnik und an einer besseren Regelung interessiert sind, für dieses Ihr Verhalten im Hohen Haus zur Verantwortung gezogen werden! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

15.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit erkläre ich die Debatte für geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Antrag, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 210/A des Abgeordneten Barmüller betreffend Gentechnik eine Frist bis zum 14. Mai 1997 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag Barmüller eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Dr. Schwimmer: Vier Liberale sind anwesend!) – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

*****

Als nächstes gelangen wir zur Kurzdebatte über den Antrag des Herrn Abgeordneten Scheibner, dem Außenpolitischen Ausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 152/A (E) betreffend Beitritt Österreichs zur NATO eine Frist bis 4. Juli 1997 zu setzen.

Auch hier wird die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag unmittelbar nach Schluß der nunmehr zu führenden Debatte vorgenommen werden.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Die Spielregeln sind die gleichen wie beim vorigen Antrag: kein Redner mehr als 5 Minuten, Erstredner 10 Minuten.

Erstredner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

15.28

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch bei diesem Antrag, dem wir mit einer Fristsetzung zur Behandlung verhelfen wollen, handelt es sich um eine Vorlage, die seit mehr als einem Jahr im Ausschuß liegt und auf die entsprechende Diskussion wartet. Wir haben ihn zwar schon einmal gemeinsam mit dem Neutralitäts-Volksbegehren auf der Tagesordnung gefunden, aber damals wollten wir an und für sich eine umfassende Debatte über diesen Antrag auf Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zur NATO erwirken.

Damals war uns aber nur die Alternative gegeben, entweder der Zuweisung dieser Vorlage an einen Unterausschuß, nämlich den gleichen Unterausschuß, der auch zur Behandlung des Volksbegehrens eingerichtet wurde, zuzustimmen oder eine Vertagung zur Kenntnis zu nehmen. Wir haben uns für die zweite Variante entschieden, weil wir gesehen haben – und es ist dann auch so gekommen –, daß dieser Unterausschuß nur aus einem sehr kurzen Hearing bestehen würde. In Wahrheit hat es keine ordentliche begleitende Ausschußberatung zu der immer wieder aufflackernden sicherheitspolitischen Diskussion gegeben.

Diese sicherheitspolitische Diskussion ist ja auch ganz interessant. Sie wird immer in der sogenannten Saurengurkenzeit geführt, nämlich dann, wenn die Politik etwas ins Ruhen kommt, wie zum Beispiel im Sommer, in der Weihnachtszeit, jetzt wieder zu Ostern. Da glauben einige Leute, damit in die Medien hineinzukommen. Diese Sicherheitspolitik wird von der einen oder


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anderen Regierungsfraktion noch einmal aufgebauscht. Dann kommt es zu dem schon bekannten Hickhack – die einen sagen ja, die anderen sagen nein.

Man glaubt, es kämpft eine Regierungspartei gegen eine Oppositionspartei, und nicht, daß alle an einem Strang ziehen und die Weichenstellungen in unserem Land entsprechend organisieren. Schließlich kehrt wieder Ruhe im Regierungshaus ein. Übrig bleibt Verwirrung in der Bevölkerung darüber, wie es weitergehen soll; übrig bleibt auch ein weiterer Ansehensverlust Österreichs in der internationalen Staatengemeinschaft.

Daß wir diesbezüglich keine entsprechenden Fortschritte erzielt haben, zeigt sich auch an den entsprechenden Zeitungsmeldungen. Obwohl oft etwas gesagt wird, was in der Woche darauf von denselben Personen schon wieder anders gesehen wird, besteht angesichts der Zeitungsmeldungen die Hoffnung, daß wir endlich in die richtige Richtung gehen. Im Jänner etwa sagte Frau Staatssekretärin Ferrero, an die Stelle der Neutralität solle die NATO gesetzt werden. Der Herr Verteidigungsminister sagte, 1997 werde ein Schlüsseljahr für Europas Sicherheitspolitik werden; die NATO werde europäischer, und wir sollten daran teilnehmen. Weiters sagt der Herr Außenminister – er ist immerhin zuständig für unsere Außenpolitik –, er dränge zur Eile: Verhandlungen mit der NATO wolle er bereits 1998 beginnen, und die Entscheidung über den NATO-Beitritt möchte der Herr Außenminister noch 1997 fällen. – Soweit die ÖVP.

Interessant ist, daß es anscheinend auch in der SPÖ einen Umdenkprozeß gegeben hat. Nicht nur Kollege Cap – er beteiligt sich zwar nie an solchen Debatten im Nationalrat – hat in dieser Frage eine klare Linie –, sondern auch der Herr Ex-Bundeskanzler Vranitzky sagt plötzlich – da er nicht mehr im Korsett des Regierungsamtes steht und anscheinend die Verpflichtungen gegenüber seiner eigenen Fraktion nicht mehr hat –: Die NATO "Neu" ist auch für uns interessant. Anscheinend war das eine Vorleistung für seine neue Funktion als Albanien-Koordinator. (Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Sie sind ja schon dem Druck Ihrer Kollegen aus Deutschland ausgesetzt. Der außenpolitische Sprecher der SPD und ehemalige Präsident der NATO-Vollversammlung, Vogt, sagt, er verstehe überhaupt nicht, warum die SPÖ mit einer klaren Entscheidung über die Ausrichtung der Sicherheitspolitik so lange zögert.

Meine Damen und Herren! Laut Zeitungsmeldungen gibt es einen Hoffnungsstreifen am Horizont, aber in Wahrheit sitzt die Regierung und sitzen die beiden Klubobmänner hier, und es tut sich überhaupt nichts in der wichtigen Frage der künftigen österreichischen Sicherheitspolitik. Es tut sich nichts, das österreichische Parlament ist nicht eingebunden, und in den Ausschüssen werden keine entsprechenden Verhandlungen geführt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Dafür aber, Herr Kollege Koppler, wird das österreichische Bundesheer in ein Abenteuer nach Albanien geschickt, für das all diese Vorbehalte plötzlich nicht gelten (Beifall bei den Freiheitlichen) und wo sich NATO-Staaten wie etwa Deutschland und andere Staaten aus gutem Grund heraushalten. Obwohl es überhaupt keine offiziellen Beschlüsse in der OSZE und in der NATO gibt, einen solchen Einsatz durchzuführen, sind wir dabei – anscheinend neuerlich auf Druck von Herrn Vranitzky, weil er sich bei diesen Institutionen einen guten Namen machen will – und plötzlich wieder Musterschüler, obwohl wir ganz genau wissen, daß das Geld und die Infrastruktur für solche Einsätze nicht vorhanden sind und daß wir dafür bis dato nicht einmal die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen haben.

Meine Damen und Herren! Wichtig für eine verantwortungsbewußte Regierung wäre es, zuerst die Grundsatzentscheidung darüber zu treffen, wie es in unserer Sicherheitspolitik weitergehen wird. Nehmen wir mit allen Rechten und allen Pflichten an einem Bündnis teil, dann müssen wir dafür auch die gesetzlichen und infrastrukturellen Maßnahmen setzen und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Das sollten Sie vorab organisieren, bevor Sie unsere Soldaten in ein derartiges Abenteuer schicken!

Immer wieder wird gesagt, man müsse noch zuwarten und beobachten, wie sich die sicherheitspolitische Debatte entwickelt. Aber der Zeitplan, der Weg und die Richtung sind völlig klar, das wissen Sie so gut wie wir! Es ist völlig klar, daß die Europäische Union die Gemeinsame


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Außen- und Sicherheitspolitik nicht entscheidend voranbringen wird, sondern daß auch in Zukunft nur die NATO als einziges Sicherheitsinstrument konkrete Sicherheitsgarantien für europäische Staaten wird geben können und daß sich die NATO – langsam, aber doch – aus einem reinen Militärpakt in ein Sicherheits- und Friedensinstrument umwandelt. Dabei sind sicherlich noch nicht alle Schritte getan.

Aber warum, meine Damen und Herren, sagen Sie, statt immer nur Beitrittsbedingungen zu stellen, nicht lieber: Gut, die Richtung stimmt, also werden wir als Kleinstaat im Herzen Europas mit allen Rechten und Pflichten möglichst rasch beitreten, damit wir die Anliegen Österreichs in diese Diskussion miteinbringen können? Sie können doch nicht wirklich glauben, daß sich die gesamte Staatengemeinschaft nach der Meinung von Herrn Kostelka oder anderen sozialistischen, sozialdemokratischen Ideologen richten wird! Es geht um die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik, und damit geht es um die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe nicht, warum man diese Chance nicht erkennt, die historische Chance, daß erstmals in der Geschichte Europas die Möglichkeit besteht, beginnend mit den vorhandenen Strukturen eine dauerhafte Sicherheits- und Friedensordnung für Europa aufzubauen. Es besteht die Chance, daß die Demokratisierungsprozesse in den ehemaligen Ostblockstaaten unumkehrbar gemacht werden. Das wäre eine tragfähige Basis für eine echte europäische Einigung, im Gegensatz zu dem, was uns die Europäische Union vorgaukelt.

Herr Kollege Kostelka! Sie sind die Speerspitze derer, die auf einer Neutralität beharren, von der niemand sagen kann, was der sicherheitspolitische Nutzen in Zukunft sein wird. Meiner Ansicht nach gaukeln all diese Leute der Bevölkerung etwas Falsches vor. Sie werden auch die Verantwortung dafür zu tragen haben, wenn Österreich in Zukunft nicht jene Sicherheitsgarantien hat, die möglich wären, wenn wir in diese Integrationsprozesse miteingebunden wären.

Bei Annahme unseres Fristsetzungsantrages für Juli 1997 wäre der Ausschuß gezwungen, endlich diese Diskussion aufzunehmen. Damit könnten wir die Ausschußberatungen noch vor dem Sommer abschließen und danach die Weichen stellen, damit das Parlament endlich die Entscheidung trifft, in welche Richtung sich die österreichische Sicherheitspolitik bewegen wird. Dann könnten wir noch im Herbst unser Beitrittsansuchen stellen. Sie wissen genau, daß mit Ende 1997 der Zug für Österreich abgefahren sein wird. 1998 werden nur mehr die Beitrittsgesuche der – wahrscheinlich vier oder auch drei – ehemaligen Ostblockstaaten in den europäischen Parlamenten behandelt und ratifiziert werden, und 1999 wird es diese Aufnahmen geben. Wenn wir nicht jetzt entscheiden, wenn wir nicht bis Herbst 1997 die Grundsatzentscheidung treffen, einen klaren Beitrittsantrag zu stellen, dann ist für uns der Zug abgefahren.

Ich hoffe, daß man in diesem Land endlich die ideologischen Scheuklappen ablegt, daß man endlich auch hier die Courage zu einer offenen und ehrlichen Diskussion findet, den Mut zu einem Diskurs mit der Bevölkerung, und daß man objektiv informiert, damit wir rasch im Sinne Österreichs klare Richtlinien für die künftige Ausrichtung der Sicherheitspolitik erstellen können. Dieser Fristsetzungsantrag wäre ein erster Schritt auf dem Weg, diese Weichenstellungen im Außenpolitischen Ausschuß – das ist mir als Abgeordnetem sehr wichtig – und somit im Parlament sehr bald zu treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeiten betragen in dieser Debatte von jetzt an je 5 Minuten.

Abgeordneter Schieder ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Kollege Schieder.

15.38

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich auch gefragt, warum der freiheitliche Klub mit dem Entschließungsantrag erreichen möchte, daß wir uns quasi kopfüber in die NATO begeben. (Abg. Jung: Wir diskutieren seit Jahren!) Abgeordneter Scheibner hat jetzt zur Begründung ausgeführt, daß sozu


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sagen der Zug schon beinahe abgefahren sei, daß es so etwas wie ein Tor zur NATO gebe, das sich nur zu bestimmten Zeitpunkten und für bestimmte Länder öffne.

Möglicherweise trifft das auf die Osterweiterung zu. Sie wissen aber selbst, Herr Kollege Scheibner, daß das sicherlich nicht auf Länder wie Schweden oder Österreich zutrifft. Das haben führende Vertreter Ihnen und uns gegenüber mehrmals bestätigt. Mein Verdacht ist: Es geht Ihnen mehr um eine Positionierung, da Sie wissen, daß im Regierungsübereinkommen klar verankert ist, wie und wann – nämlich im Herbst und im Frühjahr nächsten Jahres – diese Frage behandelt werden wird. Es steht auch drin, daß alle weiterführenden Optionen ernsthaft beraten werden, und das ist nicht mit überkreuztem Finger gesagt, sondern ernstgemeint, von beiden Seiten. Ich vermute, daß Sie sich schnell noch positionieren und ein Wettrennen unter jenen gewinnen wollen, die hoffen, daß die Geschichte sie einmal als Vorreiter bezeichnen wird. (Abg. Scheibner: Wir sind da schon längst am Ziel!)

Ich gebe zu, Herr Kollege, ich bin kein Kavallerieexperte. Aber ich bezweifle, daß jemand, dem entweder das Pferd durchgeht oder der vorschnell und unkontrolliert weggaloppiert, in der Fachsprache als Vorreiter bezeichnet wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir brauchen eine ernsthafte Debatte, in der alle entscheidenden Grundlagen auf dem Tisch liegen. Wir müssen wissen, welche innerstaatlichen Fragen behandelt werden, und wir müssen wissen, wie hoch die Kosten eines NATO-Beitrittes sind. Das wird, wie Sie wissen, nicht nur der Mitgliedsbeitrag zum gemeinsamen Budget der Allianz und die Einmalzahlung sein, durch die wir nominell Miteigentümer der Fazilitäten werden, sondern dabei geht es auch um die Kompatibilität des NATO-Telekommunikationssystems, die Integration des Luftüberwachungssystems, die Verknüpfung der Datenverarbeitung mit dem NATO-System und der Flugsicherungsmaßnahmen mit dem IFF-System, Waffensystemebezug et cetera. Diese Informationen, auch jene über die anzupassende Organisationsform des Heeres, müssen in diesem Zusammenhang vor der Entscheidung als Entscheidungsgrundlagen auf dem Tisch liegen.

Vor allem aber ist es wichtig, in diesem dynamischen Prozeß den richtigen Zeitpunkt zu wählen. (Abg. Jung: Das wird davon abhängig sein!) Ich gestehe Ihnen zu, daß ich mit vielen der Analysen in Ihrem Antrag übereinstimme. Aber Sie sagen nicht, warum es so rasch sein muß. (Abg. Scheibner: Rasch? Sechs Jahre haben wir schon verloren!) Viel vernünftiger sind die Beratungen auf der Linie der Regierung. Wenn man weiß, wie das Ergebnis der EU-Regierungskonferenz lautet, was das NATO-Gipfeltreffen gebracht hat und wie das Abkommen mit Rußland finalisiert wurde, wird ein weit besserer Zeitpunkt sein, in diesem dynamischen Prozeß alles zu bewerten und die Entscheidung zu treffen.

Meine Damen und Herren! Der Antrag geht überhaupt nicht auf das Spannungsverhältnis zwischen NATO-Beitritt und Neutralität ein. Er tut so, als ob es die Neutralität nicht mehr gäbe. (Abg. Jung: Sie schaffen sie eh morgen ab!) Sie wissen wahrscheinlich nicht, daß die Neutralität verfassungsrechtlich und völkerrechtlich verankert ist.

Freilich ist eine Debatte darüber zulässig, auch wenn wir den Zeitpunkt jetzt nicht für geeignet halten. Aber unzweifelhaft ist, daß die Mitgliedschaft in der NATO, wie sie sich heute darstellt, mit der Neutralität und dem Neutralitätsgesetz nicht vereinbar ist. Ich spreche dabei nicht von der Truppenstationierung. Diese wäre in einem eigenen Vertrag zu regeln, und dafür fänden wir sicherlich eine geeignete Lösung. Ich meine auch nicht die Frage der Stationierung von Atomwaffen, denn diese sind luft- oder seegestützt, und so etwas wird niemand von uns verlangen. Wohl aber spreche ich von dem, was sich mit der Neutralität, auch in ihrer Reduktion auf den inneren Kern, schlägt: Das ist Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 6 des NATO-Vertrages, nämlich die Beistandspflicht im Sinne einer Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen, also Maßnahmen vor einem Beschluß des Sicherheitsrates.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schußsatz!

Abgeordneter Peter Schieder (fortsetzend): Ein NATO-Beitritt unter den derzeitigen Militärpaktbedingungen der NATO ist mit der Neutralität nicht vereinbar. Deshalb wollen wir uns nicht


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kopfüber in die NATO stürzen. Wir stimmen daher diesem Antrag nicht zu und wollen eine vernünftige Debatte zum richtigen Zeitpunkt führen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste auf der Rednerliste ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat das Wort.

15.44

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die österreichische Sicherheit, die Sicherheit der Bevölkerung Österreichs ist unser aller oberstes Anliegen. Ohne Sicherheit und Frieden im Land, ohne Sicherheit und Frieden in Europa stehen der Wohlstand Europas wie auch unser Wohlstand auf tönernen Füßen.

In Europa bildet sich eine neue Friedensordnung heraus. Ob wir daran teilnehmen werden, hängt davon ab, wie sie aussehen wird. Wir wollen nicht wie "der Wilde auf seiner Maschin’" vorgehen, über den Qualtinger seinerzeit gesungen hat: Ich weiß zwar nicht, wo ich hinfahr’, aber dafür bin ich schneller dort!, sondern wir möchten zuerst wissen, wie die europäische Friedensordnung ausschauen wird.

Die NATO ist in einer vollständigen Umgestaltung begriffen. Wenn die NATO am 27. Mai wie beabsichtigt ein Zusammenarbeitsabkommen auf dem Gebiet der Sicherheit mit der Russischen Föderation abschließt, ist eine wichtige Entscheidungsvoraussetzung geklärt. Wenn die NATO bei ihrem Gipfeltreffen in Madrid im Juli dieses Jahres – nach dem Termin Ihrer Fristsetzung – entschieden haben wird, welche unserer Nachbarn zur Mitgliedschaft eingeladen werden, ob das auch neutrale Länder wie Schweden, Finnland oder Österreich sein werden (Abg. Scheibner: Sind doch längst eingeladen!) , wenn wir wissen, ob Slowenien, Ungarn, Polen und Tschechien NATO-Mitglieder werden, und wenn wir wissen, ob und wann die NATO eine neue Arbeitsteilung mit der Europäischen Union abgeschlossen haben wird, dann werden für uns die Voraussetzungen klar sein. (Abg. Scheibner: Wir sind nicht die Vorreiter, sondern die Nachhut!) Eine solche neue europäische Friedensordnung wäre für unsere österreichische Bevölkerung sicherlich ein besserer Garant für Sicherheit, Frieden und Wohlstand als das, was wir derzeit haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sollten daher die Entscheidungen der NATO im Juli abwarten. Wir sollten die Entscheidungen der Europäischen Union als Mitgliedsland mitgestalten, wenn sie auf einem Gipfeltreffen in Amsterdam über die Fragen der zukünftigen Rolle der Westeuropäischen Union entscheiden wird. (Abg. Jung: Als Außenstehende können wir nicht mitgestalten!) Wir sollten auch sehen, was aus der Organisation über Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa werden wird. Danach werden wir die Optionen vorliegen haben, und dann werden wir in diesem Haus in Ruhe beraten und im Sinne des Besten für unsere Bevölkerung entscheiden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich weiß nicht, was ich von Ihrem Fristsetzungsantrag halten soll. Das Ziel, das Sie mit Ihrer Sicherheitspolitik verfolgen, möchte ich nicht in Frage stellen. (Abg. Jung, ein Blatt Papier in die Höhe haltend: Schüssel: Entscheidungen im Jahr 1997!) Aber ich erinnere mich an eine ähnlich überstürzte Haltung, als es um die Mitgliedschaft zur Europäischen Union ging. Sie waren nach uns die ersten, die sagten: Schnell, noch im Jahre 1993 oder 1994, in die Europäische Union! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Als wir dem Parlament einen Bericht über die Optionen vorgelegt hatten und genau so vorgingen, wie wir es jetzt vorhaben, waren Sie diejenigen, die in der Volksabstimmung dagegen waren. Daher sollten alle, die in Österreich auf eine Mitgliedschaft zur neuen europäischen Friedensordnung und zu einer neuen NATO hoffen, nicht auf Sie setzen, denn Sie werden dann, wenn es zur Entscheidung kommt, wieder umfallen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein Weiteres verstehe ich auch nicht. Wir wollen in Parlament und Regierung beschließen, 120 Mann zur Bewachung eines Hauptquartiers einer friedensstiftenden Mission in Albanien zum Objektschutz zu entsenden. (Abg. Jung: Aber nicht im Rahmen der


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NATO!) Nun aber sagt genau die Partei, der es nicht schnell genug gehen kann, in ein Militärbündnis, wie es heute ist, einzutreten: Da wollen wir nicht mit! (Abg. Jung: Weil es kein NATO-Einsatz ist!) Das werden Sie, meine Damen und Herren, niemandem erklären können! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.48

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß ein Schreiben des Bundeskanzleramtes eingelangt ist, in dem Mitteilung gemacht wird über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten mit folgendem Inhalt:

Für die Dauer der Verhinderung der Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch für den Rest des 16. April wird der Herr Bundesminister für Justiz Dr. Michalek mit der Vertretung betraut.

Es wird um Kenntnisnahme ersucht.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte.

15.49

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist rührend, wenn der Klubobmann der Österreichischen Volkspartei den Freiheitlichen vorwirft, daß sie umfallen, obwohl er selbst einer der führenden Repräsentanten jener Akrobatik ist, mit der man selbst im Liegen noch umfallen kann, wie seine Partei uns in vielen Bereichen bewiesen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich knüpfe das an jener Position an, die Dr. Khol, hier am Rednerpult stehend, eingenommen hat. (Abg. Mag. Mühlbachler: Er war sehr gut!) Kurz nachdem er Klubobmann geworden war, hat er davon gesprochen, daß die Neutralität in den Tabernakel der Geschichte gehört und das europäische gemeinsame Verteidigungssystem Zukunft hat. – Heute redet er ganz anders. Begeben Sie sich mit Ihrer ÖVP in den Tabernakel und ersparen Sie den Österreichern diesen Zickzackkurs! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein Kommentator der österreichischen Tageszeitung "Salzburger Nachrichten" hat heute geschrieben: "Österreichs Sicherheitspolitik schwankt seit geraumer Zeit zwischen Neutralität und Solidarität. Nun neigt sie sich der Absurdität zu." – Genau das ist der Fall! Sie neigt sich der Absurdität zu.

Khol sperrt die Neutralität in den Tabernakel, will aber gleichzeitig kein europäisches Verteidigungssystem haben. Kollege Präsident Fischer von der SPÖ fährt nach Rußland und hält in der russischen Duma eine flammende Rede gegen einen NATO-Beitritt und für die Neutralität Österreichs. Herr Cap ist in Interviews für die Neutralität Österreichs. Der außenpolitische Sprecher Schieder meint: So rasch soll der NATO-Beitritt nicht gehen, aber er wird schon irgendwann kommen, wir nähern uns an, wir robben sozusagen dorthin. – Kaum ist Vranitzky ohne Posten und braucht ein Amt, wird die Neutralität im morgen zu beschließenden Entsendegesetz zu Grabe getragen, damit er in Albanien einen Einsatz machen kann! – Meine Damen und Herren! Das ist Ihre Position! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was hindert Sie denn, eine klare Entscheidung für ein europäisches Sicherheitsbündnis zu treffen, wenn Sie ohnedies bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit österreichische Soldaten zum Einsatz in einem gemeinsamen Verteidigungssystem entsenden? Oder glauben Sie, daß das etwas anderes ist, was Sie in Albanien machen? (Abg. Mag. Mühlbachler: Wir haben die Gesamtverantwortung für Europa!) Ja, Verantwortung für Europa. Albanien gehört auch zu Europa, jetzt schickt ihr den Vranitzky hinunter, und deswegen müssen die österreichischen Soldaten auch hin. (Abg. Mag. Mühlbachler: Was wollen Sie mit Albanien?!) –


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Kollege, bleiben Sie cool! – Aber gleichzeitig sollte man nicht vergessen, daß bereits 5 Prozent des Budgets für Landesverteidigung für derartige Einsätze ausgegeben werden.

Da ist es doch vernünftiger, herzugehen und zu sagen: Wir strukturieren um! Wovor haben Sie denn Angst? Fragen Sie die österreichische Bevölkerung! Geben Sie ihr die Möglichkeit einer Volksabstimmung! Sagen Sie: NATO-Beitritt heißt Berufsheer, heißt grundlegende Erneuerung der Verteidigung. Sie werden sicherlich eine solide Mehrheit dafür bekommen. Aber diesen Zickzackkurs, den Sie gehen, können wir natürlich ... (Abg. Dr. Khol: Der Hase seid ihr, wir sind die Igel, wir sind schon lange da! EU-Umfaller!) Herr Kollege, Ostern ist schon zu lange vorbei, als daß Sie Ihren Zickzackkurs wie ein Hase fortsetzen könnten! (Abg. Mag. Mühlbachler: Nicht einmal ein Hase kann so zickzack rennen wie du!)

Sie sind in Fragen der Europapolitik den Österreichern bisher eine glaubwürdige Linie schuldig geblieben. Ich verweise nur auf die Frage der Vorbereitung auf den Euro. Sogar eure roten und schwarzen Wissenschafter laßt ihr unterschreiben, daß sie, wenn sie Geld von der EU bekommen, nur positiv über den Euro reden dürfen! (Abg. Dr. Khol: EU-Umfaller!) Auf der Liste, die mir vorliegt, sind alle Namen angeführt: Professor Breuss vom Forschungsinstitut für Europafragen, Josef Christl von der Creditanstalt, Erhard Fürst von der Industriellenvereinigung, Heinz Handler vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, Herr Dr. Henkel von der Wirtschaftskammer Österreich, Marianne Kager von der Bank Austria, Roland Mittendorfer von der Wirtschaftskammer Österreich, Karl Obernosterer von der Creditanstalt, Martin Oppitz vom Forschungsinstitut für Europafragen, Bruno Rossmann von der Kammer für Arbeiter und Angestellte, Herr Andreas Wörgötter vom Institut für Höhere Studien, Herr Dr. Gustav Raab, der Polit- und Projektmanager der Bundesregierung für den Euro. (Abg. Mag. Mühlbachler: Was ist mit denen?) Genauso wollen Sie auch die Leute in der Verteidigungspolitik hinters Licht führen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mühlbachler: Reden wir von der NATO oder vom Euro? Thema verfehlt!)

Herr Dr. Khol! Sie beweisen, daß es Ihnen nicht um eine sachgerechte Information und Entscheidung geht, sondern Sie wollen die Österreicher wieder manipulieren: Bezüglich Euro manipulieren Sie, hinsichtlich der Verteidigungspolitik manipulieren Sie!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit beachten!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend) : Eine Regierung, die den Österreichern nicht die Wahrheit sagt, muß durch Fristsetzungen gezwungen werden, endlich Farbe zu bekennen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Was hat das mit der Fristsetzung zu tun? So ein ernstes Thema so verblödeln!)

15.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Moser. (Abg. Dr. Khol: Hoffentlich bist du seriöser, Oberst Moser! Oder ist er Brigadier?)

15.55

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen meiner Vorredner haben ja gezeigt, wie dringend notwendig eine sicherheitspolitische Debatte in diesem Lande ist. Ich bedauere es wirklich sehr, daß diese dringend notwendige sicherheitspolitische Debatte leider Gottes von den Regierungsparteien immer behindert wird. Es werden immer wieder Vorwände gesucht, um ja nicht über die zukünftigen Perspektiven der österreichischen Sicherheitspolitik diskutieren zu müssen.

Es ist nun einmal ein Faktum, meine Damen und Herren, daß im März des Jahres 1996 ein Antrag dahin gehend eingebracht wurde, daß dieses Hohe Haus über die Frage des Beitritts Österreichs zur NATO diskutieren sollte. Dieser Antrag ist aber bis heute nicht besprochen und debattiert worden. Bis heute haben wir noch nicht die Möglichkeit gehabt, darüber im Außenpolitischen Ausschuß zu reden. Daher halte ich es für notwendig, legitim und auch richtig, daß hier ein Fristsetzungsantrag eingebracht wird. Wir werden daher diesen Fristsetzungsantrag entsprechend unterstützen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Daß Österreich seine sicherheitspolitische Konzeption umstellen muß, liegt auf der Hand. Denn eines ist klar: Die Neutralität hat ihre Funktion verloren, und die Zukunft kann nicht mehr eine eigenständig formulierte Neutralität, eine eigenständig formulierte Sicherheitspolitik sein, sondern die Zukunft kann nur in einer vollen Integration Österreichs im Rahmen eines europäischen Sicherheitssystems, einer europäischen Sicherheitsarchitektur liegen. Aus meiner Sicht liegt diese europäische Sicherheitsarchitektur klar auf dem Tisch.

Herr Kollege Khol! Wenn Sie hier herkommen und sagen: Wir wissen nicht, wie das aussieht!, dann sagen Sie das wirklich wider besseres Wissen. Denn Sie wissen genauso wie wir, welche Rolle ... (Abg. Dr. Khol: Wissen Sie den Auftrag der WEU?) Herr Kollege Khol! Sie wissen genauso wie wir, welche Rolle in Zukunft die OSZE haben wird. Sie wissen ganz genau, welche Rolle, welche Aufgaben die NATO als transatlantisches Bündnis hat. (Abg. Dr. Khol: Nein, wissen wir auch nicht!) Ich bitte Sie, die Beschlüsse von Berlin zu lesen (Abg. Dr. Khol: Das ist ein Programm und kein Beschluß! Der Beschluß soll heuer in Madrid gemacht werden!) , in denen ganz eindeutig und klar eine Europäisierung der NATO beschlossen wurde und in denen ganz klar festgelegt ist, in welche Richtung die NATO geht. (Abg. Dr. Khol: Das ist ein Programm und kein Beschluß!) Herr Kollege Khol, jawohl! (Abg. Schieder: Das ist noch nicht verbindlich geworden! Das ist eine Absichtsresolution! Das ist nicht Vertragsteil geworden!) Herr Kollege Schieder! Sie wissen, daß, wenn es eine derartige Absichtserklärung gibt, auf Grundlage dieser Absichtserklärung alle weiterführenden Beurteilungen, alle weiterführenden Planungen dieses Sicherheitsbündnisses gemacht werden und daß die endgültige, die definitive Entscheidung beim NATO-Gipfel in Madrid fallen wird. Meine Damen und Herren! Das ist ein Faktum.

Herr Kollege Khol! Ich halte es auch vom Ablauf her ... (Abg. Schieder: Sie lernen im Generalstabskurs, daß erst die Beschlüsse kommen müssen!) Sie können noch so viel dazwischenreden ... (Abg. Dr. Khol: Das ist enttäuschend für einen Generalstabsoffizier! Das ist nicht WEU-reif!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Abgeordneter Moser.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend) : Es ist nicht sinnvoll, zuzuwarten, bis die WEU, bis die NATO eine Entscheidung getroffen hat. Ich glaube, es wäre der richtige Weg im Interesse der Sicherheit dieses Landes, daß wir unsere sicherheitspolitischen Interessen einbringen. Aber diese können wir nur dann einbringen, wenn wir Mitglied dieser Sicherheitsgemeinschaften sind, und das ist nun einmal die Westeuropäische Union oder die NATO, Herr Kollege Khol! Sie wissen genau, daß wir die Möglichkeit hätten, seit dem Zeitpunkt der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union auch Mitglied der Westeuropäischen Union zu werden. Sie wissen ganz genau, daß die eigentlichen sicherheitspolitischen Entscheidungen in Europa im Rahmen der NATO fallen, daß die NATO eine transatlantische Sicherheitskooperation zwischen Europa und dem nordamerikanischen Kontinent ist. Sie wissen genau, daß eine Sicherheit in Europa ohne Einbindung der Vereinigten Staaten, ohne Sicherheitskooperation mit Rußland nicht möglich ist. Genau das ist die NATO, und all das ist ein Faktum. Die NATO ist nun einmal der Kernbereich der europäischen Sicherheitsarchitektur, und daher glaube ich, wir sollten auch eine klare Position diesbezüglich einnehmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist daher nicht zweckmäßig und nicht sinnvoll, zuzuwarten, bis wir eingeladen werden. Wir müssen nicht eingeladen werden, aber es ist zu erwarten, daß beim NATO-Gipfel in Madrid auch eine Einladung ... (Abg. Dr. Khol: Stimmt ja nicht!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend ): Dann müssen wir auch klar wissen, wie die Perspektiven, wie unsere sicherheitspolitische Zukunft ausschaut. Dazu brauchen wir eine umfassende Diskussion in diesem Lande. Wir sollten diese Diskussion ...

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Jetzt ist aber die Redezeit beendet, Herr Kollege. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Letzte Rednerin zu dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Kammerlander.

16.00

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Man sieht ja, wie spannend solche Debatten sind, denn Herr Abgeordneter Khol kann gar nicht aufhören zu diskutieren, aber eigentlich hat er damit nie angefangen. Wenn Sie irgendwann einmal angefangen hätten, dann hätten Sie diverse Anträge, die im Außenpolitischen Ausschuß liegen, behandelt und diskutiert, so wie es sich eigentlich für einen parlamentarischen Rahmen gehört, aber nicht in 5 Minuten während einer Fristsetzungsdebatte. Genau das ist das Dilemma! Wie Sie wissen, teile ich überhaupt nicht die Meinung der Antragsteller und die grüne Fraktion auch nicht. Wir halten es für außerordentlich kurzsichtig, zu glauben, daß man auf die Herausforderungen in Europa nur mit einem militärischen Bündnis antworten kann.

Ich glaube, es ist völlig verfehlt und falsch, zu glauben, die Transformationsprozesse in den verschiedenen osteuropäischen Ländern mit dieser Diskussion und Debatte, ob wir jetzt der NATO beitreten und wann die anderen der NATO beitreten, unterstützen zu können. Ich glaube, es ist kurzsichtig oder auch falsch, hier Gefahren an die Wand zu malen, von denen ich übrigens noch immer nicht genau weiß, welche es denn eigentlich sind, die Sie dazu veranlassen, zu glauben, wir müssen einem Militärbündnis beitreten. Aber diese Debatte und diese Diskussion können wir nie führen, außer immer nur in solchen kurzen Fristsetzungsdebatten.

Zur SPÖ sei gesagt, daß ihr Kurs ja äußerst zweifelhaft ist. Erst vor kurzem hat Klubobmann Kostelka anläßlich des Parteitages – da hat er offensichtlich die eigene Klientel etwas beruhigen müssen – verlauten lassen, daß die Entscheidung über den NATO-Beitritt nicht jetzt fallen wird, sondern erst nach der nächsten Nationalratswahl. – Aus welcher Intuition oder aus welcher Veranlassung heraus Sie das gesagt haben, ist mir aber nicht klar, weil Sie sich damit ja nichts ersparen! In einem gebe ich ja allen Debattenrednern recht: Die Entscheidungen auf europäischer Ebene oder einiges an Entscheidungen, nämlich Vorentscheidungen, auf europäischer Ebene fallen in diesem Jahr!

Was Sie damit bezwecken wollten, ist unklar. Offensichtlich haben Sie geglaubt, damit ein weiteres Spektrum in Ihrer eigenen Parteienlandschaft beruhigen zu können. Da gibt es in Ihrer Partei jene, die sagen, wir sollten der NATO beitreten, da gibt es jene, die sagen, wir sollten neutral bleiben, und es gibt jene, die davon träumen, daß die Beistandspflicht im NATO-Vertrag einmal wegfallen wird und daß wir dann als neutraler Staat der NATO beitreten könnten. Und da gibt es Sie, Herr Klubobmann Kostelka, der überhaupt sagt, diese Frage steht nicht zur Diskussion, und wenn, erst nach der nächsten Wahl.

