Stenographisches Protokoll

47. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 28. November 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

47. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Dienstag, 28. November 2000

Dauer der Sitzung

Dienstag, 28. November 2000: 9.01 – 23.17 Uhr

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Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen

Beratungsgruppe I: Präsidentschaftskanzlei; Bundesgesetzgebung; Verfassungsgerichtshof; Verwaltungsgerichtshof; Volksanwaltschaft; Rechnungshof

Beratungsgruppe II: Bundeskanzleramt mit Dienststellen; Kunst

Beratungsgruppe XIII: Öffentliche Leistung und Sport

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 16

Geschäftsbehandlung

Einwendungen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka gegen die Tagesordnung gemäß § 50 der Geschäftsordnung 6


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47. Sitzung / Seite 2

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol auf Grund der Einwendungen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka 6

Durchführung einer Debatte über die Einwendungen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung 7

Redner:

Mag. Ulrike Sima 7

Helmut Haigermoser 9

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 10

Georg Schwarzenberger 11

Mag. Johann Maier 12

Dr. Kurt Grünewald 13

Heinz Gradwohl 14

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 15

Einwendungen finden keine Mehrheit 17

Wortmeldungen der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und MMag. Dr. Madeleine Petrovic betreffend die Ausführungen der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima in der Einwendungsdebatte 8, 8

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 18

Unterbrechung der Sitzung 204

Ausschüsse

Zuweisungen 17

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend BSE-Sofortmaßnahmen (330/A) (E) 88

Begründung: MMag. Dr. Madeleine Petrovic 89

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 93

Debatte:

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 95, 121

Dr. Elisabeth Pittermann 97

Anna Elisabeth Achatz 99

Mag. Barbara Prammer (tatsächliche Berichtigung) 100

Jakob Auer 101

Rudolf Edlinger (tatsächliche Berichtigung) 103

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (tatsächliche Berichtigung) 103

Dr. Gabriela Moser 103

Heinz Gradwohl 105

Dr. Alois Pumberger 108

Dr. Erwin Rasinger 109

Dr. Kurt Grünewald 110

Dr. Eva Glawischnig (tatsächliche Berichtigung) 112

Dr. Josef Cap 112

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 114

Robert Wenitsch 117

Rosemarie Bauer 118

Roland Zellot 120

Ing. Herbert L. Graf 120

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Achatz, Dr. Erwin Rasinger und Genossen betreffend Maßnahmen auf Grund der aktuellen BSE-Situation – Annahme (E 48) 99, 122

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen betreffend ein generelles Verbot der Tiermehlverfütterung in der österreichischen Landwirtschaft – Ablehnung 107, 122

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages (330/A) (E) 122

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (310 und Zu 310 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (370 d. B.) 18


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47. Sitzung / Seite 3

Gemeinsame Beratung über

Beratungsgruppe I: Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei, Kapitel 02: Bundesgesetzgebung, Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof, Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof, Kapitel 05: Volksanwaltschaft, Kapitel 06: Rechnungshof 19

Beratungsgruppe II: Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen, Kapitel 13: Kunst 19

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 19

Ing. Peter Westenthaler 23

Dr. Alexander Van der Bellen 28

Dr. Andreas Khol 32

Dr. Alexander Van der Bellen (tatsächliche Berichtigung) 37

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigung) 37

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 38

Rudolf Edlinger 42

Mag. Gilbert Trattner 46

Mag. Werner Kogler 50

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 55

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 55

Peter Schieder 58

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 60

Dr. Gerhard Kurzmann 63

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 64

Mag. Terezija Stoisits 65

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 68

Dr. Ilse Mertel 69

Dr. Reinhard Eugen Bösch 72

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 73, 137

Dr. Ilse Mertel (tatsächliche Berichtigung) 74

Mag. Walter Posch 75

Mag. Helmut Kukacka 77

Otmar Brix 78

Helmut Haigermoser 81

Gabriele Binder 83

Dr. Andrea Wolfmayr 84

Mag. Brunhilde Plank 86

Dr. Michael Krüger 122

Dr. Günther Kräuter 124

Dr. Christof Zernatto 127

Mag. Johann Maier 129

Edith Haller 131

Dr. Josef Cap 132

Mag. Cordula Frieser 135

Dr. Peter Wittmann 136

Mag. Beate Hartinger 138

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 140

Staatssekretär Franz Morak 140

Dr. Eva Glawischnig 142

Karl Donabauer 145

Detlev Neudeck 146

Volksanwalt Horst Schender 147

Dr. Gertrude Brinek 149

Paul Kiss 151


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47. Sitzung / Seite 4

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 152

Karlheinz Kopf 153

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzniveaus in Österreich – Ablehnung 130, 155

Annahme der Beratungsgruppen I und II 154

Beratungsgruppe XIII: Kapitel 70: Öffentliche Leistung und Sport 155

Redner:

Otto Pendl 156

Hermann Reindl 158

Dieter Brosz 159, 180

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 162

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 162, 178, 195

Arnold Grabner 167

Dr. Gerhart Bruckmann (tatsächliche


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47. Sitzung / Seite 5

Berichtigung) 169

Patrick Ortlieb 169

Theresia Haidlmayr 171

Ing. Peter Westenthaler (tatsächliche Berichtigung) 173

Karlheinz Kopf 174

Dr. Peter Wittmann 175

Mag. Dr. Udo Grollitsch 178

Arnold Grabner (tatsächliche Berichtigung) 180

Mag. Johanna Mikl-Leitner 183

Katharina Pfeffer 184

Mag. Gerhard Hetzl 185

Dr. Günther Kräuter 186

Werner Miedl 187

Otmar Brix 188

Dr. Michael Spindelegger 190

Mag. Johann Maier 191

Nikolaus Prinz 193

Beate Schasching 194

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 196

Dr. Erwin Rasinger 197

Christian Faul 198

Mag. Karl Schweitzer 199

Dr. Günther Kräuter (tatsächliche Berichtigung) 200

Dr. Peter Wittmann (tatsächliche Berichtigung) 200

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 200

Friedrich Verzetnitsch 202

Entschließungsantrag der Abgeordneten Arnold Grabner und Genossen betreffend gesetzliche Verankerung der Ausnahmeregelung für gemeinnützige Sportvereine von der Werbeabgabe – Ablehnung 177, 204

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Leitbild für den österreichischen Sport – Ablehnung 192, 204

Annahme der Beratungsgruppe XIII 204

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 17

308: Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich

Bericht 18

III-72: Bericht betreffend das auf der 83. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 177) über Heimarbeit und Empfehlung (Nr. 184) betreffend denselben Gegenstand; Bundesregierung

Antrag der Abgeordneten

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend BSE (Bovine Spongiforme Encephalopathie) – Sofortmaßnahmen (330/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzstrafverfahren im Rahmen der "Aktion scharf" (1578/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend staatliche Garantien – Beihilfenverdacht nach EG Vertrag (1579/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Interventionen des Abgeordneten Pilz der bei StA (1580/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Räumpflicht, insbesondere in ländlichen Siedlungsgebieten (1581/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "geschlechtergerechteres Formulieren" (1582/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "geschlechtergerechteres Formulieren" (1583/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend geplante Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Bildungspolitik (1584/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Gender Mainstreaming (1585/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Gender Mainstreaming (1586/J)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1284/AB zu 1302/J)

 

 


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 47. Sitzung des Nationalrates. (Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandlung!)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka zu Wort gemeldet. – Bitte.

9.02

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich erhebe Einwendungen gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung gegen die Tagesordnung. Es ist allgemein bekannt, dass BSE immer näher an Österreich herankommt, dass eine Erkrankung, die ursprünglich als ein Phänomen Großbritanniens betrachtet worden ist, in der Zwischenzeit bis an die Grenzen Österreichs vorgedrungen ist, dass darüber hinaus Österreich selbst nicht mehr als risikofrei gilt, sondern nur mehr in die Gefahrenzone 1 eingereiht wird. Wir sind davon überzeugt, dass es dringend notwendig ist, in diesem Zusammenhang in Österreich Handlungen zu setzen.

Wir glauben auch, dass eine politische Debatte darüber notwendig ist. Ich beantrage daher im Sinne von § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung, dass anstelle des heutigen letzten Tagesordnungspunktes, nämlich der Beratungsgruppe XIII: Öffentliche Leistung und Sport, die Beratungsgruppe VIII: Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und Umwelt beraten wird und die für heute vorgesehene Beratungsgruppe XIII auf Mittwoch, den 6. Dezember 2000, verschoben wird. Das ist eine Notwendigkeit im Interesse der Sicherheit bei den österreichischen Lebensmitteln und der Sicherheit der Gesundheit in Österreich.

Es ist notwendig zu handeln, und ich ersuche daher um eine entsprechende Umstellung der Tagesordnung. Die Aktualität dieses Problems erzwingt dies.

9.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung? – Herr Abgeordneter Dr. Khol, bitte.

9.03

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben an sich Einvernehmen in der Präsidialkonferenz über diese Tagesordnung erzielt. Allerdings ist BSE natürlich eine ernsthafte Frage. Die zuständigen Minister Molterer und Haupt sind dazu in Beratungen. Minister Molterer hat angeboten, dem morgen tagenden Ausschuss darüber zu berichten. Im Übrigen wird das Kapitel Landwirtschaft diskutiert. Es findet auch eine Sitzung der Bundesregierung statt. Ich glaube, dass man in dieser Woche diese Frage diskutieren kann, und ich bin der Meinung, dass es dazu keiner Umstellung der Tagesordnung bedarf.

9.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wenn ein Antrag auf Umstellung der Tagesordnung im Zuge einer Einwendungsdebatte gestellt wird, ist darüber abzustimmen. Das schreibt die Geschäftsordnung so vor. Ich würde von der Möglichkeit des § 50 Abs. 1 GO Gebrauch machen, die Redezeiten in dieser Debatte auf 5 Minuten zu reduzieren und die Zahl der Redner auf maximal drei pro Fraktion zu begrenzen. Andere Möglichkeiten sehe ich nicht. Eine Möglichkeit, auf andere Weise in diesem Fall zu agieren, gibt es offenbar nicht.


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Das heißt, wir werden über diesen Einwendungsantrag abstimmen und vorher die begrenzte Debatte durchführen.

Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß § 50 (1) GO

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Sima. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

9.05

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Rechnungshofpräsident! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! In Frankreich wurden heuer schon 97 Herden wegen BSE-Verdachts geschlachtet. In Großbritannien nimmt die Zahl der BSE-Fälle zu, auch in Deutschland gibt es bereits erste BSE-Fälle. Erkrankte Menschen sterben an dieser Krankheit in diesen Ländern; und das nur deshalb, weil – und das ist völlig pervers und wider die Natur – vermahlene Tierkadaver in Futtermittel gemischt und an Nutztiere verfüttert werden.

Vermahlene Tierkadaver zu verfüttern, ist auch in Österreich, wie Sie alle wissen, noch gängige Praxis. Jeder kann bei uns problemlos Tiermehl kaufen und Tiermehl verfüttern. Hühner, Schweine, Fische und Geflügel werden bei uns tagtäglich noch mit Tiermehl gefüttert, und es ist auch nicht auszuschließen, dass das eingekaufte Tiermehl auch nach wie vor an Wiederkäuer verfüttert wird.

Meine Damen und Herren! Ich halte diese Praxis für absolut verantwortungslos, und dagegen muss jetzt endlich etwas unternommen werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Man sollte doch wirklich meinen, dass die zuständigen und verantwortlichen Politiker endlich gelernt haben, aus der BSE-Krise die Konsequenzen zu ziehen, und dafür sorgen, dass diese absolut widersinnige Praxis endlich abgestellt wird. Aber dem ist nicht so. In den letzten Tagen konnte ich mich nur wundern: Es stellten sich der Landwirtschaftsminister Molterer und der Konsumentenschutzminister Haupt einfach hin und verteidigten diese gängige Praxis. Das ist einfach unglaublich! (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Es ist immer am Widerstand der Landwirtschaftslobby und des Herrn Minister Molterer gescheitert. Wenn Sie etwas ändern wollen, dann tun Sie es doch, Sie haben jetzt endlich die Gelegenheit dazu! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Deutschland und Frankreich haben jetzt sehr schnell reagiert und Tiermehl generell aus dem Verkehr gezogen und ein generelles Verbot desselben ausgesprochen. Tiermehl darf in diesen Ländern nicht mehr an Nutztiere verfüttert werden – weil man sich eben nicht sicher ist, ob es nicht doch irgendwie bei Wiederkäuern in die Nahrungskette gelangt und BSE auslöst.

Man hat vor der BSE-Krise noch gedacht, dass es problemlos ist, Tiermehl an Wiederkäuer zu verfüttern. Genau das war ja der fatale und tödliche Irrtum. Das Gleiche passiert jetzt wieder bei den anderen Nutztieren. (Abg. Wenitsch nickt.)  – Herr Kollege, wenn Sie schon mit dem Kopf nicken, dann unternehmen Sie doch etwas, dann stimmen Sie doch einem generellen Tiermehlverfütterungsverbot zu!

Ich habe mir gestern die diesbezüglichen APA-Meldungen der vergangenen Jahre angesehen. Es sind die Freiheitlichen immer die Ersten gewesen, die ein Tiermehlverfütterungsverbot gefordert haben. Jetzt sind sie an der Regierungsmacht, aber jetzt stellt sich Herr Haupt hin und sagt: Na ja, in Österreich ist alles sicher, es gibt überhaupt kein Problem damit. Wir haben keine BSE-Fälle. – Das ist doch unglaublich!

Auch auf EU-Ebene haben Sie sich vor einer Woche gegen BSE-Schnelltests ausgesprochen. Bitte, wie soll ich denn das interpretieren? Es wird nur beschwichtigt, es wird nur abgewiegelt. Was soll denn das für eine Politik sein? Es geht dabei um unsere Gesundheit, aber es wird mit


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Kostenargumenten operiert. Es ist in der Frage BSE Feuer am Dach, aber Sie beschwichtigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Damen und Herren von der Regierung haben ja dann auch noch die Möglichkeit, sich hier dazu zu äußern. Ich würde Sie wirklich sehr höflich ersuchen, diese meine Fragen zu beantworten: Wie lange wollen Sie noch tatenlos zusehen? Wie lange wollen Sie noch zulassen, dass vermahlene Tierkadaver in unserer Nahrungskette landen? Wie lange noch? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Grollitsch. )

Sie, Herr Kollege Grollitsch, wissen ganz genau, dass Frau Ministerin Prammer des Öfteren versucht hat, Tiermehl aus der Nahrungskette wegzubekommen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Wenitsch: Da kann ich nur lachen!) Leider scheiterte dies immer am massiven Widerstand der ÖVP. Aber jetzt haben ja Sie die Gelegenheit, sich an Ihrem Regierungspartner die Zähne auszubeißen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der BSE-Wahnsinn hat Methode, heißt es in der heutigen Ausgabe des "WirtschaftsBlattes". Angesichts der unglaublichen Argumente, die in diesem Zusammenhang fallen, kann ich das nur unterstreichen.

Meine Damen und Herren! Stecken Sie nicht weiter den Kopf in den Sand! Es gibt kein einziges Argument, das für den Einsatz von Tiermehl in der Nahrungsmittelkette spricht. Verbieten Sie endlich die Verfütterung von Tiermehl an alle Nutztiere und schützen Sie die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!)

9.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Abgeordneter Khol.

9.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir haben in vergleichbaren Fällen in der Präsidiale schon mehrmals darüber gesprochen, dass es bei Debatten über Einwendungen gegen die Tagesordnung um die Begründung geht, warum man eine andere Tagesordnung haben will. In der Rede von Frau Kollegin Sima ist das Wort "Tagesordnung" kein einziges Mal vorgekommen. Ich bitte Sie, darauf zu achten, dass zur Sache gesprochen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

9.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Khol hat im Prinzip Recht. Allerdings bin ich unter anderem aus folgendem Grund zurückhaltend: Als ich zum Beispiel den Klubobmann der Freiheitlichen gebeten habe, zur Sache zu sprechen, lautete seine Antwort: Das wollen Sie da oben nicht hören, Herr Präsident! – Daran kann ich mich noch erinnern. (Abg. Ing. Westenthaler: Was war das jetzt? Ich habe heute noch gar nicht gesprochen!) Das war vor sechs Wochen, und mein Gedächtnis reicht so lange zurück, Herr Kollege. – Herr Dr. Khol und ich haben uns über diese Frage nachher noch unterhalten.

Aber ich würde bitten, meine Damen und Herren, dass in der Einwendungsdebatte, auch wenn sie auf einen Sachverhalt hin orientiert ist, der mit der Begründung im Zusammenhang steht, jeder Redner zum Ausdruck bringt, dass und warum er eine geänderte Tagesordnung haben will. (Abg. Dr. Petrovic meldet sich zu Wort, indem sie sich zu einem der neben den Sitzreihen angebrachten Mikrophone hinstellt und die Hand hebt.)

Frau Dr. Petrovic, ist das jetzt eine Wortmeldung in der Einwendungsdebatte oder eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung? (Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsbehandlung!) Bitte, ganz kurz.

9.12

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich denke, Herr Dr. Khol, dass es nicht darauf ankommen soll, ob das Wort "Tagesordnung" erwähnt wird,


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sondern es gilt, deutlich zu machen, ob eine Materie, ein neuer Umstand eine solche Dringlichkeit und eine solche Brisanz hat, dass es gerechtfertigt erscheint, die Tagesordnung des Hohen Hauses umzustellen. Ich meine, eine mögliche Gefährdung der Gesundheit ist allemal ein Grund, die heutige Tagesordnung umzustellen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Das brauchen wir jetzt nicht weiter zu erörtern. Alle, die in der Einwendungsdebatte zu Wort gelangen, sind dringend gebeten, zu begründen, warum sie für eine geänderte Tagesordnung eintreten.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Haigermoser zu Wort. – Bitte.

9.13

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen! Meine Herren! Hohes Haus! Wir meinen, dass die Tagesordnung verantwortungsbewusst erstellt wurde. Sie wurde in der Präsidiale einstimmig so festgesetzt. Es wurde bereits angeführt, dass sich die beiden zuständigen Minister Haupt und Molterer sehr verantwortungsbewusst dieser Dinge annehmen, diesbezüglich Maßnahmen beraten und die bisherige hervorragende österreichische Politik in Sachen BSE-Freiheit fortsetzen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Sima! Wir mussten in der vergangenen Woche drei Tage auf Sie hier im Hohen Hause verzichten. Ich konnte Sie hier nicht wahrnehmen. Sie waren, so habe ich vernommen, in Den Haag. Hoffentlich haben Sie dort die Agrarfabriken nicht im Sinne von Unterstützung inspiziert. Wenn Sie jetzt hier und heute aus einem zweifelsohne ernst zu nehmenden Problem sozusagen kleine Münzen schlagen wollen, meine Damen und Herren, dann ist das mehr als billig und nicht verantwortungsbewusst gegenüber der Bevölkerung und der österreichischen Landwirtschaft gleichermaßen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Natürlich ist Österreich keine Insel der Seligen, natürlich ist auch bei uns Vorsicht geboten, aber wir alle wissen, meine Damen und Herren, dass die Verfütterung von Tiermehl an Rinder in Österreich im Unterschied zu Frankreich und Deutschland seit geraumer Zeit verboten ist. Doch Frau Kollegin Sima hat vorhin in ihrer Rede ausgerechnet die Maßnahmen Frankreichs und Deutschlands gelobt. Also skurriler geht es wohl nicht, meine Damen und Herren! Das ist wohl mehr als skurril. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es muss uns ein nationales Anliegen sein, das BSE-Problem in den Griff zu bekommen. Natürlich kann das nur in Zusammenarbeit und grenzüberschreitend geschehen. Und da darf und muss auch ein Satz in Richtung Europäische Union gesagt werden: Im Zusammenhang mit BSE hat die Europäische Union kläglich versagt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das muss angemerkt werden. Wenn man in Sachen BSE genauso forsch unterwegs gewesen wäre, wie es bei der Beobachtung Österreichs der Fall war, dann wäre vielleicht schon vieles zum Besseren gewendet worden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn man sich in der Europäischen Union darum gekümmert hätte, wo die 70 Milliarden Schilling verschwunden sind, die in dunklen Kanälen versickert sind, wenn man diese 70 Milliarden Schilling zum Beispiel zur BSE-Bekämpfung eingesetzt hätte, dann wäre da oder dort vielleicht einiges nicht passiert.

Meine Damen und Herren! Einen Satz auch noch zum Preisgefüge bei Fleisch insgesamt: Mit ein Grund für dieses BSE-Chaos ist auch unter anderem die Politik der multinationalen Anbieter auf dem Fleischsektor, die immer wieder den Verbrauchern suggerieren, billiger, billiger, billiger müsse es gehen. Damit wird auch die österreichische Landwirtschaft kaputt gemacht, bei welcher im Durchschnitt acht Rinder gefüttert werden. In unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft wird hervorragende Qualität hergestellt, aber mit dieser Preispolitik wird diese kleinstrukturierte Landwirtschaft mit hervorragender Qualität kaputt gemacht. Doch da werden wir in Österreich in Hinkunft nicht mitmachen, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Ich meine daher, dass eine seriöse Antwort auf dieses ernst zu nehmende Problem nur sein kann, dass sich die Regierung seriös damit befasst – und das tut sie – und dem Parlament im Ausschuss darüber Bericht erstattet. Ich appelliere an die Opposition, hier nicht Scheidemünzen zu prägen, die der österreichischen Wirtschaft und den Verbrauchern nicht zum Ruhm gereichen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin in der Debatte zur Frage der Änderung der Tagesordnung gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

9.17

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Hohes Haus! Ich habe gestern im Laufe des Tages zahlreiche Anrufe von Bekannten, von verunsicherten Eltern, von Bürgerinnen und Bürgern erhalten, und ich bin auch heute auf dem Weg zum Parlament von Menschen in der U-Bahn angesprochen worden, und all diese Menschen haben an mich die Frage gerichtet: Was geschieht denn jetzt? Redet ihr jetzt über die Rolle Österreichs in Europa im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Tierseuchen? – Ich glaube, es scheint wirklich nur aus der Sachzwanglogik der Regierung zu resultieren, dass Sie sagen: Wir haben eine Tagesordnung festgelegt, und Wurscht, was da draußen passiert, und egal, was die Zeitungen schreiben, wie groß die Sorgen der Leute sind, wir haben diese Tagesordnung und bleiben dabei! – Das ist ein Parlament, das die Wünsche und Sorgen der Öffentlichkeit nicht wahrnimmt. Sie sollten das ändern! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Haigermoser hat wieder einmal die Gelegenheit nicht ausgelassen, generelle Anti-EU-Ressentiments hier vom Rednerpult aus loszutreten. Herr Abgeordneter Haigermoser, vielleicht informieren Sie sich ein bisschen! Das Europäische Parlament spricht schon wesentlich länger, und zwar jetzt wieder aktuell, über die in diesem Zusammenhang notwendigen Maßnahmen, und es ist dort genauso wie hier, nämlich, dass die wirtschaftskonservativen Kreise echt notwendige Schritte verhindern. Es sind vor allem Grüne, die diese Debatte immer wieder aufgreifen. Ich zitiere jetzt einen Satz, der diesbezüglich im Europäischen Parlament gefallen ist: "Heute sind jene, die behaupten, keine Fälle von Rinderwahnsinn in ihrem Gebiet zu haben, jene, die nicht suchen." – Vor diesem Hintergrund erscheint die österreichische Stimme gegen flächendeckende Frühtests wirklich als ein Zeichen äußerster Verantwortungslosigkeit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Haigermoser! Man wird leider nicht verhindern können, dass das Geld jetzt wieder einmal zur Korrektur von Symptomen, zu einer oberflächlichen Retusche dieser wahnsinnigen Politik der Agroindustrie eingesetzt wird, denn es wird notwendig sein. Aber eigentlich hätte ich mir gerade von Ihrer Partei, die in ihrer Oppositionszeit diesbezüglich so lautstark war, erwartet, dass sie – und zwar in schnellen und entschlossenen Schritten! – einen generellen Ausstieg aus dieser Agroindustrie vorbereitet. (Beifall bei den Grünen.)

Aber da scheint sich gerade bei den Freiheitlichen seit ihrem Regierungseintritt vieles verändert zu haben. Ich zitiere die Beantwortung einer schriftlichen Anfrage vom 17. Juli 2000 – das heißt, sie ist nicht einmal sechs Monate alt – durch Gesundheitsministerin a. D. Dr. Sickl. Sie beantwortete diese in Kenntnis all der Krankheitsfälle. Es sind an die 100 Menschen gestorben. Vielleicht haben auch Sie Interviews mit Eltern von Kindern, die gestorben sind, gesehen. Das würde meiner Ansicht nach allemal die Umstellung der heutigen Tagesordnung rechtfertigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was sagt die mittlerweile abgetretene Bundesministerin – Ihre ehemalige Bundesministerin! – zur Frage der Tier- und Knochenmehle? – Ich zitiere:

"Der Frage der seuchensicheren Entsorgung von Tierkörpern wurde in Österreich seit jeher die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Dadurch war es bisher möglich, Österreich frei von – durch ungenügend aufbereitete Futtermittel übertragbare Seuchen – zu erhalten."


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Wie gesagt, wir machen keine flächendeckenden Tests. Vielleicht erklärt sich auch dadurch die Freiheit.

Und weiters heißt es: "Durch die entsprechende Aufbereitung von Rohstoffen tierischer Herkunft" – und jetzt kommt es! – "– dazu zählen auch die verendeten Tiere – ist es möglich, wertvolle Eiweißfuttermittel zu gewinnen."

Verendete Tiere als wertvolle Futtermittel – na prost Mahlzeit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner in der Einwendungsdebatte ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.

9.22

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Mir ist nicht begreiflich, warum sich durch die Tatsache, dass das Landwirtschaftsbudget am kommenden Mittwoch beziehungsweise am 6. Dezember oder heute beschlossen wird, an der BSE-Gefährdung in Europa irgendeine Veränderung ergeben würde. Darüber hinaus muss ich auch Klubobmann Kostelka darauf aufmerksam machen, dass der Budgetbeschluss erst mit der dritten Lesung Gesetzeskraft erlangt. Das ist auf jeden Fall erst am 6. Dezember der Fall, an dem Tag, an dem das Landwirtschaftsbudget beschlossen wird. – Das ist das eine.

Zum Zweiten: Die Österreicher sollten wissen, was sie an ihren Bauern haben. Österreich war das erste Land in Europa, das bereits 1989, als es noch keinen Gedanken an BSE gab, beschlossen hat, die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer zu verbieten. Das heißt, Rinder, die in Österreich seit 1990 geboren wurden, haben kein Tiermehl als Futter bekommen. In diesem Fall hat Österreich eine Vorreiterrolle im Rahmen aller EU-Staaten eingenommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen eine europaweite Lösung. Die Tatsache, dass es in England bereits mehr als 170 000 BSE-Fälle gab, auch in Frankreich über 100, während es in Österreich keinen einzigen BSE-Fall gab, beweist, dass wir in Österreich eine naturnahe Landwirtschaft im Interesse der Konsumenten durchgehalten haben, was teilweise auch mit höheren Kosten für unsere Bauern verbunden war. Das sollte auch anerkannt werden, meine sehr geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen deshalb eine europaweite Lösung. Der Agrarministerrat wird sich am 4. Dezember mit dieser Materie beschäftigen. Wir wollen auch, dass die Haushaltsüberschüsse, die es im Agrarbereich im heurigen Jahr in der EU gibt, zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt werden, um so für vermehrte Gesundheit in ganz Europa zu sorgen. Die Kosten sollten nicht wieder den österreichischen Bauern angelastet werden. Ich habe Verständnis dafür, dass Tiere wie Hunde und Katzen dort sehr wohl überhaupt nichts zu suchen haben. Eine andere Frage ist die Verwertung dort, wo das Fleisch für den Verzehr aufbereitet wird. Die Entsorgung von Abfällen in den Fleischhauereien, von Knochen und Hautteilen, sollte nicht auch noch zu Lasten der Bauern erfolgen, da dies bei einer Behandlung als Sondermüll mehr kostet, als es dem Erlös aus dem Fleischverkauf entspricht. Ich bin der Auffassung, im Interesse der Gesundheit Europas sollte das von der EU, also von Europa mit bezahlt werden.

Wir sind selbstverständlich für eine Regelung. Als Bauernvertreter sage ich hier ganz offen: Wir haben wenig Interesse daran, dass das, was bei der Fütterung von Rindern bereits verboten ist, bei der Geflügel-, Schweine- und Fischfütterung aufrechterhalten wird. Wir werden so etwas nicht verteidigen. Wir sind vielmehr auf allen Gebieten für eine natürliche Produktion. Dies muss allerdings europaweit so sein, denn wir hätten sonst einen Standortnachteil, den wir uns nicht leisten könnten. Am Schluss käme es so weit, dass es in Österreich keine Bauern mehr gäbe.

Viele Sozialdemokraten sagen, wir könnten die Lebensmittel billiger importieren. Sie sehen jetzt, was in Europa vor sich geht und was wir an den österreichischen Bauern haben.


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Ich meine daher, dass das, was in der Einwendungsdebatte gefordert wurde, nämlich dass die Tagesordnung umgestellt und das Landwirtschaftsbudget heute anstatt am 6. Dezember beschlossen werden soll, keinen einzigen BSE-Fall in Europa verhindern würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner in der Debatte betreffend Einwendung gegen die Tagesordnung ist Herr Abgeordneter Maier. – Bitte.

9.27

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Herr Rechnungshofpräsident! Meine Dame und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Es ist für die sozialdemokratische Fraktion ganz klar, warum wir diese Debatte über die Änderung der Tagesordnung führen. Es geht um die Verantwortung für Österreich, für die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher.

Herr Kollege Khol! Wenn Sie behaupten, ein Ausschuss würde sich morgen mit dieser Thematik beschäftigen, dann frage ich Sie: Welcher Ausschuss? Es gibt keinen Ausschuss, der sich morgen mit dieser Frage auseinander setzen wird. (Abg. Dr. Khol: Ein Angebot!)

Auch eine Antwort auf die Ausführungen des Kollegen Schwarzenberger, der gefragt hat, warum wir wollen, dass gerade heute dieses Thema diskutiert wird, sei mir hier gestattet. Er hat es ja richtigerweise gesagt: Am 4. Dezember 2000 findet der Agrarministerrat statt. Wir wollen aber heute darüber diskutieren. Der Herr Landwirtschaftsminister soll wissen, welche Meinung dieses Hohe Haus, welche Meinung die politischen Parteien in Österreich zu diesem Thema haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vergangene Woche war in Deutschland die Welt noch anders. Deutschland war BSE-frei. Auch Österreich ist noch BSE-frei. Ich betone "noch", meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, und beziehe mich auf ein Schreiben von David Byrne, dem EU-Kommissar für Gesundheits- und Verbraucherschutz. Dieses Schreiben – ich zitiere – bezieht sich zum einen auf die wissenschaftliche Einschätzung, dass die BSE-Infektion in keinem Mitgliedstaat ausgeschlossen werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Schreiben sollte man sich näher auseinander setzen. Es ist adressiert an Frau Bundesministerin außer Dienst Sickl und an Herrn Wilhelm Molterer, Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Was ist der Inhalt dieses Schreibens? – Der Inhalt ist die Antwort auf ein Schreiben der beiden, in welchem sie, weil Österreich angeblich BSE-frei ist, um eine Ausnahme von der ab 1. Oktober 2000 vorgeschriebenen Entfernung des spezifizierten Risikomaterials angesucht haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Bauernvertreter, hört genau zu! Sickl und Molterer haben versucht, eine Ausnahmeregelung zu erreichen, weil Österreich angeblich BSE-frei ist (Ruf bei der ÖVP: Ist es auch! – Abg. Schwarzenberger: Nicht nur "angeblich", sondern tatsächlich!), genauso wie bis letzte Woche Deutschland. Deutschland hat es auch geglaubt, und trotzdem ist der erste BSE-Fall aufgetreten. – Ein besonders "bauernschlaues Schreiben" der Bundesministerin außer Dienst und des Bundesministers Molterer. Ich halte dieses Schreiben für einen absoluten Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung SPÖ –: Ihr wolltet die Bauern ruinieren und kriminalisieren! – Gegenruf der Abg. Mag. Prammer.  – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung der Abg. Mag. Prammer –: Warum sind Sie nicht zurückgetreten damals?)

Um aber noch einmal auf Kollegen Schwarzenberger einzugehen, der gemeint hat: Ja, ja, eine europaweite Lösung. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die ÖVP von einer europaweiten Lösung spricht, dann wird jedes Projekt verzögert, so auch gerade in diesem Fall, bei dem die internationale Agrarlobby dahintersteckt. Lieber Kollege Schwarzenberger, glaubst du, dass innerhalb kürzester Zeit da eine Regelung getroffen werden kann? – Ich sage, nein, wir müssen im nationalen Bereich unsere Maßnahmen setzen (Abg. Schwarzenberger: Wir haben ja das Verbot schon!), und diese Bundesregierung ist dazu aufgefordert. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten wollen über dieses Thema heute reden, gerade aus diesem Grund. Szenarien in England sprechen von möglicherweise hunderttausend Toten in den nächsten Jahren. Wir meinen daher, wir müssen diskutieren über das Verbot der Verfütterung von Tiermehl, über flächendeckende BSE-Frühtests und -Früherkennungstests. Wir müssen auch darüber reden, wie die Befugnisse der Europäischen Lebensmittelagentur erweitert werden können, damit nämlich diese unmittelbar im nationalen Bereich eingreifen kann.

Und jetzt greife ich einen Vorschlag der ÖVP auf, nämlich einen Vorschlag des Kollegen Wurmitzer aus Kärnten. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diskutieren wir auch über ein Importverbot lebender Rinder aus Frankreich! Das muss uns die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher wert sein. (Beifall bei der SPÖ.)

9.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner in der Einwendungsdebatte ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

9.32

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich glaube, ein Parlament ist da, um zu lernen, und es gibt genügend Gründe, die man dafür anführen könnte.

Schauen wir einmal nach Großbritannien! Da wurden im letzten Bericht von Lord Philip die Maßnahmen der britischen Regierung bezüglich BSE-Bekämpfung und -Aufklärung massivst kritisiert. Ich glaube, dass schwere (Abg. Schwarzenberger: Das ist auch eine Labour-Regierung, die nichts für die Konsumenten tut!)  – darf ich ausreden? – Fehler bei uns nicht zur Tagesordnung gehören sollten. Ich glaube, dass Denken und Verantwortung aber sehr wohl Gegenstand einer guten Tagesordnung sein sollten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vorsicht, heißt es, ist die Mutter der Porzellankiste, und daher ist Eile geboten. Das sollten alle verstehen, deren Denken nicht durch übermäßigen Genuss von saurem Rindfleisch getrübt ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist bekannt, dass sich Österreich, die Schweiz und Schweden im Jänner dieses Jahres in der EU gegen eine Ausweitung von flächendeckenden BSE-Tests ausgesprochen haben. Also so ruhmreich ist die Propagierung der "Insel der Seligen" in der Realpolitik nicht.

Es ist Faktum, dass die Artgrenzen überschritten worden sind. Es ist Faktum, dass die Übertragung von BSE und möglicherweise weiterer Infektionen über diese Rinderwiederkäuer hinaus auf Schweine, Katzen und auf den Menschen als wissenschaftlich erwiesen zu gelten hat. Es ist nicht auszuschließen – und es sprechen einige Daten dafür –, dass BSE durch Medikamente, Impfstoffe und Blutprodukte übertragen werden kann. Panik ist nicht angezeigt und wäre unverantwortlich. Panik zu schüren heißt aber auch, zu schweigen, zu verzögern und zu verharmlosen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir können von Großbritannien lernen, und zwar dadurch, dass im letzten "Report" gezeigt wurde, dass die Auswahl von WissenschaftlerInnen, die Nichtbeachtung von befangenen Wissenschaftlern, von fachfremden Wissenschaftlern, die Folgen von Ausgliederungen und Kontrollverlusten durch den Staat über wesentliche Qualitätsmanagementinstrumente Folgen hatten, die unabsehbar sind.

Es ist Faktum, dass fast sechs Jahre lang nur jene Meinungen von Wissenschaftlern in der Öffentlichkeit durch die Regierung propagiert wurden, die ihr genehme Antworten und lobbygenehme Antworten produzierten.

Ich lese auch in einer Presseaussendung des "Agrardienstes Österreichs" – ich glaube, so heißt er – von einem Wissenschaftler, der für die Verharmlosung spricht. Er hat in vielen Dingen Recht, aber es schaut schon etwas schräg aus, wenn sich Wissenschaftler zu Aussagen über


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Medikamente, über Seuchen, über Lodenmäntel hinreißen lassen und das völlig undifferenziert kommt, wenn nicht garantiert werden kann durch unsere Ministerien, dass unabhängige Institute, unabhängige Experten diese Sachen untersuchen, und die Ministerien dann erst entscheiden, wie ernst die Lage ist und welche Konsequenzen zu ziehen sind.

Österreich hat jetzt eine riesige Chance, und diese gilt es zu nützen. Bei Propagierung und bei der Werbung mit dem Feinkostladen Österreich, da waren Sie sehr schnell, wenn es um den Schutz der Bevölkerung geht (Abg. Auer: Da waren wir noch schneller!), um Aufklärung, da sind Sie schon etwas langsamer. (Abg. Auer: Wir waren das erste Land, das es verboten hat!)  – Ja, sagen Sie.

Ich glaube auch, dass das Argument von vorhin stimmt, dass das nicht Sache der Landwirtschaft alleine ist, worüber Sie jetzt reden. Das ist Sache der Gesundheit. Man kann es auch beim Rechnungshof diskutieren, der sehr viel über Qualitätskontrollen und mangelnde Sicherheitsbestimmungen geschrieben hat. (Abg. Auer: Sagen Sie mir das erste Land, das es verboten hat! Das war Österreich!) Wenn Sie nicht begreifen, dass bereits diskutiert wird, dass diese Krankheit auf Schweine und Hühner übertragen werden kann, dann fassen Sie sich ein Herz und appellieren Sie zumindest jetzt an Ihre Vernunft. Ziehen Sie die Konsequenzen, akzeptieren Sie die Änderung der Tagesordnung und setzen Sie so ein Zeichen der Beruhigung und des Vertrauens für die Bevölkerung Österreichs! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gradwohl. Redezeit ebenfalls 5 Minuten. Es ist das dazu die vorletzte Wortmeldung nach meiner jetzigen Rednerliste. – Bitte.

9.38

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Diese Einwendungsdebatte hat folgenden Grund, Herr Kollege Schwarzenberger: Wir würden diese Materie ganz gerne heute und hier im Rahmen der Budgetansätze diskutieren, weil es da auch möglich wäre, Anträge zu stellen, und weil es auch möglich wäre, für den kommenden Rat am 4. Dezember 2000 unserem Landwirtschaftsminister entsprechende Aufträge aus diesem Haus, aus der Volksvertretung heraus mitzugeben, damit er sich dementsprechend verhält, um die österreichische Bevölkerung vor dieser Gefahr, die mit BSE droht, zu beschützen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bezeichnend, dass sich bisher zwei Abgeordnete von den Regierungsfraktionen gemeldet haben, Kollege Schwarzenberger und Kollege Haigermoser, denn anscheinend ist Ihrerseits kein besonders großes Interesse an diesem Thema vorhanden. Sie wollen dieses Thema dann diskutieren, wenn keine Möglichkeiten mehr bestehen, etwas zu verändern, Sie wollen es dann diskutieren, wenn die ersten Fälle auftreten. Aber dann sind Sie, Herr Kollege Schwarzenberger, dafür verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Kollege Haigermoser in seinem Debattenbeitrag ausgeführt hat, es müsse etwas passieren, um uns dann schuldig zu bleiben, was passieren soll, wenn er im gleichen Atemzug sagt, wir können nichts machen, außer es ist europaweit abgestimmt, um noch hinzuzufügen, die Europäische Union habe versagt, dann, Herr Kollege Haigermoser, haben Sie heute die Möglichkeit, die Tagesordnung zu verändern und heute und hier entsprechende nationalstaatliche Maßnahmen zu beschließen. Haben Sie den Mut dazu! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde richtigerweise schon angeführt, es handelt sich dabei nicht ausschließlich um ein Problem in der Landwirtschaft, sondern es geht auch darum, das Konsumentenverhalten entsprechend zu regulieren und zu steuern.

Aber es spricht noch ein weiterer Punkt dafür, in der heutigen Tagesordnung über das Landwirtschaftsbudget zu diskutieren. Glauben Sie wirklich, geschätzte Damen und Herren der Regierungskoalition, dass es der richtige Weg ist, dass wir vor vier Tagen 700 Millionen Schilling in einem Budgetüberschreitungsgesetz beschlossen haben, die nicht dem Feinkostladen Öster


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reich, die nicht der biologischen Landwirtschaftsweise zugute kommen, sondern der industriellen Erzeugung und Produktion im landwirtschaftlichen Bereich anheimfallen werden? Glauben Sie, dass das, Herr Kollege Schwarzenberger, das Vertrauen der österreichischen Konsumenten in diese Produktion stärken wird? (Abg. Schwarzenberger: Das waren 5b-Förderungsmittel!) Ich bin dagegen. Ich bin überzeugt davon, dass die Österreicherinnen und Österreicher etwas anderes wollen, nämlich tatsächlich den Feinkostladen, den Sie zwar propagieren, aber nie umsetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Österreich wirklich das Glück und die Situation, über eine relativ flächendeckende, familienbetrieblich geführte Landwirtschaft zu verfügen. Wenn wir nicht die Möglichkeit bekommen – nicht erst dann, wenn es zu spät ist, nämlich nach dem Landwirtschaftsrat, sondern hier und heute –, darüber zu diskutieren, welche Maßnahmen auch im Agrarbereich zu setzen sind, damit unsere familienbetrieblichen Bauern, unsere bäuerlichen Betriebe in die Lage versetzt werden, gegen den Druck zu bestehen und nicht nur Nahrungs mittel, sondern weiterhin Lebens mittel zu produzieren, wenn wir diese Möglichkeit nicht haben, dann vergeben Sie, geschätzte Damen und Herren von der Mehrheit dieses Hauses, heute eine historische Chance. Sie vergeben die historische Chance, zum Schutz der österreichischen Bevölkerung, aber gleichzeitig auch zum Schutz der österreichischen Landwirtschaft und Agrarproduktion Maßnahmen zu setzen, Beschlüsse zu fassen und unseren Regierungsmitgliedern – ich korrigiere mich: Ihren Regierungsmitgliedern – bei den Verhandlungen innerhalb der Europäischen Union, der Europäischen Räte den Rücken zu stärken, damit es auch für die Zukunft in Österreich aufwärts gehen kann und die österreichische Bevölkerung keine Angst davor haben muss, wenn sie Rindfleisch aus Österreich isst. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. Danach findet die Abstimmung statt. – Bitte.

9.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die BSE-Seuche ist eine Krankheit, ist ein Problem, das sich eben nicht an der Grenze aufhalten lässt oder kaum. Und das verdeutlicht die Dringlichkeit und Notwendigkeit, diese Fragestellung heute auf die Tagesordnung zu setzen.

Wir brauchen nämlich ein europaweites Verbot von Tiermehlen, zumindest ein Moratorium auf europäischer Ebene. (Abg. Schwarzenberger: Genau das habe ich gesagt! Diesen Vorschlag habe ich schon gemacht!) Dazu, meine Damen und Herren, brauchen wir einen Auftrag an den Landwirtschaftsminister, dazu muss er uns heute hier in diesem Haus Rede und Antwort stehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Tiermehlerzeugung ist eben äußerst problematisch. Kadaver – wir haben das schon diskutiert – werden immer noch auch in der Tierkörperverwertung eingesetzt. Tote Tiere, bei denen man Medikamente eingesetzt hatte, verendete Haustiere et cetera werden in Europa zu Tiermehlen verarbeitet. Es reicht nicht, wenn man immer darauf hinweist, dass in Österreich die Hygienisierungsmaßnahmen ausreichend eingehalten werden, wir haben hier ein europäisches Problem. In anderen Ländern ist das zum Teil nicht in dieser Strenge durchgeführt worden. Und wir haben kein Tiermehlverbot! Wo bleibt diese Ansage des Landwirtschaftsministers? Wo bleibt das Tiermehlimportverbot, meine Damen und Herren, wie das ganz klar der deutsche Landwirtschaftsminister gegenüber Frankreich verordnet hat? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Der Herr Landwirtschaftsminister ist säumig. Er hat uns noch nicht berichtet, wie viele Kontrollen er durchführen hat lassen. Wie sieht es tatsächlich mit der Tiermehlfreiheit von Rinderfuttermitteln aus? – Ich weiß sehr wohl, dass es in der Praxis zu Vermischungsproblemen kommt. Nur 1 500 Untersuchungen werden jährlich durchgeführt, 1 500 Futtermittelproben gezogen. Angesichts dieser Dramatik ist das zu wenig, und es müssen sofort entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, damit diese Ergänzungsfuttermittel wirklich ausschließlich tiermehlfrei sind.


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Meine Damen und Herren! Warum eine agrarpolitische Debatte in diesem Haus an diesem Tag? – Die Frage der Tierhaltung ist auch eine Frage der Massentierhaltung in dieser Europäischen Union, und dazu brauchen wir einen Auftrag an den Agrarminister. Wir brauchen endlich klare Tierbestandsobergrenzen, klare Kriterien, dass artgerechte Tierhaltung in Österreich Standard wird beziehungsweise Standard bleibt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Glaubwürdigkeit der österreichischen Rinderwirtschaft steht auf dem Spiel. Wir wissen, Rinder sind ein Exportartikel, aber wie wird der Landwirtschaftsminister im nächsten Agrarministerrat am 4. Dezember aussehen, wenn er bis dahin kein Tiermehlverbot in Österreich verordnet haben wird? Das nämlich ist die Dramatik. Frankreich hat das bereits durchgeführt, Deutschland auch, und wir wollen in diese Länder eventuell Rinder exportieren, ohne in Österreich sicherstellen zu können, dass hier keine BSE-Problematik besteht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Auch bei den Qualitätsmarkenprogrammen, die wir derzeit in Österreich haben, sehen wir die Versäumnisse der Regierungsfraktionen, der letzten Jahre, die Versäumnisse im Bereich der Markenpolitik, im Bereich der Konsumenteninformation. Sie wissen, wir haben Gütezeichen wie das AMA-Gütesiegel, die die Verfütterung von Fleisch- und Tiermehlen an Nichtwiederkäuer nicht verbieten. Die Verfütterung von Tier- und Fleischmehlen ist also grundsätzlich erlaubt.

Die Einführung flächendeckender BSE-Tests ist ein unbedingtes Muss, um die Glaubwürdigkeit der österreichischen Rinderwirtschaft zu sichern, weil nur dann, Herr Kollege Schwarzenberger, wirklich eine Zukunft für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern besteht, wenn der Rinderexport gesichert ist, wenn BSE-Kontrollen flächendeckend bei Tieren über 30 Monaten – denn erst dann sind diese Tests aussagekräftig – tatsächlich durchgeführt werden. Das müssen wir sofort umsetzen, das müssen wir sofort in konkrete Praxis überführen.

Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht so, dass wir in Österreich keine positiven Beispiele hätten. Wir haben auch eine Entwicklung in Richtung biologische Landwirtschaft. Wir wissen, dass im biologischen Landbau Tiermehle durch Richtlinien europaweit verboten sind.

Das ist die Herausforderung: eine klare agrarpolitische Debatte zu führen, die Weichenstellung jetzt vorzunehmen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) und die Agrarpolitik klar in Richtung ökologische Landwirtschaft, in Richtung biologischen Landbau umzusteuern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Auf Grund dieser Dramatik und auf Grund des Problems, dass diese Regierungsfraktionen nicht bereit dazu sind, darüber zu diskutieren, überreichen wir Ihnen, Herr Kollege Khol, Herr Kollege Westenthaler, Produkte, von denen wir nicht wissen, ob sie wirklich BSE-frei sind, ob sie kontrolliert sind. Bei dieser Verkostung ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist beendet, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (fortsetzend): Nur einen Satz noch, Herr Präsident Fischer: Auf Grund dieser Dringlichkeit werden wir heute einen Dringlichen Antrag für ein BSE-Sofortprogramm vorlegen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

*****

Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich noch bekannt, dass für die heutige Sitzung die Abgeordneten Dr. Antoni, Gaál, Dr. Povysil und Fischl entschuldigt sind.

*****


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Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar über den Antrag, die Tagesordnung zu ändern.

Ich lasse positiv abstimmen, das heißt, ich ersuche jene Abgeordneten, die den Einwendungen Rechnung tragen wollen und die dafür eintreten, dass das Budgetkapitel VIII, Land- und Forstwirtschaft, auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt werden soll anstelle der ausgegebenen Tagesordnung, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Daher bleibt es bei der ausgegebenen Tagesordnung.

*****

Ich trage noch nach, dass die Amtlichen Protokolle der 44. Sitzung vom 22. und 23. November, der 45. Sitzung vom 23. November und der 46. Sitzung vom 24. November aufgelegen und unbeanstandet geblieben sind.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich auf die gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung verteilte schriftliche Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortung: 1284/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Familienausschuss:

Antrag 327/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek und Genossen betreffend Jugend-Demokratiepaket "Beteiligung fördern, Wahlalter senken";

Gesundheitsausschuss:

Antrag 328/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Ausgliederung der Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchungen und -kontrolle;

Landesverteidigungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001 – HGG 2001) erlassen sowie das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (357 der Beilagen);

Verfassungsausschuss:

Antrag 329/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird;

Verkehrsausschuss:

Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich (308 der Beilagen);


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b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht der Bundesregierung betreffend das auf der 83. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 177) über Heimarbeit und Empfehlung (Nr. 184) betreffend denselben Gegenstand (III-72 der Beilagen).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den Selbständigen Antrag 330/A (E) der Abgeordneten Dr. Petrovic betreffend BSE-Sofortmaßnahmen dringlich zu behandeln. Es handelt sich also um einen Dringlichkeitsantrag, der um 15 Uhr zur Beratung und Verhandlung gelangen wird.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (310 und Zu 310 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (370 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Generalberichterstatter ist Herr Abgeordneter Fink. Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt mir aber nicht vor.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir werden die Beratungen – einer langjährigen Tradition folgend – so führen, dass allgemeine, eigentlich in die Generaldebatte gehörende Ausführungen im Zusammenhang mit der Beratungsgruppe II gemacht werden können.

Ferner ist beabsichtigt, die Beratungsgruppen I und II gemeinsam zu verhandeln.

Bei der Verhandlung des Bundesvoranschlages werden die entsprechenden Budgetkapitel am selben Sitzungstag, der mit dem Kalendertag nicht unbedingt identisch sein muss, jeweils zu Ende beraten werden.

Die vorgesehene Gliederung der Debatte und der Abstimmung im Sinne des § 73 Abs. 2 der Geschäftsordnung ist dem schriftlich verteilten Arbeitsplan zu entnehmen.

Gibt es gegen diese Vorschläge, insbesondere gegen die Gliederung der Debatte, Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was die Dauer der Debatten betrifft, haben wir in der Präsidialsitzung folgende Übereinstimmung gefunden: Es ist eine Tagesblockzeit von 10 "Wiener Stunden" vorgeschlagen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 195 Minuten, ÖVP und FPÖ je 145 Minuten, Grüne 115 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes, die 20 Minuten überschreitet, beziehungsweise die Redezeit eines Staatssekretärs, die 10 Minuten überschreitet, soll auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden. Das heißt, im Falle einer Überschreitung erhalten nicht die anderen Fraktionen zusätz


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liche Redezeit, sondern es wird jener Fraktion, der das betreffende Regierungsmitglied angehört, die entsprechende Redezeit abgezogen.

Ferner soll die Redezeit ressortfremder Regierungsmitglieder beziehungsweise Staatssekretäre ebenfalls vom Beginn an auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Ausgenommen davon ist die Redezeit der Frau Vizekanzlerin bei der unter Beratungsgruppe I und II abgehaltenen, am heutigen Tag stattfindenden Debatte, sofern diese 10 Minuten nicht überschreitet.

Das sind die Vorschläge aus der Präsidialkonferenz, über die das Hohe Haus zu befinden hat.

Ich frage daher: Gibt es Einwendungen oder Gegenstimmen? – Dies ist nicht der Fall. Dann werden wir in diesem Sinne vorgehen .

Beratungsgruppe I

Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei

Kapitel 02: Bundesgesetzgebung

Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof

Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof

Kapitel 05: Volksanwaltschaft

Kapitel 06: Rechnungshof

Beratungsgruppe II

Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen

Kapitel 13: Kunst

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wie bereits gesagt, gelangen wir nun zur gemeinsamen Beratung über die Beratungsgruppen I und II des Bundesvoranschlages für das Jahr 2001.

Auch der Herr Spezialberichterstatter wünscht nicht das Wort.

Daher können wir in die Beratungen eingehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Die Uhr ist auf 15 Minuten gestellt. Die Obergrenze der Redezeiten beträgt von der Geschäftsordnung her bekanntlich 20 Minuten. – Bitte.

9.54

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung, der Volksanwaltschaft und des Rechnungshofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was haben wir uns von der heutigen Budgetdebatte zu erwarten? – Es ist davon auszugehen, dass die Vertreter der Regierungsparteien – allen voran Herr Stummvoll – wieder herauskommen und in bekannter Lautstärke sagen werden: Es ist ein derartiger Scherbenhaufen und ein derartiger Schuldenberg hinterlassen worden (demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP – Abg. Dr. Partik-Pablé: Endlich sagen Sie die Wahrheit!), dass alle dramatischen Maßnahmen, die in diesem Budget vorgesehen sind, gerechtfertigt sind. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das ist die Ansage, die wir von den Regierungsparteien zu erwarten haben (anhaltende Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), und daher ... (Abg. Ing. Westenthaler: Das war die falsche Einleitung, Herr Kollege!) Sie


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bestätigen ganz offensichtlich meine prophetische Prognosefähigkeit durch Ihren Applaus, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben den falschen Text! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Endlich die Wahrheit!)

Wahrscheinlich wird Herr Klubobmann Khol mit ähnlich hymnischen Ausführungen über den Finanzminister an das Rednerpult treten, wie er das in den letzten fünf Jahren getan hat – nur mit dem Unterschied, dass der Finanzminister ein anderer war und der wirtschaftspolitische Kurs ein völlig anderer war, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben zu Beginn Ihrer Regierungszeit gesagt, Sie wollen nicht an den Worten, sondern an den Taten gemessen werden. Und wenn man einen umfassenden wirtschaftspolitischen Zugang hat (Abg. Dr. Partik-Pablé: Diesen Zugang haben Sie nicht!), dann ist es, glaube ich, fair, dieses Budget einer Bewertung zu unterziehen nach seiner Wirkung für die Defizitentwicklung, für das Wachstum, für die Inflation, für die Beschäftigung und für die Innovationskraft, die davon ausgeht, denn das sind ja letztendlich für die Entwicklung der österreichischen Volkswirtschaft ganz, ganz ausschlaggebende Kriterien.

Erster Punkt: Wachstumsentwicklung. Die ersten Vorlagen Ihres Budgets haben dazu geführt, dass die Prognoseaussichten der Wirtschaftsforschungsinstitute für das nächste Jahr massiv nach unten revidiert werden, und es ist nicht auszuschließen, dass sie am Ende des Jahres erneut nach unten revidiert werden und damit Österreich das erste Mal seit mehreren Jahren eine Wachstumsrate haben wird, die unter dem europäischen Schnitt liegt. – Das ist keine Spitzenleistung, Herr Bundeskanzler, sondern bedeutet die Gefahr des Abkoppelns vom europäischen Konjunkturzug. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweiter Bereich: Beschäftigung. Nach den jüngsten Untersuchungen ist völlig klar, dass man pro Jahr in etwa 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum braucht, um eine Entlastung in der Beschäftigungssituation – sprich: eine Reduktion der Arbeitslosigkeit – zu erreichen. In der Zwischenzeit wurde die Wachstumsprognose auf 2,8 Prozent reduziert. Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass am Jahresende die Wachstumserwartungen auf 2,5 Prozent reduziert werden und wir in Zeiten europäischer Hochkonjunktur damit am unteren Rand einer Entwicklung angelangt sind, bei der Wirtschaftswachstum noch zusätzliche Beschäftigung und Abbau von Arbeitslosigkeit bedeuten.

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehen von diesem Budget auch für die künftige Beschäftigungsentwicklung Gefahren aus, Gefahren, die nicht unbedingt im nächsten Jahr eintreten müssen, aber wir sind bereits an der Untergrenze der Beschäftigungswirkung des Wachstums angelangt. Und das ist ein bedenklicher Weg, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ.)

Was die Frage der Inflation betrifft, hat Österreich im vergangenen Jahr 0,8 Prozent Inflation gehabt, jetzt, im November des heurigen Jahres, haben wir 2,8 Prozent Inflation. Sie würden mit Recht einwenden, dass das in erster Linie durch die internationale Entwicklung hervorgerufen ist. Ich füge hinzu: Durch hausgemachte Steuer- und Abgabensteigerungen in Österreich ist die Inflationsrate das erste Mal seit sechs Jahren über dem europäischen Durchschnitt und nicht unter dem europäischen Durchschnitt. Das heißt, bei der Inflationsrate haben Sie es in der Tat geschafft, europäischer Spitzenreiter zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Frage stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich: Wie wird die Auswirkung auf die künftige Konjunktur aussehen, wenn am Beginn einer europäischen Konjunktur Österreich bereits eine Inflationsrate von 2,8 Prozent aufweist? Wenn wir nur ansatzweise die Konjunktur mitnehmen können, gehen davon natürlich auch inflationstreibende Effekte aus, und man wird sich anschauen, wie die Europäische Zentralbank auf eine solche Entwicklung reagiert. – Daher, Herr Bundeskanzler: Es geht nicht um ein kurzfristiges Ziel, es geht um eine langfristige Stabilisierung des wirtschaftlichen Wachstums, denn nur das sichert Beschäftigung und Wohlstand in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu dem, was die Frage der Innovationskraft dieses Budgets betrifft. Sie haben ja große Neuerungen angekündigt. Ich war sehr erstaunt, als ich vergangenen Samstag lesen musste,


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dass eine Ihrer wesentlichen Antworten darin besteht, dass Sie, nachdem Sie jetzt Änderungen im Pensionssystem durchgeführt haben, schon wieder über die Veränderung des gesetzlichen Pensionsalters nachdenken, und zwar – vor dem Hintergrund der Konjunktur – mit dem Argument, dass uns in Österreich die Arbeitskräfte ausgehen könnten.

Herr Bundeskanzler! Ich weiß nicht, ob Sie sich schon einmal, ein einziges Mal der Mühe unterzogen haben, an einem Samstag die Stellenangebote der österreichischen Zeitungen zu lesen. (Abg. Haigermoser: Suchst du einen Posten? – Abg. Ing. Westenthaler: Kollege Gusenbauer, suchen Sie schon einen Job?)

Sie werden dort Folgendes finden: Gesucht werden Sekretärinnen unter 30 Jahren, IT-Mitarbeiter unter 30 Jahren, Facharbeiter unter 40 Jahren, Monteur nicht älter als 35 Jahre. Sie werden kaum eine einzige Anzeige finden, in der ein Betrieb Menschen in Österreich sucht, die über 65 Jahre alt sind. Alle Betriebe wollen junge und gut ausgebildete Mitarbeiter, und in diesem Bereich haben wir einen Mangel. Mit Ihrer Erhöhung des Pensionsantrittsalters werden Sie dieses Problem nicht beseitigen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich die Frage, ob hinter Ihrem Vorschlag wirklich nur der Mangel an Arbeitskräften steckt, denn wir haben nach wie vor in Österreich eine Arbeitslosenrate, die zwar international gering ist, aber jedes Jahr sind es doch rund 500 000 Menschen, die ihren Arbeitsplatz wechseln und kurzfristig arbeitslos sind.

Es wäre überhaupt kein Problem, mit Maßnahmen der Arbeitsmarktverwaltung, mit Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in Österreich 20 000 zusätzliche Arbeitskräfte im Bereich von e-Commerce und Internet auszubilden. Wir könnten diesen Mangel beseitigen! Es fehlt nur der politische Wille und das Geld, das Sie für diese Qualifikationsmaßnahmen nicht zur Verfügung stellen wollen, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher erhebt sich schon die Frage: Geht es Ihnen um Qualität, geht es darum, ob Österreich ein zukunftssicherer Arbeitsplatz ist, oder geht es im Kern darum, zentrale Elemente des Sozial- und Wohlfahrtsstaates abzubauen?

Es musste zwar Frau Sickl zurücktreten, weil sie ein gesetzliches Pensionsantrittsalter von 67 Jahren vorgeschlagen hat, aber nur wenige Monate danach machen Sie mit einer anderen Begründung letztendlich den gleichen Vorschlag. Ich habe daher den Eindruck, es geht Ihnen nicht um den Arbeitsmarkt, sondern es geht Ihnen in Wirklichkeit um Kürzungen für die Pensionisten in unserem Land. Das ist ganz offensichtlich Ihre Zielsetzung! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Bereich der Wirtschaftspolitik hat dieses Jahr sehr stark beeinflusst, das war die Frage der Privatisierung. Sie haben sie auf die Tagesordnung gesetzt und gemeint, Privatisierung sei ein ganz, ganz wesentlicher Ansatz zur Modernisierung des Wirtschaftsstandortes.

Sie haben schon Recht damit, dass in den neunziger Jahren in Österreich in einer hervorragenden Art und Weise Privatisierungen und Teilprivatisierungen von staatlichen Unternehmungen durchgeführt wurden, die dazu geführt haben, dass es sich dabei inzwischen um außerordentlich profitträchtige, gut funktionierende und moderne Unternehmen handelt. Das war die Erfolgsgeschichte der österreichischen Privatisierungen, die seinerzeit unter Rudolf Edlinger und Viktor Klima vorgenommen wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber haben Sie auf diesem Sektor in diesem Jahr gemacht? – Es hat die Versteigerung der UMTS-Lizenzen gegeben. Da Sie sich immer auf die Vorgänger-Regierung ausreden, weise ich darauf hin, dass Minister Einem geplant hatte, diese Versteigerung im März dieses Jahres durchzuführen, und zwar ausgehend von der Überlegung, dass man dann, wenn man diese Versteigerung früher durchführt, erstens einen höheren Ertrag erwirtschaften kann und zweitens die Möglichkeit der Technologieführerschaft gegeben ist, was gerade in einem Land wie Österreich mit einer 70-prozentigen Handy-Durchdringung eine gute Möglichkeit gewesen wäre.

Ihr Verkehrsminister Schmid hat das ganze Problem auf den Herbst verschoben und zu diesem Zeitpunkt dann aus dieser Versteigerung 11,4 Milliarden Schilling lukriert – ich wiederhole:


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11,4 Milliarden Schilling –, aber in Wirklichkeit haben Sie selbst damit gerechnet, dass 20 oder 30 Milliarden Schilling zu lukrieren gewesen wären. Das heißt, Sie sind erstens zu spät gekommen, und zweitens haben Sie bedeutend weniger eingenommen als andere vergleichbare europäische Staaten. – Das war der erste tatsächliche Fehlschlag einer Wirtschaftspolitik, die diese Bundesregierung angerichtet hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Und als das mit der Versteigerung und den erhofften Einnahmen nicht funktioniert hat, ist dann das Ersatzargument gekommen. Es hat geheißen, es sei günstig, dass der Ertrag der UMTS-Versteigerung nur so wenig bringe, denn das schaffe eine günstige Voraussetzung für die Telekom-Privatisierung. Mit diesen geringen Kosten werde die Telekom-Aktie günstig auf den Märkten placiert werden können, und der geringere Ertrag aus der UMTS-Handy-Lizenz wird sich in einem höheren Ertrag bei der Telekom niederschlagen.

Ich weise darauf hin, dass es der Finanzminister war, der am Beginn dieses Jahres gemeint hat, beim Verkauf der Telekom-Aktien gehe es in erster Linie darum, den Ertrag zu maximieren. Vor wenigen Wochen hat er noch gemeint, 20 Euro wären ein fairer Preis. Dann wurde – völlig dilettantisch – ein viel zu breites Preisband zwischen 12 und 20 Euro festgesetzt. So etwas ist international völlig unüblich! Dann musste man noch unter dieses Preisband gehen, nämlich auf neun bis 12 Euro. Und letztendlich haben Sie durch die Privatisierung eines Viertels der Telekom-Aktien nicht einmal die Hälfte des Ertrages bekommen, den die frühere Regierung bei der Veräußerung des gleichen Aktienpaketes erzielt hat. Das ist die größte Verschleuderung von Volksvermögen, die jemals in Österreich stattgefunden hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und nun kommt das neue Argument des Finanzministers: Er meint, man habe das nicht wegen des Ertrags gemacht, sondern um die Wiener Börse zu retten und den Aktienmarkt in Österreich zu stimulieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! 90 000 Menschen haben diese Aktien gekauft, und 30 000 davon haben zum ersten Mal Aktien gekauft. Was, glauben Sie, denken diese Menschen über den Wiener Aktienmarkt und über die Wiener Börse, wenn sie eine Aktie um neun Euro kaufen, die bereits binnen weniger Tage auf unter acht Euro absinkt? – Das war keine gute Investition in den Börseplatz Wien. Das wird viele Österreicherinnen und Österreicher in Zukunft davon abhalten, solche Aktien zu kaufen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre zwei wesentlichen wirtschaftspolitischen Projekte in diesem Jahr sind also, was die Privatisierung betrifft, ein Schlag ins Wasser gewesen. Und wenn Sie sich Ihrer wirtschaftspolitischen Kompetenz rühmen, dann sollten Sie die einschlägigen Kommentare der österreichischen Zeitungen lesen, die inzwischen auch erkannt haben, dass hier nicht Reform gemacht, sondern nur mit Wasser gekocht wird, und dass eine blinde Privatisierungswut vorhanden ist, die nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Na zdorovje!)

Sie haben aber eine Reihe von Punkten in Ihrem Budget ausgelassen. Sie haben zum Beispiel jegliche Art von sozialer Ausgewogenheit ausgelassen. Und das Lächerlichste sind wohl jene Inserate, die Sie jetzt gegen zweistellige Millionenbeträge in den österreichischen Zeitungen schalten (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kennen Sie das von Herrn Häupl?) und in denen Sie behaupten, dass die Belastung der Österreicherinnen und Österreicher bis zu einem Bruttoeinkommen von 30 000 S durch Ihr Sanierungspaket null Schilling betragen werde.

Ich rufe alle Österreicherinnen und Österreicher auf, ab dem 1. Jänner des nächsten Jahres den Blick ins Geldbörsel zu wagen und festzustellen, ob ihnen das gesamte Jahr über vom Finanzminister kein einziger Schilling weggenommen wird, obwohl die Aufteilung der Gesamtlasten des Budgets durchschnittlich 14 400 S pro österreichischem Steuer- und Abgabenzahler betragen wird. Meine Damen und Herren! Das ist Irreführung auf Steuerzahlerkosten! (Beifall bei der SPÖ.)

Die mangelnde soziale Ausgewogenheit Ihrer Maßnahmen haben wir bereits des Öfteren erörtert. Aber ein Beispiel ist doch frappierend: Für jene 500 Milliarden Schilling, die in österreichischen Stiftungen lagern – und für den dafür unter Umständen 40 bis 50 Milliarden Schilling be


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tragenden jährlichen Zuwachs an Vermögen –, führen Sie eine Steuer ein, die unter Umständen eine Milliarde Schilling einbringt, vielleicht sogar nur 500 Millionen. Das heißt, Sie nehmen dort nur einen minimalen Bruchteil als Beitrag ein.

Auf der anderen Seite beträgt der Gesamtumfang der österreichischen Unfallrenten 6 Milliarden Schilling. Diesem Bereich nehmen Sie 2 Milliarden Schilling weg, das ist ein Drittel! Sie sind gnädig gegenüber den Stiftungsbesitzern, aber gnadenlos gegenüber den Unfallrentnern! Das kennzeichnet Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Budget hat daher nichts mit Zukunftssicherung zu tun, es hat nichts mit sozialer Ausgewogenheit zu tun, und es zeigt keinerlei wirtschaftspolitische Kompetenz. Es ist ein phantasieloses Umverteilungsprogramm, ein phantasieloses Programm auf Kosten der Zukunft unseres Landes und letztendlich ein Programm, das die Gefahr in sich birgt, dass Österreich vom europäischen Wachstumszug abgekoppelt und in dieser Frage wirklich "einzigartig" sein wird. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Ich erteile ihm das Wort. Die Uhr ist auf 20 Minuten gestellt. – Bitte.

10.12

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Herr Kollege Gusenbauer, es war schon eine interessante Offenbarung und lässt aufhorchen, dass Sie heute dem Hohen Haus mitgeteilt haben, dass Sie in den Tageszeitungen jetzt schon statt der innenpolitischen Seiten die Stellenangebote lesen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wenn das einen tieferen Grund hat, dann werden das die Kollegen von den Medien sicher bei Ihnen hinterfragen. Vielleicht sind Sie auf der Suche – aber das ist ja Ihre Angelegenheit, Herr Kollege Gusenbauer. (Abg. Schwarzenberger: Aber er war für alle Stellen schon zu alt!)

Aber man muss zu Beginn dieser Generaldebatte doch auf eine sehr ernste Angelegenheit zu sprechen kommen, Herr Kollege Gusenbauer, und das kann ich Ihnen heute nicht ersparen.

Sie haben in den vergangenen Stunden via Fernsehen und auch via Radio der demokratischen Regierung Österreichs ihre demokratische Legitimität abgesprochen. Sie haben davon gesprochen, dass diese Regierung nicht gewählt worden ist, sondern sich selbst ernannt hat. Sie haben davon gesprochen dass diese Regierung deshalb auch demokratiepolitisch nicht legitimiert ist, weil sie keinen Regierungsbildungsauftrag des Bundespräsidenten hatte, obwohl Sie genau wissen, dass der Herr Bundespräsident diese Bundesregierung angelobt hat.

Herr Kollege Gusenbauer! Sie setzen mit dieser Rhetorik dort fort, wo Sie bei Ihrer Europa-Rundreise vor dem Sommer in Champagner-Laune begonnen haben, und zwar mit der ständigen Außerkraftsetzung des Wahlergebnisses vom 3. Oktober 1999 und mit der ständigen Negierung des demokratischen Zustandekommens dieser Regierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Und das ist das Verwerfliche, das wir so ablehnen!

Sie haben auch diesmal wieder den Zeitpunkt sehr genau gewählt. Es ist wieder einmal – genauso wie vor dem Sommer, im Frühjahr dieses Jahres – ein Zeitpunkt, zu dem Österreich im internationalen Rampenlicht steht, da eine große Konferenz, die OSZE-Konferenz, hier im Lande stattfindet. Und ich frage mich schön langsam, Herr Kollege Gusenbauer: Wissen Sie eigentlich, was Sie tun? – Wenn Sie das nämlich wüssten, dann würden Sie nicht nur fluchtartig diesen Saal verlassen, sondern dann würden Sie auch wissen, dass Sie mit solchen Aussagen, die Sie in der "Pressestunde" und auch danach getätigt haben, Österreich großen Schaden zugefügt haben, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Es hat am 3. Oktober 1999 freie demokratische Wahlen mit einem eindeutigen Ergebnis gegeben. – Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, Herr Gusenbauer, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden.

Es hat zwei gewählte Parteien gegeben, die eine Regierung gebildet haben. – Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Gusenbauer, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. )

Die Regierung Österreichs basiert auf einer Mehrheit hier im Hohen Hause. – Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Gusenbauer, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden.

Diese Regierung und ihre Minister sind allesamt lupenreine Demokraten, Herr Kollege Gusenbauer. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden.

Und letztlich hat – ich wiederhole das noch einmal – der Bundespräsident der Republik Österreich diese Bundesregierung auch angelobt. – Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie all das jetzt verbal in Frage stellen, die Demokratie in Österreich tatsächlich nicht verstehen und verbal zu zündeln beginnen, dann werden die Demokraten nicht nur hier im Haus, sondern alle Demokraten im ganzen Land Sie an den Wahlurnen der nächsten Wahlen in die Schranken weisen, Herr Kollege Gusenbauer! Das werden Sie spüren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sind hier im Hause erst vor kurzem gescheitert und ordentlich demaskiert worden, nämlich als Sie noch am Freitag eine direktdemokratische Entscheidung der Bevölkerung mittels eines Antrages vorweg präjudizieren wollten, die dann ganz anders ausgegangen ist, als Sie sich das vielleicht gewünscht haben.

Sie untergraben mit Ihren verbalen Entgleisungen und all diesen Aktionen die Demokratie des Landes, das freie Wahlrecht, die Mitbestimmung der Bevölkerung und letztlich unseren Parlamentarismus. Daher kann man es Ihnen nicht deutlich genug sagen, dass Sie bei uns allen auf wirklich erbittertsten Widerstand stoßen werden, wenn Sie sich weiterhin anmaßen, unser schönes Land, unsere feste Demokratie auf eine Ebene mit putschartigen Gebilden von Bananenrepubliken zu stellen! Das lehnen wir ab, und das sollten auch Sie sich endlich einmal abgewöhnen, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Schreiben Sie sich das ins Stammbuch, Herr Kollege Gusenbauer! Schreiben Sie sich das ins Stammbuch (Abg. Dr. Gusenbauer dreht dem Redner den Rücken zu und spricht mit einem Klub-Mitarbeiter)  – auch wenn Sie lümmelnd und nicht zuhörend in der ersten Reihe sitzen. – Jemand, der unser demokratisches Gefüge derart in Frage stellt, sollte sich auch selbst ernsthaft die Frage stellen, ob er hier in diesem Haus noch am richtigen Platz ist! Stellen Sie sich diese Frage! Beantworten Sie sich diese Frage selbst! Ich glaube, es wäre an der Zeit, dass Sie Ihre Konsequenzen ziehen, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber jetzt weg von diesem unerfreulichen Demokratieverständnis hin zum Erfreulichen, nämlich zum Budget 2001.

Wir erinnern uns an die Budgetdebatte zum Budget 2000, als alle Oppositionsparteien, viele Kritiker und auch viele Kommentatoren gemeint haben: Na ja, das letzte Budget, das war die Aufwärmphase, das war das Notprogramm, das war das Lehrlingsstück des Finanzministers, aber das Budget 2001 wird es dann in sich haben. Das wird die Meisterprüfung für den Finanzminister werden!


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Van der Bellen hat gesagt: Der wahre Test kommt mit dem Budget 2001. Die Nagelprobe, so schrieb etwa die "Kleine Zeitung", wird das Budget 2001. Von einer Aufwärmphase wurde gesprochen. Das Notprogramm 2000 sei noch lange nichts gegenüber den Problemen beim Budget 2001. Die Opposition, Gusenbauer, Edlinger, meinten: 2000, okay, das ist noch schnell zusammengestrickt, aber 2001 kommt das dicke Ende für diese Regierung. Das dicke Ende kommt mit dem Budget 2001.

Heute haben wir nicht das dicke Ende, sondern eine schlanke Regierung mit einem guten Budget, das wir auch locker vertreten können, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte an dieser Stelle Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und der Regierung für dieses Budget tatsächlich Lob zollen.

Lieber Herr Finanzminister! Wenn es tatsächlich so ist, dass dieses Budget die Meisterprüfung war, dann ist sie nicht nur bestanden worden, sondern dann ist das ein wunderbarer Beginn einer neuen österreichischen Erfolgsstory mit einer neuen Regierung, bei der wir gerne mitmachen und mit der wir gerne mitgehen, lieber Herr Finanzminister! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist dies der goldrichtige Weg – eine Konsolidierung zur richtigen Zeit, mit sehr viel Fingerspitzengefühl für hohe soziale Gerechtigkeit bei gleichzeitiger Sicherung des Wirtschaftsstandortes und auch einer spürbaren Verbesserung am Arbeitsmarkt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Eckpunkte dieser Erfolgsstory lassen sich bereits festmachen. Wir haben hervorragende Wirtschaftsdaten, wir haben hervorragende Arbeitsmarktdaten. 3,5 Prozent Wachstum, 3,5 Prozent Arbeitslosenquote. Jeder Arbeitslose ist natürlich zu viel, aber wir liegen mit diesem Wert an dritter Stelle in Europa. Wir haben nahezu keine Jugendarbeitslosigkeit, aber die beste Exportquote und die besten Investitionsquoten.

Die Europäische Union diagnostiziert – und das ist ganz interessant, da Kollege Gusenbauer und die SPÖ jetzt immer das Beispiel Deutschland strapazieren und meinen, die Deutschen machen es besser und wir sollten uns an ihrem Beispiel orientieren – für Österreich ein stärkeres Wachstum als für Deutschland. Das sollte uns stolz machen, denn all diese positiven Entwicklungen passieren in einer Zeit der strengen Budgetkonsolidierung, die auf Grund des Erbes der sozialistischen Finanzpolitik nötig ist. Deshalb ist es eine entscheidende Weichenstellung – nicht nur eine entscheidende Weichenstellung, sondern geradezu ein großer Erfolg –, dass wir sagen können: Nach drei Jahrzehnten sozialistischer Finanzpolitik machen wir ab dem Jahre 2001 keine weiteren Schulden mehr. Das ist doch das Große an diesem Budgetwerk, bei dem alle mitgehen und das auch unterstützen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich verstehe daher auch nicht die defensive, ja geradezu kontraproduktive, destruktive Haltung vor allem der SPÖ in der Opposition. Noch im August hat Gusenbauer nach dem zweiten Reformdialog gemeint, na ja, beim Ziel, ab dem Jahre 2001 keine Schulden mehr zu machen, können wir mit, aber die Wege müssen diskutiert werden. – Heute ist alles anders. Heute heißt es: Pause! Die SPÖ will in die Hängematte. Sie will Pause machen. Sie will das Budget nicht sanieren. Man soll beim Wachsen des Schuldenbergs zuschauen, während die Österreicher die Zinsen dafür zahlen. Wir müssen daher deutlich sagen, dass dieser sozialdemokratische Weg falsch ist und eine Warnung an die Österreicherinnen und Österreicher sein muss, denn sie wissen bereits aus der Vergangenheit, was das bedeutet.

Im Jahre 1992 waren es noch 988 Milliarden Schilling Staatsverschuldung, im Jahre 2000, acht Jahre später, bereits 2 000 Milliarden Schilling. 1996/1997 gab es zwei Belastungspakete mit Steuererhöhungen in der Höhe von 100 Milliarden Schilling, aber Schulden und Defizit sind weiter angestiegen. Wir hatten im Jahre 1999 noch unter einem sozialistischen Finanzminister eine Rekordsteuerquote von 44,7 Prozent, die bisher unübertroffen geblieben ist. Wir hatten im Jahre 1999 noch 54,1 Prozent Staatsausgaben im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt, während


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wir bereits im Jahre 2002 mit 49,5 Prozent fahren werden, also 5 Prozent weniger. Das ist eine deutliche Reduktion der Ausgabenquote, das heißt nichts anderes, als dass wir in erster Linie ausgabenseitig sparen, und zwar in der Verwaltung, bei der Bürokratie, in den Ministerien und bei der Politik, dort, wo es die Menschen verlangen, meine Damen und Herren, und dort, wo es auch richtig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben nicht nur die Pensionen gesichert – auch wenn SPÖ-Politiker weiterhin Horrorszenarien malen –, wir haben auch eine Verwaltungsreform mit einem neuen Management auf Schiene gebracht. Und wir haben vor allem – und das ist mir besonders wichtig – soziale Gerechtigkeit über all die budgetären Maßnahmen vereinbart, die in Wirklichkeit das Herzstück der Sanierung sein soll und sein wird. Wenn wir das Budget 1999 mit jenem von 2001 vergleichen, so gibt es für das untere Einkommensdrittel eine Entlastung in der Höhe von 5,5 Milliarden Schilling, meine Damen und Herren.

Das ist unsere soziale Verantwortung, das unterscheidet uns auch von früheren Budgets, dass nämlich Menschen mit weniger als 30 000 S mehr Geld in der Tasche bleibt, Herr Kollege Gusenbauer, nicht weniger! (Abg. Dietachmayr: Sie haben dagegen gestimmt! Gegen die Sparreform und das Familienpaket! Er begreift das nicht!) Wenn Sie hier die Österreicher von dieser Stelle aus auffordern, in ihrem Geldbörsel nachzuzählen, dann kann ich Sie beruhigen: Wir haben das schon getan. Wir haben schon nachgezählt, etwa bei einem Haushalt, bei einer Alleinerzieherin mit einem Kind unter 10 Jahren: Bruttoeinkommen 19 000 S, Entlastung im Budget 2001 im Vergleich zum Budget 1999: 4 660 S. (Abg. Huber: Das stimmt doch nicht!) Oder: Alleinerzieherin mit zwei Kindern unter 10 Jahren: 20 000 S brutto, Entlastung im Budget 2001 im Vergleich zum Budget 1999: 7 593 S. (Abg. Dietachmayr: Sie sagen immer wieder die Unwahrheit! Sie haben dagegen gestimmt! Stehen Sie dazu!)

So könnte ich Ihnen noch viele Beispiele nennen. Zwei Verdiener in einer Familie mit zwei Kindern unter 10 Jahren: monatliches Bruttoeinkommen 28 000 S beziehungsweise 18 000 S, Entlastung im Budget 2001 im Vergleich zum Budget 1999: 10 823 S, meine Damen und Herren. (Abg. Dietachmayr: Er will es nicht begreifen! Bewusste Irreführung der Bevölkerung!)

Das ist das soziale Gewissen der Regierung: mehr Kaufkraft, mehr Kindergeld, weniger Lohnsteuer und keine Steuererhöhungen im Massensteuerbereich (Abg. Dietachmayr: Sie haben dagegen gestimmt! Stehen Sie dazu!), keine Tariferhöhungen, Verbesserungen für Arbeitnehmer im Krankheits- und Dienstverhinderungsfall, 1 Milliarde Schilling mehr für Behinderte, aber 100 Millionen Schilling weniger für Politiker. Das ist unsere soziale Verantwortung, die wir jederzeit einer Überprüfung unterziehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung tut alles, um die Arbeitsmarktsituation in diesem Land weiterhin zu verbessern. Wir haben die geringste Arbeitslosenrate seit langem, aber wir geben uns nicht damit zufrieden. Wir wollen noch besser werden, wir wollen nicht nur das Erreichte sichern, sondern sicherstellen, dass auch in Hinkunft die Arbeitslosigkeit im Sinken begriffen bleibt. Deshalb bin ich auch dem Finanzminister und der Bundesregierung sehr dankbar dafür, dass es zu einer Erhöhung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik von 8,8 Milliarden auf 10,1 Milliarden Schilling kommen wird. Das ist wichtig: Aktive Arbeitsmarktpolitik ist auch aktive Armutsbekämpfung, die dringend notwendig ist, weil Sie von der SPÖ durch Ihr Erbe uns 1 Million Menschen, 1 Million an der Armutsgrenze lebende Österreicher hinterlassen haben. Deswegen werden wir handeln und auch aktive Arbeitsmarktpolitik im Sinne der Armutsbekämpfung durchführen, meine Damen und Herren, was dringend geboten und notwendig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Keine Budgetdebatte ohne Fragen des Stils, wie diese nämlich geführt wird. Die Regierung hat in sehr großer Form zwei Reformdialoge durchgeführt. Am ersten hat die Opposition nicht teilgenommen, am zweiten dann schon. Es hat Sozialpartnerverhandlungen in Detailbereichen gegeben, es hat eine ergiebige Behandlung dieses Budgets im Parlament gegeben. Das ist demokratiepolitisch in Ordnung, und das ist auch der ordentliche Umgang miteinander. Diese Regierung sucht, findet den Dialog, denn nur gemeinsam können wir


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diese Probleme auch meistern. Im Gegensatz dazu die Opposition: Diskussionsverweigerung, Mobilisierung der Straße, Destruktion, Fundamentalopposition.

Ich verstehe nicht, dass Sie auch trotz großer Kritik in der Bevölkerung, auch quer durch alle Kommentatoren und quer durch die politischen Beobachter, weiterhin daran festhalten und außerparlamentarisch sozusagen die Straße mobilisieren; am 5. Dezember wieder, wozu seitens der Exekutive bereits mitgeteilt wird, dass es möglicherweise zu chaotischen Zuständen kommen wird.

Herr Präsident des ÖBG, Herr Verzetnitsch! Sie sollten wirklich danach trachten, die Argumente hier im Hause zu bringen, die Argumente hier zu bringen, hier mit uns zu diskutieren – und nicht weiterhin die Straße zu mobilisieren, denn das schadet auch Österreich und das ist kein gutes Bild, das da geliefert wird, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Höhepunkt dieser Destruktion war natürlich – ich habe es bereits zu Beginn gesagt – die "Pressestunde" des Herrn Kollegen Gusenbauer, in der er der Regierung die demokratiepolitische Legitimität abgesprochen hat. Das permanente Negieren von Wahlergebnissen, Herr Kollege Gusenbauer, ist einfach fehl am Platz. Wenn Sie es sich genau überlegen, was Sie da gesagt haben, und zwar dass die Regierung vor der Wahl etwas anderes gesagt hätte und deshalb demokratiepolitisch nicht legitimiert wäre, ja da muss man doch ernsthaft die Frage stellen, ob Sie selbst demokratiepolitisch legitimiert sind. Sie waren auch nicht Spitzenkandidat Ihrer Partei, sind aber heute deren Chef, der Oppositionschef hier im Hohen Haus. (Abg. Edlinger: Das ist eine Angelegenheit der Partei!) Sie haben daher, wenn Sie Ihre Meinung tatsächlich ernst nehmen, selbst keine demokratiepolitische Legitimität, Herr Kollege Gusenbauer. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber das sind eben die Winkelzüge, die nicht mehr nachvollziehbaren Winkelzüge der sozialistischen Opposition, die noch immer nicht weiß, dass sie Opposition ist. Sie verlangen eine Volksabstimmung über die Hunderte Seiten umfassenden Budgetbegleitgesetze, die Sie dann letztlich nicht in die Realität umsetzen können. Sie sprechen von der Nominierung – und das seit einem halben Jahr – eines Schattenkabinetts, scheitern aber in der "Pressestunde" daran, Namen zu nennen. Ist ja kein Wunder, denn wer gibt schon seinen Namen als Schatten her? – Das ist keine Frage.

Deswegen wird es Ihnen auch nicht gelingen, ein Schattenkabinett aufzustellen, aber auch wenn es gelingt, kann das wirklich nur ein Schatten dieser guten Regierung sein und wird es auch bleiben, Herr Kollege Gusenbauer. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie wechseln andauernd die Richtung. Im August stehen Sie zu dem Budgetziel, keine Schulden mehr zu machen. Ende November, Anfang Dezember ist alles anders: Sie haben keine Ideen, aber Sie sagen, Sie wollen eine Pause machen. Sie sprechen von Koalitionswechseln, die Ihnen angeboten werden, scheitern aber auch da daran, Namen zu nennen. Sie haben auf der einen Seite nach wie vor eine Parteipleite in der Höhe von 350 Millionen Schilling in der eigenen Kasse, sprechen aber auf der anderen Seite von einer Mietenpolitik, bei der Sie die Mieter vertreten wollen. Sie warnen vor zu hohen Mieten und haben selbst eine Parteizentrale in der Löwelstraße, für die Sie nicht 200 oder 250 S Miete pro Quadratmeter zahlen, was normal wäre, sondern nur 56 S Miete pro Quadratmeter. Und das ist ein Skandal, den wir immer wieder aufzeigen werden! Solange Sie Ihre Mieten nicht auf den Stand setzen, der dem entspricht, was alle anderen Österreicher in dieser Lage auch zahlen, so lange haben Sie in der Mietenpolitik keine Glaubwürdigkeit und müssen auch daran scheitern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Letztlich haben Sie ein ganz persönliches Debakel, nämlich das der Bank Burgenland, verursacht, das jeden Burgenländer im Haftungsfalle 16 000 S kosten wird. Das ist Ihre Finanz- und Bankenpolitik, mit der Sie letztlich ein halbes Landesbudget verbrauchen, um Ihren Skandal wieder aufarbeiten zu können.

Meine Damen und Herren! All diese schweren strategischen Fehler einer Partei, die noch immer nicht ihren Abschied von der Macht verkraftet hat, machen es uns eigentlich leicht. Deshalb


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sollten wir hier auch relativ locker sein, denn eigentlich kann man sich ja nur eines wünschen: Machen Sie so weiter! Machen Sie nur so weiter mit Ihrer Politik! Sie werden täglich aufs Neue widerlegt, auch von Experten, von vielen Experten. Ich möchte nur einen von ihnen zitieren, und zwar den Chef des Internationalen Währungsfonds: Lob für Österreichs Budget. Österreich ist auf einem guten wirtschaftspolitischen Kurs. Die Reformanstrengungen werden zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, der Wachstums- und Beschäftigungspolitik dienen. – Ein unverdächtiger Mann, der Chef des IWF, Köhler, hat das gesagt.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Das Motto Ihrer sozialistischen Budgetpolitik war jahre- und jahrzehntelang nichts anderes, als Enttäuschungen gleichmäßig zu verteilen. Wir stellen sicher, dass die Österreicherinnen und Österreicher ihre Hoffnung in diese Regierung bei der Budgeterstellung erfüllt sehen. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Die Uhr ist auf 20 Minuten gestellt. – Bitte.

10.31

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Westenthaler! Mit dem Nulldefizit als solchem habe ich keine großen Probleme. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass wir den Weg, den Sie mit den Budgetbegleitgesetzen eingeschlagen haben, für nicht richtig halten. Wir halten die verteilungspolitischen Auswirkungen der Budgetbegleitgesetze und daher auch des Budgets für nicht akzeptabel. Insbesondere kulminiert das zum Beispiel bei den Maßnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung.

Wir glauben auch, dass Sie im Gegensatz zu Ihren offiziellen Äußerungen kein Armutsbekämpfungsprogramm vorlegen, sondern – ganz im Gegenteil! – damit punktuell bei Langzeitarbeitslosen, Alleinerziehenden und kinderreichen Familien, in denen jemand arbeitslos wird, die Armutsgefahr deutlich erhöhen. Das haben wir alles schon diskutiert.

Ich frage mich zwischendurch, wieso die FPÖ von ihrem Pfad der Tugend, nämlich, wie sie sich selbst bezeichnet, die "Partei des kleinen Mannes" zu sein, in den Budgets für die Jahre 2000 und 2001 so abgewichen ist. Erst in den letzten Wochen wurde mir klar, es könnte damit zusammenhängen, dass die FPÖ eine eigenartige Finanzierungsstruktur hat, nämlich im Gegensatz zu den anderen Parteien sehr reiche Gönner – Herr Trattner hört mir leider nicht zu (Abg. Mag. Trattner: Entschuldigung! Ich horche Ihnen gern zu!), aber das macht nichts, ich werde Ihnen dann das Protokoll zuschicken –, und das könnte schön langsam etwas mit der Politik der FPÖ zu tun haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir hatten – ich werde das nicht wiederholen, das ist alles schon gut dokumentiert – wesentliche Einwände gegen die verteilungspolitischen Auswirkungen. Ich glaube, dass dieses Budget erstens sehr wesentlich zu Lasten der unteren Einkommensschichten geht und zweitens keine Visionen enthält. Sparen ist gut und schön, Budgetkonsolidierung ist gut, das Defizit senken ist gut, aber Sie müssen eben gleichzeitig etwas inhaltlich Positives bieten, eine Zukunftsinvestition glaubhaft machen – finden wir  –, insbesondere im Bereich der Bildung, der Forschung und Entwicklung, der Wissenschaft. Dort müssen Sie einen Schwerpunkt setzen, den man im Budget auch wieder findet. – Das ist nicht der Fall.

Das ist nicht der Fall, ganz abgesehen davon, dass im ökologischen Bereich erwartungsgemäß nichts weitergeht. (Abg. Mag. Trattner: Herr Kollege Van der Bellen! 10 Milliarden für Technologie und Forschung!) Die Klimamaßnahmen wurden im Zusammenhang mit der Reform der Wohnbauförderungsmittel de facto an die Länder delegiert; und sonst sehen wir nichts, außer dass die Quersubventionierung des LKW-Verkehrs nach wie vor aufrecht bleibt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Einem. )

Dieses Budgetbegleitgesetz ist ein Trauerspiel. Das ist alles schon dokumentiert. Wir haben eine abweichende Stellungnahme geschrieben. Ich werde diese jetzt nicht wiederholen, sondern versuchen, zum eigentlichen Thema noch etwas zu sagen.


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47. Sitzung / Seite 29

Die Erreichung des Nulldefizits bis zum Jahre 2002: Ich meine, selbstverständlich ist in einer guten Konjunkturlage das Budgetdefizit zu reduzieren. Wenn nicht jetzt, wann denn dann? – Ich persönlich – und nicht alle meine Parteikolleginnen und -kollegen gehen damit konform – habe auch nicht dieses Riesenproblem mit dem Nulldefizit bis 2002. Das sage ich Ihnen ganz offen. Natürlich gibt es ökonomisch keine echte Begründung für den einen oder für den anderen Endtermin. Ökonomisch begründen lässt sich jener von Kollegen Gusenbauer mit 2004 wahrscheinlich besser als jener mit 2002, wegen geringerer Wachstumseinbußen und so weiter.

Politisch gesehen ist es jedoch schon problematisch, den Endpunkt der Budgetkonsolidierung in die nächste Legislaturperiode zu legen. (Abg. Dr. Khol: Nach der Wahl!) Politisch gesehen würde sich auch diese Regierung, die bekanntlich nicht meine – wie sagt man? – Sympathie genießt, unglaubwürdig machen, wenn sie den Endpunkt der Budgetkonsolidierung an einen Zeitpunkt legt, zu dem niemand weiß, ob sie da noch oder wieder an der Macht sein wird. Das wissen die Götter.

Das würde ja den ganzen Prozess, die Glaubwürdigkeit dieses Prozesses fragwürdig machen. Abgesehen davon habe ich mir erst kürzlich die früheren Budgetdaten zu Gemüte geführt. 1995 bis 1997 in der alten, rot-schwarzen Bundesregierung sah es so aus: 1995 bis 1997 wurde das Maastricht-Defizit des Bundes von 4,6 auf 2,6 Prozent des BIP reduziert, um 2 Prozentpunkte. 1995 bis 1997 wurde das Maastricht-Defizit insgesamt – also der Staat inklusive Länder und Gemeinden – von 5,1 auf 1,7 Prozent reduziert, also um 3,4 Prozentpunkte. 3,4! (Abg. Dr. Khol: Gewaltig!) Jetzt, also von 2000 bis 2002, reden wir von einer Reduzierung um maximal – maximal! – 1,5 Prozentpunkte, denn das Defizit des Jahres 2000 wird, glaube ich, viel niedriger sein als ursprünglich prognostiziert.

1,5 Prozentpunkte in zwei Jahren, verglichen mit 3,4 von 1995 bis 1997, ja das wird wohl noch machbar sein, wenn man das ernsthaft will! (Abg. Mag. Trattner: Ist Ihnen das zu langsam? Verstehe ich Sie richtig?)  – Nein, gar nicht. Ich sage nur – mein Gott! – 1995 bis 1997 hatten wir eine Riesenbudgetkonsolidierung. (Abg. Böhacker: ... ! Das ist unglaublich!) Man muss dazusagen: 1995 gab es das selbstverschuldete Debakel der damaligen rot-schwarzen Regierung, dann haben Sie es eben 1996 bis 1997 korrigiert. Das quantitative Ausmaß war weit größer als das, was Sie jetzt vorhaben.

Also wenn das keine machbare Aufgabe ist? – Natürlich ist das machbar. Das kann doch kein ernsthaftes Problem sein. Die EU-Kommission hat sich jetzt geäußert und sagt: Na ja, erst 0,5 Prozent im Jahre 2002. – Aber die kann ja gar nicht anders reagieren. Sie kennt den Budgetvoranschlag für das Jahr 2002 nicht, also ist sie natürlich vorsichtig. (Abg. Dr. Khol: Sie kennen auch die Schätzannahmen nicht!) Man kennt die Konjunkturlage noch nicht. Es gibt eine Fülle von Einmalmaßnahmen in diesem Budget, möglicherweise auch im nächsten, natürlich gehen die um einen halben Prozentpunkt oder halt um ein paar Zehntelprozente hinauf. Das kann ich schon gut nachvollziehen.

Im Großen und Ganzen – mit einer bemerkenswerten Ausnahme – denke ich, dass die Budgetansätze für 2001, also das, was jetzt vorliegt, so unrealistisch nicht sind – auch nicht die bei den Einnahmen, also bei den Abgaben –, mit einer Ausnahme: bei den Stiftungen. Bei den Stiftungen werden wir im Dunkeln an der Nase herumgeführt. Diese rund 2 Milliarden Schilling, die da eingeplant sind, glaubt Ihnen vorläufig einmal niemand. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Mag. Prammer. ) Wir werden es Ende nächsten Jahres alle besser wissen, aber vorläufig glaubt Ihnen das niemand.

Ich kann es mir nicht verkneifen, die Gelegenheit zu nutzen, zwei, drei Boshaftigkeiten über die alte Bundesregierung zu sagen. Dass wir jetzt das Budget konsolidieren müssen, liegt ja wohl auch daran, dass die alte rot-schwarze Regierung das Budget nicht konsolidiert hat. Wenn man sich die Daten der EU-Kommission, die ja ausnahmsweise mit dem übereinstimmen, was uns der Finanzminister im Arbeitsbehelf vorgelegt hat, anschaut, dann ist das Maastricht-Defizit insgesamt bis 1997 auf 1,7 Prozent des BIP gesunken und dann auf 2,3 beziehungsweise 2,1 Prozent 1998/99 angestiegen.


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Wenn Sie, Sie von der rot-schwarzen Bundesregierung, damals den Konsolidierungspfad – zwar nicht im Ausmaß von 1995 bis 1997, aber doch ganz gemächlich – im Prinzip eingehalten hätten, dann bräuchten wir uns jetzt überhaupt keine Sorgen über die letzte Stelle unter den EU-15, über die Einhaltung des Stabilitätspaktes und so weiter zu machen. Das sind die Fehler der rot-schwarzen Bundesregierung, die jetzt Sie in der schwarz-blauen Bundesregierung zu korrigieren haben.

Das Gleiche trifft im Prinzip auch auf das Telekom-Debakel zu. Ich kann die Krokodilstränen über den geringen Ertrag dieser Privatisierung nicht ganz nachvollziehen. Ich kann mich nur allzu gut daran erinnern, wie wir in der Vergangenheit hier in diesem Haus hin und wieder die Ertragslage der alten Post inklusive Telekom diskutiert haben, die verschiedenen Abführungen an den Bund, die die Post unter dem einen oder dem anderen Titel zu tragen hatte. Das waren ja de facto indirekte Steuern auf das Telefonieren. Und diese Abführungen an den Bund waren so hoch, dass schlussendlich eine Post inklusive Telekom mit 110 Milliarden Schilling Schulden übrig geblieben ist. Das war der "großartige" Erfolg der Wirtschaftspolitik der damaligen rot-schwarzen Bundesregierung.

Wer war damals in erster Linie zuständig, Herr Kollege Gusenbauer? Wer? – Das waren die Verkehrsminister, wie sie alle gerade hießen bei den verschiedenen Umänderungen des Bundesministeriengesetzes. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Herr Einem sitzt dort hinten!) Klima war die längste Zeit für die Post zuständig. (Abg. Ing. Westenthaler: Einem auch! – Abg. Mag. Trattner: Streicher! Klima!) Auch Streicher, ja, dieser Bereich war meiner Erinnerung nach immer in sozialdemokratischer Hand. In den damaligen Vorkommnissen liegen die Ursachen des jetzigen Debakels.

Inzwischen finde ich ja, dass die Italiener mit ihren 27 Milliarden Schilling für ein Viertel der Telekom offensichtlich bei weitem überzahlt haben. Sie waren nicht allein mit ihrer Überschätzung, noch vor kurzem las ich in der Zeitung, die Telekom werde auf 100 bis 200 Milliarden Schilling eingeschätzt. Nach der jetzigen Börseneinschätzung ist sie sage und schreibe – vier mal 16 ist 64 – 64 Milliarden Schilling wert, die Hälfte oder ein Drittel von dem, was noch vor kurzem geglaubt wurde. Die Italiener haben das damals auch geglaubt. Na schön!

Aber das ist ein Unternehmen, das über Jahre und Jahrzehnte nicht als Unternehmen geführt wurde – seien wir doch ehrlich! –, sondern als Amt. Ich habe noch heuer einen bürokratischen Krieg wegen einer 60-S-Differenz auf meiner Telefonrechnung mit der Telekom geführt. Mir kommt es nicht auf die 60 S an, aber das war offensichtlich unrichtig und das hat mich geärgert. Der Schriftverkehr hat zwei Monate gedauert. (Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. ) Und es ist immer noch nicht wirklich ..., aber okay. Vielleicht ist das jetzt schon ein Unternehmen, jedenfalls aber hängt uns die Geschichte von damals noch nach.

Das nunmehrige Debakel ist also nicht allein die Schuld der jetzigen Bundesregierung, auch wenn man natürlich sagen könnte, das hätten der Herr Finanzminister und die Herren ÖIAG-Vorstände und -Aufsichtsräte und so weiter und so fort ja wissen müssen, dass das in der aktuellen Situation schief gehen muss. Noch vor einem halben Jahr wäre es wahrscheinlich anders gewesen. Aber jetzt? – Ich konnte nicht umhin, auf diese alten Geschichten zurückzukommen. (Abg. Ing. Westenthaler: So weit, so gut!)

Generell, Herr Kollege Khol, Herr Kollege Westenthaler, und insbesondere Herr Minister Grasser, wäre es viel leichter, sich sachlich über das Budget auseinander zu setzen, wenn wir uns wenigstens über die Zahlen und Fakten einigen könnten. Und das können wir offensichtlich nicht. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso?) Wenn wir wenigstens die Fakten und Zahlen außer Streit stellen könnten, würden wir uns über deren Bewertung streiten, was viel sinnvoller wäre (Abg. Ing. Westenthaler: Das Nulldefizit!), auch über die Richtigkeit des Nulldefizits. Geschenkt! Ein genialer Marketing-Schachzug, das ist überhaupt keine Frage. (Abg. Ing. Westenthaler: Realität!)

Ich habe ja schon bei der Diskussion über die Budgetrede gesagt: Es ist sagenhaft, was uns hier an Unrichtigkeiten, Unwahrheiten und schlichtem Unsinn präsentiert wird. Noch einmal: Auf


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Seite 13 des Manus der Budgetrede steht: Die privaten Haushalte leisten einen Beitrag von rund 3,5 Milliarden Schilling. – Und Sie selber beziffern den Konsolidierungsbedarf mit 80, 90, 100 Milliarden Schilling. Was ist denn das Gegenstück zu den privaten Haushalten? Gibt es außerdem, außer den privaten Haushalten, noch irgendjemanden, der Steuern zahlen muss? Vielleicht die öffentlichen Haushalte? – Das ist ein offenkundiger Blödsinn, sorry! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Gusenbauer. )

"Die Erwerbstätigen" – wurde behauptet – "leisten einen Beitrag von 10,5 Milliarden Schilling." – Offenkundiger Unsinn.

Laut Ihren Inseraten in der "Kronen-Zeitung" – Sie leisten sich da ja ganzseitige, was heißt ganzseitige?, doppel seitige Inserate (der Redner hält eine Doppelseite der "Kronen-Zeitung" in die Höhe – Abg. Dietachmayr: Auf Kosten der Steuerzahler!)  – leisten die Erwerbstätigen mittlerweile – das ist vom 25. November, also von Samstag – einen Beitrag von 13,2 Milliarden Schilling, also rund 30 Prozent mehr. Tendenz stark steigend, würde ich sagen.

Und was soll das? – Beide Zahlen sind falsch, es stimmt immer noch nicht!

Sie haben behauptet – "einkommensteuerlich" hat der Finanzminister gesagt, "insgesamt" hat die Frau Vizekanzlerin gesagt –, jedenfalls haben Sie alle behauptet, dass Einkommen unter 30 000 S brutto nicht belastet werden. Das ist ja offenkundig falsch! (Abg. Ing. Westenthaler: Prozentuell nicht belastet!) Siehe Arbeitnehmerabsetzbetrag, die Endabfertigungs-Ansprüche und so weiter. (Abg. Ing. Westenthaler: Beim Arbeitnehmerabsetzbetrag ändert sich nichts!) Sowohl einkommensteuerlich als auch bei der Arbeitslosenunterstützung: alle unter 30 000 S kommen dran.

In der "Kronen-Zeitung" am Samstag waren Sie inzwischen etwas ehrlicher, das muss ich sagen. Da steht nämlich: Einkommen unter 30 000 S brutto sollen jedoch nicht belastet werden. – Ja, sie sollen vielleicht nicht belastet werden, aber sie werden mit diesem Budgetvoranschlag 2001 belastet.

Beharrlich behaupten Sie, sowohl in der "Kronen-Zeitung" also auch sonst wo, dass das zu zwei Dritteln ausgabenseitig erfolgt und zu einem Drittel einnahmenseitig. – In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Wenn Sie mir nicht glauben, den Arbeiterkammerstellungnahmen nicht glauben und Herrn Gusenbauer natürlich sowieso nicht glauben, so werden Sie vielleicht der EU-Kommission doch hin und wieder glauben. Oder nicht? (Abg. Ing. Westenthaler: Nicht immer! Auch nicht alles wahr!)  – Nicht immer. Sie suchen es sich halt aus, was Sie glauben oder nicht.

Die EU-Kommission schreibt: More than two thirds are revenue side measures. (Abg. Dr. Cap: Übersetzen!)  – Mehr als zwei Drittel sind einnahmenseitige Maßnahmen. Das ist ja auch unbestreitbar. (Abg. Ing. Westenthaler: Für den Cap übersetzen, bitte! – Abg. Dr. Cap: Für den Westenthaler auf Tschechisch! – Abg. Ing. Westenthaler: Das war englisch!)

Aber was wirklich – wie sagt man? – dem Fass den Boden ausschlägt, ist die gestrige Aussage von Herrn Finanzminister Grasser, am 27. November. – Herr Finanzminister! Sie können ja dann sagen, das sind alles Tippfehler und Druckfehler. Ich muss jedoch davon ausgehen, dass das stimmt, was die "Presse" schreibt.

Da heißt es: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung steigen von 49 auf 60 Milliarden Schilling, für Wissenschaft von 103 auf 109 Milliarden Schilling. – Kurt Grünewald, pass auf, 109 Milliarden Schilling, das sind gut 3,5 Prozent des BIP! Da sind wir ja, was die Forschungs- und Entwicklungsquote anlangt, schon bei finnischen Größenordnungen. Ich verstehe gar nicht, warum wir uns eigentlich dauernd darüber aufregen, dass wir so wenig für Forschung und Entwicklung tun. (Bundesminister Mag. Grasser: ... inklusive Kollegin Gehrer!)  – Inklusive Frau Kollegin Gehrer. Da steht: "für Wissenschaft von 103 auf 109 Milliarden Schilling". (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Bildung und Wissenschaft!)


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Auch dann stimmt es nicht, meine Kollegen, denn dann wäre es sogar mehr. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Ressort!)  – Das stimmt ja nicht. Für Wissenschaft sehen Sie nach Ihren eigenen Angaben im Tabellenband vor: Gesamtausgaben des Bundes, funktionelle Gliederung, Forschung und Wissenschaft 2001: 38 Milliarden Schilling. – Vorher war es weniger. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Bildung und Wissenschaft!)  – Okay, ich zitiere aus einer Zeitung (Bundesminister Mag. Grasser: Deswegen sage ich es!), Sie zitieren etwas anderes.

Mit Bildung wäre es übrigens auch falsch. Es geht sich trotzdem nicht aus. (Abg. Ing. Westenthaler: Es stimmt nicht alles, was in der Zeitung steht!)  – Okay, die Journalisten sind wieder einmal schuld, die haben nichts verstanden – nicht einmal der arme Kollege von der "Presse". Ich kann ihm ja wirklich keinen Vorwurf machen bei diesen divergierenden Angaben. (Abg. Ing. Westenthaler: Vielleicht war es ein Druckfehler!)

Zusammenfassend: Uns fehlt vor allem die Vision in diesem Budget, das, was wir als Zukunftsinvestition bezeichnen könnten, vor allen Dingen im Bildungsbereich und im Wissenschaftsbereich, Herr Kollege Khol. Mein Kollege Brosz hat Ihnen letzte Woche vorgerechnet, was das Einfrieren des Personalaufwandes für zwei Jahre bedeutet, nämlich dass Ihnen jährlich 4 000 – das sind dann insgesamt 8 000 – Planstellen für Lehrer fehlen, uns fehlen. Was heißt Ihnen? – Den Lehrern werden sie fehlen, den Eltern werden sie fehlen und vor allem den Kindern werden sie fehlen. Das nennen Sie "Zukunftsinvestition". (Beifall bei den Grünen.)

Noch etwas, weil mich Herr Kollege Trattner so gedankenverloren anschaut. Ich war jetzt einige Male im Burgenland. Sie wissen schon warum, dort ist Wahlkampf. Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, sich im Burgenland mit Firmenvertretern zusammenzusetzen und diese zu fragen, wo sie Probleme sehen. Wir von den Grünen haben das oft getan. Nicht einer von diesen Firmenvertretern war der Ansicht, dass ihnen die EU-Erweiterung, die so genannte Osterweiterung, Probleme bringen wird. Ganz im Gegenteil! Sie halten sie für eine dringende Notwendigkeit.

Aber mehrfach habe ich von Leuten gehört: Wenn das so weitergeht, dann werden nicht die dort – nämlich die Leute in den Beitrittsländern – Probleme haben, sondern wir hier! Die bereiten sich viel besser vor. (Abg. Mag. Trattner: Bei welchen Unternehmen waren Sie da? – Abg. Ing. Westenthaler: Bei wem waren Sie da?)

In Ungarn ist es selbstverständlich, dass die Leute Ungarisch – no na! –, Englisch und Deutsch können. (Abg. Mag. Trattner: Schon im Burgenland? – Abg. Ing. Westenthaler: Nicht über der Grenze?) Wie viele Leute können bei uns Ungarisch oder Slowenisch oder Tschechisch? Was haben wir in der Vergangenheit getan, um die Dreisprachigkeit in Österreich zu fördern? Und was tun wir jetzt?

Das mehrsprachige Radio im Burgenland haben Sie "abgedreht". Die paar Tausend Schilling, die dafür im Jahr notwendig waren, waren Ihnen zu viel. Aber es geht ja nicht – wie Sie vielleicht glauben – nur um Radiogeschichten, sondern um Sprachkenntnisse, um komparative Vor- und Nachteile! Wenn wir in diesem Land so weitermachen, dann werden wir Probleme bei der EU-Erweiterung haben, nicht unsere Nachbarländer! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Der Osten wird uns nicht aufnehmen!)

Wir sind zu wenig darauf vorbereitet. Sie aber schüren noch diese Stimmung, diese Ängste, statt aktiv jene Maßnahmen zu setzen, die in diesem Zusammenhang notwendig sind. Und das wird leider nicht Ihnen, sondern ganz Österreich auf den Kopf fallen, wenn Sie so weitermachen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

10.52

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Meine Damen und Herren! Seit dem Jahre 1995 drängt die Österreichische Volkspartei auf eine Wende in der Politik dieses Landes. Und Wende bedeutet: neues Regieren, modernes Regieren, Ende mit der Schuldenpolitik, den Sozialstaat treffsicher machen.


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Seit 1994 haben wir versucht, diese Wende mit den Sozialdemokraten durchzuführen. Wir haben auch einige Erfolge auf diesem Wege erzielt. Ich bin Herrn Van der Bellen dankbar, dass er die Zäsur genau dort gesetzt hat, wo auch ich sie ansetze: In den Jahren 1995 bis 1997 waren wir gut unterwegs und haben einige Anfangserfolge erreicht.

Im Jahre 1997 habe ich jene Rede gehalten, die Sie, Herr Kollege Gusenbauer, gestern im ORF zitiert haben – und ich stehe zu dieser Rede von damals! 1995 hat Schüssel, damals Vizekanzler, Neuwahlen bewirkt, um diese Wende herbeizuführen und der Schuldenpolitik ein Ende zu bereiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es hat zwar Anfangserfolge gegeben, aber nachdem die Gewerkschaft, nachdem die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter nach den Anstrengungen einer Pensionsreform der Sozialdemokratie einen Schuss vor den Bug gesetzt hatte, kam es nicht zur Reform, sondern zu einem "Reförmchen". Die Reformkraft der Sozialdemokratie war verbraucht. Bei den Regierungsverhandlungen 2000 hat sich dann deutlich gezeigt: Mit der Sozialdemokratie ist kein neuer Staat mehr zu machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Seit 4. Februar dieses Jahres haben wir eine neue Regierung: die Regierung Schüssel – Riess-Passer, die Regierung der Volkspartei mit der Freiheitlichen Partei! Dieser Regierung ist die Wende unter ungleich schwierigeren Bedingungen gelungen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben eine Kabinetts- und Regierungsreform durchgeführt: die kleinste Regierung mit den meisten Frauen an wichtigen Positionen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben eine "Sozialpartnerschaft neu" erzwungen, und zwar durch Ämterentflechtung. Nur mehr ein Sozialpartner sitzt hier in diesem Hohen Haus, hat aber keine Zeit, an Debatten teilzunehmen. (Abg. Schwarzenberger: Er tut lieber auf der Straße demonstrieren!) Es zeigt sich: Verzetnitsch und Nürnberger, die beiden Sozialpartner, können heute nicht im Parlament sein, weil sie wahrscheinlich gerade die Straße gegen uns mobilisieren. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Regierung hat die Sozialpartner in jenen Bereichen, in denen sie sich auf eine gemeinsame Lösung geeinigt haben – beispielsweise im öffentlichen Dienst, beispielsweise bei den Saisonarbeitsverhältnissen, der berühmten Kündigungsfrist –, sehr wohl ernst genommen und mit ihnen abgeschlossen. Und dass über die Budgetbegleitgesetze in der vergangenen Woche ohne Probleme abgestimmt wurde, war eben Ausdruck dieser neuen Sozialpartnerschaft, zu der wir stehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben die Null-Neuverschuldung als Ziel durchgesetzt, mit drei Budgets, dem Budgetbegleitgesetz für zwei Jahre sowie dem Finanzausgleich. Wir haben eine Pensionsreform durchgesetzt, die unsere Jugend darin bestärkt, dass auch sie noch einmal eine gute Altersversorgung, eine gute Pension haben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wir haben die Privatisierung durchgesetzt, wir haben die Objektivierung und das Ende des Proporzes in der ÖIAG durchgesetzt (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), wir haben ein System der sozialen Treffsicherheit in manchen Bereichen der Sozialpolitik – noch nicht in allen – durchsetzen können. Wir haben die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten durchgesetzt – ein Vorhaben, an dem die Sozialdemokratie nur verbal interessiert war, denn sie hat diese Lösung nicht mitgetragen; wir haben sie durchgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben, neu in diesem Haus, für diejenigen, die die wirklichen Arbeitsmarktprobleme haben – 37 Prozent der Behinderten haben keine Arbeit! – eine Behindertenmilliarde beschlossen. Mit dieser Milliarde werden wir Tausenden von ihnen Arbeit schaffen und Arbeit geben können. Dafür stehen wir! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wir haben zudem das langwierige Problem der Entschädigung für Zwangsarbeiter während des nationalsozialistischen Verbrecherstaates in Österreich gelöst. Und: Wir haben den Volksgruppen und Minderheiten Verfassungsrechte gegeben!


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Mit einem Wort: Diese Regierung hat die Wende vollzogen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein Zweites klarmachen: Diese Wende ist auf Dauer angelegt! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Mit der Rede, die Sie, Herr Kollege Gusenbauer, heute gehalten haben, würden Sie bei Professor Van der Bellen durchfallen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van der Bellen: Nein! Nein!)

Meine Damen und Herren von der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter! Wir werden es nicht zulassen, dass diese neue Sozialpartnerschaft, der "Reformdialog neu" ... (Abg. Dr. Van der Bellen begibt sich zum Präsidium.)  – Herr Van der Bellen geht jetzt tatsächlich berichtigen. Ich nehme also zur Kenntnis: Sie würden Herrn Gusenbauer nicht antreten lassen zur Prüfung! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van der Bellen spricht mit Abg. Dr. Gusenbauer. – Neuerliche Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich bitte jene Damen und Herren von den Sozialdemokratischen Gewerkschaftern, die noch im Hause anwesend sind, Herrn Präsident Verzetnitsch und Herrn Präsident Nürnberger auszurichten (Abg. Edler: Dem Neugebauer werden wir es sagen!), dass wir die Sozialpartnerschaft nicht von der Straße aushebeln lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn der ÖGB am 5. Dezember Widerstand ankündigt und dieses Haus bei der Beschlussfassung behindern will (Abg. Dr. Niederwieser: ... schafft ihr die Demokratie ab, oder was?), gleichzeitig aber die Repräsentanten der Gewerkschaft dem Nationalrat angehören, so ist das nicht akzeptabel! Das ist, wie ein Gewerkschafter meiner Fraktion gesagt hat, ein Missbrauch der Gewerkschaft für Fundamentalopposition, für politische Zwecke! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und, meine Damen und Herren, ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass die Fraktion Christlicher Gewerkschafter von Niederösterreich und jene von Wien an dieser Demonstration nicht teilnehmen werden, denn der ÖGB wird sich da Arm in Arm mit den Donnerstags-Chaoten vor dem Parlament finden. (Abg. Dietachmayr: Das ist eine Frechheit!) Ich wünsche Ihnen alles Gute. Mein ÖGB ist das nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Mein ÖGB ist der, der die Republik mitgegründet hat, mein ÖGB ist der, der in § 1 seines Statuts feststellt, er stehe zu den Grundfesten eines demokratischen und freien und gerechten Österreich!

Arm in Arm mit den Chaoten – das werden wir uns anschauen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Gusenbauer, ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Wir werden es nicht zulassen, dass die Gesundung der Staatsfinanzen verschoben und verzögert wird! – Ich habe heute 5 Minuten vor 6 Uhr in der Früh diese armselige Belangsendung der Sozialdemokratischen Partei mit dem Motto "Machen wir es den Deutschen nach!" gehört: Machen wir das alles drei Jahre später und um 20 Prozent weniger! (Abg. Edlinger: Unsinn!)

Wir nehmen zur Kenntnis, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Sie wollen eine rot-grüne Gesundung des Staates! Aber Herr Van der Bellen ist nach seiner heutigen Rede dafür kein Partner, das muss ich Ihnen schon sagen. Da müssen Sie sich die deutschen Grünen holen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Allerdings wird er tatsächlich berichtigen: Er wird Gusenbauer nicht durchfallen lassen!)

Herr Gusenbauer! Noch etwas möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben: Die SPÖ hat versucht und versucht auch weiterhin, die demokratische Wende in diesem Land mit allen Mitteln zu verhindern. Sie versuchen, die demokratischen, die freien Wahlen in diesem Land auszuhebeln. (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist eine Frechheit, diese Aussage! ... Das ist eine Sauerei!) Sie haben drei Anläufe dazu versucht, sind aber mit allen dreien gescheitert.

Der erste Anlauf, mit dem Sie versucht haben, die Souveränität des Wählers in diesem Land auszuhebeln, war Ihre Sanktionspolitik, die vom Präsidium der Sozialistischen Internationale um


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den 23. Jänner herum geboren wurde, wie wir inzwischen wissen (Abg. Dr. Mertel: Chirac!), die Sie unterstützt haben, indem Sie mit den Leuten, die uns verhöhnt haben, auch noch Champagner getrunken haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie wollten unsere Regierung als nicht legitim darstellen! Sie wollten sie isolieren! – Wir aber haben diese Zeit in Würde und Anstand bestanden und sind als moralische Sieger aus diesem Konflikt hervorgegangen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das war der erste Anlauf – er ist gescheitert!

Der zweite Anlauf war: "Widerstand, Widerstand! Schüssel – Haider an die Wand!" – Sie erinnern sich? (Abg. Dr. Puttinger: Unglaublich!) Da sind Sie mitgegangen! Bei diesen Demonstrationen haben Sie behauptet, dieser Spuk der neuen Regierung werde in drei Wochen weg sein! (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Der Spuk der Demonstrationen war in drei Wochen weg! Unsere Regierung steht, und sie steht stärker als je zuvor. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Gusenbauer! Auch Ihr dritter Anlauf muss scheitern. Sie haben in der "Pressestunde" gesagt: Die Regierung ist nicht legitim, weil sie nicht gewählt ist, weil sie kein Mandat des Volkes hat und weil sie sich selbst eingesetzt hat. (Ruf bei der SPÖ: Das ist richtig! Stimmt!)  – Sie unterstellen uns damit faktisch, wir hätten die Macht in diesem Land usurpiert. (Abg. Dr. Stummvoll: Unglaublich!) Ja wo sind wir denn? Die Macht in diesem Land kommt aus den Wahlurnen und nirgendwoanders her! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Sie haben gesagt, Sie gehen in Opposition ...!)

Herr Gusenbauer! Als Jurist müssten Sie wissen, dass keine Bundesregierung in diesem Land direkt gewählt ist und keine Regierung dieses Landes ein Direktmandat des Volkes hat. Sie ist vom Herrn Bundespräsidenten eingesetzt und nicht vom Misstrauen des Nationalrates gestürzt. Eine solche Regierung ist legitim, sie hat das Vertrauen des Volkes, sie steht auf dem Boden unserer Bundesverfassung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Gusenbauer! Sie verlangen eine Volksabstimmung zur Bestätigung des Kurses einer Regierung? Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie und auch Ihr stellvertretender Parteivorsitzender, der diese Meinung ebenfalls vertreten hat, die grundlegende Position der sozialdemokratischen Programmatik verlassen haben. Ich habe mit Ihrem Stellvertretenden Parteivorsitzenden, Herrn Präsidenten Fischer, stundenlang über eine Regierung verhandelt, gerade in Hinsicht auf den Stellenwert der direkten Demokratie. Er hat mir immer gesagt: Wir Sozialdemokraten stehen auf dem Boden der repräsentativen Demokratie!

Wir haben über Finanzgesetze gesprochen, die man nicht einer Volksabstimmung unterziehen könne. (Abg. Dr. Niederwieser: Habt ihr über die Studiengebühren auch gesprochen, die ihr vorher abgelehnt habt?) In der nicht zustande gekommenen Regierungsvereinbarung mit Ihnen ist dies genau festgehalten.

Ich nehme also zur Kenntnis: Sie haben in einer großartigen Phantasie diese Programmatik der SPÖ über Bord geworfen. Sie wollen jetzt die Direktwahl der Regierung, und Sie sind für die Bestätigung von Finanzgesetzen durch Volksabstimmung.

Wir nehmen diesen Kurswechsel zur Kenntnis, Herr Gusenbauer. Aber sind Sie sich eigentlich dessen bewusst, dass Sie damit die Dritte Republik nacherfinden, die Sie immer abgelehnt haben? (Abg. Mag. Posch: So ein Unsinn!) Genau das war doch das Konzept der Dritten Republik: Direktwahl des Bundeskanzlers, Wahl der Regierung, direkte Demokratie in wichtigen Teilen. (Abg. Mag. Posch: Da kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen!)

Ich kann dazu nur Shakespeare zitieren, bei dem es heißt: "Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode." (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Das sagt Polonius in "Hamlet", wenn Sie es genau wissen wollen.


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Die von der Nationalratsmehrheit getragene Bundesregierung sei nicht legitim, meinen Sie. (Abg. Mag. Posch: Khol, der "große" Verfassungsschützer, der "Hüter" der österreichischen Bundesverfassung!) Die von einer christdemokratischen Partei mit einer Partei rechts der Mitte gebildete Regierung ist nicht legitim und muss vom Ausland her bekämpft werden. (Zwischenruf des Abg. Grabner.  – Abg. Mag. Posch: Der große Verfassungspatriot!) Aber eine von Ihnen geführte Minderheitsregierung ohne Mehrheit in diesem Haus, die wäre legitim? Sie haben sie ja angestrebt! (Abg. Haigermoser: So ist es!)

Eine Regierung mit Marxisten, wie es die italienischen Kommunisten waren und sind, und wie es die französischen Kommunisten waren und sind – die in beiden Ländern in der Regierung vertreten sind! –, das sind Ihre Freunde, die sind legitim!? – Jetzt wissen wir die Lösung des Rätsels: Was ist legitim? – Legitim ist eine Regierung nur dann, wenn die Sozialdemokraten darin den Bundeskanzler stellen! Das ist Ihre Legitimität! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nicht die Sozialistische Internationale entscheidet darüber, welche Regierung wir in Österreich haben. Es wird auch nicht so sein, dass Sie, Herr Gusenbauer, sagen können, dass nur eine solche Regierung legitim ist, in der Sie – quasi mit einer Zauberformel, indem Sie eine andere Partei für nicht regierungsfähig erklären – den pragmatisierten Bundeskanzler stellen. Damit ist Schluss! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Van der Bellen! Sie haben heute hier im Hohen Haus Ihre Schokoladenseite gezeigt. Ich bin mit vielem von dem, was Sie zu den Staatsfinanzen gesagt haben, einverstanden (Abg. Mag. Posch: Der kennt sich aus im Unterschied zum Finanzminister!) und finde es bemerkenswert, wie differenziert Sie sich von Ihrem größten Konkurrenten, den Sozialdemokraten, abgesetzt haben. (Abg. Dr. Niederwieser: Danke, Herr Oberlehrer!) Inhaltlich haben Sie ihnen den Rang bereits abgelaufen. Sie sind, was die Gedanken zu den Staatsfinanzen betrifft, jetzt die größere Oppositionspartei. Das wollte ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Grabner: Heute bist du aber sehr schwach!)

Aber ich möchte auch die Schattenseite ansprechen, nämlich die Um schreibung der Geschichte unserer Heimat, Herr Professor Van der Bellen. Die werden wir nicht hinnehmen! Ich wende mich bezüglich dieser Frage: Was war 1938 (die Abgeordneten Dr. Fischer und Dr. Van der Bellen: Und vorher!) in unserem Land? jetzt an Sie, Herr Professor Van der Bellen, und an die Sozialdemokraten.

Einige Punkte seien einmal außer Streit gestellt: 1938 war eine Mehrheit der Österreicher gegen den "Anschluß", und viele, viele von ihnen starben in den SS-Vernichtungslagern. (Abg. Dr. Niederwieser: Austrofaschismus! Reden wir einmal darüber!)

Zweitens: 1938 begrüßten viel zu viele Österreicher den "Anschluß", viel zu viele wurden Teil der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschine und haben Schuld auf sich geladen! (Abg. Schieder: Weiß das auch der Schüssel?)

Drittens: 1938 wurde Österreich als unabhängiger Staat ausgelöscht, gegen den Willen seiner Regierung, gegen den Willen der Mehrheit seines Volkes, mit Gewalt. Österreich ist daher Opfer der nationalsozialistischen Aggression geworden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Viertens: Die Alliierten haben das vor dem Ende des Krieges ebenso anerkannt wie die vier Staatsvertragsmächte und die Vereinten Nationen.

Ich war im Jahre 1991 selbst hier im Nationalrat – ich saß noch ein bisschen weiter hinten –, als Bundeskanzler Franz Vranitzky unter dem Applaus von ÖVP und SPÖ – "lebhafter Applaus von SPÖ und ÖVP" – eine Rede gehalten hat. Darin finden sich die gleichen Elemente, wie ich sie vorher zitiert habe: Viele haben Widerstand geleistet, nicht wenige Österreicher haben im Namen dieses Regimes großes Leid über andere gebracht. Es sei unbestritten, so Vranitzky, dass Österreich im März 1938 Opfer einer militärischen Aggression mit Hunderttausenden


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Opfern wurde, viele hätten den "Anschluß" begrüßt, waren daran beteiligt. Vranitzky sprach weiters von der moralischen Mitverantwortung für die Taten unserer Bürger.

Nichts anderes, Herr Professor Van der Bellen, hat Wolfgang Schüssel am 9. November der "Jerusalem Post" gegenüber gesagt!

Da kam von Ihnen die heftige Kritik, wir seien Täter und nicht Opfer. – Meine Damen und Herren! Wir setzen dem Umschreiben der Geschichte die historische Wahrheit, ein entschiedenes Nein zu diesem Revisionismus der Geschichte unseres Landes entgegen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich schließe mit Zitaten aus einem Artikel von Rudolf Burger – ein sicherlich in keiner Weise den Freiheitlichen oder der Volkspartei Nahestehender, sondern ein heftiger Kritiker unserer Regierung. Unter dem Titel "Widerwärtige Erregung" schreibt er – ich zitiere –:

"Dieser Satz von Schüssel ist historisch richtig, das wird Ihnen jeder Historiker bestätigen. Trotzdem geht ein Aufschrei durchs Land, welch furchtbarer Rückfall hinter die Vranitzky-Rede dies bedeute. Das ist Heuchelei in höchstem Maße." (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und er sagt weiters – ich zitiere –: "Mich stört die Verlogenheit meiner Freunde in der Sozialdemokratie, die jetzt aufschreien und empört sind. Dabei wird nicht darauf aufmerksam gemacht, daß es führende Sozialdemokraten waren, die noch nach dem Anschluß diesen begrüßt haben." – Dem ist nichts hinzuzufügen. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Mag. Posch  – in Richtung ÖVP –: Absolut nichts kapiert! Eine solche Belanglosigkeit! – Abg. Haigermoser: Das war eine Lehrstunde für die Genossen!)

11.12

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Ich tue mir jetzt ein bisschen schwer, ich wollte eigentlich den scherzhaften Teil Ihrer Rede – wie sagt man? – sachlich korrigieren. (Abg. Grabner: Das war gar nicht scherzhaft!) Das tue ich hiemit und gehe auf den problematischen, insbesondere letzten Teil Ihrer Rede nicht ein.

Herr Abgeordneter Khol hat sinngemäß behauptet, ich würde, wenn die Rede von Herrn Gusenbauer von mir zu bewerten gewesen wäre, diese Rede mit einem "Nicht genügend" beurteilt haben. (Abg. Dr. Khol: "Durchfallen" habe ich gesagt!)

Herr Kollege Khol! Diese sinistre Unterstellung weise ich auf das Schärfste zurück. (Abg. Dr. Khol: Genügend?) Wahr ist vielmehr das Gegenteil: Die Rede hat mir sehr gut gefallen, ebenso wie die Ihre – bis auf die letzten fünf Minuten. (Abg. Mag. Posch: Das war unglaublich!) Zumindest rhetorisch fand ich die Ihre sehr gut. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Im Gegensatz zu Gusenbauer!)

11.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ebenfalls zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Fekter: Jetzt lernen wir Geschichte!)

11.13

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Khol hat gemeint, dass an den Meinungsunterschieden zwischen den Sozialdemokraten und der ÖVP zur Frage des Nulldefizits die Koalitionsverhandlungen gescheitert seien und die Sozialdemokraten das alles nur langsamer machen wollten. (Abg. Dr. Khol: In der erschöpften Reformkraft!)

Ich zitiere wie folgt: Innerhalb von fünf Jahren soll Österreich sein Budgetdefizit in Richtung ein Prozent des BIP senken. Dieses Ziel darf nicht durch eine Erhöhung der Steuer- und Abgaben


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quote erfolgen. – Dies war die Position des ÖVP-Parteivorstandes vom 13. Dezember 1999, nur damit wir wissen, was die wirkliche ÖVP-Position war.

Zweiter Punkt: Herr Abgeordneter Khol hat behauptet, am 23. Jänner hätte ein Präsidium der Sozialistischen Internationale stattgefunden, das die Sanktionen beschlossen hätte. (Abg. Dr. Khol: Habe ich nicht gesagt!)

Wahr ist vielmehr: An diesem Tag fand kein Präsidium statt. Wahr ist vielmehr: Die Sozialistische Internationale hat das nie beschlossen, sondern die Sanktionen gehen auf die Initiative Ihrer Parteifreunde Chirac und Aznar zurück. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Es spricht nun Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte. (Abg. Edlinger: Na was ist denn das? Müssen wir jetzt aufstehen?)

11.14

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Da muss man vorsichtshalber schon im Vorhinein applaudieren!) Hohes Haus! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich darf von der Notenverteilung bei Prüfungen wieder zum Budget und zur politischen Situation der Republik zurückfinden.

Es ist natürlich etwas Wahres daran, dass viele von Anfang an versucht haben, diese Bundesregierung und die politischen Parteien, die sie unterstützen, als nicht legitim, als nicht zulässig, als einen Tabubruch und was auch immer zu verteufeln und zu verdammen. Das ist in der politischen Diskussion natürlich durchaus möglich.

Ich glaube allerdings, dass die Methoden, mit denen seit neun Monaten versucht wird, die politische Glaubwürdigkeit und Zulässigkeit dieses Projektes zu hinterfragen, auch ausdiskutiert werden müssen. In diesen neun Monaten hat man wirklich alles getan, um über den internationalen Druck, über die Sanktionen diese Regierung zu stürzen – und es ist nicht gelungen, wir sind immer noch da.

Man hat versucht, diese demokratische Regierung über die Straße, durch die Mobilisierung von Demonstrationen, die manchmal schon recht anarchische Zustände angenommen haben, zu stürzen. – Und wir sind immer noch da.

Man hat versucht, durch die Sozialkomponente – Stichwort: Die Republik wird brennen! Jetzt gerade: Menschenkette um das Hohe Haus! – vieles ... (Abg. Schieder: Das Gleiche hat der Khol gerade gesagt!)  – Herr Abgeordneter Schieder, ich schätze Sie als Demokraten. Und es hat mich eigentlich im Herzen getroffen, dass, als Abgeordneter Westenthaler sagte, hier im Hause seien Demokraten, manche gelacht haben. Ich halte das für nicht korrekt, das darf auch nie einreißen. (Abg. Dr. Niederwieser: Er hat gesagt "lupenreine"!) Demokraten sind wir alle, die wir hier sitzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben natürlich das absolut legitime Recht, diese Regierung zu kritisieren, aber Sie haben nicht das Recht, ihr die demokratische Legitimität, ausgesprochen durch die einzige Instanz in der Demokratie – und das ist der Wähler! –, zu nehmen. 54 Prozent der österreichischen Wähler unterstützen diese beiden Parteien, haben deren Volksvertreter gewählt, diese wiederum haben uns das Vertrauen gegeben, der Bundespräsident hat uns angelobt. That’s it! Und das ist Demokratie, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher sage ich, auch als überzeugter Anhänger der Sozialpartnerschaft: Man soll sich durchaus diesbezügliche Schritte überlegen, ebenso die Sinnhaftigkeit, ja die Zulässigkeit mancher politischer Proteste. (Abg. Silhavy: Jetzt wird es aber schön langsam arg! Die Zulässigkeit politischer Proteste in Frage zu stellen!)


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Es ist ein Wert an sich, wenn es überparteiliche Interessenvertretungen der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, der österreichischen Landwirte gibt. (Abg. Heinzl: Zensur!) Aber wenn das so ist, dann, so meine ich, entstehen Glaubwürdigkeit, Kredibilität einer solch überparteilichen Sozialpartnerschaft auch in der Überparteilichkeit ihrer Aktionen. Das ist entscheidend, und das muss bleiben. Wenn das fällt, dann haben wir viel mehr riskiert, als Sie vielleicht heute schon wissen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben völlig Recht, man möge uns an den Taten messen. Ich bin weit davon entfernt, jetzt das Weihrauchfass zu schwenken, denn das brauchen wir gar nicht, das haben wir nicht notwendig. Wir sind nicht perfekt, aber wir haben uns in diesen neun Monaten zumindest angestrengt. Dass wir heute mehr Unterstützung haben als am Anfang, hängt auch mit der Qualität und der Professionalität unserer Arbeit zusammen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher: Diskutieren wir die Fakten – ich nehme den Ball auf! Wenn Alfred Gusenbauer nach der etwas mühsamen "Pressestunde" nun versucht, den Fokus auf die wirtschaftspolitischen Facts zu richten, dann sage ich: Machen wir das!

Wir haben während des gesamten Jahres 2000 das beste Wirtschaftswachstum seit vielen, vielen Jahren. (Abg. Dr. Gusenbauer: Und wie schaut es in Europa aus?) So schädlich kann dieses Projekt also nicht gewesen sein. Wir kratzen mit dem Export im Moment an der 1 000-Milliarden-Schilling-Grenze, haben mit Deutschland in diesem Jahr zum ersten Mal 100 Milliarden Schilling an Exporten und Importen, also in beiden Richtungen, erreicht. Darauf können wir, nämlich alle Seiten, doch mit Recht stolz sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zu den Arbeitsplätzen. Schauen wir uns an, wer in Europa besser ist: Die Luxemburger! Gut, das gebe ich zu. Die haben auch einen Sonderfall, den ich ihnen wirklich gönne. Und mit uns liegen die Niederländer – sie befinden sich knapp vor uns – an der Spitze Europas. (Abg. Edler: Das war vorher auch schon so!)

Wer braucht sich für diesen Vergleich zu genieren? – Diese österreichische Bundesregierung mit Sicherheit nicht, liebe Freunde! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie haben die Stellenangebote zitiert. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ein zynischer Zugang zum Arbeitsmarkt!) Lassen wir diese Diskussion jetzt weg – ich habe sehr pointiert gefunden, was Peter Westenthaler gesagt hat –, aber zu den Fakten, Zugang zum Arbeitsmarkt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Blanker Zynismus!) Herr Abgeordneter, Herr Kollege Gusenbauer! Schauen wir uns das doch an!

Wir haben innerhalb eines Jahres bei den älteren Arbeitslosen – und die Zahl zählt, die ist die wichtigste von allen – einen Rückgang um 20 Prozent. Darauf können wir gemeinsam stolz sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Inflation: Herr Abgeordneter! Wenn Sie diese schon ansprechen, dann aber bitte ökonomisch präzise. Die Inflationsrate ist bei uns gestiegen wie in allen anderen europäischen Ländern auch. (Abg. Edlinger: Überdurchschnittlich!) Bitte, schauen Sie sich doch die Vergleiche einmal ganz genau an! Wir liegen immer noch unter dem EU-Schnitt. Sie dürfen nur eines nicht machen: die nationalen österreichischen Daten mit den EU-Daten vergleichen. Wenn schon, dann müssen Sie die harmonisierten österreichischen Inflationsdaten nehmen, und nach diesen liegen wir um drei Zehntel unter dem EU-Schnitt. Wenn schon, dann ehrlich und seriös, Herr Abgeordneter. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch den Vergleich hinsichtlich der sozialen Verantwortung halten wir jederzeit aus, und das trotz härtester Budgetrestriktionen – und so leicht war es nicht, 1,5 Prozent; es mussten 3 Prozent sozusagen gedreht werden, weil es natürlich auch automatische Entwicklungen auf der Ausgabenseite gibt. Sie können nicht immer einfach die Zahlen eines Jahres auf das nächste übertragen. Was wäre geschehen, was wäre der Effekt gewesen, hätten wir nicht gegenge


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steuert? Wir mussten insgesamt ein Volumen von über 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts "drehen". Das ist uns nicht leicht gefallen.

Aber wir haben gleichzeitig in diesen Zeiten härtester Spargesinnung für die österreichischen Beamten für die nächsten zwei Jahre eine Lohn- und Gehaltssteigerung von über 5 Milliarden Schilling zusammengebracht und bereits finanziert. Da ist kein Zweifel mehr offen. Wir haben in diesen Zeiten härtester Sparnotwendigkeit für die österreichischen Pensionisten für das nächste Jahr immerhin 5,5 Milliarden Schilling zusätzliches Einkommen zur Verfügung gestellt. Warum verschweigen Sie diese Fakten? Warum scheuen Sie den direkten Vergleich? Sie könnten dann durchaus noch manches kritisieren, das würde ich einsehen. Aber erwähnen Sie auch die positiven Erfolge: über 5 Milliarden Schilling 2001 und 2002 für die Beamten, und 5,5 Milliarden Schilling plus für die österreichischen Pensionisten. Das ist sozial gerecht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ja, wir haben das Frühpensionsantrittsalter angehoben. Und jetzt sage ich auch ganz offen: Ich stehe dazu! Es gebietet doch der Respekt vor den Menschen – egal, ob jünger, mittleren Alters oder älter –, Ihnen die Wahrheit zu sagen. (Abg. Mag. Posch: So ein Unsinn!) In Zeiten längerer Lebenserwartung, in Zeiten, in denen die Ausbildungsdauer gestiegen ist und aus demographischer Sicht immer weniger in den Arbeitsprozess eintreten, wäre es doch verrückt, die Augen davor zu verschließen, dass wir auch die Finanzierbarkeit des Sozialnetzes in Zukunft garantieren müssen. (Abg. Mag. Posch: Keine Ahnung vom Arbeitsmarkt! Realitätsverweigerung!) Dazu stehen wir, und dieser Schritt – eine vorsichtige Anhebung des Frühpensionsalters um 18 Monate – war absolut notwendig, andere europäische Länder haben uns das doch längst schon vorgemacht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Privatisierung und außerordentliche Erlöse (Abg. Dr. Gusenbauer: Wann kommt die nächste Versteigerung?): Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich weiß nicht, welche Informationen Sie vom früher zuständigen Verkehrsminister Einem bekommen haben, was die Veräußerung, die Privatisierung der Lizenzen von UMTS betrifft. Sie haben jedenfalls gesagt, es wäre alles für März 2000 vorbereitet gewesen. Ich darf Ihnen vorlesen – ich habe selbst mit dem vorigen Verkehrsminister und der jetzigen Ministerin telefoniert –, welcher Zeitplan vom früheren Verkehrsminister wirklich vorgesehen war.

Vorgesehen war die Herstellung der gesetzlichen Grundlage bis Jänner 2000, die Vergabe der regionalen Frequenzen September 2000, die Ausschreibung UMTS August 2000, die Vergabe von UMTS im Jahr 2001. Mit Ihrem Tempo, Herr Abgeordneter, hätten wir die Versteigerung der Lizenzen noch immer nicht. Und ich muss sagen, da muss man Michael Schmid gratulieren, dass er die Dinge mutiger und schneller vorangetrieben hat, als dies der frühere sozialdemokratische Verkehrsminister getan hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Hagenhofer: Der braucht wirklich viel Mut!)

Immerhin haben wir in den ersten neun Monaten mit den Privatisierungen und den Lizenzerlösen bereits an die 50 Milliarden Schilling dargestellt. Das ist nicht so wenig. Sie haben schon Recht, und da schließe ich mich auch den kritischen Bemerkungen von Abgeordnetem Van der Bellen durchaus an: Man hätte natürlich viel früher die richtigen regulatorischen Entscheidungen treffen müssen. Dazu muss man hier auch die Wahrheit sagen: Wir waren immer dafür, nicht den Börsengang als Ganzes zu präferieren, sondern wie die meisten oder alle anderen europäischen Länder rechtzeitig Post- und Telekom zu trennen und zu versuchen, für jeden dieser wichtigen Bereiche eine marktfähige Strategie zu finden. Das ist jahrelang verzögert worden und viel zu spät gemacht worden, weil es Druck von Ihnen gegeben hat. Das muss man offen aussprechen. Es war aber nicht gut für die betroffenen Betriebe. Dann hat man durch Personalentscheidungen Zeit verloren. Man hat dann Gott sei Dank reagiert, aber leider einige Jahre zu spät.

Die große Frage war doch jetzt, in einer Situation, da es für die New Economy und für die Börsengänge aller Telekomfirmen nicht mehr das rauschende Klima gegeben hat: Verschieben wir den Börsegang, oder gehen wir jetzt diesen Weg? – Ich bin voll der Meinung des Finanzministers, aber auch der ÖIAG-Profis, dass es richtig war, jetzt diesen Weg konsequent


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weiterzugehen, denn das ist die einzige Chance, dass wir diese Unternehmen, diese wichtigen Leitunternehmen in Österreich, auf den Markt vorbereiten, damit sie bürgernah und kundenorientiert arbeiten, denn das ist der einzige Weg, der dabei gangbar ist. Alles andere, was Sie hier sagen, ist wirklich politische Profilierung oder politische Polemik, die natürlich zulässig ist, aber nicht den Tatsachen entspricht. Daher: Nennen wir die Dinge beim Namen, wie sie tatsächlich waren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Privatisierungsdesaster!) – Das war jetzt ein so leiser Zwischenruf, dass ich ihn nicht verstanden habe.

Natürlich haben Sie Recht, dass es keine ökonomische Theorie gibt, die uns zwingt, im Jahre 2002 ein Nulldefizit zu haben. Aber ich sage Ihnen auch ganz offen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Ich habe zu viele Versuche, vergebliche oder halbherzige Versuche, erlebt, das Budgetdefizit ein bisschen zu reduzieren. Das Ergebnis war dann immer, dass Schulden außerbudgetär irgendwohin verlagert, irgendwo geparkt wurden. Vor allem aber zeigen die Erfahrungen der jüngsten österreichischen Geschichte, dass immer mächtige Lobbys gekommen sind und jeden gut gemeinten Ansatz durch enormen Gegenwind zu Fall gebracht haben. Und das darf nicht passieren. Daher haben wir uns getraut – wie die meisten anderen europäischen Länder, die ja heute schon Überschüsse aufweisen –, uns jetzt ein ehrgeiziges Ziel zu setzen, nämlich: Zukunft ohne Schulden, und haben mit diesem Ziel auch den Mut, für die notwendigen Maßnahmen einzutreten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich greife das jetzt auf, weil Professor Van der Bellen gesagt hat, im Wesentlichen habe ihm alles an der Rede von Andreas Khol gefallen außer den letzten 5 Minuten. Ich sage Ihnen, gerade die letzten 5 Minuten sind wichtig, es ist wichtig, dass wir uns das in Erinnerung rufen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Unglaubliche Belanglosigkeit!)

Ich möchte präzise sagen, wofür ich stehe und was ich meine: Ich habe in dieser Bundesregierung, die Frau Vizekanzler und der Finanzminister, die Außenministerin, wir haben wie keine andere Regierung vor uns die Verpflichtungen, die moralischen Verpflichtungen gemeinsam mit dem Hohen Haus offensiv und positiv angenommen und aufgenommen. Wir stehen dazu, denn ein 6-Milliarden-Schilling-Zwangsarbeiterfonds in Zeiten äußerster Anspannung der öffentlichen Finanzen, auch der privaten Finanzen, ist nicht so selbstverständlich. Das 150-Millionen-Dollar-Programm, das wir jetzt in den Restitutionsverhandlungen anbieten, ist ja auch nicht durch eine gesetzliche oder legalistische Verantwortung verursacht. Es ist eine moralische Verpflichtung, die wir sehen und die wir tragen. – So, das sind die Taten, an denen wir und hoffentlich ganz Österreich gemessen werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Posch.  – Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung SPÖ –: Keine Zwischenrufe vom falschen Platz!)

Herr Abgeordneter Posch! Aber zu diesem Wissen und auch zum Ge-Wissen um die österreichische Geschichte zählt, dass wir nicht im Nachhinein das langsame Sterben Österreichs von 1934 bis 1938 vergessen dürfen. Ich habe in den letzten Tagen mit großer Erschütterung noch einmal Guido Zernattos Chronologie des Unheils gelesen, "Drei Tage, an denen Österreich starb", publiziert in einem Buch, das Thomas Chorherr, glaube ich, vor zehn Jahren herausgegeben hat. Darin sind die Telefonprotokolle der Tage 11. März 1938, 12. März 1938 genau nachzulesen. Versuchen Sie mit mir den Gedankengang nachzuvollziehen, dass man nicht vergessen darf, was geschehen ist.

An diesem 11. März 1938 hat es ungefähr 30 Telefonate gegeben, die – wahnsinniges Regime! – alle genauestens dokumentiert und aufgezeichnet wurden. Sie sind für Zeitgeschichtler und für Interessierte jederzeit nachlesbar.

Um 17.26 Uhr ruft Hermann Göring Seyß-Inquart, sozusagen seinen nationalen Minister in der damaligen Schuschnigg-Regierung, an und fragt ihn: Also wie ist das jetzt mit dem Ultimatum, das wir gestellt haben? – Schuschnigg muss zurücktreten, und Seyß-Inquart muss vom österreichischen Bundespräsidenten Miklas mit der Führung der Regierungsgeschäfte beauftragt werden. Die Volksabstimmung, die Nazi-Deutschland gefürchtet hat, muss abgesagt werden.


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Ich zitiere: "Seyß-Inquart: Ich bin am Apparat. Göring: Also bitte folgendes: Sie möchten sich sofort mit dem Generalleutnant Muff (deutscher Militärattaché in Wien) zum Bundespräsidenten begeben und ihm sagen: Wenn er nicht unverzüglich die Forderungen – Sie kennen sie – annimmt, dann erfolgt heute nacht der Einmarsch der bereits auf der Grenze aufmarschierten und anrollenden Truppen auf der ganzen Linie, und die Existenz Österreichs ist vorbei! Der Generalleutnant Muff möchte sich mit Ihnen hinbegeben und verlangen, sofort vorgelassen zu werden und das ausrichten. Bitte, geben Sie uns unverzüglich Nachricht, auf welchem Standpunkt Miklas bleibt. Sagen Sie ihm, es gibt keinen Spaß jetzt.

Jetzt ist die Sache so, daß dann heute nacht der Einmarsch an allen Stellen Österreichs beginnt. Der Einmarsch wird nur dann aufgehalten, und die Truppen bleiben an der Grenze stehen, wenn wir bis 19 Uhr 30 die Meldung haben, daß der Miklas die Bundeskanzlerschaft Ihnen übertragen hat. Verfügen Sie die sofortige Wiederherstellung der Partei mit all ihren Organisationen" – die NSDAP war ja verboten bis zum damaligen Zeitpunkt – "und lassen Sie dann im ganzen Land jetzt die Nationalsozialisten hochgehen. Sie dürfen überall jetzt auf die Straße gehen. Also bis 19 Uhr 30 Meldung! Der Generalleutnant Muff soll mit hingehen. Ich werde Muff sofort dieselbe Weisung geben. Wenn der Miklas das nicht in vier Stunden kapiert, muß er jetzt eben in vier Minuten kapieren!"

Meine Damen und Herren! Das ist der wahre Hintergrund – Miklas ist nicht gewichen, es wurde mit Standgerichten gedroht –, warum 1943 in der Moskauer Deklaration die Alliierten eine bemerkenswert differenzierte Stellungnahme abgegeben haben. Sie haben wörtlich erklärt: Die Annexion Österreichs durch Deutschland, der Überfall am 13. März, sei null und nichtig. Österreich, das als erstes freies Land dem Angriff der Nazis zum Opfer fiel, soll von der deutschen Herrschaft befreit werden. Aber sie haben auch die Verantwortung angesprochen, die Österreicher durch die Teilnahme am Krieg an der Seite Hitler-Deutschlands auf sich geladen haben.

Und vergessen Sie nicht, dass im April 1945 die Vorstände der Sozialdemokraten, der Kommunisten und der Christdemokraten genau diese Erklärung, diese Unabhängigkeitserklärung in einer Präambel so formuliert haben, wie wir es jetzt gesagt haben. Ich meine, der Respekt vor den Opfern gebietet schon auch – der frühere Chefredakteur der "Kleinen Zeitung" hat in einem Artikel darauf hingewiesen –, dass wir, die Nachgeborenen, uns daran erinnern, dass allein in den ersten 14 Tagen, zwischen dem 12. und 21. März 1938, mindestens 90 000 Österreicher – es haben manche, viele, zu viele, Hunderttausende gejubelt, und Hunderttausende haben geweint – von der Gestapo verhaftet wurden.

Gordon Brook-Shepherd – nicht einer, der uns nahe steht, sondern ein objektiver Wissenschafter – hat geschätzt, dass im Krieg 80 000 bis 100 000 Österreicher ihre Opposition gegen das Hitlertum mit dem Leben oder mit der Freiheit bezahlen mussten.

Das österreichische Parlament – das erste, das 1945 zusammengetreten ist – hat zu drei Vierteln aus ehemaligen Opfern des Nationalsozialismus, aus Gefangenen der Konzentrationslager oder sonstiger Gefängnisse bestanden. – Ich meine, es verlangt der Respekt auch vor diesen Opfern, dass wir nicht vergessen, wie Österreich im Jahre 1938 untergegangen ist.

Und nichts und niemand kann und darf uns daran hindern, die moralische, politische Verantwortung für die Handlung von Österreichern zu tragen, die sich am Verbrechensregime Hitlers mitschuldig gemacht haben. Aber die ganze Wahrheit, das ist das Einzige, woran wir uns heute noch immer erinnern müssen. Das sind wir der Geschichte, aber auch der Gegenwart und der Zukunft schuldig. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger. – Bitte.

11.35

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Rechnungshofpräsident! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Nach den Budgetbegleitgesetzen, die in der Vorwoche von den Regierungsparteien in diesem Hause durchgezogen wurden, sprechen wir heute über das


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Budget 2001. Viele Österreicher wundern und fragen sich, warum diese Bundesregierung diese Konvolute der Grausamkeit so konsequent ohne Diskussion, ohne Konsensbereitschaft den Betroffenen gegenüber durchzieht.

Sie berufen sich auf Umfragemehrheiten, und es ist daher durchaus legitim, wenn wir als Oppositionspartei dies mit einer Volksbefragung hinterfragen wollen. Ich glaube, dass das durchaus auch ein legitimes Instrument der Opposition in der Auseinandersetzung ist, vor allem dann, wenn die Regierung den Konsens und den Dialog verweigert. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ja nicht so, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass überall, in allen Kommentaren und Diskussionen diese Regierung gefeiert wird – auch wenn sich das der Herr Bundeskanzler wünscht –: Immer öfter übernehmen Kommentatoren und öffentliche Kritiker jene wichtigen Argumente, die die Oppositionsparteien in diesem Hause vorbringen. Ich kann überhaupt nicht erkennen, wie der Klubobmann der Freiheitlichen Partei auf die Idee gekommen ist, festzustellen, dass die Kommentatoren der wichtigen österreichischen Medien die Opposition kritisieren.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass selbst an dem Tag, an dem das Budget des Jahres 2000 vorgestellt wurde, wichtige österreichische Kommentatoren ihre Kommentare folgendermaßen übertitelt haben: Herr Kotanko im "Kurier" schrieb: Wir haben es mit einer Koalition der Zumutung zu tun. – Herr Kindermann in der "Kronen Zeitung" schrieb am gleichen Tag: Die Regierung kann ihre Glaubwürdigkeitsprobleme nicht mehr wegreden. – Und das "FORMAT" sprach vom "Taschenzieher-Kabinett".

Wenn Sie weitere solche Kommentatoren hören wollen, dann verweise ich darauf, dass Peter Rabl am Sonntag im "Kurier" schrieb:

"Im Nationalrat beschloss die Regierungsmehrheit 90 so genannte Budgetbegleitgesetze. Ihr Ergebnis ist die höchste Steuerbelastung, die den Österreichern je aufgebürdet wurde – als Preis für das 2002 angepeilte Nulldefizit." (Abg. Böhacker  – eine Zeitung, deren Schlagzeile Zustimmung zum Sparkurs der Regierung signalisiert, in die Höhe haltend –: Falsch!) "Wobei nicht nachvollziehbar ist, was – außer dem regulären Wahltermin 2003 – diese Hast bei der prinzipiell notwendigen Sanierung begründet."

Der Regierungsbonus, meine sehr verehrten Damen und Herren, den jede Bundesregierung hat, reicht Ihnen offenbar nicht. Sie wissen, wie schwach Ihre Argumente sind, und Sie wissen auch, wie in zunehmendem Maße die Öffentlichkeit letztendlich diese Belastungspakete auch zu spüren bekommt. Und so greifen Sie in extrem missbräuchlicher Weise in den Steuertopf: viele Millionen nicht für Information, viele Millionen für nackte Regierungspropaganda. Es ist nicht die Frage der Verschwendung, die hier im Mittelpunkt steht, sondern faktisch, letztendlich eine unsachliche Information, eine Auseinandersetzung mit der Opposition und mit all jenen, die nicht an diese Regierung glauben, auf Kosten des Steuerzahlers. (Beifall bei der SPÖ.)

Allein die vierwöchige Ankündigung von Fortsetzungsserien der Täuschung dieser Bundesregierung gegenüber der österreichischen Bevölkerung in der "Kronen Zeitung" wird einen Betrag zwischen 5 Millionen und 6 Millionen Schilling kosten.

Jetzt frage ich mich, meine sehr verehrten Damen und Herren: Was ist das für ein Informationsgehalt, wenn ich in einem farbigen Inserat in den Magazinen resümiere: "Jeder Österreicher ist pro Kopf mit 217 000 S belastet, und Österreich ist bald bankrott"? Wie argumentieren Sie diese Falschmeldung? Ist Ihrer Meinung nach Österreich bankrott? Kann ein Staat überhaupt bankrott werden?

Aber Sie suggerieren diese negative Assoziation der österreichischen Bevölkerung mit deren eigenem Geld. Das ist Missbrauch, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Sie hier mit Steuergeldern betreiben! (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich ist nicht bankrott. Das ist das größte Täuschungsmanöver, das Sie eingeleitet haben. Die Schulden liegen, wie Sie wissen, unter dem Schnitt der Europäischen Union.


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Die Methoden der Auseinandersetzung, von denen der Herr Bundeskanzler gesprochen hat, sind wirklich vom Prinzip der konkreten Verdrängung geprägt. Wenn man von den Schulden in Österreich spricht, wenn man weiß, dass der Schuldenstand in Österreich vor allem in den 13 Jahren der schwarz-roten Koalition angewachsen ist, und wenn man weiß, dass in Österreich alle Regierungsbeschlüsse einhellig zu fassen sind, dann weiß man auch, dass es in Österreich keinen Politiker gibt, der so viele Schulden aktiv mitbeschlossen hat wie der heutige Bundeskanzler Dr. Schüssel, nämlich 900 Milliarden Schilling, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie hier nach der Methode der Täuschung vorgehen und so tun, als ob die Konsolidierung, die, wie Sie richtigerweise sagen, 1995 eingeleitet worden ist, im Jahr 1998/1999 angeblich zum Stillstand gekommen wäre, dann verdrängen Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, dass dieses Doppelbudget gemeinsam von mir und Ihrem Wirtschaftsminister Farnleitner vorgelegt wurde und dass wir damals wussten, dass wir die große Zahl der Einmal-Maßnahmen und Vorzieheffekte, die wir für das Budget 1997 gebraucht hatten, um auf jeden Fall den WWU-Kriterien zu entsprechen, durch Maßnahmen der Nachhaltigkeit ersetzen mussten.

Ich erinnere Sie ganz besonders an die Auseinandersetzungen, die wir 1998 im Zusammenhang mit der Steuerreform führten. 45 Milliarden Schilling hat der ÖVP-Klub im Oktober 1998 beschlossen! Ich erinnere an die Diskussionen am Rande der Regierungsklausur in Aussee, als Sie mich massiv unter Druck gesetzt hatten – ich gebe aber zu, unterstützt vom Herrn Bundeskanzler. (Abg. Mag. Trattner: Ah, so war das!)

Ich möchte, da Sie faktisch ununterbrochen meinen, mit den Schulden nichts zu tun zu haben, wieder einen Kommentator zitieren, nämlich Herrn Kotanko, der Ihnen im "Kurier" ins Stammbuch schreibt:

"Die ÖVP hält an ihrer Geschichtsklitterung fest und tut so, als hätte es von 1987 bis 1999 die Alleinregierung Edlinger gegeben". – Zitatende.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so werden Ihre Argumente von der unabhängigen Presse interpretiert!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Österreich ist kein Land, das ein Konkursfall wäre. In den 30 Jahren sozialdemokratischer Politik ist Österreich von einem Hinterhof-Land zu einem reichen Land in Europa geworden. Der Lebensstandard liegt heute nicht 38 Prozent unter dem der Deutschen, sondern 5 Prozent darüber. Wir haben in Bildung und Ausbildung investiert. Wir haben den freien Zugang zur Bildung garantiert, den Sie jetzt wieder zurückdrehen. Wir haben das Gesundheitssystem entwickelt. Wir haben die Infrastrukturen entwickelt. Wir haben dieses Land zu einem der reichsten Länder der Europäischen Union gemacht, mit sozialer Ausgewogenheit, die Sie jetzt zerstören! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der herzeigbaren Bilanz versucht die Regierung, zu täuschen. Wie gesagt, hat die Budgetkonsolidierung 1995 begonnen. Wenn Herr Professor Van der Bellen nicht weiß, warum sich diese Regierung so schwer tut, nur die 2 Prozent in den nächsten zwei Jahren zu konsolidieren, während die Regierung früher 3 und mehr Prozent konsolidiert hat, dann darf ich ihm auf die Sprünge helfen. Er vergisst nämlich das Regierungsprogramm.

Im Regierungsprogramm werden Geschenke von fast 60 Milliarden Schilling oder 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes versprochen. Das heißt, mit den heutigen sozialpolitischen Grausamkeiten werden die Geschenke an Unternehmer und an Großbauern finanziert, wird das Bundesheer und anderes mehr finanziert. Das ist es, was Sie in der Argumentation zu berücksichtigen vergessen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die tatsächliche Budgetsituation wird übertrieben dargestellt, um die Opferbereitschaft zu stimulieren. Es ist eigentlich fast dankenswert und herauszustreichen, wenn beispielsweise der Herr Bundesfinanzminister in einer Diskussion locker


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daherplaudert und sagt: Ja, das Ziel Nulldefizit ist ein Schlagwort aus der Trickkiste des Politmarketings; man kann das den Leuten klarer machen als minus 0,5 oder 0,7!

Das heißt, die politische Trickkiste muss herhalten, um letztendlich die sozial Schwächeren dem Friseur vorzuführen, wie Sie das tun, sehr geehrter Herr Bundesminister!

Herr Westenthaler hat gemeint: Im Jahre 2001 hat das untere Einkommensdrittel um 5 Milliarden mehr als im Jahre 1999. Ich bin ihm für diese Rechnung dankbar. Am Ende des Jahres 2002 hätte unter Einrechnung der von uns beschlossenen Steuerreform das untere Einkommensdrittel 15 Milliarden mehr gehabt, nämlich 50 Prozent der Steuer- und Familienreform. Sie geben damit zu, dass Sie mit Ihren Maßnahmen dem unteren Einkommensdrittel 10 Milliarden wegnehmen! Dafür bin ich Ihnen eigentlich sehr dankbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit Ihr Budget stimmig ist, treten Sie in die Öffentlichkeit und versuchen, zu privatisieren. Die Professionalität dieser Privatisierungskampagne stelle ich zumindest in Frage. Beim Verkauf der UMTS-Lizenzen wurde mit 11,4 Milliarden Schilling ein im internationalen Vergleich sehr schlechter Erlös erzielt. Legen wir das nämlich um auf das jeweilige Bruttoinlandsprodukt, dann sind es in Österreich 0,4 Prozent des BIP gewesen. In Deutschland wurden 2,5 Prozent erreicht, auch in Großbritannien 2,5 Prozent, in Italien 1,2, in Frankreich 1,1 und selbst in den Niederlanden 0,7 Prozent.

Sie versuchen, das als einen positiven Akzent darzustellen, und haben noch dazu durch die Tatsache, dass die Telekom-Aktie mit gigantischem Werbeaufwand als Volksaktie vermarktet worden ist, den ohnehin "aktiengestörten" Sparer in Österreich nachhaltig verunsichert. Sie haben mit diesem Auf-Teufel-komm-heraus-Versteigerungsgang letztendlich dem österreichischen Kapitalmarkt nachhaltigste Schädigung zugefügt! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Drei kurze Bemerkungen zur Privatisierung: Dass ich dem so skeptisch gegenüberstehe, ist auf die Art und Weise zurückzuführen, wie Sie mit Interessenkollisionen umgehen. Da besetzen Sie den Aufsichtsrat der ÖIAG – angeblich entpolitisiert – mit lauter Mitgliedern der blauen Seilschaften, die überhaupt kein Hehl daraus machen, individuelle Interessen zu haben, wenn es darum geht, die Substanz der ÖIAG auf den Markt zu werfen. Das ist klassische Unvereinbarkeit! Das ist etwas, wodurch Sie dem österreichischen Volk schweren Schaden zufügen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie die wichtigsten Konkurrenten der ÖBB, wie etwa einen Geschäftsführer des größten Transportunternehmens, in den Aufsichtsrat der ÖBB setzen, damit die Konkurrenten wissen, was dort los ist, und zwar nur deshalb, weil er der Gatte einer blauen Abgeordneten ist, dann ist das klassische Unvereinbarkeit und ganz einfach Politstrategie!

Wenn Sie im Bereich der BUWOG einen stadtbekannten Makler, der sehr individuelle, private wirtschaftliche Interessen hat, damit beauftragen, im Aufsichtsrat letztendlich die Veräußerung der sozialen Wohnungen zu beaufsichtigen, dann machen Sie den Bock zum Gärtner, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dietachmayr: So ist es!)

Ich glaube und bin davon überzeugt, dass Ihre Privatisierung nach dem Motto "Großer Wert und kleiner Preis" läuft, sodass die Freunde möglichst günstig aus dem hervorragenden betrieblichen Vermögen österreichischer Betriebe privaten Nutzen ziehen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss kommen und einige wenige Bemerkungen auch zu einem anderen Thema machen, das in der Diskussion angesprochen worden ist.

Der Herr Bundeskanzler hat sich am Ende seines Debattenbeitrags bemüßigt gefühlt, hier einige Interpretationen über seine eigenwillige Geschichtsbetrachtung unserer Republik darzulegen. (Abg. Dr. Fekter: Keine "Interpretation"! – Fakten hat er gebracht! – Abg. Schwarzenberger: Historiker-Aussagen!)


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So sehr Geschichtsbewältigung erforderlich ist und so sehr ich es begrüße, dass es zu einem Zwangsarbeiterfonds kommt, muss man über dessen Finanzierung allerdings noch sprechen. Von fifty-fifty zwischen dem Steuerzahler und der Wirtschaft ist ja offensichtlich keine Rede mehr. Ich vermute, dass Sie Überschüsse aus der Arbeitslosenversicherung dazu heranziehen könnten, diesen Fonds zu dotieren, wobei dann auch klar ist, wer diesen Zwangsarbeiterfonds speist.

Aber eines, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, verstehe ich nicht – bei allem Respekt –: diese Wehleidigkeit, dieses Selbstmitleid, das Sie haben. Ich habe es für mehr als eigenartig gehalten, dass Sie am Tag der so genannten Reichskristallnacht nichts Besseres zu tun gewusst haben, als Österreich in seiner Opferrolle darzustellen. Das ist Geschichtsverfälschung, meine sehr verehrten Damen und Herren, und nützt uns international überhaupt nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kurzbauer: Was Sie betreiben ...! Ungeheuerlich!)

Weil Sie, Herr Westenthaler, in Blickrichtung auf den Parteivorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei gemeint haben, wir hätten Demokratie nicht verstanden (Abg. Böhacker: Da hat er Recht!), sage ich Ihnen: Wenn Minister in die Spitzelaffäre verwickelt sind und kein Rücktritt erfolgt, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden! Wenn ein Minister in illegale Geldbeschaffung involviert ist und nicht zurücktritt, hat er Demokratie nicht verstanden. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind schon wieder beim Vorverurteilen!) Wenn eine Regierungspartei Ermittler unter Druck setzt und kein Rücktritt erfolgt, dann ist Demokratie nicht verstanden worden, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Schon wieder Vorverurteilung!)

Wenn ein hoher Landesparteiobmann von Ihnen (Abg. Ing. Fallent: Redezeit!) die Ermittler und ihre Methoden als "ärger als bei der Gestapo" bezeichnet und nicht zurücktritt, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden. Wenn ein anderer Landesparteiobmann den Herrn Bundespräsidenten mit "Hump" oder "Dump" bezeichnet und nicht zurücktritt, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden.

Aber Sie wissen ja nicht einmal, worum es geht, wenn wir von Demokratie reden! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Khol –: Fällt dir auf, dass Edlinger immer mehr Applaus bekommt als Gusenbauer?)

11.53

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Die Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Kollege Edlinger, was Sie unter Demokratie verstehen, ist: Solange eine sozialistische Regierung demokratisch gewählt ist, ist es Demokratie; wenn eine andere Regierung auf diesem Weg zustande kommt, dann ist es undemokratisch. – Über dieses Verständnis können Sie mit uns kein Einvernehmen herstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Edlinger! Sie haben in Bezug auf Post und Telekom Kritik geübt. Was war denn in den letzten Jahren der Fall? Die Post hat von den Einnahmen aus Telefongebühren überdimensional viel ans Budget abliefern müssen: in einer Größenordnung von 110 Milliarden Schilling. Wir haben damals immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass das nicht geht. Sie haben das zur Budgetsanierung verwendet. Das ist nicht unser Weg, diese Bundesregierung geht einen neuen Weg.

Jetzt geht es eindeutig darum, dass wir uns einmal mit der Ausgangslage auseinander setzen müssen. Österreich ist bei der jährlichen Neuverschuldung Schlusslicht – das wissen Sie, Herr Kollege Edlinger! Viele EU-Länder haben es in Zeiten guter Konjunktur geschafft, die Neuverschuldung in Ordnung zu bringen beziehungsweise sogar leichte Überschüsse zu erwirtschaften.


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Sehen wir uns die Entwicklung der Budgetdefizite beziehungsweise -überschüsse an. Die Entwicklung in Österreich ist Folgende: 1998 minus 2,3 Prozent, 1999 minus 2,1 Prozent, 2000 minus 1,6 Prozent. Andere Länder haben in Zeiten der Hochkonjunktur ganz andere Erfolge erzielt. Deutschland: 1998 minus 2,1 Prozent, 1999 minus 1,4 Prozent, 2000 ein Überschuss von plus 1,3 Prozent. (Abg. Edlinger: 10 Prozent Arbeitslose! Die haben 10 Prozent Arbeitslose, Herr Trattner!) Spanien: minus 2,6 Prozent, 1999 minus 1,1 Prozent, 2000 minus 0,4 Prozent. (Abg. Edlinger: Die Menschen sehen Sie nicht!) Sogar Griechenland und Italien, alle haben uns bei der Budgetkonsolidierung überholt!

Da können Sie nicht sagen: Die Geschwindigkeit ist nicht in Ordnung. – Sie haben das alles leider verschlafen, deswegen müssen wir jetzt reagieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir befinden uns nun einmal in der Situation, dass wir 1 700 Milliarden an Altschulden haben. Wir befinden uns in der Situation, dass wir 300 Milliarden an außerbudgetären Schulden für Straßenbau, ÖIAG und dergleichen mehr haben. Der Staat muss 250 Milliarden Schilling im Jahr für Kreditrückzahlungen – Zinsen plus Tilgung – bereitstellen, allein 114 Milliarden Schilling gehen in den Zinsendienst.

Das heißt, wenn wir so weitergemacht hätten, wäre in den nächsten Jahren für den Zinsendienst beziehungsweise für Tilgungen mehr ausgegeben worden als für Bildung, Kultur und Wissenschaft!

Das heißt, wir müssten, wenn wir nichts tun, für die Sünden der Vergangenheit mehr Geld ausgeben als für Investitionen in die Zukunft! Diesen Irrweg hat diese Bundesregierung endlich gestoppt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Bundesregierung ist sich dessen bewusst, dass der jetzige Zeitpunkt richtig ist, und sie steht mit dieser Einschätzung nicht allein da. Auch die OECD sagt Folgendes: Den Zeitpunkt der Konsolidierung sieht die Pariser Organisation grundsätzlich als richtig gewählt an. Richtig gewählt ist auch der Weg des Nulldefizits bis zum Jahr 2002.

Wir haben momentan ein Wirtschaftswachstum von real 3,5 Prozent. Wir werden im Jahre 2001 ein Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent haben, die Prognosen gehen in diese Richtung.

Wenn Sie hier kritisieren und sagen, die Budgetkonsolidierungsmaßnahmen würden dem Wirtschaftswachstum derart schaden, dass wir im internationalen Vergleich Benachteiligungen erleben, dann muss ich dazu sagen, dass diese Reduktion lediglich 0,2 Prozent ausmacht. Die Prognosen hinsichtlich der Wachstumsrate für das Jahr 2001 lauten für die Bundesrepublik Deutschland auf 2,7 Prozent und für Österreich auf 2,8 Prozent, und damit liegt es genau im EU-Durchschnitt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das heißt, diese Konsolidierungsmaßnahmen sind notwendig. Wir liegen damit im EU-Durchschnitt. Würden wir diese Konsolidierungsmaßnahmen nicht in der Form jetzt in Gang setzen, dann würde über das Land ein riesengroßer Schaden hereinbrechen. Darauf werde ich im Laufe meiner Rede noch zurückkommen.