Zur ÖVP: Herr Klubobmann Khol! Wenn man Ihnen zuhört, könnte man glauben, Sie haben ein Päckchen Kreide gegessen, bevor Sie an das Rednerpult gegangen sind. Wie können Sie denn sonst hier argumentieren und sagen, wir müssen erst abwarten und erst beobachten, was entsteht, wenn Sie doch wissen, daß Ihre eigenen Regierungsmitglieder bei jeder Gelegenheit für einen NATO-Beitritt eintreten und hier ganz klar sagen, was sie wollen. Darum frage ich mich, wer hier noch abwarten soll. Sie haben in Ihrer Fraktion ganz offensichtlich diese Meinung gefaßt, sonst würden Sie ja auch irgendwann einmal den eigenen Regierungsmitgliedern widersprechen.

Wenn Sie sagen, wir sollten erst abwarten, was die anderen machen, dann muß ich Ihnen sagen, genau das zeichnet Ihre konservative Außenpolitik aus, daß Sie nämlich immer darauf warten, was die anderen machen, um dann hinterherzulaufen und genau das zu tun, was die anderen Ihnen gesagt haben, was Sie tun sollen.

Ich denke, es ist dringend notwendig, darüber zu diskutieren, wie die Bedingungen für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa ausschauen und welche Optionen wir haben. Nach unserer Meinung ist es dringend notwendig, über den neutralen Status Österreichs zu diskutieren, der sehr wohl nach wie vor eine eminente Rolle in Europa spielt. Da bin ich überhaupt nicht der Meinung der Antragsteller. Das zeigt auch die Haltung Finnlands und Schwedens, die sich das genau überlegen und diese Option offenhalten. Auch in politischen


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Konfliktfällen, wie jetzt in Albanien, würde sich zeigen, wie ein neutraler Staat agieren könnte, wenn er wollte.

In einem gebe ich jenen recht, die die Fristsetzung beantragen: Es ist ein Skandal, wie Sie mit den Anträgen der Opposition umgehen. (Beifall bei den Grünen.)

Sie lassen die Anträge ein Jahr lang in der Schublade liegen, weil Sie sich einfach nicht entscheiden wollen! So stimmen Sie doch dagegen, stimmen Sie gegen den Antrag der FPÖ und begründen Sie dann in einem halben Jahr, warum Sie für die NATO sind, warum Sie in einem halben Jahr für die NATO sind und warum Sie es nicht jetzt schon sind. Tun Sie das doch! Aber zu glauben, Sie können den Kopf in den Sand stecken und die Anträge nicht behandeln, das ist wirklich falsch. (Beifall bei den Grünen.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Debatte über den Fristsetzungantrag ist damit beendet.

Wir kommen zur Abstimmung .

Wir stimmen ab über den Antrag des Abgeordneten Scheibner, dem Außenpolitischen Ausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 152/A (E) betreffend NATO-Beitritt eine Frist bis zum 4. Juli 1997 zu setzen.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag stimmen, ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit . Der Fristsetzungsantrag ist daher abgelehnt .

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit können wir die Verhandlungen über den Punkt 4 der Tagesordnung wieder aufnehmen.

Wir setzen in der Rednerliste fort.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. – Bitte.

16.07

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da es jetzt wieder um den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage 127 der Beilagen, also um das Übereinkommen über Geldwäsche geht, sei eines klargestellt: Der Titel ist natürlich verkürzt. Es geht nicht um ein Übereinkommen über Geldwäsche, sondern es geht darum, wie die einzelnen nationalen Vorschriften einander angeglichen werden können, damit es zu einer besseren Bekämpfung im Bereich der Geldwäsche kommt, und zwar der Geldwäsche insgesamt, wie es auch Ziel dieses Vertrages sein soll. Die Ermittlung, Beschlagnahme und auch Einziehung von deliktisch erworbenen Vermögenswerten sollen einander angenähert werden. Meine Damen und Herren! Das ist ein sinnvolles Unterfangen.

Es hat bereits Ende des Vorjahres, also Ende 1996, im Justizausschuß Beratungen und Beschlußfassungen hier im Hause gegeben, wie mit dieser Materie umzugehen ist und wie auch Österreich einen Beitrag zu einer besseren Bekämpfung im Bereich der Geldwäsche leisten kann. Es ist daher nicht nachvollziehbar, was hier eingangs vom Erstredner gesagt wurde, daß quasi nur Stückwerk gemacht wird. Denn es ist klar, daß es sowohl innerhalb Österreichs als auch in den internationalen Vorschriften Maßnahmen gibt, die der Umsetzung harren. Das muß getan werden!

Wer sonst in Diskussionen immer dagegen auftritt, daß im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung offenbar zu wenig getan wird, darf sich doch nicht verschließen, wenn endlich eine konkrete Vorlage auf dem Tisch ist, die genau das bewirken will, nämlich daß es international zu einer besseren Abstimmung kommt. Ich darf noch darauf hinweisen, daß alle Kriminalitätsformen in dieser Vorlage erfaßt sind, insbesondere aber jene, die bedeutende illegale Gewinne abwerfen. Es geht also insbesondere um illegale Drogengeschäfte, um den Waffenhandel, um den Handel


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mit nuklearen Substanzen, um den Terrorismus und auch darum, daß etwa Kinder- oder Frauenhandel hintangehalten werden muß.

Ich verstehe nicht, warum Abgeordneter Firlinger der Meinung ist, daß es hier um Stückwerk geht. Für ihn ist es offenbar Stückwerk, daß wir im internationalen Bereich aufgrund dieser Maßnahmen endlich effizienter arbeiten wollen. Wenn das Stückwerk ist, meine Damen und Herren, dann verstehe ich nicht, wie man hier am Rednerpult stehen und sagen kann, wir müssen in dem Bereich mehr tun! Vielleicht überlegt es sich Abgeordneter Firlinger noch, dieser Vorlage doch seine Zustimmung zu geben. (Abg. Dr. Graf: Wir sind nicht in der Regierung!)

Es geht nicht darum, Herr Abgeordneter Graf, ob jemand in der Regierung ist oder nicht, sondern es geht darum, daß wir sachlich gute Vorschläge – und das verlangen wir auch von der Regierung – entsprechend behandeln. Wenn Sie, Herr Abgeordneter Graf, meinen, daß man hier im Plenum anders handeln müsse als im Ausschuß, dann müssen Sie es auch gesondert erklären, denn im Ausschuß hat man von seiten der Freiheitlichen dieser Vorlage in ihrer Gesamtheit, ohne Abänderungsanträge und anderem, ohne Debatte zugestimmt.

Herr Abgeordneter! Wenn Sie einerseits ohne Debatte im Ausschuß zustimmen, weil Sie es für richtig halten, andererseits aber heute, weil es vielleicht gerade medial opportun ist, ohne wirkliche Begründung für einen Sinneswandel dagegen sind, dann wird das, so meine ich, Ihre Glaubwürdigkeit nicht steigern. Es wird aber die Beschlußfassung dieser Vorlage und der darin enthaltenen sinnvollen Maßnahmen auch nicht verhindern. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte.

16.10

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zu einem Detail des Inhalts des Übereinkommens über Geldwäsche und so weiter und zum Gesundheitsausschuß, der sich damit beschäftigt hat, machen.

Zum Inhalt: Das Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten ist inhaltlich in Ordnung und findet ohne Frage die Zustimmung der Grünen. Es ist ein Fortschritt auf dem Weg der Bekämpfung der internationalen Kriminalität, insbesondere des organisierten Verbrechens.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber auf Artikel 4 lenken. Hier heißt es: "Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um ihren Gerichten oder anderen zuständigen Behörden die Befugnis zu erteilen, anzuordnen, daß Bank-, Finanz- oder Geschäftsunterlagen [...] zur Verfügung gestellt oder beschlagnahmt werden. Eine Vertragspartei darf es nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis ablehnen, den Bestimmungen dieses Artikels Geltung zu verschaffen." – Das ist der Absatz 1 des Artikels 4.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage heißt es zu Artikel 4: "Allerdings kann Abs. 1 insgesamt wohl nur so verstanden werden, daß es das Übereinkommen als selbstverständlich voraussetzt, daß Kredit- und Finanzinstitute die Identität ihrer Kunden kennen." (Abg. Dr. Graf: Sie haben΄s verstanden!) Das ist, nehme ich an, eine Erläuterung des Justizministeriums, vorsichtig, höflich und taktvoll formuliert. Es ist die Aufhebung der Anonymität, die hier angesprochen wird.

Ein Jahr zuvor war das Justizministerium weitaus deutlicher, nämlich in der Stellungnahme zur damals diskutierten Bankwesengesetz-Novelle, die dann auch beschlossen wurde. Damals hat es unter anderem Stellungnahmen vom Rechtsanwaltskammertag, vom Aktienforum – das ist der Österreichische Verband der Aktienemittenten und Investoren –, von der Industriellenvereinigung und eben vom Bundesministerium für Justiz gegeben. Alle sprachen sich kritisch gegenüber der Beibehaltung der Anonymität aus.


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Das Justizministerium machte darauf aufmerksam, daß es im Zusammenhang mit der Anonymität nicht nur um Fragen der Geldwäsche geht, sondern auch um andere Fälle in zivil- und strafrechtlicher Hinsicht, beispielsweise bei Streitigkeiten im Zuge von Hinterlassenschaften – die Unklarheit, wem nun das Sparbuch gehört hat –, bei Streitigkeiten in Scheidungsfällen, im Rahmen von Unterhaltsverpflichtungen und dergleichen mehr.

Das Justizministerium faßt zusammen – ich lese Ihnen das kurz vor –: Aus diesen Überlegungen heraus spricht sich das Bundesministerium für Justiz daher auch unabhängig von der im Vorblatt angesprochenen Geldwäsche-Richtlinie der Europäischen Union neuerlich für eine restlose Beseitigung der Möglichkeit anonymer Kontenführungen aus. Diese Einrichtung hat bei allen ihren Vorteilen für den Anleger und für die Kreditwirtschaft eben auch Nachteile, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Für den Bereich der Justiz sind hier zusammenfassend insbesondere die Probleme in erbrechtlichen und familienrechtlichen Angelegenheiten, die damit verbundene nicht unerhebliche Mehrbelastung der Gerichte sowie die Hindernisse bei der Verfolgung und Bekämpfung strafbarer Handlungen zu nennen.

Ich nehme an, daß das Justizministerium seine Meinung inzwischen nicht geändert hat. Auch das Übereinkommen ist in dieser Hinsicht natürlich unvollständig.

Die Grünen haben von Anfang an gesagt, daß die Anonymität der Sparguthaben, so sehr auch das Herz der Österreicher daran hängt, auf Dauer nicht zu halten sein wird. Dem müßte man rechtzeitig vorbeugen, zum Beispiel durch eine Verschärfung des Bankgeheimnisses.

Die Bundesregierung hingegen betreibt die eigenartige Politik, alle für sie unangenehmen Entscheidungen nach Brüssel abzuschieben und es auf einen Prozeß vor dem EuGH ankommen zu lassen. Diesen Prozeß wird sie aller Wahrscheinlichkeit nach verlieren, und anschließend wird uns eine Kampagne ins Haus stehen, wie man die Beliebtheit der EU bei den Österreichern verbessern kann.

Das haben wir jetzt schon mehrfach erlebt. Das hat keinen Sinn! Man kann nicht erwarten, daß, wenn man zu feige ist, als richtig erkannte Maßnahmen durchzuführen, sondern sie lieber nach Brüssel abschiebt, die Identifikation mit der EU in Österreich besser wird. Das kann nicht durch irgendwelche Kampagnen wieder abgefangen werden. – Soviel zu Artikel 4 und der Anonymität.

Mit dieser Materie hat sich der Gesundheitsausschuß beschäftigt. Das ist interessant! Die Begründung dafür war, soweit ich das nachvollziehen konnte, daß vieles bei der Geldwäscherei auch mit Gesundheitsfragen zu tun hat, nämlich dann, wenn die illegalen Gelder aus dem Drogengeschäft kommen.

Kollege Barmüller hat schon darauf hingewiesen, daß natürlich auch illegale Gelder aus dem Waffenhandel, aus dem Frauenhandel oder aus welchen Quellen immer kommen.

Nehmen wir aber einmal an, sie stammen tatsächlich im wesentlichen aus dem Drogenhandel. Nun kenne ich Leute, die regelmäßig gesundheitliche Beschwerden beim Ausfüllen ihrer Einkommensteuererklärung haben. (Abg. Dr. Graf: Die kommen in den Budgetausschuß!) Sie haben Angstschweiß, Herzflattern. (Abg. Dr. Ofner: Depressionen!) Die Depression kommt später, die kommt erst beim Bescheid. Wenn sie dann den Bescheid erhalten, kommt entweder die Depression oder der Wutanfall, erhöhter Blutdruck – gesundheitlich bedenkliche Erscheinungen. Nach der Logik des vorher besprochenen Verfahrens werde ich der nächsten Novelle im Einkommensteuergesetz mit Ruhe entgegensehen, denn mich wird sie im Finanzausschuß nicht betreffen, da dies dem Gesundheitsausschuß zugeordnet wird. Der könnte durchaus einer der wichtigsten Ausschüsse des Parlaments werden. Man muß sich überlegen, ob das geplant ist oder nicht. (Abg. Dr. Graf: Die Waffengesetznovelle kommt dann in den Landwirtschaftsausschuß, weil es so viele Jäger gibt!)

Wir haben das alles schon erlebt. Es ist im Grunde genommen bereits der zweite Fall. Einen ähnlich gelagerten Fall gab es kurz vor Weihnachten, als die Teilprivatisierung der Bank Austria im Rahmen eines Abgabenänderungsgesetzes beschlossen wurde.


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Damals habe ich mich gewundert, wieso der Bund plötzlich über Nacht seine Anteile an der Bank Austria der Post-Holding überträgt, und das im Rahmen eines Abgabenänderungsgesetzes. Keiner hat damals den Grund erkannt, auch die ÖVP nicht. Der Hintergrund war natürlich, daß die SPÖ sozusagen in letzter Sekunde das Terrain für den Verkauf der Creditanstalt an die Bank Austria vorbereitet hat. Auch die ÖVP hat das damals nicht durchschaut und die Transaktion in letzter Sekunde ausdrücklich gutgeheißen.

Ich erwähne das so ausführlich, weil ich nicht möchte, daß das einreißt. Die Kollegen vom Gesundheitsausschuß werden mich sicher nicht falsch verstehen. Es geht keineswegs darum, ihnen sozusagen ihre legitime Beschäftigung abzunehmen, aber eine Materie wie diese gehört entweder, wenn die polizeilichen Angelegenheiten überwiegen, in den Innenausschuß oder, wenn die finanziellen Angelegenheiten überwiegen, in den Finanzausschuß. Vielleicht gehört sie auch in den Justizausschuß, aber in den Gesundheitsausschuß gehört sie zuallerletzt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

16.19

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich gebe dem Kollegen Van der Bellen recht. Auch ich habe parteiintern moniert, daß diese Materie über den Gesundheitsausschuß an das Plenum weiterverwiesen wird. Es ist nach meiner Einschätzung eine klassische Materie des Finanz- und des Innenausschusses. Deshalb stimme ich dem, was Sie, Kollege Van der Bellen, gesagt haben, zu.

Aus diesem Grund rede ich als Sicherheitssprecher der ÖVP im Rahmen einer Vorlage des Gesundheitsausschusses zum Thema Geldwäsche.

Ich habe mir, da eine äußerst fundierte Analyse der organisierten Kriminalität in der Europäischen Union, also in den 15 Mitgliedstaaten, vorliegt, diesen EU-Bericht herausgesucht und möchte zwei die Geldwäsche betreffende Passagen daraus zitieren.

Meine Damen und Herren! Faktum ist, daß die organisierte Kriminalität – und das ist unbestritten, niemand im Hohen Haus hat anders argumentiert – keine abstrakte Bedrohung ist, sondern eine sehr, sehr konkrete Gefahr, der wir uns alle bewußt sind.

Was ich nicht verstehe, Kollege Firlinger, und damit schlage ich in dieselbe Kerbe wie Kollege Barmüller, ist, daß die Freiheitliche Partei diesem Paket ihre Zustimmung verwehrt, gerade die Freiheitliche Partei, die immer wieder insistiert, wenn es um die Einführung der neuen Fahndungsmethoden geht. (Abg. Dr. Graf: Ist doch eh schon alles Gesetz!) Es ist dies auch eines der Instrumentarien, die wir benötigen (Abg. Dr. Graf: Steht in den EU-Gesetzen!) , das wir der Justiz, der Exekutive, den Finanzbehörden auf nationaler und internationaler Ebene in die Hand geben müssen, damit genau das getan werden kann, was wir alle miteinander wollen (Abg. Dr. Graf: Nicht den Finanzbehörden! Die Gerichte sollen entscheiden!): Nicht ein Mehr an organisierter Kriminalität, sondern eine klassische, strategische, taktische Bekämpfung. Ich verstehe es einfach nicht, Kollege Firlinger! Ich verstehe es einfach nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Umgekehrt freue ich mich, daß Grüne und Liberale, die sich so sehr gegen die Einführung der neuen Fahndungsmethoden wehren, in diesem speziellen Fall zu dieser Vorlage ja sagen, also mit einem Wort: Verkehrte Welt, verkehrte Zeit! Jedenfalls ein Dank den Grünen und Liberalen, die erkannt haben, daß diese Maßnahmen notwendig sind, um innerhalb der Europäischen Union einen Schritt gegen die Geldwäsche zu setzen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere aus Seite 75 des Berichtes der Europäischen Union, einer Analyse über die organisierte Kriminalität – Sie wissen, es gibt derzeit nach aktuellem Stand mindestens 34 Gruppierungen, Syndikate, Organisationen, die europaweit innerhalb dieser organisierten Kriminalität agieren –: Der Umstand, daß sich insgesamt 34 Gruppierungen häufig verschiedenster Methoden bedienen, zeigt, wie komplex das Phänomen der Geldwäsche ist. 13 Gruppierungen benutzten Finanzierungskanäle ins Ausland, 21 Gruppierungen investier


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ten in legale Unternehmen, 17 in Immobilien, 15 in bewegliches Vermögen, und 7 benutzten Devisengeschäfte zum Waschen ihrer Erträge.

Das ist bedenklich genug. Aber daß wir nicht aus der allgemeinen europäischen Situation allein Schlußfolgerungen ziehen müssen, das zeigt jener Fall, der aus der österreichischen Sicht über die EDOK, über Mag. Lesjak, in diesen Bericht hineinreklamiert wurde. Ich zitiere wieder zum Kapitel Geldwäsche (Abg. Mag. Barmüller: Das soll man genau lesen!) , auf Österreich bezogen, folgendes aus diesem EU-Bericht:

Österreich ist ein Transitland für die Geldwäsche. Gruppierungen aus der Gemeinschaft unabhängiger Staaten und die Camorra spielen hiebei eine Hauptrolle. Erträge aus im Ausland begangenen Straftaten werden im Hinblick auf ihren Weitertransfer investiert. 1995 wurden etwa 310 Mitteilungen betreffend einen Gesamtwert von 1 440 Millionen Schilling von den Banken übermittelt. Die Beschlagnahmungen wurden auf 373 Millionen Schilling veranschlagt.

Das steht – damit wir überhaupt eine Ahnung bekommen, worum es geht und um welche Größenordnungen es sich handelt – im österreichischen Bericht über die organisierte Kriminalität. Dabei müssen wir noch zugestehen, daß dies erst die Anfänge dessen sind, was in Sachen organisierter Kriminalität auf uns zukommt.

Wir Parlamentarier, im speziellen wir von der ÖVP, gehen jenen konkreten Weg, für den wir immer wieder argumentieren, sehr konsequent, und ich sage es in diesem Saal nun zum wiederholten Male: Die ÖVP ist dafür, der Exekutive jene Möglichkeiten in die Hand zu geben, die notwendig sind, um gegen die auch auf europäischer Ebene agierende organisierte Kriminalität in Österreich vorzugehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es geht nicht an, daß die Verbrecher mit dem Porsche, unsere Exekutivbeamten aber mit dem Fahrrad durchs Land fahren. Tun wir alles, damit Chancengleichheit besteht! (Beifall bei der ÖVP.)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jakob Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.25

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier ein sogenanntes Mustersparbuch, ein Überbringersparbuch, und möchte Kollegen Firlinger, der heute den Vorwurf erhoben hat, daß sich die österreichische Regierung zu wenig um die wahre Aufklärung im Hinblick auf den Euro und das Bankwesengesetz kümmere und bei der Anonymität nicht die Wahrheit sage, eines fragen, nämlich ob er, wie er behauptet hat, mit diesem Überbringersparbuch eine Transaktion vornehmen kann. Er ist ein Träumer, denn mit einem derartigen Überbringersparbuch kann man nur bar einzahlen und bar etwas ausbezahlt bekommen, nicht mehr und nicht weniger. Wenn er etwas anderes sagt, ist er ein Träumer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Das ist er ja auch!)

Meine Damen und Herren! Ich gestehe ihm zu, daß er es mir nicht glaubt. Aber es gibt ein Gutachten eines durchaus anerkannten Verfassungsrechtlers, des Herrn Universitätsprofessors Dr. Markus Achatz, der ein Gutachten über die Vereinbarkeit der Anonymität von österreichischen Überbringersparbüchern mit der Geldwäsche-Richtlinie erstellt hat.

Wer mit der Begründung, damit könnte man der Geldwäsche Vorschub leisten, das sogenannte Überbringersparbuch abschaffen will, müßte konsequenterweise auch das Bargeld abschaffen!

Meine Damen und Herren! Beim sogenannten Normalsparbuch ist die Identifikation notwendig – aber nur bei diesem. Das könnte in jeder Währung und beliebig bespart werden. Mit diesem könnten Transaktionen wie Überweisungen, Gutschriften und so weiter ohne Vorlage des Buches vorgenommen werden.


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Um das zu verhindern und die Geldwäsche-Richtlinie einzuhalten, haben sich die österreichischen Banken mit der Abgabe der sogenannten Sorgfaltspflichterklärung dazu verpflichtet, daß bei Transaktionen von über 15 000 ECU beziehungsweise, wie jetzt gesagt wird, Euro oder 200 000 S die Identifikation des Inhabers zwingend ist. Denn die EU-Richtlinie zur Verhinderung der Geldwäsche zielt darauf ab, daß jeder Bankkunde, der mit der Bank eine dauernde Geschäftsbeziehung aufnimmt – das heißt, ein Sparkonto im Sinne eines Normalsparbuches, Herr Kollege Firlinger, oder ein anderes Konto oder ein Wertpapierkonto eröffnet –, zu identifizieren ist. Ein- und Auszahlungen auf anonyme Überbringersparbücher in bar dienen dazu, Bargeldbeträge aus Sicherheitsgründen nicht zu Hause aufbewahren zu müssen. Und da auf anonyme Überbringersparbücher nur bar ein- und ausbezahlt werden kann, müßte die Geldwäsche dort bekämpft werden, wo andere Währungen in Schilling eingewechselt werden. Aber das Wechseln von Schillingbeträgen in andere Währungen hat mit dem Überbringersparbuch nichts zu tun.

Bei der sogenannten Sorgfaltspflichterklärung, zu der sich die österreichischen Banken verpflichtet haben, ist zu prüfen, ob jemand Deviseninländer oder -ausländer ist. Die Identifikation von Inländern ist, wenn die Höhe des Sparbetrages mit den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Einzahlers nicht in Einklang zu bringen ist, ebenfalls vorgeschrieben.

Wir sollten nicht so tun, als ob es nur in Österreich die Möglichkeit von anonymen Sparbüchern oder anonymen Transaktionen gäbe. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es die Möglichkeit, anonyme Tafelgeschäfte, also Wertpapierverkäufe am Schalter, bis zu einem Wert von 20 000 DM durchzuführen. In Italien sind Transaktionen unter 130 000 S anonym möglich und nicht legitimierungspflichtig – in Frankreich ebenso. In Belgien gibt es bankeigene Schuldverschreibungen, die gegen Barzahlung erworben werden können.

Das anonyme Überbringersparbuch eignet sich nicht für Geldwäscheabsichten. Daher verteidigen wir die Anonymität so heftig. Wir stellen fest, daß Österreich mit diesem Abschluß, mit dieser Gesetzesbestimmung und dieser Vereinbarung weit mehr getan hat, als die Europäische Union in diesem Bereich fordert. Wir werden seitens der Regierung die Anonymität der österreichischen Überbringersparbücher auf jeden Fall auch in Zukunft verteidigen.

Da würde ich mir wünschen, daß, so wie in anderen Bereichen gefordert, nicht vorauseilender Gehorsam geleistet wird. In vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel im Bereich des Tierschutzes, bei Tiertransportgesetzen, im Bereich des Pflanzenschutzes, wird immer von einer eigenständigen österreichischen Lösung und Haltung gesprochen. Hier, wo es auch eine Möglichkeit dazu gäbe, ist das aus rein politischen Gründen nicht der Fall. Ich wundere mich darüber, daß eine freiheitliche Partei gegen die Bekämpfung der Geldwäsche, nämlich gegen dieses Übereinkommen stimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haidlmayr gemeldet. Sie spricht von ihrem Sitzplatz aus. – Bitte sehr. Redezeit: 2 Minuten.

16.31

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Mein Kollege Van der Bellen hat behauptet, daß das Übereinkommen über die Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen im Gesundheitsausschuß diskutiert worden ist. Diese Aussage ist unrichtig! Im Gesundheitsausschuß wurde keine einzige Wortmeldung zu diesem Gesetzestext getätigt. Das wollte ich unbedingt richtiggestellt haben!

16.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.

Eine weitere tatsächliche Berichtigung wird vom Abgeordneten Mag. Firlinger gewünscht. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 2 Minuten.

16.32

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Auer hat hier behauptet, ich hätte gesagt, mit dem


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Überspringersparbuch könne man (Heiterkeit) – danke! – mit dem Überbringersparbuch könne man Weißwaschungstransaktionen durchführen.

Ich berichtige tatsächlich: Diese Aussage ist von mir nicht getroffen worden. Wahr ist vielmehr, daß ich gesagt habe, daß sich die Europäische Union durchsetzen wird und daß wir aller Voraussicht nach die bevorstehende Klage vor dem EuGH verlieren werden.

Die professoralen Belehrungen des Kollegen Auer samt seiner Schleichwerbung mit einem gelben Sparbuch waren daher obsolet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt noch eine Wortmeldung vor, und zwar vom Abgeordneten Dr. Graf. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

16.33

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Wortmeldungen der Kollegen Auer und Kiss haben mich dazu bewogen, hier noch einmal das Wort zu ergreifen. Mir ist jetzt ganz klar, warum der Kollege Auer seinen Aufsichtsratsposten in der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich innehat, nämlich offensichtlich nur aus politischen Gründen und nicht kraft seiner Fähigkeit. (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Er hat nämlich hier vom Rednerpult aus gesagt, es sei unmöglich, auf ein Sparbuch Geldbeträge zu überweisen. Dazu muß ich ihm sagen: Er kennt offensichtlich die Bankenwelt nicht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Auer. )

Herr Kollege, erkundigen Sie sich, gehen Sie zu einem Schalter! Sie können jederzeit auf ein Sparbuch eines Kreditinstitutes – wenn Sie die Bezeichnung anführen, wie immer sie auch lauten mag – Überweisungen tätigen. Sie bringen da etwas durcheinander, nämlich daß sich dann bei der Abhebung der Abheber legitimieren muß. Da kennen Sie sich offensichtlich nicht aus. Aber vielleicht haben Sie heute etwas dazugelernt und werden es mit hinausnehmen. Ich würde Sie bitten, bevor Sie etwas behaupten, das vorher zu verifizieren.

An die Adresse des Kollegen Kiss auch ein Wort. Es ist nicht so, daß wir heute über die Zulassung von Rasterfahndung und Lauschangriff oder einen diesbezüglichen Gesetzentwurf abstimmen, auch wenn Sie hier vom Rednerpult aus rhetorisch sehr gekonnt diesen Eindruck zu vermitteln versucht haben. Es wurde über die Einführung dieser Instrumente nicht abgestimmt. Sie wissen, daß diesbezüglich im Hohen Haus noch sehr viel verhandelt werden wird. Wir werden uns anschauen, wie der betreffende Gesetzentwurf dann am Schluß der Verhandlungen ausschauen wird und ob es überhaupt zu einem Gesetzesbeschluß darüber kommen wird. Die Bedenken, die es diesbezüglich gibt, müssen erst einmal ausgeräumt werden. Ich glaube, darüber sind wir alle einer Meinung.

Meine Damen und Herren! Kollege Van der Bellen hat hier ausdrücklich gemeint, daß es aufgrund der Ratifizierung dieser Gesetzesbestimmung logisch ist – so steht es auch in den Erläuternden Bemerkungen –, daß die Anonymität fallen muß – auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen. Wir befinden uns in einem sich anbahnenden Streit vor dem Europäischen Gerichtshof, und eigentlich wären wir alle aufgerufen, zur Erhaltung der Anonymität, dann, wenn wir sie wirklich wollen, alles zu unternehmen, um vor dem Europäischen Gerichtshof den bestmöglichen Rechtsstandpunkt vertreten zu können, Munition in diese Richtung zu liefern und nicht in die andere.

Wie wollen Sie es jemandem weismachen oder erfolgreich ein Verfahren zur Erhaltung der Anonymität vor dem EuGH führen, wenn Sie nahezu monatlich hier in diesem Hohen Hause Akte setzen und Gesetze verabschieden, die die Abschaffung der Anonymität festschreiben? Wie wollen Sie das jemandem glaubhaft machen? – Ich glaube, mit dieser Linie, die Sie als Koalitionsparteien fahren, machen Sie Österreich auch vor der europäischen internationalen Gemeinschaft lächerlich. Das muß hier einmal betont werden! Um nichts anderes geht es. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Das ist auch der Grund, warum wir in dieser entscheidenden Frage den Standpunkt für Österreich einnehmen und nicht gegen Österreich und deswegen gegen diesen Gesetzentwurf stimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Auer gemeldet. Ich mache auf die geltenden Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.37

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Graf hat hier behauptet, ich habe bei der Oberösterreichischen Raiffeisen-Landesbank einen Aufsichtsratsposten inne. Ich stelle richtig und erwidere, daß ich nie einen solchen innegehabt habe und auch keinen innehabe. Wenn Sie einen Funken Anstand haben, dann entschuldigen Sie sich dafür, Herr Abgeordneter. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Was haben Sie dann?)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Dann gelangen wir zu den Abstimmungen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen zunächst ab über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages samt Erklärungen in 127 und Zu 127 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit so beschlossen.

Als nächstes stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 der Bundesverfassung durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Ausschusses ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Schließlich stimmen wir darüber ab, daß im Sinne des Art. 49 Abs. 2 der Bundesverfassung die französische Sprachfassung dieses Staatsvertrags durch Auflage zur öffentlichen Einsicht im Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten in den Amtsstunden kundzumachen ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag betreffend Kundmachung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Damit haben wir den 4. Punkt der Tagesordnung erledigt.

5. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (148 der Beilagen): Bauproduktegesetz – BauPG (648 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt nicht vor. Wir gehen daher gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.


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16.39

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch das Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr mit diesen Produkten soll die Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Bauprodukte umgesetzt werden.

Bevor ich auf das gegenständliche Bauproduktegesetz eingehe, möchte ich ein paar Punkte der Richtlinie 89/106/EWG erläutern.

Laut Entschließung des Rates zur Konzeption harmonisierter Normen, den sogenannten Harmonisierungsrichtlinien, werden die wesentlichen sicherheitsrelevanten Anforderungen festgelegt. Sie sollen für alle Bauprodukte gelten. Als Zwischenschritt sollen Grundlagendokumente zur Präzisierung der Anforderungen erstellt werden, wie zum Beispiel Klassen- und Leistungsstufen. Die Anwendung der Richtlinie ist verpflichtend. Das schließt auch die Schaffung von Rechtsgrundlagen der einzelnen Mitgliedstaaten beziehungsweise Vertragsstaaten ein. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Dem Ständigen Ausschuß für das Bauwesen kommt die Aufgabe zu, an der Konkretisierung der Anforderungen beziehungsweise Anforderungsprofile laufend zu arbeiten. Die erarbeiteten Grundlagendokumente bedürfen der Annahme durch die Kommission und werden kundgemacht. Auf Basis dieser erarbeiteten Grundlagendokumente werden schließlich harmonisierte Normen von den dafür vorgesehenen Normungsinstituten erstellt, und zwar die CEN-Normen.

Während der Übergangsfrist gemäß Artikel 4 Absatz 3 können nationale Normen als mit den geforderten Normen übereinstimmend anerkannt werden. Liegen keine Normen vor, so kann eine europäische technische Zulassung erforderlich sein. Diese erfolgt auf Grundlage von Leitlinien, die das Gremium EOTA, dem auch Österreich als Mitglied angehört, erarbeitet. Um die Zulassung zu erlangen, muß ein Produkt brauchbar sein. Der wichtigste Brauchbarkeitsnachweis ist die europäische technische Zulassung. – Soweit die Richtlinie 89/106/EWG.

Nun zum gegenständlichen Bauproduktegesetz. Natürlich trägt dieses Gesetz der Richtlinie 89/106/EWG Rechnung und unterscheidet klar zwischen Brauchbarkeit und Konformität von Bauprodukten. Ein Bauprodukt darf nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn es brauchbar ist und die Konformität nachgewiesen worden ist. Wenn Brauchbarkeit und Konformität nachgewiesen sind, führt dies schließlich zur Berechtigung, zur CE-Kennzeichnung nach § 13.

Mit der Regierungsvorlage soll das System der Richtlinie für den Zuständigkeitsbereich des Bundes in Bauangelegenheiten umgesetzt werden. Mit einem Abänderungsantrag wird die Regierungsvorlage dahin gehend geändert, daß im Bundesbereich keine selbständige europäische technische Zulassung erfolgt, sondern die auf landesgesetzlicher Grundlage erstellten Konformitätsnachweise anerkannt werden. Die vom Österreichischen Institut für Bautechnik, der gemeinsamen Zulassungsstelle der Bundesländer, erteilten europäischen technischen Zulassungen und die von den Zertifizierungsstellen der Länder, nämlich den jeweiligen Ämtern der Landesregierungen, vorgenommenen Zertifizierungen werden auch in den Bundes-Baubereichen wie Bundesstraßen, Wasserstraßen, Flughäfen, Schiffahrtsanlagen, Eisenbahnanlagen sowie Wildbach- und Lawinenverbauung gelten.

Die Vertretung Österreichs in der EOTA, dem Gremium der Zulassungsstellen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, soll von den Ländern im Wege des Österreichischen Instituts für Bautechnik wahrgenommen werden.

Weiters wurde im Bautenausschuß einstimmig folgende Ausschußfeststellung getätigt:

"Der Bautenausschuß geht davon aus, daß das Österreichische Institut für Bautechnik den zuständigen Stellen des Bundes die von diesen benötigten Informationen übermittelt und die nach bundesgesetzlichen Vorschriften akkreditierten Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen im Wirkungsbereich der Länder ohne weitere inhaltliche Prüfung anerkannt werden."


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Sowohl der Abänderungsantrag als auch die Ausschußfeststellung tragen dem föderalen Aufbau unserer Republik Rechnung und ermöglichen eine effiziente und sparsame Vollziehung dieses Gesetzes.