Warum ist die Entwicklung so günstig? – Die Beschäftigungslage ist hervorragend. Es gibt immer mehr Beschäftigte, die Arbeitslosenrate geht zurück. Was ältere Arbeitslose betrifft, wurde die Arbeitslosenrate um 20 Prozent reduziert.

Vor allen Dingen ist wichtig, dass nahezu 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung mit diesem Konsolidierungskurs konform gehen. 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung sagen: Es ist jetzt wichtig, das Budget zu sanieren, um die Zukunftschancen nicht zu vernichten.

Nicht nur die österreichische Bevölkerung ist dieser Meinung, sondern auch die Experten raten zu diesem Sparkurs. Dazu zitiere ich Professor Streissler: "Die Budgetsanierung ist nicht etwas, was man aufschieben kann. Die Maastricht-Verträge haben schließlich Verfassungsrang."


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Felderer sagt: "Der Finanzminister hat ausgabenseitig das gemacht, was in der Kürze der Zeit politisch möglich war. Mittelfristig, also in zwei bis drei Jahren, sollten die Konsolidierungsmaßnahmen positive Effekte nach sich ziehen."

Helmut Kramer, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes: "Die Konsolidierung der Staatsfinanzen wäre auch abseits der EU-Maastricht-Kriterien notwendig gewesen."

Warum ist sie so notwendig? – Es geht nicht um irgendeine willkürliche Maßnahme, wenn wir sagen: Das Budgetdefizit muss reduziert werden, beziehungsweise wir müssen schauen, dass wir in Zukunft Überschüsse erwirtschaften.

Wir können das an einem ganz einfachen Beispiel erkennen. Wir zahlen 114 Milliarden Schilling im Jahr an Zinsen wegen der bisherigen Budgetpolitik – das war Ihre Budgetpolitik, Herr Alt-Finanzminister! Da haben wir bei den Zinsen eine Spreizung in der Größenordnung von 0,38 Prozentpunkten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Sie wissen genau, dass diese Spannbreite durch die Budgetkonsolidierungsmaßnahmen für das Budget 2000 bereits auf 0,3 reduziert wurde.

Wenn Sie dazu noch die monetäre Auswirkung verstehen, dass 0,1 Prozentpunkt allein schon 2,2 Milliarden Schilling an Zinsen ausmacht, dann werden Sie wissen, wie notwendig es ist, endlich mit der Schuldenmacherei aufzuhören und zu Überschüssen überzugehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Konkret gibt es auf der Ausgabenseite Maßnahmen in der Größenordnung von 42,8 Milliarden Schilling, die in erster Linie Pensions- und Verwaltungsaufwand betreffen, und natürlich gibt es auch Steuererhöhungen. Es wäre uns natürlich lieber gewesen, auf gewisse Maßnahmen zu verzichten. Es wäre uns lieber gewesen, der Bevölkerung mehr Geld zu geben. Diese Hinterlassenschaft, die wir von Ihnen übernommen haben, hat es uns aber nicht möglich gemacht, nur auf der Ausgabenseite Einsparungen zu treffen.

Allerdings haben wir eines gemacht, und das ist der Unterschied zu Ihrer Budgetpolitik, Herr Kollege Edlinger: Bei den Belastungspaketen, die Sie initiiert haben, wurde die gesamte Bevölkerung "rasiert", wurde die gesamte Bevölkerung herangezogen; es wurde das Karenzgeld reduziert, es wurde das Pflegegeld reduziert; Sie sind einfach quer drüber gegangen. Diese Bundesregierung ist mit etwas Sensibilität an die Sache herangegangen. Sie hat gesagt, einen Teil sollen die Unternehmer beitragen, sollen jene Berufsgruppen beitragen, die sich das auch leisten können. Einen Teil tragen die Stiftungen bei, und zwar in der Größenordnung, dass der Eingangssteuersatz zu den Stiftungen verdoppelt wird beziehungsweise Erträge, die in den Stiftungen verbleiben, die bisher steuerfrei waren, eben besteuert werden.

Das unterscheidet uns von der alten Bundesregierung mit Ihnen als Finanzminister: Wir haben auf die sozial Schwachen Rücksicht genommen! 75 Prozent der Bevölkerung erleiden keinen Schaden und sind durch Steuererhöhungen nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.

Herr Altfinanzminister, Sie meinten im Rahmen einer Pressekonferenz, das Budget sei kein Sanierungsfall. Wie der Herr Altfinanzminister Edlinger das Budget saniert – ich zitiere –: Verzicht auf zusätzliche Ausgaben für Heer und Landwirtschaft – da steht kein Betrag dabei, jeder kann sich denken, was er will –, keine Senkung der Lohnnebenkosten in dieser Legislaturperiode.

Herr Altfinanzminister! Kennen Sie den Bericht der EU? Wissen Sie, wo Österreich bei den Lohnnebenkosten steht? Diese Regierung hat sich vorgenommen, die Lohnnebenkosten bis zum Jahre 2003 um 15 Milliarden Schilling zu reduzieren, weil das notwendig ist. (Abg. Edlinger: Weil Sie es sich einbilden! Notwendig ist das gar nicht!) Sie aber sagen in einer Pressekonferenz: keine Senkung der Lohnnebenkosten in dieser Legislaturperiode!

Österreich ist bei den lohnabhängigen Steuern, ohne Sozialversicherungsbeiträge, klarer OECD-Spitzenreiter und liegt mit 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts um mehr als 2 Prozent über dem EU-Schnitt; das entspricht einem Betrag von fast 70 Milliarden Schilling.


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Das heißt, unsere Lohnnebenkosten sind um 70 Milliarden Schilling höher als im EU-Schnitt, und deswegen ist diese Bundesregierung auch der Ansicht, dass es immens wichtig ist, die Lohnnebenkosten zu reduzieren. Der erste Schritt, den diese Bundesregierung sich in dieser Legislaturperiode vorgenommen hat, ist die Senkung der Lohnnebenkosten um 15 Milliarden Schilling bis zum Jahre 2003. (Abg. Edlinger: Da ist ja der 13. und 14. drinnen! Diese Argumentation ist ja absurd!)

Das sind Maßnahmen, die den Wirtschaftsstandort beziehungsweise auch die Beschäftigung in Zukunft sichern werden. Sie leben immer in der Welt der Scheineffekte beziehungsweise Einmaleffekte. Sie glauben, wenn wir einmal etwas realisieren, das Erfolg hat, dann passt es schon. Genauso ist Ihre Argumentation auch beim Verkauf der Telekom-Aktien. Für uns und für viele strategische Anleger und auch für den privaten Anleger ist eine Aktie ein Wertpapier. Sie hingegen glauben, eine Aktie ist ein Lottoschein, wo heute ein Ausgabekurs von 9 da ist, und in einer Woche ist der Kurs vielleicht auf 12, und ich kann verkaufen. (Abg. Edlinger: Das haben Sie den Bürgern vorgegaukelt, dass es ein Lottoschein ist! Das werfe ich Ihnen vor!) Sie sind in dieser Beziehung blauäugig.

Wenn der Bürger Schaden erlitten hätte, dann wäre der Schaden anders entstanden, und zwar in der Form, dass die Papiere mit 12 oder 13 auf dem Markt gekommen wären, und dann wäre der Kurs auf 8 abgerutscht. Dann wäre ich Ihrer Argumentation gefolgt, aber unsere Vorgangsweise, dass man vorsichtig mit 9 hinaus gegangen ist und dass man den Kurs als langfristiges Papier sichert, hält Ihrer Argumentation jederzeit stand. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und wenn Sie da in Ihrer unbeholfenen Art argumentieren ... (Abg. Silhavy: Da hat der Aktionär vielleicht einen Schaden! Wie viel Prozent der Bevölkerung sind Aktionäre?)  – Kümmern Sie sich zuerst einmal um Ihre Mietverhältnisse in der Löwelstraße! Bringen Sie das einmal in Ordnung, dann können wir wieder über andere Dinge reden. Dann sind Sie sozial wieder glaubwürdig, aber solange Sie das nicht regulieren, sind Sie es nicht. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Sie stellen ja auch falsche Rechnungen aus! Da gibt es eine Rechnung im burgenländischen Wahlkampf – wer ist der Unterzeichner?, aha: Medieninhaber: SPÖ Burgenland! –, und da heißt es: Studiengebühr für ein Kind – 10 000 S an Belastung. Da wird nicht auf soziale Aspekte Rücksicht genommen, da wird nicht Rücksicht genommen darauf, dass sich die Stipendien erhöhen werden, und da wird auch nicht darauf Rücksicht genommen, dass eben für Kinder aus sozial schwachen Familien über Stipendien der Zutritt zu den Universitäten gewährleistet und sichergestellt ist.

Der zweite Bereich, den Sie heranziehen: der Benzinpreis. Dieser habe sich um 3 360 S verteuert, heißt es da. – Das hat nichts mit der Bundesregierung zu tun. (Abg. Dr. Kostelka: Aber Sie verdienen daran!) Das sind die Rohölpreise, das ist das Kursrisiko, das hier eingetreten ist! Seien wir doch froh, dass dank dieser Bundesregierung die Mineralölsteuer, wie Sie es haben wollten, Herr Kollege Edlinger, in der Größenordnung von 1,10 S nicht zum Tragen gekommen ist, dass das die neue Bundesregierung nicht so vollzogen hat. Sonst wäre der Benzinpreis nämlich noch um einiges höher gewesen, als er derzeit ist. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Sie wären dafür verantwortlich gewesen, wenn die Mineralölsteuer in der von Ihnen gewünschten Form eingeführt worden wäre!

Bei der Autoversicherungssteuer gehen Sie mit einer Bewertung von 1 300 S davon aus, dass jeder Burgenländer einen Mercedes 500 S hat. – Sie sind ja nicht mehr glaubwürdig! Stellen Sie doch die Dinge richtig dar, und stellen Sie nicht Rechnungen an über eine Belastung von 17 000 S, weil diese Rechnungen vorne und hinten nicht stimmen. So wie die Papiere der SPÖ-Burgenland nicht stimmen, haben leider auch Ihre Papiere, die Sie an dieser Stelle hier oft bei Reden präsentiert haben, nicht gestimmt. (Abg. Edlinger: Das ist eine patscherte Argumentation, Herr Abgeordneter Trattner!)

Dass die Bundesregierung nicht nur Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung in Gang gesetzt hat, sondern auch einiges für Technologie und Forschung bereitgestellt hat, ist auch daran zu


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erkennen, dass allein 10 Milliarden Schilling für Technologie und Forschung bereitgestellt werden. Und es ist auch daran zu erkennen, dass die Bundesregierung auch Versprechen wie beispielsweise die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten eingehalten hat, was unter Ihrer Regierungsbeteiligung offensichtlich nicht möglich war.

Sie haben gewisse Dinge in Aussicht gestellt, aber nicht durchgezogen. Dazu gehören etwa die Vergütungen für den Schaden, der den Zwangsarbeitern entstanden ist, in der Größenordnung von 6 Milliarden Schilling. Das hat eben diese Bundesregierung zustande gebracht, und dafür möchte ich mich an dieser Stelle auch bei Frau Schaumayer beziehungsweise beim Herrn Vizekanzler und bei der Frau Vizekanzlerin herzlich bedanken, denn es ist einmalig, was da geschehen ist. (Abg. Edlinger: Das ist der Bundeskanzler  – und nicht der Vizekanzler!) Wir sollten stolz sein, dass uns das gelungen ist, und Sie sollten die österreichische Budgetpolitik nicht in einer solchen Weise schlecht machen, wie Sie das tun.

Unsere Budgetpolitik ist ein Versuch in die richtige Richtung, untermauert durch Daten von Wirtschaftsforschern. Es wird bei einer strikten Budgetpolitik möglich sein, diese Maßnahmen umzusetzen.

Zu Ihrem immer wieder gebrachten Vergleich der Staatsquote, Herr Kollege Edlinger, dazu, dass die Staatsquote in Österreich jetzt auf einmal so hoch sei: Sie müssen doch die Entwicklung der Staatsquote mit ins Kalkül ziehen. Die Staatsquote hat sich ja wie folgt entwickelt: Im Jahre 1995 war sie bei 49 Prozent, im Jahre 1998 bei 51,8 Prozent, im Jahre 2000 ist sie bereits bei 50,3 Prozent.

Und wenn Sie die Staatsquote international vergleichen, dann müssen Sie auch drei Bereiche mit ins Kalkül ziehen, die andere Länder nicht haben (Abg. Edlinger: Das ist schwer, Herr Trattner!): Einmal den Bereich der Pensionen. Pensionen werden eben in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, nicht besteuert, und es kommt dadurch zu keiner Bilanzverlängerung.

Der zweite Bereich sind die Kinderbeihilfen, wo eben andere Länder mit steuerlichen Absetzbeträgen arbeiten, wir hingegen mit Beihilfen, was ebenfalls zu einer Bilanzverlängerung und zur Erhöhung der Staatsquote führt.

Der dritte Bereich ist die Wohnbauförderung, wo ebenfalls 23 Milliarden Schilling über direkte Annuitätenzuschüsse beziehungsweise Zinsenzuschüsse zur Verfügung gestellt werden. In anderen Ländern gibt es eben andere steuerliche Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Absetzbarkeit von Zinsen für Private.

Das macht etwa 3 bis 4 Prozent aus. Das heißt, die Staatsquote in Österreich ist international vergleichbar, und wenn man diese Dinge bereinigt, dann liegen wir im EU-Durchschnitt.

Im Großen und Ganzen wird die Freiheitliche Partei diesem Budget ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Im Großen und Ganzen?)

12.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

12.10

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte KollegInnen! Bundeskanzler Schüssel hat zwar an unpassender Stelle, aber doch ein paar Dinge erwähnt, die aus Sicht der grünen Fraktion sicherlich nicht unwidersprochen bleiben können.

Kollege Khol: Diese Regierung steht stärker als je zuvor. – Zitat. (Abg. Dr. Fekter: Richtig!)

Diese Regierung steht. Die Frage ist nur, wofür sie steht. Ob sie mit dem Rücken zur Wand steht, werden wir noch extra beleuchten, aber wofür steht sie?


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Diese Regierung steht zunächst einmal jedenfalls dafür, dass sie, was die Aussagen zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte dieser Republik betrifft, hinter den – wenn dieser Begriff in diesem Zusammenhang erlaubt ist – Standard des Vranitzky-Kabinetts zurückfällt. Dafür steht diese Regierung mit den Schüssel-Aussagen sicher einmal. Ich werde jetzt noch näher darauf eingehen.

"Die ganze Wahrheit soll strapaziert werden", sagt der Bundeskanzler. Die ganze Wahrheit! Er selbst präsentiert aber nur einen kleinen Ausschnitt, einen in Wirklichkeit formalen Aspekt der Abfolge. Historikerinnen und Historiker können ganz gut die Begrifflichkeiten unterscheiden. Der Herr Bundeskanzler hat geschildert, dass es einen "Anschluß"-Druck von außen gegeben hat. Es gab aber auch "Anschluß"-Wünsche und einen "Anschluß"-Druck von innen. Sogar in der Regierung hat es zu dieser Zeit Tendenzen in diese Richtung gegeben. Es gab auch einen "Anschluß"-Druck – und das ist das Bedenklichste und auch das Schlimmste im Nachhinein gesehen – von unten.

Übrigens: Wenn schon die ganz Wahrheit, dann sollte man auch die Jahre 1934 bis 1938 und Dollfuß und Schuschnigg nicht ganz vergessen.

Aber bleiben wir nur bei den nationalsozialistischen Aspekten. Der "Anschluß"-Druck von unten ist eigentlich das Tragische für die Republik, auch heute noch, und der Umgang damit und die Verdrängung, die erfolgt ist. Und genau in diesem Kontext ist es so tragisch, wenn immer wieder vornehmlich die Opferrolle Österreichs strapaziert wird, weil genau unter diesem Deckmantel, genau damit jahrzehntelang auch das Verschweigen gerechtfertigt worden ist. Ganze Lehrergenerationen haben damit leben können und wurden damit ausgestattet und auf die Reise geschickt, dass sie beim Geschichtsunterricht 1918 aufgehört haben. Es wurde immer noch damit argumentiert, dass Österreich ja angeblich Opfer war. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Reitsamer. )

Deshalb gibt es eigentlich weitere Opfer dieser Herangehensweise und Zugangsweise, nämlich jene, denen die Wahrheit vorenthalten worden ist. Ich selbst zähle mich tatsächlich dazu. Ich bin erst in der Oberstufe des Realgymnasiums mit dem konfrontiert worden, was sich in Österreich abgespielt hat, und ich halte das für beschämend. Dabei bin ich Ende der siebziger Jahre in einer so genannten fortschrittlichen Schule gewesen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, Sie wissen schon, worauf das hinausläuft. Auch Sie sind nicht ganz ohne Verantwortung, was das Verdecken der Geschichtswahrheiten in unserem Lande angeht.

Die Rechtfertigung dafür war immer, dass Österreich Opfer war. Deshalb sollten wir mit diesen Begrifflichkeiten vorsichtig sein, und vor allem sollten wir diesen einen Aspekt, den der Bundeskanzler hier historisch beleuchtet hat, nicht derart in den Vordergrund stellen.

Ich bin selbst kein Historiker (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl ), aber diese Sichtweisen traue ich mich schon zu beurteilen, und ich bin mir auch sicher, dass andere prominente Historiker nicht anderes zutage fördern. Jedenfalls würde ich den Kanzler nicht in diese Riege mit aufnehmen, möchte aber genau deshalb den deutschen Historiker Hans Mommsen zitieren und noch einmal belegen, dass es in Österreich ein großes Problem war, dass es einen "Anschluß"-Druck von innen und vor allem von unten gegeben hat.

Mommsen: Die Begeisterung der Mehrheit der Österreicher über die Vereinigung mit dem Reich war echt – echt! –, und die Szenen auf dem Heldenplatz brauchten nicht gestellt zu werden. Es brauchte keine Regierungspropaganda organisiert werden. – Das ist es, was wir bei dieser Argumentation nicht außer Acht lassen dürfen. (Beifall bei den Grünen.)

Und – der Herr Kanzler ist ja leider nicht mehr anwesend – als Steirer fällt mir noch etwas Unangenehmes zu dieser Debatte ein – von wegen "Anschluß" und Österreich überrollt. In Graz sind die Nazis schon bei der Machtübernahme gewesen, als noch kein deutsches Militärfahrzeug in Salzburg über die Grenze gerollt ist. Da wurde in Graz schon die Rathauspforte von den Nazis gestürmt, und es wurde eine Stadtregierung – oder jedenfalls etwas, was sich als solche verstehen wollte – ausgerufen. Später wurde Graz noch gewürdigt dafür, dass das die Stadt der Volkserhebung war.


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Dieses traurige Kapitel beweist, welche Stimmung geherrscht hat. Ich bin mir nicht sicher, ob das bei jener Herangehensweise, wie sie Kanzler Schüssel pflegt, nicht wieder in den Hintergrund gerät und wieder verdeckt werden soll. Und das ist das Fatale an der Debatte. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Zweytick: Das ist aber peinlich! Peinlich!)

Herr Kollege Khol! Diese Regierung steht jedenfalls. Wofür? – Diese Regierung steht genau dafür, immer wieder Österreich zum Opfer zu machen. Immer wieder sind wir die Opfer. Da ist sogar eine Parallele zur Sanktionsdebatte erkennbar. Wieder ist es so, dass, nachdem die Sanktionen weggefallen sind und Ihnen der Außenfeind abhanden gekommen ist, nun – und das ist zeitlich kein Zufall, behaupte ich – Kanzler Schüssel aus sich heraus, ohne Not, diese Debatte sucht und immer wieder in die Öffentlichkeit spielt. Was hätte ihn denn sonst bewegen sollen, bei der Generaldebatte des Budgets, nachdem ihm Khol den Ball aufgelegt hat, dieses Thema zu forcieren? Was bitte? Ihnen ist der Außenfeind abhanden gekommen, also wird die Opferrolle Österreichs wieder strapaziert.

Es wird hier quasi ein Kitt für die Koalition gesucht, weil die Koalition sehr in Bedrängnis ist und in Wirklichkeit mit dem Rücken zur Wand steht – wenn sie schon "steht". Das ist der Punkt. (Beifall bei den Grünen.)

Die Idee dahinter ist ja relativ einfach: Immer noch spekulieren Sie auf Grund der Meinungsverhältnisse in diesem Land, die tragischerweise so sind – aber möglicherweise haben die Dinge, die ich vorher geschildert habe, damit zu tun –, dass man mit einer Haltung, wie Schüssel sie einnimmt, durchaus weit mehr als 50 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher auf seine Seite bringen kann; das würde passen. Für die ÖVP ist das Tolle daran, dass sie mit dieser Haltung und Herangehensweise sicher sein kann, auch in der FPÖ-Klientel zu punkten. Sie hat innerhalb der Regierungsmannschaft ganz klar das Rennen um die Nummer eins gewonnen, sie gewinnt es aber auch in Abgrenzung zur SPÖ. Und so ist diese Strategie erklärbar. Aber dafür sollte eigentlich die Geschichtsschreibung unseres Landes nicht umgedeutet werden, Herr Kollege Khol. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Regierung steht in der Tat mit dem Rücken zur Wand. Wenn wir schon eine Generaldebatte führen, die über die Generaldebatte des Budgets hinausgeht, wäre es doch angezeigt gewesen, über den Zustand dieser Regierung zu reden und darüber, dass wir einen Justizminister haben, der Gegenstand von Ermittlungen ist, aber noch immer im Amt sitzt und nicht zurücktritt. In jeder anderen Demokratie in Europa wäre das längst der Fall gewesen, das wissen Sie ganz genau. (Beifall bei den Grünen.)

Und wieder steht die Regierung, und zwar hinter Böhmdorfer, weil sie es sich nicht mehr leisten kann oder will, sich – wie es im Jargon heißt – diesen Mann "herausschießen" zu lassen, obwohl sie Böhmdorfer, dieser Regierung selbst und jedenfalls diesem Land einen großen Dienst erweisen würde, würde sie diesen Schritt setzen. In Wirklichkeit ist es ja nicht nur ein Fall Böhmdorfer, sondern auch ein Fall Schüssel, weil der Kanzler hier nicht handelt. (Beifall bei den Grünen.)

Gleichzeitig propagieren Sie die Standfestigkeit dieser Regierung. Das war, glaube ich, ein durchsichtiges Manöver. Jedenfalls bleibt sonst jede Erklärung für diese Aktivitäten und Erklärungen des Bundeskanzlers im Dunkeln. Mir fällt sonst jedenfalls keine ein.

Wenn aber der Tagesordnungspunkt nun "Budget" lautet, dann müssen wir leider auch diagnostizieren, dass sich die Bundesregierung beharrlich weigert, auf die Argumente einzugehen, die von der Opposition kommen. Ich darf daher noch einmal zusammenfassen, was die Kritikpunkte der Grünen an diesem Budget sind, und würde wirklich darum bitten, dass man noch einmal darauf eingeht, Herr Staatssekretär, was grüne Budgetpolitik heißen würde.

Umgesetzt in ein paar Prinzipien, die ja eigentlich auf jedes Budget anzuwenden sind, ist es im Sinn der Strukturreformen eine Nachhaltigkeit des Budgets, in Zeiten sozialer Armut sollte das Budget jedenfalls armutsbekämpfend und nicht armutsfördernd sein, und es sollte ein Budget mit Zukunftsorientierung sein – und dazu gehören einerseits die Forschungs- und Bildungsaus


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richtung und die Innovationsausrichtung, die ja abgehandelt worden sind, andererseits aber auch die Frage der Ökologie.

In all diesen drei Bereichen kann man eigentlich ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Warum? – Was die Nachhaltigkeit des Budgets als solches betrifft, ist ganz klar erkennbar, dass Sie jetzt sehr stark mit Einmalmaßnahmen zur Konsolidierung beigetragen haben. Wenn man diese Einmalmaßnahmen wegrechnet, verändert sich auch das Ausgaben- und Einnahmenverhältnis völlig, im Gegensatz zu den Grasser’schen Darstellungen. Nach unseren Schätzungen würden dann nicht einmal mehr 30 Prozent ausgabenseitig konsolidiert, sondern das Schwergewicht vielmehr auf der einnahmenseitigen Konsolidierung liegen – entgegen den beharrlichen Behauptungen des Finanzministers. Es ist schon die Frage, wie lange sich die Öffentlichkeit dadurch an der Nase herumführen lässt, dass diese Regierung, wie wir ihr zugestehen, diesbezüglich mit einem relativ guten Design an Marketing-Maßnahmen offensiv vorgeht.

Aber ein paar prinzipielle Fragen werden Sie hoffentlich noch willens und imstande sein, zu beantworten. Es ist tatsächlich so, dass, wenn man die Einmaleffekte abrechnet, nicht sehr viel Struktur- und Konsolidierungseffekt für die Zukunft übrig bleibt. – Erster Kritikpunkt.

Zweiter Kritikpunkt: Armutsbekämpfung. Dazu wurde schon sehr viel gesagt. Meines Erachtens ist der Begriff der sozialen Treffsicherheit tatsächlich nur mehr so zu interpretieren, dass jene, die sozial gefährdet sind, die arm sind, arme Familien getroffen werden sollen. Diese Interpretation des Begriffes scheint mir die zulässigere zu sein, und er spricht in seiner Ambivalenz auch eine deutliche Sprache.

Es ist eben das Problem in der Debatte, dass der Herr Finanzminister mit der Erfindung des Nulldefizits eine Marketing-Lücke aufgespürt hat und sich damit selbst hervorragend verkauft – er wird als Nulldefizit-Minister in die Geschichte eingehen –, aber die wesentlichen Fragen werden damit zugedeckt. Es ist geradezu eine Vernebelungskampagne, die hier betrieben wird, und hinter dem Paravent dieses Nebels, des Nulldefizits, ziehen Sie Ihre Maßnahmen durch.

Es wird eine Nebenbedingung, es wird eine Restriktion der Budgetpolitik – über die ökonomische Sinnhaftigkeit oder nicht kann man streiten; das ist ja hier auch zum Teil bereits ausgeführt worden – zum Hauptziel erhoben, um dem alles unterzuordnen. Das ist zwar einerseits, wie gesagt, sehr geschickt, aber andererseits bei einer seriösen budgetpolitischen Betrachtung geradezu verwerflich, wie das angegangen wird. Einfach die Null hinzustellen und alles andere unterzuordnen, das ist keine Politik, das ist Abdanken von Politik! (Beifall bei den Grünen.) Man überlässt die Entscheidungen und die politischen Debatten über sinnvolle und nicht sinnvolle wirtschafts-, budget- und sozialpolitische Maßnahmen nicht mehr den Politikern.

Und damit bin ich bei meinem nächsten Vorwurf. Es entsteht mittlerweile sehr stark der Eindruck, dass Klientelen immer mehr Einfluss nicht nur auf die Privatisierung der ÖIAG oder der Bundesforste haben, sondern auch auf die Politik der Regierung. – Greifen wir das Beispiel der Stiftungsbesteuerung noch einmal heraus. Es ist für mich völlig unerklärlich, und es ist auch noch eine Erklärung von der Regierungsbank ausständig, wie 2 Milliarden hereinkommen sollen; das wurde nämlich veranschlagt. Das kann gar nicht sein bei den Besteuerungsgrundsätzen, die jetzt in diesem Bereich zugrunde gelegt werden. In diesem Zusammenhang würde ich sogar behaupten, dass in diesem einen Punkt der Grundsatz der Budgetwahrheit verletzt worden ist, wenngleich wir sonst diagnostizieren müssen, dass die Ansätze vermutlich halten werden.

Aber bleiben wir bei diesem Punkt. Es hat sich eben nicht der Unsägliche aus Kärnten und der "Vertreter der kleinen Männer" durchgesetzt, sondern Prinzhorn hat sich durchgesetzt. Klientelen schreiben die Politik und die politischen Grundsätze dieser Regierung. Das ist das, was wir diagnostizieren müssen, und das kommt im Bereich der Budget- und Steuerpolitik ganz gut zum Tragen.

Nächster Kritikpunkt: die Privatisierungen, um damit gleich auch die Privatisierung der Bundesforste abzuhandeln. Wenn Sie auf diese Art und Weise Budgetziele vorgeben, dann kann man sich ausrechnen, dass die Preise, die erzielt werden, unter denen sind, die dem wahren Wert entsprechen. Und das ist der "Erstsemestrigen-Fehler" in der Privatisierung, dass mit dieser


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Vorgangsweise das Bundesvermögen immer – es zeigen jedenfalls sämtliche Berichte des Rechnungshofes bis jetzt in diese Richtung – unter seinem möglichen Wert verkauft wird.

Da braucht man sich nicht aufzuregen, wenn dann irgendjemand den Begriff "verscherbelt" strapaziert. Meines Erachtens ist er nicht ganz unangebracht in diesem Zusammenhang.

Letzter Punkt: Ökologisierung. – Die fehlt völlig. Wir haben mit einigem guten Willen betrachtet gerade ein paar Prozent ökologische Ausrichtung in unserem Steuersystem. Und wieder wurde exakt null geändert, also auch in diesem Bereich ein Null-Programm. In Zeiten, in denen der globale Treibhauseffekt unter den meisten seriösen Wissenschaftlern als völlig unbestritten gilt, ist es nicht einsichtig, warum die Regierung in diesem Bereich dermaßen vor sich hindöst. Gerade die Budget- und Steuerpolitik wäre als zumindest marktkonformes Instrument – das müsste die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und der FPÖ an sich ja interessieren –, längst angebracht. Aber es fehlt – und das wird beharrlich verweigert – die Ökologisierung des Steuersystems.

Das hat grundsätzlich nichts mit mehr Steuern zu tun. Man könnte natürlich bei anderen Abgaben und Steuern gegensteuern und dort die Abgabenpflicht zurücknehmen, sodass das aufkommensneutral gestaltet werden könnte. Aber wann und wo wollen Sie das bitte machen?

Im Gegensatz zu früheren Regierungen – die haben das wenigstens hin und wieder noch angekündigt, selbst Lacina; geschehen ist, wie wir wissen, sehr wenig – vermittelt diese Regierung ja ganz klar den Eindruck, dass sie mit all dem überhaupt nichts mehr zu tun haben will. Wir haben einen Finanzminister, der das Nulldefizit propagiert – das wird quasi zur politischen Erotik erklärt –, und die wirklichen Fragen der Zukunft bleiben völlig ausgespart. (Beifall bei den Grünen.)

Würde man die Debatte von außerhalb betrachten, würde man sich wahrscheinlich ziemlich wundern, mit welchen Details man sich hier zwischendurch abgibt, während große Fragen völlig unbeleuchtet bleiben. Das, Herr Staatssekretär, wäre bitte doch einmal eine Bemerkung wert: Wie stellt sich die Bundesregierung in den nächsten Jahren die Ökologisierung des Steuersystems vor? Mein Verdacht ist, dass da tatsächlich ein "Nulldefizit" gegriffen hat, nämlich doppelt: ein Defizit in diesem Bereich und null Vorstellungen.

Abschließend möchte ich nur erwähnen, weil ja den Grünen immer wieder vorgeworfen wird – allenfalls auch der SPÖ, aber die kann sich hier ja selbst verteidigen oder einbringen –, dass wir keine Maßnahmen vorschlagen würden zur Budgetsanierung: Das ist ja überhaupt nicht wahr. Es geht mir wirklich auf die Nerven, und ich muss es an dieser Stelle noch einmal wiederholen, dass der Herr Finanzminister regelmäßig erklärt, er hätte ohnehin mit der Opposition geredet, aber wir hätten keine Vorschläge gemacht.

Erstens waren die Gespräche anders angelegt, als dass diese Behauptung, die Opposition mache keine Vorschläge, gerechtfertigt sein könnte. Es war ein kurzer und knapper Meinungsaustausch.

Zweitens ist es obendrein auch noch unrichtig! – Wir erklären uns selbstverständlich bereit, unsere Überlegungen einzubringen, wo zum Beispiel auch ausgabenseitig reduziert werden könnte. Und es wird Sie nicht wundern, dass da die Grünen etwa im Bereich der Militärausgaben klare Vorstellungen haben, wie Milliarden im jährlichen Budget eingespart werden könnten, also zig Milliarden in der Legislaturperiode.

Bei den Hubschrauberbeschaffungen will ich mich nicht lange aufhalten. Da war es nur besonders auffällig, dass akkurat das teuerste Modell gekauft wurde, mit dem Hinweis auf die dubiosen Kompensationsgeschäfte. Das kennen wir schon. – Herr Präsident des Rechnungshofes, wir werden wieder Arbeit bekommen in diesem Bereich. Die Kompensationsgeschäfte im Hubschrauberkauf werden das nicht hergeben, was jetzt versprochen worden ist. Das kommt wie das Amen im Gebet, das kann man jetzt schon erkennen. Und dafür wird auch jemand die Verantwortung zu tragen haben, ganz abgesehen von den Abfangjägerkäufen.


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Wir bekennen uns dazu, auf diese Investition zu verzichten, und das bringt 15 bis 25 Milliarden Schilling, je nachdem, wie man es sehen will.

Nächster Punkt: Wohnbauförderung. – Es muss einmal, glaube ich, irgendjemand die Courage haben, zu sagen, dass ein System, das beinahe schon ewig in dieser Form existiert, nicht unangetastet bleiben kann. Wir können uns sehr wohl vorstellen, dass es hier Einschränkungen gibt, auch aus der Überzeugung heraus, dass das ein Instrument ist, das kraft der Förderungsstruktur, wie sie dort angelegt ist, in Wirklichkeit die mittleren und oberen Einkommensschichten begünstigt.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Redezeit von 20 Minuten zu Ende ist. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Der Schlusssatz ist ganz einfach: Die Regierung möge sich nicht mehr länger hinter dem Paravent des Nulldefizits verstecken und endlich ein paar Aussagen machen, wie es in Zukunft mit der Budget- und Steuerpolitik weitergehen kann.

Wir sind jedenfalls bereit, auch unsere Vorschläge einzubringen – entgegen den beharrlichen Behauptungen des Finanzministers, der es offensichtlich vorzieht, sich wieder auf seine Marketingkampagne zu konzentrieren. (Beifall bei den Grünen.)

12.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.30

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich berichtige, dass gegen Bundesminister Böhmdorfer ermittelt werde.

Der richtige Sachverhalt ist: Auf die Anzeige eines Abgeordneten der Grünen hat die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass die Stichhaltigkeit dieser Anzeige überprüft wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stoisits: Na was sind das? Ermittlungen!)

12.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

12.31

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Diese Bundesregierung ist am 4. Februar 2000 unter dem Motto "neu regieren" angetreten. Der Start war, wie Sie alle wissen, schwierig. Die erste Reaktion war die Ablehnung durch die EU-14. – Welch ein Start für die österreichische Bundesregierung!

Die Maßnahmen der EU-Partner waren bedrohlich. Und wie war die Reaktion im Inland? – Keine ungeteilte Ablehnung der Sanktionen, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, vielmehr ist die Rolle der SPÖ bis heute nicht geklärt.

Ich möchte Ihnen dazu heute nicht meine Meinung, sondern eine Beurteilung eines unbeteiligten Beobachters zitieren, und zwar aus der "Neuen Zürcher Zeitung". Darin heißt es: Wäre die SPÖ sattelfest im demokratischen Grundkurs, hätte sie die Maßnahmen der EU-14 reflexartig abgelehnt, es sei denn, sie habe sie doch mitinszeniert. Sie hätte sofort erkannt, dass es in dieser Frage mehr um Europa denn um Österreich geht. Freilich: Eine echte Europa-Partei war die SPÖ eben nie. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Sanktionen sind vorbei, die europäische Normalität ist wieder eingekehrt, und ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann nur sagen: Ich bin froh und glücklich darüber, wieder gleichwertiger Partner in der EU zu sein!


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Seit dem Start, das sind nicht ganz zehn Monate, hat diese Bundesregierung eine Fülle von Reformvorschlägen vorgelegt und ist deren Umsetzung in einer für Österreich wohl sehr unüblichen Raschheit angegangen, die auch die Opposition wahrscheinlich überrascht.

Ich möchte beispielsweise anführen, dass gleich zu Beginn die Organisation der Bundesregierung völlig geändert wurde: Wirtschaft und Arbeit sind nun in einem Ressort. Arbeit ist keine Erbpacht der Gewerkschaft mehr. Bisher ist deswegen Gott sei Dank noch nicht die große Arbeitslosigkeit entstanden, im Gegenteil! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frauen besetzen Schlüsselressorts in dieser Regierung: die Vizekanzlerin, die Außenministerin, die Bildungsministerin, die Infrastruktur- und Technologieministerin. Das ist gelebte Frauenpolitik, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das erste Budget dieser Bundesregierung gab es nach drei Wochen. Völlig andere Auffassungen über Defizite im Staatshaushalt werden sichtbar. Unsozial ist es, sagt diese Bundesregierung, der nächsten Generation die Schulden für den heutigen Konsum aufzubürden. Keine neuen Schulden auf dem Rücken der Kinder, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sozial ist, sagt der Bundeskanzler, was Arbeit schafft. – Welch ein Unterschied!

Die Pensionsreform ist das nächste große Aufgabengebiet, das diesen Namen auch verdient. Der für den Einzelnen wohl erfreulichen Entwicklung, dass er länger lebt, wird endlich auch Rechnung getragen, etwas, was von der Bevölkerung schon lange erkannt wurde, wird nachvollzogen: Das Frühpensionsalter wird hinaufgesetzt.

Als Nächstes wird die heikle und schon lange anstehende Frage der Zwangsarbeiterentschädigung aufgegriffen und, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch erledigt.

Der längst fällige Minderheitenschutz wurde angegangen, eine Staatszielbestimmung wurde in die Verfassung aufgenommen, und die Topographieverordnung für das Bundesland Burgenland wurde erlassen.

Die Frage der sozialen Absicherung der Künstler: 30 Jahre diskutiert – innerhalb eines Jahres von dieser Bundesregierung ein Gesetz vorgelegt. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch im Justizbereich werden wichtige Fragen angegangen: die gemeinsame Obsorge. In den meisten europäischen Ländern ist sie bereits Realität und geltendes Recht. Das Recht des Kindes auf beide Elternteile ist als Norm endlich festgeschrieben.

Ein Wort zu den Privatisierungen – sie wurden heute ja bereits ausführlich diskutiert. Sie wurden seit 1987 immer wieder angegangen. Ich denke beispielsweise an die OMV-Privatisierung, die die erste war, und die Privatisierungen im Bereich der Elektrizitätswirtschaft; durchaus erfolgreiche Privatisierungen.

Herr Abgeordneter Gusenbauer hat heute und auch am vergangenen Sonntag den Börsegang der Telekom kritisiert – sie ist sicher nicht die erfolgreichste Privatisierung –, er verschweigt dabei aber völlig die Rolle seiner eigenen Partei in diesem Zusammenhang. Alles, was zu Beginn, bei der Vorbereitung falsch gemacht werden konnte, wurde falsch gemacht, und das gegen den Widerstand der ÖVP! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Vorgeschichte dieser Privatisierung ist eng mit einem prominenten sozialdemokratischen Namen verbunden, nämlich Viktor Klima – als Verkehrsminister, als Finanzminister und als Bundeskanzler.

Die Trennung von der "Gelben Post" wurde zu spät durchgeführt – gegen den Rat der ÖVP! Es wurde die Beteiligung mit der Telecom Italia eingegangen, das bessere unternehmerische Konzept von Ameritech wurde nicht genommen – auch das wurde vom zuständigen Minister ver


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handelt. Und: Auch die Personalbesetzung lag letztlich in der Verantwortung des damaligen Ministers. – Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist gar nicht meine Analyse, sondern diese Analyse können Sie im "Standard" vom 23. November dieses Jahres nachlesen.

Es ist daher unglaublich, dass uns jetzt Herr Gusenbauer in der "Pressestunde" erklärt, wie richtig privatisiert werden sollte.

Diese Bundesregierung ist auch das heikle Thema der sozialen Treffsicherheit angegangen. Es ist das ein heikles Thema. Es ist Zeit, die Frage der Überversorgung beziehungsweise auch der Unterversorgung durch dieses Sozialsystem zu untersuchen. Der Ansatz: Je reicher das Land ist, umso mehr Sozialleistungen werden ausgeschüttet!, greift einfach nicht mehr und ist überholt. Es kann einfach nicht verteilt werden, was nicht vorher erwirtschaftet wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich ein Wort zum Dialogführen bringen. Herr Abgeordneter Edlinger hat hier gesagt, dass die Regierung den Dialog verweigert. Soweit ich den Zeitungen entnehmen konnte – es wurde auch immer wieder darüber geredet –, hat es zwei Veranstaltungen gegeben, eigentlich von noch nie da gewesener Breite. Diese Bundesregierung hat alle maßgeblichen Kräfte dieses Landes zu einem Reformdialog eingeladen, beim ersten Mal ist die Opposition allerdings nicht gekommen. So schaut die Dialogfähigkeit der Opposition aus.

Seit dem Sommer gibt es ein neues Ziel: keine Staatsschulden mehr. – Natürlich kann man das Ziel und auch die Geschwindigkeit kritisch hinterfragen. Aber wann, wenn nicht jetzt, soll genau dieses Ziel angestrebt werden? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Konjunktur ist gut. Anders, als Herr Abgeordneter Gusenbauer hier festgehalten hat, ist unsere Prognose für 2001 mit jener Europas und mit jener Deutschlands von 2,8 Prozent vergleichbar. Der Arbeitsmarkt ist in guter Verfassung. Nach Prognosen wird die Beschäftigung im Jahr 2001 um 0,1 Prozent zunehmen, damit werden 3,1 Millionen Personen unselbständig beschäftigt sein – ein neuer Rekord. Die Arbeitslosenquote liegt bei 3,4 Prozent, das ist auch ein europaweiter Spitzenwert, lediglich die Niederlande und Luxemburg haben eine niedrigere Quote.

Es gibt daher keinen anderen Zeitpunkt, eine Trendumkehr in der österreichischen Finanzpolitik einzuleiten, meine Damen und Herren.

Die SPÖ setzt zu meiner großen Verwunderung und auch Bestürzung die Verniedlichung der österreichischen Budgetlage ungebrochen fort. So habe ich in ihrer Homepage gelesen, dass sie sagt:

"Unsere Staatsschulden sind nicht höher oder niedriger als die der meisten anderen Industriestaaten. Österreichs Staatsfinanzen sind kein Sanierungsfall." – Zitatende.

Es wird seitens der SPÖ also einfach bestritten, dass Österreich zu den Schlusslichtern der EU beim öffentlichen Schuldenstand zählt. Das ist bemerkenswert, meine Damen und Herren.

Das österreichische Budget ist mit Zinszahlungen von immerhin fast 100 Milliarden Schilling belastet – Geld, das für die Vergangenheit ausgegeben wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und das Ziel der SPÖ ist es offensichtlich, dass die jährlichen Zinsbelastungen weiter steigen und dass damit auch in Zukunft weiter für die Vergangenheit gezahlt wird.

Das, was diese Bundesregierung möchte, ist, Handlungsspielraum für die Zukunft gewinnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Und dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, gebührt ihr unsere Unterstützung. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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12.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

12.41

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Als sich Bundeskanzler Schüssel zu Wort meldete, dachte ich mir: Hoffentlich sagt er etwas über seine Aussagen über Österreich als Naziopfer. Er hat es ge tan, aber ich glaube, er hat dabei auch eine Chance ver tan: statt eines klärenden politischen Wortes kamen erklärende geschichtliche Darstellungen, und selbst diese waren in der Fokussierung fragwürdig.

Man kann sich in der Frage des Einmarsches und seiner Vorgeschichte nicht auf die letzten 48 Stunden beschränken. Was ist mit dem Nachgeben gegenüber den deutschen Forderungen auf Regierungsumbildung? Was ist mit dem Berchtesgadener Abkommen? Was ist mit den Jahren 1933 und 1934, die dazugehören, und der Beseitigung der Demokratie in Österreich?

Dass Sie, Herr Bundeskanzler, am Jahrestag der Reichspogromnacht in einem Interview mit einer israelischen Zeitung über Österreich als Naziopfer sprechen, muss bei den Opfern und Hinterbliebenen – und nicht nur bei diesen –, auch wenn es nicht Ihre Absicht war – und ich glaube das –, den Eindruck des Beschönigens und des Verschweigens der Täterrolle erwecken. Diese Aussage war ein schwerer politischer Fehler, was auch immer Sie nun historisch, staatsrechtlich dazu ausführen mögen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die aktuelle Problematik – Herbert Langsner hat sie im "FORMAT" auf den Punkt gebracht –:

"Wer sich in der westlichen Welt als ideologischer Prellbock gegen Haider und seine Sager verkaufen will, muß mit diesem Thema feinfühliger umgehen. Doch jetzt wird dem Argument, der jeglicher NS-Sympathie unverdächtige Schüssel würde das einschlägige Gedankengut der FPÖ aus der Europäischen Union heraushalten, nicht mehr vertraut. Wenn der Kanzler seine Aussage nicht bewußt so plaziert hat – und dies sei hier ausdrücklich nicht unterstellt –, dann ist er gewaltig ins Fettnäpfchen getreten. Der Schaden ist angerichtet."

Herr Bundeskanzler! Ihre heutigen Worte waren keine klärenden Worte. Im Interesse unseres Landes bitte ich Sie: Finden Sie ein deutliches klärendes Wort zu Ihrer Äußerung. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zurück zum Budget: Zum Kapitel Oberste Organe gehören auch die Aufwendungen für das Parlament. Bisher sind diese einvernehmlich festgelegt worden – heuer zum ersten Mal nicht, genauer gesagt: Sie sind auch diesmal einvernehmlich festgelegt worden, aber von der Regierungskoalition mit einem Abänderungsantrag geändert worden. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie rechnen – wahrscheinlich zu Recht – damit, dass sich das öffentliche Mitleid bei Kürzungen für den Bereich des Parlaments in Grenzen halten wird, und argumentieren auf der Populärwelle: Überall wird gespart, also auch beim Parlament!

Und tatsächlich: Angesichts der finanziellen Einschränkungen, der sozialen Benachteiligungen und der Ungerechtigkeiten, die vor allem die ärmeren Menschen in unserem Land durch diese Regierungskoalition hinnehmen müssen, verblassen natürlich alle Einschränkungen bei Organen unseres Staates. So ist es nicht so sehr die Tatsache dieser Einschränkungen beim Parlament selbst, sondern die Methode, die Verhältnismäßigkeit, die Schwerpunktsetzung und die Begleitmusik, die es notwendig machen, die demokratiepolitische Facette dieser so genannten Fiskalmaßnahme zu diskutieren.

Erstens: Sie vergleichen in Ihrer Argumentation – Sie haben es im Ausschuss getan – das Parlamentsbudget mit dem Gesamtbudget. – Aber: Das Parlament als Ort der Gesetzgebung und Zugang aller gewählten Parteien – und daher auch der Opposition – zur Politik ist nicht mit der Gesamtverwaltung zu vergleichen. Der angebrachte Vergleich wäre der Vergleich mit den Kabinetten, mit den Stellen der Regierungsmitglieder.

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Vom Parlament verlangen Sie, zu sparen – beim Personal, bei Kosten, bei Ausgaben –, aber im adäquaten politischen Bereich, in den Kabinetten des Bundeskanzlers, der Vizekanzlerin und der Minister, steigen die Ausgaben, dort bekommt man zusätzliches Personal. In den politischen Bereichen des Staates geben Sie mehr aus, dort,


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wo die Opposition tätig ist, wollen Sie jedoch sparen – und das halten wir nicht für fair! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweitens: Sie ziehen immer internationale Budgetvergleiche heran. Warum tun Sie das nicht auch beim Parlament? – Wenn man sich anschaut, wie wir unter den Zweikammerparlamenten liegen, zeigt sich, dass das österreichische Parlament zu den kostengünstigsten in Europa zählt. Warum erwähnen Sie das nicht, warum berücksichtigen Sie das nicht?

Drittens: Sie kürzen uneinheitlich, und man muss Methode vermuten; zum Beispiel beim Budget des Internationalen Dienstes – hier kenne ich mich ganz gut aus. Mit Ihrem Antrag kürzen Sie vorwiegend dort, wo es um die Arbeit österreichischer Vertreter in internationalen und europäischen parlamentarischen Organisationen geht, Sie kürzen bei den diesbezüglichen Kontakten, und weniger bei den Freundschaftsgruppen. Also: Dort, wo die Opposition im Ausland in Gremien sitzt, als Gegengewicht zur Haltung der Bundesregierung auftreten kann, kappen Sie (Zwischenruf des Abg. Jung ), und dort, wo es um unverbindliche Goodwillreisen geht, lassen Sie das Geld. – Das ist sehr auffällig! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Viertens: Sie wollen – und das klingt gut – die Papierflut eindämmen. – Großartig! Erledigen wir alles elektronisch! Ich bin dafür, ich habe es mittlerweile gelernt, es war nicht so einfach, aber machen wir es! – Aber: Sie wollen nur die Papierflut eindämmen, das, was wir brauchen, um es elektronisch erledigen zu können, nämlich die Anschlüsse – hier im Saal gibt es zwei –, die jeder dazu braucht, sind jedoch nicht vorhanden. Es gibt in den Ausschusslokalen keine Anschlüsse für Laptops, es gibt nicht von jeder Stelle aus einen Zugang zum Intranet der Parlamentsdirektion.

Sicher, man könnte in diesem Bereich langfristig einsparen, aber nur, wenn man mittelfristig in die technische Ausstattung investiert, um den Abgeordneten die anderen Möglichkeiten zu geben. Wenn Sie nur die Papierflut eindämmen, dann helfen Sie wieder jenen, die die Informationen aus den Ministerien bekommen, und schaden der Opposition. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Es ist eben so: Dort, wo es um die Bereiche der Regierung geht, ist das Geld vorhanden. Im Bundesvoranschlag 2001 sind für den Bundespressedienst unter der beschönigenden Bezeichnung "ressortübergreifende Informationsarbeit" 50 Millionen Schilling für Regierungspropaganda vorgesehen.

Die in den letzten Tagen von der Regierung geschalteten Inserate enthalten bewusst falsche Zahlen über den Weg der Budgetkonsolidierung und die Belastung der österreichischen Bevölkerung. Es ist unerträglich, dass für die Fortsetzung dieser gezielten Desinformationspolitik nach 34 Millionen Schilling im heurigen Jahr weitere 50 Millionen Schilling im nächsten Jahr aufgewendet werden sollen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir stellen daher folgenden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Kostelka und Genossen zum Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (310 und Zu 310 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (370 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Nachfolgender Voranschlagsansatz ist wie folgt zu ändern:

VA-Ansatz Aufgaben- Bezeichnung Von Abzuändern Auf

bereich um Mio. ATS

1/10008 43 Aufwendungen 474,524 -50 424,524


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2. Die durch die Änderung bedingten Betragsänderungen sind auch in den Summenbeträgen entsprechend zu berücksichtigen.

*****

Meine Damen und Herren! Zum Schluss: Als Begleitmusik zu den Parlamentskürzungen war ja noch viel mehr zu hören. Es wurde davon gesprochen, dass eine Kostenstellenrechnung der parlamentarischen Arbeit eingeführt werden soll (Zwischenruf)  – nein, es war ein anderer Präsident –, dass parlamentarische Einrichtungen privatisiert werden sollen. (Abg. Jung: Die Vernissagen reduziert, die Buchpräsentationen, die einschlägigen!)

Sicher, man soll wissen, wie viel die Dinge kosten, aber wird es wirklich gut sein, dass man darüber diskutiert, ob eine Dringliche Anfrage zu viel kostet, dass man der Opposition vorhält, der Antrag habe zu viel gekostet, dass man darüber diskutiert, was Behinderte im Parlament an Kosten mit sich bringen, et cetera.

Was die Privatisierung betrifft, ist fast die Verlockung da, eine Satire über diese Vorschläge zu schreiben. Das Ergebnis wäre sicher zum Lachen, wenn es nicht, wie vieles bei diesem Budget, in Wirklichkeit zum Heulen wäre. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte.

12.52

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich einige Fragen stellen, um noch einmal herauszuarbeiten, warum wir diesen Weg gehen, welche die Gründe für die Konsolidierung unseres Haushaltes sind; Fragen, die uns allen in verschiedensten politischen Debatten immer wieder gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Die erste Frage: Wollen wir einen starken Wirtschaftsstandort, wollen wir nachhaltiges Wachstum, wollen wir volle Auftragsbücher unserer Unternehmen in Österreich? – Wenn wir das wollen – wir alle werden auf diese Frage wahrscheinlich ein Ja sagen –, dann müssen wir auch sehen, dass es dazu sanierter Staatsfinanzen bedarf.

Nächste Frage: Wollen wir Vollbeschäftigung in unserem Land? – Jeder wird, wenn er ehrlich ist, sagen: Natürlich wollen wir Vollbeschäftigung! Und auch dazu bedarf es sanierter Staatsfinanzen.

Wollen wir die Kreditwürdigkeit Österreichs verbessern, wollen wir niedrigere Zinsen für den Staat, für die Wirtschaft, für die Konsumenten erreichen? – Auch darauf wird jeder sagen: Ja natürlich, das wollen wir! Und dazu bedarf es – das muss man dann auch wissen – sanierter Staatsfinanzen.

Eine weitere Frage: Wollen wir über unsere Verhältnisse leben, wollen wir eine unsoziale Politik zu Lasten unserer Kinder und Enkelkinder betreiben, wollen wir dieses Land der nächsten Generation mit Hypotheken übergeben? – Darauf wird wohl jeder auch in diesem Haus sagen: Nein, das wollen wir nicht! Und auch dazu bedarf es sanierter Staatsfinanzen.

Die nächste Frage: Wollen wir einen Handlungsspielraum für die Zukunft dieses Landes – für Bildung, für Ausbildung, für Forschung und Entwicklung, für eine Entlastung in der Zukunft? – Auch darauf wird jeder sagen: Ja, das wollen wir. Und auch darauf heißt es: Dazu bedarf es sanierter Staatsfinanzen!


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Das sind die Gründe dafür, dass wir erstmals seit vielen, vielen Jahren wieder ein Ziel haben – das muss man auf der Zunge zergehen lassen: ein Ziel haben! – in der Finanzpolitik unseres Landes, nämlich eine grundvernünftige Politik: nicht immer mehr auszugeben, als man einnimmt! Wir sagen: Keine neuen Schulden mehr, wir bringen die Staatsfinanzen in Ordnung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Deswegen begrüße ich es auch sehr, wie die Debatte heute und auch in den letzten Wochen hier im Haus stattgefunden hat, denn vor allem die Opposition, und da vor allem die Sozialdemokratie, sagt ganz offensichtlich: Wir wollen so weitermachen wie bisher, nur ja keine Veränderung! Schulden und Hypotheken, das ist offensichtlich die Welt der Sozialdemokratie, und zwar in Verbindung mit der Aussage: Wir schalten einen Gang herunter. Sie hält sich an das Motto: Es geht auch ein bisschen langsamer, wir orientieren uns am Letzten, wir wollen im Jahre 2004 mit Deutschland darum streiten, wer das Schlusslicht in der Europäischen Union ist.

Ich bin dankbar dafür, dass Sie die Debatte so führen, denn das macht uns unterscheidbar, meine Damen und Herren. Wir wollen jetzt erfolgreich sein, wir wollen jetzt sanieren, damit wir im Jahre 2004 eine Perspektive haben für dieses Land. Wir wollen jetzt eine nachhaltige Finanzpolitik einleiten. Wir wollen nicht immer mehr zahlen für die Vergangenheit, für die Schulden und Altlasten der Vergangenheit, sondern wir wollen mehr Geld für die Zukunft zur Verfügung haben, für die Ausbildung, für die Bildung der nächsten Generationen und damit einen modernen Staat bauen. Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Ein Punkt, der uns immer wichtig war und auch für einen modernen Staat steht, ist die Sanierung von Staatsfinanzen mit einer enorm hohen sozialen Verträglichkeit.

Ich darf Ihnen vorlesen, was Professor Kofler, Vorstand des Institutes für Finanzwissenschaften und Steuern der Universität Klagenfurt, in einer Untersuchung unseres Konsolidierungsweges sagt – zwei Punkte –:

Erstens: Je weniger die Bürger von der Konsolidierung betroffen sind, umso eleganter und umso professioneller ist die Sanierung. Daran ist die Güte und die Qualität der Konsolidierung zu messen.

Er kommt in seiner Untersuchung zur Schlussfolgerung: Wenn von einer Gesamtkonsolidierung von 100,6 Milliarden Schilling 75,1 Milliarden Schilling den Steuerpflichtigen beziehungsweise Bürger nicht oder nur untergeordnet treffen, dann ist dies eine im internationalen Vergleich hervorragende Konsolidierungsquote und Konsolidierungsqualität. – Das sagt Professor Kofler von der Universität Klagenfurt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bedanke mich auch sehr für die Bestätigung von Seiten meines Amtsvorgängers, Herrn Edlinger, der mittlerweile auch schon sagt: Es gibt eine nachhaltige Entlastung des unteren Einkommensdrittels von 5,5 Milliarden Schilling. Er bestätigt das erstmals – denn sonst höre und lese ich nur, dass wir alles und jedes in diesem Land be lasten, aber mittlerweile haben auch Sie klargemacht: Es gibt trotz eines Konsolidierungskurses in diesem Land 5,5 Milliarden Schilling mehr für das untere Einkommensdrittel. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )  – Mit all den Beispielen, die wir gebracht haben.

Um eines davon zu nennen (Abg. Dietachmayr: Zum zwanzigsten Mal sagen Sie das falsch!): Der Mann verdient 26 000 S brutto im Monat, die Frau 18 000 S brutto, ein Kind unter zehn Jahren. Diese Familie hat gegenüber 1999 – alte Bundesregierung, in Ihrer Zeit – im Jahr 2001 – alle Maßnahmen greifen, neue Bundesregierung – 6 320 S netto mehr in der Brieftasche. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das ist die soziale Handschrift dieser österreichischen Bundesregierung. (Abg. Dietachmayr: Ihre Partei hat dagegen gestimmt! – Abg. Ing. Westenthaler: Die Wahrheit tut weh!)  – Es tut immer weh, wenn man hört, wie sozial etwas möglich ist, es aber in der Vergangenheit nie gelungen ist, eine ähnliche Konsolidierungsqualität zu erreichen.


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Wenn man dann in diesem Zusammenhang von "sozialen Grauslichkeiten" spricht, muss ich sagen: Meine Damen und Herren! Wir gehen diesen Weg, damit wir uns weiterhin 725 Milliarden Schilling an Sozialausgaben leisten können, damit wir sie in Zukunft absichern können, damit wir die Familienleistungen, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung, die Leistungen im Pflegebereich, damit wir die Pensionen in diesem Land weiterhin bezahlen können – 725 Milliarden Schilling! Wir gehen diesen Weg, damit das weiterhin möglich ist.

Wir gehen klug mit dem Geld unserer Steuerzahler um, denn wir gehen einen Weg, der sehr deutlich ein Senken der Ausgabenquote unseres Landes bewirkt. Wir gehen einen Weg, der nicht zu Rekordwerten bei der Steuer- und Abgabenquote führt, wie das Abgeordneter Edlinger gesagt hat. Sie wissen – ich habe es Ihnen mehrfach gesagt –, dass die Prognose der Kommission der Europäischen Union besagt: im Jahr 1999 44,7 Prozent Steuer- und Abgabenquote, im Jahr 2002 44,4 Prozent.

Das heißt, der Rekord in der Steuer- und Abgabenquote wird Ihnen vorbehalten bleiben. Wir werden es schaffen, die Abgabenquote weiter zu senken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Reden wir in drei Monaten weiter!)

Da heute gefragt wurde, was wir hinsichtlich Forschung und Entwicklung für die nächsten Generationen tun, möchte ich – auch in Anlehnung an Professor Van der Bellen – sagen: Die forschungswirksamen Ausgaben steigen 2000 auf 2001 von 49 Milliarden Schilling auf 60 Milliarden Schilling. So viel Geld hat es forschungswirksam in einem Haushalt unseres Landes noch nie gegeben.

Die Ausgaben für Bildung, Kultur, Wissenschaft – damit man nicht nur Wissenschaft zitiert, wie es Professor Van der Bellen getan hat – steigen von 103 Milliarden Schilling 1999 auf 109 Milliarden Schilling 2001, so wie wir es gesagt haben. Aktive Arbeitsmarktpolitik: von 8,8 Milliarden Schilling auf 10,1 Milliarden Schilling. Damit ist selbstverständlich ein Programm zur Armutsbekämpfung in Österreich verbunden, weil wir davon überzeugt sind, dass es der beste Weg ist, am Arbeitsmarkt zu integrieren, den Leuten Beschäftigung zu geben. Das verhindert Armut am allerwirksamsten.

Wenn es darüber hinaus gelingt, die öffentlichen Investitionen in Österreich zu erhöhen, von 31 Milliarden Schilling auf 36 Milliarden Schilling im nächsten Jahr, fast 20 Prozent mehr an öffentlichen Investitionen, dann ist das ein wichtiger Beschäftigungsimpuls, und Sie werden sehen, dass der Konsolidierungsweg dieser österreichischen Bundesregierung zu mehr Beschäftigung und zu weniger Arbeitslosigkeit führen wird und Vollbeschäftigung noch in dieser Legislaturperiode eintreten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn es gelingt, eine solche Konsolidierung auch noch mit wesentlichen sozialpolitischen Initiativen in Übereinstimmung zu bringen, wie es das Kindergeld darstellt, und wir einmal nicht Schlusslicht sind, sondern im absoluten Spitzenfeld in Europa liegen und wir dieses Kindergeld mit 1. Jänner 2002 einführen werden, dann zeigt das, welchen Stellenwert wir der Familie und den Mehrkinderhaushalten in Österreich geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte eines noch einmal betonen – und das war immer der Versuch, den wir gemacht haben, und deswegen habe ich im Gegensatz zu meinen Vorgängern mit der Sozialdemokratie Gespräche gesucht, habe ich auch mit der grünen Fraktion Gespräche gesucht –, ich sage in aller Deutlichkeit: Uns geht es um den größtmöglichen Konsens in der Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik. Das ist eine riesige Verantwortung, die wir für die Zukunft unseres Landes haben. Wir wollen die Zukunft gestalten. Wir wollen die Strukturen in unserem Land verändern. Wir wollen ein modernes Österreich bauen und laden Sie auf diesem Weg sehr herzlich ein, mitzugehen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der von Abgeordnetem Schieder vorhin eingebrachte Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Kostelka und


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Genossen ausreichend unterstützt ist und damit mit zur Verhandlung steht. (Abg. Bures  – in Richtung Regierungsbank –: Diese Rede war sehr eintönig! – Abg. Mag. Posch: Zum zehnten Mal die gleiche Rede! Immer die gleichen Stehsätze! – Abg. Ing. Westenthaler: Das tut euch halt weh, wenn es positiv ist! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Probleme, die Sie uns hinterlassen haben, sind auch gleich geblieben!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr.  Kurzmann. – Bitte.

13.03

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Das Ziel der neuen Bundesregierung ist ein ausgeglichenes Budget. In absehbarer Zeit – wir haben es gerade gehört – soll das Nulldefizit erreicht werden. Die Ausgangssituation ist, wie wir alle wissen, sehr schwierig. Für eine Staatsverschuldung von unvorstellbaren 2 000 Milliarden Schilling müssen jährlich 250 Milliarden an Zinsen und für Schuldentilgung aufgebracht werden. Das verkleinert den Handlungsspielraum des Finanzministers und dieser Bundesregierung entscheidend.

Legt man die Staatsschuldenlast auf die Bevölkerung um, so ergibt das eine Pro-Kopf-Verschuldung von über 217 000 S vom Kleinkind bis zum Pensionisten. 250 Milliarden Schilling, das ist die Summe, die jährlich an Zinsen und für die Tilgung alter Schulden anfällt. Das ist, um die Größenordnung zu verdeutlichen, mehr, als die Bildungsausgaben, mehr als die Infrastrukturmaßnahmen und das gesamte Sozialbudget des Bundes zusammen ausmachen.

Das heißt, jeder, der die unverantwortliche Budgetpolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte nicht fortsetzen will, muss sparen und verantwortungsvoll, verantwortungsbewusst mit dem Geld der Steuerzahler umgehen.

Gespart werden muss im Hinblick auf eine schuldenfreiere Zukunft in allen Bereichen des Budgets, auch bei den obersten Organen, bei der Bundesgesetzgebung, der Präsidentschaftskanzlei, beim Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, bei der Volksanwaltschaft und auch beim Rechnungshof.

Es wäre für die Bevölkerung absolut unverständlich, wenn es im gesamten Staatshaushalt Einsparungen gäbe, aber das Parlament, also der Nationalrat und der Bundesrat, oder die Präsidentschaftskanzlei davon in keiner Weise betroffen wäre. Es muss auch dem Bundespräsidenten klar sein, dass neue repräsentative Präsidentenvillen von der Bevölkerung ebenso abgelehnt werden wie kostspielige Prestigeobjekte wie etwa jenes der Linzer Oper, dem die Oberösterreicher am vergangenen Sonntag eine klare Absage erteilt haben. (Abg. Silhavy: Das zum modernen Staat!)

Dass das niemand mit Ausnahme der Opposition als Kaputtsparen absichtlich missdeutet, das liegt auf der Hand. Und man kann es sich auch nicht so einfach machen, wie Klubobmann Kostelka das im Ausschuss gemacht hat, der im Hinblick auf die Kosten der Bundesgesetzgebung im Budgetausschuss scheinbar – nur scheinbar – naiv gefragt hat: Was ist uns die Demokratie wert?

Die Demokratie, Herr Klubobmann, ist uns genauso viel wert, nicht weniger wert als Ihnen. (Abg. Dr. Kostelka: Offensichtlich nicht!) Aber sparsam und wirksam, das sind Begriffe, die einander nicht unbedingt widersprechen, die einander nicht ausschließen.

Man kann der Bevölkerung durchaus zutrauen, dass sie Zusammenhänge versteht. So, wie die Mehrheit der Österreicher die Spargesinnung der Regierung unterstützt, hat es am Wochenende auch in der Schweiz klare Entscheidungen bei einer Volksabstimmung gegeben, die die demokratische Reife der Schweizer sehr nachdrücklich beweisen. 67 Prozent des Schweizer Stimmvolkes haben ein Bundespersonalgesetz unterstützt, das die Abschaffung des Beamtenstatus vorsieht. Abgelehnt wurde dagegen eine Initiative, die eine Pensionsregelung ab dem 62. Lebensjahr zum Ziel hatte. Ebenso keinen Erfolg hatte ein Vorstoß, der die Kürzung der


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Militärausgaben vorgesehen hat, was zu einer deutlichen Schwächung der Schweizer Landesverteidigung geführt hätte.

Nun einige Bemerkungen zur Volksanwaltschaft, die unauffällig und eher unbedankt ihrer Arbeit nachgeht. Der Bericht der Volksanwaltschaft, der für das Kalenderjahr 1999 vorgelegt worden ist, war wirklich beeindruckend: 9 186 Personen haben sich an die drei Volksanwälte gewandt. Fast 4 000 Prüfungsverfahren sind in diesem Zeitraum eingeleitet worden. Insgesamt konnten 4 675 Prüfungsverfahren abgeschlossen werden. Nur in 2 328 Fällen konnte kein Grund für Beanstandungen gefunden werden.

Wie in den vergangenen Jahren auch wurde das bekannte Thema der legislativen Anregungen besprochen, die sich aus der Arbeit der Volksanwälte ergeben. Das Initiativrecht der Volksanwälte auf eigene Gesetzesvorschläge, das schon lange gewünscht wird, ist wieder einmal wiederholt worden. Gemeinsam wurde von den Volksanwälten betont, dass ihnen die Privatisierungen und Ausgliederungen Sorgen bereiteten, denn ohne konkreten Prüfungsauftrag, so die Volksanwälte, sei es problematisch, selbständig tätig zu werden.

Die als "österreichische Lösung" bezeichnete Vorgangsweise, der zufolge die Volksanwaltschaft im privatisierten Bereich zwar nicht mehr zuständig ist, im Interesse der Bürger aber weiterhin prüft, ist mit Sicherheit unbefriedigend. Hier besteht für den Gesetzgeber mit großer Wahrscheinlichkeit Handlungsbedarf.

Abschließend möchte ich noch einige Bemerkungen zur Verwaltung und zu den notwendigen Reformen in diesem Bereich machen.

In Österreich sind 22,4 Prozent der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst beschäftigt. Im EU-Durchschnitt sind es dagegen nur 17,6 Prozent, in der Bundesrepublik Deutschland 16 Prozent, in der Schweiz 12 Prozent und in den USA gar nur 9 Prozent. Dabei herrscht in den Verwaltungen der Schweiz oder auch der Bundesrepublik Deutschland, wie wir alle wissen, keineswegs Chaos oder Gesetzlosigkeit. Auch wir in Österreich werden uns internationalen Entwicklungen anpassen müssen. Es gilt, rasch Steuerungsmodelle zu finden, die zu einer schlankeren und einer effizienteren Verwaltung führen. Das Nicht-Nachbesetzen von 11 000 Dienstposten in den nächsten Jahren ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, der aber durch eine umfassende Verwaltungsreform, die auch von dieser neuen Regierung in die Wege geleitet wird, ergänzt werden wird.

Meine Damen und Herren! Der Bereich der obersten Organe war im Ausschuss weitgehend Konsensmaterie. Geben Sie auch hier im Plenum diesem Budgetentwurf der Bundesregierung Ihre Zustimmung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.11

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der Herr Bundesminister für Finanzen hat in seinen Ausführungen gesagt: Wir werden das Kindergeld einführen, damit wir einmal nicht Schlusslicht in Europa sind. – Herr Bundesminister! Diese Darstellung ist unrichtig!

In der Familienpolitik und in den Leistungen für die Kinder ist Österreich nicht Schlusslicht, sondern liegt an der Spitze der europäischen Länder. Und bis dato zielen die Maßnahmen der Wenderegierung eher darauf ab, die Leistungen für die Familien zu verschlechtern – siehe als Beispiel die Studiengebühren. (Beifall bei der SPÖ.)

13.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte. (Abg. Dietachmayr: Das stimmt! Wir sind an zweiter Stelle hinter Luxemburg! – Bundes


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minister Mag. Grasser: Ich habe nicht die Familienleistungen gemeint, sondern das Nettodefizit, wo wir Schlusslicht sind!)

13.12

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Damen Volksanwältinnen sind im Moment nicht da, aber der Vorsitzende der Volksanwaltschaft. Herr Präsident des Rechnungshofes! Herren Staatssekretäre! Herr Bundesminister! Lassen Sie mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, zuerst zu dem etwas sagen, was mir wichtig ist. Vor allem ist es mir wichtig, dass es vielleicht auch einmal der Herr Bundesminister für Finanzen hört, denn Geld regiert die Welt, und er ist Herr über die wesentlichen Mittel. Es sei nur kurz erwähnt, aber deshalb ist es nicht weniger wichtig, nämlich die Frage der Förderungsmittel für österreichische Volksgruppen, so genannte autochthone Volksgruppen, Herr Bundesminister. Die diesbezüglichen Mittel werden gekürzt.

Jetzt könnte man sagen, alles wird gekürzt, und überall wird gespart ... (Bundesminister Mag. Grasser: Werden nicht gekürzt!) Aber, Herr Minister, sie werden nicht gekürzt! – Wenn alles so bleibt, wie es ist, und wenn es eine Inflation gibt und das Geld nicht mehr wird, dann ist es de facto weniger, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.) Da muss man fast gar nicht rechnen können, um das zu verstehen. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser. ) Er flüstert mir von hinten ein.

Was diese außerordentlichen 55 Millionen für Kärnten, die so genannte Abstimmungsspende, betrifft: Ich weiß nicht, Herr Minister, ob Sie damals da waren, als wir über diese so genannte Abstimmungsspende hier diskutiert haben und wo ich festgestellt habe – weil Sie offenkundig nicht da waren, möchte ich es Ihnen jetzt noch einmal sagen –: Ich neide es den armen Kärntnern absolut nicht – arm im wahrsten Sinne des Wortes, denn da gibt es Gegenden, die sind strukturell derart benachteiligt, dass sie wirklich Förderung notwendig haben –, ich neide es ihnen, wie gesagt, absolut nicht. Das, was ich aber daran kritisiere, ist, dass Sie uns jetzt, weil ich von Volksgruppenförderung spreche, mit der Abstimmungsspende kommen. Bitte was haben die Abstimmungsspende und die Förderung von strukturschwachen Gebieten, unter anderem auch in Kärnten, mit Volksgruppenförderungsangelegenheiten zu tun? – Gar nichts, Herr Bundesminister, gar nichts! (Bundesminister Mag. Grasser: Ein guter Teil der Abstimmungsspende geht in die Volksgruppen!)

Aber wenn Sie mir schon die Kärntner Stichworte geben, möchte ich Ihnen sagen, wie die Realität von Volksgruppenanliegen in diesem Land bezüglich Kärnten ausschaut. Ein bisschen kenne ich mich auch in Kärnten aus, obwohl ich von dort nicht herkomme, weil ich mich schon lange genug damit beschäftige.

Der Herr Bundeskanzler hat in seinen Ausführungen wieder einmal – jedes Mal tut er das; der Herr Klubobmann Khol natürlich auch – erwähnt: Wir haben den Volksgruppen eine Verfassungsbestimmung gegeben! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, eine Verfassungsbestimmung haben Sie ihnen gegeben, aber die Rechte kürzen Sie ihnen, wo es nur geht. Nur ein Beispiel: Jetzt ist zwar die sprachliche und kulturelle Vielfalt des Landes neuerdings in der Bundesverfassung verankert, aber das Bundesgesetzblatt war noch gar nicht trocken, als der Landeshauptmann von Kärnten, der sich ja an diese Staatszielbestimmung zu halten hätte, sofort hergegangen ist und eine Maßnahme gesetzt hat, die das absolute Gegenteil dessen ist, was der Verfassungsgerichtshof in einem Erkenntnis festgestellt hat.

Die von den Grünen seit 1989 als verfassungswidrig bezeichnete Bestimmung des Minderheitenschulgesetzes für Kärnten, wonach man nämlich die ersten drei Jahre in der Volksschule zweisprachigen Unterricht hat und in der vierten Klasse einfach nicht mehr, weil die vierte Klasse keinen Elementarunterricht mehr darstellt, wurde vom Verfassungsgerichtshof nach einem langwierigen Prozess – man weiß ja, wie schwierig das Verfahren ist, wenn sich ein einzelner Rechtssuchender an oberste Gerichtshöfe wendet – endlich aufgehoben.

Was hat der Herr Landeshauptmann von Kärnten gemacht? – Er hat als Erstes einmal klargestellt: Hoppla, so geht es nicht, dass das jetzt etwa bedeutet, dass es mit der zweisprachigen Qualifikation von Schuldirektoren in zweisprachigen Schulen weitergehen wird! Das ist nicht


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mehr notwendig, denn das würde ja bedeuten – und so interpretiert das jeder logisch denkende Mensch –, dass ein Aufsichtsorgan, ein Direktor – und wenn es eine noch so kleine Volksschule ist – mit zwei oder drei Volksschullehrern unter ihm, wenn er diese Aufsichtspflicht und damit auch seine Anleitungspflicht erfüllen will, zumindest jene Qualifikationen besitzen muss, die ihn dazu auch befähigen – in dem Fall Zweisprachigkeit.

Das ist jetzt nicht mehr so in Kärnten, Herr Bundesminister, diese Zeiten sind vorbei! Aber Sie flüstern mir "Abstimmungsspende" zu. Daran sieht man ja, welche Vorstellung ein – jetzt sage ich es nicht ironisch – Deutsch-Kärntner von Zweisprachigkeit, von Interkulturalität in diesem Land hat. Allein diesen Konnex zu finden, ist ja geradezu abstrus, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Der Herr Bundesfinanzminister ist nicht dafür verantwortlich, was der Landeshauptmann von Kärnten tut, nämlich österreichische bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen zu missachten, bewusst zu brechen mit seiner Vorgangsweise, aber er kürzt die Volksgruppenförderung. Er kürzt sie, aber nicht um 4 Prozent oder um 8 Prozent oder um die bekannten 10 Prozent – nein, es werden nächstes Jahr massive Einbrüche in der Volksgruppenförderung sein, wenn nämlich alle staatlichen, aus Budgetmitteln kommenden Unterstützungen für zweisprachige und mehrsprachige Radios – im Burgenland handelt es sich um ein viersprachiges Radio – auf null gestellt, einfach weg sind. Und das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Viertel der Volksgruppenförderungssumme insgesamt. Wenn Sie da sagen, es bleibt etwas gleich, dann kann man daraus nur schließen, dass Sie nicht wissen, was in den eigenen vorgelegten Bestimmungen drinnen steht. – Das nur als ein kleines Beispiel dafür, wo es langgeht.

Ein zweites Beispiel, das zwar jetzt nicht unmittelbar budgetäre Auswirkungen hat, aber mit der Politik zu tun hat: die steirischen Slowenen. Die steirischen Slowenen sind als eine Minderheit im Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien verankert. – Das ist meine Brücke zur gegenwärtigen Diskussion, die der Herr Bundeskanzler heute hier begonnen hat, nämlich im Zusammenhang mit der so genannten Opferrolle Österreichs. – Sie wissen – ob er es weiß, weiß ich nicht, aber manche wissen es –, wie der Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien zu Stande gekommen ist. Aber den steirischen Slowenen verweigert diese Bundesregierung beharrlich die Anerkennung als Volksgruppe, weil zu einer Anerkennung auch politische Zeichen gehören, die es nicht gibt. Die gibt es nicht!

Es gibt keinen Groschen Unterstützung in der Steiermark für die Volksgruppe der steirischen Slowenen. Null gibt es! Das, was sie sich an Möglichkeiten in den letzten Jahren erarbeitet haben, wird zum Teil aus Bundesmitteln gefördert, beispielsweise durch das Unterrichtsministerium, und zum Teil von den Slowenen, denn diese legen nämlich Wert auf Interkulturalität und auf gutnachbarliche Beziehungen. Das ist die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das ist nur ein ganz kleiner Einblick in die Budgetrealität, wie sie sich jetzt, wenn Sie so wollen, aus der Sphäre von Fachbereichssprechern darstellt.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende noch einige Bemerkungen zu einem Thema machen, das wirklich unmittelbar und in einem sehr bedeutsamen Ausmaß Einfluss auf das Budget hat, nämlich zu den Mitteln für den so genannten Versöhnungsfonds, diesen 6 Milliarden Schilling, die wahrlich nicht wenig sind.

Mit großem Interesse und mit noch größerer Verwunderung habe ich vor ungefähr zwei Wochen im "Kurier" gelesen, dass man jetzt so froh ist, weil man diese 6 Milliarden Schilling beisammen hat. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie erinnern sich: Als hier im Nationalrat das Versöhnungsfonds-Gesetz einstimmig beschlossen wurde, war Ihnen allen bei der Zustimmung bewusst, dass dieses Gesetz erst dann in Kraft treten wird, wenn diese 6 Milliarden Schilling, die das Gesetz an Mitteln vorsieht, auch aufgebracht sind. Und ich kann mich an die durchaus für mich glaubwürdige Aussage des Herrn Bundeskanzlers erinnern, wonach die Mittel zur Hälfte von der Republik Österreich, sprich aus dem Budget oder von den österreichischen Steuerzahlern, und zur Hälfte von Österreichs Wirtschaft aufgebracht werden.


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Wissen Sie, wie jetzt – laut "Kurier"; der Herr Bundeskanzler hat sich ja bis jetzt dazu verschwiegen – diese Mittel aufgebracht werden? 3,7 der 6 Milliarden Schilling kommen aus dem Insolvenzentgeltfonds. 3,7 Milliarden Schilling werden von dort abgezogen. (Abg. Dr. Fekter: Tragen die Unternehmer und nur die Unternehmer!) Wissen Sie, was das bedeutet, wenn im Jahr 2001 nur eine Großinsolvenz auf uns zukommt? Das heißt dann nichts anderes als, um in der Logik der jetzigen Bundesregierung zu bleiben, wie sie bis jetzt Maßnahmen budgetärer Art gesetzt hat: Die Leistungen für die Arbeitnehmer aus dem Insolvenzentgeltfonds werden gekürzt – werden gekürzt werden müssen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kopf: Das können Sie doch nicht ernst meinen, was Sie da sagen! – Abg. Mag. Kukacka: Sie haben keine Ahnung!)

Es gibt gar keine andere Logik, denn glauben Sie tatsächlich, dass die Regierung jetzt hergeht und sagt, wir nehmen das Geld aus dem Insolvenzentgeltfonds, der aus Arbeitgeberbeiträgen gespeist wird, um dann nächstes Jahr die Beiträge zu erhöhen, wo man doch der Wirtschaft das Versprechen gegeben hat, die Beiträge zu senken? Ich will jetzt gar nicht in Abrede stellen, dass es auch Sinn macht, Beiträge zu senken. Man nimmt also jetzt Mittel aus diesem Fonds, um den Versöhnungsfonds damit zu speisen.

Aber ich setze meine Aufzählung fort. 2 Milliarden Schilling bringt die österreichische Wirtschaft auf. (Abg. Kopf: Plus die 3,7! Im Insolvenzentgeltfonds stecken ausschließlich Gelder der Wirtschaft!) 1,5 Milliarden Schilling kommen aus dem verstaatlichten Bereich. 500 Millionen Schilling sind der Beitrag, wenn man so will, der restlichen Wirtschaft. Kommt Ihnen dieses Verhältnis ausgewogen vor? (Abg. Kopf: Großzügig, sehr großzügig kommt uns das vor!) 500 Millionen Schilling sind der unmittelbare Beitrag der österreichischen Wirtschaft zum 6-Milliarden-Schilling-Versöhnungsfonds, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Lichte der Diskussion um die, wie es der Herr Bundeskanzler der "Jerusalem Post" gegenüber genannt hat, Rolle Österreichs im Zusammenhang mit der jetzigen Opferdiskussion. Seine Worte waren: "Der souveräne Staat Österreich war buchstäblich das erste Opfer des Nazi-Regimes." (Abg. Dr. Fekter: Und was ist mit dem zweiten Satz, den er dazugesagt hat? Das ist nur die halbe Wahrheit!)

Wenn man bestimmte Bruchstücke aus der jetzigen Diskussion zusammensetzt, dann ergibt sich folgendes Bild: Versöhnungsfonds auf der einen Seite, Renten, die den Kleinrentnern, die ein hohes Alter haben, die so genannte Spätheimkehrer sind, niemand neidet, aber auf der anderen Seite ist die ganz klare und präzise Forderung der Opposition: Schreiben wir – auch mit unserem Einverständnis – fest, dass es vom Gesetz her ausgeschlossen ist, dass Kriegsverbrecher oder solche, die des Kriegsverbrechens verdächtigt werden, in den Genuss dieser Leistungen kommen können!, bei Ihnen auf taube Ohren gestoßen. (Abg. Dr. Fekter: Das ist ein sehr eigenartiges Verständnis!) Das ist ein zweites Faktum, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Jetzt komme ich wieder auf das zurück, was gerade am 9. November – das ist möglicherweise ein Zufall, aber bei Bundeskanzler Schüssel glaube ich überhaupt nicht an Zufälle (Abg. Prinz: Der beste Bundeskanzler seit 30 Jahren!)  – in der "Jerusalem Post" veröffentlicht wurde. Das sind so Versatzstücke, Versatzstücke, wo ich mich nach jetzt fast zehn Monaten Regierung nicht mehr wundere (Abg. Dr. Fekter: Weil ihr den Herrn Bundeskanzler unterschätzt habt!), denn was ist von einer rechtskonservativen Regierung an Politik zu erwarten, die selbst davor nicht zurückschreckt, uns jetzt – ich spreche mit den Worten von Klubobmann Khol – die ganze Wahrheit zu sagen?

Er hat heute hier wörtlich davon gesprochen: Wir setzen den Umschreibern der Geschichte die historische Wahrheit entgegen! (Ruf bei der ÖVP: Richtig!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich am Ende des Jahres 2000 den Satz höre: Wir setzen den Umschreibern der Geschichte die historische Wahrheit entgegen!, dann kann ich Ihnen sagen, Sie haben wahrlich aus der Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert nichts gelernt – wirklich nichts! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Das ist eine Diffamierung!)


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13.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

13.26

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Vertreter der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofs! Aus der Geschichte nichts gelernt, hat Kollegin Stoisits gerade gesagt: Da frage ich aber schon: Haben die linken Chaoten, die vorige Woche vor dem Haus demonstriert haben, auch aus der Geschichte nichts gelernt? Oder haben jene Kollegen, die diese gewaltbereiten Chaoten unterstützt haben, aus der Geschichte nichts gelernt?

Es ist heute schon sehr viel von Demokratie die Rede gewesen, und wir bekennen uns dazu, dass Demokratie Geld kostet. Es kostet Geld, den demokratischen Rechten zum Durchbruch zu verhelfen, und – das ist für uns unbestritten – wir werden für die demokratischen Rechte hier auch ein Budget fassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber ist es notwendig, dass die Donnerstags-Chaoten am Parlamentsgebäude bisher bereits einen Schaden von über 400 000 S angerichtet haben? An diesem Gebäude allein! Was sonst in der Stadt an Schäden angerichtet worden ist, will ich ja gar nicht ausführen. Ist es demokratisch, wenn man unter dem Titel "Frühstück und Sit-in gegen Bildungs- und Sozialabbau" ein Gewaltspektakel veranstaltet? (Abg. Dr. Mertel: "Frühstück" ist ein gefährliches Thema für den Herrn Bundeskanzler!) Ist es demokratisch, wenn die linken Chaoten Parlamentsbedienstete tätlich angreifen und in ihrer Arbeit behindern? (Abg. Mag. Kogler: Die ÖVP sollte nicht so viel frühstücken!) Und haben Sie, meine Kollegen von der linken Seite, nichts gelernt, da Sie solche Chaoten unterstützen, sei es finanziell über das "TATblatt" oder auch nur ideell, indem Sie sich zu ihnen gesellen und Sympathie bekunden?

Es ist ein höchst bedenkliches Demokratieverständnis, wenn man diese gewaltbereiten Gruppen unterstützt und damit Schäden bewusst in Kauf nimmt. Es drängt sich für mich der Eindruck auf, dass man um der Provokation willen beziehungsweise um ein bisschen Destabilisierung herbeizuführen, die demokratischen Rechte hier sehr weitgehend interpretiert und gewaltbereite Chaoten gewähren lässt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung wird eine Destabilisierung aber nicht zulassen. Der Opposition wird diese Destabilisierung auch nicht gelingen, denn wir arbeiten daran, dass demokratische Rechte für und nicht gegen die Demokratie eingesetzt werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Als grob fahrlässige Falschinformation und bewusste Fehlinformation an die Bevölkerung werte ich auch die Aussage von Nationalratspräsidenten Fischer heute im "Kurier", wo er meint, dass die Sparmaßnahmen für das Hohe Haus eine ernste Behinderung in der Erfüllung parlamentarischer Aufgaben und Tätigkeiten darstellen. (Abg. Mag. Kogler: Stimmt ja!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist absolut unrichtig, was beispielsweise ein kurzer Blick in die Rücklagensituation des Hohen Hauses zeigt. Unter der Position 1/02403 weist das Parlament Rücklagen für Instandhaltung von über 100 Millionen Schilling aus. Wir sparen derzeit 8 Millionen Schilling ein.

Es ist weiters so, dass für "sonstige Aufwendungen", zum Beispiel Druckwerke, Papier et cetera, die Parlamentsdirektion noch einmal 24,5 Millionen Schilling an Rücklagen hat. Herr Kollege Schieder – er ist jetzt nicht mehr im Haus –, ich war schon überrascht, dass Sie in Ihrer Rede mehrmals darauf hingewiesen haben, dass das eigentlich Gelder für die Opposition seien. Welches Verständnis bitte von der Parlamentsdirektion haben Sie?! Diese ist doch kein verlängerter Arm der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ebenso sind internationale Kontakte keine Erbpacht der SPÖ! Ich ersuche Herrn Präsidenten Fischer, sich doch ein bisschen mehr zu bemühen, diese einseitige Gebarung abzustellen und das Budget der Parlamentsdirektion ausgewogen auf alle Fraktionen zu verteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Hohe Haus hat, um eine ordentliche Gebarung zu gewährleisten und die parlamentarischen Tätigkeiten auch dann, wenn überraschend etwas eintreten sollte, ordnungsgemäß stattfinden zu lassen – also von einer Behinderung kann gar keine Rede sein –, weitere Rücklagen. Der


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Nationalrat, also dieses Gremium hier, besitzt Rücklagen in der Höhe von 4,7 Millionen Schilling, der Bundesrat Rücklagen von 1,5 Millionen Schilling, und für gemeinsame Tätigkeiten des gesamten Parlaments stehen noch einmal 4 Millionen Schilling zur Verfügung. In diesem Zusammenhang von einer "Behinderung" zu sprechen, weil wir eben auch einen Beitrag zum Sparpaket leisten, ist einfach eine Falschinterpretation und – das muss ich ganz ehrlich sagen – hätte ich von einem Präsidenten des Nationalrates nicht erwartet! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich kritisiere – und das möchte ich schon klarstellen – nicht die Reserven, diese konnten durch eine sorgsame Gebarung in den letzten Jahren angeschafft werden, ich kritisiere aber sehr wohl, dass der Herr Präsident diesbezüglich an die Öffentlichkeit falsche Informationen weitergibt. Wir als Parlament beschließen unser Budget selbst, und daher ist es besonders notwendig, doppelte Sorgsamkeit an den Tag zu legen. Der Sparwille muss auch bei uns erkennbar sein, auch wir müssen einen Beitrag zum Sanierungskurs leisten. Es ist nicht Aufgabe des Hohen Hauses, Reserven anzuhäufen und neuerlich den Rücklagen zuzuweisen, wenn anderweitig Mittel dringend notwendig sind.

Zudem muss die Gebarung des Hohen Hauses so transparent gestaltet sein, dass die repräsentativen Aktivitäten des Parlaments neben der Gesetzgebung, das heißt auch die internationalen Kontakte, ausgewogen wahrgenommen werden können und nicht einer Fraktion vorbehalten sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir können bei den Druckwerken locker einsparen. Wie Sie alle wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ersticken wir in Papier. In Zeiten von Internet kann hier sicherlich etwas verändert werden.

Wir können auch sparen beim Umbau der Klubs; hier müssen die Millionen nicht unbedingt im heurigen oder nächsten Jahr ausgegeben werden.

Wir können weiters sparen bei den Mieten. Beispielsweise steht ein Stockwerk für die EU-Abgeordneten fast leer; sie haben eine andere Infrastruktur.

Und wir können auch sparen bei den Investitionen im Hinblick auf die Sanierung. Es ist so, dass das "Haus am Haus" viele doch für eine sehr aufwendige Restaurierung erachten, und ich glaube, dass gerade dieses Beispiel aufzeigt, dass wir im Hinblick auf das Bauprogramm ein bisschen "strecken" müssen.

Es wird so sein, dass dieses Haus in seiner Aktivität nicht behindert wird, aber wir trotzdem unseren Sparwillen zeigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr.  Mertel. – Bitte.

13.35

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich wollte auf die rhetorisch ständig gleich bleibenden "Werbetexte" des Herrn Finanzministers gar nicht eingehen – er ist auch nicht mehr anwesend –, aber für das Protokoll, denn es heißt ja: Wer schweigt, stimmt zu!, möchte ich doch anmerken: Die Steuerreform und das Familienpaket hat die FPÖ hier in diesem Haus abgelehnt, aber der Herr Finanzminister steckt sich diese Feder immer wieder als Erfolg der FPÖ und der Regierung auf den Hut. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Steuerreform und das Familienpaket wurden in der Zeit der Regierung SPÖ/ÖVP beschlossen.

Wenn der Herr Finanzminister unter einem Kurzzeitgedächtnis leidet – er behauptet ja immer wieder: Bei einem Einkommen von unter 30 000 S wird niemand "geschädigt"! –, dann soll er doch überlegen, was er im Gesundheitsbereich gemacht hat, was er an Familienzuschüssen den Arbeitslosen- und KarenzgeldbezieherInnen wegnimmt.


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Kindergeld – wir würden dann diesbezüglich einen Spitzenplatz im europäischen Vergleich einnehmen, erwähnt er. – Das sind wir schon! Wir haben durch das Familienpaket und die Familienförderung – Kollege Niederwieser hat das ja schon berichtigt – den zweiten Platz im europäischen Vergleich eingenommen! Durch das Kindergeld sollen in Wirklichkeit die Arbeitnehmerinnen vom Arbeitsmarkt verdrängt werden. Die Frauen sollen endlich wieder die traditionelle Rolle wahrnehmen.

Sie heben das Karenzgeld – was Sie locker machen könnten – nicht auf ein existenzfähiges Niveau an. Mit 6 000 S monatlich kann niemand leben! Dafür lockern Sie die Zuverdienstgrenzen, damit Mütter und Väter ordentlich im Zuverdienst arbeiten können. Ich frage mich nur, wer sich dann um die Kinder kümmern wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Anhand des Budgets kann man natürlich auch feststellen, welches Bild eine Regierung bietet. Welches Bild bietet diese FPÖVP-Regierung demokratiepolitisch, frauenpolitisch und als Dienstgeber für öffentlich Bedienstete? – Demokratiepolitisch ist es bedenklich, wenn ein Bundeskanzler sich hierher stellt und von der Zulässigkeit, von der Fragwürdigkeit der Zulässigkeit von Demonstrationen redet. Bauerndemonstrationen, die in den letzten Jahren viel öfter stattgefunden haben als solche von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, scheinen legitim zu sein, aber Demonstrationen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen sind anzufeinden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amon: Es geht um die Gewaltbereitschaft!)

In dieses Bild passt auch die Kürzung der Mittel für das Parlament. Das ist mangelndes Demokratieverständnis dieser Regierung und keineswegs eine zufällige oder vielleicht unüberlegte Einzelmaßnahme.

Ins Bild passen auch 66 bis 80 Millionen Schilling, die von der Regierung für Propaganda ausgegeben werden. "Informationskampagne" nennt sie das beschönigend (Ruf bei der ÖVP: "Euroteam"!), um der Bevölkerung das Belastungspaket schmackhaft zu machen, um es schönzureden.

Ins Bild passt auch, dass man vergeblich darauf wartet, dass zu diesem Tagesordnungspunkt, der jetzt in Verhandlung steht, die Frauenpolitik der Regierung diskutiert wird. Herr Khol vermeint hier stolz, ebenso Frau Baumgartner-Gabitzer, das sei gelebte Frauenpolitik, weil so viele Frauen Führungspositionen innehaben. – Da stimme ich Ihnen zu, das ist ein Zeichen nach außen, ist ein Signal an die Frauen, aber Frauenpolitik nur darauf zu reduzieren – und das geschieht jetzt, denn die Frauenpolitik bleibt auf der Strecke –, ist zu wenig. Was tun Sie für die "durchschnittlichen" Frauen, was tun Sie für die "kleine" fleißige Frau in Österreich? – Das wäre Frauenpolitik, aber das bleibt auf der Strecke! In Wirklichkeit, Herr Khol, ist Frauenpolitik für Sie – um es zu wiederholen – ein "Orchideenthema". (Abg. Rosemarie Bauer: Auch wenn Sie es noch so oft sagen, wird es nicht wahr!)

Es nützt auch gar nichts, Frau Rosemarie Bauer, wenn Sie auf Ihren Plakaten, auf Ihren stark weiblichen und schwarzen Plakaten stehen haben – das ist keine Erfindung von mir, das steht wirklich auf den Plakaten der ÖVP-Frauen –: "Schau mir in die Augen, Kleiner!" (Abg. Rosemarie Bauer: Sie sind humorlos! Sie verstehen es nicht! Sie haben es nicht begriffen!)  – Wahrscheinlich, um eine anständige Frauenpolitik einzufordern. Aber wenn Sie die derzeitige Frauenpolitik fortsetzen, wird es wohl schneller, als wir alle glauben können, heißen: "Geh mir aus den Augen, Kleiner!" (Beifall bei der SPÖ.)

Das alles passt ins Bild der Regierung, die sich von einem erfolgreichen Weg der Konsenspolitik und des Interessenausgleichs verabschiedet hat, die in Richtung Ellbogengesellschaft geht und den Wohlfahrtsstaat aushöhlt.

Dass diese Regierung nicht mehr das Gespräch mit Betroffenen und deren Interessenvertretern sucht, gar nicht daran interessiert ist, das merken wir vor allem in der Sozialpolitik, aber auch besonders im Umgang mit den öffentlich Bediensteten. Seit der Umsetzung der Pensionsreform 2000, die massive Nachteile für die Frauen gebracht hat, gerade auch im öffentlichen Bereich, wird immer deutlicher, dass diese Regierung am liebsten hinter dem Rücken und über die Köpfe der Sozialpartner hinweg agiert.


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Herr Bundeskanzler Schüssel meinte in seiner Rede, vor allem auch Frau Fekter, wir unterstützten "linke Chaoten" und wir – "Sie von der linken Hälfte" – hätten aus der Geschichte nichts gelernt. – Da muss ich Sie aber schon fragen, ob Sie hier die AHS-Lehrer meinen. Meinen Sie die AHS-Lehrer Ihrer Fraktion, die AHS-Lehrer der Fraktion Christlicher Gewerkschafter? Der Vorsitzende Jantschitsch gehört Ihrer Fraktion an, die haben einen Warnstreik beschlossen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wenn Herr Khol meint: Wir konnten nur ein Reförmchen bei der Pension machen – damals –, weil die FSG der SPÖ einen Schuss vor den Bug geliefert hat, dann, Herr Khol, kann ich dazu nur eines sagen: Ich nehme an den Sitzungen der GÖD teil, und ich war auch dabei, als Ihr Vorsitzender Neugebauer, Ihr Vorsitzender Neugebauer – ÖVP-Angehöriger, FCG-Vorsitzender –, sich gegen die Pensionsreform ausgesprochen hat und in der GÖD auch entsprechende Beschlüsse gefasst worden sind. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Sie haben sich von einer Zusammenarbeit verabschiedet. Tatsache ist, dass Gesetzentwürfe nicht mehr zur Begutachtung ausgeschickt werden, und wenn, dann müssen innerhalb von drei Tagen Stellungnahmen erfolgen. Empfehlungen der Sozialpartner werden ignoriert, Gespräche gar nicht mehr geführt, ausgenommen Scheinverhandlungen, Ergebnisse und Vorhaben bis zuletzt verschleiert. Das Ganze wird aber dann von Schreckschüssen begleitet und von Mediengepolter, so geschehen bei den Gehaltsverhandlungen der öffentlich Bediensteten.

Die Frau Vizekanzlerin ließ über die Presse ausrichten: Zunächst einmal Nulllohnrunde! Darüber hinaus ersatzlos streichen wollte sie: Kinderzulage, Essensgeld, Todesfallbeitrag, Fahrtkostenzuschuss. Das heißt: Wenn das alles eingespart worden wäre, dann hätten sich die öffentlich Bediensteten, die allenfalls doch noch eine Gehaltserhöhung erreicht haben, ihre Gehaltserhöhung eigentlich selbst finanziert. – Das ist überhaupt der Trick dieser Bundesregierung, denn auch die Studentinnen und Studenten werden ja ihre Universitäts-Milliarde für Strukturveränderungen der Universität selbst finanzieren müssen mit den Studiengebühren, der "Studentensteuer".

Dieses Mal wurden diese Einsparungsankündigungen der Frau Vizekanzlerin noch abgewendet.

Es fehlen nur noch Ihre Inserate, wie Sie sie im "Kurier" vor einigen Wochen geschaltet haben: "Österreich neu regieren". – Darin haben Sie all das aufgezählt, was der Bevölkerung nicht weggenommen worden ist. Sie haben zum Beispiel stolz verkündet: kein Eingriff ins Pflegegeld, kein Eingriff in die Familienbeihilfe et cetera! Aber die nächsten Härten, meine Damen und Herren vom öffentlichen Dienst, sind schon vorprogrammiert, nämlich unter dem verschleiernden Titel – es wird ja alles schöngeredet –: "Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen".

Was heißt das eigentlich? – Das heißt: spürbare Verschlechterungen, was Dienstzeiten und Vergütungsansprüche betrifft, Kürzungen bei Überstunden durch Jahres- und Quartalsdurchrechnungen, Erhöhung der Wochenarbeitszeit durch Herausrechnung der Mittagspause, Kürzung der derzeitigen Sonn- und Feiertagsvergütung von 200 Prozent auf 100 Prozent und, und, und. (Staatssekretär Dr. Finz: Sie haben aber mit unterschrieben!) Das trägt die Handschrift dieser Regierung. Was heißt "Handschrift"? – Die schwere Hand, die diesen Griffel hält! (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz. )  – Sagen Sie mir nicht immer etwas ein, was nicht ganz korrekt ist! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wer das weiß, der weiß auch, dass für Frauen hier besonders viel auf dem Spiel steht, denn bei keiner einzigen Maßnahme wurde bisher auf die besondere Situation der Frauen, insbesondere der berufstätigen Frauen mit Betreuungspflichten, Rücksicht genommen. Vielmehr wurde die Position der Frauen geschwächt – von der Gesundheitspolitik über die Sozialpolitik bis hin zu den Pensionen und dem Arbeitsrecht.

Das Bild, das wir von dieser Regierung haben, wird vervollständigt mit einem weiteren Punkt, der unter folgendem Motto steht: Personalabbau nach Rasenmähermethode! 11 000 Planstellen – 11 000! – sollen bis zum Jahr 2003 eingespart werden. Der Bildungsbereich soll angeblich ausgenommen sein. Angeblich!  – Ein weiteres Täuschungsmanöver dieser Regierung, denn tatsächlich wird durch Gehaltskürzungen und Umstellungen bei den Lehrverpflichtungen auch in


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diesem Bereich eine Einsparung zwischen 8 000 und 10 000 Planstellen erreicht werden. Das geht aber nicht nur zu Lasten der LehrerInnen, vor allem der VertragslehrerInnen und der LehramtskandidatInnen, sondern das geht vor allem zu Lasten der Kinder.

Der lineare Abbau von 11 000 Planstellen ist nicht nur unrealistisch, sondern auch unintelligent. Ein derart massiver Personalabbau wäre nur sinnvoll im Zusammenhang mit einer begleitenden Verwaltungsreform und einer Neustrukturierung der Aufgaben, davon fehlt aber bisher jede Spur.

Im Klartext heißt das: Diese Regierung nimmt für ihre verfehlten ehrgeizigen Budgetziele sogar Qualitätseinbußen im öffentlichen Dienst in Kauf, und besonders bedenklich ist es, dass sie diese Qualitätseinbußen auch im Bildungsbereich akzeptiert. Die Regierung hat in diesem Punkt bis zuletzt versucht, zu leugnen und zu täuschen. Es wurde von Budgeterhöhungen gesprochen und bloß von Umstellungen bei der Vergütung von Leistungen.

Aber auch das passt zum Bild: Zuerst wird geleugnet, dass belastende Maßnahmen geplant sind, dann werden Pakete geschnürt, aber natürlich hinter dem Rücken der Betroffenen, dann folgt eine Phase der Täuschungsmanöver und der Schönrednerei, bis die Bevölkerung dann überfallsartig vor vollendete Tatsachen gestellt wird. – Das, meine Damen und Herren von der FPÖVP-Regierung, nenne ich einen schlechten demokratiepolitischen Stil! (Beifall bei der SPÖ.)

13.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

13.47

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Die Opposition plant am 5. Dezember 2000 eine große Demonstration rund um das Parlamentsgebäude, aber auch anderswo in Österreich. Ich hoffe, es wird dabei nicht so sein wie am vergangenen Donnerstag, Frau Mertel. Am vergangenen Donnerstag gab es nämlich laut Bericht der heutigen "Kronen Zeitung" einen "Nacht-Angriff aufs Parlament". Ein Raub der rot-weiß-roten Fahne wurde versucht, mit dem Ziel, den weißen Streifen herauszutrennen und so das Insignum unserer Republik zu schänden.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie sollten von Ihren Sympathisanten etwas mehr Respekt vor den Insignien und der Rechtsordnung unserer Republik einfordern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Stellen Sie sicher, dass das Parlament und seine Bediensteten hinkünftig nicht mehr von diesen Chaoten angegriffen werden!

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Mertel! Sie haben unter anderem in Ihren Ausführungen auch erwähnt, dass die SPÖ-Regierung die Steuerreform beschlossen habe. Das ist schon richtig, Frau Mertel, nur: Die jetzige Regierung finanziert diese Reform und setzt das Budgetdefizit auf Null. – Das ist der Unterschied!

Sie haben auch in Bezug auf die Verwaltungsreform Anmerkungen gemacht. Ich bin auch der Ansicht, dass wir die Diskussion über die Beratungsgruppen I und II nicht vorübergehen lassen sollten, ohne über Föderalismus und Bürgernähe zu sprechen. – Zwei Elemente, denen diese Bundesregierung ganz besonderes Augenmerk widmet, meine Damen und Herren, weil die alte rot-schwarze Koalition in diesen Bereichen wesentliche Defizite angehäuft hat. Vor allem in Bezug auf die Bundesstaatsreform ist ein erheblicher Handlungsbedarf entstanden.

Diese Bundesregierung packt dieses Thema an. Es ist nicht so, wie Sie sagen, Frau Mertel, dass von der Verwaltungsreform jede Spur fehle.

Meine Damen und Herren! Ein wichtiger Bereich ist die bundesstaatliche Kompetenzverteilung. Diese strukturelle Änderung wird von dieser Bundesregierung begonnen. Es sollen dort geschlossene, abgerundete und problemorientierte Kompetenzbereiche geschaffen werden. Klare Verwaltungsbereiche und Verantwortungsbereiche für den Bund, die Länder und die Gemeinden sollen dadurch geschaffen werden. Und eine Stärkung der Rechte der Länder und der Gemeinden, unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips, soll hier zum Tragen kommen. Die


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Steigerung der Gesamteffizienz aller Verwaltungsbereiche mit mehr Bürgernähe und mehr Einsparung muss in diesem Bereich das Ziel sein.

Meine Damen und Herren! In den letzten Monaten hat es zahlreiche Vorstöße von Politikern und Wirtschaftsexperten gegeben, die in einer Zentralisierung der föderalen Struktur des österreichischen Bundesstaates die Lösung der gegenwärtig drückenden Budget- und Verwaltungsprobleme erblicken. Genannt sei hier nur die aufgeworfene Forderung nach einer Zusammenlegung von Landesregierungen, nach einer Auflösung der Landtage und nach der Fusion ganzer Bundesländer unter anderem zu drei Großregionen.

Meine Damen und Herren! Diese Argumentation greift nach unserer Ansicht zu kurz und ignoriert das wirkliche Problem der österreichischen Verwaltungsstrukturen. Gerade die jetzt in Frage gestellten Länder nämlich sind es, die über billigere und effizientere Verwaltungsstrukturen verfügen, als die überbordende Zentral- und Aufsichtsverwaltung des Bundes es tut. Eine sinnvolle Reform der österreichischen Verwaltung muss daher mit einer Durchforstung der Strukturen der Bundesverwaltung, auch in Hinblick auf ihre Effizienz und ihre Notwendigkeit, jetzt beginnen. Zur Beseitigung der vielbekannten Doppel- und Dreifachzuständigkeit böte sich zuerst und zu Beginn aller Maßnahmen die Abschaffung der kostenintensiven mittelbaren Bundesverwaltung an, verbunden mit einer konsequenten Verlagerung der betreffenden Vollzugskompetenzen auf die Ebene der Länder.

Überhaupt liegt der Schlüssel zu einer tragfähigen und auch dementsprechend nachhaltigen Reform der österreichischen Bundesländer nicht in einer Schwächung, sondern in einer Stärkung der föderalen Strukturen, sprich der Länder. Diese sollten und müssen nach dem Subsidiaritätsprinzip all jene Zuständigkeiten wahrnehmen, für die sie effizienter und besser geeignet sind.

Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, die tatsächlichen Verwaltungskosten der österreichischen Bundes- und Landesverwaltungen gegenüberzustellen. Das Institut für Föderalismusforschung hat in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftern eine Studie vorgelegt, meine Damen und Herren, die das belegt.

Die Bundesregierung, der Herr Bundeskanzler und auch die Frau Vizekanzler haben nunmehr erste Schritte gesetzt, um diese Reformen einzuleiten. Vor allem geht es dabei um die Aufgabenreformkommission, die unter der Führung der Frau Vizekanzler seit geraumer Zeit tagt. Im Rahmen dieser Kommission soll sichergestellt werden, dass bald eine Aufgabenüberprüfung aller Ebenen der staatlichen Verwaltung durchgeführt und das Ergebnis vorgelegt werden kann.

Um das enorme Einsparungspotential im Zuge dieser Verwaltungsreform auch auszunützen, muss man aus Österreich einen echten Bundesstaat gemäß den Prinzipien der Subsidiarität und der Bürgernähe machen. Überhaupt wird man nicht umhinkommen, die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern zu straffen und exakt festzulegen. In diesem Zusammenhang wird man über die grundsätzlichen notwendigen Aufgaben des Staates auch nachdenken müssen. Und Ziel muss es dabei sein, eine klare Trennlinie zwischen den politischen und den unternehmerischen Aufgaben zu ziehen.

Meine Damen und Herren! Föderalismus stellt gerade in Zeiten einer immer zentralistischer werdenden Europäischen Union deshalb ein wichtiges Gegengewicht für mehr Bürgernähe und Demokratie dar. Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

13.54

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Mertel, Sie haben behauptet, die Bundesregierung würde mit den Sozialpartnern keine Verhandlungen führen. Sie haben das unter anderem am Beispiel des öffentlichen Dienstes aufgezeigt. – Das entspricht nicht den Tatsachen! Wir haben


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am 4. Oktober eine ganze Nacht lang verhandelt, und wir haben einen Gehaltsabschluss erzielt, der besonders den unteren Einkommensgruppen eine wesentliche Verbesserung bringt, der in diesem Bereich über der Inflationsrate liegt. Der Abschluss war so gut, dass er sogar von der Gemeinde Wien, von der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten übernommen wurde. So gut war dieser Gehaltsabschluss!

Im Zuge dieses Abschlusses wurde weiters die flexible Arbeitszeit festgelegt. Einer Regierungsvorlage betreffend diese flexible Arbeitszeit wurde zugestimmt. Es wurde nur zusätzlich vereinbart – und diese Gespräche sind noch zu führen –, dass über die Rahmenzeiten branchenspezifische Gespräche zu führen sind, aber der flexiblen Arbeitszeit wurde zugestimmt. – Das ist festzuhalten, weil darüber eine schriftliche Vereinbarung vorliegt.

Ebenfalls zugestimmt wurde einer Verwaltungsreform. – Das sieht auch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ein, dass eine Verwaltungsreform notwendig ist, und sie hat sich bereit erklärt, daran mitzuarbeiten; schriftlich hat sie das gemacht. Sie selbst hat zugesagt, dass 11 000 plus 4 000 Bedienstete in Jahresschritten abzubauen sind. Dem hat sie zugestimmt und sich dazu bereit erklärt, damit die Qualitätssicherung in der öffentlichen Verwaltung erhalten bleibt, dabei mitzuwirken.

Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Wir werden bis zum Jahre 2003 das gesamte öffentliche Rechnungswesen auf ein neues Softwareprodukt, SAP, umgestellt haben. Dieses Projekt, das bereits läuft, kostet uns 600 Millionen Schilling und wird im Endausbau ab 2003 sage und schreibe 750 Millionen Schilling an Ersparnis pro Jahr bringen. – Eines der wichtigsten Beispiele dafür: So setzt diese Bundesregierung eine Verwaltungsreform an! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Kritik an den bisherigen Sparprogrammen 1996, 1997, die vor allem von der EU gekommen ist, war, dass das hauptsächlich Einmalmaßnahmen waren. Es erfolgten quasi Ausgabenkürzungen, Einnahmenerhöhungen, es war aber keine Nachhaltigkeit gegeben. Wir setzen bewusst Verwaltungsreformen ein, damit wir das Budget nachhaltig sanieren, damit die heruntergeschraubten Ausgaben beziehungsweise Einnahmen auch tatsächlich auf diesem Niveau unten bleiben. (Abg. Mag. Kogler: Welche Maßnahmen?)  – Zum Beispiel die Umstellung auf SAP, Einführung von Globalbudget, eine Präsidialreform, die praktisch einer Zusammenlegung gleichkommt – der Herr Bundeskanzler hat das heute in seiner Rede ausgeführt –, Aufgabenkritik, außerdem Einsatz des "virtuellen Amtshauses", deshalb brauchen wir auch die von Ihnen kritisierte Bürgerkarte, um die elektronische Signatur durchführen zu können, um im Online-Verfahren Steuererklärungen abgeben zu können.

Wir haben zum Beispiel im Finanzressort das Projekt "Finanz 2001" eingeführt, um eben unseren Beitrag, unseren Ressortbeitrag zu einer Verwaltungsreform leisten zu können. Derartige umfassende Verwaltungsreformschritte, parallel in allen Ressorts, um einerseits den Abbau von 11 000 Bediensteten sicherzustellen, andererseits aber die Qualität einzuhalten, hat es in der Vergangenheit noch nie gegeben. – In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Dr. Mertel hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Haller: Jetzt berichtigt sie sich selber!)

13.59

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Ja, ich mache das gern. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sollte sich lieber einmal entschuldigen bei den Freiheitlichen! Eine generelle Entschuldigung!)  – Eine generelle Entschuldigung in Richtung Frau Pablé und Frau Haller.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Finz hat gesagt, mit den Sozialpartnern wurden Gespräche zum Gehaltsabschluss geführt, und zwar am 4. Oktober, und zu weiteren Vereinbarungen wie die Einführung der flexiblen Arbeitszeitmodelle.


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Ich berichtige tatsächlich: Die GÖD fordert heute nachdrücklichst die Rückkehr zum partnerschaftlichen Dialog – eine Rückkehr kann man nur verlangen, wenn man etwas verlassen hat – und protestiert gegen den Vertragsbruch der Regierung. Es wurde eine Verwaltungsreform beschlossen. Voraussetzung dafür ist aber die Bereinigung der Strukturprobleme und eine Aufgabenkritik für den Abbau von 11 000 Arbeitsplätzen. Sozialpartnerschaftliche Verhandlungen wurden aber noch gar nicht geführt – der Herr Staatssekretär selbst hat ja auch gesagt: Gespräche werden erst zu führen sein! –, trotzdem läuft bereits der Personalabbau. (Abg. Dr. Khol: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Steibl: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Das Zweite: Ausgliederungen. Es wurden auch keine Gespräche geführt, aber trotzdem werden in aller Eile die Privatisierungen vorbereitet. Konstruktive Gespräche wurden noch nicht geführt. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

14.00

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Staatssekretär Morak ist leider nicht da, aber ich möchte trotzdem ganz kurz zum Bereich der Kunst etwas sagen. (Abg. Dr. Khol: Er war bis vor ein paar Minuten da und kommt gleich wieder!) – Bitte? (Abg. Dr. Khol: Er kommt gleich wieder!)

Man muss Herrn Morak loben. Er hat das Gesetz zur Künstlersozialversicherung durchgesetzt. Das ist wirklich ein Fortschritt. Das bringt einer unterprivilegierten Gruppe sehr viel, und zu diesem Gesetz möchte ich ihm aufrichtig gratulieren. Das war auch uns ein Anliegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Bereich schaut schon weniger freundlich aus, das sind die Volksgruppen. Im Bereich der Volksgruppen sind sicher sehr viele positive Dinge geschehen wie die Ratifikation des Rahmenübereinkommens des Europarates, die Staatszielbestimmung. All das wurde schon gesagt. Herr Klubobmann Khol hat das auch teilweise für sich reklamiert, obwohl er Jahre hindurch eher einer der Bremser in dieser Angelegenheit war, was die Förderung anlangt.

Zur Förderung muss man schon Folgendes sagen: Die Gelder für die Volksgruppenradios wie Radio "Mora" oder Radio "Korotan" wurden um insgesamt 5 Millionen Schilling gekürzt. Dabei stimmt die Verhältnismäßigkeit der ganzen Geschichte nicht. Auf der anderen Seite gibt die Bundesregierung 84 Millionen Schilling für eine Werbekampagne aus – 84 Millionen Schilling institutionalisierter Sprachlosigkeit für eine Werbekampagne zum Budget, die nach einem Monat verpuffen –, während die Volksgruppen um 5 Millionen Schilling ein 24-stündiges Programm senden könnten. Oder man stellt diese 84 Millionen Schilling der Werbekampagne etwa dem Film oder der Medienkunst gegenüber, da macht das Jahresbudget 70 Millionen Schilling aus, in der bildenden Kunst, Architektur, Design sind das 76 Millionen Schilling. Wenn man das zu dieser Werbekampagne in Relation stellt, dann sieht man, was man tatsächlich alles machen könnte, wenn man es wollte.

Ich möchte aber allgemein noch etwas zum Budget sagen, nämlich dass Sie sich in Wahrheit zu einer völlig irrationalen "Blut, Schweiß und Tränen-Politik" entschlossen haben – und das in ökonomisch prosperierenden Zeiten. In Wahrheit ist das von Ihnen angestrebte Nulldefizit eine Verschleierungsmetapher, um ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen durchzusetzen, den Sozialstaat zurückzubauen, zu entsolidarisieren und Ihre Vorstellungen einer rückwärts gewandten Familienpolitik zu verwirklichen.

Der Mythos von den Staatsschulden, dass diese eine unzumutbare Belastung für zukünftige Generationen seien, stimmt überhaupt nicht, denn was spricht dagegen, die Maßnahmen und die Schulden für Infrastruktur, Investitionen, Autobahnen, Eisenbahnen und so weiter auf mehrere Generationen aufzuteilen? Wenn Sie sich dazu hätten durchringen können, eine gerechte Vermögens- und Gewinnbesteuerung auf durchschnittlichem europäischem Niveau einzuführen, dann hätten wir alle Ihre Sparpakete in Wahrheit nicht notwendig. Allein die Abschaf


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fung der Vermögensteuer hat dem Budget 10 Milliarden Schilling gekostet. Dieses Budget ist insgesamt nämlich in einem durchaus geordneten Zustand. Die Staatsschuldenquote Österreichs liegt mit 64,9 Prozent des BIP deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.

Aber in Wahrheit haben Sie sich dazu durchgerungen, die Wahlversprechen Ihres Koalitionspartners zu erfüllen, nämlich die fleißigen, tüchtigen und anständigen kleinen Leute für ihren Fleiß und ihre Tüchtigkeit so richtig "schön zu belohnen". Die Unfallrentner, die Studenten, die Pensionisten, die Kranken, die Zivildiener – das ist die "Erotik des Nulldefizits", wie es Kollege Van der Bellen ausgedrückt hat; nur: Von "Erotik" kann ich bei diesem Budget nichts erkennen!

Oder zur Gruppe der Arbeitslosen: die Plünderung der Arbeitslosenversicherung zur Budgetsanierung um über 11 Milliarden Schilling und die Überführung von 3,7 Milliarden Schilling aus dem Insolvenzfonds zum Zwecke der Zwangsarbeiterentschädigung. – Die Plünderung des Insolvenzfonds um 3,7 Milliarden Schilling zur Lösung der Zwangsarbeiterfrage ist in Wahrheit unglaublich. Es wundert niemanden, wenn der Herr Bundeskanzler mit der entsprechenden Sensibilität, die er an den Tag gelegt hat, in Jerusalem – und das am Tag der "Reichskristallnacht" – erklärt hat, dass Österreich das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen sei (Ruf bei der ÖVP: Richtig!); die Nazis hätten es mit Gewalt genommen. (Abg. Großruck: Lass dich nicht auf ein Gebiet ein, das du nicht verstehst!)

Dass es solche gegeben hat, die applaudiert haben, und solche, die Widerstand geleistet haben, ist ohnedies bekannt. Was heißt das? – Herr Klubobmann Khol ist hier heraus gegangen und hat von den Opfern und von den Tätern gesprochen. Na und? – Was erklärt das über das Wesen des Nationalsozialismus? (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und ÖVP.)

Herr Klubobmann Khol ist hier heraus gegangen, ebenso wie der Herr Bundeskanzler, und hat vom verbrecherischen Regime Hitlers geredet. Das ist ohnehin unbestritten. Dass das ein Verbrechen an der Menschheit war, ist unbestritten.

Aber wie war das mit Hitler und seinem verbrecherischen Regime? Wie war das mit jenen, die ihn demokratisch legitimiert haben, mit jenen 43 Prozent? Wer waren die anderen Täter, wenn wir schon von Tätern und Opfern reden? Was sagt das über das Wesen des österreichischen Nationalsozialismus aus? – Herr Klubobmann Khol, der Sie von der Verfassung und vom Verfassungspatriotismus reden, Sie wissen genau, was ich meine!

Ich halte es überhaupt für einen der größten Irrtümer der österreichischen Geschichtswissenschaft, die Frage des Nationalsozialismus ausschließlich unter dem Aspekt der österreichischen Opfer-Täter-Frage zu diskutieren und sie darauf zu reduzieren. Erika Weinzierl, die ich sehr schätze, hat in diesem Zusammenhang auch vom "Januskopf der Täterschaft und der Opferschaft" gesprochen, dass sich in der Zwischenzeit nichts an den Fakten geändert habe und dass, so sagt sie, die Beteiligung von Österreichern an den Verbrechen des NS-Regimes noch deutlicher überproportional sei als zuvor angenommen. (Abg. Dr. Khol: Zitieren Sie aber vollständig! In der "Kleinen Zeitung" zitiert sie, dass Österreich ein Opfer war!)

Das ist ja wahr. Aber was erklärt das? – Das Österreich-Gen als Erklärungsmuster Eichmann’schen oder Kaltenbrunner’schen Handelns? Die genetische österreichische Disposition Hitlers als Handlungsmuster für nationalsozialistisches Handeln? (Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Es ist in Wirklichkeit die geschichtsmächtigste Lüge dieser Zweiten Republik, die nationalsozialistischen Gewalttaten auf die Frage der österreichischen Opfer- und Täterschaft zu reduzieren. Was bringt diese Erkenntnis? Was ist mit dem heutigen Rassismus? Was ist mit heutigen Faschismus? Was ist mit den heutigen autoritären Regimen? Was hilft es, wenn ich die Frage unter dem Aspekt Opfer – Täter diskutiere? Was hilft das für die jetzige Erkenntnis? (Abg. Jung: Das ist ein Wahnsinn!)

Nur wer mit der eigenen Geschichte so umgeht (Abg. Dr. Trinkl: So wie Sie jetzt!), kann in einer solchen Unbefangenheit eine Koalition eingehen, wie Sie sie eingegangen sind, diesen Zustand zur Normalität erklären und sich dann über das Ausland aufregen und chauvinistische Ressenti


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ments schüren. Das ist die Wahrheit dieser Geschichte! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nur wer derart unbefangen ist, wie Sie es sind, der kann die Arbeitslosen für die Zwangsarbeiter sühnen lassen. Das ist der Punkt! (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Wer derart unbefangen ist wie Sie, der kann die Arbeitslosen für die Zwangsarbeiter sühnen lassen und den Insolvenzfonds plündern. Das ist in Wirklichkeit nicht mehr erotisch, sondern die größte Geschmacklosigkeit Ihres Budgets! (Beifall bei der SPÖ.)

14.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

14.10

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Herr Kollege Posch, das war eher gespenstisch, was Sie uns hier von Ihrer Geschichtsphilosophie erzählt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Bures.  – Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung SPÖ –: Das soll ein Lehrer sein!)

Ich möchte Ihnen eines dazu sagen: Nicht wir und schon gar nicht der Bundeskanzler wollen die Rolle Österreichs in irgendeiner Weise beschönigen und verschweigen – im Gegenteil. Es geht uns in keiner Weise darum, Österreich in einer Opferrolle darzustellen, es geht uns nicht darum, Täter zu verschweigen oder Untaten zu beschönigen, aber es geht darum, meine Damen und Herren, Geschichte nicht zu verfälschen und umzuinterpretieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Akzeptieren wir doch gemeinsam: Österreich war ein Opfer! Österreicher waren unter den Opfern des Nationalsozialismus. Aber Österreicher waren selbstverständlich auch unter den Tätern; wir bekennen das auch ein, wir schämen uns auch dafür, und wir bedauern das auch zutiefst. Daraus ergibt sich auch die Anerkennung von moralischer Verantwortung für die Republik Österreich und auch für ihre Regierungen. Dazu stehen wir, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Niemand wird leugnen, dass Hunderttausende den gewaltsamen Einmarsch Hitlers begrüßten. Niemand wird leugnen, dass die große Mehrheit schließlich – aber einen Monat nach dem Einmarsch – für den "Anschluß" Österreichs stimmte. Aber nehmen wir doch auch zur Kenntnis, dass rund 80 000 Österreicher verhaftet wurden – Sozialisten, Kommunisten, Christdemokraten – und die ersten politischen Gefangenen schon acht Tage nach dem Einmarsch als Opfer des Nationalsozialismus und wegen ihres Einsatzes für ein freies Österreich nach Dachau geschickt wurden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir lassen uns auch nicht andauernd vorwerfen, wir würden immer nur augenzwinkernd Vergangenheitsbewältigung betreiben, wir hätten nie Wiedergutmachung geleistet oder es zumindest versucht; wir hätten keine Restitution geraubten jüdischen Eigentums durchgeführt! Schauen wir doch, wie die Geschichte tatsächlich war!

Nehmen wir zur Kenntnis, dass es nach dem Krieg über 136 000 Verfahren gegen Nazis in Österreich gegeben hat, dass in über 28 000 Fällen Anklage erhoben wurde, dass 14 000 Schuldsprüche mit Strafen wie Freiheitsentzug, Berufsverbot und Verlust des Amtes gefällt wurden, dass 43 Personen zum Tode verurteilt wurden, dass 30 Urteile vollstreckt und rund 100 000 Beamte vom öffentlichen Dienst suspendiert wurden. Auch das ist eine historische Wahrheit, die wir auch an diesem heutigen Tag aussprechen sollten.

Meine Damen und Herren! Sieben Rückstellungsgesetze regelten die Rückstellung geraubten Vermögens. Bis zum Jahr 1966 endeten über 42 000 Verfahren zu rund je einem Drittel mit Vergleichen, Stattgebungen und Zurückziehungen beziehungsweise Abweisungen. Auf Grund des Opferfürsorgegesetzes wurden 7,9 Milliarden Schilling an politisch oder rassisch Verfolgte aus


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gezahlt. Drei Hilfsfonds – 1956, 1962 und 1976 im damaligen Wert von 550, 600 und 440 Millionen Schilling – leisteten Wiedergutmachungszahlungen an die Opfer des Nationalsozialismus.

1995: Errichtung des Nationalfonds, der bisher über 27 000 Antragstellern Leistungen in einer Gesamthöhe von zirka 1,9 Milliarden Schilling ausbezahlt hat. Dazu kommt nun auch die bisher nicht geregelte Frage der Wohnungen, bei denen es sich vornehmlich um Mietverträge handelt, und auch die Frage der Unrechtmäßigkeiten im Zuge der Ausfuhrbewilligung von Kunstwerken. – All das wird uns weiter beschäftigen, und wir haben auch im Parlament den Gegenwert von 150 Millionen Dollar für entsprechende Wiedergutmachung bereitgestellt. In Anbetracht all dessen redet man noch immer davon, dass wir uns überhaupt nie mit diesem Thema der Wiedergutmachung beschäftigt hätten! – Nein, meine Damen und Herren, bleiben wir auch da bei der historischen Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Erst jetzt hat diese Regierung das Versöhnungsfonds-Gesetz beschlossen, meine Damen und Herren! Wir alle gemeinsam versuchen, den ehemaligen Zwangsarbeitern, die verschleppt, entrechtet, misshandelt und ausgebeutet wurden, zumindest teilweise, soweit das materiell überhaupt möglich ist, Wiedergutmachung angedeihen zu lassen, meine Damen und Herren!

Fassen wir doch zusammen, was historisch unbestritten sein sollte: Es ist unbestritten, dass Österreich als Staat bis 1938 gegen den Nationalsozialismus gekämpft hat. Es ist keine österreichische Erfindung, sondern es ist die Wahrheit, dass viele Tausende Österreicher wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus in das Konzentrationslager gehen mussten. Aber es ist auch Tatsache, dass viele Tausende Österreicher moralische Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus tragen, meine Damen und Herren!

Es ist aber auch wegen unseres Widerstandes als Staat historische Tatsache, dass die Alliierten in der "Moskauer Erklärung" Österreich als freien und unabhängigen Staat wiederhergestellt und klargestellt haben, dass Österreich das erste freie Land war, das der Aggressionspolitik der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen ist, meine Damen und Herren!

Man darf auch nicht vergessen, dass kein europäisches Land Österreich im Kampf gegen Hitler unterstützt hat – weder beim Putschversuch der Nationalsozialisten 1934 noch in den Folgejahren, als Hitler immer wieder versuchte, sich Österreich einzuverleiben, und dies 1938 auch getan hat. Sofort wurden – auch das soll, so glaube ich, klargestellt werden – alle Botschaften der verschiedenen Länder in Österreich in Konsulate umgewandelt. Das war ein klares Zeichen dafür, dass Österreich nicht mehr als souveräner Staat angesehen und behandelt wurde.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Bleiben wir bei der historischen Wahrheit, und versuchen wir nicht, die gemeinsame Geschichte parteipolitisch zu vereinnahmen oder auszublenden! Wer bei der Bewältigung und bei der Aufarbeitung unserer Geschichte andere ausgrenzt und wer glaubt, ein Monopol auf politische Moral zu haben, meine Damen und Herren, der schadet den demokratischen Grundwerten in unverantwortlicher Weise! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Die Worte von Herrn Abgeordnetem Kukacka haben mich betroffen gemacht, vor allem angesichts dessen, aus welcher Sicht er unsere Geschichte hier und heute dargestellt hat. Es ist, meine Damen und Herren, Hohes Haus, in Anbetracht der Rede von Herrn Abgeordnetem Kukacka vor mir und auch der Aussagen des Herrn Bundeskanzlers in der letzten Zeit traurig und schade, dass jene Opfer, jene Frauen und Männer, die 1934 vom austrofaschistischen Dollfuß-Regime ermordet wurden, nicht mehr zu Wort kommen können, um die Geschichte darzustellen, warum Österreich überhaupt ein Opfer wurde.


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Es ist schon sehr interessant, dass dieser Mann, nämlich Bundeskanzler Dollfuß, noch immer von der ÖVP verherrlicht wird, und es ist noch interessanter, dass Herr Abgeordneter Kukacka den Putsch zwischen dem austrofaschistischen Regime und dem Nazi-Regime im Juli 1934 sehr wohl erwähnt, nicht aber die schuldlosen Opfer, die im Februar 1934 ermordet wurden. Das ist traurig genug! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Erstes Opfer des Nationalsozialismus!)

Meine Damen und Herren! Es ist traurig genug, dass Österreich nicht so viel Mut aufbringt, um wenigstens zu seiner Geschichte zu stehen. Wer nach den Reden des Herrn Bundeskanzlers die Zeitungen gelesen hat – ich verweise nur auf den "Standard", der zum Beispiel die Ereignisse in Graz genau festgehalten hat (Abg. Großruck: Der "Standard" ist sehr "objektiv"!)  –, wer ganz genau weiß und nachgelesen hat, warum Österreich – unter Anführungszeichen – "Opfer" des faschistischen Hitler-Regimes wurde, und wer genau weiß, wie viele Österreicher im Sold des Hitler-Faschismus Verbrechen an der Menschheit begangen haben, der sollte sich sagen: Wir müssen uns dafür schämen, dass diese Menschen einmal Österreicher waren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Bundeskanzler Argumente sucht, um von diesem desaströsen Budget abzulenken, so spricht er immer davon, dass es sein ehrgeiziges Ziel ist – Sie haben das auch heute Vormittag gesagt –, Schulden zu verhindern und keine Schulden mehr zu machen. Er leidet nicht nur betreffend die Geschichte an Erinnerungslücken, er leidet auch in Bezug auf die Gegenwart an Erinnerungslücken. Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, wenn Sie schon immer von Schulden sprechen, dann sagen Sie doch einmal, wer in Wirklichkeit mit dabei war oder diese Schulden gemacht hat!

Ich habe hier ein Plakat der SPÖ St. Pölten (Abg. Großruck: Das ist sehr "objektiv"!), die ganz ehrlich darstellt, wie der Schuldenstand – ich zeige es auch Ihnen, Herr Bundeskanzler (der Redner hält ein Plakat in die Höhe)  – zur Zeit der SPÖ-Alleinregierung war und wie der Schuldenstand jetzt ist, nachdem Ihre Partei bis zum Jahre 1999 die Mitverantwortung in der Regierung hatte. Sie waren der treibende Motor dafür, dass der Schuldenstand immer stärker anstieg! Das ist eine Tatsache! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie gehören zu jenen ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Abgeordneter! Bitte zeigen Sie uns auch das Plakat!) – Ihnen darf ich dieses Plakat dann schenken, um Sie davor zu warnen, dass die Schwarzen Sie umarmen und vielleicht dann auch die Schulden in die Höhe treiben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist nicht schön gezeichnet!)

Meine Damen und Herren! Dass einer oder zwei nicht ein solch gutes Erinnerungsvermögen haben, verstehe ich schon, aber dass so viele in der Österreichischen Volkspartei solch ein schlechtes Erinnerungsvermögen haben – vor allem jener Mann, der der erste Mann in dieser Regierung ist, nämlich der Bundeskanzler –, halte ich für besonders schlecht.

Meine Damen und Herren! Wenn der Bundeskanzler auf der einen Seite immer von Schulden und von deren Herabsetzung auf ein Nulldefizit spricht, aber auf der anderen Seite zu der größten politischen Affäre in Österreich schweigt beziehungsweise kein Wort zu der Spitzelaffäre findet, dann zeigt das, dass er überhaupt keine Stellungnahme zu aktuellen Ereignissen abgibt und dass ihm die Österreicherinnen und Österreicher Wurscht sind, dass es ihm hauptsächlich darum geht, Bundeskanzler zu bleiben. Und dazu braucht er auch diese Partei. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Rechnungshof, der mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den letzten Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet hat und dem man zugestehen muss, dass seine Arbeit nicht nur ganz hervorragend war, sondern dass sie auch mitgeholfen hat, Missstände in dieser Republik aufzuzeigen und etwaige Verbesserungen vorzunehmen, hat belegt, wo die großen Schuldenmacher zu Hause waren, nämlich zum Beispiel im Ministerium für Unterricht bei Frau Bundesministerin Gehrer.

Nur ein Beispiel: die Österreichische Galerie. – Der Rechnungshof fordert in seinem Bericht – bis heute wurde diese Forderung noch nicht erfüllt –, dass dort ein kaufmännischer Direktor in


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stalliert wird, weil das Geld ganz einfach "davonläuft". Aber nicht einmal eine Antwort hat er bis jetzt bekommen. Es gibt dort noch immer keinen kaufmännischen Direktor. Der Rechnungshof kritisierte das. (Abg. Großruck: Weil wir sparen!) Sie wollen an Menschen sparen, damit das Geld für anderes ausgegeben wird. (Abg. Großruck: Mit mehr Menschen wird nichts billiger!) Bei den österreichischen Galerien verschwindet nicht nur das Geld, dort sind auch schon Bilder verschwunden, die bis heute nicht aufgetaucht sind.

Der Rechnungshof bekrittelt, dass in dem erwähnten Ministerium die Konsolidierungsziele verfehlt wurden. Er berichtet, dass das Controlling nicht funktionierte. Aber bitte schön, es war halt ein schwarzes Ministerium. Es ist nicht das einzige. Es war noch viel ärger im Bundesministerium für Landesverteidigung. Auch dort sind die Schulden in die Höhe geschnellt. Aber das macht nichts, denn der Rechnungshofbericht wird ja nur zur Kenntnis genommen, er muss nicht umgesetzt werden. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Im neuen Bericht des Rechnungshofes steht, dass es in Niederösterreich große Verfehlungen im Straßenbaubereich gibt. Wenn die verantwortlichen Abgeordneten im Ausschuss verlangen, es soll der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich, der zugleich Landesstraßenbaureferent ist, auch in den Ausschuss kommen und dort seine Aussagen machen, dann gibt es auf einmal eine riesige schwarze Mauer, wo es heißt: Das kommt doch überhaupt nicht in Frage, wir werden doch nicht den Herrn Landeshauptmann zu den Ausschussverhandlungen laden!

Überhaupt ist die Ansicht über das Laden von Personen sehr different. Auf der einen Seite wollen Sie alles sofort und gleich haben, aber auf der anderen Seite sollen die verantwortlichen Männer und Frauen nicht erscheinen, weil es wahrscheinlich etwas zu verheimlichen gibt. Daher wird der Rechnungshof in der nächsten Zeit große Prüfungsaufgaben haben.

Wir werden uns einmal anschauen müssen, ob die Anschaffung der neuen Kampfhubschrauber notwendig war oder ob es nicht besser gewesen wäre, Hubschrauber zu kaufen, die dem österreichischen Volk auch bei Katastrophen dienen. (Abg. Großruck: Keine Kampfhubschrauber! – Abg. Murauer: Keine Kampfhubschrauber!)

Wir werden uns anschauen – Abgeordneter Edlinger hat heute schon von der großen Inseratenkampagne gesprochen –, wer die 64 oder 66 Millionen Schilling, Herr Abgeordneter Khol, zum Fenster hinauswirft. Da wird der Bevölkerung einfach etwas erzählt. Ob es wahr ist oder nicht, ist egal, aber Geld haben wir dafür.

Wir werden uns in den Ministerien anschauen müssen, Herr Präsident des Rechnungshofes, warum es auf einmal eine wundersame Vermehrung von Sektionschefs gibt, warum dieser Apparat so aufgeblasen werden soll. Wir werden uns anschauen müssen, wie die Spesen für die Repräsentation dieser Bundesregierung überhaupt ausschauen.

Ich glaube, dass der Rechnungshof in der nächsten Zeit noch mehr Aufgaben haben wird. Diese Regierung will nicht einsehen, dass sie als Regierung nicht gewählt worden ist. Sie setzt sich nach wie vor aus der drittstärksten Partei, die mit ihrem Parteiobmann Schüssel in die Opposition gehen wollte, wenn sie nur drittstärkste wird (Abg. Dr. Khol: Das giftet euch!), und aus der zweitstärksten Partei zusammen, die sich von Platz 2 und 3 in diese Position hinaufgesetzt haben. Dieser Regierung, die das Volk schröpft, werden wir über den Rechnungshof genau auf die Finger schauen müssen, damit die Ausgaben wenigstens so getätigt werden, wie sie in Wirklichkeit zu tätigen sind, was sie aber wahrscheinlich nicht tun wird.

Herr Bundeskanzler! Wenn es Ihnen schon gelungen ist, als drittstärkste Kraft in diesem Lande mit der zweitstärksten Partei die Regierung zu stellen, wenn es Ihnen schon gelungen ist, zu der größten politischen Spitzelaffäre in diesem Land zu schweigen, wenn es Ihnen schon gelungen ist, eine Informationskampagne zu starten, um den Österreichern etwas zu verkaufen, das es nicht gibt, wenn es Ihnen schon gelungen ist, Österreich in der Geschichte so darzustellen, wie wir es nicht erlebt haben, dann frage ich Sie als Wiener, weil ich selbst auch Wiener bin, ganz ehrlich:


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Warum haben Sie als Wiener geschwiegen, als Ihr Regierungspartner 1999 den grauslichsten, menschenverachtendsten Wahlkampf in Wien geführt hat, als er sich gegen die anderen Mitbürger dieser Stadt gestellt hat? Warum, Herr Bundeskanzler, schweigen Sie dazu, wenn Ihr Regierungspartner – so war es vor ein paar Wochen bei einer Wahlauftaktveranstaltung in der Stadthalle – andere Menschen, nur weil sie eine andere Sprache sprechen, nur weil sie anderer Herkunft sind, verspotten? (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Warum schweigen Sie dazu? Warum nehmen Sie nicht dazu Stellung und sagen, Sie sind sehr wohl für alle Menschen, die in diesem Lande leben!? (Beifall bei der SPÖ.)

14.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

14.30

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Die Reden der Sozialdemokratie, insbesondere jene von Gusenbauer, haben mich motiviert und zugleich animiert, in einigen Fußballer-Zitaten zu schmökern. Da gibt es Aussagen von berühmten Fußballern, die sich nicht nur hin und wieder in Sätzen wieder finden, sondern die ich heute auch als Überschrift zur Rede von Gusenbauer setzen möchte.

Richard Golz, ein bekannter Ballkünstler, sagt: "Ich habe nie an unserer Chancenlosigkeit gezweifelt." (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) So ähnlich kommt mir die Rede von Gusenbauer vor, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Horst Hrubesch, auch kein Unbekannter, schildert die Entstehung eines seiner Tore folgendermaßen: "Mani, Bananenflanki, ich Kopf Tor." – Dem setze ich entgegen beziehungsweise wandle das etwas ab: Gusi, Bananenflanke, ich Kopf Eigentor. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das ist das, was wir heute von der Opposition über uns ergehen lassen mussten. (Abg. Dr. Khol: Von der SPÖ!)

Kollege Brix! In dieses schuldenpolitische Pingpongspiel mische ich mich nicht ein, die alten Rechnungen, die ihr in der uralten Koalition gehabt habt, macht euch selbst aus, das soll nicht unsere Sache sein. Diese Plakat- und Taferlherzeigerei wird uns noch länger begleiten beziehungsweise wird euch noch lange begleiten, denn die Oppositionsrolle werdet ihr zum Nutzen der österreichischen Republik noch lange innehaben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nun zum Budgetkapitel "Oberste Organe". Gleich zu Beginn möchte ich – das ist keine Pflichtübung, sondern ein ehrliches Bekenntnis – den Damen und Herren Repräsentanten und den Mitarbeitern der Volksanwaltschaft und des Rechnungshofes meine Anerkennung für die geleistete Arbeit zum Ausdruck bringen.

Eine funktionierende Demokratie – eine solche haben wir in Österreich – kann ohne diese beiden Einrichtungen nicht denkbar sein, daher ist jeder Steuerschilling gut angelegt. Meine Damen und Herren! Diese beiden Institutionen leisten begleitend zur parlamentarischen Tätigkeit eine hervorragende Arbeit. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist schon richtig, Herr Gusenbauer, dass die Reformkoalition, das Kabinett Schüssel – Riess-Passer ein finanzpolitisches Desaster übernommen hat. Das ist Faktum, das ist keine böse Unterstellung. Natürlich gab es auch in den Reihen der Freiheitlichen – wir diskutierten auf Grund der unqualifizierten Äußerungen des Herrn Gusenbauer am Sonntag die Regierungsbildung – Stimmen, welche die Frage stellten: Sollen wir uns diese Trümmerarbeit antun und das Erbe der vergangenen Uraltkoalition antreten? – Die Frage war berechtigt. Wenn man in eine Koalition eintritt, muss man sich diese Gretchenfrage stellen.

Die Verantwortung für unser Land, das Verantwortungsgefühl der Freiheitlichen hat obsiegt, und die FPÖ/ÖVP-Koalition wurde gebildet. Das war und ist gut für dieses Land, meine Damen und


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Herren! – Ausdruck dieser hervorragenden Arbeit ist das Budget, das uns vom Finanzminister und seinem Staatssekretär vorgelegt wurde, meine Damen und Herren!

Wir wissen, dass die seinerzeitige Regierung unter sozialdemokratischer Führung allzu oft nach dem Motto gelebt hat: Eine Lösung hatte ich, aber die passte nicht zu dem Problem! – Diese Aussage stimmt schon allein deswegen, meine Damen und Herren, weil Sie sich über die Jahre hinweg nur gegenseitig belauert haben und insbesondere die Blockadepolitik der Sozialdemokraten dazu geführt hat, dass wir diese Trümmerarbeit jetzt zu leisten haben.

Was haben wir nicht alles übernommen? – Wir haben eine aufgeblähte Bürokratie übernommen, das Getränkesteuerproblem war auf die lange Bank geschoben, wir mussten es kurzfristig lösen, die Forschungsquote war katastrophal niedrig, und es gab eine unsoziale Behindertenpolitik. Jetzt gibt es erstmalig eine "Behindertenmilliarde", meine Damen und Herren! Weiters haben wir einen Transitvertrag, den Sie alle jetzt bejammern, der von Herrn Klima, der jetzt die Autoprobleme in Argentinien zu lösen versucht, ausverhandelt wurde. Zum Schaden Österreichs war dieser Vertrag, den Klima ausgehandelt hat. Schlussendlich gibt es ein verpolitisiertes Bankenwesen – ich nenne nur das Stichwort Praschak – und eine Steuer- und Abgabenquote in der Höhe von 44,4 Prozent.

Zusammenfassend kann man sagen: Das ist eine Blockadepolitik, die die erwähnten Probleme entstehen ließ.

Was wäre denn die Alternative zu dieser demokratisch gewählten Regierung gewesen, meine Damen und Herren? – Ein Bundeskanzler Gusenbauer, eine Vizekanzler Van der Bellen, ein Finanzminister Edlinger, ein Innenminister Peter Pilz, eine Außenministerin Petrovic. (Abg. Dr. Krüger: Hör auf!) – Gute Nacht, meine Damen und Herren! Auf ein derartiges Kabinett kann Österreich wirklich verzichten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein Alptraum! – Abg. Schwarzenberger: Das wäre ein Gruselkabinett!)

Dem gegenüber stehen die Ziele der Reformkoalition unter der Führung des Bundeskanzlers Schüssel und der Vizekanzlerin Riess-Passer. Es sind dies: mehr Selbstverantwortung der Bürger, aber auch mehr soziale Gerechtigkeit, denn die sozialpolitische Gießkanne gehört in das Gruselkabinett der Geschichte, meine Damen und Herren! – Als Beispiel wurde schon die "Behindertenmilliarde" angeführt.

Natürlich verhehle ich nicht, dass gerade die Wirtschaft ein großes Sanierungsopfer zu leisten hat, meine Damen und Herren! Das ist schmerzvoll, aber hoffentlich verkraftbar. (Abg. Dr. Mertel: Hoffentlich!) Aber wer sich zum Wirtschaftsstandort Österreich bekennt, der darf nicht nur die Bereitschaft signalisieren, sondern muss auch die Umsetzung praktizieren und das Sanierungsprojekt der Bundesregierung begleiten, meine Damen und Herren!

Wir von der Wirtschaft tun das frohen Mutes, weil wir sehen, dass die Bundesregierung auch heiße Eisen anpackt und sich nicht über Probleme hinwegturnt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Einige gemeinsame Forderungen sind natürlich parallel zu behandeln. Eine Entbürokratisierungswelle hat einzusetzen, die schon von den zuständigen Ministern gestartet wurde. Zum Beispiel soll es eine Behörde für Genehmigungen bei Betriebsgründungen geben, die Statistikflut muss eingedämmt werden, und die Lohnnebenkostensenkung muss vehement angegangen werden. – Wenn wir schon bei den Sozialpartnern sind, dann verhehle ich auch nicht als einer, der die Wirtschaftskammer immer sehr scharf kritisiert hat, dass es gelungen ist, auf freiwilliger Basis die Beiträge um 30 Prozent zu senken.

Nicht alles, was wir uns gewünscht haben, ist geschehen, aber immerhin gab es eine 30-prozentige Entlastung der Beiträge. Diesem trefflichen und guten Beispiel sollten die Arbeiterkammern auch folgen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wir werden Sie sehr genau beobachten, ob Sie bereit sind, diesen Weg nachzuvollziehen, und wenn nicht, dann wird der Gesetzgeber, das demokratisch gewählte Parlament in seiner Mehrheit, das letzte Wort haben.

Meine Damen und Herren! Gusenbauer ist in aller Munde. (Abg. Haller: Aber nicht mehr im Hause!) Dessen demokratiepolitischer Ausrutscher ist heute schon ausreichend diskutiert worden und wurde auch von Khol und anderen trefflich kommentiert. Die sozialistische Losung "Gusenbauer muss bleiben!" wird von uns vollinhaltlich unterstützt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie entwickeln in der Zwischenzeit eine sektenartige Politik. Die Umwandlung von einer Sozialdemokratischen Partei zu einer "Sociology-Sekte", der nichts mehr im Wege steht, ist offenkundig, meine Damen und Herren! "Sociology", meine Damen und Herren, müsste eigentlich die neue Bezeichnung der Sozialdemokratie sein! Machen Sie nur weiter mit dieser Sektenpolitik, der Wähler ist Ihnen schon draufgekommen! Sie werden auch, was die Mehrheitsverhältnisse anlangt, in der nächsten Zeit keine Gelegenheit haben, ein Regierungsprojekt aus Van der Bellen, Gusenbauer, Pilz und anderen in die Tat umzusetzen. Gott möge abhüten, dass das jemals in diesem Lande passiert! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Unterschied ist, dass die Sekten Geld haben!)

14.39

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Kollege Haigermoser, Ihr einziges Argument gegen politisch Andersdenkende oder gegen andere politische Standpunkte oder Argumente dürfte nur das Verspötteln, die Verächtlichmachung einer Person sein. (Abg. Neudeck: Das könnt ihr viel besser! Nur nicht aufregen!) Meiner Meinung nach haben Sie sich ein Armutszeugnis ausgestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Keine Polemik vom Rednerpult!)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fekter und Herr Kollege Bösch! Sie haben all jene, die sich wehren und ihr Recht auf Demonstration in Anspruch nehmen, pauschal beschimpft und verächtlich gemacht. Frau Kollegin Fekter! Aber das zeigt (Abg. Dr. Fekter: Nein, sondern nur jene, die Parlamentsbeamte angegriffen haben!), dass die Menschen aus der Geschichte gelernt haben, denn Sie, Frau Kollegin Fekter, und Ihr Klientel, Ihre Interessengruppen geben den Menschen in Österreich nichts freiwillig. Das haben die Menschen aus der Geschichte gelernt, und sie werden sich auch weiterhin wehren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schreien Sie nicht so mit uns!)

Frau Kollegin Partik-Pablé! Macht Sie das nervös? Macht Sie das nervös? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein, aber wenn jemand mit mir schreit!) – Ich schreie nicht mit Ihnen, ich schreie mit Frau Kollegin Fekter. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was sonst? – Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Freiwillig haben Sie noch nie etwas hergegeben. Sie können das ruhig ins Lächerliche ziehen. Die Menschen haben das aus der Geschichte gelernt, Frau Kollegin Fekter! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Frau Kollegin Binder! Wer schreit, hat Unrecht!)

Ihre Devise, Herr Kollege Khol, heißt Sparen. Sie machen nichts anderes, als den Menschen in Österreich etwas wegzunehmen und jenen zu geben, die schon haben. Das ist Ihr Sparen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Sie haben mich im gleichen Satz bestätigt! – Abg. Schwarzenberger: Wer schreit, hat die schlechten Argumente!)

Zum Thema Rechnungshof, meine Damen und Herren, einige Fakten und Zahlen: Die Gesamtausgaben sind ähnlich wie im Jahr 2000, das gilt auch für die Einnahmen. Der Personalaufwand ist etwas höher. Die Sachausgaben werden etwas geringer sein. Was ist die ureigenste Aufgabe


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des Rechnungshofes, meine Damen und Herren? – Es ist dies eindeutig die Kontrolle und die Prüfungstätigkeit im Sinne der Sparsamkeit, im Sinne der Effizienz und im Sinne der Wirtschaftlichkeit und die Überprüfung, ob die Vorgaben, die sich das Parlament selbst gestellt hat, auch eingehalten werden.

Festzustellen ist, meine Damen und Herren, dass vielfach Anregungen und Veränderungsvorschläge positiv aufgenommen und auch umgesetzt wurden, aber dass auch – laut Ihnen, Herr Präsident – trotz berechtigter und konkreter Kritik in einigen Bereichen keinerlei Änderungen festzustellen waren. Das betrifft zum Beispiel das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, bei welchem es letztendlich erst der nächste Tätigkeitsbericht zu Tage bringen wird, ob Veränderungen durchgeführt wurden.

Auch das Bundesministerium für Landesverteidigung ist laut Ihren Aussagen nach wie vor säumig. Ein zukunftsorientierter Beschaffungsplan ist dem Rechnungshof trotz vielfacher Aufforderungen nach wie vor nicht bekannt. Daher stellt sich die Frage, wie ernsthaft und seriös die Umsetzung der Prüfberichte von den überprüften Stellen tatsächlich durchgeführt wird beziehungsweise Dinge, die kritisiert wurden, verbessert wurden.

Meine Damen und Herren! Empörend finde ich nach wie vor noch, dass Rohberichte an die Öffentlichkeit und an die Medien gelangen, denn nach inhaltlicher Überarbeitung und Klärung verschiedener Punkte ist die Darstellung der Kritik und des Prüfungsberichtes völlig anders. Meine konkrete Frage dazu ist, Herr Präsident, ob und auf welche Art und Weise der Rechnungshof dies endlich in den Griff bekommt.

So gesehen liegt noch viel Arbeit vor Ihnen, auch im Hinblick auf kommende Tätigkeiten. Äußerst interessant wird auch die Bewertung und Meinung des Rechnungshofs zum Verkauf der UMTS-Lizenz und der im Verhältnis zu anderen Ländern dabei erzielten sehr geringen Einnahmen sein oder zum verunglückten Gang der Telekom an die Börse oder zum Verkauf der 104 000 Bundeswohnungen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion oder zum geplanten und bereits in Zeitungen inserierten Ausverkauf von Wald aus dem Bestand der Bundesforste und somit zur Privatisierung von wichtigen Ressourcen. Die Bewertung dieser Aktionen durch den Rechnungshof erwarte ich mit Spannung.

Fragen über Fragen sind und bleiben offen, meine Damen und Herren! Von den Auswirkungen sind unmittelbar die Menschen in Österreich betroffen – volkswirtschaftlich, finanziell und in letzter Konsequenz auch persönlich. Die politische Verantwortung dieses Ausverkaufs trägt diese Regierung.

Herr Präsident! Ich vertraue auf Ihre Seriosität, Unparteilichkeit und Objektivität und auch auf die Ihrer Beamten, vor allem unter dem Blickwinkel einer neuesten Studie über die Verteilungswirkung. Einige Punkte daraus: Indirekte Steuern, Gebühren belasten das untere Einkommensdrittel doppelt so hoch wie das obere. Von den Sparmaßnahmen im Rahmen der sozialen Treffsicherheit gehen negative Umverteilungswirkungen aus. Genauso negativ wirken sich die Kürzungen der Absetzbeträge aus. Nicht ganzjährig Beschäftigte werden gleich viermal bestraft, indem ihr Einkommen gekürzt wird. – Unter diesem Blickwinkel sind Ihre Beobachtungen, Äußerungen und Positionierungen zu sehen. Die Aufgabe des Rechnungshofes ist es, Klarheit zu schaffen, der Wahrheit ans Licht zu verhelfen und dadurch Betroffenheit zu erzeugen und dadurch Veränderungen herbeizuführen.

Herr Präsident! Alles Gute für Ihre Arbeit und auch für die Ihrer MitarbeiterInnen und BeamtInnen! (Beifall bei der SPÖ.)

14.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

14.46

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Plenum! Ich möchte in meiner heutigen Rede auf


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ein paar konkrete Punkte eingehen, die mir wichtig und auch symptomatisch erscheinen im Hinblick auf die positive Entwicklung im Kunstbereich und darauf, was sich davon im Kunstbudget niederschlägt.

Es wird sehr gern, vor allem in Künstlerkreisen, der Eindruck erweckt und von manchen Seiten auch eifrig geschürt, als liege es auf Grund dieser Regierungskoalition mit der Kulturpolitik in diesem Staate total im Argen, so heißt es gern. Ich bitte halbwegs objektiv zu bleiben und die Tatsachen und Entwicklungen so zu sehen, wie sie sind, und nicht so, wie man sie gerne haben möchte, um unsere Kunst- und Kulturpolitik nur ja als restriktiv und restaurativ anprangern zu können, denn das ist sie beileibe nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein gutes Gegenbeispiel dazu: Ich verweise auf die heutige "Kleine Zeitung". Verzögerungs- und Blockadetaktik und restauratives Vorgehen nenne ich das Verhalten von Schachner in Graz in Bezug auf das Kunsthaus Graz und seinen Umgang mit Geldern. Unsere Vorstellung von einem geordneten und planbaren Budget und einer glaubwürdigen Umgangsweise mit Geld sieht anders aus.

Meine Damen und Herren! Das Kunstbudget wird nicht gekürzt, sondern gehalten, ja sogar leicht erhöht. Ebenso erhöht und ausgebaut werden Direktförderungen für Künstler und Künstlerinnen. Es gibt außerdem zusätzliche Stipendien. – Wenn all das nicht bedeutet, dass dem Themenbereich Kunst in diesem Land eine große Wertigkeit beigemessen wird, dann weiß ich wirklich nicht, was das sonst heißen soll.

Aber Gott sei Dank gibt es auch Menschen, von denen das sehr wohl bemerkt und gewürdigt wird. Ich nenne da zum Beispiel den Leiter der Literarischen Verwertungsgesellschaft Franz-Leo Popp, und ich denke, ihn kann man wohl mit Fug und Recht als kompetent bezeichnen. Er hat auf jeden Fall das vorige Woche im Nationalrat beschlossene Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz als großen Erfolg bezeichnet. Ich berufe mich dabei auf eine APA-Meldung.

Im selben Atemzug wird dieses Gesetz zu Recht als selbstverständliche Notwendigkeit bezeichnet, die durch die kommende Pflichtversicherung für Künstler und Künstlerinnen nötig wird. Nun kann man sich aber – das bezeichne ich jetzt schon als zweiten und nächsten Schritt, und diese Schritte folgen jetzt sofort nach – von Seiten der LVG auch schon ein Zweisäulenmodell vorstellen, das so aussieht, dass zuerst der Fonds einen Zuschuss in Höhe von 12 000 S für die Altersversicherung bezahlt. Hinzu kommt dann der Ersatz der Krankenversicherungsbeiträge je nach Bedürftigkeit in der Höhe von 50 bis 100 Prozent durch den Sozialfonds der LVG, der inzwischen nach 25 Jahren zum ersten Mal auch gesetzlich abgesichert worden ist. Ich betone noch einmal: Das ist ein Erfolg! Das, was hier stattfindet, ob das nun die Opposition so bezeichnen mag oder nicht, sind eine klare Orientierung an sozialer Bedürftigkeit, eine weitgehende Selbstverwaltung durch die Künstler und die Einführung eines dynamischen Künstlerbegriffs, der von den Künstlern selbst interpretiert wird.

Ganz sicher kann man es auch als Erfolg bezeichnen, dass es in Zukunft möglich sein wird, im Hinblick auf längerfristige Planungen Verwendungszusagen für zwei Jahre vorzunehmen. In der Folge könnten in einem Großteil der Fälle Subventionsansuchen bereits im ersten Quartal 2001 bearbeitet und erledigt werden, wenn die Anträge noch heuer eingereicht werden, und das ist durchaus als Appell und Aufforderung zum Handeln zu verstehen.

Weiters soll ein mehrjähriges Fördermodell im Bereich der Kunstförderung ausgearbeitet werden, wie das auch im Koalitionsabkommen angekündigt wurde.

Zuletzt sei mir ein Schwenk auf die Galerienförderung gestattet. Bis es gelingen wird, eine steuerliche Begünstigung für den privaten Kunstankauf zu erreichen – das ist geplant, meine Damen und Herren –, scheint eine Anerkennung der Galerientätigkeit am besten gewährleistet zu sein, wenn es zu einer wettbewerbsorientierten Verbesserung der Verkaufsmöglichkeiten kommt.


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Nun sollen für einen Versuchszeitraum von zwei Jahren jeweils sechs bis sieben österreichische Bundeslandes- oder Gemeinde-Museen – darunter Ferdinandeum Innsbruck, Neue Galerie Graz, Neue Galerie Linz, Rupertinum Salzburg, Neue Galerie Wien, Kunsthaus Bregenz und so weiter – ausgewählt werden und für den Ankauf zeitgenössischer Kunst einen Beitrag des Bundes erhalten. Dieser Bundesbeitrag muss durch das jeweilige Museumsbudget des Landes um 30 Prozent erhöht werden. Pro öffentlicher Institution ist 1 Million Schilling vorgesehen.

Es wird dadurch zu einer Steigerung der Kunstankäufe kommen, der Ankäufe zeitgenössischer Kunst – ich betone das noch einmal –, und somit zu einer Förderung der zeitgenössischen KünstlerInnen, die somit mehr Aufmerksamkeit bekommen und mit mehr Ankäufen, Kunstankäufen, rechnen können. – Das ist ein Erfolg, meine Damen und Herren, ein Erfolg dieser Regierung und ihrer Arbeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zusätzlich braucht es freilich nach wie vor die Präsenz österreichischer Galerien auf wichtigen Kunstmessen. Da wird die öffentliche Förderung weiterhin unverzichtbar bleiben, es sind aber Synergien mit Systemen der Wirtschaftsförderung sowie des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten angestrebt und geplant.

Meine Damen und Herren! Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Wenn man diese Kultur- und Kunstpolitik als restaurativ oder veraltet bezeichnen will, dann ist das wirklich nur eine willkürliche Vorgangsweise und hat mit der Realität absolut nichts zu tun. Einiges, eigentlich vieles ist bereits erreicht worden, und an vielem wird gearbeitet. Ich benenne beziehungsweise bezeichne das schlicht und einfach als das, was es ist: erfolgreiche Arbeit! Dazu wünsche ich vor allem Ihnen, Herr Staatssekretär, aber auch uns allen, die wir an Kunst- und Kulturarbeit interessiert sind und uns dafür engagieren, sehr viel Kraft und Durchhaltevermögen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Plank. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

14.53

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! In manchen Bereichen gibt es tatsächlich steigende Budgetzahlen. Das ist in Zeiten wie diesen kaum zu glauben. Zum Beispiel gibt es diese im Bereich der Personalausgaben für den Rechnungshof, sie sind zwar nicht wesentlich, aber immerhin gibt es sie. Ich sehe das durchaus positiv, weil, wie wir alle wissen, die Arbeit und die Aufgabe des Rechnungshofes sehr wichtig sind. Ich habe Vertrauen in seine Arbeit, weil der Rechnungshof immer wieder beweist, dass er ein wichtiges Kontroll- und – so sage ich – auch Steuerungselement Österreichs sein kann.

Der Rechnungshof bietet eine Form der Evaluierung unserer Politik, und ich meine, Österreich hat auch ein Recht auf diese Evaluierung, weil das Amt des Präsidenten des Rechnungshofes auch ein nicht ganz schlecht dotierter Job ist.

Das Hauptproblem sehe ich darin, dass die Evaluierung erst im Nachhinein geschieht, der Blick richtet sich immer weit zurück, die Bestandsaufnahme ist eine historische. Allerdings kann auch aus einem historischen Rückblick gelernt werden, wenn nicht – wie soeben über uns hereingebrochen – ein Bundeskanzler bewusst an einem bestimmten Tag, bewusst an einem bestimmten Ort und bewusst in einem bestimmten Medium Botschaften setzt, die objektiv zwar nicht nur falsch sind (Abg. Großruck: Das werden Sie nicht beurteilen!), die aber ein mühevolles Erreichen eines Mitschuldsbekenntnisses Österreichs und einer langsamen Bewusstseinsänderung im vergangenheitsverliebten Österreich wieder in Frage stellen, wenn nicht gar zunichte machen. – So weit zu dem, was man aus dem Blick zurück auch nicht lernen kann oder was man aufs Spiel setzt, wenn man um neue Wählerinnen und Wähler buhlt.

Der Rechnungshof gibt nach seinen Prüfungen aber Empfehlungen ab, die zu befolgen einer Bundesregierung gut anstünde – soweit werden Sie mir zustimmen, zustimmen müssen –, aber die PR-Kampagnen der Regierung in eigener Sache, ihre ewig gleiche Leier, sie müsste die


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Schäden der SP-Regierung reparieren – ausschließlich der SPÖ-Regierung offensichtlich –, kann ich nicht mehr hören. Sie bleiben für mich unerhört! (Abg. Steibl: Weil es die Wahrheit ist! Weil es die Wahrheit ist, können Sie es nicht mehr hören!) – Sie haben überhört, ich sagte: offenbar nur der SPÖ-Regierung. – Lassen Sie mich fortsetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Vom Rechnungshof wird, wie meine Kolleginnen und Kollegen heute schon eindrucksvoll darauf hingewiesen haben, gerade an den ÖVP-Ressorts immer wieder massiv Kritik geübt. Wie reagiert darauf diese Bundesregierung? – Zum Beispiel fehlen im Bundesministerium für Landesverteidigung noch immer die vorgeschlagenen Maßnahmen; bis dato ist nichts bekannt, obwohl es versprochen wurde.

Ein weiteres Beispiel ist das Bundesministerium für Unterricht. Statt Anregungen aufzunehmen, die Organisation zu verbessern, wird, wie Sie von der Regierung es nennen würden, gespart – aber es wird an der Bildung der österreichischen Jugend gespart. Und das ist der eigentliche Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Beispiel wurde die Österreichische Galerie mehrmals massiv, vernichtend kritisiert. Der Erfolg ist: Wir haben einen neuen Skandal am Hals, der sich in der Österreichischen Galerie abspielt. (Abg. Dr. Martin Graf: Bank Burgenland!) Das Plakat für die Klimt-Ausstellung wirbt mit einem arisierten Kunstobjekt, ohne jeden Hinweis darauf, woher dieses Bild stammt, obwohl bekannt war, auf welche Art und Weise das Bild den Besitzer gewechselt hat.

Der "Standard" schreibt dazu: "Raubkunst als Blickfang" und zitiert unter anderem auch Czernin: "Czernin bezeichnet die ,Dame mit Hut und Federboa‘ als ,Symbolbild – wenn auch in einem anderen Sinn‘: Als Symbol für den Umgang mit der NS-Zeit." – Wie die Bilder einander doch gleichen und sich eines in das andere unter dieser Regierung fügt! Ich habe kein Wort der zuständigen Ministerin zu diesem Skandal gehört.

Zum Beispiel waren sich anlässlich der Beratungen zur Ladung von Auskunftspersonen betreffend die Auftragsvergabe im Bundesstraßen- und Bundeshochbau FPÖ und ÖVP sehr einig, politisch Verantwortliche – zum Beispiel Landeshauptmann Pröll – nicht zu laden. Wann ist diese Regierung an Aufklärung interessiert? (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Darum nehmen Sie Ihre Verantwortung dort wahr, Herr Bundeskanzler, wo die Abrechnung Sie und Ihre Bundesregierung – die leider auch die Bundesregierung jedes Österreichers und jeder Österreicherin ist – treffen könnte. Sie werden genug Gelegenheit bekommen, sich zu verantworten. Der Rechnungshof wird auch Sie und Ihre Politik prüfen, und Ihre Nachfolge-Regierungen werden reparieren müssen – zum Beispiel Ihre stümperhaften Versuche, Österreich zu privatisieren. Sie sparen nicht, sondern Sie verschleudern das Vermögen der Österreicherinnen und Österreicher.

Wie der Rechnungshof zum Beispiel frühere Privatisierungen bewertet hat, möchte ich Ihnen anlässlich der Privatisierung der CA-BV gerne vorlesen:

"Zur Verkaufsentscheidung zu Gunsten der Bank Austria stellt der Rechnungshof zusammenfassend fest, dass dem gesetzlichen Veräußerungsziel entsprochen wurde. Der Verkaufserlös stand in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der CA-BV." – Zitatende.

Wie die jetzigen Privatisierungen einmal beurteilt werden, müssen wir leider noch abwarten.

Letzte Bemerkung: Herr Bundeskanzler! Sie haben heuten folgenden Satz gesagt: Wir haben die moralische Verpflichtung aktiv und positiv aufgenommen. – Nein, Herr Bundeskanzler, das haben Sie nicht. Wo ist Ihre moralische Verpflichtung, wenn Sie zum Beispiel Behinderten 2 Milliarden Schilling wegnehmen? – Selbst wenn Sie beabsichtigen, diese den Behinderten wieder zukommen zu lassen, ist das unmoralisch, unsozial und ungerecht. (Beifall bei der SPÖ.)

15.00


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich unterbreche jetzt um 15 Uhr die Beratungen über die Gruppe I, damit wir zeitgerecht mit der heute früh beantragten Verhandlung eines Dringlichen Antrages beginnen können.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend BSE-Sofortmaßnahmen (330/A) (E)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Beratung des Dringlichen Antrages ein.

Die Bestimmungen des § 74a der Geschäftsordnung finden Anwendung.

Der Dringliche Antrag 330/A (E) der Frau Abgeordneten Dr. Petrovic ist vervielfältigt und verteilt worden. Dadurch erübrigt sich eine Verlesung dieses Textes.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Die jüngsten BSE-Fälle in Frankreich und Deutschland haben gezeigt, dass sich das Problem der Seuche nicht an den Grenzen aufhalten lässt, sondern innerhalb aller EU-Mitgliedstaaten konsequent bekämpft werden muss. Obwohl die EU-Kommission schon seit längerer Zeit darauf hinweist und davor warnt, dass die BSE-Vorschriften EU-weit nicht eingehalten werden, wird von Regierungen mancher Mitgliedstaaten noch immer die ,BSE-Freiheit‘ versichert. Diese Beschwichtigungspolitik hat nun schlimme Folgen. Die KonsumentInnen sind zu Recht empört und verunsichert.

Das BSE-Rind in Schleswig-Holstein war kein krankes, gefallenes Tier. Es war scheinbar gesund und wurde nur auf Grund eines freiwilligen, privaten Tests gerade noch identifiziert, bevor es verarbeitet wurde. Dieser Fall zeigt, wie notwendig es ist, flächendeckend alle Tiere – zumindest jene, die über 30 Monate alt sind – zu testen.

Noch vor wenigen Wochen hat sich Österreich vehement gegen den Vorschlag der EU-Kommission gesträubt, BSE-Risikomaterial wie Gehirn und Nervengewebe zu verwerfen. Nach wie vor werden in Österreich verendete und mit schweren Nervengiften eingeschläferte Haustiere zu Tiermehl verarbeitet und weiterhin an Schweine, Hühner, Puten, Fische und Pferde verfüttert.

Es ist jetzt keine Zeit mehr zu verlieren. Der Agrarministerrat, der sich am vergangenen Montag nur mühsam zur Einführung der BSE-Tests in allen Mitgliedstaaten durchringen konnte, muss nun endlich den Forderungen des EU-Parlaments und der Öffentlichkeit nachkommen.

Eine zwingende Produktdeklaration für tierische Lebensmittel nach der Art der Haltung, Fütterung und Schlachtung fehlt nach wie vor. Für die KonsumentInnen ist ein Wildwuchs an Marken entstanden, sodass nicht mehr nachvollziehbar ist, welche Haltungs- und Sicherheitsvorschriften für Markenfleisch bei den verschiedenen Etikettierungen verlangt werden. Bei verarbeiteten Produkten, Fleischzubereitungen et cetera versagen sämtliche Sicherheitsnormen. Die rasche, etappenweise Abschaffung nicht artgerechter Formen der Tierhaltung und Fütterung, also eine ursächliche Auseinandersetzung mit BSE und anderen Tierseuchen wird auf Druck der Agroindustrie konsequent verweigert.

Die Agrarförderungen prämieren immer noch die Quantität der Erzeugung. Der Dialog über den Einsatz der Agrarförderungen zur Durchsetzung einer flächendeckend ökologischen, tiergerechten und konsumentInnensicheren Landwirtschaft wird nach wie vor verweigert.

Rindersubstanzen werden nicht nur über den Fleischkonsum aufgenommen, sondern finden sich in zahllosen Arzneimitteln, Impfstoffen sowie anderen Lebensmitteln (Gelatine, Süßigkeiten), Verzehrprodukten und Konsumartikeln.