Als Bürgermeister, also als Baubehörde erster Instanz, bin ich froh, daß das Gesetz heute hier in dieser Form beschlossen wird, denn darin wird erstmals vom Bund anerkannt, daß auch Länder, also nachgeordnete Gebietskörperschaften, Zertifizierungen vornehmen können. Im Bundesbereich wird keine eigene Behörde dafür installiert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Fraktion wird daher dem vorliegenden Bauproduktegesetz gerne zustimmen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

16.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

16.45

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ellmauer hat versucht, deutlich zu machen, daß das Gesetz auf den ersten Blick rein technisch ist. In Wirklichkeit stellt es eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für unsere Bauwirtschaft dar. Ich glaube, man kann dafür die Überschrift wählen: Gleiche Chancen mit gleichen Normen, wie die Bauprodukte in Verkehr gebracht werden sollen.

Meine Damen und Herren! Wir setzen im Grunde genommen heute nichts anderes um als die Bauprodukte-Richtlinie der EU, und wir regeln das künftige Inverkehrbringen von Bauprodukten. Die wesentlichen Anforderungen sind Festigkeit, Standsicherheit, Brandschutz, Umweltschutz, Sicherheit, Energieeinsparung und Wärmedämmung.

Meine Damen und Herren! Wir haben gegenüber den Deutschen bis jetzt einen Wettbewerbsnachteil, weil die Deutschen eine Bauregel-Liste hatten und haben. Diese wird vom Institut für Bautechnik herausgegeben und im "Deutschen Bundesanzeiger" veröffentlicht. Was heißt das? – Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür nennen.

Wir haben in Österreich gute Fensterhersteller. Es können aber nicht alle in die Bundesrepublik Deutschland liefern, weil sie in diesem sogenannten Bundesanzeiger nicht aufscheinen. Andererseits können die Deutschen nach Österreich sehr wohl liefern, weil wir noch keine gültige Norm haben. Das heißt, dieses Gesetz verbessert eindeutig die Wettbewerbschancen unserer Industrie.

Weil wir von Chancengleichheit sprechen, möchte ich auch ein Beispiel betreffend Importe aus Osteuropa nennen. Einige österreichische Hersteller haben ihre Produktionen nach Osteuropa ausgelagert. Nun kommt es oft dazu, daß diese einen Teil ihrer billigen, oft minderwertigen Produkte nach Österreich importieren. Die in Österreich verbliebenen Hersteller haben insofern einen Nachteil, als das bis jetzt nicht geregelt war, und daher bin ich froh, daß wir heute hier diese zwar technische, aber zur Verbesserung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen wichtige Regelung beschließen. Ich glaube, daß das eine Chance für unsere Bauwirtschaft ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

16.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bauproduktegesetz ist ein Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Bauprodukten sowie den freien Warenverkehr mit diesen. Es geht dabei um die Umsetzung einer Richtlinie des Rates, die zum einen die Brauchbarkeit und zum anderen die Konformität von Bauprodukten zum Inhalt hat, wobei die Brauchbarkeit damit definiert wird, daß ein Produkt einer bestimmten technischen Spezifikation, das heißt, einer


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Norm oder einer technischen Zulassung entsprechen muß. Die Konformität ist letztlich die Übereinstimmung des jeweiligen Bauproduktes mit einer technischen Spezifikation. Die Bauprodukte dürfen dann frei gehandelt werden, wenn die beiden soeben genannten wesentlichen Kriterien erfüllt werden und – und das ist entscheidend! – auch nachgewiesen worden sind.

Aber es gibt in diesem Gesetz auch einen Problembereich. Dieser Problembereich ist die Feststellung der Brauchbarkeit des Produktes. Dafür entscheidend sind die Verwendungssicherheit des jeweiligen Produktes, die Zeitdauer dessen Einsatzes, dessen Festigkeit und noch einige andere Kriterien. Dabei kann es auf unterschiedliche regionale Anforderungen ankommen, beispielsweise auf klimatische Gegebenheiten.

Ich nenne dabei die Stichworte Frostsicherheit und Witterungsbeständigkeit; im Ausschuß ist zum Beispiel auch die Algenbildung bei Fassaden genannt worden. Das heißt, die regionale Brauchbarkeit ist nicht unbedingt gegeben, auch dann nicht, wenn Produkte den Produkterichtlinien entsprechen.

Hinsichtlich der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen ist durch die Möglichkeit der Akkreditierung den berechtigten Interessen der Länder nunmehr in diesem Gesetz Rechnung getragen worden. Wesentlich ist sicherlich die Vermeidung von Zwei- und Mehrgleisigkeiten im Zuge des Verfahrens der Prüfung. Diesem Bundesgesetz werden wir unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

16.51

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir meinen, daß das Bauproduktegesetz in Wahrheit nur eine Anpassung an EU-Richtlinien ist, im Bundesbereich sogar wirklich nur die Übernahme der EU-Richtlinien. Man wird noch sehen, was im Landesbereich damit gemacht werden wird. Aber sinnvoll ist es, weil es in Wahrheit die Herstellung eines Rechtszustandes bedeutet, der den Binnenmarkt insgesamt erst möglich macht.

Wir meinen, daß der Binnenmarkt möglich gemacht und nicht durch technische Vorschriften behindert werden soll, und wir meinen, daß dieser Vorgang erst dann abgeschlossen sein wird, wenn wir auch eine gemeinsame europäische Währung haben werden.

In diesem Sinne werden wir sowohl dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung geben, wie auch in bezug auf die gemeinsame europäische Währung weiterhin tätig sein. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorläufig letzte Redner ist Herr Abgeordneter Freund. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

Ich mache darauf aufmerksam, daß wir im Augenblick nicht das erforderliche Beschlußquorum haben.

16.52

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen, daß mit dem Beschluß der Regierungsvorlage zum Bauproduktegesetz Österreich den Anforderungen des Europäischen Wirtschaftsraumes Rechnung trägt und die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft in nationales Recht überträgt. Diese Bauprodukterichtlinie gilt umfassend für alle Bauprodukte, die hergestellt werden, um dauerhaft in Bauwerke des Hoch- und Tiefbaus eingebracht zu werden. Es wurde auch schon darauf hingewiesen, daß ein Bauprodukt nur dann in den Verkehr gebracht wird, wenn die Brauchbarkeit gewährleistet ist und auch die Konformität nachgewiesen werden kann.


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Jetzt stimmen auch die Länder zu, weil die technischen Zulassungen von den Zertifizierungsstellen der Länder vorgenommen werden können. Diese Regelungen sind für den österreichischen Binnenmarkt sehr wichtig. Die Bundesländer können nun einen gemeinsamen Rahmen festlegen, es kommt zu einer verstärkten Verantwortung der Bundesländer. Es muß aber auch zu einem verstärkten Einsatz von Holz als Bauprodukt kommen, was in den einzelnen Bauordnungen der Bundesländer den entsprechenden Niederschlag finden muß.

Holz hat sich nämlich als Bauträger über Jahrhunderte und Jahrtausende bestens bewährt. Wir haben noch immer holzfeindliche Bauordnungen in den Bundesländern, Holz wird als Baustoff noch immer diskriminiert. Nur 3 Prozent des Bauvolumens in Österreich werden mit Holz gebaut, während in Amerika 50 Prozent und in Neuseeland sogar 95 Prozent Holz zum Einsatz kommen.

Im Fertighaus-Bereich ist jetzt auch bei uns vermehrter Holzeinsatz zu bemerken. Holz ist Natur pur, daher ein äußerst umweltfreundlicher und aufgrund der modernen Leimbindertechnik auch ein sehr moderner, vielseitig verwendbarer Baustoff.

Es gilt auch zu berücksichtigen, daß Holz sehr wohl auch die Brandschutzvorschriften erfüllen kann. Im Falle eines Brandes ist Holz sogar günstiger, weil berechenbarer.

Darüber hinaus ist zu bemerken, daß etwa im Burgenland Gebäude nur bis zu einem Vollgeschoß aus Holz errichtet werden dürfen, während etwa Bauordnungen in anderen Bundesländern doch zwei oder drei Geschoße erlauben. Ich appelliere also an die Bundesländer, holzfreundlichere Bauordnungen zu beschließen (Beifall bei der ÖVP), weil das verstärkt Chancen für die Land- und Forstwirtschaft, für die gesamte Holzbranche, aber auch zusätzliche positive Ansätze für die Arbeitsplätze in Österreich bringen würde.

Die Zahlen im Bereich des Schnittholzexports von Österreich sind höchst erfreulich. Zum Beispiel wurden nach Japan 1996 rund 500 000 Kubikmeter Bauholz geliefert; heuer rechnet man mit 600 000. Jetzt gilt es, auch bei uns wieder verstärkt Holz als Baumaterial zu verwenden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Auf ein Schlußwort wurde vom Berichterstatter verzichtet.

Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Vielleicht kann man jene Kolleginnen und Kollegen, die vom Couloir aus dem Geschehen folgen, bitten, jetzt in den Saal zu kommen.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 648 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entwurf ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen worden.

6. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 22/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Solaranlagen für öffentliche Bauten (489 der Beilagen)


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7. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 74/A (E) der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) (490 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antag 75/A (E) der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I, der BGV II und der BIG (491 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 77/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die vorgezogene Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogramms für die Bauwirtschaft (492 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 137/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146 (Ennsnahe Trasse) (493 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangen wir zu den Punkten 6 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen sofort in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.58

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem Debattenbeitrag auf die wohnbaupolitischen Aspekte beschränken. Insbesondere möchte ich auf das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz eingehen, zu dem freiheitliche Mandatare schon des öfteren einen Vorstoß in Richtung Novellierung versucht haben. Die anderen Punkte werden dann meine Kollegen behandeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gleich eingangs sagen, daß das Thema "Wohnen" und das Thema "gemeinnütziges Wohnen" natürlich nach wie vor Themen sind, die unter die Haut gehen. Wohnen stellt ein elementares Bedürfnis der Bevölkerung dar und ist daher so gesehen immer aktuell.

Der Obmann der Gemeinnützigen Bauträgervereinigung, Karl Wurm, hat vor einigen Tagen mit einer bemerkenswerten Zeitungsmeldung für Aufsehen gesorgt. Unter dem Titel "Notbremsung bei Mieten" hat er sich ein wenig über die Politik der gemeinnützigen Bauträger geäußert, und er hat auch versucht, aus seiner Sicht die Zukunftsperspektiven auf diesem Sektor darzulegen.

Ich gehe mit vielen seiner Ansichten nicht konform. Das eine oder andere ist aber durchaus bemerkenswert. Aufgrund der Äußerungen des Kollegen Wurm kommt doch von Zeit zu Zeit Bewegung in diese ansonsten stillstehend erscheinende Debatte.

Wir müssen den Leuten ein Gefühl der Sicherheit geben. – Das sagt Karl Wurm, Präsident der GBV, der Gemeinnützigen Bauvereinigung Österreichs, in der alle möglichen Bauvereinigungen


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vereinigt, versammelt sind. In der großen Masse sind es von rot und schwarz gestützte Wohnbauunternehmen, die Mieter Jahrzehnte hindurch ein wenig am Gängelband gehalten haben und die Jahrzehnte hindurch die Wohnbaupolitik und die Wohnvergabepolitik in Österreich dominiert haben.

Sie alle kennen meine kritischen Ausführungen dazu, die ich schon in früheren Debatten gemacht habe. Ich meine, wenn heute Karl Wurm sagt, wir müssen etwas tun, um auf dem Sektor gemeinnütziges Wohnen die Mietbelastungen zu senken, dann hat er natürlich recht. Für Leute, die vom Sparpaket geknebelt werden, die von steigender Arbeitslosigkeit bedroht sind, die also nicht wissen, wie sie das elementare Bedürfnis Wohnen befriedigen können, ist es natürlich von elementarer Bedeutung, wenn – ich sage: wenn – Bewegung aufkäme. Denn es ist so, daß beispielsweise im Raum Wien für eine Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnung mit rund 70 Quadratmetern 7 000 S monatlich an Kosten anfallen, wobei die Kosten so definiert sind, daß es einen Abschreibungszeitraum von etwa 30 Jahren gibt. Es fallen also alleine an fixen Kosten diese 7 000 S für eine relativ kleine Wohnfläche an.

Jetzt hat es eine interessante Diskussion gegeben. Herr Wurm hat gefordert, daß beispielsweise die Gemeinde Wien, die einen eigenen Fonds eingerichtet hat, bei der Baulandvergabe sozusagen einen Abstrich von 500 S pro Quadratmeter machen soll – derzeit liegen die Preise, die die Gemeinde Wien verlangt, bei 3 000 S. Wurm hat gemeint, die Gemeinde Wien sollte die Preise um 500 S senken, damit man das Spekulantentum ein bißchen besser in den Griff bekommen kann. Und wenn die Gemeinde Wien das beispielsweise tut ... (Abg. Eder: Nein, nein!) – Spekulantentum, doch, doch. Das muß man nur nachlesen, Herr Kollege, das steht im "Kurier". (Abg. Eder: Ich habe es gelesen! Nein!) – Jedenfalls ist es vom "Kurier" so interpretiert worden.

Wenn die Gemeinde Wien das beispielsweise macht, also die Grundstückspreise für neu zu errichtende Wohnungen eben um diesen Betrag in der Höhe von 500 S senkt, dann würden auch die gemeinnützigen Bauträger hergehen und das Ihre dazu beitragen. Es war die Rede davon, vielleicht auch 500 S zu mobilisieren, daß sich das mit 500 S auch auf den Grundstückspreis auswirkt. Herr Wurm hat gemeint, die gemeinnützigen Bauvereinigungen könnten dann sozusagen Reserven mobilisieren.

Nun gibt es diesbezüglich eine interessante Diskussion, die schon über Jahre geht. All unsere Vorstöße auf dem Sektor WGG – Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – (coll Wa) –verfolgen im Prinzip das Ziel, daß nach Ausfinanzierung einer Wohnung, bei der der Mieter, der Genossenschaftsmieter, für alle Kosten aufgekommen ist, also am Ende dieser Periode eine Eigentumsübertragung stattfindet, ohne daß der Mieter ein zweites Mal zur Kassa gebeten wird.

All diese Versuche sind immer mit dem Argument bekämpft worden, es gebe eigentlich im Grunde genommen keine akkumulierten Reserven, es gebe nichts davon, es sei alles Unsinn, was diesbezügliche Vertreter von Oppositionsparteien hier behaupten. – Mit diesem Argument hat man "zugemacht". Ich meine, die Praxis ist eine andere, meine Damen und Herren, und daher sollte man sich dieses Themas wirklich ernsthaft annehmen.

Wir haben es mit 20 Millionen Quadratmetern Baulandreserve zu tun, die die gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften – aufgeteilt zu 90 Prozent auf rote und schwarze Trägervereinigungen – horten, und von diesen 20 oder 22 Millionen Quadratmetern sind sogar 17 Millionen jederzeit baureif, also jederzeit in neues Bauland umzusetzen.

Ich meine, daß das ein unhaltbarer Zustand ist, und ich möchte Ihnen daher mit Nachdruck noch einmal unsere Forderung nahelegen: Überlegen wir uns gemeinsam eine Änderung des WGG! Unterhalten wir uns einmal gründlich darüber, wie wir diesen Übergang schaffen, daß auch eine Eigentumsübertragung sozial verträglich und sozial gerecht gemacht wird.

Verlassen wir bitte diese Position des laufenden Etikettenschwindels, bei dem unter Genossenschaftswesen und genossenschaftlichem Wohnwesen im Rahmen des gemeinnützigen Wohnwesens so quasi ein Miteigentum vorgegaukelt wird, das in Wirklichkeit keines ist, meine Damen und Herren! Gehen wir doch endlich einmal zu klaren Begriffsbestimmungen über: Sozialwoh


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nungen, Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und solche Wohnungen, die unter bestimmten Voraussetzungen, aber ohne ein zweites Mal zu zahlen, ins Eigentum übergeführt werden können! Das wäre die notwendige Ehrlichkeit in der Politik.

Wir müssen uns auch über die zukünftige Rolle der genossenschaftlichen Wohnungen unterhalten. Was will das gemeinwirtschaftliche Wohnwesen? – Ich meine, Handlungsbedarf, zum Beispiel auf dem Sektor Startwohnungen, wäre angesagt. Also wenn heute jemand in eine Wohnung einzieht, der am Anfang seiner Karriere steht – beispielsweise eine Jungfamilie –, dann weiß er, daß er am Anfang mit seinem bescheidenen Einkommen einen Mietzins in der Höhe von etwa 1 500 S oder 2 000 S für eine 55-, 60- oder 70-Quadratmeter-Wohnung zahlt, aber auch, daß diese Wohnung nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung steht beziehungsweise daß er, wenn er in dieser Wohnung bleibt, im Laufe der Zeit mehr bezahlen muß, sozusagen als Prämie für das Nicht-Ausziehen.

Ich glaube, daß das vernünftige Ansätze sind, die dem Umstand entgegenwirken, daß es nicht einfach nur zuwenig Wohnungen gibt, sondern daß es zuwenig solche Wohnungen gibt, die generell für schwache Einkommensbezieher leistbar sind. Das ist das eigentliche Problem! Es gibt genügend Wohnungen, es gibt genügend Bauten, die auf dem Markt verfügbar sind, aber diese sind halt teuer.

Ich glaube, daß es diesbezüglich ein Maßnahmenpaket zu schnüren gilt, auf der einen Seite die Reform des WGG, auf der anderen Seite einige andere Ansätze, die den Kern in der Wohnbaupolitik betreffen, die auch familiengerecht, jungfamiliengerecht sind. Wenn wir uns da einigen könnten, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann wäre ich persönlich sehr froh und dann könnten wir eine Diskussion führen, die die Bezeichnung "Reforminhalte" verdient, anstatt dauernd das Problem vor uns herzuschieben und auf bessere Zeiten zu warten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte, Sie haben das Wort. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

17.08

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir behandeln unter diesen fünf Tagesordnungspunkten fünf Anträge der Opposition, die allesamt im Ausschuß abgelehnt worden sind, und zwar, wie ich meine, aus guten Gründen abgelehnt worden sind. Die Gründe werde ich jetzt, Herr Kollege Peter, darzulegen versuchen. (Abg. Mag. Peter: Ich lausche!)

Zum ersten Antrag, zum Antrag von Kollegen Schöll betreffend WGG, Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz. Darin sind drei wesentliche Forderungen enthalten: Zum einen betreffend die gemeinnützigen Bauvereinigungen. Da wird behauptet, das Kostendeckungsprinzip sei ein Wettbewerbsvorteil für die gemeinnützigen Bauvereinigungen. Das Gegenteil ist der Fall! Es erfolgt eine Einschränkung dieser Gesellschaften durch diese Kostenfestsetzung zum Schutze der Mieter. – Also genau das Gegenteil von dem, was in diesem Antrag behauptet wird, ist in Wirklichkeit der Fall. Das ist auch die Intention dieser Gesetzesbestimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum zweiten: Die Fortzahlung der Auslaufentgelte ist absolut gerechtfertigt. Zu welchen Ungerechtigkeiten – stellen Sie sich das einmal vor! – würde das doch führen, wenn ein Mieter, möglicherweise sogar noch ein später in die Wohnung eingezogener Mieter, also ein nicht vom Erstbezug an in der Wohnung befindlicher Mieter, dann irgendwann nur noch Mieten zahlen würde, wie es zum Teil ohnedies der Fall ist, in Anbetracht dessen, daß Nettoauslaufentgelte in Wien in gemeinnützigen Wohnungsanlagen zwischen 5 und 15 S pro Quadratmeter, noch dazu ohne Wertsicherung, gegeben sind, die alle aus solchen Auslaufentgelten resultieren.

Also das würde zu Ungerechtigkeiten führen, die auch niemand auf dem Wohnungsmarkt wollen kann.


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Nun zur automatischen Übertragung ins Eigentum des Mieters nach der Ausfinanzierung: Ich wundere mich eigentlich, daß die Freiheitlichen der Zwangsenteignung das Wort reden – nichts anderes wäre es. Es gibt genügend Möglichkeiten im Gesetz, vertragliche Lösungen zu finden – auch bereits vor Einzug in die Wohnung, zum Beispiel über Mietkaufregelungen –, um eine solche Übertragung durchzuführen, beziehungsweise kann man nachher über einen Antrag bei Gericht den Verkehrswert festsetzen lassen.

Wenn wir schon eine Änderung im WGG brauchen, dann wohl eher die, daß wir eine gerichtliche Festsetzung in jenen Fällen entfallen lassen könnten, in denen es zwischenzeitlich eine Vereinbarung zwischen dem Mieter und dem Nutzungsberechtigten und der Bauvereinigung über den Kaufpreis gegeben hat, sodaß die Gerichte nicht bemüht werden brauchen. Das wäre eine sinnvolle Änderung, die wir vielleicht in nächster Zeit anstreben sollten, aber sicher nicht die, die dieser Entschließungsantrag vorsieht.

Zum zweiten Tagesordnungspunkt, zur Zusammenlegung der Bundesgebäudeverwaltungen I und II mit der BIG: Der Herr Bundesminister hat im Ausschuß ausführlich und für uns alle nachvollziehbar dargelegt, daß er bereits in seinem Ministerium eine Studie in Auftrag gegeben hat, im Rahmen welcher die Effizienzsteigerungen, die da gewünscht werden und zum Teil auch durchaus machbar sind, zu untersuchen sind. In Kürze soll der Bericht darüber vorliegen, und dann sollen erste Maßnahmen eingeleitet werden, sodaß sich eigentlich dieser Entschließungsantrag erübrigt, und wir haben ihm auch deshalb nicht zugestimmt. (Abg. Mag. Firlinger: Ihr habt ihn ja auch lange genug liegenlassen! 1 Jahr lang!)

Ja, das stimmt schon, er stammt vom Jänner 1996, Herr Kollege. Aber das ändert nichts daran, daß er sich inzwischen erübrigt hat.

Zum dritten Tagesordnungspunkt, zur Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogrammes für die Bauwirtschaft, ist zu sagen, daß nach einem Baugipfel bereits im Frühjahr 1996 vom Wirtschaftsministerium sichergestellt wurde, daß die baureifen Hochbauvorhaben rasch realisiert werden. Das sind 24 Neubauvorhaben mit einem Investitionsvolumen von über einer Milliarde Schilling und 21 Neubauvorhaben mit einem solchen von über drei Milliarden Schilling, mit deren Realisierung über die BIG begonnen wurde. Es sind im Straßenbau Projekte freigegeben beziehungsweise inzwischen bereits in Angriff genommen worden, wie zum Beispiel Landeck, Völkermarkt, Klagenfurt, Selztal und so weiter.

Also all das, was hier gefordert wird, ist längst in Umsetzung, sodaß auch dieser Antrag der Grundlagen entbehrt, Herr Kollege, weshalb auch er von uns keine Zustimmung finden konnte.

Ein ganz wichtiger Punkt: der Antrag vom Kollegen Barmüller zum Thema Solaranlagen und, wenn man das Thema ein bißchen erweitert, generell zum Einsatz von erneuerbaren Energieträgern, auch zur Energiegewinnung beziehungsweise Wärmegewinnung an Gebäuden. (Abg. Mag. Peter: Da seid ihr auch dagegen?)

Nein, dagegen sind wir nicht, Herr Kollege, wir sind dafür – aber nicht unter diesen Voraussetzungen! (Abg. Mag. Peter: Ah!) Denn eine Bindung, wie dieser Antrag es vorsieht, von 1 Prozent der Gesamtbausumme des Bundes an den Einsatz von Solaranlagen ist wirklich nicht vertretbar. Wenn man diesen Gedanken der Bindungen fortführt, dann hätte man womöglich noch 2 Prozent Bindung für den Einsatz von Hackschnitzeln und ich weiß nicht was, und irgendwann einmal werden die 100 Prozent ausgeschöpft sein, und dann sind dem Herrn Wirtschaftsminister die Hände in einer Art und Weise gebunden, wie Sie es sicher auch nicht wollen.

Also in der Praxis ist das nicht durchführbar, wenngleich man sagen muß, daß der Ansatz vernünftig ist, und der Herr Minister hat auch zugesagt, den Ausschußmitgliedern beziehungsweise den Fraktionen darüber einen Bericht vorzulegen. Dieser wurde uns inzwischen auch zugeleitet. Ich glaube, daß in diesem Bericht auf sehr anschauliche Weise dargelegt worden ist, was alles an Umweltschutzmaßnahmen, an Alternativenergieeinsatz von seiten des Wirtschaftsministeriums bei den von ihm errichteten Bundesbauten bereits geschieht. Ich glaube, nichts anderes ist mit diesem Antrag von dir, Kollege Barmüller, beabsichtigt. Die Absicht teile ich, mit der Absicht gehe ich konform, aber bitte nicht mit dieser Bindung, die du vorgeschlagen hast –


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ganz abgesehen davon, daß das Wirtschaftsministerium da bereits in einem großen Ausmaß und vorbildlich aktiv ist.

Zum letzten Tagesordnungspunkt, zur Ennsnahen Trasse. Dazu hat es vor kurzem bereits in diesem Hohen Haus eine sehr ausführliche Debatte gegeben. (Abg. Mag. Firlinger: Das war etwas anderes! ...) Das war eine sehr ausführliche Debatte, auch über die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit dieses Projektes. Zugegeben: Es gibt naturschutzrechtliche Probleme, auch Probleme mit der Vereinbarung mit der EU, diese sind allerdings auf gutem Wege, gelöst zu werden. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wachtelkönig!) – Herr Kollege, wenn Sie vom Wachtelkönig reden, dann sei schon dazugesagt, daß mir der Schutz von Menschen, die in hohem Maße da betroffen sind und sich eine Entlastung wünschen, allemal noch vor dem Schutz von Tieren, so wichtig und sinnvoll er ist, geht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.17

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf gleich zu jenem Antrag kommen, der mir naturgemäß am allermeisten am Herzen liegt von jenen Anträgen, die hier unter einem verhandelt werden, und das ist jener, der die Solaranlagen für öffentliche Bauten betrifft.

Meine Damen und Herren! Ich glaube all das, was Herr Abgeordneter Kopf hier gesagt hat, und ich glaube auch, daß es diesbezügliche Bemühungen seitens der Bundesregierung gibt, aber mich wundert, daß keine dieser Maßnahmen, die vorgeschlagen worden sind – und ich glaube, wir haben wirklich alle durch, die denkbar sind –, paßt. Übrig bleibt, daß wir alle für erneuerbare Energieträger sind, aber daß wir nichts tun, um sie strukturell auch wirklich durchzusetzen.

Fangen wir einmal an: Es gibt keine kostendeckende Vergütung in Österreich – das können wir uns angeblich nicht leisten –, es gibt keine Bindung bei öffentlichen Bauten (Zwischenruf des Abg. Kopf ) , es gibt nicht einmal die Überlegung, Herr Abgeordneter Kopf, auf teure Granit-, Stahl- und Glasfassaden zu verzichten und statt dessen photovoltaische Anlagen zu machen. Solche Fassaden entsprechen im Preis durchaus dem, was man brauchen würde, um eine ganze Fassade photovoltaisch zu verkleiden, um damit Strom zu produzieren. Das wäre etwas, was gerade auch im Hinblick auf die im Jahre 1998 stattfindende zweite Photovoltaik-Weltkonferenz, die hier in Wien abgehalten werden wird, günstig wäre. Es wäre gut, wenn die öffentliche Hand dort, wo es sich wirklich rechnet – und diese Fälle gibt es –, Photovoltaikanlagen anstelle von Stein-, Glas- oder Stahlfassaden machen würde. Aber nichts davon ist möglich.

Wir sind zwar, wie Herr Abgeordneter Kopf gesagt hat, auch für die Biomasse, aber dennoch ist es so, daß die Erdgasnetze, wenn sie ausgebaut werden, Wegerechte haben, von denen Biomassenetze nur träumen können, meine Damen und Herren. Es steht im Nationalen Umweltplan, daß wir die erneuerbaren Energieträger einsetzen wollen, daß wir sie bevorzugen wollen, daß wir darin eine Einkommensoption für die österreichischen Bauern sehen, aber es gibt keine Möglichkeit, das wirklich durchzusetzen.

Faktum ist, daß es, auch was beispielsweise die Biogasnutzung angeht, bisher nicht dazu gekommen ist, daß von seiten der zuständigen Regierungsparteien, der zuständigen Kammern Initiativen gestartet worden sind, um diesen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen.

All das, meine Damen und Herren, wird nicht gemacht, aber es wird davon geschrieben im Nationalen Umweltplan, es wird davon geschrieben im Energiebericht, im letzten, im vorletzten, im aktuellen, den wir hier im Hause haben, und es wird wahrscheinlich auch im nächsten drinnen stehen, aber wir werden hinsichtlich der Anzahl der Anlagen nicht wirklich weiterkommen.

Eines, meine Damen und Herren, sei zum Abschluß zu diesem einen Antrag noch gesagt: Das einzige, was in Österreich substantiell im Bereich der thermischen Nutzung von Sonnenenergie


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wirklich weitergebracht worden ist, ist interessanterweise nur das, was in privater Initiative in der Steiermark ausgehend und dann auch in den anderen Bundesländern gemacht worden ist. Offenbar ist es wirklich so, daß die offiziellen Institutionen da eher behindernd als förderlich wirken. – Das dazu und auch als Erklärung dafür, daß wir diesen ablehnenden Bericht des Bautenausschusses nicht zur Kenntnis nehmen werden, weil die Regierungsparteien und damit Österreich eine ganz entscheidende Chance versäumen, nämlich die Chance, erneuerbare Energieträger und damit eine dezentralere Energieversorgungsstruktur in Österreich etablieren zu können.

Zum Bericht über den Antrag des Herrn Abgeordneten Schöll betreffend Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes sei nur gesagt, daß auch wir es für sinnvoll halten, daß Genossenschaftswohnungen, nachdem alle Kredite getilgt worden sind, nachdem von denjenigen, die diese Wohnungen bewohnen, alle Baukosten bezahlt worden sind, ins Eigentum überführt werden. Das halte ich für einen sinnvollen Weg, und daher stimmen wir diesem Antrag, den Herr Abgeordneter Schöll eingebracht hat, inhaltlich zu. Wir meinen, daß es nicht gerechtfertigt ist, ihn so, wie es im Ausschuß geschehen ist, einfach abzulehnen und nicht einmal in Aussicht zu stellen, was man in diesem Zusammenhang machen könnte. Und es wäre vielleicht ganz gut gewesen, da auch einen Zeithorizont festzulegen, sodaß man den Eindruck hätte gewinnen können, daß hier wirklich etwas geschieht, Herr Abgeordneter Eder. (Zwischenruf des Abg. Eder. )

Aber all das ist nicht geschehen. Es wäre schon quasi ein Trost gewesen, wenn man gesagt hätte: Ja, das ist ein sinnvoller Gedanke, wir wollen das auch machen, wir nehmen uns vor, bis Ende 1997/Mitte 1998 das Gesetz so geändert zu haben, daß das möglich sein wird.

Ich sage das auch deshalb, weil ja mittlerweile bekannt geworden ist, daß immer öfter im Bereich der gemeinnützigen Wohnbauträger Mittel entgegen den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes verwendet werden, und das hat interessanterweise überhaupt keine Konsequenzen. Ich sage das deshalb, weil damit klar wird, in welchem Ausmaß die gemeinnützigen Wohnbauträger in den Bereich der Parteien verstrikt sind. Das Beispiel, das ich hier anspreche, ist die GIWOG. Sie werden sich sicher an die letzten Diskussion über den Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes erinnern. Da stand doch zu lesen, daß sage und schreibe 874 Millionen Schilling von der GIWOG entgegen den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes an die VOEST verschoben worden sind. Das hat zu Kritik geführt, auch von seiten des Rechnungshofes. Ich habe das hier von diesem Pult aus aufgezeigt.

Doch jetzt ist eines passiert, meine Damen und Herren: Ich höre, daß man für dieses Verschieben von 874 Millionen Schilling, also fast einer Milliarde Schilling, entgegen den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes keine politischen Konsequenzen zieht und das nicht rückabwickelt – so, wie es der Rechnungshof vorgeschlagen hat –, sondern daß die Koalition die GIWOG einfach verkauft. Man verkauft sie, sodaß sie nicht mehr der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt, und was all das Geld betrifft, das an die VOEST gegangen ist, heißt es: Schwamm drüber!

Jetzt frage ich mich: Wozu gibt es denn Steuerbegünstigungen für gemeinnützige Wohnbauträger? Doch dazu, daß sie Wohnraum schaffen können. Anstatt dessen verschieben sie das Geld – interessanterweise in der Zeit der Privatisierung – an eine Firma, die privatisiert oder zumindest an die Börse geführt wird. Das wird vom Rechnungshof aufgezeigt, verstößt eklatant gegen die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, aber es wird von den Regierungsparteien nichts dagegen unternommen.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, der Auffassung sind, daß der Rechnungshof ohnehin nur noch nach außen hin den Anschein der Rechtsstaatlichkeit und der sparsamen und zweckmäßigen Verwaltung wahren soll, dann muß ich sagen: Dafür ist er zu teuer! Denn diese "Fassade" können wir billiger auch haben. Da brauchen wir nur das zu tun, was hier immer schon getan wird, nämlich daß die Verantwortlichen, wenn so etwas aufgezeigt wird, sagen: Darauf werden wir nicht reagieren, weil es eh nicht wahr ist!


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Wenn es nicht stimmt, was der Rechnungshof in seiner Kritik des letzten Tätigkeitsberichtes, den wir hier diskutiert haben, sagt, dann sollte man das klar auf den Tisch legen. Aber wenn es stimmt, dann muß doch dafür gesorgt werden, daß diese Bestimmungen eingehalten werden, und dann muß man die Rückabwicklung fordern. Denn es kann nicht angehen, daß mit gesetzlichen Maßnahmen Gemeinnützige gegenüber Privaten bei der Schaffung von Wohnraum bevorzugt werden und man dann, wenn sie unter Ausnutzung von Steuerprivilegien das Geld nicht entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen, also illegal, verwenden, sagt: Schwamm drüber! Das wird nicht gehen, und wir werden das, wenn sich das jetzt mit dem Verkauf wirklich bewahrheitet, noch aufzeigen. Ich meine nur, daß die Begründung, die dem Antrag des Abgeordneten Schöll beigegeben ist, die von der Macht der Gemeinnützigen und ihrer Verstrickung und Verquickung mit den politischen Parteien spricht, inhaltlich sehr viel Substantielles hat.

Was den Antrag betreffend die Zusammenlegung der Bundesgebäudeverwaltungen I und II sowie der Bundesimmobiliengesellschaft angeht, werden wir dem ablehnenden Bericht des Bautenausschusses zustimmen, weil wir der Auffassung sind, daß das, was im Antrag verlangt wird, zwar in der Tendenz richtig ist, aber so nicht ausgeführt werden kann. Denn die Bundesimmobiliengesellschaft ist, wie Sie wissen, bereits ausgegliedert – sie ist nicht privatisiert, sondern nur ausgegliedert worden –, während die Bundesgebäudeverwaltungen I und II immer noch reine Verwaltungsstrukturen darstellen. Wir sind der Meinung, man sollte einen anderen Weg gehen. Man sollte nicht alle drei Einheiten zusammenlegen, sondern sollte zuerst einmal die Bundesgebäudeverwaltungen I und II zusammenlegen und dann mit der Bundesimmobiliengesellschaft wirklich privatisieren – nicht nur ausgliedern, sondern privatisieren.

Ausgliedern ist etwas, was hier immer wieder getan wird: Man gliedert Institutionen aus und tut damit nur eines: Man entzieht sie dem Interpellationsrecht der Abgeordneten dieses Hauses – aber man entzieht sie nicht dem politischen Einfluß durch die Regierungsparteien. Und das ist etwas, was wir anprangern. Wir Liberale sind der Meinung: Wenn Sie Ausgliederungen machen, dann sollen es solche sein, die Privatisierungen sind, und nicht nur formale Ausgliederungen, bei denen Sie die Kontrollrechte des Parlamentes beschneiden und im Grunde genommen am politischen Einfluß in diesem Bereich nichts ändern.