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Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden Antrag:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft bzw. – soweit für die einzelnen Maßnahmen zuständig – der Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen werden aufgefordert, folgenden BSE-Aktionsplan umzusetzen:

1. generelles Verbot der Verfütterung von Tiermehl bis zur vollständigen Umsetzung der von der EU-Kommission und vom EU-Parlament vorgeschlagenen BSE-Vorsorgemaßnahmen in allen EU-Mitgliedstaaten

2. sofortige flächendeckende BSE-Tests für alle mehr als 30 Monate alten Schlachtrinder noch vor dem von der EU gesetzten Termin 1. Juli 2001 und Vorlage eines Berichtes über die Ergebnisse dieser Untersuchungen an den Nationalrat bis zum Juni 2001

3. Einsatz für eine obligatorische offene Deklaration für Futtermittel auf EU-Ebene, die den prozentualen Gehalt der Bestandteile, den Ursprung der Inhaltsstoffe sowie klare Anweisungen für den Einsatz der Erzeugnisse beinhaltet sowie die Futtermittelhersteller verpflichtet, auf Anforderung den Nachweis für die genaue Zusammensetzung des Mischfuttermittels vorzulegen

4. Schaffung von dauerhaften Grundlagen im Bereich der Futtermittelqualität und der Tierhaltung (insbesondere durch natürliche Fütterung und Ersatz von Tiermehl durch pflanzliche Eiweißfuttermittel)

5. verstärkte Förderung der BSE-Forschung und Berücksichtigung internationaler Forschungsergebnisse hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen

6. konsequente Vorbeugemaßnahmen und Alternativen zur industriellen Tierproduktion und Einführung einer flächendeckend ökologischen Landwirtschaft.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieses Antrages gemäß § 74a (2) i.V.m. § 93 (1) GOG verlangt."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort. Dann folgt eine Stellungnahme des zuständigen Regierungsmitgliedes, und dann beginnt die Debatte.

Frau Abgeordnete Dr. Petrovic! Sie haben das Wort für 20 Minuten. – Bitte.

15.01

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Landwirtschaftsminister! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wieder einmal ist es das Auftreten von Krankheitsfällen bei Tieren, bei Menschen, das die Öffentlichkeit alarmiert und, durch die Opposition veranlasst, zu einer Debatte hier im Hohen Haus führt.

Herr Bundesminister! Sie wissen, dass wir schon sehr oft im Parlament über BSE, über mögliche Gefahren für Menschen diskutiert haben. Allein die Maßnahmen, die die vergangene Regierung gesetzt hat und die jetzt diskutiert werden, sind unzureichend.

Heute Vormittag tönte es dann vor allem von den Rednerinnen und Rednern der freiheitlichen Regierungsfraktion, die EU sei schuld an diesen Versäumnissen. Wenn man sich hingegen die EU-Dokumente ansieht, die Vorschläge, die es dort gibt, und die große Klage über die zögerliche Haltung der Mitgliedstaaten in Sachen einer effizienten Seuchenbekämpfung, dann muss man wirklich die Frage stellen: Hat Österreich hier im Inland und als Mitglied der EU alles getan, um eine große Bedrohung für Konsumentinnen und Konsumenten zu verhindern oder einzudämmen? (Beifall bei den Grünen.)


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Die Antwort fällt leider nicht zum Vorteil der österreichischen Bundesregierung aus. Herr Landwirtschaftsminister! Wir sehen leider unsere Befürchtungen hinsichtlich der Beseitigung des Umweltressorts, das heißt der Vereinnahmung durch das Landwirtschaftsressort, bestätigt.

Ein Grün-Abgeordneter des Europäischen Parlaments hat in der Debatte den Satz ausgesprochen: "Heute sind jene, die behaupten, keine Fälle von Rinderwahnsinn in ihrem Gebiet zu haben, jene, die nicht suchen."

Führende Virologen und Virologinnen bestätigen Ihnen, wir wissen viel zu wenig über diese Krankheit, über die Dauer, bis die Krankheit ausbricht, über die möglichen Formen einer Ansteckung, über die möglichen Formen einer Unschädlichmachung des vermuteten Erregers, als dass wir es uns leisten könnten, irgendwelche potentiellen Risken weiter fortzuschreiben. – Genau das passiert aber. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Andere Nationalstaaten, die durchaus von der Risikosituation her ähnlich wie Österreich eingeschätzt werden, haben früher reagiert, zum Beispiel Schweden. In Schweden, das auch nach Einschätzung der Europäischen Union so wie Österreich als ein Land eingestuft wird, in dem ein Risiko unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist ... (Abg. Mag. Mühlbachler: Unwahrscheinlich!) Unwahrscheinlich, ja. Genügt Ihnen ein kleines Risiko? Wollen Sie das belassen? Muten Sie das Kindern und VerbraucherInnen zu? – Na danke für diese Konsumentenschutzpolitik! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vor allem: Woher nehmen Sie als NichtnaturwissenschafterInnen die Sicherheit, wenn führende VirologInnen heute sagen: Wir wissen es nicht!? Ich weiß es auch nicht, aber ich plädiere dafür, auf Nummer Sicher zu gehen, und Nummer Sicher heißt, die Risikofaktoren auszuschalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In Schweden dürfen seit 1986 so genannte gefallene Tiere, das heißt Tiere, die an Krankheiten zugrunde gegangen sind, die verendet sind, nicht mehr in Form von Tier- und Knochenmehl in Futtermittel hineingemischt werden.

Und wie sieht die Haltung Österreichs dazu aus – und das ist nach dem Bekanntwerden des Wiederaufflammens der Seuche passiert –? Die österreichische Gesundheitsministerin – mittlerweile hat sie ihr Amt verlassen – hat im heurigen Sommer, also im Sommer 2000, eine Information verfasst, in der sie begründet, warum Österreich am 7. Juni 2000 – also heuer, ein halbes Jahr ist es gerade her – im Veterinärausschuss gegen den Ausschluss von so genanntem Hochrisikomaterial in Viehfutter gestimmt hat.

Es erging der Vorschlag, dass Schädel einschließlich Gehirn und Augen, die Mandeln, das Rückenmark und bestimmte Organe von Rindern zu verwerfen sind, das heißt, zu vernichten sind, nicht mehr in tierische Futtermittel dürfen. – Ohnehin nur eine Beschränkung, kein völliges Verbot der Verfütterung von Tier- und Knochenmehl. Und Österreich hat gegen diesen Vorschlag gestimmt, und zwar mit dem bemerkenswerten Argument: Bei uns ist noch kein Fall aufgetreten. Warum sollen wir dieses Hochrisikomaterial vernichten, wenn es doch vielleicht den Viehfutter- und den Fleischpreis ein paar Groschen hinunterdrückt? Ein paar Groschen Kostenersparnis sind wichtiger als die Gesundheit von Menschen, die Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich will Ihnen auch nicht vorenthalten, mit wem Österreich da gestimmt hat. Mit Finnland, Spanien und Griechenland hat Österreich gegen diesen Vorschlag gestimmt, Deutschland hat sich der Stimme enthalten.

Was sagen Sie dazu, meine Damen und Herren von der ÖVP? Wieso wollen Sie Hochrisikomaterial im Viehfutter? Vor allem wissen Sie genauso gut wie ich, dass Österreich Fleischhandel und Viehhandel mit Ländern treibt, die nach Einstufung der Kommission ein wahrscheinliches Risiko aufweisen. Das heißt, es ist im ersten Halbjahr 2000, also ganz aktuellerweise, von den Gesamtimporten an lebenden Rindern von über 7 000 Tonnen der größte Anteil aus Deutschland gekommen. Aus einem Land mit wahrscheinlichem Risiko und mittlerweile mit aufgetretenen Erkrankungen haben wir 6 847 Tonnen importiert.


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Wo sind denn die hingegangen, Herr Schwarzenberger? Wer hat denn die bekommen? Wie können Sie denn garantieren, dass da kein Risiko besteht?

Oder: Rindfleisch aus Deutschland: 2 911 Tonnen, aus den Niederlanden: 1 477 Tonnen und so weiter. – Alles Länder mit einem wahrscheinlichen Risikopotential. Glauben Sie, dass man hier dann dieses Fleisch vernichtet oder entsorgt hat? – Doch nicht wirklich. Das ist an Menschen gegangen, das ist in den Konsum gelangt. Wie können Sie jetzt noch die These vertreten: Wir haben ohnehin alles getan, was wir tun können!? Mitnichten können Sie diese Behauptung noch aufrechterhalten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vor allem wird die Situation mit jedem Tag, den Sie länger zögern, schwieriger. Es bestünde im Prinzip kein Einwand dagegen, an Tiere, die im Prinzip auch Fleischfresser sind, auch tierische Produkte – Fleisch, Milchprodukte, Blutprodukte – zu verfüttern. Nur, wenn nicht sichergestellt ist, dass es sich um genießbare Produkte handelt, das heißt um Fleischwaren, um Blutprodukte, die im Prinzip auch für die menschliche Ernährung geeignet wären, dann lassen Sie sehenden Auges zu, dass gefährliches Material, infektiöses Material über die Nahrungskette auch zum Menschen kommen kann. Ich finde, das ist der Inbegriff von Verantwortungslosigkeit! Und das ist es, was die Konsumentinnen und Konsumenten verunsichert. Nicht die Stimmen der Kritikerinnen und Kritiker, die seit vielen Jahren warnen, sondern Ihre Untätigkeit ist es, die verunsichernd wirkt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Grünen und ich persönlich stellen seit vielen Jahren, lange noch bevor es eine offizielle Debatte gab, Anfragen zu BSE. Und es hat sich unter der alten Regierung und in der neuen Regierung immer dasselbe abgespielt: Man sagt zuerst, es ist reine Panikmache, es ist Verunsicherung der Konsumentinnen und Konsumenten, eine Gefährdung der Märkte. Dann müssen Sie wenig später unter dem Druck der Realität und dem Druck von Medienberichten doch die Wahrheit zugeben. Es ist ja bezeichnend, wahrscheinlich hätte man in Deutschland auch weiter die Jubelmeldung verbreitet: Keine Gefahr, wir sind ein Land mit äußerst geringem Risiko!

Jener Test, bei dem jetzt BSE-kranke Tiere entdeckt worden sind, war kein staatlich angeordneter Test, das war ein freiwilliger Test, erzwungen durch das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten. Eigentlich sind es also die Kritikerinnen und Kritiker und die KonsumentInnen, die mittlerweile schon mehr den kritischen Stimmen glauben, die letztlich dazu führen, dass endlich Sicherheitstests eingeführt werden. Das waren nicht die Regierungen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

So können Sie sich natürlich an diesem Pingpongspiel innerhalb der EU beteiligen. Sie können sagen: Bei uns nicht passiert! Wer soll die Kosten tragen? – Jemand anderer soll sie tragen. Ich frage Sie in aller Form: Was hat dieser BSE-Skandal bis jetzt auch in unserem Land an Kosten verursacht, an Kosten über die EU-Notwendigkeit, Zigtausende Tier notzuschlachten, die Kadaver zu vernichten, Entschädigungen für die Landwirtschaft, zusammenbrechende Märkte und jetzt in der Folge voraussichtlich die bittere Notwendigkeit, flächendeckende Frühtests – soweit das wissenschaftlich möglich ist – einzuführen? All das sind Kosten, die vermeidbar gewesen wären, wenn Sie nicht von Anfang an einer agroindustriellen Produktion die Mauer gemacht hätten.

Es war von Anfang an die Handschrift der ÖVP in dieser Regierung, dass Sie immer dem Druck der Großen nachgegeben haben, das heißt, dass Sie auch konsequent gegen die kleinbäuerliche Landwirtschaft agiert haben. (Abg. Großruck: Das ist lächerlich!) Sie waren es, die ohne Not die Bestandsobergrenzen hinaufgeschraubt haben. Sie waren es, die die Kontrollen, vor allem auch die Möglichkeit, dass beauftragte Tierschutzorgane zum Einsatz gelangen, verboten, untersagt und eingeschränkt haben. Sie haben es zu verantworten, dass bestimmte Produktionsstätten mittlerweile hermetisch abgeriegelten Festungen gleichen und dass bis hin zum Generalintendanten des ORF von allerhöchster Regierungsstelle interveniert wird, wenn es um kritische Berichte geht.


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Verschweigen, zudecken, nur nicht darüber reden, denn das könnte ja vielleicht den Druck zu Veränderungen auslösen!– So hat Ihre Politik in den letzten Jahren ausgeschaut! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir haben die entsprechende Bundesministerin oft gefragt, etwa nach dem ersten Auftreten von BSE, zuletzt war es eben Sickl. Es gab zwischenzeitlich auch andere Skandale, etwa einen Dioxin-Skandal, es ist ja nicht nur das Mehl von verendeten Tieren im Tierfutter gelandet, sondern es gab auch dioxinbelastete Reste von Altölen, verdorbene Margarine et cetera. (Abg. Auer: Nicht in Österreich!) Nein, gar nicht in Österreich! Ich erinnere Sie an dicke Berichte aus der Steiermark, aber das geht spurlos an Ihnen vorbei. Sie nehmen es nicht wahr, weil Sie es nicht wahrnehmen wollen. Daher bekommen Sie die Rechnung von Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten präsentiert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Es war die "Konsum"-Firma!)

Niemand sagt, dass der Skandal in Österreich – Gott sei Dank ist das nicht der Fall – ähnliche Dimensionen angenommen hat wie in anderen Ländern. Aber wollen Sie es wirklich so weit kommen lassen? Warum bremsen und verzögern Sie noch immer? Was veranlasst Sie andauernd, mit dieser Agro-Industrie-Lobby gemeinsame Sache zu machen und damit auch den Kleinbauern in den Rücken zu fallen? (Zwischenruf des Abg. Zweytick. )

Bitte, Antwort Sickl, wortwörtlich am 17. Juli 2000 – gefällt Ihnen das? –: "Durch die entsprechende Aufbereitung von Rohstoffen tierischer Herkunft – dazu zählen auch die verendeten Tiere – ist es möglich, wertvolle Eiweißfuttermittel zu gewinnen." – Na bravo! Verendete Tiere, auch Haustiere im Tierfutter! Und die damals zuständige Ministerin spricht von "wertvollen Eiweißfuttermitteln".

Ich glaube, in der Öffentlichkeit wie auch in der kritischen Wissenschaft herrscht eine andere Meinung. Das ist ein Dreck, der in die Nahrungsmittelkette eingeschleust wird, um die Kosten der Produktion niedrig zu halten, und der Dreck verschwindet nicht mehr aus der Nahrungsmittelkette! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag vorgelegt, der in Übereinstimmung mit den Ausführungen im Europäischen Parlament nach dem Muster funktionieren soll: eine integrale Rückverfolgbarkeit von Nahrungsmitteln von der Mistgabel bis zur Gabel und vom Stall bis zum Tisch. Die österreichische Bundesregierung hat einen derartigen Vorschlag auf Transparenz, was die Viehfuttermittel und die Kennzeichnung für die Konsumentinnen und Konsumenten betrifft, leider nicht unterstützt.

Bedenken kommen beispielsweise auch von der Futtermittelindustrie, und auch da ist es eine grüne europäische Abgeordnete, die Klage führt, die sagt, es scheine so zu sein, dass die Geheimhaltungsinteressen der Futtermittelindustrie wichtiger sind als der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Dagmar Roth-Behrendt sagt, es sei wichtig, den Schutz des geistigen Eigentums und der firmeneigenen Rezepturen zu garantieren. Der Kontrollaufwand sei zu hoch und so weiter. – Das heißt, die Futtermittelindustrie wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass auf jedem Futtermittelsack draufstehen muss, was da hineingekommen ist, woher es stammt, wie die prozentuelle Zusammensetzung ist, und vor allem gegen eine Garantie, dass nicht die Kadaver von verendeten Tieren, zu Mehl verarbeitet, da hineingemanscht werden. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen: Österreich gehört nicht zu den Staaten, die die fortschrittlichsten Regelungen in Sachen Konsumentenschutz, Tierschutz und transparenter Deklaration haben. (Abg. Schwarzenberger: Machen Sie Österreich nicht so schlecht!) Lesen Sie die Dokumente! Die ÖVP scheint mittlerweile nicht einmal mehr lesen zu können. Dies steht in den Kommissionsdokumenten – Sie haben sie auch –, aber offenbar ist es Ihnen Wurscht! Das ist ja auch ein klares Bekenntnis vor der österreichischen Bevölkerung. Sie werden es auch zu verantworten haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Das ist richtige Angstmacherei!)


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47. Sitzung / Seite 93

Lesen Sie den Dringlichen Antrag der Grünen: Generelles Verbot der Verfütterung von Tiermehl – befristet! –, bis klar ist, dass nur einwandfreies Fleisch, wenn überhaupt, ins Viehfutter hineingelangt und natürlich nur für Tiere, die keine reinen Pflanzenfresser sind, also eine Deklaration.

BSE-Tests, und zwar flächendeckend, sofort und verbindlich, für alle Tiere über 30 Monate.

Bei den jüngeren Tieren eine Ursprungsverfolgung, damit man genau weiß, woher das Tier und woher die Elterntiere kommen und was in diesen Herden bisher registriert worden ist. Dauerhafte Grundlagen im Bereich der Futtermittelqualität und so weiter.

Das sind eigentlich Vorschläge, wo man an die Adresse der Grünen gerichtet fast sagen müsste: Das sind No-na-Forderungen, das ist eine Minimalforderung. Ich verstehe nicht, warum diese Bundesregierung ein derart logisches, überhaupt nicht überzogenes Programm so vehement von sich weist. Wie gesagt, ich kann es mittlerweile wirklich nur mehr mit der Vertretung von Lobbyinteressen erklären. Es scheinen manche Großviehbarone in Ihrer Partei so viel Macht zu haben, dass sie, wie gesagt, auch einen Kanzler dazu bringen, beim ORF-Generalintendanten zu intervenieren, dass es möglich ist, dass diese Berichte nicht an die Öffentlichkeit kommen, bis sie nicht mehr zurückzuhalten sind. (Abg. Schwarzenberger: Es wird an Vieh seit 1990 nicht mehr verfüttert! – Abg. Ing. Westenthaler: Woher wissen Sie das?)

Meine Damen und Herren! Ich schließe meine Ausführungen, wobei ich fürchte, dass ein Zitat aus den "Salzburger Nachrichten" von Barbara Morawec: "Der Wahnsinn ergriff nicht nur die Rinder" leider seine Berechtigung hat (Abg. Schwarzenberger: Lesen Sie weiter!), denn es passiert das Gegenteil von dem, was zur Sicherung der Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten in diesem Land notwendig wäre. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand des Dringlichen Antrages hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer zu Wort gemeldet. Die Stellungnahme soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.22

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Leitbild und oberstes Prinzip der österreichischen Bundesregierung ist es, erstens die Sicherheit für die Konsumenten zu gewährleisten, zweitens die Qualität der Lebensmittel sicherzustellen, drittens gegen eine Industrialisierung der Landwirtschaft anzukämpfen, und viertens für die Kennzeichnung der Herkunft der Produkte einzutreten.

Meine Damen und Herren! Das hat in Österreich vieles, was in anderen Ländern gang und gäbe ist, verhindert. Wir haben von Österreich vieles ferngehalten, was in anderen Ländern Realität ist. Und ich bitte Sie, meine Damen und Herren, auch angesichts dieser Diskussion, doch zu sehen, dass wir in Österreich ein hohes Niveau an Lebensmittelsicherheit, an Qualität unserer Lebensmittel haben und wir auch keinen Vergleich, etwa was die Form der Produktion im europäischen Vergleich betrifft, zu scheuen brauchen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch in Zukunft müssen wir dies sicherstellen, auch sicherstellen angesichts der Entwicklungen, die in anderen europäischen Ländern im Gange sind, auch in unseren Nachbarländern, sicherstellen vor allem auch angesichts der Verunsicherung, die Konsumenten erfasst hat. Unsere Aufgabe ist es, Sicherheit zu geben, und nicht, Verunsicherung zu schüren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen dieses Niveau an Qualität und Konsumentenschutz auch vor dem Hintergrund drohender wirtschaftlicher Schäden sicherstellen. Daher hat die Bundesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt. Frau Abgeordnete Petrovic, Sie wissen das.


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Seit 1990, lange bevor die BSE-Diskussion überhaupt manche erfasst hat, nämlich manche Köpfe und manche Länder, hat Österreich bereits das Verbot der Verfütterung von Eiweißfuttermitteln tierischer Herkunft an Wiederkäuer verfügt. Seit 1991 besteht BSE-Anzeigepflicht. Seit 1991 besteht ein permanentes und wirksames Überwachungsprogramm zum Ausschluss von BSE. Seit mehr als zehn Jahren wird in Österreich Tierkörperverwertung auf höchstem Standard, der in der Union erst vor etwa eineinhalb Jahren überhaupt eingeführt wurde, durchgeführt.

Ich möchte auch festhalten, dass Österreich immer ein Nettoexporteur von Rindfleisch gewesen ist und eigentlich in geringem Ausmaße Importbeziehungen gehabt hat. Und wir haben durch die österreichische Veterinärverwaltung – Kollege Haupt wird darauf noch eingehen – selbstverständlich alles getan, auch bei der Importkontrolle und bei den entsprechenden restriktiven Maßnahmen an vorderster Front dabei zu sein. Ich erinnere etwa an das Importverbot gegenüber Großbritannien, an das Importverbot gegenüber der Schweiz und an das bestehende Importverbot, das wir gegenüber Frankreich haben oder auch gegenüber Spanien gehabt haben.

Meine Damen und Herren! In Österreich werden seit zehn Jahren alle Rinder mit neurologischen Symptomen und mit Verhaltensanomalitäten mit histologischen Methoden und seit einiger Zeit auch mit immunhistochemischen Methoden untersucht.

Meine Damen und Herren! Das ermöglicht mir heute, zu sagen, dass wir in Österreich bis jetzt keinen Fall von BSE haben, und zwar nicht deswegen, weil wir nicht untersuchen, sondern ich meine, dass wir alles getan haben, was uns möglich ist, um diese tatsächlich dramatische Entwicklung nach Möglichkeit von unserem Lande fern zu halten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist auch in Zukunft unser Ziel, diese Bedrohung von Österreich fernzuhalten und zu verhindern, dass dieses Risiko auf Österreich überschwappt. Daher wird diese Bundesregierung am kommenden Montag beim Agrarministerrat, beim Sonderagrarministerrat der Europäischen Union dafür eintreten, dass es europaweit ein Verbot der Verfütterung von Tiermehl gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist aus meiner Sicht vor allem hinsichtlich der Kontrollqualität notwendig, auf Grund der gegebenen Situation dieses Verbot auszusprechen. Unabhängig davon, unabhängig von dieser Entscheidung wird Österreich auf österreichischer Rechtsgrundlage umgehend die Maßnahmen zur Umsetzung eines nationalen Verbotes vorbereiten.

Meine Damen und Herren! Zweitens: Der nationale Maßnahmenplan für die Umsetzung der Schnelltests liegt vor. Es ist unsere gemeinsame Zielsetzung, die Schnelltests, so rasch es uns möglich ist, zu verwirklichen. Ich sage aber auch, dazu brauchen wir den Aufbau von Kapazitäten. Es muss gesagt werden, dass wir auch alles tun werden, um die entsprechenden Arbeitsgrundlagen, die entsprechenden Kapazitäten dafür auch raschest zur Verfügung zu stellen.

Wir werden drittens ein wissenschaftliches Expertengremium einsetzen. Dieses besteht aus den Professoren Budka, Leibetseder und Lettner, die uns wissenschaftlich bei allen Maßnahmen begleiten werden.

Wir werden viertens auf europäischer Ebene selbstverständlich verlangen, dass auch die Qualität importierter Produkte entsprechend überprüft wird, weil es ein Widersinn wäre, in Europa etwas zu verbieten, was bei Importprodukten erlaubt ist.

Meine Damen und Herren! Das bedeutet aber auch, dass wir verlangen müssen, dass, wenn dieses Verbot kommt, andere Formen der Verwertung dieses Tiermehls, das heißt Vernichtung, Platz greifen. Es würde nämlich ansonsten das Risiko in sich bergen, dass wir letztendlich in Europa in der Union ein Verbot aussprechen, das Produkt exportiert wird und möglicherweise über Fleisch oder andere Produkte wieder reimportiert würde. Das bedeutet aber, dass wir diese Kapazitäten auch schaffen müssen, damit wir auch eine Dimension kennen. In Österreich


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handelt es sich um etwa 100 000 Tonnen, die produziert werden. Es gibt eine Schätzung, die Sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nachlesen können, meine Damen und Herren, wonach diese Strategie des Verbotes für die Europäische Union etwa Kosten von rund 42 Milliarden Schilling nach sich ziehen würde. Ich meine, das soll all jenen gesagt werden, die sehr locker meinen: Alles sofort und möglichst kostenlos!

Das ist ein Programm, das letztendlich intensiv – und ich werde in Erwartung dieser Diskussion mit dem österreichischen Parlament sein – auch hinsichtlich der Kostenauswirkung die entsprechenden Konsequenzen wird haben müssen, einerseits in Europa, andererseits auch hier in Österreich.

Meine Damen und Herren! Fünftens werden wir in Europa die Frage klären müssen, wie es, wenn es zu einem Fütterungsverbot kommt, vermieden werden kann, dass eine Eiweißlücke entsteht, die durch vermehrten Sojaimport geschlossen wird. Sie wissen doch, meine Damen und Herren, welches Risiko damit verbunden ist!

Es wird daher notwendig sein, Strategien dafür zu entwickeln, wie wir in Europa die Eiweißversorgung aus europäischer Produktion schrittweise erhöhen, damit wir auch da unsere Eigenständigkeit bewahren und sichern können. Es wird auf europäischer Ebene notwendig sein – und das geschieht bereits, weil wir derzeit auch Probleme auf dem Markt haben –, dass die entsprechenden Interventionsmaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren! Kollege Haupt und ich werden im Auftrag des Bundeskanzlers morgen – so, wie hier das Parlament – auch den Ministerrat über die entsprechenden Maßnahmen informieren. Mit dieser Strategie wird Österreich am 4. Dezember im Sonderrat Landwirtschaft seine Position vertreten. Ich meine, dass mit dieser Strategie neuerlich der Nachweis geführt ist, dass die österreichische Bundesregierung wie schon bisher alles in ihrer Macht Stehende tut, um diese dramatische Problematik von Österreich fern zu halten und für die Sicherheit der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten alles nur Menschenmögliche zu tun. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pirklhuber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

15.32

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben jetzt in einem großen Schwung einige Sachen dahingesagt, die ich mir auf der Zunge habe zergehen lassen. Ich möchte dort einhaken, wo Sie vom Auftreten gegen die Industrialisierung in der Landwirtschaft gesprochen haben.

Wenn ich das richtig verstehe, wollen Sie sich jetzt – ich hoffe, Sie bestätigen das mit einem Kopfnicken – auf EU-Ebene für das Verfütterungsverbot von Tiermehlen einsetzen. Ist das richtig? Habe ich Sie richtig verstanden? Im Agrarministerrat am 4. Dezember? (Bundesminister Mag. Molterer: Wenn Sie aufgepasst haben – ja!)  – Gut, danke schön, das ist also klar! Das ist einmal ein kleiner Erfolg dieser Bemühungen, die wir im Interesse der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten sowie auch im Interesse der österreichischen Bäuerinnen und Bauern für ganz zentral halten. (Beifall bei den Grünen.)

Klar ist: Wir sind im Bereich der Rinderproduktion ein exportorientiertes Land. Wir müssen auch auf europäischer Ebene offensiv und nicht defensiv auftreten, Herr Bundesminister. (Bundesminister Mag. Molterer: So wie schon bisher!)  – Das zu Beginn.

Die Glaubwürdigkeit Österreichs als Ökoland – darum geht es, meine Damen und Herren, und ich nehme an, es besteht darüber Konsens in diesem Haus: das wollen wir sein, und das werden wir sein – müssen wir entsprechend durch Maßnahmen umsetzen und auch beweisen. Dazu gehört auch, auf nationaler Ebene Signale zu setzen. Sie werden dort nicht ernst genommen werden, Herr Bundesminister, wenn Sie nicht bereit sind, hier in Österreich


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unmittelbar ein Verbot des Einsatzes von Tiermehlen – so, wie es unser Antrag fordert – umzusetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Verfütterungsverbot von Tiermehlen ist ein Gebot der Stunde. Die Problematik ist kritisch. Man weiß zu wenig über die Möglichkeiten des Transfers dieser Krankheitserreger und über die Infektionsmöglichkeiten. Es ist inzwischen nachgewiesen, dass auch Schweine grundsätzlich infizierbar sind – derzeit sicher nur im Labor, aber es ist nicht sichergestellt, dass es nicht auch in der Praxis vorkommen kann.

Herr Bundesminister! Die Erzeugung von Tiermehlen in Europa ist ein großes Problem. Nach wie vor ist die Umsetzung aller entsprechenden Maßnahmen für eine ordentliche Aufbereitung dieser tierischen Schlachtabfälle – bis hin zu den Konfiskaten und den Falltieren – nicht in allen Ländern gewährleistet. Importverbote auf Tiermehl sind nicht möglich. Daher ist unserer Auffassung nach ein europäisches Verbot für die Verfütterung von Tiermehlen eine ganz notwendige und selbstverständliche Angelegenheit.

In Österreich gibt es derzeit genauso Probleme mit Verunreinigungen. Herr Bundesminister, 1 bis 2 Prozent der Futtermittelproben ergeben auch Tiermehlrückstände in Ergänzungsfuttermitteln für Rinder. Das ist ein Problem, und das hängt eben damit zusammen, dass diese Tiermehle bei anderen Futtermittelprozessen nach wie vor einsetzbar sind. Das führt in der Verarbeitung zu Verschleppungen und Vermischungen.

Das müssen wir klären, Herr Bundesminister, das müssen wir lösen, aber nicht so, wie Sie das bisher gelöst haben, nämlich mit dem Rückgang der Futtermittelkontrollen. Von 1998 auf 1999 ist es zu einem Rückgang von 1 500 Kontrollen auf 800 Kontrollen gekommen. Bitte, das ist kein Weg, der hier zu einer Klärung und einer Lösung führen wird! (Beifall bei den Grünen.)

Außerdem ist zu fragen: Wo werden Industriefuttermittel eingesetzt? Wo werden vor allem Billigstfuttermittel eingesetzt? – Das geschieht in jener Massentierhaltung, die nicht im Rahmen des österreichischen Umweltprogramms wirtschaftet, jener Massentierhaltung, die eben außerhalb des ökologischen Rahmens produziert.

Da haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, im Rahmen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes wirklich alles andere getan, als die industrielle Landwirtschaft zu verhindern. Herr Bundesminister, Sie haben die Tierbestandsgrenzen, die UVP-pflichtig sind, hinaufgesetzt und nicht heruntergesetzt. So sieht es nämlich in der österreichischen Agrarpolitik im Augenblick aus! (Beifall bei den Grünen.)

In dem Budgetvoranschlag, den wir nächste Woche diskutieren werden, haben Sie im Bereich der biologischen Institutionen – jener Einrichtungen, die sich seit Jahren intensivst für die Ökologisierung der österreichischen Landwirtschaft einsetzen – gekürzt, Herr Bundesminister! Das ist Ihre Politik für eine Ökologisierung: Kürzungen bei den Bio-Organisationen (Abg. Schwarzenberger: Da gibt es nach Aussagen der SPÖ Milliarden-Geschenke! Die SPÖ spricht von Milliarden-Geschenken!), und 80 Millionen Schilling mehr für die Agrarmarkt Austria, die die Bürokratie darstellt. (Beifall bei den Grünen.) Das ist die Realität, so sieht es aus! Wir werden nächste Woche noch ausreichend darüber diskutieren.

Schauen wir uns doch einmal an, wie es mit unserem BSE-Vorsorgeprogramm, das Sie angesprochen haben, bisher wirklich aussieht! Dieses Vorsorgeprogramm – wie viele Proben sind das jährlich, Herr Bundesminister? Wie viele Untersuchungen? – 200 bis 800 Proben jährlich, bei einem Rinderbestand von 2 Millionen Stück Rindern! Sie können mir doch nicht sagen, dass eine Prüfrate von weit unter 1 Promille irgendwie wissenschaftlich fundiert oder ausreichend wäre. (Bundesminister Mag. Molterer: Und die sterben alle in einem Jahr, oder was?) Bitte, Sie wissen sehr genau, dass der letzte BSE-Test in Deutschland nicht an einem Tier durchgeführt wurde, das bereits verendet war! Das war ein lebendes, ein an sich gesundes Tier, das noch keine Symptome gezeigt hat.

Das ist die Herausforderung, Herr Bundesminister! Wir brauchen sofort flächendeckende BSE-Kontrollen, und zwar sofort für jene Tiere, an denen es nachprüfbar ist, für jene Tiere, die älter


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als 30 Monate sind. Das sind in Österreich etwa 200 000 bis 250 000 Rinder, und das wird ungefähr – das kann man abschätzen – 40 bis 60 Millionen Schilling kosten. Aber was sind jetzt 40 bis 60 Millionen Schilling, Herr Bundesminister, zur Sicherung unserer Exporte, unserer Rinderexporte, unserer bäuerlichen Landwirtschaft, der Sicherheit der Konsumenten und auch Ihrer Verhandlungsposition in Brüssel? – Sie sind nur glaubwürdig, wenn Sie zu Hause Ihre Hausaufgaben auch wirklich erledigen! (Beifall bei den Grünen.)

Richtigerweise haben Sie die Problematik der Alternativen angesprochen. Wir wollen uns davor nicht drücken. Selbstverständlich brauchen wir den Ersatz von Tiermehlen und brauchen wir alternative Verwertungsformen für tierische Nebenprodukte. Meine Damen und Herren, dafür gibt es eine Palette von Maßnahmen. Dazu haben auch die Europäische Kommission und das Europäische Parlament bereits gute und interessante Vorschläge unterbreitet. Diese reichen von der Verarbeitung zu Düngemitteln bis hin zur Verarbeitung im Rahmen von Biogasanlagen. Das wäre eine Lösung, Herr Bundesminister! Biogas ist doch ein Projektvorhaben, das Sie fördern wollen; da kann man auch diese Problemstoffe sehr gut einer Verwertung zuführen, wobei noch dazu erfolgreich Energie erzeugt wird.

Die für die Landwirtschaft letztlich wesentliche Frage ist doch: Wie können wir Alternativen fördern? Wie können wir die Landwirtschaft ökologisch weiterentwickeln? – Legen Sie endlich Ihr Aktionsprogramm für den biologischen Landbau vor! Nennen Sie endlich Ihre Maßnahmen, mit denen Sie die Ökologisierung vorantreiben wollen!

Warum fördern Sie nicht verstärkt den Anbau von Eiweißpflanzen? – Setzen Sie sich auf europäischer Ebene für Bohnen, Erbsen und Sojabohnen ein! Natürlich ist das eine Auseinandersetzung auf europäischer und auf WTO-Ebene, aber das ist im Sinne der Kreislaufwirtschaft notwendig. Wir brauchen diese Eiweißfuttermittel, damit unsere Bäuerinnen und Bauern ihr Futter hier erzeugen und wir nicht gentechnisch veränderte Futtermittel und schlechte Qualität aus weltweiter Produktion nach Österreich importieren.

Daher wiederhole ich unsere Forderung, damit das klar ist: Generelles Verbot der Verfütterung von Tiermehl zum jetzigen Zeitpunkt! Setzen Sie das bitte in einer Verordnung um, bis alles geprüft ist und all die Vorsorgemaßnahmen, die die EU-Kommission und das Parlament fordern, endlich ausreichend umgesetzt sind! (Beifall bei den Grünen.)

15.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte.

15.41

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Seit 1986 schon kennt man in der Europäischen Union BSE. Bisher war die Diskussion um wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Mehrere hundert Millionen erhielten die österreichischen Bauern 1996 und 1997 als Ausgleich für wirtschaftliche Schäden bedingt durch die BSE-Diskussion. Priorität hat jedoch nicht der wirtschaftliche Aspekt, sondern die Gesundheit der Menschen.

Als Ärztin möchte ich an andere Seuchen erinnern, und zwar an die HCV-Epidemie, verursacht in den siebziger Jahren durch die Gewinnmaximierung von Plasmafirmen, und weltweit, beginnend in den achtziger Jahren, die Bedrohung durch die HIV-Infektion, die ebenfalls sehr stark heruntergespielt wurde. Ferner erinnere ich an die Infektion von zahlreichen PatientInnen mit verseuchten Blutprodukten, weil man rechtzeitige Warnungen nicht ernst nahm, um Gewinne zu maximieren. Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre folgte die Bedrohung durch BSE.

Der gemeinsame Nenner dieser Erkrankungen ist (Abg. Dr. Pumberger: Wer waren da die Gesundheitsminister?), dass wirtschaftliche Gewinne die Priorität vor der Gesundheit von Menschen hatten. In der Anfangszeit der HIV-Infektion wollte man, ähnlich wie auch jetzt, die bedrohliche Dimension nicht begreifen. Um die Gewinne der Blut- und Plasmaindustrie nicht zu schmälern, wurde die Gefahr verharmlost.


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In den achtziger Jahren an Scrapie erkrankte oder verendete Schafe wurden zu Futtermehl verarbeitet. Als die Rinder ähnliche Symptome zeigten, wurde nicht auf Tiermehl verzichtet, und es wurden auch nicht die befallenen Herden vernichtet, um Menschen zu schützen. Offensichtlich ... (Bundesminister Mag. Molterer: In Großbritannien!) Na sicher in Großbritannien, das schon! (Abg. Auer: Das sollten Sie aber sagen!)

Offensichtlich tritt die spongiforme Enzephalopathie artübergreifend auf. Die Inkubationszeit dieser Erkrankung ist enorm lang. Ob Kälber, Schweine oder Hühner gesund sind, können nur Tests beweisen, da infolge ihrer kurzen Lebensdauer die Erkrankung bis zur Schlachtung nicht ausbricht.

Die übliche Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung tritt im Verhältnis 1 : 1 Million auf. Daher haben Ärzte kaum je diese Erkrankung diagnostiziert, und daher ist die Diagnose bei allen Fällen immer noch fraglich. Creutzfeldt-Jakob-Erkrankte haben ähnliche Symptome wie Demente, daher sind Fehldiagnosen möglich. Auch die ersten AIDS-Kranken wurden häufig durch zufällig durchgeführte Tests diagnostiziert. Man glaubte damals noch an ein sehr niedriges Erkrankungsrisiko.

Die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung in England trifft vor allem jüngere Menschen. Menschen im armen Nordengland sind häufiger betroffen als Menschen im reicheren Südengland. Ob das an unterschiedlichen Hygienestandards liegt oder am Genuss billigerer Fleischprodukte – etwa billiger Wurst, die aus Separatorfleisch hergestellt wird –, weiß man noch nicht.

Beim internationalen Chemotherapiekongress 1999 in Birmingham hörte ich einen englischen Wissenschafter über BSE sprechen und die Problematik herunterspielen. Er konnte keinen der anwesenden Wissenschafter überzeugen. Es war bezeichnend, dass die Kongressteilnehmer nie das gereichte Fleisch, sondern nur vegetarisch aßen. Sie haben das wirklich nicht geglaubt.

Im Ausland trat iatrogener Creutzfeldt-Jakob durch Gaben von Wachstumshormonen, welche aus Leichenhypophysen gewonnen wurden, aber auch nach Hornhauttransplantationen auf. In Österreich gab es nur einen iatrogenen Fall durch Transplantation von Dura mater. Dieser Fall wurde auch publiziert. In der Relation war die Menge des infektiösen Materials, das die Erkrankung auslöste, gering, aber für die Auslösung einer Erkrankung ausreichend.

Unter Bundesministerin Hostasch wurden am 13. Oktober 1999 per Erlass Blutspenden von Personen, die länger als ein halbes Jahr in England gelebt hatten, ausgeschlossen, um jedes Risiko von Transfusionsempfängern fern zu halten.

Die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen in Österreich entsprechen dem internationalen Durchschnitt. Es wurde in Österreich bisher keine Erkrankung im Zusammenhang mit BSE diagnostiziert.

Es fällt auf, dass relativ mehr Creutzfeldt-Jakob-Erkrankte aus Wien und Niederösterreich stammen. Aber das lässt nur auf eine bessere Diagnostik schließen. Schlusslicht bei den diagnostizierten Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen ist, ähnlich wie bei der AIDS-Erkrankung, Kärnten, was aber kaum an der besseren Gesundheit, sondern an der schlechteren Diagnostik liegen dürfte.

Herr Landwirtschaftsminister! Ich fordere Sie auf, Tiermehl sofort zu verbieten und Schlachttiere mittels BSE-Schnelltest zu untersuchen – auch das deutsche Tier war scheinbar gesund – sowie Mittel für die Forschung zur Verfügung zu stellen, sodass man sieht, ob derzeit noch nicht betroffene Tiere wie Kälber, Hühner und Schweine eventuell Krankheitsträger sind. Infolge ihrer kurzen Lebensdauer erkranken sie ja nicht.

Ich wünsche mir von der EU, die eine 130-prozentige Förderungserhöhung für Rindfleisch beschloss, gleiche Konsequenz und Hilfe für die VerbraucherInnen. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Petrovic.  – Beifall bei der SPÖ.)

Sie riskieren die Katastrophe, wenn wir nicht rasch handeln. Wir Politiker haben unsere erste Priorität bei der Bewahrung der Gesundheit der Bevölkerung und müssen jedes auch noch so


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geringe Risiko ausschalten. Lebensmittelsicherheit gestattet keine Kompromisse. Es ist gut, dass die von Ihnen genannten Experten in Entscheidungsfindungen einbezogen werden, ebenso natürlich der Herr Gesundheitsminister und der Minister für Verbraucherschutz.

Es gibt keine Sicherheit, dass wir ein BSE-freies Land sind. (Abg. Dr. Pumberger: Die SPÖ hat immer nur beschwichtigt!) Bisher ist es nur so gewesen, dass ein BSE-Fall nicht nachgewiesen werden konnte. Das ist immer der große Unterschied: ob es wirklich sicher ist oder ob es nur bis jetzt nicht nachweisbar war, sei es durch mangelnde Diagnostik, sei es durch die lange Inkubationszeit. Das heißt aber nicht, dass es BSE in unserem Land nicht gibt.

Herr Bundesminister! Wir SozialdemokratInnen werden Sie bei allem unterstützen, was die Gesundheit der Menschen fördert. Wir fordern Sie auf, heute schon ein Verfütterungsverbot von Tiermehl zu veranlassen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Achatz. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

15.48

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Pittermann! Sie reden, und wir handeln. Das ist die neue Qualität dieser Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie hätten ja schon längst die Möglichkeit gehabt, vor allem in der Sache BSE zu handeln, Frau Kollegin Prammer! Da ist nichts geschehen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) BSE ist ja nicht neu, die längste Zeit schon müssen wir uns mit diesen Dingen beschäftigen. Aber das Einzige, was Sie gemacht haben, während Sie Ministerin waren, war dies: Sie haben einen Hormonskandal vom Zaun gebrochen, der keiner war und der die österreichische Bevölkerung 100 Millionen Schilling gekostet hat! Das war Ihre "Leistung". (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Pittermann und Herr Kollege Pirklhuber! Leider Gottes ist er nicht mehr da, und auch Frau Kollegin Pittermann sehe ich nicht hier im Haus. (Abg. Dr. Pittermann meldet sich aus der ersten Bankreihe.) Entschuldigung! – Ihre Forderungen, genau Ihre Forderungen werden mit unserem Antrag, dem Entschließungsantrag der Regierung, erfüllt. Sie hätten Herrn Bundesminister Molterer bei seinen Ausführungen nur zuzuhören brauchen. (Abg. Gradwohl: Nein!) Sie können ja nicht einmal zuhören, Herr Kollege Gradwohl. Nicht einmal zuhören können Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hiermit bringe ich folgenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Achatz und Dr. Rasinger ein. Ich ersuche Sie wirklich, hören Sie wenigstens jetzt zu, damit Sie dann die Möglichkeit haben, zuzustimmen! Das sind doch genau jene Forderungen, die Sie hier aufgestellt haben.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Anna Elisabeth Achatz, Dr. Rasinger und Kollegen betreffend Maßnahmen auf Grund der aktuellen BSE-Situation

Der Nationalrat wolle beschließen:

"1. Ergreifung aller jener Maßnahmen im Sinne eines umfassenden Verbraucherschutzes, welche die hohen österreichischen Standards weiterhin gewährleisten und ebenso das Vertrauen der Konsumenten in die österreichischen Lebensmittel sicherstellen. Dem Konsumentenschutz ist demzufolge höchste Priorität einzuräumen.

2. Umsetzung eines Verbotes der Verfütterung von Tiermehl auf europäischer Ebene. In diesem Zusammenhang sind vor allem folgende Punkte zu berücksichtigen: Sowohl für die notwendige alternative Eiweißkomponente im Futtermittel als auch für die alternative Verwertung des Tiermehls sind entsprechende gesamteuropäische Konzepte auszuarbeiten." – Und jetzt kommt


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es, Herr Kollege und Frau Kollegin Pittermann: "Unabhängig von den Entscheidungen des Sonderagrarministerrats am 4. Dezember 2000 wird umgehend mit den Maßnahmen zur Umsetzung eines nationalen Fütterungsverbots begonnen." – Also bitte, wir haben das bereits formuliert und gefasst. Sie können heute zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

"3. Prüfung jener Maßnahmen im Sinne des bereits erwähnten vorsorglichen Verbraucherschutzes, die ein rascheres Umsetzen des von der Kommission beschlossenen BSE-Schnelltestprogramms ermöglichen.

4. Forcierung der Förderung der BSE-Forschung und Berücksichtigung der Ergebnisse internationaler Forschungsergebnisse bei den zu treffenden Maßnahmen.

5. Einsetzung eines begleitenden wissenschaftlichen Beratergremiums.

6. Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen durch die Träger des Austria Gütesiegels, die im Sinne einer klaren und eindeutigen Konsumenteninformation betreffend die Herkunft eines Erzeugnisses notwendig sind.

7. Aufnahme aller aus Drittstaaten eingeführten Zuchtrinder in das BSE-Schnelltestprogramm bei der Schlachtung in Österreich."

*****

Der erste und der sechste Punkt sind mir ganz besonders wichtig, und zwar geht es dabei um das Austria Gütesiegel. Wir Freiheitliche fordern schon seit langem, dass diese Konsumententäuschung beendet werden muss. Leider Gottes hat die SPÖ damals immer dagegen gestimmt, auch als Sie, Frau Prammer, noch Konsumentenschutzministerin waren. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Sie sind da mitschuldig gewesen. Warum geht das jetzt auf einmal? Warum kann man das jetzt ändern?

Ich möchte dieses wirkliche Problem anhand eines Beispiels darlegen. Sie sehen hier ein Stück Kalbfleisch (die Rednerin präsentiert ein Stück abgepacktes Fleisch), da steht auf dem rot-weiß-roten Etikett Folgendes drauf:

Qualitätsfleisch, Austria, Bruck an der Mur. Dann sind noch drauf die EG-Nummer Österreich, das Austria Zeichen. Weiters steht drauf: Kalb. Aber außerdem steht ganz klein geschrieben noch drauf: "geschlachtet in Holland, zerlegt in Österreich".

Wo, glauben Sie, ist dieses Kalb gewachsen? (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Das ist Ihr Gütesiegel! Das ist Ihr Werk!)

Das ist wirklich nicht in Ordnung. Da wird der Konsument getäuscht, und das ist auch zum großen Schaden für unsere Bauern. Sie haben es niemals geschafft, dass mit dieser Konsumententäuschung Schluss gemacht wird. Wir haben es mit diesem heutigen Antrag geschafft, und ich hoffe, dass er möglichst rasch umgesetzt wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Frau Kollegin Prammer! Waren nicht Sie zuständig dafür?!)

15.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Prammer zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

15.54

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Achatz hat in ihrer Rede gemeint, dass in der Zuständigkeit der früheren Konsumentenschutzministerin, also in meiner Zuständigkeit, die Gütesiegelregelung zu treffen gewesen wäre. (Abg. Haigermoser: Ja, das ist richtig! Ihr habt das wesentlich mitgestaltet, und zwar habt ihr es mit dem Preisargument abgelehnt!)


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Ich stelle richtig, dass damals wie heute der Wirtschaftsminister in dieser Frage zuständig war und ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Themaverfehlung, Frau Kollegin Prammer!)

15.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

15.55

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Bundesminister! Meine Damen und ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Auer! Entschuldigen Sie, ich habe etwas vergessen. Ich muss bekannt geben, dass der Entschließungsantrag der Kollegin Achatz ordnungsgemäß eingebracht worden ist und mit in Verhandlung steht. – Bitte um Entschuldigung! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist wichtig!)

Abgeordneter Jakob Auer (fortsetzend): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Trotz aller Aufgeregtheit habe ich eine Frage: Was ist das Wichtigste in schwierigen und gefährlichen Situationen, meine Damen und Herren? (Abg. Schieder: Überleben!) Ich meine, kühlen Kopf zu bewahren, alles zu tun, um nicht weitere Gefahren auszulösen oder bestehende Gefahrensituationen zu verschärfen. (Abg. Schieder: Überleben!)

Meine Damen und Herren! Gerade in der Frage BSE helfen weder eine Änderung beziehungsweise eine Umreihung der Tagesordnung oder billiger parlamentarischer Populismus, sondern entscheidend ist, dass gehandelt wird, und diese Regierung und die beiden Regierungsfraktionen beweisen, dass gehandelt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn man Ihnen so zuhört, dann gewinnt man den Eindruck, als würden Sie geradezu herbeibeten, dass doch hoffentlich in Österreich auch etwas passieren möge, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist eine Unterstellung, eine unerträgliche Unterstellung! Gehen Sie da weg! Unerhört ist das, wie Sie sich aufführen! Unglaublich! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wichtig ist, meine Damen und Herren, dass die beiden verantwortlichen Minister in dieser Hinsicht Taten setzen und Maßnahmen in Angriff nehmen. Es sind beide Profis, und sie werden die Maßnahmen, die notwendig sind, setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Reden Sie ja nicht mehr von Populismus! Unerträglich ist das! Entschuldigen Sie sich! Das ist ja unerhört!)

Wichtig ist, meine Damen und Herren, auch eine überschaubare, nachvollziehbare Produktion in Österreich, und es ist erwiesen und steht eindeutig fest, dass die österreichischen Bauern hervorragende Qualität erzeugen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade auch an Sie gerichtet, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten: Notwendig ist auch ein klares Bekenntnis des österreichischen Konsumenten zur österreichischen Qualität, aber auch zur Kostenwahrheit, und diese ist grundsätzlich positiv, das sei festgehalten, und dafür möchten gerade wir Bauern dem österreichischen Konsumenten ein Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eindeutig gefragt und verpflichtend zu fordern ist auch – und das ist an die Adresse der österreichischen Fleisch- und Lebensmittelindustrie gerichtet –, dass man nur österreichische Qualität verwenden sollte. Dass in der EU in vielen Fragen Handlungsbedarf gegeben ist, das steht, so hoffe ich, doch wohl außer Zweifel.

Meine Damen und Herren! Ich behaupte, dass in Österreich erzeugtes Tiermehl absolute Sicherheit bieten würde. Hätten alle EU-Länder dieselben Standards bei der Tierkörperverwertung wie Österreich, dann müssten wir uns mit diesem Problem nicht beschäftigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es sei eindeutig festgehalten: Es gibt und gab bisher in Österreich keinen einzigen BSE-Fall. Gott sei Dank!, füge ich hinzu. Es gibt diesbezüglich gezielte Untersuchungen, und seit dem Jahre 1990 gibt es – und das ist ganz besonders wichtig und soll noch einmal erwähnt werden –, um jedes Restrisiko auszuschließen, das Verbot der Verfütterung von Eiweißfuttermittel tierischer Herkunft an Wiederkäuer.

Meine Damen und Herren! Seit dem Jahre 1991 gibt es eine permanente Überwachung und außerdem die Anzeigepflicht. Also es wurde in Österreich schon gehandelt. Ich hätte mir gewünscht, dass der Sickerungsprozess in Richtung der anderen EU-Länder schneller vor sich gegangen wäre, nämlich der Prozess des Verständnisses und der Setzung von Maßnahmen.

Meine Damen und Herren! Das, was bisher geschehen ist, wurde vom Bundesminister Molterer deutlich ausgeführt. Das, was jetzt noch zu geschehen hat und was geschehen wird, wurde im Entschließungsantrag der Kollegin Achatz klar dargelegt.

Meine Damen und Herren! Österreich wird auch in dieser Sache wieder raschest wirksame Schritte setzen, damit kein Risiko entsteht.

Meine Damen und Herren! Diese beiden Minister handeln, und ich bitte eindringlich, nicht weiter zu zündeln. Es gibt bereits massive Auswirkungen zum Nachteil der österreichischen Rinderbauern. Kollege Schweitzer hat mir vorhin von seinem gestrigen Besuch auf einem Rindermarkt erzählt, wo von 65 aufgetriebenen Tieren ganze 16 verkauft wurden, und diese zu einem katastrophalen Preis. Welche katastrophalen Auswirkungen auf die Situation der österreichischen Rinderbauern eine derartige Panikmache hat, brauche ich nicht hinzuzufügen.

Meine Damen und Herren! Besonders interessant ist der Dringliche Antrag der Abgeordneten Petrovic, Pirklhuber, Freundinnen und Freunde, denn unter Punkt 4 heißt es darin:

"Schaffung von dauerhaften Grundlagen im Bereich der Futtermittelqualität und der Tierhaltung" – das ist zu unterschreiben, natürlich, selbstverständlich, aber jetzt kommt es! – "(insbesondere durch natürliche Fütterung und Ersatz von Tiermehl durch pflanzliche Eiweißfuttermittel)."

Was heißt das im Klartext? – Das bedeutet den Umstieg auf Soja in verstärktem Maße!

Aber Südamerika ist nicht in der Lage, die Nachfrage an Eiweißfuttermitteln zu decken. Das bedeutet, massive Untersuchungen der Auswirkungen von gentechnisch veränderten Eiweißbohnen aus Nordamerika. Dafür sage ich danke, die brauchen wir nicht!, damit das klargestellt ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber interessant ist noch etwas, Herr Kollege Pirklhuber, der Sie sagen, dass Tiermehl so gefährlich ist: Es gibt eine Positiv-Liste der Zukauf-Düngemittel für den biologischen Landbau. Das ist eine EU-Verordnung, bei welcher es um Produkte und Nebenprodukte tierischen Ursprungs geht, und diese wird immer propagiert. Da darf plötzlich der Biobetrieb als Düngemittel Blutmehl, Hufmehl, Hornmehl und Knochenmehl verwenden. – Ja da schau her!, sage ich dazu, meine Damen und Herren!

Das ist aber schon interessant: Ein Biobetrieb kann derartige Düngemittel verwenden! Was sagen Sie denn dazu, Herr Kollege Pirklhuber? Ist da keine Gefährdung gegeben? (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. ) Man sollte nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Wenitsch.  – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Herr Abgeordneter Pirklhuber! Vielleicht wäre es günstig, wenn Sie sich mit Ihren grünen Kollegen in Europa abstimmen würden. Was sagte denn Herr Baringdorf, der grüne Fraktionsführer, zuständig für den landwirtschaftlichen Bereich – er dürfte Ihnen nicht ganz unbekannt sein – :

"Wir haben uns nicht locken lassen, ein Totalverbot für Tiermehl auszusprechen, denn dann hätten wir ein Totalverbot für Fleisch fordern müssen, denn wenn das, was gegessen werden


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darf, an die Tiere nicht mehr verfüttert werden kann, ist das nicht nur Unsinn, sondern politischer Populismus." 

Meine Damen und Herren! Das sagte der grüne Fraktionsführer im Europaparlament – und wir setzen es um im Sinne der Verbrauchersicherheit, im Sinne der österreichischen Qualität. Aber Sie sollten mit Ihren grünen Kollegen einmal ein ernstes Wort reden! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Für uns ist das Wichtigste, dass der österreichische Konsument auch in Zukunft die Gewähr hat, dass das, was in Österreich erzeugt wird, aus überschaubaren Produktionen stammt, nämlich von bäuerlichen Familienbetrieben kommt, dass er nachvollziehen kann, wie erzeugt wird, und dass es in Österreich keine Tierfabriken gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Edlinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.03

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Herr Abgeordneter Auer hat vor wenigen Minuten hier gemeint, die Opposition wünsche sich offenbar, dass im Zusammenhang mit BSE etwas in Österreich passiert. (Abg. Kiss: Diesen Eindruck konnte man haben!) – Das ist grundsätzlich falsch!

Wahr ist vielmehr, dass uns die Gesundheit der Menschen mehr wert ist als die Leichtfertigkeit und Polemik der Regierungsparteien gegenüber der Opposition. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.04

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Auer hat in seinen Ausführungen angeregt, die österreichischen Grünen mögen sich mit den grünen Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament besser abstimmen, insbesondere mit Graefe zu Baringdorf, und uns insofern unterschiedliche Haltungen unterstellt.

Dies ist unrichtig, und ich ersuche die ÖVP-Fraktion, einen Blick auf unseren Antrag zu werfen. Darin wird genau die Empfehlung des EU-Parlaments und der EU-Kommission aufgegriffen, so lange – nur so lange! – ein generelles Verbot auszusprechen, bis endlich der Wahnsinn der Verfütterung von verendeten Tieren beendet ist. Das heißt, in dem Moment, in welchem ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erläuterungen kann man einer tatsächlichen Berichtigung nicht hinzufügen!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Unser Antrag geht jedenfalls darauf zurück, aber es scheint ein Problem zu sein, dass Sie Anträge weder lesen noch hören wollen, weil Sie ...

16.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Kollegin! (Abg. Dr. Khol: Das gehört nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung! – Beifall bei den Grünen für die das Rednerpult verlassende Abg. Dr. Petrovic. )

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

16.06

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Ministerin ! Meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Schweitzer: Mei, das war jetzt "witzig"!) Er legt Wert darauf, daher soll man ihn korrekt titulieren. – "Glaub


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würdigkeit" und "Sicherheit" waren bis jetzt für mich die Schlüsselworte in einer Diskussion, wo es um sehr viel geht. Herr Minister Molterer! Sie haben gesagt, 42 Milliarden Schilling stünden auf dem Spiel, würde man das Tiermehl nicht mehr verfüttern, sondern EU-weit entsorgen oder vernichten, wie Sie formulierten. Da steht viel auf dem Spiel, aber auf der anderen Seite steht das Vertrauen der KonsumentInnen auf dem Spiel und vor allem – und das ist für mich das Wichtigste – die Gesundheit der Menschen in Österreich, die Gesundheit der Menschen in ganz Europa und insgesamt auch die Gesundheit jener, die jetzt Angst haben.

Wir wollen nicht verunsichern, Herr Minister, sondern wir teilen durchaus Ihr Anliegen: Wir wollen die Glaubwürdigkeit der österreichischen Politik darstellen, und wir wollen auch für Sicherheit eintreten. (Beifall bei den Grünen.)

Ihren Vorwurf, Herr Kollege Auer, wir zündeln oder sorgen für eine Eskalation oder schaukeln etwas auf, was in keiner Weise ein Problem darstellt, weise ich auf das Entschiedenste zurück. Vielleicht unterstelle ich Ihnen jetzt etwas, aber ich glaube, das Wort "zündeln" ist ein wörtliches Zitat.

Uns geht es darum, dass erstens wirklich die Tests flächendeckend vorgenommen werden, soweit es möglich ist, damit die Leute sich in Sicherheit wiegen können, denn das Problem ist, wie bereits gesagt wurde, dass auch wissenschaftlich in keiner Weise nachgewiesen ist, was genau der Auslöser ist, wie der Prozess genau vor sich geht. Vor allem bei Tests stellt sich das Problem, dass Rinder, die in einem Alter von unter 30 Monaten geschlachtet werden, gar nicht diesem Test unterzogen werden können, weil das Eiweißprion erst auf der Wanderung ins Gehirn ist und insofern noch gar nicht nachgewiesen werden kann. Wir haben es da also mit einem Problemfeld zu tun, zu dem sich in erster Linie die Forschung einen Zugang verschaffen muss, und deshalb unser Antrag und unser Plädoyer, endlich zügig in dieser Richtung zu forschen, damit wir Grundlagen für wirksame Maßnahmen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Sie selbst haben gesagt, wir müssten sofort handeln und es müsse etwas geschehen, die Politik habe zu handeln, obwohl die Forschung noch nicht zu einer endgültigen Einschätzung gekommen sei, und deshalb sei Vorsicht geboten. Ich sage nachdrücklich: Gerade angesichts dieser Verunsicherung muss man doppelt vorsichtig ans Werk gehen und soll nicht nur verstärkte Tests durchführen, verstärkte Forschung ankurbeln und anwerfen, sondern vor allem auch die Kontrolle intensivieren.

Im Bereich der Kontrolle muss man den Schwerpunkt setzen, und gerade in Österreich könnten wir da noch mehr leisten. Die niedrigen Kontrollraten von 200 bis 800 Tests, die pro Jahr durchgeführt werden, sind angesichts der Vielzahl von Rindern für mich als Konsumentin das Problematische. Wir haben eine relativ dünne Kontrolldichte, und die Kontrolle ist vergleichsweise auch teuer. Ich habe mich erkundigt: In der zuständigen Anstalt kostet solch eine Kontrolle an die 2 000 S.

Es wäre für uns schon wichtig, dass Österreich als Staat in diesen Bereich verstärkt investiert, damit die Sicherheit auch der österreichischen Exportprodukte besonders hervorgehoben wird und wir das AMA-Qualitätssiegel praktisch doppelt unterstreichen können. Meine Kollegin Achatz hat ganz zu Recht gesagt, es gebe ein Problem mit dem AMA-Gütesiegel. Man weiß wirklich nicht, wo letztlich Hand angelegt worden ist, weil man den Prozentgrad, was in Österreich produziert worden ist und was in dem jeweiligen Produkt verwertet wird, höchst großzügig anlegt.

Herr Minister! Herr Ministerin! Ich ersuche deshalb dringend, die Kennzeichnung und die Gütesiegelregelung zu verbessern. Da müssen Sie wirklich hier und jetzt und bald in Österreich ans Werk gehen und handeln. Ja, meine Kollegen, handeln! Frau Kollegin Achatz, Sie haben ja gesagt, es muss gehandelt werden. Tun Sie in dieser Richtung etwas! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Achatz  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Da ist der Antrag! Zustimmen, Frau Kollegin! Zustimmen!)

Handeln muss man auch auf einer anderen Ebene und in einer anderen Hinsicht. Ich habe schon betont, Kontrolle ist entscheidend. Herr Minister Molterer, Sie haben einen großen budge


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tären Projektbereich, der sich da nennt "Bundeslabors". Bei diesen Bundeslabors sind von den stattfindenden Ausgliederungsmechanismen und Ausgliederungsprozessen in etwas fernerer Zukunft auch die Kontrollanstalten, so die Bundesanstalt für Lebensmittelkontrolle, aber auch die Bundesanstalt für Veterinärkontrolle, betroffen.

Herr Minister! Ich frage mich: Wie kann ein ausgegliederter Betrieb, eine GesmbH, die unter Wirtschaftlichkeitsaspekten arbeiten soll, die zusätzlich Aufträge lukrieren muss, die ständig in einem Interessenkonflikt zwischen einerseits der eigentlichen Aufgabenstellung und andererseits der Bedienung der Kundeninteressen, der Wirtschaftsinteressen ist, dann noch eine erstklassige, eine qualitativ hochstehende Kontrolle gewährleisten? Sie selbst sägen am Stuhl der österreichischen Qualität, indem Sie die Kontrolle systematisch ausdünnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben das im Bereich der Lebensmittelkontrolle schon länger beobachten müssen. Obwohl sie noch nicht ausgegliedert ist, gibt es Engpässe, sowohl beim Personal als auch in der Qualität der Räumlichkeiten als auch insgesamt bei den Budgetmitteln. Und das wird sich noch verschärfen, wenn Ihr Ausgliederungsvorhaben über die Runden geht.

Herr Ministerin Haupt, Sie sind als zuständige Sozialministerin beziehungsweise Gesundheitsministerin ja auch direkt betroffen und haben hier auch ein maßgebliches Wort mitzureden. Sie als Veterinärmediziner müssten doch wissen, dass es sehr, sehr wichtig ist für die österreichische Qualität und auch für die Sicherheit der Leute hier, dass Kontrolle in staatlichen, behördlichen, amtlichen Händen bleibt. Wesentlich ist die Budgetierung und die Unabhängigkeit. An beiden beginnen Sie zu sägen, und das kreide ich Ihnen im Zusammenhang mit der BSE-Problematik besonders an. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Schluss vielleicht noch ein rein wirtschaftliches Argument. Herr Minister Molterer, Sie haben gesagt, dass Österreich ein Exporteur von Rindfleisch ist. Ich habe so ungefähr im Kopf, dass wir 140 Prozent des Inlandsbedarfs erzeugen, das heißt, 40 Prozent dürften wir exportieren. Gerade, damit wir im Exportgeschäft bleiben, ist es, glaube ich, dringend notwendig, dass wir uns allen nur möglichen Vorsorge- und Vorsichtsmaßnahmen unterziehen. Ich finde es daher vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet etwas kontraproduktiv, dass Sie in der EU, zumindest in den vergangenen Wochen, eine etwas eigenwillige Linie verfolgt haben – das ist etwas beschönigend formuliert –, nämlich eine Linie, die nicht im Sinne der KonsumentInnen war, die nicht im Sinne der Sicherheit war und die vor allem auch nicht im Sinne der österreichischen Qualitätsproduktion war.

Wir müssen streng vorgehen, wir müssen fast päpstlicher als der Papst sein, was Lebensmittel anlangt, damit wir im Ausland wirklich als der Delikatessenladen gelten können und damit unsere Produkte größere Absatzchancen haben, Absatzchancen, die sie, wenn man dem jetzigen Stand glaubt, im Großen und Ganzen auch wirklich verdienen, Absatzchancen, die vor allem die Bioprodukte wirklich zutiefst verdienen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

16.14

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Frau Kollegin Achatz, damit in Zukunft nicht wieder unrichtige Behauptungen von diesem Rednerpult aus von Ihrer Seite aufgestellt werden, darf ich Ihnen nach meiner Rede etwas geben. Frau Kollegin Achatz, wenn Sie mir zwei Sekunden Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit schenken wollen! (Abg. Achatz führt in den Bankreihen ein Gespräch mit den Abgeordneten Haller und Dr. Krüger.)  – Dann werde ich ihr, ohne dass sie es weiß oder jetzt zuhört, dann eine thematische Aufstellung und eine Zusammenstellung des angeblichen Hormonskandals überreichen, damit auch Frau Kollegin Achatz, die nicht erst seit gestern hier im Haus ist, über die Tatsachen informiert ist und zukünftig hier vom Rednerpult aus keine falschen Behauptungen mehr verkünden muss. (Beifall bei der SPÖ.)


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Herr Kollege Auer! Ich darf auf deine Rede eingehen, in der mir zwei Dinge schon sehr ins Auge gestochen sind. Zum einen: Wir kennen uns auch schon länger als 14 Tage, und eine derartige Dünnhäutigkeit bin ich von dir nicht gewohnt, dass du dich über den Stil dieser bisher abgelaufenen Diskussion erregen musstest. Ich hatte den Eindruck, dass die Diskussion von allen Seiten in sehr fachlichem und sachlichem Stil geführt wurde. Wo da die großartige Polemik drinnen war, habe ich, bitte schön, nicht gehört. Aber es würde auch einem Vertreter der Regierungsparteien ganz gut anstehen, auch ein wenig auf die Opposition zu hören, denn man kann, wie ich vielleicht im Laufe meiner Rede noch beweisen werde, dabei noch etwas lernen.

Zum Zweiten, Kollege Auer: Irgendetwas dürfte in deiner (Zwischenruf des Abg. Prinz )  – Kollege Prinz, zu Ihnen komme ich auch noch – Bilanzrechnung mit Eiweiß und Tiermehlverfütterung nicht ganz zusammengehen. Auf der einen Seite steht die Behauptung, es gibt künftig ein Verbot – der Herr Bundesminister hat es von der Regierungsbank aus erwähnt und angekündigt – der Tiermehlverfütterung in Österreich, auf der zweiten Seite kommt dann plötzlich die Befürchtung, dass der Eiweißhaushalt nicht mehr stimmen könnte, aber gleichzeitig spricht sich Kollege Auer auch gegen den Import von Eiweißfutter aus. Wobei ich noch nicht weiß, ob das notwendig ist. Aber die Eiweißbohnen aus Amerika, die brauchen wir nicht, wir brauchen überhaupt nichts, so Kollege Auer. Sollen wir dann weiterhin wieder Tiermehl verfüttern? Kollege Auer, vielleicht könntest du mir hier eine Aufklärung geben (Abg. Auer: Die Gentechnik brauchen wir nicht!), denn trotz intensiven Zuhörens war es mir nicht möglich, zu erkennen, wohin die Zielrichtung geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich bin hocherfreut über Ihre Äußerungen, die meiner Meinung nach weiterreichend sind als der eingebrachte Entschließungsantrag. Sie haben in Ihren Aussagen von der Regierungsbank dezidiertere Maßnahmen angesprochen, als im Entschließungsantrag wiederzufinden sind. Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen bleibt hinter Ihren Aussagen zurück, und auf der anderen Seite finde ich es ein wenig befremdlich, dass ein Entschließungsantrag hier eingebracht wird, der Sie auffordert, weniger zu tun oder – von mir aus –das Gleiche zu tun, was Sie vorher schon gesagt haben. Wozu brauchen wir den Entschließungsantrag dann? Oder ist es so, dass diese beiden Koalitionsparteien vielleicht den Regierungsmitgliedern, die damit befasst sind, nicht wirklich so vertrauen, sodass das hier parlamentarisch noch einmal festgeschrieben werden muss? Wenn dem so ist, geschätzte Damen und Herren, dann ist dieser Entschließungsantrag zu wenig: zu wenig zum Schutz der österreichischen Bevölkerung und zur Bewältigung dieses Problems. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Aber, Herr Bundesminister, Sie haben auch über vertrauensbildende Maßnahmen gesprochen, die unbedingt erforderlich sind. Sind diese vertrauensbildenden Maßnahmen jene, die im "Agra-Europe" vom 20. November beschrieben werden? Ich zitiere wörtlich: "Die geplante Diskussion der Minister über die wieder aufflammende Krise um die BSE, die im eigentlichen öffentlichen Interesse steht, wird allerdings hinter verschlossenen Türen stattfinden." – Sind das die vertrauensbildenden Maßnahmen, von denen Sie gesprochen haben und die Sie fortsetzen wollen?

Wenn es das ist, Herr Bundesminister, dann ist das zu wenig, denn vertrauensbildende Maßnahmen sollen dazu dienen, auf der einen Seite den Konsumenten klarzumachen, dass sie sich nicht fürchten müssen, und auf der anderen Seite den Produzenten die Möglichkeit zu bieten, ihr Produkt zu verkaufen. Wenn das hinter verschlossenen Türen besprochen wird, dann, Herr Bundesminister, entsteht der Eindruck, man habe etwas zu verbergen. Und das kann ja, bitte schön, nicht vertrauensbildend sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Oder sind die vertrauensbildenden Maßnahmen, geschätzte Damen und Herren, darin zu sehen, wie es im "profil" vom gestrigen Tag zu lesen ist – ich zitiere wörtlich –:

"Das von uns verwendete Rindfleisch stammt aus Argentinien"? Das ist der Hinweis in der Kantine des EU-Ministerratsgebäudes in Brüssel, in dem die EU-Agrarminister vergangene Woche einen Kompromiss im BSE-Streit suchten."


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Ist das die vertrauensbildende Maßnahme, geschätzte Damen und Herren, geschätzter Herr Bundesminister?

Herr Bundesminister, ich stelle Ihnen noch zwei Fragen. Die erste Frage: Sie haben gemeinsam mit der damaligen Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Elisabeth Sickl am 14. Juli einen Brief an David Byrne geschrieben – Kollege Maier hat ihn heute schon zitiert –, darin haben Sie um eine Ausnahmeregelung Österreichs von der ab 1. Oktober vorgeschriebenen Entfernung des spezifizierten Risikomaterials von Rindern, Schafen und Ziegen ersucht. Wie ist das in Einklang zu bringen mit Ihren heutigen Aussagen, Herr Bundesminister? Distanzieren Sie sich heute von diesem Ersuchen, das negativ beschieden wurde, oder bestehen Sie nach wie vor auf diesem Ersuchen? Dann sind doch die Aussagen, die heute hier getroffen wurden, samt dem Entschließungsantrag, der weich ist, eigentlich nichts wert. (Beifall bei der SPÖ.)

Und zum Letzten, geschätzter Herr Bundesminister – das war auch Grund dafür, warum wir heute Vormittag bereits dieses Thema aktualisiert haben und darüber debattieren wollten –: Sie haben gesagt, wir brauchen den Vergleich mit der europäischen Agrarproduktion nicht zu scheuen. In einem Bereich mit Sicherheit nicht: im biologischen Landbau. Aber, Herr Bundesminister, im Budget haben Sie weniger Geld für die biologische Landwirtschaft vorgesehen. Werden Sie bis kommende Woche eine Änderung im Budget vornehmen, damit diese biologische Landwirtschaft, die garantiert nicht mit Tiermehl oder mit sonstigem Kraftfutter betrieben wird, besser unterstützt wird, damit auf diese Weise der österreichischen Landwirtschaft neue Marktchancen eröffnet werden können und die Exportchancen für die österreichische Landwirtschaft steigen?

Damit wir Ihnen die Arbeit erleichtern und damit wir Ihnen die Möglichkeit bieten, hier auch zuzustimmen, darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pittermann, Gradwohl, Dr. Cap, Mag. Maier, Mag. Sima und Genossen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht,

1. das bestehende Verfütterungsverbot von Tiermehl an Wiederkäuer auf alle österreichischen landwirtschaftlichen Nutztiere auszudehnen sowie

2. den zweifelsfreien Nachweis einer BSE-Freiheit von Fleisch und Fleischwaren von all jenen Ländern zu fordern, die Fleisch oder Fleischprodukte nach Österreich einführen wollen,

3. ein Verbot von Lebendtierimporten (Wiederkäuer) aus Ländern, in denen BSE diagnostiziert wurde, zu verfügen,

4. als Sofortmaßnahme den obligatorischen BSE-Test für alle in Österreich geschlachteten Rinder vorzuschreiben.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stimmen Sie diesem Entschließungsantrag zu: im Interesse der Sicherheit der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten und für die Zukunft der kleinstrukturierten Landwirtschaft! (Beifall bei der SPÖ.)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


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Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Pumberger. Er hat das Wort.

16.22

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin den Kolleginnen und Kollegen von der grünen Fraktion sehr dankbar für diesen Dringlichen Antrag, denn sie rennen bei mir offene Türen ein. Das gilt nicht so sehr inhaltlich, denn da sind ein paar Dinge drin, die man nicht eins zu eins übernehmen kann, aber weil sie heute den Anlass dafür gesetzt haben, dass auch die Regierungsparteien handeln. Der Herr Bundesminister für Landwirtschaft hat es schon im Sinn gehabt, hat es in der EU schon deponiert, und heute ist in der BSE- und in der Creutzfeldt-Jakob-Politik wirklich ein großer Schritt gemacht worden, und das freut mich als einen von jenen, die Frühkämpfer waren, ganz besonders.

Als Arzt habe ich mir große Sorgen gemacht, als bekannt wurde, dass in Großbritannien diese todbringende Krankheit vermehrt auftrat. 1994, begonnen bereits 1993, haben wir gemeinsam mit dem damaligen Sozialsprecher Haupt und jetzigen Gesundheitsminister Haupt (Beifall bei den Freiheitlichen) schon darauf hingewiesen, wie gefährlich diese Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist. Schreckliche Bilder hatten wir im Fernsehen gesehen von Menschen, die dahinsiechten, und kein Arzt konnte ihnen mehr helfen.

Als wir die Initiative ergriffen, ernteten wir von der Sozialdemokratischen Partei und auch von den Grünen Hohn und Spott. Ich war damals sehr erschüttert, dass gerade Gesundheitspolitiker der Altregierungspartei SPÖ – so auch Gesundheitsminister Ettl, der Textilgewerkschafter Ettl, der damals Gesundheitsminister war – alles verniedlicht haben. Das war eine Verniedlichungspolitik in Sachen BSE, wie man sie europaweit nicht gefunden hat. Man stand ja damals kurz vor dem Eintritt in die Europäische Union. Man wollte nicht anstreifen.

Von wegen Importverbot, wie es Kollege Gradwohl – wo ist der Kollege Gradwohl? (Abg. Gradwohl steht hinter den Bankreihen und hebt beide Arme, um besser gesehen zu werden)  – heute gefordert hat. Meine Initiativen damals, die haben Sie in den Wind geschlagen, denn Sie wollten ja in die EU, da wollten Sie es sich mit niemandem verscherzen, und die Grünen, die wollten auch alle in die EU. (Abg. Gradwohl: Kollege Pumberger, dann können Sie ja unserem Antrag heute zustimmen!) Vor dem Beitritt habe ich nichts gehört. Es war leise, und es war still. In England, in Großbritannien starben 150 000 Rinder, und die Verdachtsfälle von Creutzfeldt-Jakob-Krankheiten verdoppelten sich von Woche zu Woche, Menschen starben, doch die Grünen waren still. (Abg. Öllinger: Waren Sie damals überhaupt im Parlament?) Die Grünen waren still. Sie wollten ja Vorzugsschüler sein. (Abg. Öllinger: Wo verbringen Sie denn Ihre Zeit? Im Parlament nicht!) Aber sie haben dazugelernt. Jetzt sind sie nach wie vor in Opposition, wir sind in der EU, sie sind gemeinsam mit den Sozialisten in der Opposition, jetzt fordern sie, dass hier Maßnahmen ergriffen werden.

Es freut mich, dass Sie ein bisschen umdenken, dass Sie nicht aus reiner Selbstsucht diese ganze Problematik verschweigen. (Abg. Öllinger: Es wäre besser, Sie würden sich verschweigen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe damals schon darauf hingewiesen, dass Menschen nicht obduziert wurden, bei denen im Krankenhaus der dringliche Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bestand. Damals hat es in den Zeitungen geheißen, die Pathologen hätten eben Angst, sich bei einer Obduktion selbst zu infizieren. Damals, 1994, hat man den international anerkannten österreichischen BSE-Experten, Creutzfeldt-Jakob-Experten Professor Budka gefragt: Würden Sie Rindfleisch essen? – Darauf hat er gesagt: Nein. – Zwei Tage später, nach einem kurzen Gespräch mit dem damaligen Gesundheitsminister, hat er gesagt: Natürlich würde ich das Fleisch essen. – Also hier war auch eine gewissen Regierungstreue eines namhaften Wissenschafters zu bemerken.

Ich freue mich jedenfalls, dass heute ein wichtiger Schritt Österreichs getan wird, dass mehr für die Sicherheit der Konsumenten und mehr für die Gesundheitsprävention der österreichischen Bevölkerung getan wird. Ich danke den Herren Ministern, dass sie dazu bereit sind, das


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47. Sitzung / Seite 109

umzusetzen, was in dem Antrag der Regierungsparteien drinnen steht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Er hat das Wort.

16.27

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Petrovic, Sie haben in Ihrer Rede – das ist mir erinnerlich – gesagt, die Regierung beschwichtige nur. Ich würde meinen – genau das stört mich in Ihrer Rede –, dass Sie immer gezielt so eine Art Nebelraketen werfen, indem Sie sagen, die Regierung beschwichtigt. In Wirklichkeit verunsichern Sie in einem sehr heiklen Thema, denn Sie wissen ganz genau: Die meisten Menschen kennen sich mit der Materie nicht genau aus, sind angewiesen auf die Informationen und auf die Darbietung, wie das gebracht wird, und Sie vermischen meiner Meinung nach geschickt Vermutung mit Fakten. Dadurch erzeugen Sie Angst, und Angst ist zwar bekanntlich eine Methode, irgendeine Meinungsänderung hervorzurufen, aber den Leuten tun Sie keinen guten Dienst damit.

Bleiben wir einmal bei den Fakten. Die Fakten sind Folgende: Seit 1990 – also das ist ein Problem, das es nicht erst seit gestern gibt – hat Österreich sofort und nachhaltig reagiert. Wir waren das erste Land, das ein Tiermehlverfütterungsverbot bei Wiederkäuern hatte. Wir hatten die strengsten Maßnahmen bei der Behandlung des Tiermehls, nämlich eine Erhitzung auf 130 Grad über mindestens 20 Minuten. Das heißt, wir haben damals – und Sie waren ja alle mit dabei – Gott sei Dank schon Maßnahmen ergriffen. Es ist nicht so, dass BSE seit gestern erst bei uns bekannt ist.

Wenn die Maßnahmen nicht gegriffen hätten, dann hätten wir ja schon längst eine BSE-Katastrophe in Österreich. Die Vorlaufzeit für BSE beträgt zirka fünf Jahre, also fünf Jahre Inkubationsfrist. Das heißt, da die Seuche seit 1990 bekannt ist, hätte spätestens ab 1995 ein starker Anstieg von BSE-Fällen in Österreich erfolgen müssen. Gott sei Dank haben wir das nicht, weil wir die strengsten Regelungen in der EU haben. Und das sollte man seitens der Grünen schon einmal lobend erwähnen, auch wenn man immer meint, es könnte mehr geschehen.

Herr Professor Budka steht sicher nicht im Verdacht, mir oder jemand anderem von uns nahe zu stehen, und er spricht nicht von einer Dunkelziffer. BSE, liebe Frau Abgeordnete Pittermann, ist zwar im Frühstadium schwer von anderen Krankheiten zu unterscheiden, weil es depressive Symptome hat. Das haben viele Menschen, deswegen haben sie nicht BSE. BSE ruft im Frühstadium Gedächtnisstörung hervor. Das könnte man verwechseln mit Demenz. Aber man kann es dann nicht mehr verwechseln, wenn es zu Bewegungsstörungen kommt. Die Leute bewegen sich ganz abnorm, und darum hat ja die Krankheit auch Mad-Cow-Disease, Krankheit der verrückten Kuh, geheißen.

Und warum wird es in Österreich wahrscheinlich keine so hohe Dunkelziffer geben? Budka sagt es selbst: Bei uns wird zehnmal mehr seziert als zum Beispiel in Deutschland. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass da etwas danebengeht, ist in Österreich wesentlich geringer.

In England hat es eine Untersuchungskommission gegeben. Diese hat deutlich kritisiert – dies ist erst vor kurzem in "Lancet" erschienen; das ist eine englische Zeitschrift, eine gute Fachzeitschrift –, dass in England der gesamte BSE-Skandal auch in der Aufarbeitung eher verniedlicht und nicht richtig behandelt wurde. Diesbezüglich müssen wir uns wirklich nichts vorwerfen.

Wenn Frau Abgeordnete Moser sagt, die Regierung verfolge eine eigenwillige Linie, dann kann ich nur sagen: Jawohl! Ja, wir haben eine eigenwillige Linie, wir sind nämlich immer hinter der Sicherheit des Konsumenten gestanden, und jawohl, wir haben gegenüber der EU immer höhere Normen verteidigt.


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Es ist doch ein offenes Geheimnis: Jeder weiß, der Weltmarkt will billige Preise, und billige Preise sind oft nur über Massenhaltung möglich. Österreich hat sich diesbezüglich immer bemüht, ein hohes Niveau zu halten und hohe Sicherheit zu gewährleisten. Und ich als Arzt kann das ja nur unterstreichen, denn bei der Gesundheit kann es meiner Meinung nach keine Kompromisse geben.

Wenn wir jetzt ein Tiermehl-Verfütterungsverbot fordern, und zwar generell, auch für alle anderen Tiere, dann deshalb, weil es EU-weit ja sonst keine Kontrolle mehr gibt, wenn ein Land ein Verbot hat und ein anderes Land nicht. Wir müssen aber, davon bin ich überzeugt, der Sicherheit der Konsumenten größten Vorrang einräumen.

Wenn Frau Abgeordnete Petrovic sagt, der Wahnsinn ergriff nicht nur die Rinder, dann muss ich sagen: Wenn Sie damit insinuieren, dass die Abgeordneten sich nicht richtig verhalten hätten, dann muss ich betonen, Österreich hat sehr wohl reagiert! Es hat reagiert, und zwar schon 1990, und es wird auch weiter reagieren, nämlich in dem Sinn, dass wir weiterhin ganz vorne sein wollen, weil wir eben keine Kompromisse eingehen wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

16.32

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, dass ich mich wundere: Wenn ich meinen Vorrednern zuhöre und dabei ihre Sicherheit heraushöre, dann könnte ich glauben, es regnet demnächst von diesem Dach hier Nobelpreisträger herunter – aber ich vermute, wir werden den Schirm nicht aufspannen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Was mich auch sehr wundert: Sie kritisieren uns polemisch neuerlich mit dem Vernaderungsargument. Da heißt es, die Bauern werden vernadert, unsere Lebensmittelindustrie wird vernadert, Österreich wird an den Pranger gestellt. Aber wenn wir schon so Unrecht haben, weshalb geben Sie uns dann in Ihrem Antrag über weite Strecken Recht und versuchen, jetzt eilig nachzuvollziehen, was wir schon seit Tagen und Wochen fordern? (Beifall bei den Grünen.)

Was mich außerdem sehr wundert: Wenn jetzt das Argument kommt, es müsste alles von der EU ausgehen, und bis dahin hätten wir zu warten, oder es müssten ganze Tankladungen von Soja nach Österreich verschifft werden, und man würde das den armen Südamerikanern wegnehmen, dann frage ich mich Folgendes: Es gibt eine Reihe von Fotos von Kühen, die 20, 30 Jahre alt sind, und damals, so glaube ich, sind unsere Rinder auch nicht anorektisch über Weiden, Almen und Wiesen getorkelt. Ich glaube, dass Österreich genug Nahrungsmittel und Eiweißstoffe hat, um seinen Viehbestand in der Landwirtschaft zielführend und eiweißreich – im notwendigen Umfang eiweißreich – zu ernähren. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe gesagt, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, und das sollten Sie schon beherzigen, wenn Ihnen der Bildungsschwerpunkt der Regierung auch nur irgendein Anliegen ist. Aber über Realitäten, finde ich, brauchen wir uns nicht lange zu streiten. Ich denke, dass niemand von uns – und das haben Sie auch nicht gehört – Landwirte, die anständig sind, mies gemacht hat, und es hat auch niemand – zumindest ich nicht – für den pauschalen Beitritt zu einem republikanischen Vegetarierverein plädiert.