Daher bringen wir auch einen Entschließungsantrag zu diesem Tagesordnungpunkt ein, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Thomas Barmüller, Partnerinnen und Partner betreffend Zusammenlegung der BGV I und der BGV II

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, wird aufgefordert, die erforderlichen administrativen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen zur Zusammenlegung der BGV I und der BGV II zu schaffen, um durch die solcherart erzielbaren Einsparungen den Staatshaushalt zu entlasten und politischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen.

*****

Das, meine Damen und Herren, ist der erste logische Schritt, und dann sollten wir noch einmal darüber reden, daß wir all diese Einheiten privatisieren und nicht der Kontrolle des Parlaments entziehen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Heindl: Das funktioniert!) – Das, Herr Abgeordneter, sind wir überzeugt, funktioniert.

Nun zum Bericht des Bautenausschusses betreffend die vorgezogene Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogrammes für die Bauwirtschaft. Dazu muß ich sagen: Es verwundert mich schon, daß von seiten der Freiheitlichen die Eisenbahntrasse Süd-Ost-Spange, die wir auch als notwendig erachten, als ein kurzfristig umsetzbares Element der Beschäfti


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gungspolitik dargestellt wird. Denn es wurde, wir alle wissen, in sträflicher Weise von der Bundesregierung vernachlässigt, dieses Projekt voranzutreiben, und deshalb sind wir nicht in der Lage, es als ein baufertiges, baureifes Projekt zu bezeichnen.

Nichtsdestoweniger, meine Damen und Herren, wollen wir, daß in diesem Bereich etwas geschieht, und wir meinen, daß der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten auch sein Weisungsrecht ausnützen sollte, um etwa jenen Landesräten, die für die Umsetzung von bereits baureifen, projektierten und auch finanzierten Projekten zuständig sind, auf die Finger zu klopfen. Denn es kann doch nicht angehen, daß auf vielen anderen Ebenen als der Bundesebene die Umsetzung liegenbleibt. Und das ist etwas, was gerade in Kärnten ohnehin in freiheitlichen Händen liegt und vorangetrieben werden könnte.

Wir meinen daher, daß unser zweiter Entschließungsantrag, den ich jetzt noch einbringen werde, die Sache genauer trifft. Er lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Thomas Barmüller, Partnerinnen und Partner betreffend Gewährleistung der umgehenden Realisierung bereits projektierter Bauvorhaben

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, wird aufgefordert, alle zu Gebote stehenden rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um die ehestmögliche Realisierung bereits projektierter und finanzierter Bauvorhaben zu gewährleisten. Darüber hinaus sind die existierenden Arbeitsprogramme für die Bauwirtschaft auch hinsichtlich noch nicht von der Finanzierung her gesicherter Projekte mit höchster Priorität umzusetzen."

*****

Das, meine Damen und Herren, ist etwas, was wirklich gemacht werden kann. Hingegen ist das, was im Entschließungsantrag, mit dem sich auch der Bericht beschäftigt, verlangt worden ist, in der vorgeschlagenen Form nicht umsetzbar. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist der Bericht des Bautenausschusses über die Aufhebung der Verordnung betreffend den Straßenverlauf der B 146.

Sie wissen, meine Damen und Herren, daß dieses Thema in der Steiermark seit 20 Jahren vor sich hinkocht, daß nach wie vor das Wasserrechtsverfahren nicht abgewickelt ist und daß es durch den Beitritt zur Europäischen Union im Naturschutzbereich zu einer Änderung gekommen ist. Es hat zwar vom Verwaltungsgerichtshof im Oktober des Vorjahres geheißen, daß ohnehin naturschutzrechtlich dem Bau der Ennsnahen Trasse nichts im Wege stehe, aber interessanterweise ist ein neuer Naturschutzbescheid – und der müßte gemacht werden – von der steirischen Landesregierung bisher nicht ergangen.

Es ist unbestritten, daß das Ennstal natürlich eine Verkehrslösung braucht, und Herr Abgeordneter Kröll wird mir zustimmen, wenn ich meine, daß diese Verkehrslösung unter Einbindung eines zweigleisigen Ausbaus der Eisenbahn in dem Bereich dort stattfinden muß. Es ist nicht sinnvoll, im Ennstal eine "Inntalisierung" herbeizuführen und an jeder Seite des Tales Verkehrsinfrastrukturen zu machen, nämlich unter Nichteinhaltung der Raumordnung und durch neuerliches Verbauen der neugebauten Straßen, sondern es ist sinnvoll, da – auch unter Einbindung einer UVP – endlich zu einer Lösung zu finden, die auch wirklich umsetzbar sein wird. Ich garantiere Ihnen, daß keine der Lösungen, die jetzt auf dem Tisch liegen, bei der Emotionalisierung, die über diese Projekte derzeit im Ennstal herrscht, durchsetzbar sein wird. Und das ist natürlich auch sehr zum Schaden der Bevölkerung dort, denn mit Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen am Balkan wird dieser Bereich verkehrsmäßig natürlich wieder stärker frequentiert werden. Dieser Bereich war in den letzten Jahren nicht so belastet, es war


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ruhiger dort, aber diese verkehrsmäßigen Belastungen werden wieder kommen, und daher brauchen wir einen integrierten Ausbau in diesem Bereich.

Daher, meine Damen und Herren, ist es höchst an der Zeit, daß man sich dem Problem stellt, daß die derzeit vorliegenden Varianten weder von der einen Seite noch von der anderen Seite akzeptiert werden, daß die Politik in der Steiermark und auch auf Bundesebene von seiten der Bundesregierung derzeit nicht in der Lage ist, diese Projekte durchzusetzen. Ich meine daher, es ist notwendig, da einen neuen Ansatz zu finden.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, darf ich noch etwas hinzufügen: Abgeordneter Kopf hat davon gesprochen, daß ihm, wenn es um Wachtelkönige und andere Tiere – welche auch immer – ginge, der Schutz von Menschen wichtiger sei. Dem ist unbestritten beizupflichten. Ich hoffe, daß diese Hochschätzung von Menschenleben dann auch bei der Debatte um die 0,5-Promillegrenze in Österreich von der ÖVP entsprechend berücksichtigt wird. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden vom Abgeordneten Mag. Barmüller vorgetragenen Entschließungsanträge sind geschäftsordnungsmäßig unterstützt und werden in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Eder. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.31

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte zu dem, was Kollege Firlinger gesagt hat, nur insofern eine Bemerkung machen, als er, wäre die Pressekonferenz des Präsidenten der gemeinnützigen Bauvereinigungen nicht gewesen, wahrscheinlich relativ wenig Thema gehabt hätte, hier etwas zu sagen.

Ich darf damit gleich auch einen Tip verbinden, den ich Kollegen Barmüller geben möchte, noch bevor er den Saal verläßt und bevor er dem Antrag des Kollegen Schöll zustimmt, in der Meinung, der Antrag sei so formuliert, daß jemandem, der in einer gemeinnützigen Mietwohnung wohnt, dann, wenn nach 25 Jahren alle Kredite zurückbezahlt sind, die Wohnung ins Eigentum übergeben werden könnte. Dem muß ich leider insofern widersprechen, als damit noch nicht die gesamten Kosten dieser Wohnung gedeckt sind. Sie wissen doch ganz genau, daß bei Mietwohnungen zum Beispiel die Grundpreise nicht oder oft nur teilweise in Ansatz gebracht werden.

Würde der Antrag so formuliert sein, daß diese bewohnte Wohnung zum Verkehrswert ins Eigentum übertragen werden kann und alles, was bezahlt wurde, gutgeschrieben wird, dann könnten wir uns schon einigen. Ich glaube, das ist es auch, was Sie meinen. Ich glaube nicht, daß Sie meinen, daß jemandem, der eine Mietwohnung bekommen hat, der oft auch die Möglichkeit bekommen hat, in eine geförderte Wohnung einzusteigen, diese Wohnung auch noch ungeprüft in sein Eigentum übertragen werden kann.

Eines muß man auch noch berücksichtigen – und auch das ist in dem betreffenden Antrag nicht so deutlich enthalten –: Es stellt sich die Frage, wann jemand in eine Mietwohnung einzieht. Wenn er nur in den letzten fünf Jahren vor Auslaufen der Darlehen darin gewohnt hat, wäre er der falsche Adressat dafür, die Wohnung ins Eigentum zu bekommen, dann müßte er auch die Differenz bezahlen.

Ich glaube also, Herr Kollege Barmüller, vom Grundsatz her haben wir gar nicht mehr sehr viel Differenz in dieser Thematik. Es geht, glaube ich, wirklich nur um die richtige Preisfindung für denjenigen, der dann in der Wohnung wohnt, wenn die Darlehen ausbezahlt sind. Darüber müßte man exakt reden. Aber das ist in diesem Antrag nicht klar formuliert. Daher kann ich diesem Antrag nicht zustimmen, und ich würde auch Ihnen empfehlen, sich diesen Antrag noch einmal anzuschauen, bevor Sie ihm in seiner derzeitigen Form zustimmen. (Abg. Mag. Barmüller: Herr Abgeordneter Eder! Wann, glauben Sie, werden wir grundsätzlich darüber reden können?) Ich bin überzeugt davon, daß wir sicherlich im Herbst dieses Jahres auch über das


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WGG in grundsätzlichen Bereichen reden werden und durchaus auch über diese Fragen werden reden können. Kein Problem!

Meine Damen und Herren! Wir haben aber heute – ich möchte mich wirklich damit befassen, weil einige andere meiner Kollegen sich dann mit anderen Themen beschäftigen werden – die Gelegenheit, uns mit einigen oppositionellen Vorschlägen zum Wohnrecht und zur Wohnpolitik auseinanderzusetzen. Sie stammen ja zum großen Teil von freiheitlichen Abgeordneten und zeichnen sich wahrscheinlich deshalb durch ausdrückliche Freiheit von Kontinuität und Übereinstimmung mit gleichzeitig von anderen Fraktionskollegen der gleichen Partei oder früher von denselben Antragstellern eingebrachten Vorschlägen aus.

Das einzig nachvollziehbar Konsequente an Ihren Vorschlägen, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion, ist ihre Beliebigkeit des Inhalts, ihre mehr oder weniger stereotype Begründung mit längst überholten – Sie haben es ja heute wieder in Quadratmetern ausgedrückt –, mit längst widerlegten Argumenten und Zahlen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

1993 zum Beispiel – hören Sie ein bißchen zu, Herr Firlinger!, damals waren Sie noch gar nicht in der Freiheitlichen Partei oder schon wieder oder noch nicht, das weiß ich nicht genau –, also 1993 jedenfalls verlangten Ihre freiheitlichen Kollegen – damals waren Sie nicht dabei –, die die freiheitlichen Positionen zur Wohnpolitik formuliert hatten – da gibt es ein Papier, das können Sie auch nachlesen, das würde ganz gut sein –, daß man Mietern geförderter Wohnungen ihre Mietwohnung zum Kauf anbieten sollte. 1995 wurde in einer Dringlichen Anfrage verlangt – wieder von der Freiheitlichen Partei –, daß die ausfinanzierten Mietwohnungen den Mietern ins Eigentum übertragen werden sollten. Der aktuell zur Debatte stehende Entschließungsantrag, den ich vorhin zitiert habe, verlangt eine Übertragung der Mietwohnungen ins Eigentum der Mieter, unabhängig von der Frage, ob die Wohnung bereits ausfinanziert ist (Abg. Mag. Firlinger: Nein, das stimmt nicht!) , und natürlich auch unabhängig von der Frage, wie lange der Mieter diese Wohnung schon benützt, wieviel er verdient, wie gut seine Haushaltsgröße mit der Größe der Wohnung übereinstimmt. Diese Differenzierungen stehen in diesem Antrag nicht drinnen. (Abg. Mag. Firlinger: Das ist ein Entschließungsantrag und kein Initiativantrag!)

Die bemerkenswerteste Neuerung in der freiheitlichen Position liegt aber in der Begründung und im Ziel des Antrages, weil mit der vorgeschlagenen Maßnahme auch zur Belebung der Wirtschaft beigetragen werden soll. Wie diese Belebung erfolgen soll, wird nicht gesagt, und diese ist auch tatsächlich nur schwer vorstellbar. Leicht vorstellbar ist hingegen, daß die vorgeschlagene Übertragung der Mietwohnung ins Eigentum der Mieter zu einer Belebung der Sinne der so beglückten Mieter beitragen kann. Eine Belebung ist auch bei den Gerichten, insbesondere beim Verfassungsgerichtshof, vorstellbar, der diese Form der Enteignung wohl auf die Verfassungskonformität zu prüfen hätte.

Wird der Vorschlag – und davon gehe ich aus – nicht umgesetzt, unterbleibt die Belebung der Gerichte, der Wirtschaft und der Sinne, und es bleibt – meines Erachtens – nur eine Belebung des Unsinns in der Wohnpolitik.

Daß es in Österreich auch sinnvolle und erfolgreiche Wohnpolitik gab und gibt, ist am allerwenigsten den oppositionellen Vorschlägen der Freiheitlichen in der oben beschriebenen Qualität zu verdanken. Die aktuellen Zahlen aus der Wohnungswirtschaft belegen, daß es seit 1991/92 zu einer gewaltigen Wohnbauoffensive gekommen ist und daß diese in erheblichem Ausmaß von den gemeinnützigen Bauvereinigungen mitgetragen und vor allem auch aus Eigenkapital, das von Ihnen permanent kritisiert wird, finanziert wurde. Ich sage immer wieder: seien wir froh, daß wir Unternehmen mit Eigenkapital haben, die mit finanzieren können. (Abg. Mag. Firlinger: Wir haben nichts gegen das Eigenkapital! Das ist eine Tatsachenverdrehung!)

Die gemeinnützigen Bauvereinigungen, meine Damen und Herren, haben dazu ihre Rücklagen und ihre laufenden Erträge eingesetzt, sodaß heute vom Revisionsverband und den Aufsichtsbehörden bestätigt wird, daß es im gemeinnützigen Sektor praktisch kein nennenswertes, mittlerweile seit 1993 auch steuerpflichtiges – denn das wäre ja steuerpflichtig geworden, wie Sie wissen – Reservekapital gibt und die Gemeinnützigen durch Eigenmittelfinanzierung der


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Grundkosten und auch von Teilen der Baukosten wesentlich zur Verbesserung der Leistbarkeit neugebauter Wohnungen beigetragen haben.

Durch diese Wohnbauoffensive wurde in fast allen Regionen Österreichs ein weitgehend ausreichendes Angebot an Wohnungen geschaffen, mit dem die aktuelle Nachfrage derzeit abgedeckt werden kann. Es ist daher jetzt der geeignete Zeitpunkt, über neue Schwerpunktsetzungen nachzudenken. Es wäre wohl verfehlt, die Neubautätigkeit weiter zu forcieren und regionale Überproduktionen mit Leerstandsrisken zu schaffen. Sinnvoller – vor allem auch aus Gründen der Arbeitsplatzbeschaffung und der ökologischen Auswirkungen – ist es, jetzt gezielt und verstärkt die Althaussanierung und die Althausverbesserung zu intensivieren. In der Wohnhaussanierung und -verbesserung gibt es eine Möglichkeit des volkswirtschaftlich sinnvollen Einsatzes von Eigenmitteln der gemeinnützigen Bauvereinigungen, mit dem sie die betriebswirtschaftliche Rentabilität dieser Maßnahmen herstellen können und auch wesentlich verbessern können.

Wenn Reformen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes – ich habe vorhin schon davon gesprochen – notwendig sind, dann sind sie in einem Bereich notwendig, in dem diese volkswirtschaftlich sinnvollen Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen ermöglicht oder erleichtert werden und in dem zum Beispiel die umweltpolitisch sinnvollen Verfahren zur Reduktion von Hausbewirtschaftungskosten für Energie, Trinkwasser, Hausmüllentsorgung – unter anderem auch durch verbrauchsabhängige Kostenverteilungsmodelle – ermöglicht werden.

Die von freiheitlicher Seite wieder und wieder geforderte Eigentumsbildung im gemeinnützigen Wohnbau ist seit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz, also bereits seit mehr als drei Jahren, möglich und auch weitgehend sehr praktikabel geregelt. Über Adaptierungen zur Verfahrensvereinfachung (Abg. Mag. Firlinger: Da haben Sie gerade etwas anderes gesagt!) – das sage ich gerade – gibt es auch Überlegungen.

Herr Kollege Firlinger! Für unüberlegte Geschenksaktionen ohne jede soziale Ausgewogenheit stehen wir Sozialdemokraten nicht zur Verfügung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

17.40

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Hohes Haus! Ich hatte bereits einmal Gelegenheit, hier im Plenum über die vorgezogenen Bauaktivitäten in Kärnten zu referieren, daher kann ich mich heute kurz fassen. Ich hatte das deshalb getan, weil gerade Kärnten nachweislich ein Land ist, in welchem die strukturelle Arbeitslosigkeit besonders hoch ist. Es geht uns darum, gerade die im südlichsten Bundesland vorherrschende Arbeitslosigkeit auf dem Bausektor zu dämpfen, hintanzuhalten, neue Arbeitsplätze zu schaffen und so vor allem im Bereich des Straßen- und Wohnbaues neue Akzente zu setzen.

Kärnten ist ein Land, das wie kein anderes von öffentlichen Bauaufträgen abhängig ist. (Abg. Dr. Mertel: Durch den Bau von Wasserleitungen!) Frau Kollegin Mertel, ich selbst war als Baureferent in Kärnten tätig, und auch jetzt ist diese Kompetenz in freiheitlichen Händen, wenn Sie so wollen, daher wissen wir sehr genau, daß von den 133 Milliarden Schilling, die an Bauvolumina im Jahre 1995 zu vergeben waren, 100 Milliarden Schilling aus öffentlichen Aufträgen gekommen wären, daß aber im Zuge des Sparpakets, der Budgetkürzungen wiederum gerade Kärntner Projekte hintangereiht wurden, sodaß von den 100 Milliarden Schilling, die im Jahr 1995 für das Bauvolumen in Kärnten veranschlagt worden sind, tatsächlich nur ein geringer Prozentsatz bauwirksam zum Einsatz kommt.

Frau Kollegin Mertel! Ich glaube, es ist Pflicht und Aufgabe jedes Kärntner Abgeordneten, sich hier im Hohen Haus für die Arbeitsplätze in Kärnten einzusetzen und dafür zu sorgen, daß die Versprechungen, die Ihr Vorsitzender in Kärnten jedesmal vor Wahlen gemacht hat, auch eingehalten werden. Ihr ehemaliger Vorsitzender, Herr Bundeskanzler Vranitzky, war es, der vor


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Wahlen nach Kärnten kam und in Pressekonferenzen ständig von einer "Aufholmilliarde" gesprochen hat. Tatsache ist, daß von der "Aufholmilliarde" nichts nach Kärnten geflossen ist und daß wir heute noch darauf warten, Frau Kollegin.

Ich glaube, Sie haben, um in Kärnten auch politisch glaubwürdig zu sein, die Verpflichtung dazu. Sie sind ja dort, wie man aus den letzten Umfragen weiß, eine Größe, die wahrscheinlich bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr die Nummer eins sein wird, sondern Sie werden, wenn man den Umfragen Glauben schenken darf, wahrscheinlich die Nummer zwei sein. (Abg. Dr. Mertel: Was habe ich mit Landtagswahlen zu tun?) Sie müssen sich auch darüber Gedanken machen, warum Sie so schlecht liegen. Sie liegen in Kärnten deshalb so schlecht, weil Sie ständig Versprechungen machen, diese aber von Ihnen nie eingehalten werden. (Abg. Dr. Mertel: Ich doch nicht!)

Wenn ich "Sie" sage, dann meine ich Ihre Fraktion. Es geht doch nicht an, daß ständig Bundespolitiker nach Kärnten pilgern, sich dort als große Geldbeschaffer und Geldbringer aufspielen, und dann, wenn sie wieder nach Wien zurückgekehrt sind, von all dem nichts mehr hören wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist auch der Grund, warum ich diesen Antrag hier eingebracht habe. Ich glaube, daß er eine sinnvolle Ergänzung wäre, welche dazu beitragen würde, die Baukonjunktur in Kärnten wieder anzukurbeln, auch Folgeaufträge für die gewerbliche Wirtschaft zu lukrieren und insgesamt die ohnehin sehr traurige Bilanz Kärntens in diesem Bereich aufzubessern.

Ich hoffe, Frau Kollegin Mertel, Herr Kollege Müller, daß Sie als Kärntner Abgeordnete diesem meinem Antrag auch zustimmen werden. Ich glaube, daß die Zeit, in der man darüber lachen kann, vorbei sein muß, denn wir sind neben dem Burgenland jenes Land, das von der strukturellen Arbeitslosigkeit her – ich rede jetzt nicht von der saisonalen Arbeitslosigkeit, die wir anführen; da liegen wir aufgrund des Einbruches auch im Sommertourismus an der Spitze – wirklich einen Aufholbedarf hat, und danach trachten muß, dieser beizukommen. Die Versprechen, die vor allem von Ihrer Fraktion in Kärnten gemacht worden sind, sind einzuhalten, und die Projekte in Kärnten, die auch im Antrag angeführt sind, sind endlich zu verwirklichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.45

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich vor allem jenem Antrag der Freiheitlichen Partei widmen, in dem es darum geht, die Forderung nach Übertragung von gemeinnützigen Wohnungen in das Wohnungseigentum voranzutreiben.

Ich glaube, daß es den Antragstellern entgangen ist, daß nach dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz diese Möglichkeit zur Eigentumsbildung bereits in zweierlei Hinsicht besteht: Zum einen können gemeinnützige Wohnbauvereinigungen nach zehn Jahren den Kauf der Wohnungen jederzeit anbieten, zum zweiten besteht ein Rechtsanspruch der Nutzungsberechtigten oder Mieter auf Kauf, wenn neben dem Entgelt auch der überwiegende Anteil der Grundkosten innerhalb der ersten drei Jahre eingehoben wurde.

Beim zweiten Punkt, nämlich dem Vorwurf des Hortens finanzieller Mittel bei den Gemeinnützigen, scheinen die Freiheitlichen von ihrem Naheverhältnis zu privaten Wohnbauträgern, zu privaten Maklern und zu privaten Hausverwaltungen derart geprägt zu sein, daß sie keine Unterscheidung machen. Gemeinnützige Wohnbauträger können nämlich im Unterschied zu den Privaten keinesfalls Gewinnentnahmen vornehmen, sondern haben – geregelt bereits im § 1 des WGG – die Verpflichtung, ihre Mittel zur Erfüllung von dem Gemeinwohl dienenden Aufgaben im Wohnungswesen zu verwenden und ihr Vermögen dieser Aufgabe zu widmen.


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Drittens: Da in der Begründung dieses Entschließungsantrages immer auch auf Zahlen Bezug genommen wird, die aus der Zeit von 1990 bis 1992 stammen, würde ich meinen, daß, was die Entwicklung der Reservekapitalien der Gemeinnützigen betrifft, in der Zwischenzeit eine Reihe von Jahren vergangen ist. Ich möchte das am Beispiel Wiens ein bißchen skizzieren.

1992 – das ist das Jahr, von dem Sie ausgehen; mittlerweile liegt es fünf Jahre zurück – gab es 526 Millionen Schilling Reservekapital, 1995 waren es noch knapp über 100 Millionen Schilling. Das heißt, es erfolgte eine Reduzierung um 400 Millionen Schilling, die investiert wurden.

Von den 65 gemeinnützigen Bauträgern in Wien sind es nur mehr sieben, die überhaupt über Reservekapital verfügen. Das sind jene, die aufgrund der geringen Reservemöglichkeiten in den vergangenen Jahren keine Neubautätigkeit hatten.

Das bedeutet, daß im Zeitraum von 1990 bis 1995, von dem Sie auch reden, der Eigenkapitaleinsatz der Gemeinnützigen von 3,5 Milliarden Schilling auf 10 Milliarden Schilling gestiegen ist, was einer Verdreifachung gleichkommt. Und was die Bauleistung in diesem Zeitraum betrifft, handelt es sich um eine Steigerung um 75 Prozent.

Nichtsdestotrotz gibt es auch eine Reihe von Forderungen an die Gemeinnützigen. Dazu gehört zum Beispiel ein wesentlich verstärkter Mitteleinsatz im Ankauf von privaten Althäusern, also nicht nur Investitionen im Neubaubereich und für das Bauen auf der grünen Wiese, sondern auch für den Ankauf von alten Zinshäusern und für die Sanierung dieser Häuser, in denen private Hauseigentümer – vor allem in den Problemgebieten in Wien – fürchterliche Mietverhältnisse hinterlassen haben. Gerade diese Aufgabe werden sie in Zukunft haben, sich da mehr zu engagieren.

Grundsätzlich ist zu sagen, daß die Ankurbelung der Wohnbauleistung in den letzten Jahren ein Erfolg in doppelter Hinsicht ist: Einerseits konnten dadurch doch Tausende Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft gesichert werden, andererseits war es gerade für Wohnungssuchende wichtig, das Wohnungsangebot zu erhöhen, und zwar nicht nur das Wohnungsangebot grundsätzlich zu erhöhen, unabhängig von der Mietzinsbildung, sondern das Angebot in einem Segment zu erhöhen, in dem es nur unbefristete Mietverträge gibt, und in einem Segment, in dem klare Mietzinsgrenzen sichergestellt sind.

Wir stehen, was Wohnen betrifft – so wie in vielen anderen Politikbereichen –, für Vielfalt, daher gibt es bereits jetzt öffentliche Mittel auch im Bereich der Förderung von Eigentumswohnungen und Eigenheimen. Ich bin davon überzeugt, daß der Markt auch ein gewisses Angebot an Wohnungseigentum braucht, mir ist es nur wichtig, daß die Rechtsform der Mietwohnung dabei nicht abgewertet wird, weil es sich dabei um eine Rechtsform handelt, die sehr wichtig ist, und weil die Mietwohnung eine sehr berechtigte Wohnform darstellt.

Den gemeinnützigen Mietwohnungssektor ausschließlich durch Eigentum zu ersetzen, wie man das auch diesem Antrag entnehmen kann, ist in vielerlei Hinsicht abzulehnen. Es ist nämlich die Frage zu stellen, ob Mieter Eigentum begründen wollen, ob sich Mieter das auch leisten können. Wir sehen eher den umgekehrten Trend, nämlich daß es immer mehr Bemühungen gibt, auch eigenmittelfreie Mietwohnungen zur Verfügung zu stellen, weil gerade junge Menschen nicht über genügend Kapital verfügen, um gleich in den Kauf einer Wohnung einsteigen zu können.

Noch ein zweites Problem gibt es, was den Bereich von Eigentumswohnungen betrifft. Wir wissen, daß 70 Prozent der Eigentumswohnungen spätestens nach der zweiten Generation bereits wieder vermietet werden. Das bedeutet befristete Mietverhältnisse und Vermietungen ohne Mietzinsobergrenzen. So müssen Wohnungssuchende dann ihr Wohnbedürfnis decken. Das bedeutet auch, daß es einen stark eingeschränkten Kündigungsschutz und einen stark eingeschränkten Preisschutz in diesem Zusammenhang gibt.

Das heißt, ein Zwang – wie das vorgesehen ist – zum Kauf beziehungsweise zum Verkauf einer Wohnung ist abzulehnen.


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Es gibt aber doch eine Reihe von Möglichkeiten, Änderungen im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz durchzuführen. Solche Änderungen müssen aber darauf abgestellt sein, dem eigentlichen Ursprungsgedanken der Genossenschaften, nämlich leistbaren Wohnraum zu schaffen und eine mieterfreundliche Verwaltung zu gewährleisten, wieder stärker Nachdruck zu verleihen. Da gibt es eine sehr wesentliche Forderung, die auch Vorrang haben muß.

Ich komme wieder auf das Beispiel Wien zurück. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen in Wien wurden aufgefordert, die Miete nach der Refinanzierung der Errichtungskosten auf eine Erhaltungsmiete in der Höhe der Kategorie A abzusenken. Diese Verbesserung, die in Wien durchgeführt wurde – dort, wo es freiheitliche Verantwortung in Landesregierungen gibt, ist das keinesfalls erfolgt, sondern ausschließlich in Wien –, sollte aber überall erfolgen. Um diese Verbesserung allen Mietern zukommen zu lassen, ist eine entsprechende Änderung im WGG unbedingt voranzutreiben. Uns geht es darum, nach vollständiger Tilgung von Krediten und Darlehen nur mehr die Kategoriemiete einzuheben.

Darüber hinaus sollten auch Bestrebungen verstärkt werden, die Mitbestimmungsmöglichkeiten für Mieter, für Nutzungsberechtigte zu gewährleisten.

All das sind konkrete Maßnahmen, die tatsächlich im Interesse der Mieter und im Interesse der Wohnungssuchenden wären. Anträge, wie sie uns heute vorliegen, die in Richtung Kaufzwang, in Richtung Enteignung gehen, lehnen wir jedoch ab. Ich persönlich ordne sie unter jene skurrilen freiheitlichen Ideen zum Thema Wohnen ein, die wir hier in den vergangenen Jahren schon allzuoft gesehen haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

17.52

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe das seltene Vergnügen, in einer gemeinsamen Debatte über die Tagesordnungspunkte 6 bis 10, in der ja ganz "verwandte" Themen – von Solaranlagen über Mietzinse bis hin zu Straßenverläufen und anderen politischen Feldern – behandelt werden, zu sprechen. Das alles wird unter dem Motto abgehandelt: Auch die Opposition hat hie und da einen Antrag, die muß man auch irgendwie behandeln, und deshalb werden wir das in einer Sammeldebatte abführen.

Meine Damen und Herren! Ich werde mich nicht mit den Mietzinsen und auch nicht mit den Solaranlagen beschäftigen, sondern werde mich schlicht und ergreifend, bescheiden wie ich bin, nur mit meinem Antrag, den ich eingebracht habe, beschäftigen.

Mein Antrag betrifft die Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146. Kollege Kröll wird jetzt sehr aufmerksam zuhören, Frau Kollegin Buder ebenfalls, sie wird sich dann später sicherlich noch zu Wort melden. Sie und vor allem Kollege Kröll haben sich bestimmt zu Herzen genommen, was heute Herr Abgeordneter Khol hier sehr eindrucksvoll gesagt hat, nämlich: Kein Mensch steht über dem Gesetz, auch nicht der Landeshauptmann der Steiermark, auch nicht der Bautenminister, auch nicht der Umweltminister. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Deshalb werden Sie endlich von der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146, der Ennsnahen Trasse, Abstand nehmen.

Ich bin sehr froh darüber, daß der Herr Klubobmann ... (Abg. Böhacker: Wie heißt der Landeshauptmann der Steiermark?) Damals war es der Herr Krainer, jetzt ist es die Landeshauptfrau Klasnic. Die Landeshauptfrau war damals auch für den Verkehr zuständig. Ich bin froh, daß der Klubobmann der ÖVP heute eine Klarstellung getroffen hat, und ich glaube, daß diese Haltung auch durchgehend bis hinauf zum Abgeordneten Kröll eingenommen wird.

Wir stehen nicht über dem Gesetz, und deshalb wird die Verordnung heute sicher aufgehoben werden, denn sie verstößt eindeutig gegen die Gesetze, weil da überall – etwa bei den Vorgangsweisen mit den wasserrechtlichen Bewilligungen, bei den Baubescheiden – Gesetze mißachtet wurden, weil da eine selbstherrliche Politikerkaste im Filz mit der Bürokratie versucht


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hat, ein Projekt durchzudrücken, das eindeutig gegen Bundes- und Landesgesetze verstößt. Daher bin ich sicher, daß Sie meinem Entschließungsantrag, dem Entschließungsantrag der Grünen, heute zustimmen werden und der Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146 Rechnung tragen werden.

Meine Damen und Herren! Ich nehme nicht an – und ich glaube, auch Sie, Herr Abgeordneter Khol, werden das nicht riskieren wollen –, daß Sie jetzt, nachdem von der Europäischen Union ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden ist, durch das eine Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof droht, eine solche Verurteilung wirklich riskieren wollen. Ihre Bestemmhaltung, Herr Kollege Kröll und Frau Kollegin Buder, bewirkt eine Nullösung! Da hilft auch der legendäre, altstalinistische Satz "Menschenschutz geht vor Vogelschutz" nichts. Das ist die neue, moderne Auslegung der Alt-Baustalinisten-Lobby.

Meine Damen und Herren! Ich habe in der Argumentation viel Unsinn gehört. Aber hier diese zynischen Bemerkungen zu machen, halte ich für besonders unangebracht, zumal Sie mit Ihrer sturen, gesetzesverletzenden Haltung, mit Ihrer sturen Bestemmhaltung in dieser Frage jede Lösung torpedieren. Würden Sie heute der Aufhebung dieser Verordnung zustimmen, meine Damen und Herren, dann wäre endlich das möglich, was der steirische Landtag beschlossen hat, nämlich daß endlich der Bestandsausbau in Angriff genommen werden kann, daß die Alternativvarianten möglichst rasch durchgeführt und realisiert werden können.

Ich halte es für ein zynisches Vorgehen, die Bevölkerung im Ennstal so lange hinzuhalten, obwohl Sie wissen, daß Sie Ihre Lösung nicht mehr durchsetzen können, außer Sie setzen sich über die Maxime Ihres Klubobmannes Khol hinweg und glauben, Sie können selbst das Gesetz spielen, Sie können selbst über die Gesetze hinweg regieren.

Meine Damen und Herren! Ich halte das für eine Vorgangsweise, die eigentlich ungeheuerlich ist. Wenn der Rechnungshofunterausschuß bezüglich Waffenkäufen in den nächsten Wochen erfolgreich zu Ende sein wird – was ich annehme –, wenn dann die ungeheuerlichen Aussagen geklärt sein werden, die in diesem Ausschuß getätigt wurden, Aussagen, die eindeutig wahrheitswidrig waren – in der Steiermark sagt man "Lüge" dazu –, wenn dieser Ausschuß also abgeschlossen sein wird, dann wird es einen Ausschuß geben, der genau diese gesetzwidrigen Vorgänge, die im Bereich des Landeshauptmannes, im Bereich der Landesbürokratie in der Steiermark gemeinsam mit den Bundespolitikern durchgeführt worden sind, untersuchen wird. Das wird hier in diesem Hause untersucht werden. Herr Abgeordneter Kröll wird dann sicherlich in diesem Ausschuß sein, Frau Abgeordnete Buder sicherlich auch. Wir werden dort versuchen, diese unglaublichen Verfehlungen der Bürokratie und der Politik zu untersuchen, und ich hoffe, daß wir im Ennstal endlich zu einer Lösung im Sinne der Bevölkerung kommen.

Herr Minister Bartenstein! Ich weiß nicht, ob Sie den Beschluß des steirischen Landtags kennen. Damals hat man aufgrund der gesetzwidrigen Vorgehensweise eindeutig festgelegt, daß sofort die Alternativvarianten durchgerechnet und geplant werden. Es ist in der Folge aber wenig passiert, weil Sie offensichtlich in dieser Frage eine sture Bestemmhaltung einnehmen und sagen: Wir machen die Ennsnahe Trasse, und dabei fahren wir über jedes Gesetz drüber, über jede Vernunft, über jeden Naturschutz und letztendlich auch über jeden Menschenschutz!

Die Bestandsvarianten wurden durchgerechnet. Der Planer, der zuvor hohes Ansehen genossen hatte, wurde von der Landesregierung "geschnitten". Ihm wurde untersagt, überhaupt noch in den Ortschaften darüber zu diskutieren, wie diese Varianten aussehen sollen. Es gibt darüber bereits sehr konkrete Vorstellungen, sehr konkrete Planungen. Natürlich würde das Zeit beanspruchen. Aber eines geht sicher nicht, Herr Minister: Ich nehme nicht an – das mit dem Kollegen Khol war natürlich ein etwas ironischer Vorspann – ... (Abg. Dr. Khol, sein Gespräch mit Frau Abg. Tichy-Schreder unterbrechend: Erotisch?!) Nein! Das hätte Sie wahrscheinlich von Ihrem Gespräch mit der Frau Tichy-Schreder abgehalten, wenn ich hier einen erotischen Vorspann gemacht hätte. Das war ein ironischer Vorspann!

Herr Kollege Khol! Ich nehme nicht an, daß Ihre Fraktion heute sofort Ihrem guten Ratschlag folgen wird, aber eines hoffe ich doch: daß die Vernunft in dieser Frage siegen wird!


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Herr Minister Bartenstein! Ich ersuche Sie, im Interesse der Bevölkerung und auch im Interesse der Umweltschutzpolitik, im Interesse einer Menschenpolitik, im Interesse einer menschlichen Politik, hier endlich Klarheit zu schaffen und diesen rechtswidrigen Zustand aufzuheben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.01

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir diskutieren in diesem Abschnitt der Tagesordnung auch Fragen des Bautenausschusses, Fragen der Investitionen in der Bauwirtschaft. Ich meine, wir sollten einmal festhalten – und ich möchte das hiemit tun –, daß Investitionen in der Wirtschaft, egal, ob sie im öffentlichen oder im privaten Sektor erfolgen, Investitionen sind, die Strukturverbesserungen und Wettbewerbsvorteile mit sich bringen, die aber auch zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Insbesondere Bauinvestitionen, Investitionen in der Bauwirtschaft, sind meist besonders beschäftigungswirksam. Dabei möchte ich allerdings das Wort "meist" betonen, weil Investitionen tatsächlich nicht immer beschäftigungswirksam sind.

Immer mehr Arbeitgeber sind in den letzten Wochen zu den Gewerkschaften, zu Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion gekommen und haben ihr Leid geklagt. Sie haben uns gegenüber festgestellt, daß sie bei Auftragsvergaben vielfach benachteiligt werden, da Billigstbieter oft mit illegalem ausländischen Personal kalkulieren und dann auch die Aufträge entsprechend abwickeln.

Sie haben sich darüber beklagt – ich betone nochmals: bei den Gewerkschaften und bei den sozialdemokratischen Abgeordneten –, daß sie, was diese Benachteiligung anlangt, von der Wirtschaftskammer keine Hilfe erwarten können und bisher auch keine bekommen haben. Es tut mir leid, daß Herr Abgeordneter Maderthaner und Herr Abgeordneter Stummvoll im Moment nicht im Saal sind, aber ich bitte Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, das weiterzuleiten.

Ich wiederhole: Arbeitgeber – ich betone: nicht einer, nicht zwei, sondern mehrere Gruppen von Arbeitgebern – sind in den letzten Wochen zu uns gekommen und haben gesagt: Helft wenigstens Ihr uns von seiten der Gewerkschaft, von seiten der sozialdemokratischen Einflußmöglichkeiten, damit wir in der Wirtschaft nicht benachteiligt werden!

Wie läuft diese Benachteiligung in der Praxis ab? – Es gibt Ausschreibungen, öffentlich oder privat, Billigstangebote werden abgegeben und vielfach auch mit Freude vom öffentlichen oder privaten Auftraggeber zur Kenntnis genommen und mit der Vergabe belohnt. Der Billigstbieter ist aber oft gar nicht in der Lage, die Leistung selbst zu erbringen, er ist nicht in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen, vor allem nicht zu dem Preis, den er angeboten hat. Daher bedient er sich vielfach Subfirmen, diese bedienen sich oft wiederum weiterer Subfirmen, und diese Firmen sind dann meist jene, die versuchen, ausländische Arbeitskräfte nur zur Abwicklung dieses Auftrages zu rekrutieren und legal oder illegal nach Österreich hereinzubekommen.

Damit kommen sie kostengünstig über die Runden und damit können sie den Auftrag erfüllen. In Wahrheit schadet man damit aber den in Österreich befindlichen seriösen, ordentlichen Unternehmern. Ich betone: das sind nicht meine Argumente als sozialdemokratischer Abgeordneter, das sind nicht meine Argumente, wie wir sie etwa von Betriebsräten hören, sondern das sind die Argumente, die wir von den Arbeitgebern immer wieder hören! (Abg. Tichy-Schreder: Das ist richtig! Ich kenne diese Argumente!)

Es wird versucht, mit Entsendebewilligungen zu jonglieren, es wird versucht, die Leute legal hereinzubekommen, aber wenn das nicht gelingt, dann sind die Arbeitskräfte halt illegal da – so geschehen beispielsweise erst vor kurzem auf einer großen Baustelle im Burgenland. Man konnte in den Medien darüber lesen. Kontrollen des Arbeitsinspektorates haben diese Mißstände aufgezeigt.


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Das Ergebnis einer solchen Praxis ist: Österreichische Wertschöpfung geht verloren, die Wertschöpfung geht woanders hin und seriöse Arbeitgeber mit korrekt beschäftigten Arbeitnehmern sind letztendlich die Dummen. Ich halte es für unzumutbar, bei diesen Praktiken weiterhin nur zuzusehen! Wir können es uns auch nicht leisten.

Die Betriebs- und Baustellenkontrollen der Arbeitsinspektorate zeigten im Jahr 1996 folgendes Bild: In 2 267 Betrieben wurden Verstöße nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz festgestellt. Das sind gegenüber dem Vorjahr um 11,5 Prozent mehr Verstöße. Das ist die Zahl für ganz Österreich.

Sieht man sich die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern an, so fällt auf, daß große regionale Unterschiede bei der Anzahl dieser Verstöße bemerkbar sind. So ist beispielsweise die Zahl der Betriebe, die das Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht eingehalten haben, in Kärnten von 1995 auf 1996 um 50 Prozent gestiegen. – Dabei wurde übrigens das Autohaus Grasser, der Familienbetrieb des freiheitlichen Abgeordneten aus Kärnten, nicht mitgezählt, weil dieser Fall ja schon länger zurückliegt und nicht erst 1995 passierte. (Beifall des Abg. Dr. Nowotny. )

Sehr verehrte Damen und Herren! 2 267 Betriebe mit insgesamt festgestellten 4 083 illegal beschäftigten Ausländern ist das Ergebnis der sehr effizienten Kontrollen des Zentralarbeitsinspektorates und aller Arbeitsinspektoren. Wenn wir das auf die Branche hochrechnen, dann müssen wir feststellen, daß in 16 von 100 Betrieben, die kontrolliert worden sind, Schwarzarbeiter beschäftigt werden. Das ist, wie ich meine, eine Größenordnung, bei der man nicht mehr zur Tagesordnung übergehen kann, und zwar deshalb, weil die Betroffenen ausgebeutet werden und weil die Gesellschaft – egal, ob Staat, Sozialversicherung oder Wirtschaft – geschädigt wird. Einzelne profitieren dabei auf Kosten seriöser Betriebe.

Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung ist daher meiner Auffassung nach kein Thema einer einzigen Partei, darf nicht das Thema nur einer Partei oder Gruppierung sein. Die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, vor allem dann, wenn sie organisiert erfolgt, wie das in vielen Fällen geschieht, sollten wir alle gemeinsam ernst und konsequent verstärken. – Ich lade Sie alle dazu herzlich ein. (Beifall bei der SPÖ.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

18.08

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! (Der Redner blickt auf die größtenteils leeren Sitzreihen.) Meine noch im Saale verbliebenen geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich mit dem Antrag des Kollegen Schöll, der die Zusammenlegung der diversen Bundesgebäudeverwaltungseinheiten und den Weg dazu zum Gegenstand hat, beschäftigen. Ich bin einer Meinung mit Herrn Abgeordneten Barmüller, daß man sich in Zukunft nicht auf organisatorische Privatisierungen oder sogenannte Organisationsprivatisierungen beschränken darf, die zwar dem Parlament die Kontrolle entziehen, aber den politischen Einfluß der Regierungsparteien auf diese Einheiten nicht verringern.

Das Ziel dieses Antrages sind doch Kosteneinsparungen, und damit die Einsparung von Steuerschillingen. Gerade im Lichte der kommenden Budgetverhandlungen wäre es notwendig, jede – aber auch wirklich jede – Einsparungsmöglichkeit zu nützen! Der Antrag des Kollegen Schöll wäre eine ausgezeichnete Möglichkeit dazu, meine Damen und Herren. Aber wir sind es ja gewöhnt, daß Sie unsere Vorschläge solange ablehnen, bis sie, von den Sachzwängen gezwungen, deren Richtigkeit erkennen und veranlaßt werden, unsere Vorschläge letztlich dann doch umzusetzen. Wenn Sie beim Einsparen so viel Phantasie wie beim Erfinden von Belastungen an den Tag legen würden, dann bräuchten wir das nächste Sparpaket, das im Zuge der Budgetverhandlungen zutage treten wird, sicherlich nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Vorschlag zur Diskussion: Warum sollte der Nutzer eines bestimmten Gebäudes eigentlich nicht selbst die Verwaltung dieses Gebäudes übernehmen? – Ein Beispiel dazu:

In einer Anfragebeantwortung, die uns zugegangen ist, haben wir als Antwort auf die Frage, wie viele Mitarbeiter der Bundesgebäudeverwaltung für die Verwaltung der militärischen Bauten zuständig seien, folgende horrende Zahl erfahren: 1 503 Mitarbeiter der Bundesgebäudeverwaltung sind für die Verwaltung und bautechnische Betreuung der Liegenschaften des Bundesheeres zuständig. Wir haben derzeit in Österreich insgesamt etwa 35 000 Soldaten. Wenn man das hochrechnet, dann sieht man, daß faktisch ein Mitarbeiter der Bundesgebäudeverwaltung die Unterkünfte und Liegenschaften für 23 Soldaten verwaltet. Ich halte es für völlig unerklärlich, warum nicht das Bundesheer selbst die Kapazitäten und die Möglichkeiten haben soll, die von ihm genützten Gebäude zu verwalten.

Diese Beispiele könnte man beliebig fortsetzen. Sie schmettern aber die Vorschläge der Opposition ab und kündigen statt dessen die Beiziehung externer Experten zur Untersuchung von Rationalisierungsmaßnahmen an. Dagegen wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn die Ergebnisse derartiger Untersuchungen auch umgesetzt würden. Aber wie wir ja wissen, verschwinden meistens diese teuren Studien, die da erstellt werden – in diesem Zusammenhang wahrscheinlich auf Druck der BGV-Bediensteten –, in den Schubladen.

Wenn Sie auch heute diesen Antrag ablehnen werden, so werden Sie doch langfristig um eine vollständige Privatisierung der Bundesgebäudeverwaltung nicht herumkommen.

Zum Schluß – als ein in der Nähe angesiedelter Abgeordneter – zur Ennsnahen Trasse: Die verkehrspolitischen Schwerpunkte haben sich verschoben. Ich glaube, daß endlich, da Hunderte Tote anklagen und Millionenschäden zu verzeichnen sind, in diesem Bereich etwas getan werden muß. Fördern Sie so rasch wie möglich den bestandsnahen Ausbau! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.12

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich darf mich in aller Kürze mit dem Antrag 22/A (E) beschäftigen. Ich glaube, daß wir alle hier im Saal der Meinung sind, daß die Gewinnung und Nutzbarmachung von Sonnenenergie ausgebaut und gefördert werden soll. Die Frage ist nur, wie das am besten zu geschehen hat.

Ich glaube, es ist nicht ganz fair, wenn wir so tun, als ob in diesem Bereich in Österreich gar nichts geschehen würde. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, daß sich die bisherigen Ergebnisse der Solarenergieförderung in Österreich sehen lassen können.

In seinem Jahresbericht 1995 über Stand und Entwicklung der Solartechnik in Österreich kann Professor Faninger vom Forschungszentrum Seibersdorf die positive Absatzentwicklung der Solartechnik mit aufschlußreichen Zahlen untermauern. Sowohl die Anzahl der Firmen als auch deren Produktionsvolumen haben sich 1995 im Vergleich zum Jahr davor verdoppelt. Die Zahl der installierten Kollektorfläche ist im selben Zeitraum um 24 Prozent gestiegen. Etwa 80 Prozent davon werden im Bereich der Warmwasseraufbereitung und Raumzusatzheizung, der Rest im Bereich der Schwimmbädererwärmung eingesetzt.

Der Gesamtstand in Österreich hat im Dezember 1995 bereits etwa 1,3 Millionen Quadratmeter Kollektorflächen erreicht. Die von thermischen Solaranlagen erzeugte Wärme entspricht einem Heizöläquivalent von etwa 114 000 Tonnen im Jahr. Damit werden rund 356 000 Tonnen Kohlendioxydemissionen verhindert. Österreich zählt damit, gemessen an der Fläche pro Kopf, zu den weltweit bestausgestatteten Ländern, wie im Energiebericht 1996 nachzulesen ist.


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Der Einsatz von Solaranlagen im Gewerbe und in Industriebetrieben wird über die Österreichische Kommunalkredit gefördert. 1996 wurden rund 1,8 Prozent der gesamten Umweltförderung für Solaranlagen aufgewendet. Erfreulich ist, daß diese bereits seit dem Jahr 1990 laufende Förderaktion auf unbestimmte Zeit verlängert wurde.

Die in Österreich jährlich installierte Kollektorfläche betrug im Jahr 1985 rund 33 000 Quadratmeter. Zehn Jahre später hat sich diese Zahl fast versiebenfacht.

Die Preise für die Sonnenenergieanlagen und deren Zubehör sinken permanent. 1996 waren Kollektoren zur Heizung und Warmwasseraufbereitung um 25 Prozent günstiger als ein Jahr davor. Die Preise für Photovoltaik-Kollektoren sanken um etwa 50 Prozent. Es ist eine deutliche Bewegung des Marktes zu erkennen.

Als ein Beispiel dafür, daß der Staat mit gutem Beispiel vorangeht, möchte ich an die Energiesparoffensive erinnern, die an den heimischen Universitäten gestartet wurde. Über 400 Millionen Schilling werden jedes Jahr an den 18 Hochschulen für Energie ausgegeben. Das auf Anregung des damaligen Wissenschaftsministers Scholten ins Leben gerufene Projekt "Energieeffiziente Universitäten" soll nun helfen, den Verbrauch effizienter zu gestalten und damit die Kosten zu senken. Ziel der Initiative, die an allen heimischen Universitäten und Hochschulen durchgeführt wird und unter der Patronanz des Wissenschaftsministeriums, der Rektorenkonferenz und der Österreichischen Hochschülerschaft steht, ist es, das an den Universitäten vorhandene Know-how und Potential für die Steigerung der Energieeffizienz zu nutzen.

Wichtig ist es, wie ich glaube, daß die Ergebnisse des Projektes nicht nur auf die Universitäten beschränkt bleiben. Zwei Ziele wollen wir erreichen: zum einen Energieeinsparung und zum anderen mehr Beschäftigung. Grundsätzlich begrüße ich die Absichten und Ziele, die im Antrag des Abgeordneten Barmüller und dessen Kollegen formuliert sind. Nur die vorgeschlagene Umsetzung mittels eines starren rechtlichen Korsetts erscheint mir nicht sehr sinnvoll, weil ich glaube, daß nicht jedes Objekt energietechnisch gleich zu bewerten ist. Ich meine aber schon, daß der Bund eine Vorbildrolle in dieser Frage übernehmen sollte.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun ein Großprojekt, das beachtliche gesamtwirtschaftliche Auswirkungen hat und auch größere Energieeinsparungseffekte erzielen kann, kurz beschreiben, nämlich die systematische und umfassende thermische Gebäudesanierung.

In diesem Bereich der thermischen Gebäudesanierung ergäbe sich für Österreich über fünf Jahre ein jährliches Investitionsvolumen von 36 Milliarden Schilling. Die Folgen wären rund 40 000 Beschäftigte zusätzlich, Steuereinnahmen von 15 Milliarden Schilling, ein verminderter Aufwand für Arbeitslose von 9 Milliarden Schilling sowie im Endausbau eine Entlastung unserer Energieimporte um 15 bis 20 Milliarden Schilling. Diese Ergebnisse basieren auf einer Studie der Technischen Universität Wien aus dem Jahr 1994.

Im Gegensatz zur herkömmlichen Wirtschaftsförderung bedarf das Projekt "Thermische Gebäudesanierung" weniger öffentlicher Finanzmittel als vielmehr einer konzentrierten Aktion von Bund, Ländern, Gemeinden, Gebäudeeigentümern, Bauwirtschaft und Kreditapparat.

Als erster Schritt müßte eine entsprechende Koordinationsstelle zur Vorbereitung des Projektes eingerichtet werden. In dieses Gesamtpaket könnte und müßte dann natürlich auch die Solartechnik integriert werden. Auch die Solarenergie selbst wollen wir nicht isoliert, sondern zusammen mit den anderen Formen der regenerativen Energien betrachten, nämlich mit Wasserkraft, Biomasse, Biogas, Windenergie und Abfallverbrennung. So gesehen ist unsere Situation in Österreich nicht schlecht.

In Österreich stammen 22 Prozent der Energieerzeugung und etwa 80 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern. Österreich ist damit weit an der Spitze aller europäischen Länder, in denen der Durchschnitt bei der Energieerzeugung aus erneuerbarer Energie bei zirka 3 Prozent liegt. Wir haben deshalb auch im internationalen Vergleich eine niedrige CO2-Emission pro Kopf der Bevölkerung, wenn wir von Ländern mit hoher Atomstromproduktion wie Frankreich oder von Ländern mit hoher Stromimportquote wie Italien absehen.


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Diese hervorragende Position muß Österreich absichern und weiter ausbauen. Dazu ist es aber notwendig, ein umfassendes Gesamtpaket zu schnüren. Auf isolierte Einzelmaßnahmen, die zweifellos mehr Kosten verursachen als sie an Nutzen bringen, wollen und können wir uns nicht einlassen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

18.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Debattenbeitrag wird sich mit dem Entschließungsantrag betreffend Solaranlagen für öffentliche Bauten beschäftigen.

Die Solarenergie ist sicherlich ein nicht unwesentlicher Sektor des Kreises der erneuerbaren Energieträger. Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann Ihnen versichern, daß wir Freiheitlichen für den Einsatz dieser Energieträger sind, und wir treten, wie ich meine, für alle sinnvollen Maßnahmen ein, die eine Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energie am Gesamtenergieaufkommen bewirken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dies erfolgt aus vielerlei Gründen. Ich führe nur einige an: das Toronto-Ziel, oft hier in diesem Hause genannt, die CO2-Problematik, die Reduktion der Auslandsabhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen, das Unbehagen, das so manche von uns bei Einkäufen von im Ausland produzierter elektrischer Energie aus Kernkraftwerken empfinden, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Bau und den Einsatz von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag hat zum Inhalt, daß 1 Prozent der Baukosten für den Bau von Solaranlagen verwendet werden soll. Es ist dies ein Entschließungsantrag, der im wesentlichen eine Vorbildwirkung im Bereich der Nutzung der Sonnenenergie erzeugen soll. Welche Bereiche dieser öffentlichen Bauten sind in diesem Antrag gemeint? – Zumindest ich lese heraus: kurz gesagt, alle. Das heißt, der Hochbau gleichermaßen wie der Tiefbau. Ich frage mich, ob es Sinn macht, wenn Sie ein Straßenstück bauen, eine Solaranlage in der Größenordnung von 1 Prozent der Bausumme zu errichten. Ich glaube, daß dies nicht der Fall ist.

Oder: Es ist davon betroffen der Neu-, der Um- und auch der Zubau. Nehmen Sie kleine Investitionssummen an, nehmen Sie eine Bausumme von 3 Millionen Schilling an, dann bedeutet das, Sie errichten – wenn dieser Entschließungsantrag umgesetzt werden soll – eine Solaranlage um 30 000 S.

Zu den öffentlichen geförderten Bauten, die ebenfalls von diesem Entschließungsantrag betroffen sind: Ich lasse Sie zum Beispiel eine Asphaltstockbahn errichten, und hiefür bauen wir in der Größenordnung von 1 Prozent der Baukosten eine Solaranlage. – Ich denke, dies kann es wohl nicht sein!

Es ist in dem Antrag auch kein mögliches Mitziehen dieser nicht dem Objekt zuzuordnenden Investitionen für Solaranlagen enthalten.

Wir Freiheitlichen vertreten den Standpunkt, daß der Entschließungsantrag in sich nicht schlüssig ist, daß er nicht vernünftig umsetzbar ist, Steuermittel kostet und wahrscheinlich die – davon gehe ich aus – gut gemeinte, diesem Antrag zugrunde liegende Zielsetzung nicht erreicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich noch kurz auf die Ausführungen des Kollegen Kopf eingehe, der den Ansatz beziehungsweise den Grundgedanken – so hat er es formuliert – dieses Entschließungsantrags durchaus positiv gesehen hat. Aber – und dann kam das Aber – er meinte, er könne sich nicht vorstellen, daß bei einem öffentlichen Bau eine Bindung in Höhe von 1 Prozent der Bausumme erfolgen soll. Er fragte: Wohin würde das führen, würde man mehrere derartige Dinge hintereinander stoppeln?


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Ich habe den Eindruck – und Herr Kollege Kopf hat dabei auch geschmunzelt –, daß seitens der Regierungspartei ÖVP und auch seitens des größeren Koalitionspartners, der SPÖ, möglicherweise nur vorgegeben wird, sich für den Bereich der erneuerbaren Energie besonders stark zu engagieren. Sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und SPÖ! Demnächst werden Sie Gelegenheit haben, die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen unter Beweis zu stellen, nämlich dann, wenn das neue Energieorganisationsgesetz auf den Tisch kommt und wir darüber debattieren. Dann haben Sie die Chance, diese festgefahrene und, wie ich meine, für Österreich, für seine Bürger, für die Wirtschaft, für die Industrie nicht sehr sinnvolle Struktur wesentlich und nachhaltig zu ändern. Gleichzeitig haben Sie, da Sie die Regelung der Einspeisevergütung mit dem Energieorganisationsgesetz, wie angekündigt, mit behandeln wollen, die Gelegenheit, auch den erneuerbaren Energieträgern eine entsprechende Marktchance einzuräumen.

Ich befürchte – und diese Befürchtungen sind begründet –, daß Sie nur das Mindestmaß dessen erfüllen werden, was aufgrund der geforderten Liberalisierung durch den Beitritt zur Europäischen Union vorgegeben ist, daß wieder keine echte Privatisierung der E-Wirtschaft erfolgen wird, daß damit keine tatsächliche Liberalisierung, kein sinnvoller und dem Wirtschaftsstandort Österreich Nutzen bringender Wettbewerb, keine Entmonopolisierung stattfinden kann, sondern Sie werden leider Gottes tunlichst an diesen, wie ich meine, alten und überholten Strukturen festhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Falls Sie mich beziehungsweise uns Freiheitliche eines Besseren belehren wollen, dann wird mir das natürlich Freude bereiten. Wir Freiheitlichen haben auf jeden Fall ein Papier vorgelegt, eine Studie, die sich ernsthaft mit der Neuorganisation der E-Wirtschaft auseinandersetzt, die eine vernünftige Lösungsmöglichkeit betreffend Neuorganisation aufzeigt, die es wert wäre, auch umgesetzt zu werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dem vorliegenden Entschließungsantrag werden wir Freiheitlichen aus den vorhin von mir angeführten Gründen nicht unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Müller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.28

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Antrag Barmüller betreffend Solaranlagen für öffentliche Bauten und trete grundsätzlich natürlich auch für einen verstärkten Ausbau von Anlagen zur Gewinnung von Sonnenenergie und anderer erneuerbarer Energiequellen ein, aber nur in jenen Bereichen, wo dies nachweislich auch sinnvoll ist. Wenn man etwa das Beispiel der Schulen hernimmt, so erscheint die Installierung von Solarenergieanlagen nur begrenzt logisch, da diese Warmwasseraufbereitung bekannterweise ihren höchsten Wirkungsgrad im Sommer hat, wenn bedingt durch die Ferien kein Warmwasser benötigt wird. (Abg. Mag. Schweitzer: Glauben Sie, daß Sportanlagen in den Ferien nicht genutzt werden?)

Ich konstatiere selbstverständlich, daß bei einer Kombination von Heizungssystemen mit Solarenergie vor allem in den Übergangszeiten Einsparungen erzielt werden könnten. Jedenfalls müßten im Einzelfall Rentabilitätsberechnungen angestellt werden, die Aufschluß darüber geben, ob Solaranlagen wirtschaftlich gesehen Sinn machen oder nicht.

Es bringt meines Erachtens überhaupt nichts, wenn man zwar auf dem Dach riesige Kollektorenflächen anbringt, das Gebäude aber über keine Wärmeschutzfassade und noch weniger über eine ausreichende Wärmedämmung verfügt. Da müssen wir Prioritäten setzen. Vor allem bei älteren Gebäuden ist es notwendig, sich zuallererst mit der thermischen Gebäudesanierung auseinanderzusetzen, bevor um viel Geld, das schließlich der Steuerzahler aufzubringen hat, teure und möglicherweise nicht ausnützbare Solaranlagen installiert werden. Natürlich bin ich der Meinung, daß bei Neubauten, bei denen die Nutzung solarer Energie Vorteile bringt, diese auch entsprechend eingesetzt werden soll.


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70. Sitzung / Seite 141

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ebenso ist es unser Ziel, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, doch müssen wir unter den uns zur Verfügung stehenden Mitteln jene nutzen, die mit geringstem finanziellen Aufwand den größtmöglichen positiven Effekt erreichen. In Zeiten der Budgetkonsolidierung sind wir als verantwortliche Politiker sogar dazu verpflichtet!

Ich bin der Meinung, daß uns im Bereich der Heizung viele Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Laut Nationalem Umweltplan muß der Gebäudesanierung grundsätzlich Vorrang gegenüber einer Verbesserung des Heizsystems eingeräumt werden. Durch Investitionen in diesem Bereich wird nicht nur der CO2-Ausstoß minimiert, sondern gleichzeitig auch der Energiebedarf bedeutend gesenkt. Wir schaffen damit Arbeitsplätze, denn eine Milliarde Schilling für die Althaussanierung sichert 1 400 Arbeitsplätze. Wie schon erwähnt: Wir müssen Prioritäten setzen.

Hohes Haus! Ich trete dafür ein, daß der thermischen Gebäudesanierung – und dies nicht nur bei öffentlichen Gebäuden – Vorrang eingeräumt wird, weil dies sowohl umwelt- und energiepolitisch als auch wirtschaftlich sinnvoll erscheint.

Ing. Mathias Reichhold hat in seiner Wortmeldung von uns Kärntner Abgeordneten die Unterstützung für seinen Antrag 77/A, Arbeitsprogramm für die Bauwirtschaft, eingefordert. Er hat dabei aber übersehen, daß dieser Antrag eigentlich schon längst überholt ist. Denn hier steht: "Unter Berücksichtigung des oben dargestellten Sachverhaltes wäre die Vorziehung arbeitskräfteintensiver und infrastrukturell notwendiger Bauprojekte wie das Sicherheitszentrum Klagenfurt eine wesentliche und zielführende arbeitsmarktpolitische Maßnahme mit positiven Auswirkungen auf die österreichische Bauwirtschaft." Da stimme ich selbstverständlich zu. Aber es dürfte Ing. Reichhold entgangen sein, daß sich das Sicherheitszentrum Klagenfurt schon lange im Bau befindet. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Buder. – Bitte.

18.32

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ergreife ich zum Tagesordnungspunkt 10 das Wort, zum Entschließungsantrag 137/A (E) vom 14. März 1996. Darüber wurde in diesem Hause schon mehrfach debattiert. Es gab Fristsetzungsanträge am 23. Mai 1996 und am 2. Oktober 1996. Es wurde darüber auch im Bautenausschuß am 15. Oktober 1996 beraten, und die Behandlung wurde am 21. November 1996 abgeschlossen.

Vieles wurde gesagt: aus der Sicht der anderen und aus unserer Sicht, nämlich aus der Sicht der Betroffenen. Ich möchte nur eines wiederholen: Es ist nicht so, wie es im Entschließungsantrag heißt, daß diese verordnete Trasse in der Bevölkerung im höchsten Maße umstritten wäre, denn es sind ja 72 Prozent der Bevölkerung für diese verordnete Trasse eingetreten und haben dafür gestimmt. Die Steiermärkische Landesregierung hat geprüft, ob es eine Möglichkeit gibt, eine Straße, die den Erfordernissen genügt, auf einer andere Trasse als der geplanten zu bauen. Die Prüfung ist negativ verlaufen, daher hat die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung erklärt, daß sie den Neubau für unerläßlich hält.

Wir im Ennstal vertrauen auf diese Aussagen, denn die B 146, die Ennstalstraße, ist eine wichtige innerösterreichische Verbindung. Wir werden alle Behördenverfahren abwarten, und wir rechnen damit, daß sie positiv ausgehen. Das Projekt ist für uns sehr wichtig, denn wir wollen nicht wirtschaftlich ausgehungert werden. Wir brauchen Betriebe, die sich in unserem Bezirk ansiedeln. Aber mit Straßenverbindungen, die ihnen nicht genügen, wird das nicht geschehen.

Wir wollen auch nicht, daß die Menschen durch die schlechten Verkehrsverbindungen benachteiligt werden, daß sie aus unserem Bezirk abwandern, weil sie keine Möglichkeit haben, dort Arbeit zu finden.


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Wir wollen natürlich auch nicht, daß unser Tourismus stagniert. Es wäre ja kein Wunder, wenn die Touristen nicht mehr kämen, wenn sie damit rechnen müssen, stundenlang im Stau zu stecken.

Die Unfallstatistik zeigt ja auch, wenn man die Jahre 1981 bis 1995 vergleicht, daß vieles passiert ist. In den letzten Jahren ereigneten sich trotz der 70-Stundenkilometer-Beschränkung insgesamt 620 Unfälle, und insgesamt waren 62 Tote zu beklagen. Das sind 4,2 Tote pro Jahr auf dem 15 Kilometer langen Straßenstück, das ist fünfmal so viel wie der Durchschnitt auf Österreichs Bundesstraßen. Wenn man bedenkt, daß 15 000 bis 30 000 Kraftfahrzeuge dieses Teilstück der B 146 befahren, dann erkennt man, wie dringend notwendig eine Lösung ist.

Diese Lösung soll, wie es auch schon von seiten der Kollegen Wabl und Schöggl angeklungen ist, im Sinne der Bevölkerung sein. Es soll natürlich auch möglichst bald soweit sein. Wir wollen nicht wieder 26 Jahre und noch länger warten! Auch mit anderen Verkehrslösungen wäre es nicht getan. Die Bevölkerung des Ennstales wartet auf diesen Bau schon viel zu lange. Ich glaube, die Lösungen müssen jetzt gesucht und gefunden werden und nicht nach der Jahrtausendwende.

Wir müssen uns natürlich damit abfinden, daß alle Verfahren ordnungsgemäß abgewickelt werden müssen. Zu einer Nullösung – das wäre das Allerschlimmste – darf es natürlich nicht kommen. Und uns eine Bestemmhaltung vorzuwerfen, Kollege Wabl, ist auch falsch, denn ich habe sehr wohl oft auch mit Gegnern dieser Trasse gesprochen, und diese haben gesagt: Wenn die Abstimmung so und so ausgeht, dann werden wir uns dem fügen. – Sie haben sich bisher keinem Abstimmungsergebnis gefügt. Sie meinen immer, Sie seien im Recht.

Natürlich wissen wir ganz genau, daß die Behördenverfahren und die Detailplanung für eine andere Variante unter Umständen bis zum Jahre 2010 laufen würden. Das ist eine viel zu lange Zeit. Wir brauchen diese Straße jetzt, wir brauchen sie bald! Ich hoffe natürlich, daß die Bescheide alle positiv erledigt werden. Ich vertraue auf die Zusagen, und ich bin auch überzeugt, daß Landesrat Hirschmann die naturschutzrechtlichen Verfahren so abwickelt, wie wir sie uns wünschen. Daher stimmt meine Fraktion diesem Bericht des Bautenausschusses zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. – Bitte.

18.38

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ein Thema unserer jetzigen Debatte ist auch die Beschäftigung am Bau, und das steht in einem sehr engen Zusammenhang mit der letzten Ausschußsitzung. Wir haben in der letzten Sitzung des Bautenausschusses im Rahmen einer offenen Aussprache auch über das Thema LKW-Maut und Maut überhaupt gesprochen.

Um die Beschäftigung am Bau anzukurbeln, ist auf der einen Seite eine ständige Koordination der Bauvorhaben notwendig, aber nicht nur das. Das wichtigste ist ganz sicherlich, daß das Gesamtvolumen der Bautätigkeit erhöht wird.

Wir wissen, daß zumindest drei Viertel des gesamten Bauvolumens in Österreich von der öffentlichen Hand stammen und daß davon wiederum ein ganz wichtiger Brocken der Straßenbau ist. Wir wissen aber auch, daß wir gerade diese öffentlichen Bauten in Zeiten der Budgetknappheit schwer finanzieren können. Daher ist es auch notwendig, sich nach neuen Finanzierungsmustern umzuschauen. Eines der wesentlichen Finanzierungsmuster für einen verstärkten öffentlichen Straßenbau – insbesondere Autobahnbau – ist natürlich die LKW-Maut. Daher haben wir nicht ohne Grund beschlossen, die LKW-Maut ab 1998 einzuführen.

Die LKW-Maut ist natürlich nicht nur wegen des Bauvolumens und wegen der Beschäftigung am Bau notwendig, sondern es gibt viele andere gute Gründe, die dafür sprechen: zum Beispiel verkehrspolitische Gründe, etwa die Bestrebung, den Güterverkehr von der Straße auf die


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Schiene zu bringen, oder verteilungspolitische Gründe, weil derzeit der PKW den LKW in hohem Maß finanziert. (Abg. Dr. Lukesch: Das stimmt nicht! Beide decken nicht die Wegekosten!)

Das stimmt sehr wohl. Sie wissen genau, daß der Schaden an der Straße mit der vierfachen Potenz vom Gewicht abhängt. Daher ist der Schaden, den der LKW verursacht, in einer ganz anderen Dimension zu sehen als der, den der PKW verursacht. Da ist ein relativ untermauertes und gesichertes Wissen.

Aber ich nehme wahr – durch Ihren Zwischenruf, teilweise auch durch die Art der Wortmeldungen im Bautenausschuß –, daß es mehr und mehr eine Absetzbewegung von der LKW-Maut gibt, und diese Absetzbewegung wollen wir nicht. Wir wollen die LKW-Maut so, wie sie hier beschlossen worden ist, rechtzeitig verwirklichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Absetzbewegung hat in Wirklichkeit zwei Gesichter. Da gibt es auf der einen Seite das Argument der Verknüpfung mit der PKW-Maut, so nach dem Motto, eine möglichst große, möglichst breite Abwehrfront zu schaffen, und dann wird man schon genügend Gegner der LKW-Maut haben. Ich sage dazu: Es ist auch im Gesetz vorgesehen, daß die LKW-Maut der erste Schritt ist. Der zweite Schritt soll Jahre danach erfolgen, über den brauchen wir jetzt noch nicht zu diskutieren, und es kann auch eine LKW-Maut ohne PKW-Maut geben.

Die zweite Seite der Absetzbewegung ist folgende: Es wird mehr und mehr argumentiert, daß die zeitgerechte Einführung der LKW-Maut überhaupt nicht möglich ist. Das war auch Gegenstand dieser offenen Aussprache im Ausschuß. Der Generaldirektor der Alpenstraßen AG, Ing. Peter Unterholzer, ist in seinem Bericht letzten Endes zu dem Schluß gekommen, daß er sich gegenwärtig nicht vorstellen kann, ein geschlossenes, vollelektronisches Mautsystem bis 1998, also rechtzeitig, zu realisieren. (Abg. Dr. Lukesch: Wie war das bei den Ökopunkten?)