Was ist geschehen? – Rasinger versucht, das anzudeuten: 180 000 Rinder wurden in Großbritannien auf Grund von BSE geschlachtet. – Nachdem man das Wort "Österreich" mit Kritik verbunden hier anscheinend nicht mehr gebrauchen darf, werde ich jetzt immer "Großbritannien" sagen, und Sie werden dann Ihre Schlüsse ziehen.

BSE wurde erstmals 1986 entdeckt. Die Regierung hat gezögert und massive Fehler gemacht – in Großbritannien. Bei uns gibt es so etwas nicht.


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1987 hat sich der Verdacht erhärtet, dass BSE durch die Verfütterung von Tiermehl übertragen wird. Die Regierung hat beschwichtigt, und die Regierung hat sich die wissenschaftlichen Meinungen nach den optimistischen und nach den negativ-kritischen "sortiert". – Auch das ist in Großbritannien geschehen, bei uns natürlich nicht.

Das Ministerium hat über ein Jahr gezögert. Die Gefährdung der Menschen wurde verharmlost, und zwar auch dann, als die Artüberschreitung – das heißt, die Infektion auf andere Tierarten – als nachgewiesen galt. Vorläufige Meinungen wurden als wissenschaftliche Wahrheit verkauft. – Auch das ist in Großbritannien geschehen, nicht bei uns.

Im Bericht, den der jetzige Lord Philip an die Regierung von Großbritannien geliefert hat, gibt es einen bemerkenswerten Satz der damaligen Wissenschaftler – ich zitiere –: Sollten sich unsere Annahmen als falsch erweisen, müssten die Folgen als äußerst ernst bezeichnet werden. – Ende des Zitats.

Das war in den neunziger Jahren. Sie haben schon damals "alles gewusst" – und "wissen" heute wiederum alles. (Beifall bei den Grünen.)

Was mir auffällt, wenn jetzt Professor Budka und andere zitiert werden und ein Expertengremium nominiert werden soll oder nominiert wurde: In England wurde in dem erwähnten Bericht von Lord Philip kritisiert, dass Experten handverlesen, ohne Evaluierung, von diversen Ministerien und Interessengruppen ausgewählt wurden. – Ich finde, das sollte in Österreich nicht passieren! – Und ein angesehenes Fachjournal – ich weiß nicht, ob es "Lancet" war – schrieb oder zitierte: Rindfleisch ist sicher, wurde zum Mantra der britischen Regierung. – Ich hoffe, dass Sie nicht in eine solche Autosuggestion fallen und dazu übergehen, alles zu verharmlosen und die Gefahren zu verniedlichen! (Abg. Dr. Rasinger: Wer verharmlost? Budka?)

Ja, Sie verharmlosen schon! Ich werde Ihnen auch sagen, warum: Es ist bekannt, dass alle nachweisenden Tests eine diagnostische Lücke haben, die über Jahre hinausgehen kann. Da die meisten Rinder, die geschlachtet werden, in jugendlichen Jahren geschlachtet werden – weil das Fleisch schmackhafter ist, weil wir Gourmets sind; Sie, vielleicht auch ich –, stoße ich genau in diese diagnostische Lücke, wo sich Krankheitssymptome nicht so manifestieren, dass sie mit ausreichender Sicherheit histopathologisch nachgewiesen werden können.

Wir sind daher nicht eine Insel der Seligen! Wir sind nicht ein Ort der Quarantäne oder einer sterilen Einheit ähnlich! Es gibt eine Dunkelziffer auch dann, wenn ich sie nicht erkenne. Sie wissen, dass Produkte von infizierten Tieren möglicherweise in Gelatine, zur Verarbeitung von Arzneimitteln, zur Herstellung von Impfsera – Gelatine für Torten et cetera ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Haupt. )  – Ja, das ist gesetzlich ausgeschlossen. Ich weiß, man kann natürlich alles ausschließen, aber Faktum ist, dass so etwas nicht nachweisbar ist.

Wir fordern daher wirklich das strikte Verbot, Tiermehl an jedwede Art von Nutztieren zu verfüttern, aber auch dann ist eine diagnostische Lücke weiterhin gegeben. Wir fordern auch, die Forschung weiter voranzutreiben und Experten nach ihrer Qualifikation zu evaluieren. Ich glaube nicht, dass dieses Problem mit Hausverstand allein und mit Eigenlob gelöst werden kann. Das würde unsere Bevölkerung auch ... (Abg. Dr. Rasinger: Ist der Budka schlecht?!)

Ich habe Professor Budka nicht kritisiert. Aber Ihr Kollege, der Gesundheitssprecher der FPÖ, hat berichtet, dass Budka einmal gesagt hat, er würde kein Rindfleisch mehr essen, aber eine Woche später hat er gesagt, er würde es schon essen. Na bitte! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: Zwei Tage!)

Ich finde, dass jedenfalls Folgendes durchgeklungen ist: eine relativ unkritische Haltung zu den Errungenschaften der Wissenschaft und ein relatives Besserwissen. Es wird vorgegaukelt, dass Sie etwas wissen, wovon nicht einmal Wissenschaftler von sich behaupten können, dass sie diesbezüglich sicher sind. So lange das nicht gelöst ist, verdient es unsere Bevölkerung, dass wir hier Vorsicht walten lassen. (Beifall bei den Grünen.)


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Was auch durchgeklungen ist, ist eine gewisse – seien Sie mir jetzt nicht böse wegen des Ausdrucks – eher servile Einstellung zu mächtigen Lobbys. Aber damit leisten Sie wiederum allen einen schlechten Dienst. Und wenn Sie weiter sozusagen so wenig Transparenz zeigen, wie es bislang – früher zumindest – die britische Regierung getan hat, dann schürt gerade das die Ängste und letztlich auch Verdächtigungen, denen wir uns in Österreich nicht aussetzen müssten, wenn hier gemeinsam vernünftige Politik gemacht würde.

Ich wünsche mir aus gutem Grund gemeinsame Anstrengungen über die Parteigrenzen hinaus – und aus gutem Grund keinen Alleingang der Regierung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Kollegin Dr. Glawischnig zu Wort gemeldet. Ich mache auf die entsprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

Ich werde dann ab der sechsten tatsächlichen Berichtigung diese an den Schluss dieser Debatte verweisen. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Öllinger: Pumberger, aufpassen! Ohren auf! Wenigstens einmal!)

16.40

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Pumberger hat vorhin zwei Mal sinngemäß behauptet, er freue sich über das Engagement der Grünen, und er wundert sich, weil das sozusagen erstmals in dieser Angelegenheit der Fall ist.

Ich berichtige hiermit tatsächlich: Ich möchte Sie jetzt nicht mit ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig! Ich muss jetzt sehr aufpassen, aber: Ob sich Kollege Pumberger freut oder nicht, das kann man nicht tatsächlich berichtigen. Es tut mir Leid.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): Herr Abgeordneter Pumberger hat behauptet, die Grünen würden sich mit diesem Dringlichen Antrag erstmals zur BSE-Problematik zu Wort melden.

Ich berichtige: 3. März 1994: Anfrage Wabl, 1. Juni 1994: Anfrage Petrovic, 21. Juni 1994: Anfrage Petrovic, 27. Jänner 1995: Anfrage Wabl, 28. März 1995: Anfrage Moser, 26. April 1996: Anfrage Haidlmayr, 12. Februar 1997: Anfrage Anschober, 26. Februar 1997: Anfrage Pollet-Kammerlander, 18. März 1997: Anfrage Wabl, 7. Juli 1997: Anfrage Petrovic, 18. September 1997: Anfrage Petrovic, 14. Juli 1999: Anfrage Petrovic, 21. Jänner 2000: Anfrage Moser, 21. Jänner 2000: Anfrage Petrovic und 24. Jänner 2000: Anfrage Moser.

Die Anträge im Einzelnen erspare ich Ihnen jetzt. Es ist nur verwunderlich, dass ich als neues Mitglied im Hohen Haus einem altgedienten Mitglied mitteilen muss, was in dieser Causa schon alles geschehen ist. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rosemarie Bauer: Wichtig wären die Inhalte der Anfragen! – Abg. Dr. Pumberger: Da war die Anfrage zum Semmering-Basistunnel dabei! – Abg. Öllinger: BSE! Schon wieder nicht aufgepasst!)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Er hat das Wort.

16.42

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass ich nicht zu den Rinder- und Schweinezüchtern gehöre. Aber ich gehöre zu denjenigen, die sehr gerne Rindfleisch und auch Schweinefleisch essen, und ich verstehe daher bestimmte Dinge der heutigen Diskussion nicht. Sie essen Rindfleisch (Abg. Schwarzenberger: Das werde ich auch weiterhin tun!), ich esse Rindfleisch, er isst Rindfleisch. (Abg. Schwemlein: Er isst mehr als du!) Wieso können wir dann nicht gemeinsam, zu viert, einen Entschließungsantrag einbringen? Das ist etwas, was ich nicht verstehe. Warum können sich


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die Rindfleischesser in diesem Plenarsaal nicht zusammenfinden und gemeinsam einen Antrag stellen? – Ich verstehe das einfach nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Aber wir können uns auf Grund der Vermutungen dann auch getrennt treffen: die Schaffleischesser, die Schweinefleischesser und die Rindfleischesser. Vielleicht kommt dann mehr heraus.

Mir ist diese Vorgangsweise jedenfalls nicht schlüssig. Sie ist mir auch deswegen nicht schlüssig, weil wir ja daran interessiert sein müssen, dass es Vertrauen in die österreichische Agrarproduktion und auch zu den österreichischen Rindern gibt. Wir dürfen die Rinder nicht nur lieben, wir müssen auch Vertrauen zu ihnen haben, und erst dann sollten sie von uns verspeist werden. In dieser Reihenfolge soll das stattfinden, und daher sind wir auch daran interessiert, dass der Konsument das größtmögliche Vertrauen einbringt.

Ich weiß nicht, ob jede Passage von dem ins Fernsehen kommt, was Herr Minister Molterer gesagt hat; ich nehme an, das wird nicht möglich sein, weil es doch relativ ausführlich war. Er hat heute gesagt, die neurologischen Auffälligkeiten von Rindern wurden schon immer untersucht, und dann kam es zur immunhistochemischen Untersuchung. – Da werden die Konsumenten vor dem Fernsehapparat wissend genickt haben, denn sie werden sich als geschulte Konsumenten natürlich schon ausführlich mit immunhistochemischen Problemen auseinander gesetzt haben! – Und weiter hat er gesagt, zu diesem Zeitpunkt wissen wir dann, ob es BSE-Fälle gegeben hat oder nicht. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Molterer. )

Deine besorgten Zwischenrufe musst du jetzt gar nicht anbringen, ich will mich ohnehin gar nicht darüber vertiefen, ob es das schon vorher oder erst nachher gegeben hat. Ich nehme auch nicht an, dass Interesse daran besteht, das zu vertuschen. Das wäre grundsätzlich unklug, und am Beispiel der britischen Regierung und der britischen Agrarindustrie sehen wir, wie unklug und kontraproduktiv das war. Das ist nicht mein Vorwurf.

Ich bin aber dafür, den Konsumenten nicht nur reinen Wein einzuschenken, sondern ihnen auch in einer Sprache, die sie verstehen, zu vermitteln, worum es letztlich geht. Daran wird nämlich Herr Abgeordneter Rasinger, der hier fast schon den weißen Mantel angehabt und mit der sonoren Stimme des Dr. med. hier beruhigend auf uns Rindfleischesser im Plenarsaal eingewirkt hat, nichts ändern können: dass wir alle, auch ich, nachdenklich geworden sind und uns eben trotzdem die Frage stellen – vor allem auf Grund der zahlreichen Meldungen in den Medien –, warum man nicht schon gründlicher, früher und radikaler reagiert hat.

Diese Frage stelle ich mir. Wenn wir erst jetzt die Debatte bezüglich Tiermehlverbot bei allen Tieren führen, erst jetzt, nach zehn Jahren, dann frage ich mich als Konsument ... (Abg. Dr. Rasinger: Hostasch hat ohnehin ...! Mertel, Prammer! – Abg. Dr. Pumberger: Mertel, Prammer, Hostasch!)  – Bleiben Sie sonor, das beruhigt mich mehr. – Ich frage mich, wieso man nicht früher darauf reagiert hat und das nicht früher gemacht hat, auch warum man nicht früher Initiativen in der EU in Gang gesetzt hat, um das Verbot dort durchzusetzen. Warum hat man das nicht getan? (Abg. Dr. Pumberger: Ministerin Hostasch hat! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In der "Süddeutschen Zeitung" vom 7. August 2000 steht der Satz: "Noch immer rangiert der freie Handel vor dem Verbraucherschutz." – Ich frage Sie: Wer hat jemals glauben können, dass das im Endeffekt auf Großbritannien beschränkt bleibt? Wer hat das glauben können?!

Oder: "profil" schreibt: "Absolute Katastrophe. Der Wiener Neuropathologe Herbert Budka über neue Gefahren für eine Creutzfeldt-Jakob-Epidemie". Und er referiert eine ganze Seite lang, dass das eigentlich auch auf die Schafe übergreifen kann. – Wer hat glauben können, dass das nicht auch denkmöglich ist? Daher muss man im Hinblick auf die Konsumenten so vorsichtig sein, wenn man sich hier herausstellt.

Sie, Herr Dr. Rasinger, haben das mit den 130 Grad erwähnt. Sehr geehrter Herr Doktor! Ich habe mir heute das ARD-"Morgenjournal" angeschaut, unter anderem auch deswegen; eben weil ich Konsument bin. Der gute Herr Minister Funke hat nämlich vor einigen Tagen gesagt,


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130 Grad, Hochdruck, kein Problem. – Und jetzt höre und lese ich, auch im "Morgenjournal", nein, man braucht 1 300 Grad, damit auch wirklich das letzte Gewebszellchen vernichtet wird.

Das ist das, was letztlich zur Verunsicherung führt: Der eine sagt 130 Grad, und dann kommen alle drauf, es sind 1 300 Grad. Und dann sagt heute einer, nein, die Schafe nicht, und ein paar Monate später sagt ein anderer, doch, die Schafe auch. – Das alles ist ein Wahnsinn, und da ist letztlich die Wissenschaft mitschuldig, die Politik mitschuldig und die Interessengruppen, die natürlich sagen, wir wollen uns da möglichst schonend durchschmuggeln, damit wir unsere Gewinne machen können.

Jetzt erzähle ich Ihnen noch etwas, weil wir gerade über den agrarindustriellen Bereich diskutieren. Ich war immer derjenige, der gesagt hat: Mythos Bauern! Ich habe immer gesagt, wenn die Bauern etwas wollen, dann seid möglichst freigiebig, die sind ja so wichtig! Und sie sind auch wichtig. Aber was mich so rasend macht, ist Folgendes:

Ich bin in ein Salzburger Gasthaus gegangen und habe gesagt, ich möchte ein Schnitzel haben. Darauf sagt der Wirt, jetzt bekommen Sie einmal ein echtes Schnitzel von mir, ich kenne die Sau persönlich, von der Geburt bis zur Schlachtung habe ich sie begleitet. – Ich sage Ihnen, das war das beste Schnitzel, das ich je gegessen habe! Und mich kann man nicht so einfach übernehmen, indem man nur so tut und sagt, das ist die persönliche Sau, die du da bekommst. Das war wirklich ein gutes Schnitzel. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Übrigens habe ich mich heute über eine Extrawurstsemmel in der Cafeteria geärgert. Wir müssen da sozusagen Versuchs-Abgeordnete spielen! Drei Stunden nachher war ich noch "bedient"! (Heiterkeit.) Ich frage mich: Wieso ist das so? Auch beim Rindfleisch hört man: Du musst in diese und jene Zweigstelle gehen, und in die andere gehst du lieber nicht.

Wissen Sie, was mich bei der gesamten Debatte so ärgert? – Es geht um den Missbrauch von Vertrauen und darum, dass es letztlich so weit kommt, dass Gesundheit und Lebenserwartung in der Frage der Ernährung zu einer sozialen Frage werden. Der, der das Geld hat, der, der weiß, wo man etwas um teures Geld kaufen kann, hat eine höhere Lebenserwartung als der, der es nicht weiß und auf die Angaben auf der Packung vertraut. Kollegin Achatz hat ein gutes Beispiel gebracht: Wenn der schlecht lesen kann, dann muss er sich noch die Brille mitnehmen – um 368 S aus der Apotheke, mit einer Dioptrie –, damit er herausfindet, dass das Tier in Holland geschlachtet worden ist.

Herr Minister Molterer und liebe Agrarindustrielle hier im Saal, für die ich an sich wirklich ein Herz habe! Sie könnten eigentlich viel mehr dafür leisten, dass dieses Vertrauen wirklich da ist, damit die Konsumenten auch daran glauben können, und zwar in Ihrem Interesse und auch im Interesse der Konsumenten. Und ich sage noch etwas, was Sie sich überhaupt nicht gedacht haben: auch in unserem Interesse hier herinnen. Ich glaube, es gibt keinen Einzigen hier, der nicht auch gerne lange und gesund lebt, und ich hoffe, dass Sie wenigstens dafür sind! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Rasinger und Achatz. )

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Haupt. – Bitte, Herr Minister.

16.49

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Molterer! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst dort fortsetzen, wo Herr Kollege Cap geendet hat: Ja, für mich als Gesundheitsminister muss es ein Anliegen sein, in Österreich Ernährungssicherheit, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nicht zu einer Frage des sozialen Wohlstandes oder Nichtwohlstandes zu machen, sondern den gleichen Zugang aller Schichten zu einer gesunden Ernährung und damit zu einer gesunden Basis und Lebensführung in diesem Staate zu gewährleisten.


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Ich kann mich Gott sei Dank darauf verlassen, dass nicht nur ich, sondern sehr viele meiner Amtsvorgänger hier einen kontinuierlichen Weg gegangen sind, der uns in Österreich trotz aller Unkenrufe, die heute in der Debatte aufgebrochen sind, zwei Dinge behaupten lässt, ohne den Boden der Wissenschaftlichkeit verlassen zu müssen.

Erstens: Seit 1996, seit das Epidemiegesetz eingesetzt worden ist und es verpflichtend vorgeschrieben ist, alle in Frage kommenden Humanerkrankungen zu untersuchen, ist in Österreich Gott sei Dank nachweislich noch kein Mensch durch BSE zu Schaden gekommen.

Zweitens: Wir können garantieren, dass bei allen Untersuchungen, die wir bis dato gemacht haben, bei allen Schnelltestuntersuchungen, bei allen Untersuchungen im Zusammenhang mit Schlachtungen, stichprobenmäßig – man kann darüber diskutieren, ob man mehr Stichproben machen will, noch mehr oder noch mehr – noch kein einziger Proband gefunden wurde. Wir können des Weiteren behaupten, dass seit 1990 in Österreich Tierkörpermehl an pflanzenfressende Wiederkäuer nicht verfüttert wird. Das wird generell kontrolliert, und zwar befriedigend kontrolliert.

Wir können auch hinsichtlich der Produkte aus unseren Tierkörper-Entsorgungsanstalten klar sagen, dass wir den Wahnsinn mancher europäischen Länder, am falschen Ort zu sparen, in Österreich nie mitgemacht haben. So haben wir etwa nie Formaldehyd abgesetzt und billigere Desinfektionsmittel genommen. Wir haben auch nie die Temperaturen abgesenkt. Wir haben immer das, was Stand der Wissenschaft war, bei unseren Tierkörperentsorgungsanstalten lege artis umgesetzt. Daher sind wir mit unseren Tierkörpermehlprodukten nach dem Stand der heutigen Wissenschaft auf einem so hohen Niveau, dass wir diese Produkte bedenkenlos im Einklang mit der Wissenschaft verfüttern können und daher auch davon ausgehen können, dass wir damit nicht zum Weitertragen von Seuchen beitragen, sondern, im Gegenteil, Produkte auf den Markt bringen, die hochwertig, hochwertig kontrolliert und ordnungsgemäß aufbereitet sind.

Ich denke, es ist wichtig, das festzustellen. Es ist auch wichtig, den Konsumenten zu sagen, wo österreichische Ware herkommt und dass die Tiere in Österreich aufgewachsen sind, in Österreich gepflegt wurden, in Österreich vermarktet wurden, in Österreich verwurstet wurden und schließlich am Ende dieser österreichischen Kette auf den Markt gekommen sind.

Es gibt mehrere Gütesiegel, die in Österreich diese Kriterien garantieren, und zwar von den Biobauern angefangen bis zur Ernte, wobei man sich darauf verlassen kann, dass in Österreich nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft bestmögliche Produkte die gesundheitsungefährlich, also gesund sind, erzeugt werden und den Konsumenten nicht schädigen, sodass er sie kaufen oder erwerben kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde daher, dass wir von einer besseren Basis ausgehen als unsere europäischen Nachbarländer.

Da Sie, Frau Kollegin Petrovic, die Verhandlungsführung letzte Woche im Agrar- und im Veterinärausschuss im Europäischen Rat kritisiert haben, darf ich zwei Dinge hinzufügen. In einer Zeit, in der wir in Österreich insgesamt Sparsamkeit auf unsere Fahnen geschrieben haben, denke ich, dass es nur legitim ist, dass Österreich – da es im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern bereits seit 1990 einen konsequenten Weg der BSE-Bekämpfung in Österreich gegangen ist und daher nach Qualifizierung des Wissenschaftsausschusses einen seuchenfreien Zustand, einen bestmöglichen Zustand erreicht hat – bei der weiteren Mittelvergabe anders behandelt wird als jene europäischen Länder, die diese lebensgefährliche Seuche lange Zeit bagatellisiert haben, die die wissenschaftlich seit 1988 bekannten Maßnahmen einfach nicht umgesetzt haben und daher zur Verbreitung der Seuche in Europa und zum Tod sehr vieler Menschen in Europa beigetragen haben oder vielleicht sogar im Hinblick auf die lange Inkubationszeit in Zukunft noch beitragen werden.

Ich meine daher, dass unsere Haltung durchaus legitim ist, nämlich aus der Sicht Österreichs, aus der Tradition Österreichs und aus den Bemühungen, die wir in Österreich, wir hier im Nationalrat und meine Vorgängerinnen und Vorgänger, angefangen von Herrn Bundesminister Ettl bis zu mir, in ihrer Funktion als Gesundheitsminister hier umgesetzt haben.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Wie sieht die österreichische Bilanz aus der Sicht des Gesundheitsministeriums aus? – Sie, Herr Kollege Professor Grünewald, haben angesprochen, dass neben den Lebensmitteln auch sehr viele andere Produkte durchaus gefährlich sein können, und haben hier etwa Arzneimittel erwähnt.

Ich darf Sie daran erinnern, Herr Professor Grünewald, dass 1990 ein BSE-Arbeitskreis, an dem Professor Budka vom Klinischen Institut für Neurologie und Herr Professor Dierich, ein Ihnen bekannter Kollege aus dem Hygienebereich in Innsbruck – an jener Universität, an der Sie selbst lehren und arbeiten – teilgenommen haben, bereits für Arzneimittel bovinen Ursprungs und im besonderen für Gelatine entsprechende Vorkehrungsmaßnahmen, die seit 1994 in Österreich greifen, vorgeschlagen hat, wodurch in Österreich die legistische Umsetzung erfolgt ist.

Ich darf weiters – ohne die Österreicherinnen und Österreicher noch mehr zu beunruhigen – daran erinnern, dass auch für Blut und Blutprodukte, für Trombozyten-Spender und all jene Dinge, die damit zusammenhängen, in Österreich schon seit Jahren entsprechende legistische Vorkehrungen umgesetzt worden sind. Ich darf darauf hinweisen, dass auch für Impfstoffe schon seit 1990 BSE-freie Produkte vorgeschrieben sind und dass sich derzeit gerade wieder zur Weiterentwicklung und zum Weiterdenken ein WHO-Arbeitskreis mit dieser Problematik auseinander setzt. Man darf bei der Forschung und Lehre nie stillstehen, sondern muss früher getroffene Maßnahmen von Zeit zu Zeit, vor allem dann, wenn es neue Erkenntnisse gibt, evaluieren und weiterentwickeln.

Wir haben all diese Bereiche in Österreich immer nach dem Stand der Wissenschaft bestmöglich umgesetzt, um den Österreicherinnen und Österreichern Seuchenfreiheit und damit Gesundheit zu garantieren.

Wir haben, abgesehen von 1990, als das generelle Verbot der Verfütterung von Tierkörpermehl in Österreich erfolgte, am 22. März 1996 Lebendrinder- und Embryonenimporte aus England sowie Samenimporte aus England verboten. Und wir haben am 3. April 1996 über das Vereinigte Königreich nochmals diese Verbote verhängt.

Ich möchte daran erinnern, dass ich damals als Parlamentarier von vielen, die auch heute diesen Maßnahmen kritisch gegenüber stehen, bezichtigt worden bin – es ging damals hauptsächlich um schottische Hochlandrinder; man kann das in der Debatte von damals nachlesen –, dass ich ein Lobbyist des Rallye-Fahrers Wittmann wäre, der damals die einzigen Stämme legal nach Österreich importiert hat, und ähnliche Dinge mehr. – Man sieht, die Zeit heilt Wunden, und heute geben mir auch jene, die mich damals wegen der Maßnahmen kritisiert haben, die ich noch von der Abgeordnetenbank aus gefordert und betrieben habe, darin Recht, dass diese Maßnahmen zu fordern waren und zu fordern sind.

Wir haben am 25. März 1996 über die Schweiz die gleichen Importverbote verhängt, wir haben sie am 4. Dezember 1998 über Portugal verhängt, und wir haben am 13. November 2000 diese Importverbote auch gegenüber Frankreich verhängt. Es ist also nicht so, wie in den österreichischen Zeitungen am Wochenende zu lesen war, dass man bezüglich französischer Importe heute nur Briefe mit der Bitte schreiben kann, dass die Bauern davon Abstand nehmen, sondern das Verbot, das ich am 11. November 2000 ausgesprochen habe, wurde am 13. November 2000 von der Europäischen Kommission ratifiziert. In der Sitzung, die Sie, Frau Kollegin Petrovic, erwähnt haben, wurde unser ratifiziertes Verbot dem Wissenschaftsausschuss übermittelt.

Ich bin sicher, da ich in meinem Verbot ausdrücklich den Empfehlungen des Wissenschaftsausschusses und sonst niemandem gefolgt bin, dass unser Verbot so lange aufrecht bleiben kann, solange in Frankreich die Seuchenlage und die Tilgungslage nicht im Einklang mit den gesundheitlichen Vorkehrungen im Interesse der österreichischen Bevölkerung sind.

Ich darf weiters darauf hinweisen, dass seit 1991 die Überwachung der Rinder mit zentralnervalen Symptomen und die anschließenden Laboruntersuchungen Standard sind. Ich darf darauf hinweisen, dass seit 1997 die Überwachung von allen Rindern aus Ländern mit BSE und


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Untersuchungen bei der Schlachtung Standard sind. Ich darf Sie daran erinnern, dass seit 6. Juli 1998 mit Erlass 3960528 die BSE-Überwachung Österreichs – Laboruntersuchungen und EU-Stichprobenplan – auf alle unsere Tierseuchen ausgedehnt wurde. Die BSE-Verordnung Bundesgesetzblatt 2/72 1999 hat die Anzeigepflicht für alle spongiformen Enzephalopathien bei allen Tieren vorgeschrieben.

Ich darf ferner darauf hinweisen, dass die aus England bekannte feline spongiöse Enzephalopathie, die dort bei etwa 100 bis 200 Katzen aufgetreten und nachgewiesen ist, bei uns in keinem einzigen Fall zu finden war.

Ich betone daher, dass wir auf Grund der Verwendung unserer Tierkörperentsorgungsprodukte nach wie vor auf Grundlage der Wissenschaft der Überzeugung und der ehrlichen Meinung sein können, alles an Vorkehrungen getroffen zu haben, um die Produktsicherheit in Österreich bestmöglich im Interesse unserer Konsumentinnen und Konsumenten und im Sinne der Sicherheit unserer Staatsbürger umzusetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf auch darauf hinweisen, dass darüber hinaus und noch zusätzlich die Verordnung der Frau Bundesministerin für Konsumentenangelegenheiten und Verbraucherschutz über die Beseitigung, Verarbeitung und Vermarktung von tierischen Abfällen – Tierkörperbeseitigungs-Hygieneverordnung 1999 – erlassen worden ist, die die Problematik, die Sie, Frau Kollegin Petrovic, angesprochen haben, mit berücksichtigt hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Die Redezeiten von 10 Minuten in § 93 Abs. 5 beziehen sich auf jeden Redner in der Debatte. Bitte, langsam zum Schluss zu kommen!

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Wir haben am 12. Oktober 2000 die TSE-Tierkörperbeseitigungs-Verordnung erlassen. Am 1. Jänner 2001 werden wir dann sämtliche Untersuchungen, wenn wir das entsprechende Personal haben, auch darauf ausdehnen, was ich immer vertreten habe, nämlich sämtliche Tiere, die nicht in Österreich geboren sind, sämtliche Notschlachtungen, sämtliche Krankschlachtungen und sämtliche Tiere, die in Österreich verdächtige Symptome in der Klassifizierung 1 bis 3 nach Schweizer Vorbild aufweisen, zu untersuchen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir haben in Österreich mehr Vorkehrungen getroffen als jedes andere europäische Land. Wir können daher unseren Konsumenten, wenn sie österreichische Ware in österreichischer Verarbeitung in Österreich konsumieren, die bestmögliche Garantie geben, dass sie damit von gesundheitlichen Schäden verschont sind. Und nichts anderes hat diese Bundesregierung behauptet.

Aber wir werden uns auch in Zukunft darum bemühen, die Lebensmittelsicherheit und daher die Gesundheit in Österreich weiter zu verbessern, und wir werden die Haltung, die Kollege Molterer hier vertreten hat, am 4. Dezember gemeinsam auch in Brüssel vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.01

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Cap hat in vielen Bereichen Recht gehabt. Er hat hier das Szenario vorgezeichnet, warum es überhaupt zu diesem BSE-Skandal gekommen ist, und ich gebe Herrn Cap in sehr vielen Belangen Recht. Dieser BSE-Skandal zeigt in Wirklichkeit die ausufernde Agrarbürokratie und Agrarwirtschaft in der EU auf. Und wie gefährlich diese ist, merkt man leider Gottes erst dann, wenn einige Konsumenten zu Schaden kommen. Wir wissen natürlich, dass der Grund für diese Auswüchse in der europäischen Agrarpolitik die totale Industrialisierung der Landwirtschaft ist.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich anschaut, wie weit heute diese Industrialisierung zum Beispiel in Frankreich vorangeschritten ist, sieht man, dass dort 20 Prozent der Bauern, die diese Agrarindustrien betreiben, 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fördermittel in Frankreich in Anspruch nehmen. In den letzten Jahren verschwanden in Frankreich allein über 200 000 Betriebe. Über 200 000 Betriebe weniger in Frankreich in den letzten drei oder vier Jahren!

Meine Damen und Herren! Diese Agrarindustrie hat es geschafft, vegetarische Wiederkäuer zu Fleischfressern umzufunktionieren. Man muss sich nur anschauen, was dabei herausgekommen ist. Diese umfunktionierten Fleischfresser, die mehr oder weniger im Nachhinein noch zu Tiermehl verarbeitet wurden, sind somit in einen riesigen Teufelskreis hineingekommen, weil dann natürlich jedes Tier, das nachher diese Futtermittel bekommen hat, auch der Gefahr einer BSE-Erkrankung ausgesetzt war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Petrovic! Sie machen es sich heute zu leicht, wenn Sie sich heute hier herstellen und den derzeitigen Landwirtschaftsminister beziehungsweise den Minister für Soziales für diese verfehlte EU-Agrarpolitik und für diese Misswirtschaft verantwortlich machen, die da leider Gottes auf EU-Ebene Einzug gefunden hat. Sie dafür verantwortlich zu machen, ist einfach zu billig. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Mühlbachler. )

Wir wissen, wie bescheiden die Einflussnahme oder die Möglichkeit einer Einflussnahme von Österreich im Rahmen der großen Europäischen Union in Wirklichkeit ist. Es gibt nur ein paar kleine Dinge, bei denen auf Einstimmigkeit auf europäischer Ebene Wert gelegt werden muss, bei denen wir unter Umständen doch einige Forderungen zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher durchsetzen können. Darum sage ich: Jede Möglichkeit, die man in diesem Rahmen bei so einer Gesetzgebung innerhalb der EU auslässt, ist eine vergebene Möglichkeit. Wir müssen diese wenigen Möglichkeiten, die uns bleiben, voll ausnützen, um diesbezüglich die EU zum Nachdenken zu bewegen.

Unter dem neuen Minister für soziale Sicherheit und Generationen Herbert Haupt und unter Landwirtschaftsminister Molterer wird heute hier ein Antrag beschlossen werden, der zukunftsweisend nicht nur für Österreich, sondern auch für die gesamte Europäische Union ist. Wir konnten endlich das umsetzen, wovon wir Freiheitlichen schon seit Jahren träumen. Wir wollen eine strikte Kennzeichnung. Wir verlangen schon seit Jahren bezüglich des "A"-Gütesiegels, dass es endlich dazu kommt, die Herkunft und den Ursprung des Produktes genau anzuführen. Der Konsument wird natürlich getäuscht – wir wissen das –, wir wollen das in Zukunft verhindern.

Diese Bundesregierung bekennt sich Gott sei Dank zu einem flächendeckenden, ökologisch orientierten Bauernstand. Meine Damen und Herren von der Regierung! Ich werde Sie mit all meinen Möglichkeiten dabei unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. )

17.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. Ich erteile ihr das Wort.

17.05

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Cap, ich hoffe, es wird Ihnen nicht schaden, dass nun wiederum ein Abgeordneter der Regierungsparteien mit Ihnen Übereinstimmung signalisiert.

Ich heiße Bauer, bin aber keine Landwirtin. Es freut mich aber, einmal zu einem Agrarthema sprechen zu dürfen. Ich gebe Ihnen in vielen Dingen Recht, wenn man aus der Sicht der Konsumenten die heutige Debatte verfolgt. Ich glaube auch – und schließe mich jenen an, die das gesagt haben –, dass es uns Abgeordneten und uns Politikern wichtig sein soll, das Vertrauen der Konsumenten, das für uns das höchste Gut ist, nicht zu enttäuschen, aber auch keine Verunsicherung zu betreiben.


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Ich habe die Aufgeregtheit heute nicht ganz verstanden, als mein Kollege Jakob Auer Ihnen den Vorwurf gemacht hat – wir sind jetzt Gott sei Dank wieder zu einer sachlichen Diskussion zurückgekehrt –, dass der Verdacht bestanden hat, dass man hier mit Emotionen politisches Kleingeld machen und den Konsumenten verunsichern möchte.

Herr Kollege Cap! Ich beziehe mich noch einmal auf Sie. Sie haben gemeint, dass der Wirt das Schweindl persönlich gekannt hat, von dem Sie dann das gute Schnitzel gegessen haben. Für mich ist das eine Unterstützung, und das möchte ich hier auch einmal feststellen. Gute Qualität bei Tieren setzt eine gute Haltung, eine gute Fütterung voraus. Das war in diesem Saal nicht immer unbestritten, denn gerade die Grünen haben immer anklagend gesprochen. Die Bauern wissen, dass sie ihre Tiere gut füttern müssen, dass sie sie gut halten müssen, weil nur dann gute Qualität zustande kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist heute schon sehr oft darauf hingewiesen worden, dass bereits vieles passiert ist. Ich möchte hier noch einmal festhalten, dass Österreich Vorreiter bei der Forderung und auch bei der Umsetzung der Rinderkennzeichnung war. Jede österreichische Kuh hat einen Stammbaum, einen so genannten Pass. Man kann jedes Stück österreichisches Rindfleisch bis hin zum Tierhalter und zum Bauernhof zurückverfolgen. Ich glaube, dass das den Konsumenten ungeheuer wichtig ist, daher ist uns auch diese Kennzeichnung sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zwei Kollegen haben heute hier im Haus zum Teil unterschwellig und verdeckt die AMA-Firma kritisiert. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich zu Hause vor dem Fernseher sitze, bin ich Normalverbraucherin. Ich bin der Firma AMA sehr dankbar, die mit ihrer Werbestrategie sehr wohl zeigt und den Konsumenten darauf aufmerksam macht, wo man hinschauen muss, wie man tatsächlich den Weg des Produktes verfolgen kann, woher es kommt, und dass es im Grunde genommen letztendlich auch wichtig ist, ein österreichisches Produkt zu kaufen, um Rechtssicherheit und Riskenminimierung beim Kauf dieses Stückes Fleisch zu haben.

Ich glaube, das muss man grundsätzlich auch sagen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir die strengsten Normen bei der Erzeugung von Tiermehl haben. Die strengsten Richtlinien hinsichtlich des Verbotes der Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer, das ist schon festgehalten worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mir so wichtig ist als Folge dieser Diskussion: Es ist vielfach von den Biobauern und vom Schutz der Biobauern gesprochen worden. Wir dürfen hier nicht durch eine emotionale Diskussion, durch Anschuldigungen gegenüber dem Minister, gegenüber der Regierung, den Eindruck erwecken, es sei nichts passiert. Wir dürfen die Konsumenten nicht dahin gehend verunsichern, dass sie sich dann natürlich davor fürchten, diese Produkte zu kaufen, weil damit gerade den kleinen Bauern Schaden zugefügt wird. Diese kleinen Bauern sind nämlich die Ersten, die wahrscheinlich zusperren müssen, die ihren Betrieb aufgeben müssen. Damit wird den Konsumenten eigentlich die Chance genommen, diese Produkte zu kaufen, dann haben die großen Tierfabriken und Tierproduzenten letztendlich die Chance, auf den Markt zu kommen.

Es kann nicht so sein, dass Versäumnisse des Auslandes – es sind hier viele angesprochen worden –, Schlampereien beziehungsweise auch Fahrlässigkeiten unseren heimischen Produzenten auf den Kopf fallen und dass man undifferenziert, einfach um sich schlagend, argumentiert und letztendlich Schaden anrichtet, der die heimischen Bauern trifft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich glaube, mit unserem Entschließungsantrag und dem von den beiden zuständigen Ministern Gesagten können wir getrost in die Zukunft blicken. Ich begrüße auch den Punkt des Entschließungsantrages, der das "A"-Gütesiegel betrifft. Ich glaube, dass wir mit dem vorliegenden Antrag und dessen Umsetzung in Österreich wieder ein besonderes Vorbild in der EU sein werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.10


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47. Sitzung / Seite 120

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zellot. Die Redezeit beträgt 4 Minuten. – Bitte.

17.11

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, das heutige Thema BSE ist sehr wohl für einen Parlamentarier, für einen Bauern und für einen Konsumenten sehr wichtig und ernst zu nehmen. Es wurde ja von mehreren Rednern hier schon erwähnt, dass es vor allem um unsere Gesundheit geht. (Abg. Öllinger: Ja!) Wenn wir auf unsere Gesundheit achten müssen, so geht es auch darum, dass dem Bauernstand ein gewisses Vertrauen entgegengebracht werden soll. Dieses Vertrauen in den Bauernstand ist natürlich gegeben, wenn man vergleicht – so wie es Herr Abgeordneter Cap auch angeschnitten hat –, dass die Kontrollen sehr ernst genommen werden. Ich pflichte Ihnen da bei.

Meine geschätzten Damen und Herren! Die österreichischen Bauern wurden im Jahre 1999 über 90 000 Mal von der Agrarmarkt Austria kontrolliert. Das ist wichtig, das ist gut. Aus diesem Anlass habe ich auch eine Anfrage an den Rat gestellt: Wie schaut es eigentlich mit den Kontrollen in den anderen EU-Mitgliedstaaten aus? – Der Rat hat mir eine Antwort gegeben: Solche etwaigen Kontrollen, wie es sie in Österreich zum Beispiel in Bezug auf das AMA-Gütesiegel gibt, gibt es in den anderen Mitgliedstaaten nicht. – Und das ist die große Schweinerei, meine geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In der heutigen Diskussion ist man vielleicht ein bisschen zu wenig auf diese Agrarindustrie eingegangen. In Zeitungsberichten – etwa jenem im "Spiegel" – kann man lesen, dass im Hafen von Rotterdam eine mindestens sechsgeschoßige Agrarfabrik gebaut werden soll, die 400 Meter breit und 3 Kilometer lang ist. Dort sollen untergebracht werden: 300 000 Schweine und in vielen Stockwerken noch zusätzlich 250 000 Legehennen und 1 Million Masthennen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Das ist ein Punkt der Gemeinsamkeit und der Ruf und die Warnung an die EU, dass die künftigen gesunden Lebensmittel nicht durch die Agrarindustrie gesichert werden, sondern durch die bäuerlichen Familienbetriebe, die wir zu unterstützen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, dass es heute nicht darauf ankommt, welche Partei den besseren Antrag einbringt. (Abg. Öllinger: Na schon!) Es geht um das Verständnis gegenüber den Bauern und um die Unterstützung unserer heimischen Familienbetriebe. Das Parlament soll sich hier für ein richtiges Bündnis aussprechen, das Bündnis mit dem Bauern und das Bündnis mit dem Konsumenten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. Ich erteile ihm das Wort.

17.14

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich habe mich eigentlich aus dem gleichen Grund zu Wort gemeldet wie Herr Abgeordneter Cap. Auch mir geht es um die Menschen in Österreich, auch mir geht es um das Sachliche. Ich sehe aber sehr zu meinem Bedauern, dass es eigentlich nicht möglich ist, dieses Thema sachlich zu diskutieren und hier zu einem Vier-Parteien-Antrag zu kommen.

Herr Abgeordneter Cap! Ihre Worte habe ich wohl gehört, allein mir fehlt der Glaube. Denn wenn man die Vorgangsweise der Opposition auch zu diesem Thema, das alle Menschen in Österreich und auch in Europa betrifft, beobachtet, kann ich eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass es insbesondere den Damen und Herren von der Grünen Partei wieder nur um eine Schlagzeilenpolitik geht, um eine Schlagzeilenpolitik, die sich von diesem BSE-Skandal, der


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uns jetzt in Europa überrollt, durchzieht bis zu allem anderen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Es geht den Grünen um die Optik, und Frau Abgeordnete Petrovic hat ja gesagt, sie möchte, dass der Druck der Medienberichte so stark wird, dass wir ihre Anträge lesen und ihr auch zuhören. Und selbst bei diesem wichtigen Thema hat Frau Abgeordnete Moser es sich nicht verkneifen können, mit ihrem "Herr Ministerin" zu kommen. Ja haben wir denn nichts anderes zu tun? – Die Leute erwarten von uns eine Lösungskompetenz. Sie erwarten von uns, dass wir ein Problem sachlich lösen, anstatt nur Schlagzeilenpolitik zu machen, wie Sie es machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich vermute weiters, dass Sie dieses Thema auch wieder dafür verwenden wollen, um sich im Nachhinein mit fremden Federn zu schmücken. Herr Bundesminister Haupt hat genau erklärt, wie sehr er bereits seit dem Jahre 1990 für eine Verdrängung der Tiermehlverfütterung, insbesondere an Wiederkäuer, gekämpft hat. Genauso wie Sie es beim ElWOG gemacht haben, bei dem Sie sich im Nachhinein die fremden Federn auf den Hut gesteckt haben, indem Sie für die Umsetzung der Vorschläge, die wir gebracht haben, eine Vorverlegung verlangt haben, obwohl Sie dann beim ElWOG dagegen gestimmt haben, genauso machen Sie es hier auch. Und das finde ich das Bedauernde! (Abg. Dr. Lichtenberger: Das Bedauerliche! )  – Das Bedauernde! Ich bedauere es.

Das Gleiche trifft auch zu, wenn Herr Abgeordneter Kogler – und das ist wieder eine Untermauerung dessen, was ich sage; Sie wollen hier nur Schlagzeilenpolitik machen – hier herauskommt und sagt: Die Regierung steht mit dem Rücken zur Wand, weil gegen den Justizminister Erhebungen laufen. – Das haben Sie gesagt. (Abg. Mag. Kogler: Ermittlungen!)  – Erhebungen! Herr Abgeordneter Khol ist herausgekommen und hat Sie berichtigt. (Abg. Mag. Kogler: Er hat berichtigt, was ich gar nicht gesagt habe!) Er hat gesagt, die Staatsanwaltschaft hat mitgeteilt, dass ausschließlich die Stichhaltigkeit der Anzeige geprüft wird, sonst gar nichts! Aber Sie haben nicht den Mumm, hier ans Rednerpult zu treten und zu sagen: Bitte, Entschuldigung, ich habe mich falsch ausgedrückt. – Es geht um eine Schlagzeilenpolitik, die Sie auch hier beim BSE-Skandal weiterführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eines muss ich Ihnen schon auch sagen: Es kommen nun neue Entschließungsanträge von Ihnen, neue Entschließungsanträge an die Regierung. Wie wollen Sie denn eine Regierung , der Sie die demokratische Legitimität absprechen, auffordern, für uns zu handeln? (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist ein simples Prinzip des Parlamentarismus, Herr Kollege!) Das ist Schlagzeilenpolitik, die Sie hier wieder hereinbringen, genauso wie beim Budget, bezüglich dessen Sie keinen einzigen Gegenvorschlag, keinen einzigen konstruktiven Gegenvorschlag gebracht haben, eine Schlagzeilenpolitik, wie Sie sie auch bei den Sanktionen betrieben haben.

Und das ist mit ein Grund dafür, warum wir bei Ihrem Antrag nicht mitgehen können. Dieser gehört hier einmal ganz deutlich erläutert: Er bedingt ein sofortiges Importverbot von Rindfleisch aus allen EU-Ländern. Können wir denn sicher sein, dass Sie nicht übermorgen wieder bei der EU vorstellig werden und sagen: Na ja, die Sanktionen waren vielleicht doch gerechtfertigt. Wird Österreich jetzt gegenüber der EU einseitig handelbar? – Das ist ja das Thema, dass wir uns auf diese Sache hier nicht einigen können.

Ich fordere Sie auf, meine Damen und Herren, diese – ich kann das dafür richtige Wort nicht sagen, sonst bekomme ich einen Ordnungsruf – Schlagzeilenpolitik zurückzustellen und sich bei diesem Thema unserem Antrag anzuschließen. Er beinhaltet das einzig Wahre, und er bringt, last but not least, für die Bevölkerung das, was sie sich wünscht: Lösungskompetenz! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

17.19

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Herren Minister! Ich habe nur eine Minute Redezeit, aber die letzten Redebeiträge waren


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so heuchlerisch, vor allem jener des Kollegen Graf (empörter Widerspruch bei den Freiheitlichen), der hier behauptete, dass die FPÖ an einem Vier-Parteien-Antrag interessiert wäre.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Es ist skandalös, wie Sie vorgehen, skandalös im wahrsten Sinne des Wortes. (Beifall bei den Grünen.) Der Herr Bundesminister wäre für einen Vier-Parteien-Antrag bereit gewesen, aber Ihr Herr Klubdirektor hat das verhindert.

Und wenn die wesentlichen Änderungen in diesem gemeinsamen Vorschlag nicht möglich sind, dann können wir mit Ihrem Antrag auch nicht mitgehen, das ist doch klar.

Wir fordern eine parlamentarische Enquete! Wir haben in der heutigen Debatte gesehen, wie viele unkompetente Meldungen hier zu BSE nach wie vor offensichtlich vorliegen. Und das ist ein Problem! Das muss geklärt werden, dazu brauchen wir aber Experten. Eine parlamentarische Enquete zu dieser Frage war offensichtlich zu viel für die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

17.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Die eine Minute ist leider vorbei! (Beifall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 330/A (E) der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend BSE-Sofortmaßnahmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Achatz und Genossen betreffend Maßnahmen auf Grund der aktuellen BSE-Situation.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ und Grüne –: Aha, gegen Tiermehlverbot!)  – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 48.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pittermann und Genossen betreffend ein generelles Verbot der Tiermehlverfütterung in der österreichischen Landwirtschaft.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung Freiheitliche –: Na jetzt!)  – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: War schon! Wieder mal zu spät!)

Wir haben damit die Abstimmungen beendet.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über die Beratungsgruppen I und II des Bundesvoranschlages 2001 wieder auf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

17.22

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Volksanwalt! Frau Kollegin Mag. Plank von der SPÖ, die vor der Unterbrechung zur Aufrufung der Dringlichen Anfrage meine unmittelbare Vorrednerin war, hat von einem vermeintlichen Skandal im Zusammenhang mit einem Klimt-Bild, das derzeit als Aushängeschild einer Ausstellung der Österreichischen Galerie verwendet wird, gesprochen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutigen APA war zu entnehmen, dass genau dieses Bild von Gustav Klimt, nämlich "Dame mit Federboa", zurückgestellt wird. Der Kunstbeirat hat festgestellt, dass die Rückstellungsvoraussetzungen zutreffen. Wieso sage ich dies im Zusammenhang mit der Kritik, mit der Stellungnahme der Kollegin Plank? – Ich sage das deshalb, weil genau das sehr deutlich die selektive Wahrnehmung der Sozialdemokraten, der ehemaligen linken Reichshälfte, in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zeigt.

Über etwas, das im Zusammenhang mit der Aufarbeitung unserer dunklen Geschichte vor 1945 als positiv zu bezeichnen ist, nämlich die Rückstellung eines Bildes, das jemandem abgepresst wurde, verliert man kein Wort. Aber wenn dieses Bild als Ausstellungsbild herangezogen wird, dann ist das "schrecklich". Es ist auch der morgigen Ausgabe des "Kurier" zu entnehmen, dass die betroffene Familie, also die Familie des Opfers, die das Bild jetzt zurückbekommt, sowie deren Rechtsvertreter natürlich ihr Interesse daran bekundet haben, dass dieses Bild bis zum Ende in der Ausstellung gezeigt wird, weil ja allgemein bekannt ist, dass es nicht gerade zum Schaden des Bildeigentümers gereicht, wenn ein Bild als Vorzeigeexemplar einer Ausstellung fungiert.

Meine Damen und Herren! Ich komme zur Dotierung des Versöhnungsfonds. Auch da konnten wir dieses eigenartige Bild der Sozialdemokratie und der Grünen sehen. Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen, als von Kollegin Stoisits, aber auch vom Kollegen Posch Kritik daran geäußert wurde, dass diese 6 Milliarden Schilling jetzt endlich aufgebracht wurden. (Abg. Mag. Posch: Nein! Das ist eine falsche Interpretation!) Ich muss betonen – und das ist etwas, was mich persönlich erschüttert –: Aus Ihren Worten war ganz deutlich herauszuhören, dass es Ihnen lieber gewesen wäre, diese 6 Milliarden Schilling wären nicht aufgebracht worden, als dass nun den 149 000 noch lebenden Opfern 6 Milliarden Schilling zur Verfügung gestellt werden – nur damit Sie Ihr politisches Kleingeld einwechseln können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Worum geht es? – Es wurde gesagt, 6 Milliarden Schilling werden aufgebracht, 3 Milliarden einerseits durch die Republik, anderseits durch die Wirtschaft. Ähnliches geschieht jetzt auch. Die Wirtschaft dotiert ausschließlich den Insolvenz-Entgeltausfallsfonds, von dem jene 6 Milliarden Schilling teilweise gebildet werden. (Abg. Silhavy: Aber wofür ist denn der Insolvenz-Entgeltausfallsfonds?) Was daran verwerflich sein soll, wenn dieser Überschussbetrag vorhanden ist, das ist nicht erkennbar! Es kann doch bitte niemand sagen, dass damit den Arbeitslosen auch nur ein Schilling weggenommen wird. Ich finde das wirklich arg!

Sie sollten sich auch angesichts der Tatsache, dass noch in dieser Woche, nämlich übermorgen, weitere Gespräche und Vertragsabschlüsse im Zusammenhang mit dem Versöhnungsfondsgesetz stattfinden werden, wirklich fragen, ob Sie da redlich diskutieren.

Nun noch einen kleinen Beitrag zur historischen Debatte, die heute geführt wurde über Täter und Opfer und darüber, wie sinnvoll diese Auseinandersetzung beziehungsweise die Teilung in Täter und in Opfer ist. Kollege Posch hat da irgendetwas von einem österreichischen faschistoiden Gen dahergefaselt, was er offensichtlich von Frau Jelinek übernommen hat, die einmal davon gesprochen hat. Lassen Sie mich meine Sicht der Dinge zu dieser sicher sehr heiklen Angelegenheit darlegen.

Damals, vor dem "Anschluß", hat es meiner Ansicht nach im Wesentlichen drei Gruppen in Österreich gegeben. Da waren zunächst einmal jene, die man als glühende Verfechter des Nationalsozialismus bezeichnen kann, die den "Anschluß" stürmisch begrüßt haben.

Dann gab es auch noch diejenigen, die von einer gewissen "Anschluß"-Sehnsucht gekennzeichnet waren. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass in der Ersten Republik in Österreich sehr viele von dieser "Anschluß"-Sehnsucht erfasst waren, insbesondere auch die Sozialdemokratie. War es doch auch die Sozialdemokratie, die in ihrem Parteiprogramm den "Anschluß" an Deutschland zur Grundlage hatte! Und es war der große Mann der Sozialdemokratie, Renner, der am Tag der erzwungenen und bekanntlich nicht unter regulären Bedingungen stattgefundenen Volksabstimmung davon gesprochen hat, dass dieser Tag der


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schönste Tag seines Lebens war. Also jene, die von der "Anschluß"-Sehnsucht gepackt waren, weil sie nicht daran glaubten, dass Österreich allein lebensfähig wäre, waren es, die sich letztlich dann auch in diese Liste der Opfer eingetragen haben.

Und dann gab es noch eine dritte Gruppe, das waren die glühenden Österreich-Patrioten, derer es Gott sei Dank auch sehr viele in diesem Land gegeben hat. Ich habe noch eine historische Rundfunksendung im Ohr, in der ungefähr Folgendes zu hören ist: Schuschnigg hat, wenige Tage vor dem Einmarsch, vor der gewaltsamen Annexion, eine Versammlung einberufen, in der im Stakkato immer wieder gerufen wurde: "Rot-Weiß-Rot bis in den Tod, Rot-Weiß-Rot!"

Das ist bitte eine historische Tatsache, das können Sie nicht leugnen, auch wenn dann Zehntausende Leute auf die Straße gegangen sind und denn Einmarsch letztlich begrüßt haben. Es hat diese glühenden Patrioten gegeben, die niemals für diesen "Anschluß" eingetreten sind. Letztlich hat dieser "Anschluß" – und das wissen auch Sie – nur deshalb stattgefunden, weil Schuschnigg unmittelbar vorher, also in Freiheit, in Souveränität, eine Volksabstimmung angesetzt hat und Hitler-Deutschland vermuten musste, dass diese Abstimmung negativ ausgeht. Daher ist man dann einmarschiert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme nun zur Volksanwaltschaft. Das mag jetzt kein sehr harmonischer Übergang sein, sei mir aber gestattet.

Ich habe es begrüßt, dass die Volksanwaltschaft zu Beginn dieses Jahres eine Diskussion über die beschleunigte Abwicklung von Justizverfahren vom Zaun gebrochen hat. Wir haben natürlich eine strikte Abgrenzung zu treffen: Auf der einen Seite steht die Unabhängigkeit der Rechtsprechung, da hat die Volksanwaltschaft nichts verloren – der Volksanwalt wird mir diese Ausdrucksweise verzeihen. Aber auf der anderen Seite steht die Justizverwaltung. Wo es um Verfahrensverzögerung geht, betrifft das die Justizverwaltung, und da hat die Volksanwaltschaft durchaus etwas verloren.

Ich begrüße und beglückwünsche daher die Volksanwaltschaft, dass 20 Prozent aller Beschwerden, die bei Ihnen eingegangen sind, als berechtigt angesehen und 90 Prozent dieser berechtigten Beschwerden vom Gericht über Intervention der Volksanwaltschaft letztlich abgestellt wurden. Ich verweise auf den Wahrnehmungsbericht der Rechtsanwaltskammer, in dem davon gesprochen wird, dass Verfahren teilweise überlang dauern. Erst vor kurzer Zeit ist die Republik Österreich gleich in vier Fällen verurteilt worden, weil die Verfahren zu lange gedauert haben. Das muss abgestellt werden!

Zum Verfassungsgerichtshof, Oberste Organe ganz kurz. Wir treten dafür ein, dass es bei den so genannten Massenverfahren eine Verbesserung geben muss, damit der Verfassungsgerichtshof nicht willkürlich lahmgelegt werden kann. Es ist sicher auch noch die Befangenheit der Obersten Organe zu diskutieren, nicht anhand eines speziellen Falles, sondern generell, wie Professor Adamovich, der Präsident des Verfassungsgerichtshofes gesagt hat: Die Befangenheit der Obersten Organe ist global und wissenschaftlich zu diskutieren, weil sie sich überall ereignen kann!

Beispielsweise könnte es ein Finanzveranlagungsverfahren geben, das einen Verwandten des Finanzministers betrifft, oder ein Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, das ein Unternehmen des Wirtschaftsministers betrifft, uns so weiter. – Dieses Problem ist in der Verfassung nicht geregelt. Es gibt keine Regelung in Hinsicht auf eine Befangenheit der Obersten Organe. Es muss eine Ministerverantwortlichkeit geben, genauso muss es aber auch eine Regelung darüber geben, was dann rechtens ist, wenn es eine Befangenheit des Ministers in einem konkreten Fall gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

17.32

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Meine Damen und Herren! Eine Anmerkung zu


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meinem Vorredner: Für mich ist die Kritik des Kollegen Posch im Zusammenhang mit den Entschädigungszahlungen schon nachvollziehbar und berechtigt, denn wenn Unternehmer, Dienstgeber, die Wirtschaft praktisch aus der Verantwortung entlassen werden und nur 500 Millionen Schilling sozusagen berappen, dann kann es nicht so sein, dass Arbeitnehmer und Arbeitslose mir 3,7 Milliarden Schilling zur Kasse gebeten werden. (Abg. Dr. Krüger: Die Wirtschaft hat es ja eingezahlt!) Diesen Umstand, meine Damen und Herren, wird man ja wohl noch kritisieren dürfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber Ihr Umgang mit der Geschichte veranlasst sowieso zum Kopfschütteln. Bizarr auch die Thesen des Kollegen Krüger. Aber, meine Damen und Herren, ich bin einigermaßen abgebrüht, denn ich habe in diesem Hause schon einen Ordnungsruf dafür bekommen, dass ich den Austrofaschisten Dollfuß einen "Faschisten und Mörder" genannt habe (Abg. Mag. Kukacka: Das ist völlig undifferenziert!), einen Austrofaschisten Dollfuß, der dieses Parlament beseitigt hat, der verwundete Menschen, Herr Kollege Kukacka, zum Galgen hat schleppen lassen (Abg. Mag. Kukacka: Er ist selber verwundet worden und war das erste Opfer des Nationalsozialismus!), einen Austrofaschisten Dollfuß, der von Klubobmann Khol als "echter österreichischer Patriot" bezeichnet wird und dessen Konterfei bei Ihnen in der ÖVP, Herr Kukacka, die Klubräume ziert. (Abg. Dr. Puttinger: Haben Sie schon jemals etwas nachgelesen?) So schaut das aus! Und man muss schon sehr abgebrüht sein, um all das auszuhalten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Volksanwaltschaft. (Abg. Dr. Trinkl: Lernen Sie Geschichte!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich stelle fest: Ich kann auf Grund zahlreicher Zwischenrufe nicht alles verstehen. Wir sollten in dieser Situation insgesamt vielleicht ein bisschen "heruntersteigen", sonst kommt es zu Ausdrucksweisen, die der Würde dieses Hauses nicht mehr ganz angemessen sind. (Neuerliche Rufe der ÖVP und Gegenrufe der SPÖ. – Abg. Dr. Kräuter: Na gut! – Abg. Dr. Leiner: Keine Ahnung! – Anhaltende Zwischenrufe.)

Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Kräuter! – Bitte.

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (fortsetzend): Es hängt das Konterfei des Austrofaschisten Dollfuß in Ihrem Klubraum, Herr Kollege. (Abg. Mag. Kukacka: Na und?) Ich kann dem nichts mehr hinzufügen. (Weitere "Na und?"-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Edlinger  – in Richtung ÖVP –: Was regt ihr euch auf? Er sagt ja nur die Wahrheit! – Abg. Mag. Kukacka: Nein! Er kritisiert das!)

Meine Damen und Herren! Zur Volksanwaltschaft: 55,47 Millionen Schilling Jahresbudget – um 2,7 Millionen mehr! Herr Volksanwalt, ich halte das für gerechtfertigt, denn Ihre Arbeit, Ihr Arbeitsumfang wird ja dramatisch zunehmen. Es werden sich nun mehr verzweifelte Menschen an die Volksanwaltschaft wenden, Menschen, die nicht mehr wissen, wie es weitergeht – in erster Linie im Sozialbereich, wenn ich etwa an jene 106 000 Familien im Wohnungsbereich denke, denen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine Unsicherheit zugemutet wird ... (Abg. Haller: Wieder diese Unwahrheiten!)  – Natürlich, Frau Kollegin, werden dann Zins- und Betriebkostenmöglichkeiten ausgeschöpft werden, und natürlich wird es vermehrt befristete Mietverträge geben. All das wird diesen Leuten zugemutet.

Sie werden also diesbezüglich viel zu tun haben, Herr Volksanwalt, ja überhaupt im gesamten Bereich rund um kranke und sozial geschwächte Menschen, die sich die Kosten des Krankseins nicht mehr leisten können, nachdem nun mutwillig das Solidaritätsprinzip in Österreich zerstört wird, Arbeitnehmervertretungen geschwächt und die Sozialversicherungen demontiert werden. In dieser Hinsicht werden sehr viele Aufgaben und sehr viel Arbeit auf die Volksanwaltschaft zukommen. (Abg. Großruck: Lesen Sie einmal nach im heutigen "Kurier"! Da steht es drin!)  – Herr Kollege, wie war es denn in England mit Frau Thatcher? Die hat ja auch die Arbeitnehmervertretungen zerschlagen, was katastrophale Auswirkungen auf das Gesundheitssystem hatte. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


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In England, in der Ära Thatcher, hat eine ältere Frau mit vielleicht 65 Jahren keine Chance auf beispielsweise ein künstliches Hüftgelenk gehabt, wenn sie es nicht bezahlen konnte. Pech gehabt! Kein Geld, bettlägerig – da muss man halt früher sterben! Und dagegen treten wir so entschieden auf, Herr Kollege. (Neuerlicher Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Oder: Wenn zum Beispiel jemand in den USA zusammenbricht, wird zunächst einmal geschaut, ob er eine Kreditkarte eingesteckt hat. Wenn er das nicht hat, hat er Pech gehabt. Und dieser Weg ist auch hier in Österreich zu befürchten! (Widerspruch bei der ÖVP.)

Und ich sage Ihnen ein weiteres, ganz konkretes Beispiel: Wenn die Rettungshubschrauber privatisiert sind, wird früher oder später der Tag kommen, an dem gefragt wird: Wer ist denn der Verunglückte? Hat er überhaupt die Möglichkeit, diesen privaten Rettungshubschrauber zu bezahlen? (Abg. Dr. Martin Graf: Ihr habt 20 Jahre die Rettungshubschrauber verhindert? Ihr wart das!)  – Bis vor kurzem hat es ein funktionierendes Rettungshubschraubersystem gegeben, lieber Kollege! (Abg. Dr. Martin Graf: Dann reden Sie nicht so daher, als ...!) Für die Zukunft werden wir erst sehen, ob letztendlich auch Ausländer oder sozial Schwache, wenn sie einen Autounfall haben, von diesem privaten Rettungssystem gerettet werden. Das wird die Zukunft bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nicht verabsäumen, der Volksanwaltschaft Dank und Anerkennung seitens der sozialdemokratischen Fraktion auszusprechen. (Abg. Dr. Martin Graf: Früher hat man ja nach dem Parteibuch gefragt! – Abg. Grabner: Gib einmal Ruhe!) Im Jahre 1999 haben sich 9 186 Personen an die Volksanwaltschaft gewendet. Das ist ein überaus imposantes Pensum, das die Volksanwaltschaft da zu absolvieren hatte. Ich bitte Sie, Herr Volksanwalt, auch Ihren Kolleginnen und den Bediensteten Ihres Hauses Dank zu übermitteln.

Bei den legislativen Anregungen – und das ist ziemlich interessant – urgieren die Volkanwälte im 23. Bericht der Volksanwaltschaft eine Abkehr vom Parteienproporz in den Kollegien der Bezirks- und Landesschulräte, also die oft beklagte fehlende Objektivität bei Schulpersonalbestellungen. Aber damit ist es ja oft gar nicht getan, Herr Volksanwalt. Ich habe da einen Fall vor mir, der die Schulaufsicht im Bezirk Graz-Umgebung Nord betrifft. Diese Funktion ist seit September 1998 nicht besetzt, obwohl sich der Kandidat Wolfgang Schnelzer im Assessment-Verfahren ganz klar durchgesetzt hat, in einer Kollegiumssitzung auch bestellt worden ist – interessanterweise mit einer Mehrheit aus SPÖ und FPÖ zu Zeiten der damaligen Koalition, also zweifelsfrei eine sachliche Entscheidung (Abg. Dr. Martin Graf: Weil die FPÖ dabei war!)  –, nur: Frau Minister Gehrer weigert sich seit Jahren, zu unterschreiben, meine Damen und Herren! Dieser Mann ist der Beste, er ist bestellt worden, aber die Ministerin unterschreibt nicht!

Wenn man sich also mit politischem Proporz im Zusammenhang mit Schulen beschäftigt, muss man sich auch solche Dinge anschauen. (Abg. Dr. Martin Graf: Aber der Posten geht ...!) Es wird doch nicht daran liegen, dass der betreffende Kandidat ehrenamtlich bei den steirischen Kinderfreunden engagiert ist!? Es gibt auch eine Anfrage zu diesem Thema, der mit Spannung entgegengesehen werden kann.

Ein weiterer Fall, Herr Volksanwalt. Wenn in der Steiermark Sprechstunden der Volksanwaltschaft stattfinden, werden Sie mit SchülerInnen konfrontiert sein, nämlich mit Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe. Es sind in der Steiermark rund 1 000 Schüler davon betroffen, dass sie es nicht abgegolten bekommen, wenn sie von ihrem Schulort zu einem Praxisort fahren. Sie bekommen dafür keine Freifahrt! Und das ist ein völliges Ungleichgewicht, eine Ungleichbehandlung etwa im Vergleich zur Ausbildung zu KindergärtnerInnen, die, wenn sie von der Stammschule zu einem dislozierten Platz fahren, wo sie Praxisunterricht bekommen, diese Freifahrt erhalten.

Die Stellungnahmen des Ministeriums dazu sind nicht nachvollziehbar, sie sind subjektive Interpretationen. Nach wie vor weigert man sich, diese Gleichbehandlung mit der Kindergartenausbildung zu akzeptieren. (Abg. Dr. Martin Graf: In der Steiermark können sie alles besser, seit der Leopold Schöggl dort ist!) Herr Volksanwalt, ich werde Ihnen auch Unterlagen zu diesem


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Fall übermitteln und wünsche mir, dass dieses Problem seitens der Volksanwaltschaft aufgegriffen wird.

Abschließend zur Frage zusätzlicher Aufgaben für die Volksanwaltschaft. Sie wissen, ich bin in diesem Punkt skeptisch. Zum einen, weil ich meine, dass es in Zukunft aus sozialen Notlagen heraus viel mehr Aufgaben und Probleme für die Volksanwaltschaft geben wird, verursacht von der Politik dieser Bundesregierung.

Zum Thema Gesetzesinitiativen habe ich auch schon mehrfach festgestellt, dass das ein sehr grundlegendes Problem ist. Es erhebt sich die Frage, ob nicht auch der Rechnungshof oder etwa der Datenschutzrat die Möglichkeit haben sollten, Gesetzesinitiativen einzubringen.

Ich meine aber, eine ganz andere Aufgabe wäre sinnvoll. Herr Volksanwalt! Kümmern Sie sich bitte um den Tierschutz! Ich fordere eine Tierschutz-Kompetenz für die Volksanwaltschaft. Meine Damen und Herren! Dies ist ein aus der Not geborener Hilferuf. Nehmen Sie sich dieses Themas an und helfen Sie, denn seit einem dreiviertel Jahr ist die ÖVP nicht einmal bereit, eine Sitzung zum Tierschutz in Österreich zuzulassen. Es gibt einen eigenen Unterausschuss, und ich muss der Fairness halber sagen, dass die FPÖ und natürlich die Grünen stets zu Diskussionen bereit sind.

Meine Damen und Herren! Batteriehaltung, Kuhtrainer, Spaltbodenhaltung, Massentierhaltung, Fallen, Schlageisen, ausgesetzte Tiere, die ungeklärte Situation, was gefährliche Hunde betrifft – all das ist eine wirklich skandalöse Situation. Fragwürdige Lobbygruppen werden geschützt. Eine gute Möglichkeit, hier Fortschritte zu erzielen, Herr Volksanwalt, wäre eine Tierschutz-Kompetenz für die Volksanwaltschaft. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Dafür sind schon Parlament und Abgeordnete zuständig, Herr Kräuter!)

17.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Zernatto. – Bitte.

17.42

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Meine Herren Staatssekretäre! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Vertreter der Volksanwaltschaft und des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr darüber, dass zumindest dann und wann die Rede doch auch auf die Volksgruppen in Österreich kommt, und möchte meinen Beitrag in einem kurzen Einleitungsteil auch diesem Thema widmen, weil ich tatsächlich meine, dass es bemerkenswert war, in welcher Geschwindigkeit und mit welcher Selbstverständlichkeit diese Regierung gerade in Fragen der Volksgruppenpolitik echte Schritte gesetzt hat.

Dass diese Schritte nur deshalb möglich waren, weil es hier im Haus einen sehr breiten, ja eigentlich alle politischen Gruppierungen umfassenden Konsens in wesentlichen Themen gegeben hat, das möchte ich hier auch durchaus anerkennend anmerken. Die Staatszielbestimmung, wie sie heute vorliegt, wäre anders auch gar nicht beschlussfähig gewesen.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass auch im kommenden Haushalt der Republik Österreich der Volksgruppenpolitik entsprechender finanzieller Spielraum eingeräumt wird, dass es zu keinen Kürzungen gegenüber dem bisherigen Budgetansatz gekommen ist und dass damit sichergestellt ist, dass auch in Zukunft das, was Ziel dieser Staatszielbestimmung und der Volksgruppenpolitik in Österreich insgesamt ist, nämlich die ethnische, kulturelle und sprachliche Vielfalt in Österreich entsprechend zu fördern, aufrechterhalten werden kann.

Ich möchte, weil heute bereits einige praktische Beispiele in diesem Zusammenhang erwähnt wurden, darauf hinweisen, dass auch einmal festgestellt werden muss, dass diese Politik nicht nur akademische, sondern sehr wohl auch ganz praktische Bedeutung erlangt hat, und dass es nachweisbare Erfolge gibt.


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Wenn wir gerade in Kärnten – und da kenne ich mich sehr gut aus – heute sagen können, dass es auf Basis der letzten Volkszählung im Zeitraum zwischen 1981 und 1991 de facto zu einer Stagnation der Assimilierung gekommen ist, dass sich also nahezu gleich viele Menschen zu ihrem slowenischen ethnischen Herkommen und ihrer Sprache und ihrer Kultur bekennen, so ist das zweifellos ein bemerkenswerter Umstand, vor allem wenn man sich die Entwicklung in den Perioden davor ansieht, in denen dramatische Rückgänge dieses Bekenntnisses sichtbar wurden.

Meine Damen und Herren! Wenn man weiß, dass sich die slowenische Volksgruppe in Kärnten in vielen Bereichen deutlich positiv von der Mehrheitsbevölkerung abhebt – zum Beispiel sind in dieser Volksgruppe im Verhältnis doppelt so viele Akademiker zu finden, ist die slowenische Volksgruppe in der Einkommenssituation deutlich besser gestellt –, so ist das ein Hinweis darauf, dass vor allem das, was hier im Rahmen der Bildungspolitik geschehen ist, tatsächlich auch funktioniert hat. Dass es eine zweisprachige Ausbildung im Grundschulbereich gibt, dass es eine zweisprachige Handelsakademie in Kärnten gibt, dass es eine zweisprachige Gymnasialausbildung gibt, hat letztlich auch dazu geführt, dass es in diesem Zusammenhang vor allem auch, was die akademische Fortbildung anlangt, solche Fortschritte gegeben hat. Ich kann die Regierung und uns hier im Haus nur ermuntern, das in dieser Richtung fortzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Da Dr. Kräuter die Diskussion auch wieder in die Vergangenheit geführt hat, erlauben Sie mir ein paar ganz persönliche Worte zu diesem Thema. Ich stamme vielleicht aus einem etwas eigenartigen Biotop, das aber wahrscheinlich gar nicht so eigenartig ist, ich halte es eher für ein typisch österreichisches.

Ich stamme aus einer Familie, der auch jener Minister der Regierung Schuschnigg, der heute schon einmal zitiert wurde, nämlich Guido Zernatto, mein Großonkel, entstammt. Jener Teil der Familie ist tief verwurzelt in einer christdemokratischen und christlichsozialen Tradition. Ich stamme aber aus einer Ehe, in der der andere Teil in einer ganz anderen Tradition gestanden ist, nämlich viele zumindest in einer passiv, teilweise sogar durchaus aktiv zustimmenden Haltung zum Nationalsozialismus.

Meine Damen und Herren! Ich bin in eine Familie hineingeboren worden, in der das Gespräch noch sehr häufig und auch über politische Fragen geführt wurde. Wenn ich mir die Diskussion hier im Hause anhöre, dann beschleicht mich oft etwas wie Angst. Natürlich muss man da differenzieren. Natürlich hat das alles auch Gründe und Motive gehabt, und natürlich darf man die Geschichte der Donaumonarchie und die Geschichte der Ersten Republik absolut nicht ausblenden. Man darf zum Beispiel nicht ausblenden, dass diese Erste Republik und ihre politischen Repräsentanten es offensichtlich nicht geschafft haben, jene Sprachlosigkeit zu überwinden, die im Ständestaat und dann letztlich im "Anschluß" geendet hat. Letztlich war es diese Sprachlosigkeit der politisch Verantwortlichen, die dazu geführt hat, dass sie nicht mehr die Fähigkeit entwickeln konnten, Barrieren zu überwinden und ein Gespräch zu führen.

Ich bin auch noch von jener Generation von Politikern nach dem Krieg geprägt, die fast keine Gelegenheit ausgelassen haben – das war nebenbei auch die Aufforderung, die ich in meiner Familie immer mitbekommen habe –: Versuche bitte in deinem Leben immer, auch mit dem Kopf der anderen zu denken! Argumente sind nicht automatisch falsch, nur weil sie vom politischen Mitbewerber kommen. Verlange aber auch Respekt für deine Argumente.

Meine Damen und Herren! Ich glaube an das, was von diesen älteren Kollegen immer betont wurde, an jenen Geist der Lagerstraße, der damals immer beschworen wurde, jener Lagerstraße in den verschiedenen Konzentrationslagern des "Dritten Reiches", wo sich jene Politiker, die die Sprachlosigkeit vor dem Krieg nicht überwinden konnten, dann wieder getroffen haben.

Und das fordere ich eigentlich ein oder das ist eine Bitte von mir – gar nicht so sehr eine Forderung, das steht mir nicht zu –, dass wir in der heutigen politischen Diskussion mit den ungeheuren Problemen und Sorgen, die wir mit der Gestaltung der Zukunft haben, jetzt nicht versuchen, diese Diskussion auf eine – wie ich meine – inadäquate Weise zu einer historischen


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Diskussion umzuwandeln, mit dem einzigen Zweck, den politischen Mitbewerber in irgendeiner Form zu diskreditieren. Ich bin überzeugt davon, das ist inadäquat, und ich meine, es würde auch jenen absolut nicht entsprechen, die uns die Ratschläge mitgegeben haben, von denen ich vorhin gesprochen habe.

Entschuldigen Sie, dass ich meine Redezeit überzogen habe, und entschuldigen Sie, dass ich zu einem Thema gesprochen habe, das vielleicht auch meine Kompetenz etwas überschritten hat. (Abg. Dr. Mertel: Entschuldigt!) Aber es war mir ein Anliegen, und es ist mir wichtig, dass wir die Fähigkeit, miteinander zu reden, miteinander konkret und sachlich zu diskutieren, nicht opfern auf dem Altar billiger Parteipolemik. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Brosz: Der Adressat war nicht da, der ist schon gegangen!)

17.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich erlaube mir die persönliche Feststellung, dass es das wirklich wert war, die Zeit zu überziehen und diese Aussage zu treffen, und erteile dem nächsten Redner, Herrn Abgeordnetem Mag. Maier, das Wort. – Bitte.

17.51

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Ich möchte mich persönlich den Schlussworten meines Vorredners anschließen, dass nicht zugunsten von Parteipolitik auf Argumente verzichtet werden soll. Ich werde daher versuchen, argumentativ zu begründen, warum aus Sicht der Sozialdemokratischen Partei eine Verbesserung des Datenschutzniveaus in Österreich absolut erforderlich ist.

Der Herr Bundeskanzler, der bei der Diskussion heute leider nicht anwesend ist (Abg. Schwarzenberger: Aber sehr viel Zeit war er hier!), hat im Budgetausschuss meine Fragen, ob er eine Novellierung des Datenschutzgesetzes für notwendig erachtet beziehungsweise ob er dafür eintritt, dass das Büro der Datenschutzkommission und des Datenschutzrates besser ausgestattet wird, beide mit Nein beantwortet. Also es wäre keine Novellierung des Datenschutzgesetzes notwendig und zweitens auch keine bessere Ausstattung des Büros der Datenschutzkommission und des Datenschutzrates.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich den Budgetentwurf ansieht, ist nicht ersichtlich, was die Republik tatsächlich für den Datenschutz in Österreich ausgibt. Es ist damit auch nicht zu ersehen, wie wir im europaweiten Vergleich liegen.

Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, kam die Erfindung der Bürgercard, die neue datenschutzrechtliche Probleme schafft, Probleme, die legislativ gelöst werden müssen. Wir meinen, dass allein deswegen eine Novelle des Datenschutzgesetzes absolut notwendig ist.

Darüber hinaus haben aber die Diskussionen der letzten Wochen in der so genannten Spitzelaffäre gezeigt, und zwar deutlich wie noch nie, dass wir Defizite im österreichischen Datenschutzrecht haben. Es wurde aufgezeigt, dass es fehlende Kontrollen bei Abfragen insbesondere von sensiblen Daten gibt und dass es auch Probleme gibt mit der personellen und sachlichen Ausstattung des Büros des Datenschutzrates in der Datenschutzkommission.

Jetzt kann man zur Frage der so genannten Bürgercard unterschiedlicher Auffassung sein, wir Sozialdemokraten stehen ihr absolut kritisch gegenüber. Schüssel hat zwar höchsten Datenschutz angekündigt, aber nicht gesagt, dass dazu auch das Datenschutzgesetz novelliert werden muss. Er hat vom "schlanken Staat" und vom "starken Bürger" gesprochen. Ich frage mich: Braucht nicht der starke Bürger auch starke Datenschutzrechte? – Diese Frage ist bislang unbeantwortet geblieben.

Ich darf an dieser Stelle auch an eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erinnern. Der Verfassungsgerichtshof hat sich jüngst gegen bestimmte EKIS-Daten geäußert. Er hat massive Bedenken dagegen geäußert, dass im Polizeicomputer Vermerke über Strafverfolgungs


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maßnahmen unverändert erhalten bleiben, auch wenn sich bereits herausgestellt hat, dass an dem Verdacht nichts dran war.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht daher nicht nur um eine Novelle zum Datenschutzgesetz, es geht auch darum, dass wir uns die Datensicherheitskonzepte im öffentlichen wie im privaten Bereich genau ansehen und hier Lösungen für mehr Datenschutz in Österreich anbieten.

Ich bringe daher den folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier, Dr. Jarolim und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzniveaus in Österreich

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

1. Der Bundeskanzler wird aufgefordert, unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Maßnahmen im Innenministerium, der Datensicherheit im öffentlichen und privaten Bereich unter Beiziehung des Datenschutzrates eine umfassende Novelle des Datenschutzgesetzes vorzubereiten. Diese Novelle hat insbesondere

die Einführung einer unabhängigen Datenschutzanwaltschaft als zentrale Ansprechstelle für die BürgerInnen,

eine Stärkung der Datenschutzkommission,

eine zwingende Protokollierung des Zugriffs zu Datenbanken mit sensiblen personenbezogenen Daten,

eine Stärkung der Rechte der BürgerInnen auch im privaten Bereich (z. B. Zuständigkeit der Datenschutzkommission),

ein kostenloses erweitertes Auskunftsrecht im öffentlichen und privaten Bereich sowie

ein generelles Verbot der Weitergabe von sensiblen Daten

zu beinhalten.

2. Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehendst ein Konzept der angekündigten Bürgercard vorzulegen und dieses in einer parlamentarischen Enquete zu diskutieren.

3. Der Bundeskanzler wird aufgefordert, der Datenschutzkommission und dem Datenschutzrat das notwendige zusätzliche Personal zur Verfügung zu stellen, dass diese wichtigen Einrichtungen zumindest über Personal im europäischen Schnitt verfügen.

4. Der Bundeskanzler wird aufgefordert, durch geeignete Informationsmaßnahmen das Datenschutzbewusstsein in Österreich zu erhöhen.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, das waren sachliche Argumente, so wie auch mein Vorredner sachliche Argumente gebracht hat. Die sozialdemokratische Fraktion darf Sie einladen, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.58


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Der eben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in sachlichem Zusammenhang und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

17.58

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Wir debattieren das Budget, Beratungsgruppe I, Oberste Organe. Es geht um Zahlen und um Fakten, aber nicht nur darum, sondern natürlich auch um die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen, die mit den Budgets gesetzt werden.

Ich gehe davon aus, dass die Sinnhaftigkeit der Institution Volksanwaltschaft Konsensmaterie ist. Ich vermeine, das auch den Ausführungen des Kollegen Kräuter entnommen zu haben.

Die Institution Volksanwaltschaft kann natürlich nicht nur dazu dienen, Anlaufstelle für Bürger zu sein, sozusagen eine Klagemauer für den Bürger, sie soll doch auch Missstände aufzeigen und Anregungen zur Verbesserung der Situation geben. Ich habe den Bericht 1999 der Volksanwaltschaft mitgenommen. Mein Appell richtet sich in diesem Zusammenhang an meinen Vorredner, Kollegen Kräuter, der die Befürchtung hat, dass es unter der neuen Regierung noch viel mehr Fälle geben könnte, die die Volksanwaltschaft beschäftigen.

Zu den sehr berührenden Ausführungen des Kollegen Christof Zernatto: Ich respektiere Ihre Befürchtungen, wenn sie ehrlich gemeint sind, aber dieser dicke Band beinhaltet Fälle, die in der Zeit der vergangenen Regierung aufgezeigt worden sind und die bis heute einer Erledigung harren. Das ist der Bericht 1999.

Ich möchte mich hier auf einige wenige Fälle beziehen, auf Grund von Anlassfällen, die mir in meiner politischen Tätigkeit untergekommen sind und die wirklich schon seit vielen, vielen Jahren, Herr Kollege Kräuter, einer Erledigung harren. Sie selbst haben die Besetzung von Schulleiterposten angeschnitten, ein Thema, das wir Freiheitlichen seit langem in der politischen Diskussion führen und das in den Berichten der Volksanwaltschaft seit dem Jahre 1993 angekreidet wird, und zwar weil Schulleiter- und Lehrerposten nach wie vor auf Vorschlag von nach dem Parteienproporz bestellten Kollegien der Bezirks- und Landesschulräte besetzt werden.

In Kärnten ist es anders, wie man weiß. Ich hoffe, dass es in Zukunft ... (Abg. Dr. Kräuter: Das glauben Sie ja selber nicht!)  – Doch, das glaube ich selber, weil ich weiß, dass es anders ist, und Sie müssten es auch wissen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser. ) Ich hoffe, dass es zusehends auch zu einer Aufhebung dieses Parteienproporzes kommen wird, Herr Kollege Niederwieser, und wir beide sind ja selber einmal in so einem Gremium in Tirol gesessen.

Ich möchte aber auch ankreiden – und ich bin sehr froh, dass Herr Staatssekretär Finz aus dem Finanzministerium noch da ist –, dass hier immer wieder, und zwar auch seit dem Jahr 1993, ein Manko aufgezeigt wird in Bezug auf die Abzugsfähigkeit von Krankenversicherungsbeiträgen, und zwar von Privatversicherungen bezüglich Grenzgänger. Das betrifft Grenzgänger sowohl in die Schweiz als auch in das benachbarte Deutschland, also es geht da vor allem um Vorarlberg und Tirol, und das schon seit vielen Jahren.

Wenn diese Menschen, die im Ausland tätig sind, auf Grund dessen, dass dort die Möglichkeit besteht, sich privat versichern zu lassen, und diese Privatversicherungen billiger angeboten werden, davon Gebrauch machen, dann haben sie nicht die Möglichkeit, diese Privatversicherungen in Österreich abzusetzen. Ich glaube, dass da schnellstmöglich eine Gleichstellung erfolgen muss und auch private Versicherungen für Grenzgänger als Werbungskosten anzuerkennen sind.


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Ein weiterer Fall, der mir als Familiensprecherin natürlich persönlich am Herzen liegt und der auch das Finanzamt oder die Finanzämter betrifft: Es wird von der Volksanwaltschaft seit Jahren immer wieder aufgezeigt, dass es zu Verfahrensverzögerungen im Bereich der Familienbeihilfe und anderer Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz kommt, vor allem bei Verfahren betreffend die erhöhte Familienbeihilfe. Es ist dezidiert aufgelistet, welche Finanzlandesdirektionen das betrifft. Es wird die sehr, sehr lange Verfahrensdauer angekreidet, und es wird auch angekreidet, dass Ersuchen der Volksanwaltschaft nicht rasch beantwortet werden.

Ich glaube, die 300 Millionen Schilling, die im Rahmen des nächsten Budgets aus dem Familienlastenausgleichsfonds an die Finanzämter überwiesen werden, sind auch als Beitrag zu sehen, der es ermöglichen soll, dass in diesem Bereich Abhilfe geschaffen wird und die betroffenen Menschen schneller zu ihrem Recht kommen.

Zum Schluss meiner Ausführungen aber bereits eine erste positive Anmerkung, und zwar bezüglich der Frauenberatungsstellen: Seit 1997 wird von der Volksanwaltschaft die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Frauenberatungsstellen verlangt. Das ist eine Maßnahme, die nicht nur von Seiten der Volksanwaltschaft, sondern auch von den Frauenberatungsstellen selber angekreidet wurde. Wir haben es mit dieser neuen Regierung bereits geschafft, im Bereich der Jugendförderung gesetzliche Maßnahmen in Gang zu setzen, und ich kann Ihnen berichten, dass im Sozialministerium bereits entsprechende Arbeiten auch für Frauenberatungsstellen in Angriff genommen worden sind. Es sollen zuerst einmal neue Kriterien für Richtlinien ausgearbeitet werden, und es ist ernsthaft daran gedacht, diese Förderungsrichtlinien dann per Gesetz zu erlassen.

Ich freue mich sehr darauf, wenn in Zukunft gerade Frauen betreffend die Förderungen nicht mehr willkürlich und nach parteipolitischen Erwägungen erfolgen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

18.06

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Irgendwie bin ich geneigt, einmal ein wenig Kritik anzubringen, was den Ablauf unserer Budgetdebatten überhaupt betrifft. Es gibt da so einen fließenden Übergang: Jetzt hat es Redebeiträge zur Volksanwaltschaft gegeben, nun kommt gewissermaßen der Kulturblock, da will sich die Kultur zu Wort melden und diskutieren, nämlich der 36. mit dem 38. oder so etwa. (Abg. Haller: Das ist aber nicht neu, Herr Cap!)  – Nein, es ist nur eine Anregung. Das ist jetzt kein Vorwurf – an niemanden –, aber heute ist mir das wieder besonders aufgefallen, und ich habe mir gedacht, ich sage es eben einmal hier im Plenarsaal. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Vielleicht kann man einmal gemeinsam darüber nachdenken, wie man die Budgetdebatten in Zukunft gestaltet. Ich kann es ja auch niemandem verübeln, wenn er Zuflucht in einer Zeitung sucht oder auf der Regierungsbank das zweite Mal erfolgreich eine Schlafattacke abgewehrt wird. Ich verstehe das. Die Debatte zieht sich über Stunden, und das hat irgendwie kaum eine Strukturierung. Ich sage das einmal einfach als Vorschlag.

Das Zweite: Ich habe die Worte von Christof Zernatto sehr beeindruckend gefunden. Wenn man versucht, sich mit dieser Geisteshaltung zusammenzusetzen und sich gemeinsam, sei es auch kontroversiell, etwa über die Zeit von 1918 bis 1945 auseinander zu setzen, das zu erörtern, zu diskutieren, aufzuarbeiten – in welchem Rahmen auch immer –, so halte ich das für sinnvoll, mit dem Ziel, daraus zu lernen, und vor allem mit dem gemeinsamen Ziel, dass sich vieles, vieles aus dieser Zeit nicht wiederholen möge, und sei es auch in anderer Form und anderer Gestalt.

Ich glaube, das ist eine Basis, die einen Grundkonsens zwischen uns darstellen könnte und auf der man arbeiten sollte – egal, ob man jetzt gerade in der Opposition oder in der Regierung ist. Ich meine, auch dafür ist diese Debatte hier nicht geeignet, um zwischen zwei Themen schnell aufzuarbeiten: Was ist mit Seyss-Inquart, warum ist der gerade in der Regierung, und wann war die letzte Erklärung? Das geht nicht. Man soll sich eine Enquete überlegen oder irgendetwas


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anderes. Wir haben ja zum Beispiel ein Haus der Toleranz, ein Haus der Geschichte diskutiert, wo man sich ja auch Gedanken über die Zeit von 1900 bis 2000 unter diesem Gesichtspunkt machen könnte. Aber das muss man in Ruhe aufarbeiten und nicht exkommunikativ, so als ob sich quasi heute noch die Frage stellen würde, ob der X und der Y jetzt ... Das hat keinen Sinn.

Das wäre mein Bedürfnis, und ich sehe die Initiative, die Christof Zernatto da ergriffen hat, auch als einen Anstoß dazu, sich damit vielleicht einmal gedanklich oder in einer bestimmten Veranstaltungsform im Parlament auseinander zu setzen. Ich hielte das für sinnvoll. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.)

Damit es aber Herrn Staatssekretär Morak nicht allzu gut geht auf der Regierungsbank, muss ich jetzt doch in der Sache hier etwas einbringen, was sozusagen mit der beginnenden Kulturthematik zusammenhängt. Ich will jetzt nicht die Debatten wiederholen, die wir in den Ausschüssen, auch im Budgetausschuss, bereits hatten, aber ich habe heute mit großem Interesse – natürlich, das wird er sich auch gedacht haben – sein Interview auf der Kulturseite im "Standard" verfolgt, wo er einmal mehr von einem interessierten Journalisten zu nicht unwesentlichen Themen der Kulturpolitik, des kulturellen Klimas, des kulturellen Selbstverständnisses auch seiner Arbeit als Staatssekretär befragt wurde.

Ich möchte vorausschicken, ich nehme auf Grund seiner Wortmeldungen hier denn doch an, dass sein Anspruch weiter gehend ist, als bloß Kulturadministrator oder Kulturmanager oder eben Staatssekretär im engeren Sinn zu sein, sondern ich denke, dass er auch den Anspruch stellt, sich politisch zu äußern, sich, wie er es hier einmal so schön getan hat, über die Frage der Buchpreisbindung oder der Sozialversicherung, über die vielen sehr, sehr wichtigen Detailthemen seines Ressorts zu äußern, ja sich darüber hinaus gehend zu äußern, seine Meinung zu bilden.

Was mich irgendwie gestört hat – ich sage das heute noch einmal; vielleicht haben wir einmal Gelegenheit, darüber ausführlicher zu diskutieren, aber es wäre zumindest eine Gelegenheit, darauf von der Regierungsbank her zu replizieren –, war, dass Sie, Herr Staatssekretär, bei der letzten Kulturdiskussion, die wir hier hatten, nicht sehr engagiert waren, nämlich als drei Abgeordnete der FPÖ zum Rednerpult gingen und sich mit der zeitgenössischen Kunst in einer Art und Weise auseinander gesetzt haben, wie es eben bislang bei einem Teil der FPÖ-Abgeordneten immer üblich war, nämlich sehr diskriminierend, sehr kritisch und eigentlich auch sehr ausschließend, so quasi: Na, wenn der Filmemacher nicht genug Leute im Kino hat und der Theatermacher nicht genug Leute im Theater und der Literat nicht genug gelesen wird – was soll das dann eigentlich?

Frau Abgeordnete Burket hat sich da sehr hervorgetan, weiters Kurzmann und am Schluss dann Gaugg. (Zwischenruf des Abg. Jung. )  – Nein, ich weiß schon: Er sagte ja, eine Koalition ist keine Liebesbeziehung. Und dass er den Abgeordneten Jung auf der Stirn "abbusselt", würde ich von ihm niemals fordern – so eine Strafe, glaube ich, wäre auch wirklich viel zu hart für ihn. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Brinek: Sie wissen nicht, was Liebe ist!)

Aber ich glaube doch, dass Staatssekretär Morak gefordert wäre, sich an dieser Diskussion zu beteiligen und hier eine Meinung zu äußern und sich eigentlich sehr dezidiert auf die ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jung. )   – Wieso gerade Sie sich zur Kunstdebatte äußern, ist mir überhaupt schleierhaft, aber Sie werden das nachher erklären können.

Ich meine, der Herr Staatssekretär hätte hier doch die Möglichkeit, sich auf die Seite der angegriffenen zeitgenössischen Künstler zu stellen, und auch auf die Fragen, die im "Standard" von ihm letztlich nicht beantwortet wurden – nämlich zum Beispiel die Auswirkung der Freiheitlichen auf die Kulturpolitik, auf Ihre Kulturpolitik, auf das, wobei er anscheinend oft viele Schwierigkeiten in den Veranstaltungen mit Künstlern hatte, auch schon am Beginn dieser Regierungsbildung –, einzugehen.

Da ist es ein bisschen zu wenig, wenn man sagt: Nein, das ist keine Liebesbeziehung, und im Übrigen haben wir jetzt sowieso Buchpreisbindung, Sozialversicherung und diverse Dinge


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gemacht. – Das ist positiv! Das haben wir auch gemeinsam gemacht: Buchpreisbindung, Künstler-Sozialversicherung. Das halte ich für positiv, da ist, glaube ich, einiges weitergegangen. Da muss man aber noch vieles tun – das haben wir ohnehin bereits diskutiert zum Bereich der Künstler-Sozialversicherung. Aber ich bin der Ansicht, es ist wichtig, dass sich ein Staatssekretär für Kulturfragen in solch einer Diskussion eindeutig auf die Seite der kritisierten Künstler stellt. Deswegen geht die Koalition noch lange nicht zu Bruch. Die werden das aushalten, die drei, nehme ich an, wenn der Herr Staatssekretär sich dazu äußert. Und das, meine ich, wäre notwendig. Vielleicht wollte er es sich aufheben und das nicht dem "Standard" sagen, sondern es heute im Plenum sagen – kann auch sein –, aber ich würde ihn doch auffordern, dass er letztlich dazu Stellung bezieht, auch was zum Beispiel die Frage des Herrn Rohsmann betrifft. Da ist es auch zu wenig, wenn man sagt, man soll das hysteriefrei betrachten, quasi: Kärnten ist weit, man soll keine Hysterie entwickeln. – Ich glaube, dass diese Attacken, die auf ihn stattgefunden haben, es auch erforderlich machen, eindeutig Position zu beziehen.

Und damit komme ich zum dritten Punkt – ein Thema, das eigentlich immer wieder in diesen Debatten vorkommt –: Es ist die Diskussion rund um das Museumsquartier und was diese berühmte "Public Netbase"-Gruppe betrifft. Wir haben das diskutiert in der Zukunftswerkstätte, und ich muss hier das sagen, was ich auch dort erklärt habe: Es ist ja schon beeindruckend, dass man viel mehr darüber diskutiert, ob "Public Netbase" überhaupt im Museumsquartier ist, und wenn ja, wie lange, und viel weniger, was die überhaupt machen. Aber so gesehen – so gesehen! – muss ich sagen, ich weiß einigermaßen, was sie tun, und ich glaube, dass das sehr sinnvoll ist und dass das Museumsquartier davon auch profitieren wird.

Und einer, der so ein Marketing-Talent ist, dass er quasi immer wieder in den Veranstaltungen vorkommt – und nicht einmal so schlecht vorkommt –, ist eigentlich ein Gewinn. Er sollte dort einfach schon allein aus dem Grund Platz nehmen, weil er ein Werbefaktor für das Museumsquartier ist.

Aber Sie sagen immer wieder, es wird evaluiert, evaluiert, evaluiert. – Mich würde langsam interessieren: Was ist das Ergebnis dieser Evaluierung, und wie stehen Sie eigentlich grundsätzlich dazu? Ist es nicht auch Ihrer Meinung nach langsam sinnvoll, diese Debatte unter anderem dadurch zu beenden, dass man sich letztlich dezidiert dafür einsetzt – das muss natürlich primär Herr Dr. Waldner machen –, dass die Breite des Spektrums im Museumsquartier auch durch die Präsenz dieser und ähnlicher Gruppen abgedeckt ist – ob das jetzt "Depot" oder "Public Netbase", und wie sie alle heißen, ist – und dass das damit garantiert ist.

Ich glaube, dass Sie sich damit eigentlich nichts vergeben, sondern, im Gegenteil, für diese Gestaltung dieses Museumsquartiers eher einen sinnvollen Beitrag leisten.

Ansonsten hat mich das irgendwie beeindruckt, dass Sie letztlich in dem Interview auch zugegeben haben, dass wir eine 12-prozentige Budgetreduktion für die Kunstförderung hatten. Dass das jetzt nicht weiter fortgesetzt wird, ist grundsätzlich positiv, aber letztlich gab es diese, und das ist an sich unerfreulich genug.

Abschließend möchte ich noch den österreichischen Film hervorheben. Dafür haben Sie sich in der Vergangenheit eigentlich sehr stark eingesetzt, und da muss ich sagen: Der österreichische Film ist ein wirkliches Stiefkind in Österreich, und das ist – das sage ich jetzt sozusagen auch im Interesse des Herrn Staatssekretärs – nicht nur eine Frage der Kultur, das ist auch eine Frage des Standortes, letztlich auch eine Frage der Wirtschaftsförderung, eine Frage auch der Animation von privatem Kapital, das hier eingebracht wird, und diverser anderer Ressorts – also nicht nur des Ressorts des Herrn Staatssekretärs, aber auch. Ich finde, es wäre sehr sinnvoll, wenn er sich da durchaus konfliktbereit gegenüber dem Finanzminister und anderen einbrächte.

Das wollte ich hier in aller Sachlichkeit in die Diskussion einbringen und hoffe, dass der Herr Staatssekretär darauf auch eine Antwort gibt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.16


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47. Sitzung / Seite 135

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

18.16

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Vorsitzender der Volksanwaltschaft! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Cap, es tut mir Leid, dass ich jetzt die Kunstdebatte unterbrechen muss, denn ich möchte mich mit diesem Haus, also mit dem Hohen Haus, und mit der Organisation dieses Hauses beschäftigen. – Ich stimme da vollkommen mit Ihnen überein, aber es tut mir Leid.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Rahmen der Budgeterstellung für 2001 hier im Hause etwa 50 Millionen Schilling an Einsparungen vorgenommen, und zwar durch Kürzung von nicht wirklich notwendigen Bauinvestitionen im Hause, durch Kürzung von Repräsentationsausgaben – Repräsentationsausgaben im weitesten Sinne – und durch die Reorganisation des Informationssystems – sprich: die viel zitierte Papierflut.

Ich vermag die Feststellungen des Herrn Kollegen Schieder eigentlich nicht zu verstehen, dass durch diese Kürzungen der Parlamentarismus oder gar die Demokratie in Frage gestellt wird; ich glaube, dass es bei diesen Einsparungen vergleichsweise um "peanuts" geht.

Wir haben zusätzlich 50 Millionen Schilling eingespart, und zwar durch eine 2,5-prozentige Erhöhung des Pensionsbeitrages bei den aktiven Politikerbezügen. Weitere Einsparungen gibt es bei den Parteien beziehungsweise bei den Klubs – Stichwort LIF: es wurden die Klubbeiträge, die früher an das LIF gegangen sind, nicht aliquot an die noch hier vertretenen Parlamentsparteien verteilt, sondern im Gegenteil: diese wurden eingespart –, und wir haben über zwei Jahre hindurch bei den politischen Bildungsinstitutionen weitere 5 Millionen Schilling eingespart.

Das soll uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es natürlich wirklich dringender Reformmaßnahmen in diesem Haus bedarf. Was die schon zitierte Eindämmung der Papierflut angeht: Es wäre selbstverständlich, dass jeder unserer Kollegen einen Internet-Anschluss erhält, die entsprechenden maschinellen Einrichtungen, weil ich glaube, dass diesbezüglich noch enormes Einsparungspotential vorhanden ist.

Ich meine auch, dass beim Verwaltungspersonal Einsparungen möglich sind. Ich denke zum Beispiel an die so genannte Spesenabrechnung. Meine Damen und Herren! Da waren wir selbst schuld, weil wir diese Spesenabrechnung in einer Art und Weise verkompliziert haben, dass für die Kontrolle dieser Abrechnungen enorm viel Zeit beansprucht wird – Zeit heißt natürlich Personalkosten. Auch dazu gibt es Einsparungsvorschläge. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Eine ganz, ganz wichtige Investition hier im Hause wäre die elektronische Abstimmungsanlage. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Niederwieser. ) Wir sind wahrscheinlich das einzige Parlament oder nahezu das einzige Parlament, das noch nicht über eine solche Abstimmungsanlage verfügt.

Ein sehr wichtiges Anliegen hier im Hause war für mich immer der Legislativdienst. Meine Damen und Herren! Wir brauchen in diesem Haus eine Institution, die aus Juristen, Sprachwissenschaftern, Verfassungsrechtlern, aber auch aus Fachleuten aus der Wirtschaft besteht und uns zur Seite steht, um unsere gesetzlichen Vorhaben nach all den Kriterien wie Verständlichkeit, Verfassungsmäßigkeit, aber auch Kosten zu prüfen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube auch, dass wir wieder einmal, wie unser Kollege Cap schon angeregt hat, eine Reform der Geschäftsordnung überlegen sollten. Ich denke an die letzte Plenardebatte zu den Budgetbegleitgesetzen. In dieser Debatte haben sich damals etwa 100 Redner zu Wort gemeldet. Es war nach etwa 20 Rednern alles gesagt, aber es hatte noch nicht jeder alles gesagt. (Abg. Dr. Mertel: Heute auch!) Diese Diskussion, insbesondere jener Teil zum Kapitel Politikerbezüge, war wirklich degoutant.


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47. Sitzung / Seite 136

Wir müssen der Redaktion der Fernsehsendung "Hohes Haus" dafür danken, dass nicht alle Peinlichkeiten, die hier in diesem Hause stattfinden, dem Bürger via Bildschirm offeriert werden.

Meine Damen und Herren! Wir werden wahrscheinlich mittelfristig auch über ein neues Wahlrecht nachdenken müssen, wir werden wahrscheinlich auch darüber nachdenken müssen, ob wir wirklich 183 Abgeordnete hier im Haus benötigen. Wir haben viel an Gesetzeskompetenz nach Brüssel abgegeben, und es wäre ganz gewiss ein ... (Abg. Dr. Mertel: Wann treten Sie zurück?) – Frau Dr. Mertel, haben Sie Angst um Ihren Job? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich nicht, nein, ich ganz gewiss nicht.

Das wäre sicher auch ein Punkt, der ernsthaft diskutiert werden müsste. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Ich erteile ihm das Wort.

18.22

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Kunst: Es ist natürlich immer schwierig, dann, wenn dazwischen ein anderer Debattenbeitrag erfolgt, wieder den Zusammenhang herzustellen. Ich möchte nur kurz auf das Kunstbudget eingehen.

Zunächst möchte ich sagen, dass der Herr Staatssekretär mittlerweile auch jene Maßnahmen goutiert, die er voriges Jahr noch angeprangert hat. Er spricht in einem Interview im "Format" davon, dass 200 Millionen Schilling für die Kulturhauptstadt Graz 2003 aus einer Sonderfinanzierung kommen, dass 75 Millionen Schilling für den Ausbau des Musikvereines aus einer Sonderfinanzierung kommen. Wir haben dasselbe für das Konzerthaus und auch für das Theater in der Josefstadt gemacht, nur: Bei den letzten Verhandlungen hat es der Finanzminister dem Herrn Staatssekretär noch in das normale Budget hineingedrückt, und da hat es geheißen, es wären ungedeckte Schecks gewesen.

Nunmehr bedient man sich einer Finanzierungsform, die für den Kulturbereich an sich Sinn macht, für die Großvorhaben des Kulturbereiches. Man hätte nur im Vorjahr auch diese beiden großen Brocken draußen lassen und über Sonderfinanzierungen finanzieren müssen, dann wäre man wahrscheinlich zu einer geringeren Einsparung gekommen, weil diese großen Brocken das normale zeitgenössische Kunstbudget noch einmal eingeschränkt haben. Diese kommen ja zu den 12 Prozent noch dazu.

Ganz schlimm wird es dann, wenn diese Regierung im Kunstbereich etwas zum Schwerpunkt erklärt, dann gibt es nämlich Einsparungen von 37,7 Prozent. Jeder der Kulturschaffenden, der nicht im Filmbereich tätig ist, hofft, dass er nie wieder zum Schwerpunkt erklärt wird, weil er dann nämlich zum Schwerpunkt der Einsparung erklärt wird.

Ganz überrascht hat mich die Ansage im "Standard", wo Sie gesagt haben, dass Sie Defizite im Tanz orten, gleichzeitig aber haben Sie den vorgesehenen Tanzkurator und die Mittel dafür gestrichen. Es wäre eine positive Entscheidung gewesen, diese Mittel auch tatsächlich dem Tanz und über einen Kurator zukommen zu lassen. Ich finde es schade, dass Sie diese Maßnahme nicht getroffen haben.

Im Grunde möchte ich bei den Ausführungen des Kollegen Cap anschließen: Es ist schon ein bisschen beschämend, Herr Staatssekretär, wenn Sie zu einem der heißesten kulturpolitischen Themen, nämlich dem Musiktheater in Linz, der Diskussion und der Diskussion in den Medien beziehungsweise der Diskussion nach dieser Volksabstimmung, überhaupt keine Meinung von sich geben, überhaupt nicht Stellung beziehen.

Ich muss mich schon wundern, was aus dieser stolzen Partei ÖVP geworden ist. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Sie lässt sich hier im Plenum sozusagen in Geiselhaft der FPÖ nehmen. (Abg.


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Schwarzenberger  – dem Redner eine Zeitschrift überreichend –: Hier ist die Stellungnahme von Morak! – Auf dem Weg zu seinem Sitzplatz stolpert Abg. Schwarzenberger über einen Sessel.) – Trifft Sie das so hart (Abg. Schwarzenberger: Ich wollte Ihnen ja nur mit Information aushelfen!), dass Sie sich sozusagen gleich verabschieden? Das ist eigentlich Ihre kunstpolitische Positionierung: ein Bauchfleck!

Sie haben ganz einfach beim Kunsttheater in Linz Pühringer im Regen stehen lassen, und das hat Sie so getroffen, dass Sie hier gleich über den Sessel springen wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Aber ich bin nicht zu Sturz gekommen!) Mir ist schon bewusst, dass Sie einen Hürdenlauf machen müssen, um diese Position zu erklären: Pühringer ist für das Musiktheater, und Sie fallen ihm in einer Abstimmung über dieses Musiktheater in den Rücken (Abg. Mag. Mühlbachler: Das ist der Landeshauptmann Pühringer!), sind damit Vorbild für 140 000 ÖVP-Wähler, die dagegen gestimmt haben, wie sich jetzt herausgestellt hat, und haben einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, dass eine vernünftige Regelung eines modernen Theaters in Linz durch einen Ihrer Parteikollegen nicht stattfindet. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sind damit von jeder Positionierung weit entfernt, Sie haben sich eigentlich dem kulturpolitischen Bild der FPÖ angenähert. Sie wollen in diesem Bereich keine Auseinandersetzung mit der FPÖ, Sie sitzen im selben Boot, das bedeutet: zu Lasten der Künstler, zu Lasten der zeitgenössischen Kunst und zu Lasten richtungweisender, zukunftsträchtiger Vorhaben. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Ich bin enttäuscht vom Staatssekretär, dass er nicht Stellung bezogen hat und dass er im Nachhinein in irgendeiner Provinzzeitung sagt, er bedauere den Ausgang dieser Entscheidung.

Meine Damen und Herren! Überlegen Sie einmal, ob nicht damals andere Sachen für die Bevölkerung wichtiger gewesen wären, als die Oper wieder herzustellen. Aber trotzdem hat man die Oper hergerichtet, und jeder ist stolz auf dieses Opernhaus, in Österreich und im Ausland. International gesehen ist es eines der besten Opernhäuser der Welt.

Jeder brüstet sich mit der Wiener Oper, in Linz aber gehen Sie in kleinkrämerischer Art und Weise vor und versuchen, die Bevölkerung zu mobilisieren. Das ist im Kunstbereich ganz einfach, denn in dieser Situation ist das nicht mehrheitsfähig. Aber wir hätten keine Kulturdenkmäler, angefangen von den Kirchen, über Ausstellungen, Museen und Kunsthäuser, wenn wir immer wieder Plebiszite über derartige Fragen machten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, es ist eine fatale Geschichte, Lebensmittel oder Grundbedürfnisse gegen Kulturgüter auszuspielen. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber über das Budget stimmen wir schon ab?!) Ich bezeichne Kulturgüter als Über lebensmittel, und es wäre notwendig, sich dafür genauso einzusetzen wie für andere Vorhaben, die in diesem Staat genauso wichtig sind. Kunst und Kultur auszulassen, bedeutet, einen Teil der geistigen Nahrung und der geistigen Intellektualität dieses Landes zu verhindern. (Abg. Ing. Westenthaler: Zickzack!) Dass Ihnen das nichts ausmacht, ist mir bewusst, denn das sagen Sie in allen Ihren Diskussionsbeiträgen. Sie sind bereit, das auch zuzugeben. Und die Naivität ist Ihr Leitbild in der intellektuellen Auseinandersetzung über den Kulturbereich.

Ich glaube nur, ganz schlimm ist es um die ÖVP bestellt, die sich diesem Leitbild immer mehr annähert, die keine eigene Positionierung mehr zulässt. Auch Sie, Frau Abgeordnete, haben mich sehr enttäuscht, weil Sie gegen das Musiktheater gestimmt haben. Sie wollen immer Kunst und Kultur in den Mittelpunkt stellen, aber dann müssten Sie auch hier bei den Abstimmungen entsprechend vorgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Staatssekretär Finz. Ich erteile ihm das Wort.

18.29

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist die Bürgerkarte angesprochen worden, und es sind auch heute


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Befürchtungen dahin gehend ausgesprochen worden, dass die Bürgerkarte den gläsernen Menschen schafft. – Im Gegenteil: Die Bürgerkarte wird eine notwendige Einrichtung sein, damit wir eine elektronische Signatur vor allem für Online-Behördenwege schaffen können.

Es muss sich der Betreffende über eine elektronische Signatur mit Hilfe der Bürgerkarte ausweisen, dass er der Berechtigte ist, der einen Zugang zu einer bestimmten EDV-Anwendung hat. Das ist die erste und wichtigste Hauptfunktion. Wenn wir diese Bürgerkarte nicht auf eine Karte konzentrieren würden, so hätten wir das Problem wie heute bei den Kreditkarten, nämlich dass wir ganze Portemonnaies voll mit Karten hätten, für jede EDV-Anwendung eine eigene Bürgerkarte.

Das dient dem Betroffenen, dem vom Datenschutzgesetz Betroffenen, dass er die Sicherheit und die Gewähr hat, dass nur er allein den Zugang zu einer bestimmten Anwendung hat. Und das brächte auch eine Sicherheit im elektronischen Zahlungsverkehr. Sie kennen den Vorfall aus den letzten Tagen, als Unterschriften von Rechtsanwaltschreiben nachgemacht und Überweisungen vorgenommen wurden. Gäbe es schon die Bürgerkarte, könnte die Überweisung mit dieser Bürgerkarte identifiziert oder signiert werden, und es wäre sichergestellt, dass nur der Berechtigte die Überweisung vornimmt.

Wenn wir jetzt diese Bürgerkarte noch mit einem Identitätsausweis verbinden, wie derzeit ein Projekt im Innenministerium läuft, dann hätten wir die äußere Identifizierung mit der inneren Identifizierung auf einer Karte vereinigt.

Als zusätzliche Frage ist jetzt noch zu klären: Soll man auf dieser Bürgerkarte inhaltliche Daten aufnehmen? Das ist eine kritische Frage. Das muss nicht sein, aber denken Sie an mögliche Anwendungen im Zusammenhang damit, dass einer aus Gesundheitsgründen, aus Risikogründen, weil er eine bestimmte Allergie hat, daran interessiert ist, bestimmte Gesundheitsdaten auf der Karte festzuhalten, damit ihm in einem Notfall wirksam geholfen werden kann. Wenn man das also macht, dann soll man es auf freiwilliger Basis machen und nur in einem bestimmten, abgegrenzten Ausmaß.

Ob dazu das Datenschutzgesetz geändert werden muss, wird man erst sehen, wenn man alle Fragen zur Bürgerkarteneinführung überdacht hat. Wir haben ein gutes Datenschutzgesetz, die bestehenden Anwendungen reichen aus, also ist das derzeit noch nicht notwendig.

Eines gehört festgehalten: Es hätten diese Fragen der Sicherheit, des berechtigten Zugangs schon längst bedacht werden sollen. Wir haben zum Beispiel das EKIS als ein Verfahren, das in den siebziger Jahren entstanden und inzwischen natürlich von den Sicherungseinrichtungen her in die Jahre gekommen ist. Da hätten natürlich die bisherigen Innenminister schon längst fragen sollen: Ist die Zugangssicherung gut? Braucht man entsprechende organisatorische, weitere gesetzliche Vorkehrungen? Ist die Dienstaufsicht gut? (Abg. Kiss: Einer sitzt da drüben! Einem heißt er!) All das hätte schon früher erledigt werden können und nicht erst heute, weil bestimmte Fälle passiert sind, die auch schon in der Vergangenheit vorgekommen sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

18.33

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Rechnungshofpräsident! Herr Volksanwalt! Herr Kollege Wittmann ist leider nicht mehr im Saal, aber ich darf Ihnen schon ausrichten, dass unsere Kulturpolitik nicht zu Lasten der Künstler geht. Es ist naiv von ihm zu glauben, dass die Budgetpolitik, die vor allem die Sozialdemokraten betrieben haben, nicht zu Lasten der Bevölkerung und vor allem unserer Kinder geht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein Ziel unserer Regierung ist es, einen schlanken, bürgernahen und effizienten Staat zu haben, und dazu gehört auch die Frage: In welchen Bereichen ist ein Beamtenstatus notwendig? Muss ein Lehrer oder ein Arzt Beamter sein? Dass wir zu viele Personen haben, die diesen


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Beamtenstatus ungerechtfertigterweise genießen – wir alle wissen, dass dies nicht im Sinne des Beamtenrechtes ist –, beweist, dass unsere Regierung gut daran tut, den Beamtenstatus bei manchen Berufsgruppen abzubauen.

Meine Damen und Herren! Aber mir ist klar, warum die SPÖ diesbezüglich keine Maßnahmen gesetzt hat. Ich möchte an dieser Stelle Rousseau zitieren. Er hat nämlich gesagt: Je zahlreicher die Beamten, desto schwächer die Regierung. – Meine Damen und Herren der Sozialdemokraten! Jetzt ist mir klar, warum Sie keine strukturellen Maßnahmen im Budget, bei den Sozialversicherungen und woanders auch getroffen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte jetzt auf einen mir nahe liegenden Bereich eingehen, nämlich auf den Bundesrechnungshof. Die Parteiunabhängigkeit und die Prozessunabhängigkeit sind für mich die wesentlichen Merkmale eines Rechnungshofes. Und gerade die Rechnungshöfe als externe Prüfungsorgane haben den Vorteil, einen Bereich völlig losgelöst von jeglicher möglicher Abhängigkeit zu prüfen. Interne Prüfungsorgane wie interne Revisionen tun sich zum Teil schon schwerer, vor allem wenn es um Schwachstellen im obersten Management oder im Führungsbereich geht.

Die Prüfung des Rechnungshofes erfordert nicht nur fachlich äußerst kompetente Prüfer, sondern auch Menschen mit hoher Sozialkompetenz. Nur durch geschickte Fragetechnik und analytische Fähigkeiten können eventuelle Schwachstellen gefunden und aufgezeigt werden.

Meine Damen und Herren! Diese Schwachstellen sind als Chance zu sehen, als eine Chance zur Verbesserung und nicht nur als eine Chance für die Opposition. Herr Kollege Brix hat gemeint, dass es eine Chance für die Opposition sei, um die Regierung zu kritisieren und Populismus zu betreiben.

Als wir Freiheitliche noch in der Opposition waren, hatten wir es sehr leicht, denn die Minister der alten Regierung hatten die Empfehlungen des Rechnungshofes überhaupt nicht ernst genommen, geschweige denn umgesetzt. Dass es für die Prüfer einer hohen Frustrationstoleranz bedarf, wenn ihre Empfehlungen nicht einmal wahrgenommen werden, weiß ich selbst noch aus der Zeit, als ich eine Prüfungstätigkeit ausübte.

Aber, meine Damen und Herren der SPÖ und der Grünen, ich verspreche Ihnen, diese Regierung gibt Ihnen keine Chance, mit Berichten des Rechnungshofes Politik zu machen. Ich sage nicht, dass nicht auch Fehler passieren können – natürlich! –, aber wir wollen aus den Fehlern lernen und die Bundesrechnungshofberichte ernst nehmen und entsprechende Konsequenzen ziehen – im Unterschied zur alten Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf mich auch – es ist ja auch so üblich, aber ich möchte es hier wirklich im Namen aller sagen – beim Herrn Rechnungshofpräsidenten und bei allen Mitarbeitern, bei allen Prüferinnen und Prüfern für ihr Engagement und für die aufopfernde Arbeit für diese Republik bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gleichzeitig möchte ich auf zwei Schnittstellen im Bundesrechnungshofbereich aufmerksam machen. Die erste Schnittstelle ist die Abstimmung der Prüfungstermine und der Prüfungsgebiete zwischen den Landesrechnungshöfen und dem Bundesrechnungshof. Ich halte es für sehr wichtig, dass die Bundesländer – und sechs Bundesländer haben ja bereits einen – Landesrechnungshöfe haben. Aber es ist auch wichtig, vor allem für die Betroffenen in den einzelnen Institutionen, die geprüft werden, dass diese Prüfungstermine abgestimmt werden. Ich habe es auch schon öfters erlebt, dass die Prüfungen einmal vom Landesrechnungshof und gleich danach vom Bundesrechnungshof vorgenommen werden, dass es nicht unbedingt eine Koordination der Termine, geschweige denn der Prüfungsgebiete oder auch einen Austausch der Prüfungsberichte gibt.

Das Zweite, was ich anschneiden möchte, ist: Es gibt auf Grund wachsender Verlagerungen staatlicher Tätigkeiten in den internationalen Bereichen eine Vielzahl zwischenstaatlicher Orga


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nisationen, die durch die Beiträge aus den Haushalten ihrer Mitgliedstaaten finanziert werden. Diese internationalen Organisationen verfügen in der Regel über eine externe Finanzkontrolle, die überwiegend durch die nationalen Rechnungshöfe wahrgenommen wird.

Herr Rechnungshofpräsident! Ich darf Sie ersuchen, auch darüber zu berichten beziehungsweise über Ihre möglichen Aktivitäten im Rahmen der Weltorganisation, der obersten Rechnungshofkontrollbehörde INTOSAI.

Meine Damen und Herren! Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Nehmen wir jede Kritik zur positiven Veränderung unserer Republik ernst! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte die Redezeit beachten und alle anderen einschlägigen Bestimmungen auch!

18.39

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Volksanwalt! Frau Abgeordnete Hartinger hat soeben behauptet, die Freiheitlichen hätten es früher bei Diskussionen über Rechnungshofberichte leicht gehabt, weil sich die Mitglieder der früheren Bundesregierung überhaupt nicht um die Stellungnahmen und Empfehlungen des Rechnungshofes gekümmert hätten. – Diese Tatsachenbehauptung ist falsch! (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Das ist eine politische Wertung! Das ist keine Tatsachenbehauptung!)

Richtig ist, dass ich mich als früheres Bundesregierungsmitglied sehr wohl um diese Fragen angenommen und versucht habe, die Empfehlungen zu befolgen, und dass Sie es nur deshalb leicht hatten, weil Sie auf Tatsachenfeststellungen nie besonderen Wert gelegt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Er wird es nie lernen! Unerhört! – Abg. Ing. Westenthaler: Wir werden ein eigenes Seminar für den Herrn Abgeordneten Einem machen!)

18.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Staatssekretär Morak gelangt jetzt zu Wort. – Bitte.

18.40

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Lieber Kollege! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt nach zehn Monaten in diesem Amt nicht mehr darüber verbreitern, welches Erbe ich übernommen habe, ein Erbe, das es aufzuarbeiten galt und das auch aufgearbeitet wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich erinnere hier nur an den Sozialfonds für bildende Künstler oder an die Überschuldung der Abteilung II/2, die immer auf das nächste Budget verschoben wurde. Ich erinnere daran, dass Kunst und Kunstpolitik immer im Kontext zur Gesellschaftspolitik zu sehen sind, und natürlich musste auch die Kunstpolitik ihren Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen leisten. Anders, als es immer gerne behauptet wird, waren das nur 4,5 Prozent; ich wiederhole mich hier. Der Beitrag war also wesentlich geringer als alle Ermessensausgaben der anderen Ressorts. Ich meine, dass daraus klar hervorgeht, wie wesentlich dieser Bundesregierung Kunst und Kultur und Politik in diesem Bereich sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich lege außerdem Wert darauf, noch einmal zu wiederholen, dass es in meinem Ressort keine linearen Budgetkürzungen gab, sondern dass wir uns jede Position genau angeschaut haben und dass wir Rücksicht darauf genommen haben, wie die Produktionen sind, wie der Finanzbedarf der Produktionen ist, und dass wir im Entscheidungsprozess mit den Beiräten einen sehr guten und konstruktiven Dialog geführt haben.

Kein einziges Theater hat auf Grund eines kleineren Budgets seinen Betrieb einstellen müssen, und das gilt auch für andere Sparten der Kunst. Und das – das muss ich auch sagen – ist nicht


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selbstverständlich in den Situationen, in denen ich manche Theater übernommen habe; ich denke nur an das Theater in der Josefstadt.

Wenn es auch noch so oft wiederholt wurde in Ausschüssen, in der Öffentlichkeit und so weiter – Sie wissen, wovon ich rede –, dass Künstler und Künstlerinnen diese Kulturpolitik boykottieren, so straft die Realität dies genauso Lügen wie die Unterstellung, die Regierung würde unter Ausübung eines politischen Drucks oppositionelle Kunstschaffende unter Druck setzen oder von der Subventionsvergabe ausschließen und über die Subventionsvergabe quasi eine Zensur ausüben.

Ich möchte hier in großer Ruhe und in großer Sachlichkeit sagen: Seit ich die Funktion des Kunststaatssekretärs übernommen und innehabe habe, gibt es keinen einzigen Fall, bei dem einem Künstler oder einer Künstlerin auf Grund seiner oder ihrer oppositionellen Haltung eine Subvention gekürzt oder verweigert wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Trotzdem sollte man sich einige Gedanken zum Verhältnis Kunst und Politik machen, und ich erinnere hier an den großen Thomas Bernhard, der gesagt hat: Österreichische Kulturschaffende neigen zum Staatskünstlertum. Und Robert Menasse hat von Staatskünstlern gesprochen, die als Staatsfeinde posieren.

Ich sage Ihnen auch, es mag mancher Obrigkeit möglicherweise ein gutes Gefühl verursachen, im Einklang mit den Kunstschaffenden Politik zu machen. Subjektiv, gebe ich zu, ist das für Politiker sicher ein gutes Gefühl. Aber ich sage auch und bitte, das vor allem in den ersten zehn Monaten meiner Arbeit zu berücksichtigen: Es gibt auch produktiv verarbeitbare Konflikte im Umfeld der gegenwärtigen Situation oder der Situation der letzten zehn Jahre. Ich meine, das war auch die Chance für viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der Kunst, einen kritischen Dialog mit der Regierung, mit der Politik dieses Landes zu führen und aus diesem kritischen Dialog eine neue Wertigkeit in ihrem künstlerischen Schaffen abzuleiten.

Es geht aber vor allem mir als Kunststaatssekretär auch darum, für die Kulturschaffenden gezielte Fördermaßnahmen zu setzen und entsprechende Rahmenbedingungen wie – und das ist im Regierungsprogramm vorweggenommen – steuerliche Anreize, neue Partizipationsmodelle zu schaffen und neue Möglichkeiten der Förderung zu erschließen.

In diesem Zusammenhang lassen Sie mich kurz das letzte, nicht ganze Jahr Revue passieren: steuerliche Verteilung von Einkommen aus Kunst und Kultur auf drei Jahre, Buchpreisbindung. Ich möchte diesem Parlament überbringen, Österreich wurde bei der Frankfurter Buchmesse in Bezug auf die Buchpreisbindung in seiner Vorbildfunktion herausgestellt. Und ich erinnere Sie dankbar – ich sage es, wie es ist – an die Drei-Parteien-Einigung über die Künstlersozialversicherung. (Beifall bei der ÖVP.)

Die künftigen Maßnahmen, die wir vorhaben – und das auch auf Basis eines zweijährigen Budgets, das wir in den nächsten Monaten beschließen werden –, sind natürlich Anlass dazu, eine mehrjährige Förderung ins Auge zu fassen. Es ist von mir auch eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen worden, die zusammen mit den Vertretern des Parlaments ausarbeiten wird, wie eine dreijährige Kunstförderung möglich sein wird. Wir arbeiten auch an einer Studie zur Absetzbarkeit und darüber, was mit dem österreichischen Steuersystem passiert, wenn Kunstanschaffung absetzbar wird. Und wir überdenken natürlich das real existierende Sponsoring neu.

Inhaltliche Schwerpunkte – auch wenn der eine oder andere meint, das ist nicht so gemeint, wie ich es sage – sind der Tanz, die neuen Medien und natürlich auch, und das meine ich in einem größeren Zusammenhang, den Prozess der Integration der mittel- und osteuropäischen Länder auch im Bereich der Kunstproduktion in Zusammenarbeit mit diesen Staaten zu erarbeiten.

Lassen Sie mich zu einigen Ausführungen, die hier zur Kunstpolitik dieser Bundesregierung gemacht wurden, noch Stellung nehmen. Ich bin berufen worden dankenswerterweise als Staatssekretär – und nicht als Oberlehrer der Nation. (Beifall bei der ÖVP.) Ich meine, dass wir für das Museumsquartier soeben auf breiter Basis ein Programm erarbeiten, bei dem sich jeder


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bewerben kann, der etwas vorzuweisen hat, und auf Zeit innerhalb dieses Konzepts arbeiten kann, solange das für das Museumsquartier gut und förderlich ist. Noch einmal – ich habe es im "Standard" gesagt, ich habe es immer wieder gesagt –: Es gibt in der Kunstproduktion keine "Eigentumswohnungen"!

Zum Thema Film. Es war für mich ein Schwerpunktthema in der letzten Landeshauptleutekonferenz, gerade in diesem Feld zu wirken und auf die Landeshauptleute einzuwirken, sich an Wien ein Beispiel zu nehmen und verstärkt Mittel in diesen Bereich zu investieren.

Und zum Musiktheater Linz. Es wäre dem einen oder anderen Kollegen im Kunstausschuss durchaus zuzumuten, "Treffpunkt Kultur" zu sehen. Ich habe dort meine Meinung und meine Stellungnahme abgegeben. – In diesem Sinne danke ich Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

18.49

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zu Beginn seien mir noch ein paar demokratiepolitische Bemerkungen zur Rede der Frau Abgeordneten Frieser erlaubt.

Wir haben als Hohes Haus Einsparungen von 91 Millionen Schilling zu verkraften. Und ich sage bewusst "zu verkraften", weil es in der Debatte in der Vergangenheit und auch im Vergleich mit anderen europäischen Parlamenten ganz klar geworden ist, dass dieses Haus noch einige Einrichtungen zusätzlich braucht. Dieses Haus hat keinen Verfassungsdienst. Dieses Haus hat keinen Legislativdienst. Dieses Haus hat sehr schlecht ausgestattete Enquete-Kommissionen. Dieses Haus leidet darunter, dass die Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft, Innovation, Forschung in keiner Weise eingerichtet oder institutionalisiert ist. (Beifall bei den Grünen.)

Angesichts des Vergleiches mit dem Deutschen Bundestag, wo jede EU-Richtlinie lange in den Fachausschüssen debattiert wird, wo Expertenhearings zur Tagesordnung gehören und nicht erst mühsam unter Aufbietung aller Kräfte in Ausschüssen erzwungen werden müssen, angesichts dieser Einsparungen in der Höhe von 91 Millionen Schilling ist es wirklich sehr bedauerlich, dass die Bundesregierung in diesem Jahr 35 Millionen und nächstes Jahr 50 Millionen für die Bewerbung ihrer eigenen Politik ausgeben möchte. Ich stelle diese beiden Zahlen bewusst in Zusammenhang, weil es hier um eine Schwächung des Parlamentarismus und um eine Schwächung dieses Hauses geht. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bei den Bediensteten dieses Hauses für ihren Einsatz in den letzten Jahren bedanken. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Einem. )

Für neue Probleme – wir haben es heute gesehen anhand der BSE-Debatte, oder wenn ich jetzt zum Kunst- und Kulturbereich komme: Copyright, E-Commerce –, für all diese Dinge, die für uns Abgeordnete nicht direkt täglich erfahrbar sind, ist eine Schnittstelle und eine bessere Ausstattung der Ausschüsse und vermehrte Expertenhearings ganz unumgänglich. Mir persönlich tut es sehr Leid, dass wir so wenig Fachdiskussionen führen können, weil das einfach keine Tradition in diesem Haus hat.

Jetzt zu meinem eigentlichen Thema, also zur Kunst- und Kulturpolitik. Wir haben schon einiges dazu gehört. Kulturpolitik, Medienpolitik, Demokratiepolitik gehören für mich untrennbar zusammen.

Zuerst einige Worte zum Kunstbudget, um einmal die "Kirche" – unter Anführungszeichen – "im Dorf zu lassen". Im Vergleich zum Voranschlag 2000 ist das gesamte Kunstbudget 2001, das muss man zugeben, um 20 Millionen Schilling gestiegen. Nur: Der zweite Voranschlag 2000 wies eine Kürzung von 11 Prozent aus, und das hat irreversible Prozesse in unserer Kunst- und


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Kulturlandschaft hinterlassen; ich werde dann noch auf einige Beispiele konkret eingehen. Diese Erhöhung – man muss das auch einmal ganz klar sagen – bringt 5 Millionen Schilling mehr für die Bundestheater und 15 Millionen Schilling mehr für die Kunstsektion; davon sind 14,3 Millionen Schilling ausschließlich über die zweckgebundene ORF-Gebührenerhöhung sozusagen hereingekommen, die restlichen 720 000 S betreffen Zahlungen an die Bundesimmobiliengesellschaft.

Warum ich das jetzt so genau ausführe, hat folgenden Grund: Mittlerweile kann ich in der Kunstförderung keine Systematik mehr erkennen, die in irgendeiner Weise zusammenhängt weder mit dem Regierungsübereinkommen noch mit einer wirklich kulturpolitischen Programmatik außer der einen: Politische Gesinnung ist ein Förderkriterium. Wer mich kritisiert, bekommt keine Subventionen! – Ich kann keine anderen wegweisenden oder sonstigen Maßnahmen erkennen. Im Gegenteil! Wir haben es schon sehr oft diskutiert: Dass im ganzen Bereich Filmwirtschaft, Kreativwirtschaft, was von Staatssekretär Morak auch immer hervorgehoben wird, dramatisch gekürzt worden ist, obwohl es da gerade in den letzten Jahren eine Aufbruchstimmung gegeben hat, obwohl das also ein Markt ist, der gerade dabei war, sich zu entwickeln, dass man diese Pflänzchen jetzt wieder vernichtet, indem man Förderungen kürzt, ist sehr bedauerlich und steht diametral zu dieser Vorgabe im Regierungsübereinkommen, Filmwirtschaft als Förderschwerpunkt zu sehen.

Wir haben im Ausschuss die Frage diskutiert, wo jetzt in irgendeiner Weise der Förderschwerpunkt "Film" hingekommen ist, aber auf diese Frage habe ich bis zum heutigen Tag keine Antwort bekommen. Gerade bei den kleineren Einrichtungen, bei den Alternativkinos sind bis zu 100 Prozent Streichungen zu erkennen.

Ich möchte jetzt ein paar Beispiele dieser Kürzungen anführen. Avalon-Kino in Niederösterreich: 100 Prozent Kürzung, Cinema Paradiso in Niederösterreich: 70 Prozent Kürzung, Künstlerhaus-Kino in Wien: 100 Prozent Kürzung, Österreichisches Filminstitut: 36 Prozent Kürzung. Diese Zahlen sprechen schon in einer gewissen Form für sich.

Ich möchte auch sagen, ich kann dem nichts abgewinnen, dass man verbal immer wieder beteuert, wie wichtig doch eine bestimmte Kunst- und Kulturform ist, aber wenn dann das in Budgetzahlen gegossene politische Konzept vorliegt, merkt man nichts davon.

Wir sehen also den Sparkurs in diesem Budget weiter fortgesetzt, obwohl wir neue Bereich haben, neue Medien, Film, das habe ich schon gesagt, auch den ganzen Bereich "Freie Radios". Was ich absolut unverständlich finde, Herr Staatssekretär Morak, was ich in Ihrer Argumentation einfach nicht verstehen kann, ist, wenn Sie sagen: Freie Radios sind eine regionale Angelegenheit. – Das heißt, wenn in Simmering ein Freies Radio betrieben wird, dann soll das die Bezirksvertretung Simmering finanzieren. Das geht völlig an der demokratiepolitischen Bedeutung von einer dritten Säule in unserer Medienlandschaft vorbei. Was soll das für ein Argument sein: Das hat nur eine regionale Bedeutung!? Da geht es um Medienvielfalt, da geht es um Grundrechte, da geht es um freie Meinungsäußerung – ein Grundpfeiler unserer Demokratie – und nicht darum, dass das die Bezirksvertretung Simmering machen soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist auch einhellige wissenschaftliche Meinung, dass wettbewerbsrechtliche Regelungen allein nicht ausreichen, um Meinungsvielfalt und Pluralismus im Medienbereich darzustellen. Und Sie sagen es ja ganz offen: Sie werden diesen Freien Radios nächstes Jahr keinen Groschen Förderung mehr gewähren. – Ich finde das verwerflich und möchte Ihnen ein Beispiel vorrechnen: Die österreichischen Rundfunk- und FernsehkonsumentInnen bezahlen über die so genannte Rundfunkgebühr – nicht zu verwechseln mit der Gebühr, die wir für die Nutzung der Programme sozusagen bezahlen – immer noch mehrere 100 Millionen Schilling, einen dreistelligen Millionenbetrag; 5 S für das Radio, 16 S für das Fernsehen pro Monat, nur für die Benützung des Gerätes; das Gesetz stammt aus dem Jahre 1924. Und die Einnahmen – jetzt wird es interessant – bekommt die Telekom.


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Für mich ist es nicht nachvollziehbar, warum man sagt, man habe aus budgetären Gründen keine 8 bis 10 Millionen für die Förderung der Freien Radios, man habe ein so schweres Erbe von der Sozialdemokratie übernommen, ohne sich in irgendeiner Weise andere Möglichkeiten der Finanzierung für diesen extrem wichtigen, medienpolitisch wichtigen, demokratiepolitisch wichtigen Bereich zu überlegen. Ich frage mich, warum ein Unternehmen, das zu 25 Prozent an der Börse gehandelt worden ist, nach wie vor eine Rundfunkgebühr erhält, während Freie, nicht kommerzielle Radios in keiner Weise eine bundesweite, überregionale Förderung bekommen. – Für mich ist das ein völliger Widerspruch!

Folgendes möchte ich noch gerne ausführen zu dieser Konzeptlosigkeit und dieser klaren Vorgangsweise gegenüber kritischen Institutionen. Es gibt eine ganz aktuelle Anfrage der Freiheitlichen betreffend "Public Netbase" – ich weiß nicht, warum diese Institution Sie so sehr ärgert –, die einen "Widerstands-Award" vergeben hat. In dieser Anfrage wird ganz klar der Zusammenhang zwischen den Fördermitteln und ihren kunstpolitischen Aktivitäten hergestellt. Ich frage Sie, Herr Morak: Wie bewerten Sie so etwas? Sie sagen, es gebe keinen nachweisbaren Fall. Es gibt mehrere nachweisbare Fälle: Es gibt "Public Netbase", es gibt das "Depot", es gibt die Freien Radios, wo klar über diese politische Gesinnung Förderpolitik gemacht wird. Und das darf es eigentlich nicht geben, denn öffentliche Gelder stehen in einer politischen Legitimation. Das sind nicht Privatmittel des Herrn Staatssekretärs, sondern das sind Gelder der Republik Österreich, die unter kunst- und kulturpolitischen Förderbedingungen ausgeschüttet werden sollen. Und dabei hat politische Gesinnung als Förderkriterium absolut überhaupt nichts verloren! Das ist auch ein demokratiepolitischer Grundsatz. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Morak! Ich würde Sie noch gerne fragen: Was passiert Ihrer Meinung nach mit den Bereichen neue Medien, Tanz? Was passiert mit dem Bereich nicht kommerzielle Radios? Was soll da in Zukunft in Österreich entstehen? Ich glaube, dass das extrem wichtige Säulen auch Ihres Konzeptes einer Kreativwirtschaft wären, und ich frage mich wirklich, wo Ihre diesbezüglichen Konzepte beziehungsweise Ideen sind. Sie sagen seit zehn Monaten: Neue Medien, Tanz – da werde es Schwerpunkte geben, genauso wie beim Film. Aber bis jetzt habe ich noch keine einzige Zeile, kein einziges Fuzerl eines Konzeptes für den Aufbau dieser Bereiche gesehen. Ich glaube, dass das Zukunftsinvestitionen sind, dass das das kulturelle Erbe der Zukunft ist und dass es wichtig ist, hier keine schwarzen Löcher zu produzieren, sondern ein ernsthaftes Erbe für die künftigen Generationen. Das hat vielleicht auch ein bisschen etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend: Es gibt eine Veröffentlichung der IG-Kultur, wo erhoben wurde, wie sehr die Einsparungen einzelne Initiativen getroffen haben, und ich muss sagen, ich bin jedes Mal verblüfft, wie dramatisch sich diese Einsparungen ausgewirkt haben und wie viele Initiativen – vorwiegend im regionalen Bereich – jetzt vor dem Aus stehen. Ich nenne nur noch einmal ein paar Beispiele:

Burgenländische Kulturzentren: 33 Prozent Kürzung, Pilottanzt: 29 Prozent Kürzung, Theater in der Drachengasse: 20 Prozent Kürzung, Theater Maerz: 100 Prozent Kürzung, die Freien Radios habe ich schon erwähnt, die Filme habe ich schon erwähnt; Kultgalerie: 70 Prozent Kürzung, Grazer Kunstverein: 50 Prozent Kürzung, Kulturzentrum bei den Minoriten: 60 Prozent Kürzung, Netzzeit: 50 Prozent Kürzung, Kosmos: 30 Prozent Kürzung, Steirische Kulturinitiative: 40 Prozent Kürzung, Dachverband Freier Radios, et cetera, et cetera.

Ich glaube, man kann das nicht so einfach wegwischen und sagen: Ich habe es geschafft! 15 Millionen Schilling mehr! – Sie haben es auch geschafft, Mittel, die für die Kuratoren bestimmt waren, die sozusagen für das Experimentelle, für das Zeitgenössische reserviert waren, für die Sozialpolitik umzuwidmen, weil Sie sich gegenüber dem Finanzressort nicht durchsetzen konnten. Sie haben es nicht geschafft, wirklich zukunftsweisende Konzepte für diesen Bereich in irgendeiner Form vorzulegen. Sie agieren nach wie vor – und dieser Vorwurf bleibt einfach bestehen, weil er sich belegen lässt – nach dem Prinzip: Die Hand, die mich beißt, werde ich nicht mehr füttern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.00


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47. Sitzung / Seite 145

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Er hat das Wort.

19.00

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Meine Herren Präsidenten! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Die Budgeterstellung ist in jeder Gebietskörperschaft ein Konfliktthema. Es geht nicht nur um Geld, sondern es geht vor allem auch um gesellschaftspolitische Fragen, und diese sind in einer Budgetdebatte aufzuarbeiten. Bei einer Generaldebatte darf natürlich alles vorgebracht werden. Ich bin beeindruckt von den Beiträgen einiger Klubobmänner, sie waren wirklich hervorragend. Mich hat es auch überhaupt nicht gestört, dass Kollege Gusenbauer seine Erfolgsserie vom Sonntag heute hier fortgesetzt hat. Das ist überhaupt keine Frage. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mich hat auch Dr. Cap beeindruckt, der ausführte, dass wir nachdenken sollen, ob wir die Budgetdebatte in dieser Art und Form weiterführen oder ob wir uns nicht doch einmal die Zeit nehmen sollten, darüber nachzudenken, wie wir vielleicht eine andere, eine neuere, eine bessere, attraktivere Form finden könnten. Herr Dr. Cap! Ich meine, das ist ein Thema, das wir nicht verdrängen sollten. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es kamen auch Beiträge, die sich mit der Zeitgeschichte befasst haben. – Meine Hochachtung, Christof Zernatto, dafür, welch persönliche Größe du hier bewiesen hast! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das war ein positives Beispiel, es gibt aber auch ein negatives: Dr. Kräuter ist hier gestanden und hat sich über Dr. Dollfuß in einer Art und Weise geäußert, die nicht nur geschmacklos, sondern beschämend ist. Herr Dr. Kräuter! Ich meine, es wäre gut, bevor Sie solche Äußerungen treffen, darüber nachzudenken, was Sie sagen. Das ist unverantwortlich, was Sie hier getan haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Heinzl: Wer war der Dollfuß?)

Ich habe mich über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gefreut, der heute von der Regierungsbank aus in Bezug auf das Budget und die Regierung zum Thema "Österreich neu regieren" gesprochen hat – in einzigartiger Brillanz –, und ich glaube, dass wir alle diese gute Botschaft mit nach Hause nehmen können, dass es wieder Freude macht, in Österreich zu leben, zu arbeiten, zu wirtschaften und auch zu sparen, weil das eine Regierung ist, die mit dem Geld der Bürger sorgsam umgeht. Das, glaube ich, sollte auch erwähnt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn man immer wieder meint, diese ganze Spargesinnung wäre fürchterlich und unerträglich, dann bitte ich Sie, das einmal von einer anderen Seite zu sehen. Wir haben in den letzten Jahren in diesem Land eine lockere Hand fürs Geld gehabt. Mehr als 2 000 Milliarden Schilling fehlen. Das muss bewältigt werden, und da werden wir uns alle zu bemühen haben. Ich bin froh darüber, dass meine Partei sich in entsprechender Stärke einbringt. An dieser Stelle kann ich auch Herrn Dr. Wittmann eine Antwort auf seine Frage: Was ist aus dieser ÖVP geworden? geben. – Sie ist eine staatstragende Partei, die aus der politischen Szene Österreichs nicht wegzudenken ist. Das ist die ÖVP, Herr Dr. Wittmann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass die Budgetsanierung in einer Zeit der Vollbeschäftigung auch wirklich richtig angesetzt ist. Es macht keinen Sinn, auf Dauer mehr auszugeben, als man hat. Das machen wir auch privat nicht. Ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist oder ob es in ein, zwei Jahren besser wäre, dazu ist zu sagen: Der erste Tag ist der beste! Daher glaube ich, dass wir zwar einen schwierigen, aber richtigen Weg gehen, einen Weg, auf dem wir nicht nur Staub aufwirbeln, sondern auch Spuren hinterlassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Darum geht es: Spuren zu hinterlassen, damit auch nachfolgende Generationen sagen können: Jawohl, diese Regierung hat für uns eine gute Vorarbeit geleistet!

Ich könnte nun auf einige Bereiche Bezug nehmen, aber in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit – und wir alle wollen unsere Beiträge ja auch in der vorgegebenen Zeit erledigen – möchte


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ich schlussendlich nur noch – auch namens meiner Fraktion, meines Klubs – allen Parlamentsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern dafür danken, dass sie uns immer betreuen, oft auch bis spät in die Nacht hinein. Ich möchte den Vertretern der Volksanwaltschaft sagen, dass 9 000 Beschwerden eine große Herausforderung sind. Es ist an der Zeit, dass wir uns über einiges Gedanken machen, denn es kann nicht sein, dass sich die Beschwerdefälle häufen und häufen. Das muss ja bewältigt werden, und das kostet auch Geld. Da wird auch künftig das Parlament mitzuarbeiten haben.

Zuletzt möchte ich noch dem Herrn Präsidenten des Rechnungshofes ein ganz spezielles Kompliment machen. Herr Präsident! Ihre Beiträge, wann immer Sie sie vorstellen oder abgeben, genießen im ganzen Land hohe Wertschätzung, werden von den Bürgern geschätzt. Sie und alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Rechnungshofes verdienen unser aller Anerkennung, denn Sie alle sind für uns das Korrektiv, das wir in der Politik brauchen, und ich bitte Sie, dass Sie in diesem Einvernehmen mit dem Parlament Ihre Tätigkeit auch in den nächsten Jahren fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neudeck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

19.06

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Bei der Vorbereitung meines Debattenbeitrages war ich etwas unsicher, ob ich so weit in die Vergangenheit zurückgreifen sollte, wie ich vorhatte, aber eine Mehrzahl meiner Vorredner hat mich in der Rückschau noch um Jahrzehnte übertroffen. Daher bin ich beruhigt: Ich beginne mit den siebziger Jahren, also Jahrzehnte später.

Ich darf Ihnen einen kurzen Beitrag aus dem Jahre 1970 vorlesen:

"Die Bundesregierung übernimmt – wie auch aus den letzten Prognosen des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen ersichtlich ist – ein schweres budgetpolitisches Erbe. Es ist nicht nur für das laufende Budgetjahr ein Defizit von 8,9 Milliarden Schilling präliminiert, für das Budgetjahr 1971 wird vom Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ein Defizit in einer Größenordnung zwischen 14,1 und 15,3 Milliarden Schilling, für das Budgetjahr 1972 ein Defizit zwischen 17,9 und 20,2 Milliarden Schilling prognostiziert. Weiter ergab sich am Ende des vergangenen Budgetjahres ein Schuldenstand von 43,4 Milliarden Schilling, wovon 12,4 Milliarden Auslandsschulden und 31 Milliarden Schilling Inlandsschulden waren."

So weit ein Zitat aus der Regierungserklärung für ein modernes Österreich, abgegeben von Bundeskanzler Dr. Kreisky am 27. April 1970.

Das war der einzige meiner Meinung nach erwähnenswerte Bundeskanzler der Sozialdemokratischen Partei. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat uns aber die Schulden hinterlassen!)  – Das waren die anderen, er hat nur damit begonnen.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei! Das wären Zahlen, die sich die jetzige Regierung auch indexiert nur wünschen würde. Kreisky bezeichnete diesen damaligen Schuldenstand bereits als schweres budgetpolitisches Erbe. 1 700 Milliarden Schulden, 300 Milliarden außerbudgetäre Schulden und 80 Milliarden an ÖIAG-Schulden, Stand 1999, und 700 Milliarden an Haftungen. – Wie hätte Dr. Kreisky einen derartigen Schuldenstand genannt, wenn er bereits bei 43 Milliarden ein "schweres budgetpolitisches Erbe" angetreten hat?

Heute zahlen wir fast das Dreifache der damaligen Schulden an Zinsen. Allein dieser Zinsenbetrag ist so hoch wie die Höhe des indexierten Schuldenstandes seit 1970.

Nach diesem Ausflug in die Vergangenheit möchte ich mich dem Kapitel 06, Rechnungshof, zuwenden. Da die Vorredner schon einen Großteil der Besprechungen im Ausschuss dargelegt haben, möchte ich mich auf einen Punkt beschränken, der heute noch nicht besprochen wurde.


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Mehrfache Anfragen an den Rechnungshofpräsidenten haben ergeben, dass die im Bezügebegrenzungsgesetz geforderte Offenlegung der Gehälter von Funktionären und Spitzenmanagern bestimmter Institutionen bis heute von vielen nicht in der vorgesehenen Weise erfolgt ist.

Mehr als drei Jahre nach der Beschlussfassung dieses Gesetzes wird es nötig sein, die vorgesehene Nachschau durch den Rechnungshof durchzuführen. Daher sollte gesichert werden, dass die dabei entstehenden Kosten den ihrer Verpflichtung nicht nachkommenden Institutionen und Unternehmen verrechnet werden. Bedauerlich finde ich, dass sich unter diesen Organisationen und Unternehmungen auch die Wirtschaftskammern sowie der ORF befinden. Die Verzögerung bei der Offenlegung der Bezüge, die sogar unter Zuhilfenahme der Gerichte verhindert werden soll, lässt durchaus auf Bezüge schließen, die weit über einer leistungsbezogenen Entlohnung liegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Verantwortlichen in den säumigen Organisationen und Betrieben haben anscheinend weniger Skrupel beim Einstreifen des Geldes als bei der Offenlegung der Bezüge. An dieser Stelle sei dem Präsidenten des Rechnungshofs, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die unermüdliche Arbeit im Sinne eines sparsamen und effizienten Mitteleinsatzes gedankt.

Die für das Jahr 2001 vorgesehenen Budgetmittel für den Rechnungshof in der Höhe von 315 Millionen Schilling wurden in gleicher Höhe wie für das Jahr 2000 veranschlagt, und es ist anzunehmen, dass diesen Kosten Einsparungen gegenüberstehen, die sich allein aus der Tatsache ergeben, dass es die Institution des Rechnungshofes und die Einschau gibt. Dennoch soll zum Abschluss nicht unerwähnt bleiben, dass es oft leichter ist, im Nachhinein zu prüfen und Fehler aufzuzeigen, als im Vorhinein richtige Entscheidungen zu treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Schender. – Bitte.

19.12

Volksanwalt Horst Schender: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es haben sich einige Damen und Herren zur Volksanwaltschaft zu Wort gemeldet und auch auf den Bericht der Volksanwaltschaft an den National- und Bundesrat über das Jahr 1999 Bezug genommen. Gestatten Sie mir, dass ich diesen Parlamentsbericht nur sehr knapp behandle, weil die Behandlung hier im Hohen Haus unmittelbar bevorsteht und ich annehme, dass, wenn schon nicht im Dezember, so doch im Jänner oder spätestens Februar eine Diskussion über diesen Bericht möglich sein wird – auch im Beisein meiner beiden Amtskolleginnen, die sich bereits entschuldigen mussten, weil sie anderen Verpflichtungen nachkommen müssen.

Das Initiativrecht der Volksanwaltschaft ist angesprochen worden. Herr Abgeordneter Dr. Kräuter hat es eher sehr kritisch gesehen, und Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann hat es positiv bewertet. Die Volksanwaltschaft steht diesem Ansinnen im Grunde genommen sehr positiv gegenüber, weil wir glauben, dass damit den Anregungen, die die Volksanwaltschaft im Rahmen ihrer Berichterstattung jährlich an die Landtage und an den Nationalrat heranträgt, ein etwas intensiverer Rahmen geboten würde, damit diese Initiativanträge auch in den Ausschüssen des Nationalrates und der sieben Landtage präsentiert werden könnten. Dadurch würde es vielleicht nicht so viele, geradezu vergessene Anregungen der Volksanwaltschaft an die verschiedenen Gesetzgeber geben, wie es sie jetzt gibt.

Jetzt liegen also Dutzende von, wie ich glaube, recht wichtigen Anregungen an den Nationalrat und an die Landtage unbehandelt und scheinen auf unseren Erinnerungslisten in den Berichten immer wieder auf. Wir glauben, dass es notwendig und gut wäre, wenn sich die Damen und Herren des Nationalrates auch mit diesen Fragen, die den Volksanwälten bei ihrer täglichen Arbeit begegnen, intensiv auseinander setzen würden, weil das lauter Probleme sind, bei denen sich die Behörden zwar durchaus korrekt an die Gesetze halten, aber bei der Handhabung der Gesetze immer wieder zu Tage tritt, dass unbillige Härten bei der korrekten Anwendung dieser Gesetze entstehen – unbillige Härten, die von den Damen und Herren des Nationalrates wahrscheinlich oft gar nicht gewollt sind.


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Zur Frage des Herrn Dr. Kurzmann über die ausgegliederten Rechtsträger und die verlorene Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft habe ich im Verfassungsausschuss schon erwähnt, dass wir in der Praxis dazu übergegangen sind, diese Beschwerden über ausgegliederte Rechtsträger so zu behandeln, wie ein Abgeordneter eine Intervention behandeln würde. Wir haben also quasi eher vernachlässigt, dass wir für die Prüfung dieser ausgegliederten Rechtsträger nicht mehr zuständig sind, schreiben die Verantwortlichen des jeweiligen Rechtsträgers in einem Schreiben an und ersuchen um eine positive, wohlwollende Lösung des Problems.

Ich muss zugestehen, dass zumindest in meinem Aufgabenbereich so gut wie alle dieser nunmehr ausgegliederten Rechtsträger bereitwilligst Auskunft erteilen und sich auch in den meisten Fällen bereit zeigen, unseren Anregungen Folge zu leisten. Es wäre also, so glaube ich, seitens des Gesetzgebers nur ein Nachvollziehen der Bereitschaft dieser ausgegliederten Rechtsträger, wenn man der Volksanwaltschaft auch die offizielle Möglichkeit gäbe, Beschwerden der Bürger über diese Institutionen zu prüfen und dafür eine echte Kompetenz zu haben – so wie sie der Rechnungshof hat –, solange sich mehr als 50 Prozent dieser ausgegliederten Rechtsträger im Eigentum der Republik Österreich befinden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist doch nicht einzusehen, dass sich die Bürger zwar jedes Jahr damit abfinden müssen, dass zig Milliarden zur Abdeckung etwa des Defizits der Österreichischen Bundesbahnen aus Steuergeldern beigesteuert werden müssen, dass man sich aber nicht beim Volksanwalt beschweren darf, wenn man mit dem Personal, mit den Fahrplänen, mit der Pünktlichkeit der Züge nicht einverstanden ist. Das ist einfach nicht einzusehen. Ich glaube, der Bürger sollte, solange er die finanzielle Ausfallshaftung übernimmt, auch die Möglichkeit haben, über diese ausgegliederten Rechtsträger bei der Volksanwaltschaft Beschwerde zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Dr. Krüger hat sich mit der sehr strittigen Problematik der Diskussion um die Prüfung der Rechtsprechung auseinander gesetzt. Ich möchte Ihnen hier dezidiert sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es in der Volksanwaltschaft zu keinem einzigen Zeitpunkt – ich bin nunmehr fast zwölf Jahre lang Mitglied dieser Institution – eine Mehrheit im Kollegium der Volksanwaltschaft für das Ansinnen gegeben hat, auch die Rechtsprechung unserer Gerichte prüfen zu wollen. Das waren lediglich Diskussionsbeiträge eines einzelnen Mitglieds der Volksanwaltschaft, die aber nicht mehrheitsfähig waren und nicht die Meinung der Institution Volksanwaltschaft dargestellt haben.

Wir haben immer wieder betont, dass wir mit den jetzigen Möglichkeiten der Prüfung der Volksanwaltschaft gegenüber der Justiz durchaus zufrieden sind und die jetzigen Mittel ausreichend finden. Das bezieht sich auch auf die Säumigkeit der Gerichte. Hier können wir sehr effizient ein zum Stillstand gekommenes Verfahren wiederum im Wege der Dienstaufsicht durch den Justizminister und die Gerichtspräsidenten beschleunigen. Dort können wir ineffiziente Verhandlungsführung durch einen Richter im Wege der Dienstaufsicht bewerten lassen und entsprechende aufsichtsbehördliche Schritte einleiten. Wie die Erfahrung lehrt, ist dieses Mittel der Prüfung der Säumigkeit des Richters im Wege der Dienstaufsicht ungleich effizienter als etwa der Fristsetzungsantrag, den man uns seitens der neuen parlamentarischen Regierungsmehrheit freundlicherweise zugestehen wollte, aber ich möchte betonen: Wir benötigen dieses Mittel nicht, weil es viel zu umständlich, viel zu kompliziert ist und weil die jetzigen Mittel viel effizienter und schneller zum Ziel führen.

Herr Abgeordneter Dr. Kräuter hat zwar nicht bemängelt, aber festgestellt, dass das Budget der Volksanwaltschaft nächstes Jahr um 2,7 Millionen Schilling höher sein wird als heuer. Das ist richtig, ist aber nicht etwa auf eine Personalausweitung zurückzuführen; das möchte ich betonen. Die Zahl des Personals ist sowohl im Jahr 1999 als auch im Jahr 2000 reduziert worden – so schwer das bei diesem kleinen Personalstand von vorher 47 und nunmehr 45 Damen und Herren auch gefallen ist.

Wir werden auch in Zukunft die Zahl des Personals nicht erhöhen, sondern wir werden, wenn es möglich ist, den jetzigen Personalstand im Bereich der Verwaltung nochmals reduzieren. Ich halte es aber nicht für möglich, den Prüfbereich personell zu reduzieren, also die Zahl der


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Prüfbeamten, die mit der unmittelbaren Beschwerdebehandlung beschäftigt sind, zu verkleinern. Die Zahl derer können wir beim besten Willen nicht mehr unter das jetzt vorhandene Ausmaß reduzieren.

Es sind vor allem der Umstand, dass Vorrückungen und Funktionsstufenerhöhungen auch im Jahr 2001 auf uns zukommen, Grund für diese Erhöhungen der Personalkosten sowie der Umstand, dass die Funktionsperiode der Volksanwaltschaft am 30. Juni 2001 ausläuft und man beim Budget davon ausgehen muss, dass theoretisch alle drei Volksanwälte ausscheiden und dafür auch entsprechende finanzielle Vorsorgen getroffen werden müssen.

Herr Abgeordneter! Sie haben auf die Objektivierung hingewiesen. Das ist ein altes Sorgenkind. Ich anerkenne zwar, dass sich so gut wie alle Bundesländer bemühen, Objektivierungsrichtlinien zu erarbeiten, sehe aber immer wieder, dass diese Objektivierungsrichtlinien eher als Feigenblatt anzusehen sind, weil letzten Endes doch wiederum parteipolitisch zusammengesetzte Gremien im Bezirksschulratskollegium und im Landeschulratskollegium die Entscheidungen zu fällen haben. Es ist nicht Sache der Länder, das zu entscheiden, sondern Sache des Nationalrates, weil es in der Bundesverfassung so gewollt ist, dass diese Gremien entsprechend dem Ergebnis der letzten Landtagswahl zusammengesetzt sind.

Es haben bereits alle neun Präsidenten der Landtage mit Bedauern festgestellt, dass es diesen Parteienproporz gibt, und es hat auch schon der Herr Bundespräsident mehrere Male darauf hingewiesen, dass er es sehr bedauerlich findet, dass dieser Parteienproporz auf Bezirksschulrats- und Landeschulratsebene in der österreichischen Bundesverfassung zwingend verankert ist. Wir haben diese Anregung aufgegriffen und würden es auch unterstützen, wenn es zu einer Aufhebung dieses Proporzes und zu einer anderen und wesentlich sachbezogeneren und fachbezogeneren Entscheidung über Personalia im Schulbereich käme. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zum Schluss bleibt mir nur, mich herzlich zu bedanken, dass alle Damen und Herren, die zur Volksanwaltschaft gesprochen haben, anerkennende Worte gefunden haben. Ich werde diese anerkennenden Worte natürlich meinen beiden Kolleginnen weitergeben, aber ganz besonders unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hervorragende Arbeit leisten. Diese Arbeit ist die Grundlage von Berichten, die sowohl von den sieben Landtagen, für die wir zuständig sind, als auch vom Nationalrat zuletzt im Verfassungsausschuss immer wieder besonders dafür gelobt werden, dass sie leicht verständlich sind.

Darin sehen wir eine besondere Aufgabe, nämlich alle unsere Schreiben an den Bürger und alle unsere Darstellungen gegenüber den Landtagen und dem Nationalrat möglichst leicht verständlich zu gestalten, damit sich der Bürger und auch der Abgeordnete tatsächlich auch einen Reim darauf machen kann, wo den Bürger der Schuh drückt. Das sollte man mit möglichst leicht verständlichen Worten tun. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

19.24

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Vorsitzender der Volksanwaltschaft! Ein paar abschließende Bemerkungen zur Kunst: Ich gehe auch in die Zeitgeschichte. Zehn Monate nach dem Start der Regierung Schüssel/Riess-Passer I hat Franz Morak sein Amt als Kunststaatssekretär angetreten.

Wenn man den "Brandmeldekünstlern" à la Josef Cap glaubt, dann sieht man nur finstere Zeiten. Eine objektive Kritik zu diesen zehn Monaten besagt: Wir können auf eine engagierte Kulturpolitik zurückblicken, angeleitet von einem authentischen Kulturschaffenden Franz Morak, die sich insgesamt als souveräner Entwurf 2001 fortschreiben lässt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Ich rufe in Erinnerung: Kein einziges Theater musste schließen. – Ah ja: das Akzent-Theater der Arbeiterkammer – Nachruf siehe Antonio Fian im "Standard". Mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich denke, dass angesichts der guten Arbeit am Burgtheater Claus Peymann in Berlin auch noch von anderen Sentimenten geplagt ist als von der Erinnerung an Meinl-Kaffee.

Franz Morak war erfolgreich in der Literaturförderung. Er forciert mehr Literatur und weniger Literaturfunktionäre. Danke auch für die Initiative zum Ernst Jandl-Projekt.

Als Wienerin freut mich, dass mit dem Jazzclub "Porgy & Bess" das ehemalige Rondell-Kino im ersten Bezirk endlich gerettet ist. Ich finde nett, wie man mit einem Sesselkauf für die weitere finanzielle Ausstattung wirbt. Dazu soll erinnert werden: Seit 1992 sind für dieses Haus 13 Millionen Schilling unter dem Titel "Erhaltungsmaßnahmen" ausgegeben worden. – Nichts ist wirklich geschehen! Mit etwa der gleichen Summe kann nun ein moderner Jazzclub eingerichtet werden, und Wien wird wieder Nummer eins im Jazz werden. Das freut mich. Danke im Namen der Jazzfreunde! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Morak legt ein Budget vor, das keine lineare Kürzung beziehungsweise eine Steigerung mit Phantasie vorsieht. Die Betriebe, die es sich leisten können, werden nicht linear gefördert, die profitabel sind aus eigener Kraft, bekommen nicht dieselbe Unterstützung wie jene, die das nicht sind. Ich würde Frau Kollegin Glawischnig einladen zu sagen, wer aus politischen Motiven keine Förderung bekommen hat. Das bringt sie nämlich nicht zu Stande, weil es diese Fälle nicht gibt. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Akutfälle – Stichwort "Theater in der Josefstadt" – werden gemeinsam mit der Gemeinde Wien saniert. Längst fällige Reparaturarbeiten im Großen Festspielhaus in Salzburg werden eingeleitet.

Meine Damen und Herren! In zwei Schüben werden die Stipendien ausgebaut und das Atelierprogramm erweitert. Das sind Maßnahmen, die die schon angesprochenen politischen Maßnahmen – Künstler-Sozialversicherung, Buchpreisbindung und anderes – auch noch mit positiven Effekten verstärken.

Meine Damen und Herren! Die Filmförderungsbilanz sieht nicht so dramatisch aus, wie sie gerne von Vorrednern dargestellt wird. Ich bringe Ihnen ein paar Vergleichszahlen: Österreich: 230,84 Millionen Schilling, Belgien rühmt sich seiner Kultur- und Filmförderung: 276 Millionen Schilling, Dänemark: 354 Millionen Schilling, Finnland gar nur 162 Millionen Schilling. – So dramatisch schlecht ist es also nicht, wenn wir ehrlich sind.

Hinzuweisen ist auf den Ausbau des europäischen Filmförderungsprogramms sowie darauf, dass eine sehr große Steigerung auf europäischer Ebene auch einen gesteigerten Rückfluss für Österreich bedeutet.

Ein paar Bemerkungen noch zu weiteren Vorrednern: Ich muss Dr. Wittmann schon fragen, wenn er bedauert, dass die Abstimmung zum Musiktheater in Linz so ausgegangen ist, wie sie ausgegangen ist – ich hätte mir das auch anders gewünscht –, welchen Beitrag die SPÖ-Oberösterreich dazu geleistet hat. Fünf vor zwölf einen Entschließungsantrag einzubringen, ist zu wenig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Einsatz kann noch nachgeliefert werden, meine Damen und Herren, damit Sie glaubwürdig bleiben.

Meine Damen und Herren! Von einer Vorrednerin sind die Kuratorengelder angesprochen worden: Diesbezüglich stimme ich mit der Bilanz des Staatssekretärs überein. Sein Vorgänger Scholten hat gesagt, es geht um Kulturvermittlung, und wenn ich mit dem Geld nur ein einziges großes Fest mache und nachher sage: Schluss damit! – Es darf heute also auch "Schluss damit" gesagt werden.

Ich bedanke mich abschließend auch bei Staatssekretär Morak. Ich glaube, die österreichischen Künstlerinnen und Künstler sehen in ihm einen ernsthaften Verbündeten, einen seriösen Partner und Anwalt ihrer Interessen. Wir sehen in ihm einen Partner zur Umsetzung einer fruchtbaren Kultur- und Kunstpolitik für 2001. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.30


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

19.30

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Ich möchte die Ausführungen von Christof Zernatto in Bezug auf die Volksgruppenthematik aus meiner sehr persönlichen Sicht als Angehöriger der burgenländisch-ungarischen Minderheit ergänzen. In Wirklichkeit ist es so, dass diese neue Bundesregierung im Laufe dieses heurigen Jahres, konkret seit dem 4. Februar, mehr für die Volksgruppen getan hat, als es 30 Jahre SPÖ-Kanzler zu Stande gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte fernab jeglicher Polemik ausschließlich Fakten aufzählen, die sich beispielsweise an drei Tagen in diesem Jahr manifestieren lassen. Da gab es einmal den 13. Juli, an diesem Tag wurden die ersten zweisprachigen Ortstafeln im Burgenland aufgestellt. Am 1. August trat die Staatszielbestimmung in Bezug auf die Aufnahme der Volksgruppen in unsere österreichische Verfassung in Kraft, und am 1. Oktober ist laut Verordnung die Verwendung der ungarischen Sprache bei Behördenkontakten geregelt worden.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser 13. Juli – ich durfte in Großwarasdorf und in Oberpullendorf, meiner Heimatstadt, diesem Tag der feierlichen Enthüllung zweisprachiger Ortstafeln beiwohnen – war ein großer und historischer Tag für die burgenländischen Volksgruppen, für die Kroaten und Ungarn. Immerhin haben wir 45 Jahre lang warten müssen, bis der Staatsvertrag an diesem 13. Juli in Erfüllung gegangen ist. Es war Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel, der gemeint hat, die Enthüllung dieser Ortstafeln – es sind insgesamt in 51 burgenländischen Gemeinden 260 Ortstafeln zweisprachiger Natur enthüllt worden –, die Aufstellung dieser zweisprachigen Ortstafeln – deutsch-kroatisch oder deutsch-ungarisch – sei eine Visitenkarte der Toleranz und der Humanität für Österreich. So haben es nicht nur die Menschen in diesem Land empfunden, die der Minderheit angehören, sondern auch die Mehrheitsbevölkerung im Burgenland. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit Stolz verweise ich auf den 1. August. Es stimmt, was Christof Zernatto gesagt hat: Dieser 1. August kann sich seitens der Volksgruppen wirklich als ein Feiertag in eine Schar von schönen Tagen einreihen. Wir haben eigentlich gar nicht mehr daran gedacht, dass das in der Verfassung verankert wird. Nichts Geringeres als der Weisenbericht hat bekundet, dass das, was im Nationalrat der Republik Österreich für dieses Land und für die Minderheiten getan wurde, mit dem entsprechenden politischen Nachdruck seitens der Bundesregierung geschah. Da haben es ÖVP und FPÖ verstanden, für die Minderheiten etwas zu tun, was über lange Jahrzehnte unerfüllt blieb. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Weisenbericht bestätigt dies auch. Ich zitiere daraus: Die Rechte nationaler Minderheiten weisen beispielsweise dank dieser Verfassungsbestimmung in Österreich einen höheren Standard auf als in den vergleichbaren EU-Staaten. – Das kann sich sehen lassen, das ist Volksgruppenpolitik von ÖVP und FPÖ, werte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als ich im Jahre 1983 als Oberpullendorfer Bürgermeister im Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberpullendorf den Antrag gestellt habe, es möge doch endlich der Staatsvertrag erfüllt werden, wir hätten gerne zweisprachige topographische Aufschriften – wir haben übrigens einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss gefasst –, war die Antwort, die ich von sozialistischen Bundeskanzlern, zu denen ich im wahrsten Sinne des Wortes gepilgert bin, erhalten habe, immer dieselbe: Wir werden schon schauen. Wir werden uns bemühen. Wir werden schon etwas zusammenbringen. – In Wirklichkeit hat es 17 lange Jahre gedauert, bis es von 1983 mit dem Beschluss bei uns in Oberpullendorf bis 2000 mit der Umsetzung endlich geklappt hat, und es freut mich, dass dies unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer geschehen ist. Das ist etwas, was an dieser Stelle gesagt werden muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist Durchschlagskraft!)


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Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich schließe mit der Feststellung, dass die Volksgruppen durch diese neue Bundesregierung, durch die Zusammenarbeit von ÖVP und FPÖ gewinnen. Sie gewinnen deshalb, weil Themen angegriffen werden, die brisant sind, Themen, von denen wir, die wir der Minderheit angehören, wissen, dass sie uns nahe gehen, und wir wissen, dass wir uns in diesem Land in der Mehrheitsbevölkerung wohl fühlen dürfen. Ich bin überzeugt davon, dass diese Bundesregierung, dass diese beiden Parteien in Zukunft noch viele weitere gute Würfe für die Minderheiten in diesem Land parat haben werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich der Präsident des Rechnungshofes Dr. Fiedler. – Bitte.

19.35

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Staatssekretäre! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Dem Rechnungshof ist im Zuge dieser Debatte von allen Fraktionen Lob gespendet worden, und ich darf mich dafür recht herzlich bedanken, betrachte ich doch dieses Lob als einen Vertrauensbeweis für die Arbeit des Rechnungshofes und für die Richtigkeit des von ihm eingeschlagenen Weges, qualitative Arbeit zu leisten und diesem Haus qualitativ hochwertige Berichte zu liefern.

Es sind natürlich in erster Linie die Prüfer, die diese qualitativ hoch stehende Arbeit erbracht haben, und ich werde das Lob, das ihnen heute ausgesprochen wurde, selbstverständlich an sie weiterleiten. Es scheint mir umso berechtigter zu sein, dass die Prüfer des Rechnungshofes Lob ausgesprochen bekamen, denn die Arbeit, die sie zu verrichten haben, haben sie unter immer schwierigeren Bedingungen zu erbringen, und es wird auch immer mehr Arbeit auf sie zukommen.