Pressemeldungen nach dieser Sitzung des Bautenausschusses haben den Eindruck vermittelt, daß das eine allgemein akzeptierte Haltung im Bautenausschuß war, aber, Hohes Haus, so war es nicht! Das war keine allgemein akzeptierte Haltung im Bautenausschuß, weil einige Redner, insbesondere die der sozialdemokratischen Fraktion, auch Argumente dagegen ins Treffen geführt haben – ich glaube, auch Kollege Anschober.

Der wesentliche Punkt ist doch der, daß man, wenn man sich einer bestimmten Expertengruppe bedient, die in letzter Zeit keinen besonders rühmlichen Namen erworben hat – die Alpenstraßen AG war auch mit der Einführung der Vignette beauftragt, und das war wahrlich kein Ruhmesblatt –, auch andere Experten anhören muß. Es gibt eine Aussage des Fachverbandes der Elektroindustrie, die klipp und klar sagt, daß die rechtzeitige Einführung dieser LKW-Maut auch elektronisch möglich wäre. Das ist sehr wichtig, weil es eben ... (Abg. Dr. Schwimmer: Die haben besondere Interessen!) Natürlich haben sie besondere Interessen, aber offensichtlich haben diejenigen, die dagegen sind, auch besondere Interessen, nämlich die Interessen der Transportwirtschaft. (Abg. Dr. Lukesch: Aber die Haftung für die Einnahmen haben sie abgelehnt!) Und daher hat der Fachverband der Elektroindustrie auch moniert, daß er mehr eingebunden sein will in die Vorbereitung der LKW-Maut. Man wird also die Expertengruppen wahrscheinlich erweitern müssen, um zu einem wirklich vernünftigen System zu kommen.

Ein weiterer Punkt, Hohes Haus, Herr Abgeordneter Schwimmer, ist folgender: (Abg. Dr. Schwimmer: Fragen Sie die, die eingebunden werden, ob sie auch dafür haften, daß es funktioniert!) Nur die Alpenstraßen AG damit zu beauftragen, scheint mir wenig zu sein, weil sich ebendiese Alpenstraßen AG kein Ruhmesblatt bei der Einführung der Vignette verdient hat. (Abg. Dr. Schwimmer: Das war nicht meine Frage!) Ich glaube, das ist im wesentlichen die Antwort darauf. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Schwimmer: Nicht applaudieren! Sie sollen meine Frage beantworten!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schwimmer, ich sehe schon, Sie wollen von dem gemeinsamen Entschluß möglichst abrücken. Ich nehme das wahr, und ich kann nur noch einmal sagen: Wir wollen das nicht. Wir wollen die rechtzeitige Einführung dieser LKW-Maut.


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Ich komme daher zum nächsten und mir ganz wesentlichen Punkt. Ein wichtiges Argument in dieser Aussprache im Ausschuß war auch, daß die Experten, insbesondere Generaldirektor Unterholzer, gemeint haben, daß im Sinne des § 2 des bestehenden Gesetzes die rechtzeitige Einführung nicht möglich ist. Warum nicht? – Weil im § 2 des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes die Auflage enthalten ist, daß diese Maut 1998 eingeführt werden soll, aber nur – das ist der eine Punkt – sofern Möglichkeiten für elektronische Einrichtungen vorhanden sind und – das ist der wesentliche Punkt – soweit diese LKW-Maut unter den gleichen Voraussetzungen auch in die PKW-Maut übergeführt werden kann. Dazu sagt auch der Experte Unterholzer, das wird nicht leicht oder nicht möglich sein.

Sehr geehrter Herr Minister! Die Antwort kann kein Achselzucken sein. Die Antwort kann nicht sein: Dann kommt die LKW-Maut halt später!, sondern die Antwort muß sein, sich auf der einen Seite auch um andere Experten zu bemühen. Vielleicht können es andere, wenn es die Alpenstraßen AG nicht kann.

Ein weiterer Punkt – das ist mir der wichtigste Punkt heute – ist: Wenn wir im Nationalrat ein Gesetz beschlossen haben, das zuviel an Voraussetzungen verlangt, um diese LKW-Maut rechtzeitig einzuführen – nämlich insbesondere diese Überführung in die PKW-Maut –, dann sollten wir im Ausschuß und hier im Plenum darüber diskutieren, ob wir diesen § 2 nicht ändern und diese enge Verbindung mit der PKW-Maut aufgeben sollten, wodurch die LKW-Maut tatsächlich rechtzeitig eingeführt werden könnte.

Ziel muß bleiben, daß die LKW-Maut rechtzeitig, so wie wir es hier beschlossen haben, eingeführt wird. Das ist aus verkehrspolitischen Gründen notwendig, weil wir alle wollen ja den Güterverkehr auf die Schiene bringen. Es ist aus Gründen der Kostenwahrheit notwendig, weil wir nicht wollen, daß der PKW den LKW finanziert, und es ist letzten Endes auch aus beschäftigungspolitischen Gründen eine unbedingte Voraussetzung. (Beifall bei der SPÖ.)

18.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als vorläufig letzter Redner in dieser Debatte hat sich Herr Abgeordneter Kröll zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.47

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich habe mich zum Antrag der Grünen betreffend Aufhebung der Verordnung bezüglich der B 146, Ennsnahe Trasse, zum Entschließungsantrag 137/A (E) zu Wort gemeldet. Ich kann nahtlos an die Ausführungen meiner aus dem Bezirk stammenden Kollegin Hannelore Buder anschließen.

Die Dringlichkeit wurde für die Bevölkerung, für den Tourismus, für den Wirtschaftsstandort Ennstal nicht geringer, sondern nahm zu. Es ist aus diesem Grund zu verstehen, daß die großen Mehrheiten in den Gemeinden, die sich getraut haben, die Bevölkerung zu fragen, mit 70 Prozent und mehr nach wie vor aktuell sind. Ja ich sage, aktueller denn je, denn inzwischen ist es so, daß nach den Kriegsjahren in unserem südlichen Nachbarland der Verkehr wieder dramatisch zunimmt, die Unfälle sich häufen, der Stauraum wächst und die Erreichbarkeit des Ennstales immer schwieriger wird. Das kann man so ganz sicher nicht hinnehmen. Wir haben ja ohnehin schon eine Randlage im Bezirk, und wir haben ohnehin schon weite Entfernungen zu den Zentren, egal, ob wir in die Bundeshauptstadt oder nach Graz reisen oder fahren. Diese weiteren Erschwernisse können wir nicht länger hinnehmen.

Es ist daher verständlich, daß nach verschiedenen Meinungen in der Landesregierung und im Landtag Regierung und Landtag nun doch für diese verordnete Trasse eintreten, die Beschlüsse gefaßt haben. Selbstverständlich sind, wie auch schon gesagt wurde, alle behördlichen Verfahren abzuwarten. Ich hoffe, sie werden jetzt rasch durchgeführt. Ich hoffe auch, daß hinsichtlich Naturschutz mit den EU-Stellen noch eine Einigung erzielt werden kann. Wenn sich die Bahn mit dieser Trasse auch anfreunden kann – im Sinne der Wortmeldung des Kollegen Barmüller –, wenn es derartige Möglichkeiten gibt, dann ist das ihre Sache. Aber man darf die Trasse nicht aufgeben.


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Ich möchte daher meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, daß die Dringlichkeit von allen Rednern hier anerkannt wurde. Ich muß aber auch auf die Ausführungen von Kollegen Wabl eingehen: Wenn wir diese Verordnung nicht haben, dann haben wir gar nichts. Dann beginnen wir bei der Stunde Null. Wir warten aber nun schon über 20 Jahre!

Diese Verordnung ist in weiten Bereichen rechtens, Grundstücke wurden eingelöst, es sind noch einige Dinge zu tun, aber man kann diese Verordnung nicht aufgeben. Das wäre wirklich eine Sache, die niemand verstünde, der dort lebt, der dort wohnt – auch nicht unsere Gäste, die uns besuchen, und die Wirtschaftstreibenden.

Ich darf aus meiner Erfahrung berichten – und das sage ich leider auch mit dem Ton der Enttäuschung –: Wir haben in der Steiermark einen großen Kompromiß zustande gebracht – auch mit den Gegnern, auch mit den Grünen –, indem man keine Schnellstraße gebaut, sondern das Projekt Schnellstraße auf eine Bundesstraße reduziert hat. Nachdem dieser Kompromiß gefunden worden war, lehnte ihn die gleiche Gegnerschaft wie beim Projekt Schnellstraße wieder ab.

Ich sage heute voraus, daß dann, wenn die Verordnung fällt – aber das darf nicht passieren –, keine andere Lösung Zustimmung finden wird. In der Steiermark wurde im Ennstal mit acht Trassen, mit mehreren hundert Millionen Schilling und 20 Jahren Planung so sorgfältig wie nur möglich an die Sache herangegangen. Es wurde überprüft, und es gibt keine bessere Lösung.

Daher müssen wir gegen den Wabl-Antrag und im Sinne des Bautenausschusses für die Beibehaltung der verordneten Trasse sein. Ich hoffe sehr, daß alle an einem Strang ziehen und wirklich schauen, daß es bald zu den restlichen Beschlüssen und zu den Genehmigungen kommt. Ich hoffe, Herr Minister, daß es dann auch bevorzugte Mittel gibt, um die Trasse auch umsetzen zu können. Ich bin davon überzeugt, daß dies aufgrund der hohen Priorität möglich ist. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

18.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Abgeordneter Dr. Grollitsch zu Wort gemeldet. Die Redezeit, die für Ihre Fraktion noch zur Verfügung steht, beträgt 11 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.52

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Hohes Präsidium! Verehrter Herr Bundesminister! Als Obersteirer und Wahl-Ennstaler kann ich nicht umhin, doch ein paar Worte über die vorgesehene Projektierung dieser höchst umstrittenen Trassenführung im Ennstal zu verlieren.

Seit 26 Jahren wollen ÖVP und SPÖ die Ennsnahe Trasse. 72 Prozent der Bevölkerung wollten und wollen dies nach den Aussagen meines Vorredners, nämlich des Bürgermeisters Kröll. Ich frage mich aber: Warum gibt es diese Straße noch nicht? Welche Hindernisse sind aufgetaucht, die ihren Bau vereitelten? War die Entschlußkraft unserer Landeshauptleute und aller Referenten in der Vergangenheit nicht ausreichend?

Es wurde angedeutet, daß sich eine Gegnerschaft gebildet hat. Es wurde angedeutet, daß Natur- und Umweltschützer sich zu Wort gemeldet haben. Offensichtlich wurden zunehmend deren Argumente gehört. Offensichtlich wurden diese zunehmend ernster genommen. Zunehmend wuchsen die Unsicherheiten in bezug auf die Ennstaltrasse – ursprünglich als Autobahn gedacht, später als reduzierte, kleinere Variante projektiert.

Herr Bürgermeister Kröll! Meine Damen und Herren von Rot und Schwarz! Nicht gesagt wurde – und Kollegen Wabl ist völlig recht zu geben, was die Argumentation in seinem Entschließungsantrag betrifft –, daß Sie es sich seit dem 1. 1. 1995 nicht mehr aussuchen können, ob diese Trasse entstehen wird oder nicht. Das ist vorüber, das ist mit der EU-Abstimmung beschlossene Sache. Wir wurden nur nicht informiert, daß dem so ist. Es gibt Vogelschutzrichtlinien, die Habitatrichtlinien, die einzuhalten sind. Diese wurden von Österreich unterschrieben. Man kommt über diese von Wabl als gesetzwidrig bezeichnete Situation ganz einfach nicht hinweg. Der Zug ist abgefahren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Zum Beweis des allgemeinen Umdenkens möchte ich aus einem druckfrischen Memorandum einen Satz zum Thema Verkehr zitieren: Eine Verbreiterung bestehender Straßen oder eine Vergrößerung des Straßennetzes hat nur kurzfristig positive Folgen. Mehr Straßen produzieren mehr Verkehr, die Verkehrsdichte ist innerhalb kürzester Zeit wieder auf dem vorhergehenden Niveau, und die Folgestaus sind umso gewaltiger.

Meine Herrschaften! Das ist kein Manifest von grüner Seite, das sind keine Doktrinen von Global 2000, sondern das ist das druckfrische Memorandum der Betriebsräteakademie der Arbeiterkammer Niederösterreich – heute in Ihre Fächer verteilt. Das ist also der letzte Stand, der Ihnen von Ihrer Kaderakademie, von Ihren betriebsrätlichen Akademikern mitgeteilt wird. Da steht noch einiges anderes drinnen, aber vielleicht hat auch da ein Umdenken stattgefunden.

Herr Kollege Posch "haut" sich ab – wie es so schön heißt – und lehnt sich zurück bei dieser Thematik. (Abg. Mag. Posch streckt sich.) Sie werden aber nicht umhinkönnen, sich mit den Inhalten der Aussagen Ihrer Nachfolger auseinanderzusetzen. Diese Diskussion wird einfach nicht an Ihnen vorbeigehen. Wenn man einerseits diese EU-Schranken, diese EU-Hindernisse anerkennt und man andererseits das Umdenken in diesen Bereichen akzeptiert, dann kommt man ganz einfach zu Lösungen, die eine bestandsnahe Situation fordern, dann kommt man zu Lösungen, die mit Umfahrungen in diesen Gebieten auskommen.

Ich habe mich mit dieser Thematik sehr seriös und eingehend befaßt – von Kollegen Wabl weiß ich nicht, ob er es auch getan hat. Vor wenigen Tagen ist eine – heute noch druckfrische – gewässermorphologische Studie über die steirische Enns im Ennstal erschienen. Ich habe mich über Jahre um diese Studie bemüht, um die Sünden der Vergangenheit, die an diesem Fluß begangen wurden, aufzulisten und eine zukunftsorientierte, mit Rückbaumaßnahmen begleitete Lösung vorzubereiten.

In der Danksagung zu dieser Studie – Eigenlob stinkt zwar angeblich – steht, daß mir für mein Engagement und die Organisation, die letztlich das Zustandekommen dieser Studie ermöglicht haben, Dank ausgesprochen wird. In dieser Danksagung, in der 80 Personen und Vereine aufgelistet sind, fehlen aber der gesamte Linksblock und die gesamte Grünbewegung. Es war dort also keine Bereitschaft zu einer seriösen Befassung mit den Inhalten, auch keine Unterstützung dieser Arbeiten, die inzwischen abgeschlossen wurden, vorhanden.

Kollege Wabl wird von mir ein Exemplar dieser Studie ausgehändigt bekommen. Wenn er sich der Mühe unterzieht, diese Studie zu lesen, dann wird er sehen, daß darin einerseits bis zu einem gewissen Ausmaß seine Vorgangsweise Bestätigung findet, andererseits wird aber auch sichtbar, welche Gefahren mit der Ursprungsvariante der Ennsnahen Trasse verbunden sind.

Es wurde hier beklagt – etwa von Frau Buder –, daß der Tourismus und auch die Wirtschaft in der Gegend des Ennstales – da hat Herr Kollege Kröll natürlich nicht unrecht – schon sehr lange nach Straßenlösungen rufen. Ich glaube aber, der Tourismus ruft nicht nach dieser Ennsnahen Trasse, sondern der Tourismus im Ennsbereich lebt und blüht vielleicht gerade deshalb auf, weil man dort nicht in erster Linie betonierte Verkehrsflächen vor sich sieht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Über 26 Jahre gehende eindeutige Stellungnahmen von seiten der Regierenden haben nicht dazu geführt, daß man dort eine einigermaßen akzeptable Lösung gefunden hat. Mit 1.1.1995 ist der Zug in Richtung Ennsnahe Trasse schon durch die bestehenden EU-Richtlinien abgefahren, dieser Weg ist uns verwehrt. Das ist leider zu akzeptieren. Sie selbst haben den Beitritt gewollt. Wir wollten ihn ohnehin nicht. Sagen Sie jetzt auch B zu diesem A, und suchen Sie aus den von der EU geforderten drei Varianten die beste für die Zukunft aus! Die Ennsnahe Trasse ist es nicht oder nicht mehr. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.


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Bitte, die Plätze einzunehmen. Wir kommen jetzt zu mehreren Abstimmungen .

Wir stimmen über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht 489 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme dieses Berichtes ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht 490 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen worden.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht 491 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I und der BGV II.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht 492 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen, ab.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen worden.

Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend Gewährleistung der umgehenden Realisierung bereits projektierter Bauvorhaben ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Schließlich stimmen wir ab über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht 493 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen worden.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Moser, Gredler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend politische Verantwortung der Bundesregierung sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Morden vom 13. Juli 1989.

Dieser Antrag ist inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden, sodaß eine Verlesung durch den Schriftführer nicht erfolgen muß.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:


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Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi-Azar, Abdul Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegens eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, ist zu prüfen."

Der Untersuchungsausschuß besteht aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

Gemäß § 33 Abs. 2 GOG wird die Durchführung einer kurzen Debatte (§ 57a Abs. 1 lit. c GOG) beantragt.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen in die Debatte ein.

Nach der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser Debatte für jeden Redner 5 Minuten, wobei der Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung hat. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich erteile zunächst als erstem Redner dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Hans Helmut Moser, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten.

19.03

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich halte es für ausgesprochen wichtig, daß heute dieses Parlament aufgrund des Antrages der drei Oppositionsparteien die Rolle der Justiz und der Polizeibehörden, aber auch die Rolle der Regierungsmitglieder im Zusammenhang mit den Kurdenmorden im Jahr 1989 diskutiert. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ausgangspunkt dieser Diskussion ist das "Mykonos"-Urteil von Berlin, das, wie Sie ja aufgrund der öffentlichen Berichterstattung wissen, wie eine Bombe eingeschlagen hat, und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch international. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Marizzi. )

Meine Damen und Herren! Nicht von ungefähr hat die Europäische Union aufgrund dieses Urteils ihre Botschafter zur Berichterstattung zurückberufen. Nicht umsonst hat – Herr Kollege Marizzi, lies in der APA nach – die UN-Menschenrechtskommission die Morde an den Exilkurden, die offensichtlich im Auftrag der iranischen Staatsführung erfolgt sind, auf das schärfste verurteilt.

Meine Damen und Herren! Dieses Urteil ist ein sehr mutiger Schiedsspruch, der trotz massiven Drucks auf Deutschland, trotz massiven Drucks der offiziellen Regierungsstellen des Iran getroffen worden ist. Er ist für uns auch eine sehr eindrucksvolle Demonstration der Unabhängigkeit eines Gerichts in einer Demokratie. Ich hätte mir gewünscht, wenn diese Aufrichtigkeit, diese Geradlinigkeit und auch ein derartiges Verhalten von österreichischer Seite in der Vergangenheit zur Schau gestellt worden wären.

Ich meine daher, daß dieses Urteil nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Es gibt nämlich sehr wohl Auswirkungen auf Österreich. (Abg. Dr. Löschnak: Welche?) Herr Kollege! Wir können dann darüber noch debattieren und diskutieren, und ich erwarte auch hier einen Debattenbeitrag. Es gibt also Auswirkungen auf Österreich, weil die Drahtzieher in diesem Verfahren auch die Drahtzieher der Morde in Wien sein könnten und als offizielle Vertreter der iranischen


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70. Sitzung / Seite 149

Staatsführung genannt worden sind, aber auch aufgrund der Parallelität des Ablaufes der Anschläge. Ich glaube, daß der frühere iranische Staatspräsident Bani Sadr absolut richtig geurteilt hat, als er gemeint hat, daß Wien – und es ist bedauerlich, daß es zu keinem Gerichtsverfahren gekommen ist – als Vorbild für das "Mykonos"-Attentat in Berlin anzusehen war.

Meine Damen und Herren! Wir haben daher Handlungsbedarf in Österreich. Wir haben Handlungsbedarf im Interesse der Rechtsstaatlichkeit, wir haben Handlungsbedarf im Interesse der Glaubwürdigkeit und der Integrität Österreichs im Ausland.

Ich halte es für absolut unzureichend, wenn unser Außenminister daherkommt und jetzt in einer Presseaussendung erklärt, daß der kritische Dialog zu wenig kritisch ausgefallen ist, aber dann nicht bereit ist, tatsächlich weitere konkrete diplomatische Schritte zu setzen, und – wie gesagt – nur halbherzig diplomatisch reagiert. Wir haben daher Handlungsbedarf, und zwar sowohl was den Bereich des Justizministeriums betrifft, also die Bundesregierung, als auch das Parlament. Ich glaube daher, daß es höchste Zeit ist, innerhalb des Justizministeriums die Erhebungen mit Nachdruck weiterzuführen, damit die Wahrheit ans Tageslicht kommt und es zu einer Verurteilung der Täter kommt.

Auch wir, meine Damen und Herren hier im Parlament, haben Handlungsbedarf, nämlich wenn es darum geht, die politische Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit den Erhebungen der Polizei, der Justizbehörden, aber auch die Rolle der Behörden an sich festzumachen und zu untersuchen, weil es die verfassungsmäßige Aufgabe des Parlaments ist, diese Kontrollaufgabe entsprechend durchzuführen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich fordere Sie auf, daß Sie Ihrer Verantwortung als Mitglieder dieses Hohen Hauses, wie sie in unserer Verfassung festgeschrieben und festgelegt ist, auch gerecht werden.

Was sind nun diese Fakten, aufgrund derer es notwendig ist, daß sowohl von seiten des Parlaments als auch von seiten des Justizministeriums Maßnahmen gesetzt werden? Ich möchte sie nur in aller Kürze darstellen, weil sie ja die Grundlage für die darauffolgende Diskussion bilden.

Wie bekannt, sind im Juli 1989 drei Exilkurden in Wien von Iranern ermordet worden. Am Tatort haben sich zwei iranische Staatsbürger aufgehalten, die einen iranischen Dienstpaß gehabt haben, das heißt, offensichtlich im Auftrag des iranischen Staates unterwegs waren, und die – das sagt der gesunde Menschenverstand –, weil sie am Tatort waren, auch als Tatverdächtige anzusehen waren.

Was ist passiert? – Es ist kein Haftbefehl erlassen worden. Es ist nicht einmal eine Untersuchungshaft verhängt worden, wie es der gängigen Praxis entspricht. Man hat nicht einmal einen Haftbefehl gemäß § 75 Strafgesetzbuch beantragt, also wegen Mordes. Man hat auch nicht die obligatorische Untersuchungshaft verhängt, wie es üblich ist, sondern man hat einen Haftbefehl wegen Verdachtes nach § 92 des Strafgesetzbuches – Sie werden es nicht glauben –, also wegen Verdachtes des Quälens und Vernachlässigens von unmündigen, jungen und wehrlosen Personen, erlassen. Das war der Paragraph, nach dem ein Haftbefehl erlassen wurde!

Meine Damen und Herren! Das ist doch lächerlich. Noch dazu kommt, daß dieser Haftbefehl auch umgehend wieder aufgehoben worden ist. Das sind reine Scheinaktivitäten. Es gilt, die Frage zu stellen: Wer ist verantwortlich für diese Scheinaktivitäten? Wer trägt die politische Verantwortung für diese Aktivitäten unserer Behörden? – Das können nur die verantwortlichen Bundesminister – der damalige Justizminister und der Innenminister – gewesen sein.

Aber es geht ja noch weiter: Es ist dann eine Obduktion durchgeführt worden, aber der Obduktionsbericht ist dem zuständigen Staatsanwalt dann nicht umgehend übermittelt worden. Man hat Wochen vergehen lassen. Man hat den Gerichsmediziner nicht entsprechend informiert, obwohl das Ergebnis der Obduktion, also der Bericht der Gerichtsmediziner, die Aussagen, die die Tatverdächtigen gemacht haben, klar widerlegt hat.


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Aber nichts ist passiert. Unsere Behörden waren untätig. Offensichtlich haben die Behörden gemeinsame Sache mit den Mördern der Exilkurden gemacht.

Es wäre daher möglich gewesen, ja es wäre notwendig gewesen, aufgrund dieses Obduktionsberichtes, aufgrund der Widersprüche, die sich zwischen den Aussagen der Tatverdächtigen und dem Bericht der Gerichtsmediziner ergeben haben, einen entsprechenden Haftbefehl zu erlassen. Aber was hat man gemacht? – Man hat einen Tatverdächtigen ohne Probleme, ohne Schwierigkeiten ausreisen lassen. Es gibt ja in der Zwischenzeit schon Aktenvermerke, es ist ja in der Zwischenzeit schon einiges bekannt, das darauf hindeutet, daß die Ausreise der Betreffenden offensichtlich mit Wissen der Behörden erfolgt ist.

In diesem Zusammenhang ist das Verhalten unserer Polizeibehörden sehr wohl zu kritisieren. Es sind schwere Fehler bei den Ermittlungen begangen worden, die Informationen sind nicht weitergegeben worden. Und was für mich überhaupt unverständlich ist: daß man sogar die Weisung gegeben hat, die Überwachung der Botschaft zu reduzieren. Es hat der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit am 29.11.1989 die Weisung gegeben – ich zitiere –, in Zukunft die Personenkontrolle nur mehr schonend – nur mehr schonend! – durch die Kriminalbeamten durchführen zu lassen. Und eine Woche später ist der Auftrag erteilt worden, die bisher verschärfte Kontrolle und Überwachung überhaupt einzustellen.

Das, meine Damen und Herren, waren schwere Versäumnisse unserer Behörden. Das läuft auf eine Verletzung der Dienstpflichten hinaus. Dafür gibt es Verantwortliche, und diese Verantwortlichen sind auch im Bereich der politischen Führung zu suchen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die zuständigen Beamten, die Bediensteten das in eigener Verantwortung gemacht haben. Wenn man die Arbeitsmethoden unserer Exekutive kennt, weiß man, daß sie das sicherlich nicht aus eigenem getan haben, und das heißt weiter, daß mehr dahintergestanden sein muß.

Der jüngste Streich unserer Behörden, vor allem der Justizbehörden, aber ist ja wohl die Zurücklegung der Sachverhaltsdarstellung, die Anfang Dezember des vergangenen Jahres von der Witwe eines Ermordeten an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden ist. Diese Sachverhaltsdarstellung wurde Anfang dieses Jahres bereits zurückgelegt. Das war für mich wieder ein Zeichen dafür, daß man nicht bereit ist, nicht gewillt ist, aufgrund von Fakten, die einiges beweisen, konkrete Erhebungen durchzuführen.

Und dann war da noch die Panne, daß die Weitergabe dieser Information, dieses Beschlusses überhaupt verschlafen worden ist, sodaß erst nach Bekanntgabe des "Mykonos"-Urteils der zuständige Staatsanwalt davon in Kenntnis gesetzt worden ist.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Bitte, Ihren Schlußsatz.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend): Daher ist es zynisch, wenn Herr Bundesminister Michalek jetzt erklärt, daß ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ihren Schlußsatz, bitte!

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend): ... die Ermittlungen mit allem Nachdruck weitergeführt werden.

Ich appelliere daher an Sie, meine Damen und Herren, daß Sie unserem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch die Zustimmung geben, damit endlich ... (Beifall beim Liberalen Forum.)


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70. Sitzung / Seite 151

19.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Das war der Schlußsatz, Herr Abgeordneter. Ich danke Ihnen.

Die nächste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Leikam vor. Ab jetzt gilt eine Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.14

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das "Mykonos"-Urteil in Deutschland sorgt für beträchtliches Aufsehen, und das in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist es der Prozeß selbst, der für Aufsehen sorgt. Immerhin mußten 3 000 Polizisten abgestellt werden, um den Prozeß überhaupt ordnungsgemäß abwickeln zu können. Zum zweiten sind es die Auswirkungen dieses Prozesses, die für Aufsehen sorgen, ist es das Urteil, das dort gefällt worden ist.

Auf der einen Seite demonstrieren im Ausland Zehntausende gegen die deutsche Botschaft, auf der anderen Seite hören die Oppositionspolitiker in Österreich aufgrund dieses Urteils sozusagen das Gras wachsen, und sie verlangen dringend nach Untersuchungsausschüssen. (Abg. Ing. Langthaler: Da geht es doch nicht nur um Oppositionspolitiker! Haben Sie das Urteil nicht gelesen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Spielchen, das hier gespielt werden sollte, ist sehr durchsichtig. (Abg. Dr. Graf: Das ist kein "Spielchen"! Das ist Vertuschen, eine ganz ernste Sache! Es geht um Menschenleben!) Es ist ein sehr durchsichtiges Spiel, und das heißt nicht "Vertuschen", sondern es ist ein ausgesprochen durchsichtiges Spielchen, das hier gespielt werden soll. (Rufe bei den Freiheitlichen: Lucona! Noricum!)

Meine Damen und Herren! Ich werde auf Ihre Zwischenrufe schon noch zurückkommen.

Die Antragsteller tun nämlich heute so, als ob es bei der Ermordung der drei Kurden in Wien überhaupt keine Ermittlungen gegeben hätte, als ob hier überhaupt nichts geschehen wäre, als ob man da einfach zur Tagesordnung übergegangen wäre. Dem ist nicht so, meine Damen und Herren! Nach wie vor ist dieses Verfahren aufrecht. Nach wie vor besteht der internationale Haftbefehl gegen die mutmaßlichen Täter. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Jung: Nachdem ihr sie habt laufen lassen!) Überlassen wir es doch bitte zunächst einmal den Gerichten, zu urteilen, was hier geschehen ist. Ich habe schon gesagt: drei Jahre Prozeß in Deutschland, 3 000 Polizisten mußten den Prozeßverlauf schützen. Warten wir einmal das Ergebnis ab, warten wir ab, bis das, was die österreichische Justiz jetzt verlangt hat, nämlich eine Ausfolgung des schriftlichen Urteils, erfolgt ist, und dann sollen die österreichischen Justizbehörden diese Mordtat weiterverhandeln und weiterverfolgen. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Jung. )

Warten wir das doch einmal ab! Haben Sie kein Vertrauen zur österreichischen Justiz? Ich habe Vertrauen zur österreichischen Justiz. Warten wir das doch einmal ab, und wenn alles auf dem Tisch liegt, dann sollten wir weiterverhandeln. – Oder sind Sie vielleicht schon im Besitz des schriftlichen Urteils von Berlin? Wir haben es noch nicht. (Abg. Scheibner: Das brauchen wir gar nicht! – Abg. Anschober: Sehen Sie sich die Polizeiakte einmal an!)

Sie nehmen, ausschließlich auf Presseberichte aufbauend, in Ihrer bekannten Art wieder Schuldzuweisungen vor, die wir auf das entschiedenste zurückweisen müssen, meine Damen und Herren! Wenn Sie das Urteil schon in Händen haben, dann sagen Sie es! Wir haben es noch nicht, und die österreichischen Justizbehörden haben es auch noch nicht. Daher können wir uns nur auf die derzeit bekannten Fakten stützen, und diese sind, daß es ein Verfahren in Österreich gibt und dieses Verfahren in dem Moment wiederaufgenommen und fortgesetzt wird, in dem das Gerichtsurteil auch bei den österreichischen Behörden eingelangt ist.

Das Parlament, meine Damen und Herren, kann auf keine entsprechenden Akten zurückgreifen. Wir müssen hier die Rechtshilfeverfahren in Anspruch nehmen, damit die österreichischen Gerichte überhaupt diese Unterlagen bekommen. Das Parlament bekommt das nicht. (Abg. Dr. Krüger: Ihr müßt viel zu verstecken haben!) Das österreichische Justizministerium hat sofort nach der Urteilsverkündung Kontakt mit den deutschen Justizbehörden aufgenommen. Ich sage daher noch einmal: Warten wir einmal ab, bis das Urteil hier ist und bis dann die österreichischen Behörden weiterermitteln.

Und auch zu Ihren Vorwürfen an österreichische Politiker ein klares Wort. Sie tun so, als ob hier überhaupt nichts geschehen wäre, Sie sagen: Alles ist vertuscht worden, alle haben mitgehol


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fen, damit die Täter entkommen konnten! Meine Damen und Herren, mir bleibt zuwenig Zeit, um im Detail auf das alles einzugehen. (Abg. Jung: ... werden Sie schon noch bekommen! Verlassen Sie sich darauf!) Ich weiß nicht, ob Sie dazu prädestiniert sind. Sie sind sicherlich befangen aufgrund Ihrer früheren Aufgabe. Oder wollen Sie heute hier einmal sagen, was Sie hier im Parlament tun? Wollen Sie das vielleicht einmal sagen?

Mir bleibt zuwenig Zeit, um weiter ins Detail zu gehen, aber ich möchte doch auf eines aufmerksam machen, meine Damen und Herren: Sie sollten eine schriftliche Anfrage der damaligen Abgeordneten Mag. Waltraud Horvath an den damaligen Justizminister Foregger lesen, die am 28. 11.1989 beantwortet wurde. Wenn Sie diese schriftliche Anfragebeantwortung genau lesen, dann werden Sie recht bald dahinterkommen, daß Ihre heutigen Vorwürfe ins Leere gehen, und Sie werden rasch erkennen, daß Sie hier viel zu weit gegangen sind in Ihrer Beurteilung, in Ihrer Schuldzuweisung. Aber wie immer haben Sie sich nicht die Zeit genommen, um die Fakten zu lesen, sondern Sie wollen Skandale produzieren, und Sie sind auch heute wieder auf diesem Weg. (Abg. Mag. Stadler: Das macht schon ihr!)

Für uns ist klar: Wir vertrauen den österreichischen Gerichten, und wir werden daher die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ablehnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist der Herr Abgeordnete Platter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.20

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ermordung der drei Kurden am 13. Juli 1989 in Wien zählt leider zu jenen blutigen Straftaten in Österreich, die nicht zur Inhaftierung der Täter geführt haben.

Wenn ich den Ermittlungsverlauf und die Sachverhaltsdarstellung beginnend vom Mord am 13. Juli 1989 bis zu jenem Zeitpunkt betrachte, als die mutmaßlichen Mörder mit internationalem Haftbefehl am 19. Dezember 1989 gesucht wurden, so gebe ich zu, daß bei den Ermittlungen sicherlich nicht alles perfekt gelaufen ist. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) – Nur, meine Damen und Herren, mir ist in dieser Angelegenheit bestimmt nicht zum Lachen, das möchte ich Ihnen ganz dezidiert sagen!

Meine Damen und Herren! Im nachhinein ist es sehr leicht, darüber zu reden und zu diskutieren (Abg. Mag. Stadler: Ihr wollt ja nicht darüber diskutieren!) und zu urteilen. Man muß jedoch berücksichtigen, daß die Aufklärung eines solchen Verbrechens äußerst schwierig ist.

Die Kriminalisten hatten zum Zeitpunkt der Ermittlungen leider auch nicht den derzeitigen Informationsstand. Wenn durch den "Mykonos"-Prozeß angeblich neues Belastungsmaterial zum Kurdenmord in Wien aufgetaucht ist, ist es zweifellos Aufgabe des Gerichtes, Aufgabe unabhängiger Richter, das laufende, aber ruhendgestellte Verfahren wiederaufzunehmen. Herr Justizminister Michalek hat bereits erklärt, daß dieses Verfahren wiederaufgenommen wird, damit Zeugen befragt werden können und dieses Attentat neuerlich untersucht wird.

Linie der ÖVP war und ist es, daß Gerichte und nicht Untersuchungsausschüsse des Parlaments Straftaten ermitteln sollten. Darüber hinaus bekommt nur die Justiz im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens alle Akten und Unterlagen vom Ausland, so wie das auch beim Kurdenmord nun der Fall ist. Wenn das Gericht dann nach Durchforstung der entsprechenden österreichischen Unterlagen, ergänzt durch die deutschen Unterlagen, im Falle des Kurdenmordes in Wien zur Erkenntnis gelangt, daß eine politische Verantwortung gegeben ist, dann ist nach Ansicht der ÖVP zweifellos über einen Untersuchungsausschuß zu diskutieren und ist auch ein solcher einzusetzen.

Wir von der Österreichischen Volkspartei lehnen die Einsetzung eines solchen Ausschusses mit der Begründung ab, daß ein internationaler Haftbefehl gegen die mutmaßlichen Mörder erlassen wurde, daß die internationale Fahndung nach den mutmaßlichen Mördern läuft, daß die Unterlagen vom "Mykonos"-Prozeß im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens nur dem Gericht


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übergeben werden und das laufende und ruhendgestellte Verfahren wiederaufgenommen wurde. Parallel dazu ist sicherlich kein parlamentarischer Untersuchungsausschuß erforderlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.22

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Vielen Dank, Herr Präsident!

Gestern hat mir Frau Dr. Rasoul-Rockenschaub gesagt, daß ihre präzise Sachverhaltsdarstellung vom 23. 12. 1996 bereits am 15. 1. 1997 von der Anklagebehörde zurückgelegt wurde. Darüber wurde der Anwalt allerdings erst am 14. April 1997 informiert. Meine Damen und Herren! Das geschah also genau einen Tag nach dem "Mykonos"-Urteil.

Es wundert mich daher, daß man sagt, es gibt eine koordinierende Vorgangsweise. So etwas gibt es nicht, weil das Ganze anscheinend jetzt doch wieder aufgegriffen werden wird. Es gibt da eine gewisse Diskrepanz. Man sagt, es hat keinen Druck von der iranischen Regierung gegeben. Ich zitiere die "Presse" vom 1. 8. 1989, wonach am Sonntag von Herrn Ghassemlou schwere Vorwürfe gegenüber Österreich erhoben wurden, andererseits aber auch die iranische Regierung schwere Vorwürfe gegen Österreich erhoben hat.

Es gab aber, sagt der damalige Außenminister Alois Mock, kein diplomatisches Tauschgeschäft. – Also: Es gab wohl Vorwürfe von der iranischen Regierung, aber kein diplomatisches Tauschgeschäft.

Weiters gibt es Unklarheiten, die ich gerne aufgeklärt wüßte. Ich frage mich, was Sie dagegen haben, daß wir in Ruhe ein Problem ausdiskutieren können. Wenn es keine Vorwürfe zu erheben gibt und wenn es keinen politischen Mißbrauch gegeben hat, dann haben Sie ja allen Grund, uns über einen Untersuchungsausschuß zu "watschen", und wir würden das in diesem Fall natürlich zur Kenntnis nehmen. Aber sich so irritiert zu zeigen und zu sagen: Nein, wir wollen das nicht länger besprechen, weil einfach überhaupt nichts zu besprechen ist!, das halte ich nicht für richtig, denn daß es nichts zu besprechen gibt, Herr Ex-Minister Löschnak, wage ich zu bezweifeln. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Löschnak: Sie wollen in Ruhe darüber reden? – Sie wollen einen Wirbel! )

Herr Bundesminister a. D.! Ich habe 5 Minuten Zeit und habe daher keine Möglichkeit zu einer ausführlichen Debatte. Sie selbst haben Weisungen gegeben, die nicht befolgt worden sind. Man kann daher nicht sagen, es hat keine Einflußnahme gegeben von seiten der Regierung. Selbstverständlich hat es eine solche gegeben, und es würde mich sehr wundern, wenn sich die Beamten in einem so brisanten Fall ihre Vorgangsweise alleine ausgesucht hätten. Deshalb möchte ich das gerne aufklären. Ich glaube Ihnen alles mögliche, aber lassen Sie uns Zeit, darüber zu diskutieren, und zeigen Sie sich nicht so irritiert. 5 Minuten genügen uns einfach nicht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Iraner boten dem Wiener Justizvertreter an, man könne beide Verdächtigen im Iran einvernehmen. Das heißt, im Iran sind sie selbstverständlich bekannt, und es weiß die Behörde dort, wo sie zu fassen sind.

Ich zitiere den "Standard" vom 1. 1. 1992 – damit Sie nicht glauben, ich erfinde da etwas –, wonach die Justizbehörde das aus prinzipiellen Gründen abgelehnt hat. Generalanwalt Mayerhofer dazu am Donnerstag: Niemand war bereit, hinzufahren und sich dieser dort nicht ganz stabilen Situation auszusetzen.

Es gibt eine Botschaft, sehr geehrter Herr Minister, wo diese Beamten eine Einvernahme durchführen hätten können.


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Weiters heißt es: Eine gewisse Nervosität macht sich beim SPÖ-Geschäftsführer breit. Andreas Rudas spricht sich massiv gegen einen Ausschuß zur Aufklärung der Kurdenmorde aus. – Ich zitiere die "SN" vom 16. 4. 1997; das erwähne ich, damit es hier nicht zu Mißverständnissen kommt. – Er war Pressesprecher von Innenminister Blecha und einer der ersten, der vom Kanonengeschäft der Noricum informiert war. Das ist im Zusammenhang mit der Furcht vor Wirtschaftssanktionen zu sehen, die damals ausgesprochen worden sind. Zudem sagte Irans Ex-Staatspräsident Bani Sadr, die Mullahs hätten gedroht, Details zum Kanonendeal der Noricum bekanntzugeben. – Soweit mein auszugsweises Zitat.

Bitte, dieser Mann ist in Berlin beim "Mykonos"-Prozeß gehört worden. Warum haben wir nicht die Möglichkeit, das hier seriös zu diskutieren? Warum sind Sie denn so nervös? Haben Sie etwas zu verbergen, dann lehnen Sie es ab. Haben Sie nichts zu verbergen, dann stimmen Sie zu. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Löschnak: Wer ist nervös?)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Anschober vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.29

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland werden Mörder verurteilt. (Abg. Mag. Mühlbachler: Aber vom Gericht, nicht von einem Parlamentsausschuß!) In Wien eskortiert man sie zum Flughafen. – Das sind die Worte von Helen Ghassemlou, der Witwe des Kurdenführers, der 1989 mit seinen Freunden in Wien ermordet wurde. Ich bin froh darüber, daß sie als Betroffene dieser Debatte beiwohnt, und möchte sie auch begrüßen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Worte der Witwe bringen an und für sich den Sachverhalt auf den Punkt. Ich persönlich war erschüttert, wie hier vom Kollegen Leikam mit Nebelwerfern gearbeitet wird, wie hier versucht wird, wieder zu verzögern, zu verschütten, die Konturen zu verwischen. Herr Kollege Leikam! Es geht nicht alleine um den "Mykonos"-Akt. Es liegen unzählige österreichische Polizei- und Justizakten vor, die Sie sich nur anzusehen brauchen, für die Sie nur Interesse haben müssen, die belegen, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.

Es geht in dieser Angelegenheit, und davon bin ich zutiefst überzeugt, um eines der dunkelsten Kapitel Österreichs in den letzten Jahren.

Es geht seit "Mykonos" und seit dem Berliner "Mykonos"-Urteil aber auch um eine Chance, um eine neue Chance für Österreich, daß es tatsächlich zu einer Aufklärung kommt. Es ist interessant, daß zwei der drei hauptbetroffenen Minister heute als Abgeordnetenkollegen hier im Haus sind: Kollege Mock und Kollege Löschnak. Beide könnten in einem Untersuchungsausschuß sehr viel Interessantes zur Wahrheitsfindung beitragen. Ich bin überzeugt davon, daß das sehr interessant wäre.

Bei uns haben sich nach dem "Mykonos"-Urteil vergangene Woche eine Reihe von Zeugen gemeldet. Wir haben neue Akten auf dem Tisch. Wir haben bereits begonnen, einen Teil dieser Akten vorzulegen und zu veröffentlichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was jetzt als Verteidigungslinie aufgezogen wird, nämlich daß es sich um traurige Pannen, um unglückselige Polizeipannen gehandelt habe, das ist mittlerweile auszuschließen. Diese Akten belegen eindeutig, daß es politische Hintergründe für das Entkommenlassen der Mörder von Wien gegeben hat, und das muß doch bitte für ein Parlament, für einen Nationalrat, für gewählte Mandatare Grund genug sein, der Untersuchung stattzugeben, die politischen Hintergründe für dieses Entkommenlassen aufklären zu wollen. Es gibt für mich daher nur zwei Möglichkeiten: Entweder stimmt das, was Bani Sadr unlängst in einem Interview vor dem "Mykonos"-Prozeß gesagt hat, nämlich daß es eine Querverbindung zum Noricum-Verfahren und zu den Kick-back-Zahlungen nach Österreich gegeben hat, oder es handelte sich um vorauseilenden Gehorsam der österreichischen Behörden.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ghassemlou hat heute noch einen für mich wichtigen Satz gesagt: Für die Wahrheit ist es nie zu spät. Genau darum muß es gehen nach acht Jahren – fast acht Jahre nach einem Staatsterrorismus in Wien, fast acht Jahre nach einer Situation, in der österreichische Behörden mitgeholfen und dazu beigetragen haben, die Terroristen, die Mörder entkommen zu lassen. Acht Jahre danach ist es endlich höchste Zeit, für Aufklärung zu sorgen, einen Untersuchungsausschuß einzuberufen, diesen Untersuchungsausschuß zuzulassen.

Ich sage Ihnen folgendes: Wir werden nach dieser heutigen Abstimmung keine Ruhe geben. Es ist nach dieser Aktenlage, nach dieser Informationslage mittlerweile nur mehr eine Frage der Zeit, bis es zu dieser politischen Aufklärung, zu diesem Untersuchungsausschuß kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der ehemalige Staatspräsident des Iran hat zu Österreichs Rolle zwei sehr entscheidende Sätze formuliert, und die möchte ich Ihnen zum Abschluß noch ganz kurz zu Gehör bringen. Bani Sadr sagte: Ich würde es eine Katastrophe nennen. Österreich hat sich der Erpressung gebeugt und die Täter laufen lassen, obwohl deren Verbindungen zum iranischen Staat offensichtlich waren. Wenn Österreich nun seine moralische Integrität wiederherstellen will, muß die Wahrheit ans Licht. Das ist Wien den Hinterbliebenen schuldig, selbst wenn die Täter heute wahrscheinlich nicht mehr gefaßt werden können. – Dem ist nichts hinzuzufügen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

19.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Moser auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Ich bitte die Damen und Herren, ihre Plätze einzunehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen weiters zur Verhandlung über den Antrag des Abgeordneten Mag. Stadler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Verantwortung im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Verfolgung der Mörder von Abdul Rahman Ghassemlou, Fadel Rasoul und Abdullah Ghaderi-Azar in Wien sowie dem Entkommen der weiteren Attentäter von Ebergassing.

Da dieser Antrag inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden ist, braucht seine Verlesung durch den Schriftführer nicht zu erfolgen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

"Zur Untersuchung

1. der politischen und rechtlichen Verantwortung für die fehlgeschlagene Verfolgung der Mörder von Abdul Rahman Ghassemlou, Fadel Rasoul und Abdullah Ghaderi-Azar in Wien, sowie

2. der politischen und rechtlichen Verantwortung für das Entkommen der weiteren Attentäter auf den Starkstrommast bei Ebergassing

wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ: 5 ÖVP: 4 FPÖ: 1 Grüne: 1 Liberale besteht."


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Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 2 iVm 57a und b GOG die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Dem Erstredner stehen zur Begründung 10 Minuten Redezeit zur Verfügung, allen weiteren Rednern je 5. Zu Wort gemeldete Mitglieder der Bundesregierung sowie Staatssekretäre sollen nicht länger als 10 Minuten sprechen.

Ich erteile dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Mag. Stadler, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.34

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben schon beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt die Gründe dargelegt, warum ein Untersuchungsausschuß auch in der "Mykonos"-Causa und in der Causa der verschwundenen Attentäter auf Ghassemlou und die weiteren Opfer aus dem Jahr 1989 einzusetzen wäre. Aber die Problematik ist eine umfassendere, eine größere, weil Österreich unter anderem deswegen zunehmend Terroranschläge zu verzeichnen hat, weil man hier eben terroristische Organisationen, zum Teil noch mit Unterstützung von Parlamentsparteien dieses Hauses, duldet.

Der Herr Leiner schüttelt den Kopf. Er hat nicht gewußt, daß die PKK in Deutschland als terroristische Organisation verboten ist. Da darf man sich nicht wundern, wenn dann Österreich plötzlich zum Betätigungsfeld terroristischer Aktivitäten wird, und da ist es nicht verwunderlich, wenn dann andere Staaten plötzlich ihre Killerkommandos nach Europa schicken, um hier lästige Regimegegner aus dem Weg zu räumen. Das gilt es zu untersuchen, meine Damen und Herren!

Es gilt auch zu untersuchen, welche Parlamentssekretäre welche innigen Verbindungen, welche Parteisekretäre welche innigen Verbindungen und welche Politiker welche innigen Verbindungen zu verschiedenen Organisationen in diesem Land haben, die hier an sich unerwünscht wären. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In beiden Fällen wird so getan, als ob die Gerichte tätig wären. Die Gerichte sind in Deutschland tätig geworden und haben ein Urteil gesprochen, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigläßt. In Österreich, meine Damen und Herren, wird nur mit der Schutzbehauptung, die Gerichte würden tätig, eine Untersuchung durch das Parlament verhindert, denn wie wir heute dem "Kurier" entnehmen können, sagt Herr Bundesminister Michalek, es gibt überhaupt keine Gerichtsverfahren. Es gibt gar keine Gerichtsverfahren, weil es keine Gerichtsverfahren darüber geben kann, ob man etwa den Behörden Fehlverhalten vorwerfen kann, und weil es keine Gerichtsverfahren gegen die Täter gibt, solange der Iran die mutmaßlichen Attentäter nicht ausliefert.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Und jetzt redet die Koalition von einem Gerichtsverfahren, das es laut Auskunft des Justizministers gar nicht gibt. (Zwischenruf des Abg. Leikam. ) Ja, Herr Kollege Leikam, haben Sie den heutigen "Kurier" noch nicht gelesen? Sie sollten einmal schauen, was Ihr Minister da sagt. Ich darf Ihnen zitieren. Der Herr Bundesminister sagt: Daß auf diesem Weg Licht ins Dunkel der Affäre gebracht werden kann, ist allerdings so gut wie auszuschließen. – Laut Auskunft von Justizminister Michalek gibt es keine gerichtlichen Erhebungen über ein Fehlverhalten der Behörden, und einen Prozeß über die eigentliche Tat gäbe es nur, wenn der Iran die drei Verdächtigen ausliefert. Teheran weigert sich aber beharrlich, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Haider: Unerhört ist das!)

Es gibt nie ein Gerichtsverfahren! Und dem Hohen Haus wird erklärt, die Gerichte sind am Zug, daher soll das Parlament warten, bis die Gerichte eine Ermittlung durchgeführt haben, die es nie


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geben wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei ÖVP und SPÖ.) In welcher Art versuchen Sie eigentlich, dieses Hohe Haus an seinem Untersuchungsrecht zu hindern? Wie versuchen Sie, dieses Hohe Haus an der Nase herumzuführen? Die Regierung sagt, es gibt kein Gerichtsverfahren, und die Koalition tritt heraus und sagt, die Gerichte sind am Zug. Meine Damen und Herren! Das ist nichts anderes als ein Versteckspiel, weil man zu vertuschen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Mich würde auch interessieren, was der dereinst "beste Mann der FPÖ in der Bundesregierung", der Herr Exminister Löschnak, zu der Causa zu sagen hätte. Herr Kollege Löschnak! Mich würde interessieren, warum Sie in der letzten Phase Ihrer Ministertätigkeit jenen Mann als Stapo-Chef abgelöst haben, der von der Witwe eines der Ermordeten, von Frau Dr. Susanne Rasoul-Rockenschaub, im gestrigen "Kurier" schwer belastet wird.

Die Dame sagt nicht mehr und nicht weniger, als daß der Herr Stapo-Chef Dr. Kessler sie von den Ermittlungen abgeschirmt habe, meine Damen und Herren. Der Stapo-Chef, der gar nichts mit der Tat und auch nicht mit den Ermittlungen zu tun hatte, denn dafür war eine völlig andere Dienststelle zuständig, schirmt eine Hauptbelastungszeugin ab, und in der Zwischenzeit verflüchtigen sich die mutmaßlichen Attentäter, Herr Bundesminister a. D.! Da hätte ich gerne einmal gewußt, was Sie dazu sagen.

Warum haben Sie nicht den Mut, heute hier herauszukommen und einmal zu sagen, was Ihre Beweggründe waren, den Herrn Oswald Kessler abzusetzen, der von der Witwe eines der Getöteten schwerstens belastet wird? Er ist Ihr Genosse, wie ich weiß, Herr Kollege Leikam. Aber Sie sollten einmal Genossentreue hintanstellen und wieder dem Rechtsstaat zum Durchbruch verhelfen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er wird schwerstens belastet von der Witwe eines der Getöteten, die sagt, er hat sie abgeschirmt. Man hat in der Zwischenzeit die Täter ausreisen lassen, und sie wurde als Hauptbelastungszeugin von den Ermittlungen ausgeschlossen. Meine Damen und Herren! Das sagt die Witwe eines Betroffenen.

Und dann würde mich interessieren, welche Rolle dieser ominöse Mann spielt, der offensichtlich auch im Ebergassing-Attentat – das schreibt jetzt eine Ihnen eher nahestehende Wochenzeitung – V-Mann des Innenministeriums war, also augenscheinlich auch des Herrn Dr. Kessler, der dort mit den Tätern zu tun hatte. Und siehe da: Schon wieder reist ein mutmaßlicher Täter aus, diesmal nicht in den Iran, sondern nach Mexiko, wo auch der Herr Purtscheller daheim ist, meine Damen und Herren.

Ich möchte einmal wissen, wie es in dieser Polizei zugeht, daß immer dann, wenn der Herr Dr. Kessler seine Finger im Spiel hat, die mutmaßlichen Täter ausreisen? Die verflüchtigen sich alle!

Herr Bundesminister a. D., was sagen Sie zu diesen Vorwürfen? Ich habe diese Vorwürfe seinerzeit im Jahre 1995 erhoben, nachdem bekannt wurde, wer mutmaßlicher Mittäter ist. Damals hat mich der Innenminister a. D. Einem – er wird bald auch Bundesminister a. D. sein – bezichtigt, ich hätte den Herrn Bassam Al-Taher gewarnt. Ich würde mich gerne einem Untersuchungsausschuß stellen, ich würde gerne sagen, warum wir auf die Idee kamen, diesen Mann ausreisen zu lassen.

Heute schreibt genau das gleiche Wochenmagazin genau jene Theorie, meine Damen und Herren: Er war V-Mann des Innenministeriums, der mutmaßliche Herr, der offensichtlich mit der Kurdenszene und der Dev-Sol-Szene, einer weiteren Terrororganisation aus der Türkei, zu tun hat, und der mutmaßliche Attentäter, Bassam Al-Taher, durfte verschwinden. Das sagt die Ihnen nahestehende Wochenpostille, die Sie wahrscheinlich aufmerksam lesen, meine Damen und Herren.

Vor zwei Jahren wurde ich hier der Lüge bezichtigt, nun aber stellt sich heraus ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Löschnak. ) – Bitte, darf ich um ein ganz striktes Silentium bitten! Endlich bricht der Herr Bundesminister a. D. sein Schweigen. Herr Bundesminister, jetzt sagen Sie etwas dazu:


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Was stimmt da? (Abg. Dr. Nowotny: Jetzt ist sie uns auf einmal nahestehend!) – Es ist eine Ihnen nahestehende Zeitung, die ganze "Arbeiter-Zeitung"-Redaktion ist dort.

Herr Bundesminister a. D., stimmt es, was da drinnen steht? Was ist in Ihrem Ministerium vorgegangen? Ich habe vor zwei Jahren gesagt, man hat diesen Mann ausreisen lassen, genauso wie im Zusammenhang mit dem Mord an Ghassemlou und den weiteren Opfern. Und jetzt stellt sich heraus, daß wieder im Umkreis des Herrn Dr. Kessler eigenartige Dinge vor sich gehen und die Täter nur so ins Ausland verschwinden, wie sie es gerade brauchen, meine Damen und Herren.

Was sind das für Vorgänge? Diese Vorgänge sind mittlerweile zu untersuchen. Sie können doch nicht mehr vor die Öffentlichkeit treten und sagen: Das stimmt alles nicht, was deutsche Gerichte sagen! Das stimmt alles nicht, was längst in der Öffentlichkeit bekannt ist! Das stimmt gar nicht, was in mehreren Zeitungen – es ist ja nicht die einzige Zeitung, in der das behauptet wird – behauptet wird, nämlich daß man Attentäter und Täter verschwinden läßt, das stimmt alles nicht! Nur der Herr Dr. Kessler, der wird immer geschützt, der spielt da eine obskure Rolle, von einer Witwe schwer belastet, von mir schwer belastet, bis heute in keiner Weise einer Untersuchung zugeführt, meine Damen und Herren.

Es würde mich interessieren, welche politischen Hintergründe es dafür gibt, daß Herr Dr. Kessler eine Zeugin nach eigener Aussage abschirmt und damit die Untersuchungen in einem dreifachen Mordfall schwer behindert, meine Damen und Herren. Das ist ein unglaublicher Vorwurf gegenüber einem höchstrangigen Vertrauten des ehemaligen Innenministers Dr. Löschnak.

Herr Dr. Löschnak, würden Sie sich nicht gerne einmal rechtfertigen? Sie haben jetzt auch während der Debatte die Möglichkeit dazu. Kommen Sie heraus! Wenn Sie nichts zu verbergen haben, treten Sie heraus und sagen Sie uns, warum sich die Täter nach Wunsch und Belieben ins Ausland verflüchtigen und was der Herr Dr. Kessler, den Sie abgesetzt haben, dabei für eine Rolle spielt. Das erklären Sie dem Hohen Haus einmal! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darum sollten wir auch in eine Untersuchung eintreten, denn eine gerichtliche Untersuchung dieses Vorfalles wird es nach Auskunft des Justizministers nie geben. Sie werden die Öffentlichkeit und das Parlament nicht weiter an der Nase herumführen, Herr Kollege Leikam! Ihr eigener Justizminister sagt das Gegenteil von dem, was Sie hier behauptet haben. (Abg. Leikam hält eine Kopie in die Höhe.) Zeigen Sie keine Papierln her, stimmen Sie einer Untersuchung zu, und dann werden Sie Ihre Papierln wahrscheinlich etwas anders bewerten können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. Ich erinnere daran, daß ab nun die Redezeit pro Redner 5 Minuten beträgt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.44

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Zu diesem traurigen Kapitel der Ermordung von Kurden beziehungsweise dem Entkommen mutmaßlicher Täter von Ebergassing sollten wir die Seriosität der Rede bewahren, sollten wir uns bemühen, sachlich zu bleiben und etwaige politische Überlegungen, politisches Kapital hintanzustellen.

Ich möchte daran erinnern, daß die deutschen Gerichte im "Mykonos"-Prozeß ein Urteil gefällt und die Klärung herbeigeführt haben. Wir meinen, wir könnten in Österreich dies ausschließlich mit Untersuchungsausschüssen machen (Abg. Mag. Stadler: So wie bei Noricum!) , das gehe nur mit einem Untersuchungsausschuß, wie dies Herr Stadler unbedingt möchte, anders sei das nicht möglich.

Meine Damen und Herren! Kollege Platter hat schon in der Angelegenheit der Ermordung der Kurden darauf hingewiesen, daß natürlich entsprechend Zeit vergangen ist und wir jetzt mehr und andere Erkenntnisse haben, die wir nicht unter den Tisch kehren dürfen. Deswegen hat


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auch der Justizminister von der Wiederaufnahme gesprochen, und er wird das auch tun. Und daß es eine besonders heikle und schwierige Situation für unsere Exekutivbeamten war, die die Untersuchungen durchzuführen hatten, wissen wir auch, und das möchte ich bei dieser Gelegenheit auch jenen sagen, die mit den Untersuchungen betraut waren.

Meine Damen und Herren! Die ÖVP ist gegen einen Untersuchungsausschuß, wenn parallel dazu ein Strafverfahren läuft. Wir müssen den Gerichten und den Behörden das entsprechende Vertrauen entgegenbringen und können nicht sagen: Weil wir mit irgendwelchen Vorgängen oder vermeintlichen Beurteilungen nicht einverstanden sind, müssen wir sofort einen Untersuchungsausschuß einsetzen, weil dort besser und effizienter gearbeitet werden kann. Die Gerichte sind aufgefordert, und wir vertrauen auf die Beurteilung der Gerichte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Zum Entkommen der mutmaßlichen Täter von Ebergassing möchte ich noch folgendes sagen: Es gibt natürlich Parallelitäten, es gibt nach wie vor internationale Haftbefehle, und es gibt ein anhängiges gerichtliches Verfahren. Man wußte damals schon, daß es einen dritten Täter gibt, vermutlich Bassam Al-Taher. Man hat aber schon damals gemeint, sich in der Öffentlichkeit entsprechend in Szene setzen zu müssen. Herr Stadler – er hat es Gott sei Dank selbst erwähnt – hat einmal in einer Pressekonferenz den Namen bekanntgegeben (Abg. Mag. Stadler: Sie kennen sich ja überhaupt nicht aus!) , sodaß ein etwaiger mutmaßlicher Täter das Weite suchen konnte. (Abg. Mag. Stadler: Sie sind sagenhaft uninformiert!) Ich bezweifle stark, daß es der richtige Weg ist, bei solch heiklen Themen über Medien und in der Öffentlichkeit die Argumente und Fahndungen zu forcieren. Ich glaube vielmehr, das Gegenteil müßte bei einer Aufklärung der Fall sein. Das möchte ich der Ordnung halber erwähnen.

Die österreichische ... (Abg. Mag. Stadler: Das Thema übersteigt Ihre Vorstellungskraft!) – Mein Gott, Ihre Vorstellungskraft und meine! Sie beurteilen in Ihrer Arroganz immer alle anderen, Herr Stadler. (Abg. Mag. Stadler: Jawohl, das tu’ ich! Weil Sie machen es mir auch leicht!) Kehren Sie doch auch ein wenig vor Ihrer eigenen Tür. Dort liegt genug zu kehren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist schon ganz nett, hier immer den advocatus diaboli zu spielen. Sie fühlen sich in dieser Rolle wirklich ausgezeichnet. Es steht Ihnen auch zu, Sie machen auch den Eindruck, aber Sie verwirren mich nicht, und wenn Sie noch so laut schreien (Abg. Mag. Stadler: Sie sind schon verwirrt!) , sowohl von Ihrer Bank als auch hier am Rednerpult. (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Hat der Herr noch Redezeit?) Herr Kollege Stadler, es ist lustig, Ihr Unterhaltungswert ist wirklich von größter Bedeutung.

Meine Damen und Herren! Leider Gottes gleitet die Diskussion in dieser Situation auf ein Niveau ab, das sicher niemand möchte, zuallerletzt die Österreichische Volkspartei und auch ich. Wir sind eben gegen diesen parallel zu führenden Untersuchungsausschuß, weil wir in dieser Parallelität niemanden beeinflussen möchten und den Gerichten entsprechend Vertrauen zuordnen.

Ich darf abschließend noch feststellen, daß, wenn Ungereimtheiten auftreten, der Nationalrat entsprechend wirksam wird und einen Untersuchungsausschuß einberufen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Wann? – Abg. Anschober: Auf welche Ungereimtheiten wollen Sie noch warten?)

19.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

19.50

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Murauer hat Seriosität in dieser Diskussion eingemahnt und hat gleichzeitig gemeint, er habe nichts dagegen – es waren auch Vorredner von ihm von den Regierungsfraktionen –, daß man dann, wenn Ungereimtheiten auftreten, vom Parlament aus Untersuchungen einleiten wird – wenn Ungereimtheiten auftreten!


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Kollege Murauer! Welche Ungereimtheiten sollen denn noch auftreten? Welche Ungereimtheiten in diesen Fällen sollen denn noch auftreten, daß Sie veranlaßt werden, diesem Untersuchungsausschuß zuzustimmen? (Zwischenruf des Abg. Murauer .) Welche Ungereimtheiten brauchen Sie denn noch, wenn Straftäter nicht nur freigelassen werden, sondern sogar noch Geleitschutz bekommen, damit sie sich ins Ausland in Sicherheit bringen können, und wenige Tage danach erst die Haftbefehle eingeleitet werden? Welche Ungereimtheiten, meinen Sie denn, sollten noch auftreten, wie etwa bei diesem Arrangement mit der Gruppe Abu Nidal, die auch jetzt in Diskussion gebracht wird? – Damals hat es angeblich eine Absprache zwischen den Sicherheitsbehörden und dieser Terrororganisation gegeben, daß man signalisiert hat: Bitte, macht in Österreich keine Aktionen, dafür werden wir eure Stützpunkte nicht nur zulassen, sondern vielleicht auch unterstützen und organisieren und die Straftäter im Nittel-Mord frühzeitig entlassen!, was ja auch passiert ist.

Kollege Murauer! Gibt es noch mehr Ungereimtheiten, auf die Sie warten? Gibt es vielleicht noch Ungereimtheiten bei der Frage Noricum, Lucona? Da hat es ja auch Todesfälle gegeben, Kollege Murauer: Lütgendorf, Amry. Sind das nicht genug Ungereimtheiten, die jetzt gerade durch dieses Gerichtserkenntnis auch aus einer neuen Perspektive zu sehen sind?

Meine Damen und Herren! Hier wird von Seriosität gesprochen, aber auch gesagt: Wir wollen ja aufklären, aber warten wir doch erst die Entscheidung der Gerichte ab. Gleichzeitig hören wir dann aber, daß es eine derartige Entscheidung nie geben wird, weil es sie nicht geben kann, weil es gar keine Ermittlungen mehr gibt, weil es kein Verfahren mehr gibt, weil diese Beschuldigten im sicheren Hafen ihres Heimatstaates bleiben werden und wohl sicherlich nicht ausgeliefert werden, und daß Österreich, so wie mir scheint, überhaupt kein Interesse daran hat, daß es ein derartiges Verfahren gibt.

Kollege Murauer! Welche Ungereimtheiten erwarten Sie sich denn noch? Welches Gerichtsverfahren wollen Sie denn abwarten, um einem derartigen Untersuchungsausschuß zuzustimmen? Was bleibt denn übrig, meine Damen und Herren von der Regierung? – Es ist doch immer wieder das gleiche: Wenn es darum geht – nicht nur um strafrechtliche Belange –, bei derartigen Ungereimtheiten die politische Verantwortung, die politischen Hintergründe von derartigen Dingen zu ergründen, dann machen Sie den Verantwortlichen die Mauer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht nicht darum, daß sich das Parlament strafgerichtliche Kompetenz anmaßt, sondern es geht darum, daß wir eigentlich ein Kontrollorgan der Bundesregierung sein sollten, um ebendiese Ungereimtheiten, Kollege Murauer, aufzuklären. Denn was bleibt denn sonst übrig? – Die Zeitungen schreiben schon darüber.

Im morgigen "Kurier" heißt es: Die Polizei half den Kurdenmördern. – Das bleibt stehen als Überschrift: Die österreichische Polizei half den Kurdenmördern. Die "Salzburger Nachrichten" schreiben: "Die Ablehnung des Untersuchungsausschusses kommt wohl aus gutem Grund." – Dann wird allerhand nicht nur vermutet, sondern durchaus auch festgehalten, nämlich daß eben die SPÖ und die Volkspartei für diese Dinge die Verantwortung zu tragen hätten und sie natürlich kein Interesse daran haben, daß man ihnen durch einen solchen Untersuchungsausschuß auf die Schliche kommt, daß vielleicht noch anderes zutage kommen könnte, etwa über die Noricum- und die Lucona-Affäre, wie es auch der ehemalige Staatspräsident Bani Sadr in einem "Kurier"-Interview morgen festhält. Lesen Sie einmal nach, was hier steht! – All das sind Dinge, die auch dem Ansehen Österreichs zutiefst schaden und auch das Vertrauen der Österreicher in die Politik dieses Staates und in den Rechtsstaat erschüttern werden.

Bani Sadr sagt, daß die Behauptung der Regierung, daß es keine Beeinflussung und keinen Druck auf Österreich gegeben hat, völlig absurd ist. Er sagt: Die österreichischen Behörden ließen die Killer trotz erdrückender Beweislast laufen. Die Österreicher wurden vom Iran nicht nur mit der Drohung unter Druck gesetzt, man werde die Noricum-Affäre enthüllen, auch sonst sind die Österreicher mit Wissen der Behörde Schaltstelle für illegale europäische Waffenexporte in den Iran.


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Meine Damen und Herren! Das sind doch Vorwürfe von allergrößter Tragweite. Sie sitzen hier und sagen: Wir wollen schon aufklären, aber erst dann, wenn ein nicht-existentes Gerichtsverfahren abgeschlossen ist! Da bleibt doch wirklich nur die Vermutung, daß diese Tatsachen der Realität entsprechen und daß Sie tatsächlich etwas zu verbergen haben. – Wenn das nicht so ist, was wir alle hoffen wollen, dann stimmen Sie diesem Untersuchungsausschuß zu, damit nicht der Schatten des Verdachts auf der gesamten Republik haften bleibt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.55

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Kollegen von den Regierungsparteien sind herausgekommen und haben – ich möchte das mit allem Nachdruck sagen – wirklich keine Argumente gegen diesen Untersuchungsausschuß vorgebracht! (Zwischenrufe der Freiheitlichen in Richtung SPÖ.)

Herr Kollege Leikam, Herr Kollege Platter, Herr Kollege Murauer! Sie haben keine Argumente vorgebracht. Sie sind hierhergekommen und haben uns vorgeworfen – ich habe das mitgeschrieben –, wir betrieben ein durchsichtiges Spielchen.

Herr Kollege Leikam! Weißt du, was wir wollen? – Wir wollen, daß die politische Verantwortung in diesem Zusammenhang aufgeklärt wird. Wir wollen im Rahmen eines Untersuchungsausschusses wissen, was die verantwortlichen Bundesminister, vom Innenminister über den Justizminister bis zum Außenminister, tatsächlich über die Zusammenhänge dieser Attentate gewußt haben. Wir wollen hören, daß die Vorwürfe, die gegen Österreich erhoben werden, nicht stimmen und entkräftet werden können. Wir wollen, daß die Reputation unseres Landes wiederhergestellt wird.

Meine Damen und Herren! Sie mit Ihrem "Mauern" erweisen der Rechtsstaatlichkeit, Sie erweisen der Republik Österreich als Rechtsstaat einen "Bärendienst". Dagegen werden wir mit aller Deutlichkeit auftreten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Leikam! Sie erklären hier, wir würden behaupten, es wurden keine Ermittlungen durchgeführt. – Nein, das stimmt nicht! Wir sind gegen die Art und Weise, wie ermittelt worden ist. Wir wollen aufzeigen, wollen untersuchen, welche Fehler, welche Pannen bei der Ermittlung durch die Polizeibehörden oder durch die Justizbehörden passiert sind und wer dafür verantwortlich war.

Ich habe mir die Zeitungsberichte aus dem Jahre 1989 ausgehoben. Herr Kollege Leikam! Auch das wäre vielleicht interessant gewesen nachzulesen. Hier steht: Drahtzieher des Massakers werden im Iran vermutet. – Kurdenmorde: Iranischer Diplomat ist verschwunden. – Polizei verfolgt jetzt eine heiße Spur. – Kurdenmorde: Suche nach dem sechsten Mann. – Staatspolizei gegen Justiz. – Mittäter trotz schwerem Verdacht auf freiem Fuß. – Skandal bei der Fahndung nach den Kurdenmördern. – Das war die Berichterstattung im Jahre 1989.

Ich lese den nächsten Punkt vor: "Polizei-Pannen Grund für das beharrliche Schweigen? Haftbefehle gegen entwischte Iraner!" Ich zitiere daraus:

"Nun dürfte klar sein ..." (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) – Frau Kollegin, hören Sie zu, das war 1989. Wir wollen haben, daß das aufgeklärt wird. Wir wollen haben, daß die Vorwürfe, die gegen unser Land, gegen die Justizbehörden und die Polizeibehörden im Raum stehen, ausgeräumt werden und deren Reputation wiederhergestellt wird. Das kann nur im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geschehen, weil es – wie es der eigene Justizminister gesagt hat – keine Aufklärung durch ein Gericht geben kann. Daher kann die politische Verantwortung nur im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geklärt werden.


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Ich lese Ihnen trotzdem noch vor, was am 19. Juli 1989 geschrieben worden ist:

"Nun dürfte klar sein, weshalb sich die Wiener Staatspolizei nach den Kurdenmorden in der vergangenen Woche in Schweigen hüllt: Nicht wegen der ,Gefährdung des Ermittlungsergebnisses‘ oder ,weil der Akt gerichtsanhängig ist‘ (Hofrat Liebhart zum KURIER), sondern eher um Pannen bei der eigenen Arbeit zu verheimlichen! Zwei ,Kronzeugen‘ des Massakers, die den Fahndern entwischt sind, werden jetzt mittels Haftbefehl gesucht."

Das sind die wahren Versäumnisse, um die es geht und die es aufzuklären gilt, um Klarheit in die Vergangenheit zu bringen.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Murauer sagt, das Verfahren wird dann wieder aufgenommen, wenn das Gerichtsurteil aus Berlin vorliegt. In vielen Fragen warten Sie nur darauf, was vom Ausland kommt. In der Sicherheitspolitik warten wir darauf, wie die NATO, die WEU und die EU entscheiden. Dann wird Österreich nachvollziehen. Unsere Gerichte warten, was an Berichten und Informationen aus Deutschland kommt, zum Beispiel vom Gericht in Berlin, und dann werden wir wieder aktiv werden.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich bitte Sie, lesen Sie die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage! Lesen Sie diese Sachverhaltsdarstellung, die wir alle bekommen haben! Wenn Sie diese gelesen haben, dann kann ich mir nicht vorstellen, Kollege Leikam und meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, daß man dann noch sagt, ein Untersuchungsausschuß wäre nicht gerechtfertigt und die "böse" Opposition betreibe da nur ein böses politisches Spiel.

Meine Damen und Herren! Wir meinen, daß es absolut notwendig ist, daß dieser Untersuchungsausschuß eingesetzt wird. Nur das Parlament kann Klarheit bringen, nur das Parlament kann die politische Verantwortlichkeit als solche aufklären. Wir sind als Abgeordnete dieser Republik unserem Land schuldig, daß Klarheit in diesen Fall gebracht wird und daß die Vorwürfe, die gegen unser Land erhoben wurden, international, aber auch im Inland beseitigt und ein für allemal aus dem Weg geräumt werden. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.01

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Einer meiner Vorredner hat gesagt, wir wollen uns nicht auf einem Niveau bewegen, das niemand will. – Dem kann ich nur zustimmen. Aber umso verwunderter bin ich über die hartnäckige Haltung der SPÖ und der ÖVP sieben Jahre nach diesem schrecklichen Attentat und darüber, daß sie sieben Jahre danach noch immer nicht willens sind, ungeklärte Fragen aufzuklären.

Wenn Sie sagen, es gebe keine Beweise, es gebe nichts Neues, dann muß ich Ihnen sagen, schauen Sie sich die Presseerklärungen von 1989 durch. Es war bereits einige Wochen nach dem Attentat klar, daß schwere Vergehen bei den Erhebungen stattgefunden haben und daß Dinge passiert sind, die offensichtlich nicht zusammenstimmen und auf die man sich keinen Reim machen kann. Bereits Ende Juli ist in den Medien, in APA-Aussendungen befunden worden, daß anstatt Haftbefehlen den Tatverdächtigen auf dem Flughafen das Geleit gegeben wurde, daß diesem Ersuchen der iranischen Botschaft nachgegeben worden ist. 1989 haben sich die Presse und die Öffentlichkeit bereits darüber gewundert. 1989, kurz nach den Attentaten, hat sich der damalige iranische Botschafter dafür bedankt, daß so viel Kooperationsbereitschaft seitens der österreichischen Bundesregierung gezeigt wurde.

Worauf deutet das hin? – Daß es offensichtliche Zusammenhänge zwischen der iranischen Regierung, dem Außenministerium, dem Innenministerium und dem Justizministerium gegeben hat. Schon 1989 haben die Medien, hat die APA ganz klar geschrieben, daß es diese Zusammenhänge gibt und daß sie dringend aufklärungsbedürftig sind.


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Jetzt stehen wir vor neuen Tatsachen, jetzt wissen wir aufgrund des Urteils aus Berlin, aufgrund der Zeugenaussage des früheren Staatspräsidenten Bani Sadr, daß es tatsächlich eine unmittelbare Verbindung gegeben hat, daß es eine Erpressung seitens der iranischen Regierung gegenüber der österreichischen Bundesregierung gegeben hat und daß diese dieser Erpressung nachgegeben hat.

Weiters wissen wir, daß das Ganze über das Außenministerium gelaufen ist, daß es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der österreichischen Außenpolitik gegenüber dem Iran und dem Verhalten der österreichischen Behörden in dieser Frage, dem Verhalten des Innenministeriums und des Justizministeriums gibt. Und wir, die Opposition, wollen nichts anderes, als diesen Bereich endgültig aufzuklären, diesen Makel zu beheben.

Das ist nichts, was wir erfinden. Das ist etwas, was seit dem Urteil in Berlin in allen internationalen Zeitungen geschrieben wird. Das ist etwas, was Sie in allen internationalen Zeitungen lesen können. Darin wird ganz klar darüber geschrieben, daß Österreich 1989 nicht den Mut gehabt hat, sondern die Tatverdächtigen gehen ließ, ausreisen ließ und sie sogar noch zum Flughafen geleitet hat, indem es mit "windigen" Ausreden agiert hat. Das ist ein Makel, der auf diesem Land liegt, den wir bereinigt, den wir untersucht haben wollen. (Abg. Dr. Haider: Ebergassing! Ebergassing!)

Herr Kollege Haider! Sie erwähnen Ebergassing. – Ich habe nichts dagegen, wenn es einen Untersuchungsausschuß zu Ebergassing gibt, überhaupt nichts. (Abg. Dr. Haider: Sehr gut!) Nur sage ich Ihnen eines: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, weil für uns die Aufklärung im Vordergrund steht. Aber mit Ihrer Vermischung dieser beiden Bereiche, mit Ihrem Verpantschen der beiden Bereiche (Abg. Dr. Haider: Es sind die gleichen Organisationen, die davon betroffen sind!) dienen Sie eigentlich dem Interesse der Bundesregierung, das zu verschleiern. Ich wäre sofort dafür, einen eigenen Untersuchungsausschuß zu Ebergassing einzusetzen, sofort – warum nicht? Ich hätte das höchste Interesse daran, weil ich glaube und davon überzeugt bin, daß es diesbezüglich sehr viel aufzuklären gäbe. – Danke. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

20.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Löschnak. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.06

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Stadler hat wie immer, wenn er Nebelgranaten wirft, die Terroranschläge gegen Exilkurden in Österreich im Juli 1989 und die Terroranschläge in Ebergassing in einen Topf geworfen. Ich möchte noch einmal mit Klarheit feststellen, daß ich hier zu Vorwürfen rede, die den Terroranschlag gegen Exilkurden am 13. Juli 1989 betreffen, denn über Terroranschläge in Ebergassing fehlen mir ganz einfach die Grundlagen (Abg. Dr. Haider: Da warst du nicht mehr Minister!) , und ohne Grundlagen habe ich nie gesprochen und möchte ich auch in Zukunft nicht sprechen. (Abg. Dr. Haider: Da warst du nicht mehr Minister!) – Das zum einen. (Abg. Dr. Haider: Da warst du nicht mehr Minister! – Abg. Dr. Mertel: Er war nicht mehr Minister! – Abg. Dr. Haider: Da war er nicht mehr Minister!)

Zum zweiten: Es wird immer wieder die Tatsache in den Raum gestellt, daß es ein Berliner Urteil gebe, in dem – so Frau Abgeordnete Kammerlander – Österreich mit einem schweren Makel behaftet sei. Ich bitte Sie, uns dieses Urteil einmal vorzulegen und aus diesem Urteil zu zitieren, um zu sehen, worin denn der Makel für Österreich besteht. Denn mir liegt ausschließlich eine Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Justiz von Berlin vom 10. April 1997 vor. Darin wird der Prozeß sehr ausführlich auf insgesamt sieben Seiten beschrieben, und da gibt es einen Absatz, in dem das Wort "Wien" und der Terroranschlag in Wien am 13. Juli 1989 einmal erwähnt wird. Und diesen Absatz lese ich Ihnen gerne vor. Aber Sie sollten dann herauskommen – Herr Anschober, Sie haben zuerst auch so schwere Vorwürfe erhoben – und einmal Ihr Urteil vorlesen, damit wir das kennen, damit wir wissen, worin denn der Makel besteht. Also ich zitiere wörtlich aus dieser Pressemitteilung:


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70. Sitzung / Seite 164

"Deshalb wurden diese Personen auch im Exil durch den iranischen Geheimdienst beobachtet und bekämpft. Zu dessen wichtigsten Aufklärungsobjekten gehörte die DPK-I, wie sich aus einem Fernsehinterview des iranischen Ministers für Information und Sicherheit ... vom 30. August 1992 ergibt." – Der Mordanschlag in Wien war am 13. Juli 1989. – "Um diese Stimme zum Schweigen zu bringen, faßte die politische Führung Irans den Entschluß, die Führung der DPK-I nicht nur politisch zu bekämpfen, sondern sie zu liquidieren. Die Tötung des damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und zwei seiner Vertrauten am 13. Juli 1989 in Wien sowie die hier abgeurteilte Tat sind Folgen dieses Entschlusses. Der rote Faden, der die Geschehnisse von Wien und Berlin verbindet, ist unübersehbar. Es ist auszuschließen, daß sie auf Konflikte unter kurdischen Oppositionsgruppen zurückzuführen sind." – Ende dieser Pressemitteilung der Senatsverwaltung Berlins vom 10. April 1997.

Jetzt sagen Sie mir, wo der Makel in dieser Pressemitteilung, den Sie seit Tagen durch das Land tragen, gegeben ist, damit wir uns danach ausrichten können.

Daher glaube ich – um diesen Teil abzuschließen –, daß es sehr wohl einem Rechtsstaat entspricht, einmal die schriftliche Urteilsausfertigung zu haben und mit dieser schriftlichen Urteilsausfertigung die Prozeßakten der Berliner, die dreieinhalb Jahre Prozeß geführt haben, dahin gehend zu studieren, wo tatsächlich Anknüpfungspunkte zu den Kurdenmorden am 13. Juli 1989 in Wien zu finden sind und was weiter zu verfolgen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Noch eine zweite Feststellung, und zwar zum Verlauf der Untersuchungen: Ich habe seinerzeit schon gesagt und stehe auch heute nicht an zu sagen, daß es auch bei dieser Untersuchung die eine oder andere Panne innerhalb der Exekutive oder im Zusammenspiel zwischen Exekutive und Justiz gegeben hat, was sicher nicht zur notwendigen raschen Aufklärung geführt hat.

Was jedoch Ihre Behauptung betrifft, die Sie in erster Linie andauernd in den Raum stellen und damit in die Öffentlichkeit tragen, nämlich daß politisch gehandelt wurde und daß dem politische Gründe zugrunde gelegen sind, muß ich Sie jetzt auffordern: Kommen Sie heraus, nennen Sie einen Namen, legen Sie ein Papier auf den Tisch, und beweisen Sie damit, daß ich in politischer Hinsicht eine Weisung in diesem Verfahren gegeben habe! Das müssen Sie einmal machen, und dann haben Sie die Berechtigung, uns zu kritisieren! Aber es geht nicht an, Nebelgranaten zu werfen und irgend etwas in den Raum zu stellen, was Sie in Wirklichkeit nicht beweisen können, weil es nämlich schlicht und einfach nicht stattgefunden hat! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Ich komme schon zum Schluß. Natürlich hat es in einer solchen Causa, die die Öffentlichkeit bewegt hat, mehrere Gespräche zwischen dem Herrn Außenminister, dem Herrn Justizminister und mir gegeben. Aber das waren immer Gespräche, die davon getragen waren, die Erhebungen und Ermittlungen voranzutreiben, um die Sache entsprechend abzuklären. Aber es gab nie Gespräche – das kann ich aus meiner Sicht sowohl zu Mock als auch zu Foregger sagen –, in denen irgendeiner von uns dreien gesagt hätte, es gäbe von irgend jemand Außenstehenden irgend etwas, was wir unter den Tisch fallen lassen sollten oder was es zu verheimlichen gelte.

Daher muß ich abschließend zumindest für mich, aber ich glaube, auch für die beiden anderen in Anspruch nehmen: Ich lasse mir eine siebzehneinhalbjährige Angehörigkeit zur Bundesregierung durch solche Dinge wirklich nicht madig machen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Langanhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die geschäftsordnungsmäßig vorgesehenen Wortmeldungen sind damit erschöpft. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Stadler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.


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70. Sitzung / Seite 165

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen schließlich zur Verhandlung über den Antrag des Abgeordneten Anschober auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und zwei seiner Vertrauten.

Dieser Antrag wurde gleichfalls verteilt. Es erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehem. Präs. des Iran Bani-Sadr behauptet –, erteilt wurden.

Mit folgender Zusammensetzung:

4 SPÖ, 3 ÖVP, 2 FPÖ, 1 LIF, 1 GRÜNE

Unter einem verlangen die Antragssteller die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen in die Debatte ein.

Was die Redezeitbeschränkungen betrifft, verweise ich auf das, was ich zuvor gesagt habe.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anschober. – Ihnen steht eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

20.14

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird hier seit mittlerweile gut einer Stunde davon gesprochen – zuletzt war es der Exminister; es wäre fein, wenn der zweite Exminister auch das Wort ergreifen würde –, daß es in dieser Causa keine Beweise gibt, und zweitens davon, daß man doch nun die Behörden arbeiten lassen müsse. Sieben Jahre nach den Attentaten wird gesagt: Jetzt muß man die Behörden arbeiten lassen, damit die Angelegenheit aufgeklärt werden kann, und ein Untersuchungsausschuß wäre doch, seien wir doch ehrlich, in dieser Phase – das hören wir eigentlich bei jeder Frage, die wir aufklären wollen – etwas Hinderliches.

Jetzt sage ich Ihnen darauf: Aus der Aktenlage geht sehr, sehr klar und deutlich hervor (Rufe bei der SPÖ: Welche Akten? Welche Akten?), daß diese Behörden gearbeitet haben und daß es genau um das Ergebnis dieser Arbeit geht, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der Punkt! (Abg. Dietachmayr: Sie reden von Akten, die es gar nicht gibt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Behörden haben gearbeitet, und es geht darum, diese Arbeit, die dazu geführt hat, daß Staatsterroristen entrinnen konnten, zu bewerten und die politischen Hintergründe, die Ursachen dafür, daß es zu diesem Arbeiten von Behörden gekommen ist, aufzuklären. (Abg. Mag. Posch: Welche Akten, Anschober? – Abg. Oberhaidinger: Es gibt weder Akten noch Fakten!)


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70. Sitzung / Seite 166

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn da von der linken Seite dieses Hauses so sehr nach Fakten gerufen wird, na bitte schön, gern eine kurze Chronologie der Geschehnisse: Und ich frage Sie dann, ob Ihnen da nicht manches ein bißchen spanisch vorkommt. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, sich ganz kurz die Faktenlage zu Gemüte zu führen:

13. Juli 1989: das Attentat in Wien, 14. Juli 1989: die Obduktion der Opfer, 16. Juli 1989: die Obduktionsergebnisse liegen in den wesentlichsten Bereichen vor. Die Widersprüche bei diesen Obduktionsergebnissen sind so eklatant, daß die Verhängung von Untersuchungshaft selbstverständlich wäre. Es kommt nicht zur Verhängung dieser Untersuchungshaft. Am 16. Juli 1989, am gleichen Tag, kommt es statt dessen zu einem interessanten Vorgang, nämlich zur Einvernahme des zweiten wahrscheinlichen – so der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit –, sicheren Täters. Fünf Tage später, am 22. Juli, kommt es zu folgender Situation, und ich möchte Ihnen kurz aus einem Akt zitieren, aus dem Akt 400/IIIa/15/89:

"Botschafter Schmid vom Außenministerium gibt dem Journaldienst fernmündlich bekannt, daß gegen den beim Terroranschlag am 13. 7. 1989 verletzten iranischen Staatsbürger Djafar Sahraroodi Morddrohungen ausgesprochen wurden. Laut Dr. Schmid ist eine Kopfprämie auf Sahraroodi ausgesetzt. Um Stellung eines Schutz- und Begleitdienstes wird von seiten der Botschaft ersucht."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! An diesem Tag kam es zu einem Observationsbericht des damaligen EBT-Leiters Kessler. Herr Minister, Sie werden den kennen! Im Auftrag des damaligen Stapo-Chefs Schulz hat Kessler observiert, wie der Täter von einer Polizeieskorte zum Flughafen Wien-Schwechat eskortiert wurde und um 19 Uhr mit der Maschine nach Teheran gestartet ist. Kessler weist in diesem Observationsbericht darauf hin, daß eine Delegation aus dem Iran, die schon seit zwei Tagen in Wien war und die mit großen Aktenlagerungen aus der iranischen Botschaft wieder abgezogen sei, den Attentäter aus Wien abtransportiert habe – unter Polizeiaufsicht, unter Polizeikontrolle, obwohl die Obduktionsbefunde ergeben haben, daß die Aussagen von Sahraroodi falsch sind, und zwar zu diesem Zeitpunkt nachweislich falsch sind.

Sieben Tage später: Es kommt zu weiteren Interventionen, Weisungen, zu Druck, zu Behinderungen von Ermittlungen. Und jetzt ein großer zeitlicher Sprung ... (Abg. Marizzi: Welche Weisungen?)  – Kollege Marizzi ruft nach einem Beleg dafür, welche Weisung es gegeben hat. Ich gebe Ihnen diesen Beleg.

29. November: Es gibt ein Schreiben des Außenamtes, aus dem hervorgeht, daß es massive Interventionen der iranischen Botschaft im Außenamt gegeben habe – der Herr Außenminister a. D. wird dieses Schreiben kennen –, daß die Kontrollen der iranischen Botschaft, in der sich der zweite Attentäter verborgen hat, zu streng sind. – Herr Kollege Mock! Sie werden diesen Sachverhalt bestätigen. – Und am gleichen Tag gibt es eine Weisung des damaligen Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, Danzinger, daß diese Bewachung der iranischen Botschaft, in der sich der zweite Attentäter befunden hat, zurückzunehmen ist. Das ist eine ganz eindeutige Entwicklung: Intervention der iranischen Botschaft, Schreiben des Außenamtes, Weisung des Generaldirektors an seine Beamten – das waren die Weisungen, die Sie wollten, Herr Kollege Marizzi! –, und die Bewachung und Personenkontrollen werden zurückgenommen.

Und was passiert "überraschenderweise" einen Tag später? Der zweite Attentäter – oh, Überraschung! – reist aufgrund der zurückgenommenen Personenkontrollen aus der Botschaft aus und verläßt dieses Land.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das ein korrekter Umgang, eine möglichst effiziente Fahndung nach Staatsterroristen ist und wenn Sie, Herr Kollege Löschnak, das nur als Pannen darstellen, dann habe ich eine andere Auffassung von Pannen, denn dann wäre es eine Panne gewesen, daß das Außenamt auf ein Schreiben der iranischen Botschaft reagiert, dann wäre es eine Panne gewesen, daß der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit eine Weisung an seine Beamten erteilt, daß die Personenkontrollen zurückzunehmen sind, und dann


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wäre es eine Panne gewesen, daß dieser böse Attentäter die reduzierten Personenkontrollen ausnützt und das Land verläßt – kann man nichts machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ermittlungen wurden ja fortgesetzt. Da haben die Redner von ÖVP und SPÖ durchaus recht. Wie wurden sie denn fortgesetzt? Es hat im Oktober des Jahres 1990 ein Rechtshilfeersuchen an den Iran gegeben – ein Dreivierteljahr, nachdem der internationale Haftbefehl gegen die zwei potentiellen Täter ausgeschrieben war. – Wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wann die Antwort des Iran gekommen ist? Nicht im Jahr 1990, nicht im Jahr 1991, nicht im Jahr 1992, nicht im Jahr 1993 – im Oktober 1995. Und diese Antwort – nach fünf Jahren! – auf ein Rechtshilfeersuchen bestand aus sechs Sätzen, nämlich daß der Tatverdacht unbegründet ist.

Das sind die Ermittlungen der österreichischen Behörden. Wollen Sie das so fortsetzen und argumentieren, daß das der Ersatz für einen Untersuchungsausschuß ist, daß das der Ersatz für die Aufklärung dieser Hintergründe ist? Wollen Sie uns das hier argumentieren, meine sehr verehrten Damen und Herren? Ich glaube, in jedem anderen Land zumindest Europas würde es in dieser Frage eine politische Aufklärung geben. Nur in diesem Österreich nicht. Und das ist das Unfaßbare! (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht nicht – und darauf hat mich Kollege Van der Bellen zuerst hingewiesen – um ein Steuerdelikt, es geht nicht um einen Straßenbauskandal, sondern da geht es um eine nationale Affäre. Da geht es um die Frage, ob eine Republik wie Österreich erpreßbar ist – ja oder nein. Und das ist keine geringe Frage. Und wenn diese Frage mittlerweile seit dem "Mykonos"-Urteil in allen internationalen seriösen Medien diskutiert und dargestellt wird, dann haben wir, meine sehr verehrten Damen und Herren – und davon bin ich zutiefst überzeugt –, alleine aus diesem Grund die Verantwortung und die Verpflichtung, diesen Verdacht aufzuklären.

Nur darum geht es bei einem Untersuchungsausschuß. Es wäre ja auch, Herr Kollege Löschnak, eine Chance für Sie, darzustellen, daß die Ermittlungen völlig korrekt gelaufen sind, wenn es so ist. Wenn man die Ermittlungen nicht will, dann bleibt ein fahler Eindruck. Wir werden aber diesbezüglich keine Ruhe geben. Noch einmal: Es ist eine Frage der Zeit und eine Frage des Informationsmaterials, wann dieser Untersuchungsausschuß durchgesetzt wird. Und wir werden Sie mit interessanten Akten in nächster Zeit noch motivieren, diesem Untersuchungsausschuß zuzustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abgeordneten Hans Helmut Moser. )

20.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von der Frau Abgeordneten Mag. Kammerlander vor. Ich erinnere, daß ab jetzt die Redezeit 5 Minuten beträgt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.24

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! – Herr Kollege Löschnak! Ich möchte Sie mit einer Aussage von Ihnen vom 25. Juli 1989 konfrontieren. Damals haben Sie gesagt, die heimische Exekutive hätte sofort nach dem Attentat hervorragende Arbeit geleistet. Immerhin sind wir heute nach sieben Jahren so weit, daß Sie einsehen und sagen, es hat Pannen gegeben.

1989 haben Sie noch versucht – getreu nach dem Motto von Mitgliedern der Bundesregierung – zu sagen: Was wollt ihr denn? Es hat hervorragende Arbeit gegeben. Mit den Haftbefehlen hat es ein bißchen lange gedauert, aber dafür war der Justizminister zuständig. – Und so wird der Ball – wenn man diese Aussendungen aus dem Jahr 1989 jetzt, sieben Jahre später, verfolgt, sieht man das ganz deutlich – wie eine heiße Kartoffel weitergegeben. Aber eines stimmt auch heute nicht mehr: daß die Exekutive hervorragende Arbeit geleistet hat. Das, wissen wir inzwischen, ist so auch nicht richtig, und nicht nur aufgrund dieser Fakten, die Ihnen mein Kollege aus den Akten vorgelesen hat, sondern auch aufgrund vieler anderer Erkenntnisse, die wir haben. Wir wissen heute, daß sich der Vorfall, das Attentat in der Wohnung ganz anders abgespielt hat, als Sie als zuständiger Innenminister und auch der Justizminister damals den Abge


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ordneten in den ersten Wochen und Monaten nach dem Attentat weismachen wollten. Das ist jedenfalls einmal klargestellt.

Und wenn die Kolleginnen und Kollegen vor allem von der SPÖ sagen: Warten wir doch mit dem Untersuchungsausschuß zu, bis die Ungereimtheiten auf dem Tisch liegen, dann frage ich mich: Wie viele Ungereimtheiten müssen noch auf dem Tisch liegen, und wie lange werden Sie dann noch warten, bis Sie endlich einem Untersuchungsausschuß zustimmen?

Im Jahr 1989 hat eine Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei, nämlich die Kollegin Horvath, die Antwort des Justizministers kritisiert, genau die, die Sie immer hochhalten. Sie hat sie offensichtlich in einer Besprechung einer Anfragebeantwortung – soweit ich das heute noch nachvollziehen kann – heftig kritisiert, daß sie oberflächlich, ungenau, schlampig ist, nicht auf die eigentlichen Fragen eingeht und vieles offenläßt, und vor allem eines offenläßt – das ist interessant –: daß sich der damalige Justizminister auf den Staatsnotstand nach § 10 des StGB berufen hat. Wissen Sie, was das ist, der Staatsnotstand, auf den sich der Justizminister damals berufen hat? Den kann man nur zur Rechtfertigung eines strafrechtlichen Tatbestandes heranziehen.

Das heißt, damals hat der Justizminister eigentlich schon zugegeben, daß die Republik einen strafrechtlichen Tatbestand gesetzt hat, denn sonst hätte er sich nie auf den Begriff des Staatsnotstandes berufen können. Aber schon damals wollten Sie aus ganz bestimmten Gründen diesen Vorwürfen nicht nachgehen, obwohl Sie damals, Ihre Fraktion (zur SPÖ), hier noch weitaus kritischer und aktiver als heute waren.

Wenn Sie nichts zu verbergen haben und wenn Sie nichts fürchten und der Kollege Löschnak nichts fürchtet, ja umso mehr müßten Sie heute einem Untersuchungsausschuß zustimmen, umso mehr müßten Sie daran interessiert sein, daß diese Ungereimtheiten aus dem Jahr 1989 und die vielen, die noch hinzugekommen sind, aufgeklärt werden.

Ich kann mir vorstellen, daß es für die ÖVP nicht ganz so gemütlich ist, das aufzuklären, weil vor allem die Rolle des Außenamtes und des damaligen Außenministers eine sehr beleuchtenswerte wäre und ist. Denn da – und das möchten wir ja, daß dieser Untersuchungsausschuß das auch aufzeigt – gibt es ganz sicher einen unmittelbaren Zusammenhang zu den Waffenskandalen, zu Noricum. (Abg. Kiss: Ganz sicher! Ganz sicher!) Da gibt es ganz sicher einen Tatbestand, warum gerade Österreich von einer iranischen Regierung erpreßbar war und warum Deutschland zum Beispiel diesen Erpressungen nicht so unterliegen hat können wie die österreichische Bundesregierung.

Aber wenn Sie sich so sicher sind, daß das alles gar nicht der Fall ist, dann stimmen Sie doch diesem Untersuchungsausschuß zu! Stimmen Sie ihm doch zu! Aber glauben Sie nicht, daß Sie mit der Kopf-in-den-Sand-Politik, mit dem Wir-wollen-nichts-Hören und Wir-werden-nichts-Hören Erfolg haben werden. Damit werden Sie spätestens seit dem Urteil in Berlin keinen Erfolg mehr haben, und daher wäre Ihre einzige Möglichkeit, diesem Untersuchungsausschuß zuzustimmen und die Fakten wirklich auf den Tisch zu legen, Aussagen zu machen und zu sagen, wie das damals wirklich gelaufen ist und was damals wirklich war. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Bei Gericht, bei Gericht!)

20.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.30

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal darf ich festhalten, daß wir auch diesem Antrag der Grünen zustimmen werden. Wir werden aber bei der nächsten Gelegenheit gleich die Probe aufs Exempel machen und die Frau Kollegin Kammerlander beim Wort nehmen und einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der Causa Ebergassing stellen. Das ist mindestens genauso interessant wie die Angelegenheit, die jetzt in Rede steht. Ich bin schon jetzt gespannt auf Ihr Abstimmungsverhalten. (Abg. Mag. Kammerlander: Da haben wir schon zugestimmt!)


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Herr Kollege Bundesminister a. D. Dr. Löschnak hat sich hier in sehr beeindruckender Weise verhalten, weil er das Wort ergriffen hat. Ich sage Ihnen gleich, Herr Dr. Löschnak: Ich bin froh, daß Sie sich von Ihrem eigenen Klubobmann nicht haben daran hindern lassen, das Wort zu ergreifen, nachdem Sie der Kollege Nowotny verpetzt hat und von Klubobmann Khol der Versuch gestartet wurde, Sie daran zu hindern. Sie haben sich durchgesetzt – das ehrt Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Das stimmt nur nicht!)

Wir haben es ja beobachtet: Der Herr Professor Nowotny hat gepetzt. Aber es spielt keine Rolle.

Herr Bundesminister a. D. Dr. Löschnak! Wir haben keinerlei Grund, an Ihrer Integrität zu zweifeln. Für uns gelten Sie als anständiger Mann, als redlicher Minister. (Abg. Dr. Nowotny: Er beleidigt schon wieder!)

Sind Sie noch zu retten? Haben Sie eine gegenteilige Meinung von Ihrem Minister? (Abg. Dr. Nowotny: Aber von Ihnen haben wir eine andere Meinung! – Abg. Leikam: Da hat einer nachgeholfen bei dieser Rede!) Ich rede von Ihrem Minister, Herr Kollege Nowotny! Ihr Minister außer Dienst ist in unseren Augen ein anständiger Mensch, auch wenn es Ihnen in Ihrer begrenzten Sicht der Welt nicht paßt. (Abg. Dr. Nowotny: Von Ihnen braucht man nicht gelobt zu werden!) Auch der Bundesminister außer Dienst Mock ist unserer Meinung nach ein anständiger Mensch. Es wird von uns nicht der Vorwurf erhoben, daß da unanständige Dinge begangen wurden, weder von Ihnen, Herr Dr. Löschnak, noch von Herrn Bundesminister außer Dienst Mock.

Umso mehr, Herr Bundesminister außer Dienst Dr. Löschnak, waren wir nur wenig erstaunt, daß Sie in der Rede den Namen Dr. Kessler nicht ein einziges Mal erwähnt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Bundesminister, der Grund dafür war nicht Zeitmangel. Sie haben, weil Sie ein anständiger Mensch sind, gewußt, daß Sie gut daran tun, den Namen Dr. Oswald Kessler kein einziges Mal in den Mund zu nehmen.

Herr Dr. Löschnak! Die Witwe eines der ermordeten Kurden erhebt schwerste Vorwürfe. Die Tätigkeit und die Gestion des Herrn Dr. Kessler in diesem Fall weist erstaunliche Parallelen zu Verhaltensweisen, die in der Causa Ebergassing festzustellen waren, auf, zumal es über einen gewissen Herrn H. Kilic – ich weiß nicht, ob das der Vor- oder Nachname ist; er wurde in den Medien schon genannt – über die Dev-Sol, die gute Kontakte zur PKK hat, Querverbindungen gibt. Das heißt, es gibt da Dinge zu untersuchen, die Ihnen schon auch bekannt sein dürften.

Als durchschnittlich tätiger Parlamentarier und Zeitungsleser dürften Sie mitbekommen haben, Herr Bundesminister außer Dienst Dr. Löschnak, daß in diesem Fall Dinge in Ihrem Ministerium passiert sind, die nicht Sie belasten, die aber hohe Beamte Ihres Ministeriums belasten. Ich sage gleich dazu: Die allerhöchsten Beamten Ihres Ministeriums, die derzeit dort Dienst versehen, halte ich auch für anständige Leute, aber ich habe Zweifel daran, ob schon auf der dritten oder einer weiteren Ebene dieselbe Anständigkeit und dieselbe Redlichkeit an den Tag gelegt wird. Betreffend Herrn Dr. Kessler gibt es jedenfalls eine schwere Beschuldigung, und zwar nicht nur eines Nachrichtenmagazins, nicht nur verschiedener Tages- und Wochenzeitungen, sondern der Witwe eines der ermordeten Kurden, die Zeugin in diesem Verfahren war. Sie hat behauptet, sie sei willkürlich von Herrn Dr. Kessler, der mit der ganzen Causa gar nichts zu tun gehabt hätte, daran gehindert worden, sich in den Untersuchungen zu äußern, um zu verhindern, daß die mutmaßlichen Attentäter ausreisen dürfen.

Das bleibt im Raum stehen, und es war richtig von Ihnen, Herr Dr. Löschnak, daß Sie den Namen Kessler hier nicht erwähnt haben. Aber es wäre hochinteressant, in einem Untersuchungsausschuß die Frage zu klären, welche Rolle der Herr Dr. Kessler in dieser Causa gespielt hat.

Ich weiß, Herr Bundesminister außer Dienst Dr. Löschnak, daß Herr Dr. Kessler in seinem Ministerium vieles ohne Wissen des jeweils zuständigen Ministers gemacht hat. Das gilt sogar für Ihren Nachfolger. Aber man sollte endlich den Mut haben, sich hinzustellen und zu sagen, was da wirklich passiert ist. Das muß aufgeklärt werden! Es muß alles darangesetzt werden, daß solche Dinge nie wieder passieren können. Das allein ist doch das Entscheidende!(Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Dies sei auch dem verwirrten Herrn Kollegen Murauer ins Stammbuch geschrieben (Zwischenruf des Abg. Murauer ) : Es gibt keine gerichtlichen Untersuchungen. Fragen Sie beim Minister Michalek nach! Falls Sie es immer noch nicht erfaßt haben: Es gibt keine gerichtlichen Untersuchungen! Ich weiß nicht, von welcher Parallelität Sie hier schwafeln. Es gibt keine gerichtlichen Untersuchungen! Das einzige, was zu untersuchen ist, wird durch dieses Parlament zu untersuchen sein, nämlich die Rolle verschiedener Spitzenbeamter im Innenministerium und die Rolle der Bürokratie, die in diesem Fall – wie auch im Fall Ebergassing – dazu geführt hat, daß Täter ausreisen konnten. Dies zu erfahren, hat nicht nur das Parlament ein Recht, sondern die gesamte Öffentlichkeit, und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Vor einer Pressekonferenz!)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. – Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen. (Abg. Mag. Stadler, in Richtung SPÖ: Am Freitag gibt es eine Pressekonferenz! Was machen Sie aus?) Ich bitte, zur Abstimmung die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen nun ab über den Antrag des Abgeordneten Anschober auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 435/A bis 439/A eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 2282/J bis 2302/J eingelangt.

Verlangen im Sinne des § 99 Abs. 2 GOG

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Schließlich gebe ich bekannt, daß im Zusammenhang mit dem Selbständigen Antrag 437/A auf Durchführung eines besonderen Aktes der Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof betreffend Gebarung des Bundesministeriums für Verkehr, der Hochleistungsaktiengesellschaft und der ÖBB hinsichtlich der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Projektes Semmering-Basistunnel ein Verlangen von 20 Abgeordneten im Sinne des § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellt wurde.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist diese Gebarungsüberprüfung auch ohne Beschluß des Nationalrates durchzuführen.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Donnerstag, den 17. April 1997, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Diese Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.37 Uhr