Ich darf hier insbesondere den nationalen Bereich der Tätigkeit des Rechnungshofes ansprechen, in dem in den letzten Jahren eine Mehrarbeit für die Prüfer des Rechnungshofes entstanden ist, wie zum Beispiel und ganz besonders im Zusammenhang mit der Vollziehung des Bezügebegrenzungsgesetzes, wobei es sich dabei um eine Aufgabe handelt, die der Rechnungshof selbstverständlich auf sich nehmen musste, von der ihm aber bewusst war, welche Schwierigkeiten sie mit sich bringen würde. Tatsächlich hat sich auch gezeigt, dass es im Zusammenhang mit der Erstellung des ersten Berichtes über die Einkommensverhältnisse in der verstaatlichten Industrie beziehungsweise in Gesamtösterreich und auch im Zusammenhang damit, was die Erstellung des Berichtes über jene Personen anlangt, die mehr als 80 000 S monatlich aus öffentlichen Kassen beziehen, zu ganz großen Schwierigkeiten, zu Prüfungsverweigerungen gekommen ist, die letztlich auch zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes führen mussten.

Wie bereits von einem meiner Vorredner ausgeführt wurde, ist die Notwendigkeit, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, nicht zu umgehen gewesen. Gleichzeitig ist damit aber auch verbunden, dass eine weitere Tätigkeit und eine Berichterstattung im heurigen Jahr für den Rechnungshof ausgeschlossen sind.

Nicht nur der nationale Bereich schafft neue Arbeit für den Rechnungshof, auch im internationalen Bereich gibt es immer wieder neue Tätigkeitsfelder, in denen er sich in den vergangenen Jahren bewähren musste. Ich freue mich, dass Frau Abgeordnete Hartinger auch diesen Bereich und dieses Tätigkeitsfeld des Rechnungshofes angesprochen hat, denn es ist für viele Prüfer des Rechnungshofes mit einer nicht unbeträchtlichen Mehrarbeit verbunden, sowohl was die Tätigkeit in Europa anlangt als auch im Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung des Rechnungshofes als Generalsekretariat der INTOSAI.

Ich darf vor allem im europäischen Bereich hervorheben, dass nicht nur die neuen Aufgaben im Zusammenhang mit der Europäischen Union, sondern auch sehr viele neue Aufgaben im Zusammenhang mit den Kontakten zu den Rechnungshöfen der neuen Staaten im Osten für den Rechnungshof eine neue Herausforderung dargestellt haben. Ich darf ohne Übertreibung sagen, dass die Schulungsaktivitäten, die der Rechnungshof für die neuen Rechnungshöfe im


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Osten erbracht hat, einen ganz entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, dass diese neuen Rechnungshöfe an die Qualität und an das Niveau der Rechnungshöfe im Westen herangeführt werden konnten und dass wir dies auch immer wieder von den neuen Rechnungshöfen der Staaten im Osten signalisiert bekommen haben. (Allgemeiner Beifall.)

Wir haben auch die Kontakte mit den neu geschaffenen Landesrechnungshöfen in Österreich intensiviert, und zwar sowohl was die Abstimmung der Prüfungsprogramme als auch eine gemeinsame Ausbildung anlangt. Ich glaube sagen zu können, dass im Interesse sowohl des Rechnungshofes in Wien als auch der Landesrechnungshöfe in den Ländern diese Zusammenarbeit zum Nutzen der öffentlichen Finanzkontrolle in Österreich ist.

Die Erwartungen des Rechnungshofes an die Entwicklung im kommenden Jahr wird unter dem Blickwinkel der Budgetzahlen des kommenden Jahres zu sehen sein. Seit langer Zeit hat der Rechnungshof abweichend von der Entwicklung in der Vergangenheit sein Budget nicht ausweiten können. Wir haben die Budgetzahlen des Vorjahres zu übernehmen und haben angesichts des Anwachsens des Personalaufwandes Reduktionen im Sachaufwand auf uns nehmen müssen. Damit hat der Rechnungshof gleich allen Ressorts oder vielen anderen Ressorts auch seinen Beitrag zur Konsolidierung des Budgets auf sich genommen.

Betonen möchte ich allerdings, dass weitere Restriktionen im Sachaufwand in den Jahren nach 2001 vom Rechnungshof nicht mehr zu verantworten sein werden. Ungeachtet dessen wird der Rechnungshof – das kann ich garantieren – seine Tätigkeit im nächsten Jahr in gleicher Qualität erbringen können.

Ich darf in diesem Zusammenhang auch den Dank, der dem Rechnungshof ausgesprochen wurde, an die Fraktionen zurückgeben. Ich glaube sagen zu können, dass in den letzten Monaten die Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen dieses Hauses und dem Rechnungshof sowohl im Rechnungshofausschuss als auch im Plenum bei den einzelnen Debatten außerordentlich gut war und dass die Atmosphäre außerordentlich konstruktiv gewesen ist. Ich darf mich ausdrücklich bei den Fraktionen dafür bedanken.

Ich darf abschließend eine Bitte äußern. Ich darf die Bitte an alle Fraktionen dieses Hauses richten, den Rechnungshof weiterhin bei der Umsetzung seiner Empfehlungen zu unterstützen. Es hat eine ganze Reihe von Abgeordneten auf die Empfehlungen des Rechnungshofes, die noch nicht umgesetzt werden konnten und die noch ihrer Umsetzung durch die Exekutive harren, Bezug genommen. Ich darf beispielsweise an Frau Abgeordnete Binder erinnern, und ich freue mich, dass die Frau Abgeordnete solches Interesse an den Empfehlungen des Rechnungshofes und ihrer Umsetzung hatte. Ich ersehe aus dem Interesse der Abgeordneten an der Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes, dass hier eine Gemeinsamkeit mit dem Rechnungshof besteht, denn er hat klarerweise die gleichen Interessen in diesem Zusammenhang zu wahren. Wenn ein Interessengleichklang zwischen dem Nationalrat und dem Rechnungshof gegeben ist, so bin ich überzeugt davon, dass sich auch in der Zukunft ein gemeinsamer Erfolg einstellen wird – ein Erfolg, der im Ergebnis nicht dem Nationalrat oder dem Rechnungshof zugute kommt, sondern der im Ergebnis dem Steuerzahler zugute kommt, für den wir alle unsere Tätigkeit zu verrichten haben. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. Wunschgemäß ist die Uhr auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

19.43

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Geschätzter Herr Volksanwalt! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Abschluss dieser Debatte einige wenige, grundsätzliche Feststellungen zum Budget ganz allgemein zu machen.

Wir haben in Österreich eine der höchsten Steuerquoten im internationalen Vergleich zu verkraften, und die Steuern von heute sind logischerweise der Ausfluss des Schuldenmachens von gestern. Diese Steuern, diese Schulden, diese Zinsen auf Grund dieser Schulden sind schlicht


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und einfach eine Gefahr für den Standort, für unseren Wirtschaftsstandort in Österreich und damit letzten Endes auch ein große Gefahr für die Beschäftigung in Österreich. Alle in diesem Land bekennen sich zu dieser Verantwortung – nein, leider muss ich sagen: fast alle.

Viele sind auch bereit, an dieser Verantwortung mitzutragen. Viele Bevölkerungsgruppen sind bereit, diese Verantwortung und die Reparatur dieser Situation mitzutragen, aber am meisten bin ich erstaunt darüber, dass unser ehemaliger Koalitionspartner von dieser Verantwortung sehr wenig wissen will und trotz der Erkenntnisse und auch der Ermahnungen aller Wirtschaftswissenschafter, aller Verantwortungsträger, es nicht für notwendig erachtet und nicht bereit ist, einen echten Sanierungsschritt zu setzen.

Ich sage ganz offen: Den größten Teil der Belastungen zur Sanierung der heutigen Situation hat die österreichische Wirtschaft zu tragen. Die Wirtschaft bekennt sich auch dazu, diesen Beitrag zu leisten, wenn wir die Chance dieses temporären finanziellen Beitrages nutzen, strukturelle Reformen in diesem Land durchzuführen, nachhaltig – nicht nur kurzfristig durch diese Einmalmaßnahmen – unser Budget in Ordnung zu bringen und Spielräume zu schaffen, damit die Strukturreformen auch tatsächlich wirken können. Wir wissen, diese brauchen Zeit, bis sie ihre Wirkung entfalten können. Aber wir müssen die Zeit und diese Maßnahmen auch nutzen, um dann wieder Spielräume zu haben, um offensiv für unseren Wirtschaftsstandort und damit auch für den Beschäftigungsstandort Österreich Maßnahmen setzen zu können.

Wir in der Wirtschaft vertrauen darauf, dass die Versprechungen, die uns die österreichische Bundesregierung mehrfach gemacht hat, nämlich spätestens im Jahre 2003 auch diese Spielräume wieder zu nutzen, um für den Wirtschaftsstandort jene Entlastungen durchzuführen – beispielsweise bei den Lohnnebenkosten oder auch bei Offensiven im Technologiebereich –, die mithelfen sollen, nicht nur in Hochkonjunkturzeiten wie jetzt, sondern langfristig, nachhaltig den Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort Österreich abzusichern, eingehalten werden. Klar ist: Nur eine vernünftige und gute Standortpolitik ist langfristig auch eine gute Beschäftigungspolitik. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Spezialberichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung, und zwar stimmen wir zunächst ab über die Beratungsgruppe I des Bundesvoranschlages für das Jahr 2001.

Diese umfasst die Kapitel 01 bis 06 des Bundesvoranschlages in 310 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 370 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Kostelka und Mag. Stoisits ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich des Kapitels 02 gestellt.

Ich werde zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen finanzgesetzlichen Ansätze und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe I abstimmen lassen.

Wir gelangen nunmehr zur getrennten Abstimmung über die finanzgesetzlichen Ansätze des Kapitels 02 in 310 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 370 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ich lasse nunmehr über die restlichen, noch nicht abgestimmten finanzgesetzlichen Ansätze der Beratungsgruppe I – diese umfassen die Kapitel 01, 03 bis 06 – des Bundesvoranschlages abstimmen.


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Jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die Beratungsgruppe II des Bundesvoranschlages für das Jahr 2001.

Diese umfasst die Kapitel 10 und 13 des Bundesvoranschlages in 310 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 370 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe II abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den Voranschlagsansatz 1/10008 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil der Beratungsgruppe II in 310 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 370 der Beilagen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe II.

Diese umfasst die Kapitel 10 und 13 des Bundesvoranschlages in 310 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 370 der Beilagen.

Jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über den bei der Verhandlung der Beratungsgruppe II des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsantrag sogleich vorzunehmen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Wir gehen daher so vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Maier und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzniveaus in Österreich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Beratungsgruppe XIII

Kapitel 70: Öffentliche Leistung und Sport

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Beratungsgruppe XIII: Öffentliche Leistung und Sport.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde vom Herrn Spezialberichterstatter verzichtet.

Als erster Redner dazu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. Wunschgemäß wird Ihre Redezeit auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte.


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19.51

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Budget für das Jahr 2001 wird der größte Arbeitsplatz-Vernichtungsprozess – und das ohne irgendwelche soziale Begleitung! – eingeleitet. Das ist der erste Schritt in jenem Programm, das die beiden Regierungsparteien ÖVP/FPÖ vereinbart haben, wonach sie nämlich 11 000 Planstellen aus den Bereichen öffentliche Verwaltung und Exekutive wegrationalisieren wollen. 4 000 Planstellen will diese Regierung ausgliedern beziehungsweise privatisieren, und als entsprechende Regelung im Bereich der Lehrer wurden ja bereits Maßnahmen im Budgetbegleitgesetz von Ihnen von der Koalition gesetzt.

Dies alles bedeutet – und ich wiederhole das hiemit –, dass in dieser Legislaturperiode 15 000 Arbeitsplätze von Lehrerinnen und Lehrern "wegrationalisiert" werden! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es handelt sich dabei also, meine sehr geehrten Damen und Herren, um eine Reduktion von 30 000 Planstellen – und das alles ohne auch nur die geringste soziale Begleitung! Mehrere Mitglieder dieser Bundesregierung erachten es nicht einmal für notwendig, Sozialpläne für einzelne Bereiche auszuverhandeln.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade in einer Zeit, in der "kleine" Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeitsplätze verlieren werden, wurde ein Kleinst-Ministerium, wurden Kabinette und Sektionen geschaffen, wobei dazu zu sagen ist, dass zahlreiche Abteilungen in anderen Ressorts größer als dieses Ministerium sind. Anzuführen brauche ich hier wohl nicht, dass "natürlich" sämtliche Beschäftigte in den einzelnen Ministerbüros die höchste Arbeitsplatzbewertung und damit Bezahlung haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem liebe Freunde aus dem ÖAAB! Es wird ja "lustig" für euch werden – ich habe das bereits vorige Woche hier gesagt –, wenn ihr das alles euren Kolleginnen und Kollegen in den nächsten Wochen und Monaten erklären werdet müssen. Ich freue mich direkt schon darauf! Und die Situation wird nicht besser werden, auch wenn ihr es anders darzustellen versuchen werdet! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Spindelegger: Die Argumente werden nicht besser, auch wenn ihr sie noch so oft wiederholt!)

Seit Wochen und Monaten hören wir von Ihnen Aussagen zum Thema "Verwaltungsreform". Von verschiedenen Ressorts wurden Privatfirmen damit beauftragt, Vorschläge für eine Verwaltungsreform zu erarbeiten. (Ruf bei der ÖVP: Das ist gut so!) Dabei geht es um Aufträge in Millionenhöhe, das sage ich gleich dazu. Das schaut so aus, dass die öffentlich Bediensteten diesen Privatfirmen erklären müssen, wie eine öffentliche Verwaltung überhaupt zu organisieren ist! – Und das alles bitte in Zeiten, in denen angeblich Sparen angesagt ist!

In diesem Zusammenhang sollte man auch nicht unerwähnt lassen, dass die Regierung den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern Ausgaben für Werbekampagnen in Höhe von einigen Millionen Schilling zumutet.

Herr Klubobmann Dr. Khol ist schon wieder nicht da – vorige Woche hatte ich bei meinem Debattenbeitrag auch dieses "Pech". (Abg. Großruck: Wo ist der Herr Gusenbauer?) Er hat hier sehr viel und oft von "neuer Sozialpartnerschaft" gesprochen. – Ich möchte hier nur wiederholen, Frau Vizekanzlerin – Sie kennen ja das Schreiben des Vorsitzenden der GÖD, des Herrn Kollegen Neugebauer, und das ist keinesfalls ein Roter –, dass die GÖD die Bundesregierung ersucht, Vereinbarungen einzuhalten.

Mit dem so genannten neuen Regieren und mit der "neuen Sozialpartnerschaft" ist es doch in Wirklichkeit so: Ohne Verhandlungen, ohne Begutachtung von Gesetzesvorlagen preschen Sie hier im Hohen Haus mit Ihren Regierungsvorlagen vor! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Frau Vizekanzlerin hat Nächte hindurch ...!) Ja, ja! Frau Kollegin, erzählen Sie das nicht nur mir, sondern erzählen Sie das allen anderen! Erzählen Sie das vor allem jenen, die immer sagen: diese "bösen Roten"!


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Ich erinnere Sie jetzt an ganz eindeutige Mehrheitsverhältnisse: Zwei-Drittel-Mehrheit durch den ÖAAB, und in diesem Gremium wurden Beschlüsse pro Durchführung von Kampfmaßnahmen gefasst, weil diese Kolleginnen und Kollegen so "glücklich" mit Ihnen von der ÖVP sind!

Darum: viel Vergnügen in den nächsten Wochen und Monaten! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Seinerzeit, unter früheren Bundesregierungen, war ich wirklich geradezu dankbar dafür, dass damals keine Kündigungen ausgesprochen wurden. – Jetzt kann man aber genau nachlesen, welches Regierungsmitglied in den letzten Tagen gesagt hat: Kündigungen seien möglich.

Ich muss feststellen, Sie von der ÖVP halten sich nicht einmal mehr an das, was wir – und das ist noch gar nicht so lange her – miteinander vereinbart haben! Da spreche ich jetzt noch nicht einmal über Ihre so genannte differenzierte Betrachtungsweise, indem Sie nämlich sagen: Das ist doch keine Kündigung! – Was ist denn das bitte in Wirklichkeit anderes, wenn man Tausende befristete Dienstverträge etwa im Bereich der Schulen auslaufen lässt?! – Das stimmt schon, das ist zwar formal keine Kündigung, nur: Die arme Kollegin, der arme Kollege hat aber trotzdem keinen Job! Darin sind wir uns doch hoffentlich einig! Wie man das jetzt "benamst", ist, so meine ich, nicht die Frage – Tatsache ist aber, dass Tausende Kolleginnen und Kollegen ihren Arbeitsplatz verlieren werden!

Ihr "neues Regieren" heißt also, dass, ohne Verhandlungsergebnisse abzuwarten, ohne jegliche Begutachtungsverfahren sozial unausgewogene Regierungsvorlagen hier im Hohen Haus eingebracht werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren vom ÖAAB, auch wenn Ihnen das noch so wehtut, möchte ich Sie daran erinnern: Herr Abgeordneter Dr. Khol hat heute hier mehrfach die "bösen roten Gewerkschafter" angesprochen, und in diesem Zusammenhang darf ich Ihnen schon sagen: Die GÖD besteht zwar sozusagen zu zwei Dritteln aus eurer "Farbe", aber auch dort gab es einstimmige Beschlüsse. (Abg. Neudeck: Wer ist "eure"?)

Daher: Diese Aktion vom 5. Dezember wird eine gemeinsame ÖGB-Veranstaltung sein; die Christgewerkschafter haben da mitgestimmt! Und wenn jemand sagt, das sind "Chaoten", dann kann man darauf nur erwidern: Dann nennt ihr doch eure eigenen Leute "Chaoten"! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wie gesagt: Es wird interessant werden, wie ihr vom ÖAAB das alles euren Leuten erklären werdet!

Tatsache ist jedenfalls: Dabei handelt es sich um keine "rote" Veranstaltung, auch um keine der FSG, meine Herren vom ÖAAB, sondern das wird eine gemeinsame, eine überparteiliche Veranstaltung sein. Und da sollten Sie von der ÖVP hier nicht so tun, als ob es sich dabei um lauter "Chaoten" handeln würde, was ja hier bereits mehrmals so darzustellen versucht wurde.

Wenn sich noch mehr Österreicherinnen und Österreicher – alle sind dazu herzlichst eingeladen! – dieser Kundgebung anschließen, dann werden eben andere als Gewerkschaftsmitglieder auch noch dabei sein. Jedoch hier so grundsätzlich zu sagen, dabei würde es sich um "Chaoten" handeln, das ist wirklich zurückzuweisen! Diese überparteiliche Kundgebung wurde bitte mit den Stimmen der FCG beschlossen! So schaut‘s aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Weiteres noch: Wer zum Wochenende Medienberichte verfolgt hat, konnte feststellen, dass jener Gewerkschafter, der noch im Budgetausschuss von Herrn Bundeskanzler Schüssel so gelobt wurde (Abg. Großruck  – eine Ausgabe des "Kurier" in die Höhe haltend –: Heute lesen!), nämlich GÖD-Vorsitzender Fritz Neugebauer, der, wie damals Bundeskanzler Schüssel meinte, sehr viel Verständnis für die Bundesregierung habe, gesagt hat: Wie versprochen, so gebrochen! Und Kollege Neugebauer meinte weiters, diese Regierung werde dazu aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich der sozialpartnerschaftlichen Kultur zu be


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sinnen. – Das war also nicht die Aussage eines roten Gewerkschafters, sondern die Aussage des Vorsitzenden einer FCG-dominierten Fachgewerkschaft.

Egal, ob euch das gefällt oder nicht, liebe Freunde vom ÖAAB: Das ist die Realität! Auch heute wurde in unserer Gewerkschaft – wiederum einstimmig! – beschlossen, dass die Kolleginnen und Kollegen aus den AHS einen Tag streiken werden, wenn es eben nicht anders geht. (Abg. Dr. Niederwieser: Peinlich!)  – Wiederum nicht ein Beschluss nur von "Roten", sondern einer von Christgewerkschaftern! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Kollegen im öffentlichen Dienst – und das sollte, so meine ich, außer Streit stehen – erbringen hervorragende Dienstleistungen, und zwar im Interesse unserer Heimat, im Interesse der Republik Österreich und aller Österreicherinnen und Österreicher, und Sie sollten diese nicht zum Spielball Ihrer Politik machen! – Damit ist aus unserer Sicht einiges zu diesem Thema gesagt.

Wir von unserer Fraktion können diesem Teil des Budgets jedenfalls nicht unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reindl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

20.01

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wie schon bei der Budgetdebatte im Mai heurigen Jahres ist auch jetzt von der vereinten linken Opposition hier in diesem Hause (Rufe bei den Freiheitlichen: Oh!) nichts Positives oder Konstruktives zu hören. Herr Abgeordneter Gusenbauer von den Sozialdemokraten, der "große Vorsitzende" (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist er nicht!), hat heute von einem "Fehlschlag" in der Wirtschaftspolitik gesprochen und gemeint, das Budget sei sozial nicht ausgewogen. Mein Vorredner Pendl hat das ebenso gesagt. Zentrale Elemente des Wohlfahrtsstaates würden, so Abgeordneter Gusenbauer, abgebaut.

Herr Abgeordneter Van der Bellen von den Grünen meinte heute, die Armutsgefahr werde deutlich erhöht, im ökologischen Bereich gehe nichts weiter, und es fehle die Vision. – Meine Damen und Herren von der linken Seite dieses Hauses! Die Entwicklung des Staatshaushaltes in den nächsten Jahren – ohne Neuverschuldung! – wird Sie eines Besseren belehren.

Nicht gerade einfach waren die Gehaltsverhandlungen, die Frau Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst geführt hat. – Ihre Gewerkschaft, Herr Kollege Pendl, die sozialdemokratischen Gewerkschafter, haben vor den Gehaltsverhandlungen im Herbst dieses Jahres wahre Horrormeldungen in ganz Österreich verbreitet. Besonders arg war das bei der Sicherheitsexekutive. Über diese stand in einem Flugblatt, ausgesendet an alle Sicherheitsdienststellen in ganz Österreich, was alles die Frau Vizekanzlerin angeblich vorhabe: ersatzlose Streichung der Kinderzulage, ersatzlose Streichung des Fahrtkostenzuschusses, ersatzlose Streichung der Essensmarken und so weiter! – Alles Behauptungen, meine Damen und Herren, die nur dazu geführt haben, eine Unruhewelle sondergleichen, ja manchmal geradezu eine Paniksituation in der gesamten Beamtenschaft herbeizuführen.

Meine Damen und Herren! Nichts – rein gar nichts! – von diesen absurden Behauptungen ist eingetreten. Die Kinderzulage bleibt in vollem Umfang erhalten, der Fahrtkostenzuschuss wird auch nicht gestrichen, und eine Streichung der Essensmarken gibt es nur für Beamte in den höchsten Besoldungsgruppen; dies kann somit keinen Exekutivbeamten treffen.

Diese falschen Behauptungen der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter haben jedoch ohnehin nicht wirklich gegriffen. Und nun ist es ruhig um diese Gewerkschafter, um diese Personalvertreter geworden. Niemand fragt bei ihnen irgendetwas an; sie leiden unter größtem Vertrauensverlust und könnten sich eigentlich zur Ruhe setzen. Von der Frau Vizekanzlerin ist nämlich über diese angeblichen Schlechterstellungen nicht einmal nachgedacht worden.


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Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer hat sich vielmehr für jene Beamte engagiert, die lediglich über ein kleines oder mittleres Einkommen verfügen, und sie hat den öffentlichen Dienst immer positiv hervorgehoben sowie die hohe Qualifikation der Mitarbeiter in besonderem Maße gewürdigt. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Warum streiken dann die Lehrer?)

Herr Kollege Pendl! Nächtelang gab es Gehaltsverhandlungen, und es wurden diese nicht mit Prozenten, sondern mit einem Sockelbetrag in Höhe von 500 S pro Bediensteten abgeschlossen. Das macht bei niedrigeren Einkommen einen Prozentsatz von etwa 3,2 Prozent und bei höheren einen solchen von etwa 0,45 Prozent an Erhöhung aus.

Meine Damen und Herren! Das ist eine Lösung, die erstmals nicht Beamte in höheren Gehaltsstufen eklatant bevorzugt, sondern das stellt eine grundlegende Änderung der bis jetzt geübten Praxis dar. Damit wurde von der Frau Vizekanzlerin auch im öffentlichen Dienst ein deutliches Zeichen in Richtung niedriger Einkommen gesetzt.

Hohes Haus! Ein Novum für die Sicherheitsexekutive stellt es gleichfalls dar, dass die Frau Vizekanzlerin mit allen Gewerkschaften getrennte Verhandlungen geführt hat: Sie hat mit der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher verhandelt, ebenso mit der Fraktion christlicher Gewerkschafter, und selbstverständlich hat sie auch Verhandlungen mit der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter geführt – dies trotz heftiger Proteste der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, die immer wieder gemeint hat: Wir lassen uns nicht auseinander dividieren! – Die Gewerkschaft öffentlicher Dienst will offensichtlich nicht wahrhaben, dass der Exekutivdienst ein ganz spezifischer Dienst und Beamter nicht Beamter ist.

So wird es auch gelingen – das ist ja notwendig –, für die Sicherheitsexekutive in Österreich in Zukunft ein eigenes Dienstrecht zu schaffen, und wenn es sein muss, auch gegen den Widerstand der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, allen voran natürlich wieder der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter. (Zwischenruf des Abg. Pendl. )

Die Sicherheitsexekutive will in der Gewerkschaft nicht großteils von Lehrern vertreten werden, sondern will ihre Anliegen selbst vorbringen! Und das ist ihr gutes Recht! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Bei der Frau Vizekanzlerin hatte die Sicherheitsexekutive erstmalig die Möglichkeit dazu.

Frau Vizekanzlerin! Als Exekutivbeamter bedanke ich mich namens meiner Kolleginnen und Kollegen für Ihre Verhandlungsbereitschaft und für die Zusage, dies auch in Zukunft so halten und handhaben zu wollen.

Der gesamte öffentliche Dienst wird sich jedenfalls auch in Zukunft bereit erklären, seinen Beitrag zu einem geordneten Staatshaushalt zu leisten.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die neue Regierung hat mit diesem Budget einen wichtigen Schritt in Richtung Sanierung der Staatsfinanzen gesetzt. Die Sanierung der Staatsfinanzen ist nämlich nicht Selbstzweck, sondern stellt ein verantwortungsvolles Handeln für die nächsten Generationen dar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

20.07

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Wir reden heute zur öffentlichen Leistung, ein hochaktueller Anlass. Schlagzeilen in den Zeitungen, Streikdrohungen im öffentlichen Dienst. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. Wenn Sie nicht zuhören wollen: Da ist die Tür, da können Sie hinausgehen, wenn es Sie stört, dass man hier beim Rednerpult spricht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind doch frech, wenn Sie sagen, er soll zur Tür hinausgehen!) Wo ist die "Frechheit"?! Er ist frech! Wissen Sie, was er gesagt hat? – Ich soll nicht so viel reden – und das schon nach meinem zweiten Satz! Diese "Frechheit" liegt offenbar im Bereich der FPÖ – und


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nicht bei anderen. Wenn Sie nicht diskutieren wollen, brauchen Sie ja nur hinauszugehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sagen, er soll den Saal verlassen!)

Wenn ich nach meinem ersten Satz hier von ihm schon höre: Nicht so viel reden!, liegt die Frechheit aus meiner Sicht wohl eindeutig auf dieser Seite (der Redner weist auf die Bänke der Freiheitlichen), aber okay, was soll’s. Zuhören werden Sie ohnehin nicht wollen, vielleicht woanders. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Toleranz!)

Streikdrohungen im öffentlichen Dienst, etwas, was in dieser Form und vor allem in dieser Stärke – Kollege Pendl hat bereits ausgeführt, da geht es um fraktionsübergreifende Aktionen – doch eher neu ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich habe mir gedacht, man könnte sich diese Sache jetzt einmal neu anschauen und auch darstellen, wie die Entlohnung im öffentlichen Dienst im Moment ausschaut. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso ist Toleranz ein Wahnsinn für Sie?)

Ziel dieser Bundesregierung: Stellenabbau! – als ob das ein besonderes qualitatives Ziel im öffentlichen Dienst wäre! Jede Meldung, dass die Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst unter der Inflationsrate liegt, wird als "riesiger Erfolg" bezeichnet.

Man könnte doch auch Leistungen im öffentlichen Dienst unter einem anderen Blickwinkel betrachten. Da wird es auch einmal darum gehen, sich vergleichend anzuschauen, ob die Leistungen, ob die Gehälter, ob die Entlohnung, die im öffentlichen Dienst bezahlt wird, adäquat ist – oder eben nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das wäre wohl ein anderer Zugang, als nur von Einsparungen zu reden. Und das würde ich mir ganz gerne einmal anschauen, etwa die berühmten "hohen" Lehrergehälter. Nehmen wir als Beispiel die AHS-Lehrer, von denen momentan gesprochen wird: Diese fangen mit einem Einstiegsgehalt von 22 900 S brutto an. (Abg. Neudeck: 14 Mal für acht Monate!) Das wird man hoffentlich (zu einer Mitarbeiterin des Stenographenbüros gewandt) ins Protokoll aufnehmen, was Kollege Neudeck in einem Zwischenruf sagte: "14 Mal für acht Monate!" – Kollege Neudeck, das wird die Lehrer wieder einmal "freuen", dass diese, wie Sie meinen, vier Monate lang Ferien haben.

Nach zehn Jahren gibt es immerhin schon 27 600 S brutto. Wenn man das mit Entlohnungen in der Privatwirtschaft vergleicht, dann könnte man sagen, dass das nicht wirklich stattliche Bezüge sind und ... (Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Kollege Wattaul! Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen: Wir reden hier von Akademikern, und Akademiker haben normalerweise einen gewissen Bezug, wenn sie einsteigen! (Beifall bei den Grünen.) Meinen Sie, dass Akademiker in der Privatwirtschaft auch mit 22 000 S einsteigen und das als stattliches Gehalt empfinden? – Dort ist es wohl ein bisschen anders! (Abg. Wattaul: Du kennst dich nicht aus! – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Es ist durchaus interessant: Ich habe Finanzminister Grasser über ein Phänomen befragt, bezüglich dessen wir gleicher Meinung sind, dass nämlich im öffentlichen Dienst ein Missverhältnis eingetreten ist zwischen Anfangsbezügen und Endbezügen und einem Pensionssystem, das doch relativ hoch ist. Ich halte fest, dass wir es nicht für besonders sinnvoll erachten, dass man dann, wenn man sozusagen einen relativ hohen Bedarf hat, wenn man sich eine Existenz aufbaut, sehr bescheidene Gehälter und Löhne bekommt. (Zwischenruf des Abg. Wattaul. ) Die Beamten arbeiten nach Ihrer Meinung offenbar nicht, das ist auch interessant! Es ist – wie gesagt – nicht sinnvoll, wenn man zu Beginn sehr bescheidene Gehälter bekommt, dann jedoch, wenn man bereits einen gewissen Lebensstil und -standard hat, erst wirklich zu höheren Bezügen kommt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Ich schlage vor, dass wir uns die Abflachung der Gehaltskurve einmal anschauen. (Der Redner zeigt ein Kurvendiagramm.) Frau Minister! Sie sitzen hinter mir, Sie müssen in die andere Richtung schauen! Die Abflachung der Gehaltskurve wurde von Ihnen im Regierungsübereinkommen angekündigt. Bislang habe ich allerdings nichts davon gemerkt! Die Kurve wird vielleicht


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abgeflacht, weil unten noch weniger dazu kommt, aber das ist eine andere Form der Abflachung, von der wir jetzt nicht reden!

Ich habe Finanzminister Grasser in einer Fragestunde heuer im Frühjahr gefragt, was er von der Abflachung hält, und da hat er eine Auskunft gegeben, die dem ähnelt, was Sie jetzt dazwischen rufen! – Auf meine Frage, ob man die Anfangsgehälter anheben sollte und diese dann weniger schnell steigen sollten, sagte er:

"Ich bin mit Ihnen durchaus einer Meinung, was die Entwicklung der Gehaltskurve betrifft. Nicht ganz einer Meinung bin ich mit Ihnen, wenn Sie sagen, dass es für Junglehrer ein offensichtlich niedriges Einstiegsgehalt gibt, das sich dann sehr stark erhöht, weil ich meine, dass das, was zurzeit an Einstiegsgehältern für Junglehrer bezahlt wird, im Vergleich zu den Gehältern in der Wirtschaft mit den dortigen Anforderungen durchaus ein staatliches Gehalt ist." (Abg. Wattaul: Na siehst du!) Wahrscheinlich wissen Sie das vom Finanzminister! Das ist wirklich amüsant!

22 000 S Einstiegsgehalt für Akademiker ist für die FPÖ ein "stattliches Gehalt"! Okay, lassen wir das so stehen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zur Erhöhung von 500 S, die für das Jahr 2001 als Fixbetrag beschlossen ist, und zu der Erhöhung um 0,8 Prozent für das Jahr 2002 mit Nachverhandlungen kann man jetzt stehen, wie man will. Aber es ist klar, dass das eindeutig unter der Inflationsrate liegt, und das bedeutet einen Reallohnverlust im öffentlichen Dienst. Das wollen Sie offenbar durchziehen! (Beifall bei den Grünen.)

Wir können uns das auch im internationalen Vergleich anschauen: Die OECD-Studien werden von Ihnen liebend gern zitiert, vor allem dann, wenn man nachweisen kann, wie wenig Lehrer – zum Beispiel – arbeiten. Man könnte sich aber auch einen Einkommensvergleich anschauen, der darin auch enthalten ist. Schauen wir einmal den Vergleich zu Deutschland an! Umgerechnet – man kann jetzt natürlich darüber diskutieren, ob diese Statistiken wirklich hundertprozentig zutreffen, aber nehmen wir das als Richtwert – ergibt sich, dass Lehrer in Österreich beim Einstieg um 8 000 Dollar Jahresgehalt weniger haben als Lehrer in Deutschland. Nach 15 Jahren ist die Differenz noch höher, da sind es 12 000 Dollar, und erst beim Endbezug kommen die österreichischen Lehrer auf 3 000 Dollar mehr pro Jahr.

In Anbetracht dessen denke ich, dass das System in Deutschland wesentlich intelligenter ist: Die Einstiegsgehälter sind höher, steigen nicht so stark an, und verteilt über das Lebenseinkommen wird sich das mit dem Pensionssystem wahrscheinlich einigermaßen ausgleichen. Dann, wenn die Menschen das Geld brauchen, bekommen sie auch entsprechende Finanzmittel, und das halte ich für eine an und für sich intelligente Lösung. Dahin sollte man bei uns in verstärktem Maße kommen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Über die Verärgerung der AHS-Lehrer möchte ich auch noch einen Satz sagen. Ich habe jetzt den morgigen "Kurier" vor mir liegen. Ich schätze Kollegen Thonke vom "Kurier" an sich sehr: Es ist wirklich verblüffend, wie es gelingt, dass man die Dinge, die beschlossen sind, nach wie vor – und da spreche ich jetzt Frau Ministerin Gehrer an – in einer Form transportiert, die einfach nicht stimmt. – Es geht um die berühmte Klassenvorstandsregelung. Das sehen auch wir so. Beschlossen ist eine Abgeltung von 20 000 S pro Jahr, das steht außer Zweifel, dieser Regelung stimmen auch wir zu. Beschlossen ist aber auch, dass die bisherige Abgeltung in Form einer Belohnung von 9 000 S nicht mehr bezahlt wird. Allerdings steht nirgends, dass das eindeutig nach allen mathematischen Regeln voneinander abzuziehen wäre, was bedeutet, dass man statt bis jetzt 9 000 S dann 20 000 S bekommt, jedoch nicht um 20 000 S mehr. – Solange Frau Ministerin Gehrer solche Dinge immer wieder von sich aus verbreitet, ist sie einfach nicht glaubwürdig, denn die Betreffenden in den Schulen wissen natürlich, dass es sich anders verhält. Wenn Maßnahmen so angekündigt werden, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass die Leute nicht willens sind, etwa Angaben über den Lehrerabbau so hinzunehmen, wie sie angekündigt werden. Man sollte die Zahlen offen nennen und ehrlich sein, dann kann man wahrscheinlich auch zu einer vernünftigen Gesprächskultur zurückkehren! (Beifall bei den Grünen.)

20.16


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47. Sitzung / Seite 162

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

20.16

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport ist für die Erreichung der Budgetziele der Bundesregierung ein Schlüsselressort.

Eines der Ziele dieser Bundesregierung im Zuge der Verwaltungsreform ist es, 15 000 Planstellen in der Bundesverwaltung bis 2003 einzusparen, und zwar 4 000 davon durch Ausgliederungen und 11 000 durch Nichtnachbesetzung frei werdender Stellen. In Zahlen gegossen heißt das Sparziel bis 2002: 11 Milliarden Schilling! Das ist ein ehrgeiziges Programm und ein wesentlicher Eckpfeiler des Erfolges dieser Bundesregierung.

Das Ziel einer Bundesregierung, eine Verwaltungsreform vorzunehmen, ist eigentlich in jedem Regierungsprogramm enthalten. Es finden sich auch entsprechende Vorhaben, und ich bin sehr optimistisch, dass dieses Ziel, zu einer echten und substanziellen Verwaltungsreform zu kommen, diesmal auch erreicht wird.

Was gibt mir die Hoffnung beziehungsweise sogar die Sicherheit, dass es diesmal tatsächlich zu entsprechenden Strukturänderungen kommen wird? – Erstens glaube ich, dass die Zeit dafür richtig ist. Bei jeder wirklichen Reform bedarf es auch des notwendigen Entscheidungsdruckes und auch Leidensdruckes, und dieser Entscheidungsdruck ist diesmal da, weil die Ressourcen entsprechend knapp sind. Zweitens erfordert das Diktat der leeren Kassen auch die notwendige Flexibilität und Innovationskraft, um die Ziele und Herausforderungen eines modernen Staates zu bewältigen. Drittens gibt es sowohl international – wir brauchen beispielsweise nur in die Schweiz oder nach Deutschland zu schauen – Diskussionen und Modelle als auch national die entsprechenden Vorarbeiten für eine Verwaltungsreform.

Ich verweise auf die von der Frau Vizekanzlerin eingerichtete Arbeitsgruppe von Experten aus den Bereichen der Verwaltung, der Wissenschaft und der Wirtschaft, und ich möchte auch auf das Symposium über Verwaltungsreform hinweisen, das im Auftrag und unter dem Ehrenschutz der Frau Vizekanzlerin am 25. Oktober abgehalten wurde, bei welchem die Experten, die von der Bundesregierung eingeladen wurden, entsprechende Denkansätze und Lösungsansätze vorgestellt haben.

Was stimmt mich noch optimistisch? – Die bereits von der Bundesregierung erzielten Erfolge, und zwar die verhandelte Pensionsreform, die einen Meilenstein bedeutet, und die moderate Lohnrunde, bei welcher in guter sozialpartnerschaftlicher Atmosphäre verhandelt wurde. Es war schwierig, man hat aber letztlich zu einer Einigung gefunden, und es sind auch Vereinbarungen, die in einem modernen Dienstrecht und Arbeitsrecht unumgänglich sind, enthalten, wie zum Beispiel die flexible Arbeitszeit.

Österreich – wie selbstverständlich auch andere Länder – braucht eine moderne und flexible Personalpolitik. Das ist deshalb notwendig, weil wir motivierte und gut ausgebildete, engagierte Mitarbeiter im Staat brauchen, um die vielfältigen Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung meistern zu können. Und eine effiziente Verwaltung ist ein wichtiger Standortfaktor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt sie, die hochspezialisierten, engagierten und motivierten Mitarbeiter im öffentlichen Dienst: Ihnen gebührt – und das möchte ich einfordern! – eine sachliche und inhaltlich fundierte Diskussion über Verwaltungsstrukturen und modernes Dienstrecht! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. – Bitte.

20.20

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte auf etwas Bezug nehmen, was


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47. Sitzung / Seite 163

Herr Kollege Pendl in seinem Redebeitrag gesagt hat und wozu ich ihm meine Zustimmung geben möchte: Er hat gesagt, dass Vereinbarungen einzuhalten sind. – Herr Kollege Pendl! Da bin ich ganz bei Ihnen. Ich möchte einiges aus dieser Vereinbarung, die wir mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst in einem an sich schwierigen Prozess, aber letztendlich in einem konstruktiven Klima geschlossen haben, hier noch einmal anführen und feststellen, worum es tatsächlich gegangen ist, denn das, was Sie vorgestellt haben, ist nicht das, was in dieser Vereinbarung festgehalten wurde.

In dieser Vereinbarung mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst haben wir im Gehaltsabkommen 2001 und 2002 für das kommende Jahr 2001 einen Fixbetrag von 500 S vereinbart. Diese Maßnahme dient ausdrücklich – wie Kollege Reindl schon ausgeführt hat – der sozialen Treffsicherheit, nämlich der Begünstigung der kleineren und mittleren Einkommen, und bewirkt genau das nicht, was Sie, Herr Kollege Brosz, gesagt haben, nämlich einen Gehaltsabschluss unter der Inflationsrate. Ganz im Gegenteil: Die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen bekommen mehr als die Inflationsrate, die Bezieher hoher Einkommen – aber ich nehme nicht an, dass Sie hier die hohe Beamtenschaft vertreten – bleiben hingegen darunter. Das halte ich nicht nur für sozial verträglich, sondern auch für richtig und gerecht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Pendl! Wir haben darüber hinaus eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst getroffen, die beinhaltet, dass die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst gemeinsam mit dem Dienstgeber an einer umfassenden Verwaltungs- und Strukturreform mitwirken wird und auch daran mitwirken wird, dass 11 000 Planstellen im Zuge dieser Verwaltungs- und Strukturreform eingespart werden und parallel dazu auch adäquate Einsparungen im Bildungsbereich zu treffen sind, worauf ich dann noch näher eingehen werde.

Wir haben weiters in diesem Übereinkommen vereinbart, dass es ab 2002 Möglichkeiten geben wird, flexible Dienstzeitmodelle einschließlich bedarfsorientierter Jahresarbeitszeitmodelle umzusetzen, was auch im Interesse der Mitarbeiter ist. Vermehrte Möglichkeiten zur Gleitzeitarbeit stehen heute nicht nur in der Wirtschaft, sondern selbstverständlich auch im öffentlichen Dienst sowohl im Interesse des Dienstgebers als auch des Dienstnehmers, und das wird jetzt ressortweise für die einzelnen Bereiche ausverhandelt werden.

Herr Kollege Brosz! Sie haben das Senioritätsprinzip hinsichtlich der Einkommen angesprochen. – Ich teile Ihre Auffassung: Selbstverständlich ist die Besoldungsstruktur des öffentlichen Dienstes in dieser Form derzeit weder gerecht noch leistungsorientiert. Deshalb ist ein Teil unserer Vereinbarung mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, dass alle Einkommen in Hinkunft unter den Gesichtspunkten der Leistungsbezogenheit, der Treffsicherheit, der Sinnhaftigkeit, der Einkommenstransparenz und des Senioritätsprinzips überprüft und neu geregelt werden sollen.

Die soziale Komponente von Einkünften, die wir selbstverständlich auch in dieser Vereinbarung mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst berücksichtigt haben, besteht darin, dass die Essenszuschüsse für alle "All-in-Bezüge" entfallen, und das ist auch eine Maßnahme der sozialen Gerechtigkeit, weil nicht einzusehen ist, dass Einrichtungen, die eigentlich unter einem sozialen Aspekt geschaffen wurden, jenen zugute kommen sollen, die es von ihrem Einkommensniveau wahrlich nicht nötig haben.

Ich bin froh, dass die Gewerkschaft in dieser Frage nach doch sehr schwierigen Diskussionen letztlich ihre Zustimmung gegeben hat ebenso wie auch zum Entfall des Todesfallbeitrags für bereits in Pension befindliche Beamte. – Ich glaube, dass mit dieser Vereinbarung sowohl die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst sowie auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst einen konstruktiven und wesentlichen Beitrag zur Struktur- und Verwaltungsreform geleistet haben.

Kein Verständnis habe ich allerdings dafür – und das sage ich in aller Deutlichkeit –, dass jetzt wieder Streiks angekündigt werden, nachdem all diese Fragen nicht nur mit der Gewerkschaft verhandelt wurden, sondern der Lehrerbereich selbstverständlich auch mit den Lehrergewerk


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47. Sitzung / Seite 164

schaftern verhandelt wurde. In Anbetracht dessen habe ich kein Verständnis dafür, dass AHS-Lehrer jetzt wieder einen Streik ankündigen. Herr Kollege Brosz! Die Einstiegsgehälter für Junglehrer, bezüglich derer Sie Mitleid zu erregen versucht haben, waren nicht der Auslöser des Streiks. Der Auslöser des Streiks war vielmehr – und das ist auch von der Gewerkschaft deutlich gesagt worden –, dass Klassenvorstände jetzt eine Stunde mehr unterrichten müssen. Herr Kollege Pendl! Meine Damen und Herren, die Sie diese Streiks unterstützen! Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen dabei, wenn Sie der Öffentlichkeit erklären, dass es Anlass für einen Streik ist, dass Klassenvorstände jetzt nicht mehr 19, sondern 20 Stunden in der Klasse stehen müssen!

Wenn Sie, Herr Kollege Brosz, den OECD-Vergleich angesprochen und das deutsche Modell als besonders intelligent bezeichnet haben, dann stimme ich Ihnen zu. Sie hätten aber auch dazusagen müssen, dass die Lehrverpflichtung in Deutschland um einige Stunden höher ist als in Österreich. Wenn Sie dieses Modell befürworten, bin ich ganz bei Ihnen, ich befürworte es auch! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unzumutbar finde ich auf jeden Fall, dass solche Aktionen, nämlich Streiks und Kampfmaßnahmen, während der Unterrichtszeit stattfinden. Das ist eine Verantwortungslosigkeit sowohl gegenüber Schülern als auch Eltern!

In der morgigen Ausgabe einer Tageszeitung heißt es: "In den 400 Schulen finden die 185 000 betroffenen Schüler keine Bleibe. Die 20 000 Lehrer sind zwar dort, Aufsicht ist aber nicht geplant. Sollten sich Wissbegierige dennoch in die Anstalten verirren, wird ihnen an manchen sogar der Zutritt verweigert."

Welche Berechtigung das hat, müssen Sie einmal den Eltern erklären! Wenn beide Elternteile berufstätig sind, stellen Sie diese jetzt von heute auf morgen vor die Situation, dass sie nicht wissen, wer ihre Kinder betreut. Das ist eine verantwortungslose Vorgangsweise!

Außerdem sage ich Ihnen, Herr Kollege Pendl, und all Ihren Kollegen von der Gewerkschaft, dass diese ständigen Erpressungsversuche durch Androhungen von Kampfmaßnahmen oder Streiks bei dieser Regierung noch nie auf fruchtbaren Boden gefallen sind und auch in Zukunft nicht fallen werden. Wir lassen uns von Ihnen nicht erpressen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Pendl! Ihre Kritik und die Kritik Ihrer Kollegen wäre natürlich viel glaubwürdiger gewesen, wenn Sie zu Fragen der Verwaltungsreform nicht nur die Regierung und das, was wir vorhaben, kritisiert hätten, sondern wenn Sie auch den einen oder anderen eigenen Vorschlag gemacht hätten! Das habe ich nämlich bis heute vermisst. Bis heute höre ich eigentlich immer nur, dass Sie zwar auch eine Verwaltungsreform wollen, aber nicht so, wie die Regierung es machen will. – Daher bitte ich Sie, auch einmal zu sagen, wie Sie es gerne hätten, denn solche Vorschläge fehlen bis heute gänzlich!

Verwaltungsreform ist selbstverständlich viel mehr als Einsparungsmaßnahmen für das Budget. Eine Verwaltungsreform bedeutet vielmehr, dass es mehr Bürgerorientierung gibt und dass es zur Einführung einer wirkungsorientierten Verwaltungsführung unter Nutzung moderner Instrumente des Verwaltungsmanagements kommt, um die Verwaltung schneller, effizienter und kostengünstiger zu machen.

Diese strukturellen Reformen hat sich diese Bundesregierung vorgenommen, und wir sind auf gutem Wege. Wir haben mit allen Ressorts im Zuge der Budgetkonsolidierungsmaßnahmen auch mit externen Beratern schon wesentliche Fortschritte erzielt. Im Frühjahr 2001 wird ein Vorschlag für alle Ressorts zur Umsetzung budgetwirksamer Restrukturierungsmaßnahmen vorliegen.

Eine Arbeitsgruppe hat bereits im Sommer dieses Jahres eine Evaluierung der bisherigen Ausgliederungen und der Erfolgsfaktoren für zukünftige Ausgliederungen erstellt. Auch dieses Programm ist auf gutem Wege. Eine Aufgabenreformkommission mit externen und internationalen Experten beschäftigt sich selbstverständlich unter Beiziehung der Mitarbeiterinnen und


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47. Sitzung / Seite 165

Mitarbeiter im öffentlichen Dienst mit den Fragen, die eigentlich entscheidend sind, was wirklich die Kernaufgaben des Staates sind, wozu und in welchen Bereichen wir den Staat überhaupt brauchen, was nicht mehr notwendig und zeitgemäß ist, was doppelt und mehrfachgleisig angeboten wird und worauf wir demzufolge in der Verwaltung verzichten um damit auch entsprechende Effekte hinsichtlich der Effizienz erzielen können.

In den Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern – auch das möchte ich positiv vermerken – ist außerdem vereinbart worden, dass wir gemeinsam mit den Gebietskörperschaften bis zum Juni 2001 Vorschläge betreffend die Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten im Rahmen der Diskussion um die Bundesstaatsreform erarbeiten werden, um auch hier Einsparungen in der Höhe von 3,5 Milliarden Schilling zu erzielen.

Qualitätsverbesserung ist die Maßgabe einer jeden Verwaltungsreform, und selbstverständlich gibt es auch in diesem Zusammenhang bereits Projekte, die auf gutem Wege sind, etwa die Reorganisation des Haushalts- und Rechnungswesens des Bundes durch den Einsatz der Softwarebibliothek SAP, durch welche sichergestellt werden wird, dass in Hinkunft Verursachergerechtigkeit durch anteilige Kostentragung herrscht, dass ein betriebliches Rechenwesen eingeführt wird und damit eine wesentliche Verbesserung der Ablauforganisation sichergestellt ist. – Das ist ein ganz entscheidender Beitrag zur Verwaltungsinnovation. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Sozialministerium wird am 1. Mai 2001 als erstes Ressort dieses Projekt umsetzen, schrittweise werden alle anderen Ressorts folgen, und diese Umsetzung wird bis Ende 2002 abgeschlossen sein. Das Gleiche gilt für die Vereinheitlichung des Beschaffungswesens, wobei es immerhin um ein Volumen von 35 Milliarden Schilling und eine zehnprozentige Einsparung in diesem Bereich geht.

Sie sehen also, dass die Dinge sehr gut auf dem Weg sind. Ich würde mir sehr wünschen, dass auch Sie entsprechende Beiträge und Ideen liefern, wenn Sie solche haben, anstatt die Dinge, die wir in Gang gesetzt haben und die notwendig sind, zu kritisieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wichtig in diesem Bereich ist besonders, dass man feststellt, was der Bürger von der Verwaltungs- und Aufgabenreform spürt, denn das ist entscheidend. Es darf nicht nur die Frage gestellt werden, was der Finanzminister davon spürt, sondern es muss vor allem geklärt werden, was der Bürger davon spürt. – Auch diesbezüglich sind wir mit dem System "help.gv" auf einem sehr guten Weg, das von einem reinen Wegweiser durch die Amtswege jetzt zu einem Projekt der Online-Erledigung werden soll. Es wird für den Bürger eine entscheidende Vereinfachung bringen, dass er im Sinne des One-Stop-Shop-Prinzips nur eine einzige Anlaufstelle hat und seine Amtswege auch online erledigen kann. Das bringt nicht nur eine beträchlichte Zeitersparnis, sondern auch eine bedeutende Kostenersparnis. Pilotprojekte in den Ländern und Gemeinden laufen noch dieses Jahr an. In der Stadt Salzburg, in der Marktgemeinde Seekirchen am Wallersee, in der Stadtgemeinde Wieselburg, in der Stadt Zeltweg und in der Bezirkshauptmannschaft Zell am See werden heuer noch Amtswege online erledigt werden können, und das sind die Projekte, die wir entsprechend weiter betreiben müssen.

Herr Kollege Pendl! Herr Kollege Brosz! Ich bitte Sie, auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass es nicht genügt, sich hinsichtlich Bürgerorientierung und Mitarbeiterorientierung im Bundesdienst immer nur auf den Einkommensaspekt zu beschränken, sondern dass das auch bedeutet, dass Gerechtigkeit hergestellt werden muss, und zwar nicht nur innerhalb des Systems der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, zwischen Vertragsbediensteten und pragmatisierten Beamten, sondern vor allem auch zwischen den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes und jenen in der Privatwirtschaft.

Heute kann man bei uns, wenn man als Bürger in ein Amt kommt, nicht unterscheiden, ob am Schalter ein pragmatisierter Beamter oder ein Vertragsbediensteter sitzt; der einzige Unterschied besteht in besoldungsrechtlichen und ähnlichen Richtlinien. Ich meine daher, dass es für Österreich gut wäre, sich ein Beispiel an der Schweiz oder auch etwa am Bundesland Vorarl


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47. Sitzung / Seite 166

berg zu nehmen, wo ein sehr richtungweisender Schritt mit der Abschaffung der Pragmatisierung gesetzt wurde, wodurch sichergestellt wurde, dass ein moderndes Arbeitsrecht gleichermaßen für alle Berufsgruppen gilt, ohne dass es Sonderregelungen in einzelnen Bereichen gibt, die heute überhaupt keine Berechtigung mehr haben. Insgesamt habe ich mir für den öffentlichen Dienst vorgenommen, dass wir uns in die Richtung bewegen, dass gleiche Spielregeln für alle auf dem Arbeitsmarkt sowohl im Arbeitsrecht als auch im Pensionsrecht herrschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Pendl! Ich möchte etwas richtigstellen, was Sie immer wieder sagen, und zwar betreffend das Personal in meinem Ministerium, obwohl Sie schon lange wissen, dass es nicht stimmt: Ich habe im Ausschuss wiederholt genau dargelegt, dass Ihre Behauptungen nicht stimmen, dass wir keine Aufblähung des Apparates vorgenommen haben, dass vielmehr mein Präsidium mit Abstand das kleinste ist Natürlich haben wir – das wissen Sie auch genau, trotzdem möchte ich es hier auch einmal feststellen – nicht die kleinste Sektion im Bundesdienst. Die kleinste Sektion gibt es in dem Bereich, in dem Sie Gewerkschaftsvertreter sind, aber da stört es Sie interessanterweise nicht, denn da geht es ja um Ihre Mitarbeiter, die Sie gewerkschaftlich vertreten. Da gibt es eine Sektion mit sechs Mitarbeitern und vier Abteilungen. – Wenn Sie also dafür sind, dass solche kleinen Einheiten aufgelöst werden, dann fangen Sie einmal in dem Bereich an, in dem Sie zuständig sind! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Wir lösen den Pendl auf!)

Gestatten Sie mir, abschließend noch zum zweiten Bereich meiner Ressortverantwortung Stellung zu nehmen, nämlich zum Sport. Ich werde versuchen, es kurz zu machen.

Ich muss die gesellschaftliche, wirtschaftliche und erzieherische Bedeutung des Sports wohl nicht besonders betonen, diese ist uns allen bewusst. Wir haben in der Regierungserklärung und auch in den Budgets 2000 bis 2002 sichergestellt, dass keine Kürzungen in Bereichen erfolgen, die unmittelbar für den Sport wirksam sind. Wir haben Schwerpunkte in unserem Budget gesetzt, besonders in der Nachwuchsförderung, weil ich das für einen ganz zentralen Bereich der Sportförderung in Österreich halte.

In diesem Zusammenhang haben wir nachweislich ein Problem, und darüber können auch hervorragende Spitzenleistungen bei den Olympischen Spielen nicht hinwegtäuschen. Wir müssen im Sinne von konzentrierteren, effizienteren und erfolgsorientierteren Leistungszentren zweifellos tätig sein. Die parallele Ausbildung in einer Sportart und für den Beruf ist im Bereich des Wintersports in Österreich vorbildlich gelöst. In anderen Bereichen fehlt das noch. Diesbezüglich besteht Nachholbedarf.

Trainer- und Funktionärsausbildung sind ebenso ein Schwerpunkt meiner Budgetpolitik wie die Behindertenförderung, die wir endlich auf eine gesetzliche Grundlage stellen wollen, weil ich es für unzumutbar halte, dass man dafür von Jahr zu Jahr wieder betteln gehen muss. Die Behindertensportförderung muss endlich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden, gerade angesichts der großartigen Leistungen, die in diesem Bereich erbracht werden, wie wir heuer bei den Paralympics – es gab 15 Medaillen – gesehen haben. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hauptsächlich kommt die Kritik, die betreffend Neustrukturierung im Sportbereich und die entsprechende Budget- und Förderungspolitik des Sports geübt wird, nicht von Sportlern und nicht von Funktionären, sondern von jenen, die Angst haben, Einflussbereiche im Sport zu verlieren. – Ich sage hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Politik und Parteipolitik haben für mich im Sport nichts verloren, weder in Verbänden noch in Vereinen. Das ist etwas, was in dieser Form in Österreich eigentlich singulär ist. In Anbetracht dessen meine ich, dass wir die Strukturen entschlacken und so neu organisieren müssen, dass es im Sinne der Sportler mehr Effizienz und Transparenz bei den Förderungen und weniger politische Einflussnahmen gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte mich abschließend bei all jenen bedanken, die in Zusammenarbeit mit meinem Ressort gerade im Sport wesentlich dazu beigetragen haben, dass Österreich als Sportland


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47. Sitzung / Seite 167

Weltgeltung hat: bei den Bundesländern, der Sporthilfe, vor allem auch beim Österreichischen Olympischen Comité, bei den Funktionären, Trainern, Betreuern und Organisatoren von Sportveranstaltungen, denen wir möglichst optimale Rahmenbedingungen bieten müssen, um die sportlichen Erfolge und auch den Sportschwerpunkt Österreich, der uns allen gemeinsam am Herzen liegt, auch in Zukunft entsprechend erhalten und weiterentwickeln zu können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt bin ich gespannt!)

20.36

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Der Sport hat sich zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Kultur entwickelt. Er war vorher ... (Abg. Dr. Martin Graf: Turnvater Jahn war bekanntlich der erste Sozialdemokrat!) – Kollege! Jetzt fängst du schon wieder so an! Ich meine, dass das eine ernste Sache ist, und die Frau Vizekanzler hat das auch bereits gesagt. Ich möchte jetzt einige Punkte anführen. Im Übrigen wäre ich froh, wenn die Bevölkerung wüsste, wie leichtfertig ihr mit diesem Problem umgeht! (Beifall bei der SPÖ.)

War sportliche Betätigung zunächst ein Privileg des reichen Bürgertums, so wuchs der Sport auch dank sozialdemokratischer Politik in weiterer Folge zu einem Massenphänomen heran. In der Zweiten Republik wirkte er identitätsstärkend. Man denke nur an die Erfolge von Toni Sailer, Franz Klammer, Karl Schranz, Hermann Maier, aber auch anderer.

Sport ist mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) – Er wird ja nachher reden, dann kann er es selber sagen! Der Tourismus lebt zum Teil davon, dass unsere Spitzensportler international durch ihre Erfolge auf Österreich aufmerksam machen. Meine Damen und Herren! Die Spitzensportler sind die besten Botschafter für Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Optimale Trainingsbedingungen und gezielte Förderung der Talente unter den Nachwuchssportlern bilden die Voraussetzungen für die weltweit geachteten Höchstleistungen. Im Bereich des Sportes und seiner Verbände agieren hervorragende Persönlichkeiten in Österreich: Löschnak und Pillwein in der BSO, Beppo Mauhart und Alfred Ludwig im Österreichischen Fußballbund, Peter Schröcksnadel und Klaus Leistner im ÖSV, Löschnak, Waining und Prokop in den Dachverbänden, Wallner und Jungwirth im Österreichischen Olympischen Comité und die Professoren Holdhaus und Prokop in der Sportmedizin. Es leisten aber noch viele mehr viel Arbeit für unsere Gesellschaft und den Sport in Österreich! (Zwischenruf der Abg. Achatz. )

Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass kleine Verbände und Vereine auf Grund fehlender Mittel nicht die Möglichkeit haben, hauptamtliche Manager zu beschäftigen. Deren ehrenamtliche Funktionäre erfüllen eine sehr wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft. (Abg. Neudeck: Gott sei Dank!) Fred Sinowatz, für mich der beste Sportminister seit 1945, hat einmal gemeint, dass eine Stadt oder eine Gemeinde erst leben, wenn das Vereinsleben funktioniert.

Die Frau Vizekanzler war bei der BSO-Versammlung, und auch dort ist es erwähnt worden: Würden wir die Arbeit der ehrenamtlichen Funktionäre mit nur 100 S bezahlen müssen, dann wären das, gemessen an der Leistung der Funktionäre, viele Milliarden Schilling. So gesehen ist es egal, welcher Partei sie angehören beziehungsweise ob sie überhaupt einer Partei angehören.

Das Vorhaben der schwarz-blauen Regierung, die Postgebühren für den Zeitungsversand auch für Sportvereine zu erhöhen, trifft finanziell schlecht ausgestattete Vereine.

Frau Vizekanzler! Darf ich Sie ersuchen, noch einmal mit Ihrer Ministerkollegin zu sprechen. Vielleicht erhöht man die Tarife mit 1. Jänner nächsten Jahres doch nicht, denn eine Erhöhung bedeutet für die kleinen Vereine sehr, sehr viel Geld.


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47. Sitzung / Seite 168

Ich darf Ihnen auch dafür danken, dass Sie in Ihrem Ministerium mit dem Finanzministerium die Gewerbeabgabe für die gemeinnützigen Sportvereine erledigt haben. Für mich persönlich wäre es aber wichtig, dass das auch Gesetz wird und nicht nur ein Erlass bleibt.

Meine Damen und Herren! Die ehrenamtlichen Funktionäre können sich dadurch weiterhin ihren verdienstvollen Aufgaben widmen. Ich versichere Ihnen, dass meine Partei und ich uns weiterhin der Sorgen und Forderungen dieser Vereine samt ihrer Funktionäre annehmen werden. Das Gold des Sportes in Österreich, meine Damen und Herren, sind die ehrenamtlichen Funktionäre! Es ist, glaube ich, immer wieder wichtig, dass man das auch sagt.

Obwohl die Vereinszahlen im Allgemeinen rückläufig sind, nehmen sie im Sport zu. Dieser Umstand zeigt deutlich, wie tief der Sport in unserer Gesellschaft verankert ist. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dolinschek. )

Meine Damen und Herren! Nur im Sport ist die Jugend mehr zu Hause, und daher ist es wichtig, dass wir ihn unterstützen. Doch zur Förderung der sportlichen Aktivitäten benötigt man Geld. Gerade die Regierung mit dem Sport – und dafür sage ich auch dir, Kollege Kopf, danke schön – war es eigentlich, mit der wir das Glücksspielgesetz in einer Novelle geändert haben, sodass wir das Geld bis zum Jahre 2002 haben. Sonst wäre mit dem Sparpaket sicher einiges gestrichen worden. Allen, die im Interesse des Sports daran mitwirken, sage ich danke schön. Bis zum Jahre 2002 haben wir die 500 Millionen. Vielleicht können Sie sagen, Frau Vizekanzler, welche Regelung Sie nach dem Jahre 2002 einzuführen gedenken.

Meine Damen und Herren! Neben den traditionellen Sportarten finden neue Sparten besonders in der Jugend begeisterte Anhänger. Der Entwicklung wurde Rechnung getragen, und ich hoffe auf eine erfolgreiche Mountainbike-WM 2002 in Kaprun. Dieses Event wird dem Ort sicher helfen, das schreckliche Seilbahnunglück zu verarbeiten, und rückt weltweit die Schönheit dieser Region in den Vordergrund.

Meine Damen und Herren! Unter den sozialdemokratischen Bundeskanzlern Vranitzky und Klima erhielt St. Anton den Zuschlag für die Ski-WM 2001, die sicherlich den Tourismus am Arlberg belebt und wirtschaftlich stärkt sowie eine Verbesserung der Infrastruktur des Ortes zur Folge hat. Ich hoffe, dass wir viele, viele Medaillen für Österreich gewinnen werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Das hoffen wir auch!)

Frau Vizekanzler! Sie haben auch ein Sportgesetz angekündigt. Wie sieht die Situation für das neue Sportgesetz aus? Wir wird dieses Gesetz ausschauen? – Insbesondere im arbeitsrechtlichen Bereich gibt es ja einige Probleme. Ich glaube, das sollte man immer wieder sagen.

Weil gerade Olympische Spiele stattgefunden haben, meine Damen und Herren, möchte ich sagen, wie wichtig diese sind. Da ist einer (in Richtung Abg. Ortlieb), der Olympiasieger geworden ist. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wir haben unter uns Sportler, deren Leistungen die Öffentlichkeit oft kritisiert. Sie müssen sich noch in der heutigen Zeit Gebührenurlaub nehmen, damit sie daran teilnehmen können. Ich denke hier vor allem an die Hundertmeterläuferin Karin Mayr. Wenn sie dann diese Leistungen bringt, kritisieren wir sie, weil wir alle gar nicht wissen, dass sie alle ihre sportlichen Leistungen eigentlich in der Freizeit macht.

Ich darf noch einige Punkte anführen. Gibt es eigentlich konkrete Überlegungen, das Sponsoring bei Amateurvereinen, wie Sie es bereits angekündigt haben, analog zu Kunstkäufen steuerlich zu begünstigen?

Zu den Dachverbänden – Sie haben es ja nicht ausgesprochen, aber Sie haben es gemeint, und ich sage es hier noch einmal, wie ich es schon oft gesagt habe; das geht weit über die Parteigrenzen hinweg –: Ihr Alt-Parteiobmann war einmal in Oberösterreich Obmann eines Union-Vereins. Viele von uns sind bei einem Union-Verein, von den Freiheitlichen auch welche beim ASKÖ. In einem Ort, in dem es nur einen Verein gibt, kann keiner schauen, was dort eigentlich geschieht.


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47. Sitzung / Seite 169

Löschnak hat es bei der BSO gesagt: Selbstverständlich ist der Sport auch bereit, einiges zu ändern. Es muss aber auch gesagt werden, was gewünscht wird.

Meine Damen und Herren! In den Dachverbänden sind 100 Beschäftigte, fast nur Trainer. Ohne diese Dachverbände würde es keinen Breitensport in Österreich geben. Ich glaube, es ist ebenfalls wichtig, dass man das immer wieder sagt. Ich glaube, dass das notwendig ist.

Ich rufe alle auf, im Interesse des Sports und im Interesse der Jugend aktiv tätig zu sein. Sie werden in wenigen Tagen in Salzburg – dort gibt es ein großes Programm – das Leitbild für den österreichischen Sport vorstellen. Vielleicht könnten Sie, Frau Vizekanzler, dieses Leitbild für den Sport in Österreich auch im Sportausschuss vorstellen. Ich glaube, es ist wichtig, dass das Parlament das bekommt.

Wie werden Sie den Spitzensport neu organisieren? – Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt für die Zukunft. Wir werden ja nächstes Jahr wieder große Veranstaltungen haben. Ich glaube, dass das notwendig ist.

Meine Damen und Herren! Wir wollen keinen Staatssport, sondern die Möglichkeit zur sportlichen Betätigung für jeden Bürger in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.) Wir Sozialdemokraten waren und sind schon wegen unserer Geschichte und unserer gesellschaftspolitischen Einstellung dafür die Garanten. Ob die derzeitige Regierung dies ebenfalls von sich behaupten kann, bezweifle ich. (Beifall bei der SPÖ. – Oje-Rufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Der Schlusssatz war nicht gut! – Abg. Grabner  – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: ... würde den Elfer vom Fünfer schießen, das wäre die Treffsicherheit dieser Regierung! – Abg. Ing. Westenthaler: Der Schlusssatz hat alles zusammengehauen! – Abg. Dr. Martin Graf: Das war der politisch korrekte Schlusssatz!)

20.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die entsprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

20.47

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Abgeordneter Grabner hat die Behauptung aufgestellt, dass Sport erst durch die Sozialdemokratie zu einem Massenphänomen wurde.

Ich berichtige tatsächlich: Sport wurde um einiges früher zu einem Massenphänomen, nämlich bereits zu Zeiten des "Turnvaters" Jahn, den man beim besten Willen nicht als Sozialdemokraten bezeichnen kann. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen aber schließe ich mich hinsichtlich der Bedeutung des Sports als Breitensport Abgeordnetem Grabner voll an und habe dies auch selbst unter Beweis gestellt, indem ich als einer von zwei Abgeordneten des Hohen Hauses im Vorjahr am Parlamentsbediensteten-Skirennen teilgenommen habe – auch wenn ich dabei nur eine Knackwurst erworben habe. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ortlieb. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

20.48

Abgeordneter Patrick Ortlieb (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Ich möchte zuerst ein Wort zum Abgeordneten Brosz sagen. Ich glaube, in der Diskussion ist die Abflachung der Gehaltspyramide nie in Frage gestellt worden. Aber ich denke, es ist jetzt einfach nicht die Zeit, dass man – wie Sie sich das vorstellen – die hohen Gehälter hoch lässt und die unteren aufstockt. Sie wissen genauso wie alle hier herinnen, das lässt das momentane Budget nicht zu. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Wann ist die Zeit?)

Die Zeit ist dann, wenn Sie vielleicht genauso konstruktive Vorschläge einbringen. Die Frau Vizekanzlerin hat selbst gesagt, man wird daran arbeiten. Jeder weiß, dass es nötig ist, und es


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wird sicherlich in absehbarer Zeit geschehen. (Abg. Dr. Niederwieser: Nächstes Jahr dann? Oder übernächstes Jahr?)

Zu Herrn Grabner hätte ich auch einiges zu sagen. Wir haben die ehrenamtlichen Funktionäre auch nie in Frage gestellt. (Abg. Grabner: Aber dann sag’s ihnen, wie sie’s immer lächerlich nehmen! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie werden nicht lächerlich gemacht, Herr Grabner. Es sind genug Diskussionen geführt worden – danke, okay. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Grabner –: Sich um die Zeit so aufregen, ist ungesund!)

Jetzt komme ich zu meinem Teil der Rede. Im Sportteil der Zeitungen liest man immer von menschlichen Höchstleistungen. Auf den Titelseiten lesen wir sehr oft von Fehlleistungen. Die Politik ist nicht dazu da, nur Lippenbekenntnisse zu leisten, Olympiasieger zu feiern, Weltmeister zu ehren oder ein Bad in der Menge zu nehmen. Ich bin selbst sehr oft zu diesen Ehrungen eingeladen worden. Staatssekretär Wittmann hat mir des Öfteren eine Einladung ausgesprochen, ich konnte sie leider nie annehmen; doch, einmal, zum Schluss – Entschuldigung, ich korrigiere mich. Vranitzky, Klima, alle, aber das ist nicht das, was Sportpolitik ist. Sportpolitik und Politik allgemein muss Rahmenbedingungen schaffen zum Wohle unserer Gesellschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin sehr froh darüber, dass es nach Jahren des Hin und Her endlich ein Sportministerium gibt – ein Zeichen dafür, dass die Gesundheit unserer Jugend und unserer Bevölkerung ein Anliegen dieser Regierung ist. (Abg. Parfuss: Klatschen, bitte!)  – Es ist Ihnen anscheinend kein Anliegen. (Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

Was ich im Sport gelernt habe, ist, Strebsamkeit nach maximalen Leistungen zu erreichen, ohne die Achtung vor der Leistung anderer zu verlieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das sollte man aber auf alle Bereiche des Lebens übertragen. Als ehemaliger Spitzensportler habe ich die eine Seite kennen gelernt. Als Politiker versuche ich nun, Erfahrungen einzubringen, um eine Aufwertung des Sportes in unserer Gesellschaft zu erreichen.

Die Aufwertung haben Sie auch schon angesprochen, Herr Grabner – es spricht überhaupt nichts dagegen. Mir hat es sowieso sehr gefallen, dass auch andere Fraktionen bei Ihnen geklatscht haben. Das war sehr löblich, und man sieht – wie wir es auch im Sportausschuss diskutiert haben –, dass es im Sport rein um das Image des Sportes und das Wohl der Bevölkerung geht und dass Parteipolitik in diesem Ressort sehr, sehr wenig verloren hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Klatscht ihr nicht? – Abg. Mag. Trattner  – in Richtung des Abg. Grabner –: Noldi, jetzt hast du mich enttäuscht!)

Der Sport braucht ein Sprachrohr, aber ganz besonders brauchen die Sportler das Sprachrohr. Ohne Spitzensport gibt es kein Interesse am Breitensport. Jeder weiß, wie wichtig der Breitensport für die Gesundheit ist. Der Breitensport verlangt natürlich auch ein gewisses Budget, damit er gefördert wird.

Eine moderne Gesellschaft wird an ihrem körperlichen Zustand und auch an ihrer Fitness gemessen. Ein Fingerhut voll Sport ist besser als ein Eimer voll Tabletten. Ein gut funktionierendes Gesundheitswesen sowie soziale Ausgeglichenheit sind Merkmale wohlhabender Staaten. Für dieses wichtige Ziel muss viel Vermögen aufgewendet werden. Wir dürfen aber die Präventionswirkung des Spitzensportes nicht vergessen.

Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes unserer Bevölkerung beginnt schon beim Schulsport. Weiters sehe ich im Sport eine wirkungsvolle Maßnahme, dem Drogenmissbrauch vorzubeugen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sport schafft aber auch Integration und ist ein ideales Mittel, Rassismustendenzen schon im Keim zu ersticken. Sport beinhaltet Teamgeist und Kompromissfähigkeit.

Sport ist nicht nur ein Spiel, er ist auch Politik. Jeder Schilling, der in den Sport investiert wird, ist eine Investition in unsere Zukunft. (Abg. Haidlmayr: Die Frau Vizekanzlerin hat genau das


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Gegenteil gesagt! – Abg. Dr. Martin Graf: Der Unterschied zwischen Politik und Parteipolitik muss auch einmal erkannt werden! – Weitere Zwischenrufe.)  – Politik ist etwas anderes.

Jeder Schilling, der in den Sport investiert wird, ist eine Investition in unsere Zukunft, und zwar mit einer Rendite, die ihresgleichen sucht. (Abg. Haidlmayr: Aber das ist das Gegenteil ...! – Weitere Zwischenrufe.) Dies beweisen einige Studien. Wie rentabel diese Investition wirklich ist, hätte ich mir selbst nicht gedacht.

Herr Grabner hat es auch schon angesprochen: Ein steuerlicher Anreiz für Sponsoren, die in den Spitzensport investierten, sollte wirklich noch massiver überlegt werden. Wir haben schon vor Jahren darüber diskutiert. Als ich noch selbst aktiver Sportler war und mit der Problematik, Sponsoren zu finden, zu tun hatte, wurde das bereits diskutiert.

Ich bitte Sie nun, die ambitionierten Vorhaben unserer Sportministerin Frau Susanne Riess-Passer zu unterstützen und die Budgets 2001 und 2002 mitzutragen.

Ich möchte aber auch von dieser Stelle aus allen unseren Olympiateilnehmern zu ihren sportlichen Erfolgen recht herzlich gratulieren. Sie haben Österreich im Ausland perfekt repräsentiert. Das Löblichste an der ganzen Sache war: Wir hatten kein einziges Dopingvergehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Wunschgemäß ist die Uhr auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

20.54

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist gleich einmal ein Irrtum oder eine Unstimmigkeit aufzuklären. Herr Ortlieb hat gesagt: Sport hat mit Politik sehr wohl etwas zu tun. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Nicht mit Parteipolitik!) Die Frau Vizekanzlerin hat gesagt: Sport hat mit Politik nichts zu tun. (Rufe bei den Freiheitlichen: Mit Parteipolitik nicht!)

Damit sich das aufklärt: Selbstverständlich hat er etwas mit Politik zu tun. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Nicht mit Parteipolitik! – Abg. Neudeck: Sie sitzen hier herinnen und hören immer noch nicht zu!) Wenn Sie sich jetzt zum Budgetvoranschlag anschauen, welche ehemaligen Sportler sich hier in diesem Haus tummeln – nicht als Abgeordnete, sondern einfach als Besucher –, und wie dann die Budgetvoranschläge in diesem Heft des Budgetvoranschlags ausschauen, dann weiß man, warum sich wer hier im Hause tummelt. Dann ist alles klar.

Nur ein Beispiel dafür, nämlich St. Anton (Abg. Neudeck: Was ist denn mit St. Anton?): Herrn Karl Schranz habe ich im Fernsehen nicht so oft gesehen wie hier im Haus. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Niederwieser: ... noch kein Fernsehen gegeben!) Aber dafür hat er erreicht, dass die Mittel für St. Anton sehr hoch sind. Das ist der Erfolg davon, und das ist natürlich Politik, keine Frage! (Abg. Böhacker: Sportpolitik und nicht Parteipolitik!)

Aber, Frau Ministerin, allein darum geht es ja nicht, es geht um viel mehr. Sie haben heute gesagt: Es gibt keine Kürzungen im Sportbereich und in der Sportförderung. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Habe ich überhaupt nicht gesagt!) Das ist ein gravierender Irrtum. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Habe ich auch nicht gesagt!)

Frau Vizekanzlerin! Wenn ich heute nur die Inflationsrate hernehme – die betrifft uns alle –, und wenn ich dann die Budgets 2000 und 2001 vergleiche und sehe, dass dort exakt dieselben Beträge stehen, dann ist das natürlich eine Minimierung der Beträge, weil nicht einmal die Anpassung an die Inflationsrate erfolgt ist. Das heißt, das ist schon die erste Kürzung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Aber vielleicht können Sie mir erklären, dass es doch keine Kürzung ist, und wie Sie gedenken, diese Inflationsanpassung abzudecken. Im Budget ist es eine klare Kürzung.


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Jetzt zum Behindertensport, Frau Ministerin! Sie haben immer gesagt: Der Behindertensport ist Ihnen so wichtig, die Behinderten sollen doch Sport betreiben, weil das gesund ist – aber das ist eine andere Diskussion –, und vor allem Sport, Sport, Sport, alle Behinderten machen Sport!

Aber Sie haben vergessen, dass der Sport, den behinderte Menschen machen, zwar Sport ist, aber nicht als Sport anerkannt wird, geschweige denn wirklich auch als Sport entsprechend finanziert wird. Das ist das Problem, das wir in Österreich haben.

Es ist wirklich eine Schande für dieses Land, dass sich heute Sportgruppen, die auf nationaler oder internationaler Ebene zu Veranstaltungen fahren, sogar noch ihre Trainingsanzüge erbetteln müssen, damit optisch alle gleich ausschauen. So schaut die Förderung im Behindertensport aus! Mit diesen 48 Millionen Schilling, die Sie dem Behindertensport zur Verfügung gestellt haben, Frau Ministerin, kommen wir eben nicht weit. (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist nicht viel, ja!)  – Ich sage jetzt "wir", aber ich meine nicht "wir", denn ich mache keinen Sport. Damit kommen die Behinderten nicht weit.

Sie wissen doch ganz genau, dass es, wenn im Behindertensport Veranstaltungen durchgeführt werden, eines ungleich höheren Personalaufwands als beim Nicht-Behindertensport bedarf. Da müssen mehr Betreuer und Masseure mitkommen, da ist eine ganz andere Grundlage zu schaffen, damit behinderte Menschen auch Sport betreiben und ihre Leistungen erbringen können. Dieser Mehraufwand, Frau Ministerin, ist nirgends zusätzlich dotiert, und noch dazu macht die Sportförderung im Behindertensport nur 8 Prozent des Gesamtbetrages aus.

So wichtig kann Ihnen der Behindertensport also nicht sein. Das hat sich auch gezeigt, als unsere Olympiasportler zurückgekommen sind. Wo waren Sie da, Frau Ministerin? (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Im Ministerrat, Frau Abgeordnete!) Sie sind auch im Behindertensport nur dann anwesend, wenn eine Fernsehkamera da ist. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Nein, ich war im Ministerrat! – Zwischenruf der Abg. Achatz. ) Ist die Fernsehkamera nicht da, dann sind auch Sie nicht da. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das heißt, man weiß schon im Vorhinein, ob die Frau Vizekanzlerin da sein wird. Man braucht nur zu fragen, ob der ORF kommen wird. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Im Ministerrat war ich! Das ist eine Unverschämtheit, Frau Abgeordnete!) Aber so ist es eben. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Das ist eine Unverfrorenheit! – Zwischenruf der Abg. Achatz. ) Das sage nicht ich – ich mache keinen Sport –, sondern das sagen mir die Behindertensportler. Die werden es wissen, denn die haben Sie nicht gesehen. (Abg. Böhacker: Tiefste Schublade ist das, tiefste Schublade! – Abg. Edlinger: Das ist adäquat! – Abg. Achatz: Nein, nein! – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist fast auf dem Niveau vom Kollegen Edlinger!)

Es geht noch um etwas anderes, Frau Vizekanzlerin. Wenn Sie ernsthaft daran interessiert sind, dass auch behinderte Menschen Sport betreiben, dann müssten Sie noch ernsthafter daran interessiert sein, dass endlich alle Sportstätten barrierefrei gestaltet werden. Auch das stagniert!

Frau Ministerin! Sie müssten nicht nur darauf schauen, dass bestehende Sporteinrichtungen endlich barrierefrei gemacht werden, Sie hätten auch dafür zu sorgen, dass in Sportstätten, in denen zum Beispiel eine gewisse Anzahl an Rollstuhlplätzen vorhanden ist, diese Plätze nicht reduziert werden. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Was ist denn jetzt im Schwarzenegger-Stadion geschehen? Haben Sie übersehen, Frau Vizekanzlerin, dass dort zwei Drittel der Rollstuhlplätze ganz einfach abgeschafft werden? (Abg. Kopf: Für alles ist sie aber auch nicht verantwortlich!) Offenbar meint man, es ist ja Wurscht, da machen wir jetzt Plätze für Fußgänger. – Dort wird jetzt nämlich eine Zusatztribüne hingestellt. (Abg. Edlinger: Das ist schon ein Bundesstadion! – Abg. Kopf: Nein, nicht mehr! – Abg. Edlinger: Bezahlt worden ist es vom Bund! – Abg. Kopf: Ein Drittel!)

Frau Ministerin! Dafür haben Sie sich einzusetzen, und da haben Sie nachzufragen, wie es denn möglich ist, dass man in bestehenden Sporteinrichtungen, die neu sind, wieder die Plätze reduziert und damit Menschen, die sich für Sport interessieren, mehr oder weniger die Möglichkeit nimmt, an Sportveranstaltungen teilzunehmen. Da bin ich neugierig auf die Antwort, die


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Sie darauf haben. Ich habe alle Zeitungen in Bezug auf diese Ankündigung gelesen, und es ist nicht nur eine Ankündigung, sondern das wird tatsächlich gemacht: Im Schwarzenegger-Stadion werden die Rollstuhlplätze reduziert.

Frau Vizekanzlerin! Ich habe kein einziges Wort von Ihnen darüber gehört, dass Sie sich dagegen aussprechen, oder welche Meinung Sie dazu überhaupt haben. Da haben Sie ganz einfach geschwiegen.

Noch etwas, Frau Vizekanzlerin: Wenn, wie Sie gesagt haben – egal, ob nun Herr Ortlieb sich getäuscht hat oder das einfach nicht weiß –, der Sport keinen politischen Einfluss hat, und zwar auf nichts und niemanden (Abg. Neudeck: Parteipolitisch! Jetzt verstehen Sie das doch einmal!)  – parteipolitisch, Entschuldigung, das ist noch viel wichtiger: parteipolitisch! (Abg. Neudeck: Er hat aber politisch ...!)  –, was macht ihr dann, bitte, ab jetzt mit eurem Turnerbund? Was passiert jetzt mit dem Turnerbund? (Abg. Achatz: Turnen!) Wenn nämlich der Turnerbund keine parteipolitische Angelegenheit ist, dann gibt es überhaupt keine parteipolitischen Angelegenheiten mehr! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Frau Vizekanzlerin! – Sie hat gerade anderes zu tun, aber das ist ja nicht tragisch. – Ich möchte Sie noch zu einem Bereich befragen, der nicht zum Sportbereich, sondern zum Behindertenbereich gehört, und zwar zum Ausgleichstaxfonds. Der Ausgleichstaxfonds ist auch in Ihrem Ressort angesiedelt. Sie haben am 2. September 2000 der "Presse" gegenüber angekündigt, Frau Vizekanzlerin, Sie wollen die Bundessozialämter in den Ländern abschaffen, und zwar auf Grund von Sparmaßnahmen und zur Reduktion des Personalstandes. (Abg. Kopf: Das wäre gescheit: in die Sozialabteilungen der Länder integrieren, nicht abschaffen!)

Meine Frage dazu: Wer wird in Zukunft die Arbeit dieser Bundessozialämter übernehmen? – Bis jetzt hat sich noch niemand gefunden, der mir diese Frage auch nur im Ansatz hätte erklären können. Darum frage ich Sie, Frau Ministerin: Wer wird das denn künftig tun?

Sie wollten den Bereich des Ausgleichstaxfonds haben. Es gibt keine logische Begründung dafür, denn das war im Sozialministerium sehr gut aufgehoben. Vielleicht hätten Sie sonst zu wenig an Ämtern und damit auch weniger Geld gehabt. Ich weiß nicht, was der Grund dafür ist. Tatsache ist, Sie haben es, und Sie wollen es abschaffen. (Abg. Dr. Niederwieser: Sparwille! Hemmungsloser Sparwille!)

Jetzt meine Frage: Was machen denn die Bundessozialämter in den Ländern so falsch, dass man sie nicht mehr braucht? Was soll von diesen Arbeiten wer konkret übernehmen? (Abg. Kopf: Was machen sie, was die Sozialabteilungen der Länder nicht auch machen können?)

Frau Vizekanzlerin! Das sind offene Fragen, die uns interessieren – mit "uns" meine ich wieder die Grünen und die behinderten Menschen in Österreich. (Abg. Öllinger: Die Frau Vizekanzlerin versteht unter Parteipolitik diese Angelegenheiten!) Geben Sie mir Ihre Antworten, speziell zur Abschaffung der Bundessozialämter der Länder, zum Schwarzenegger-Stadion und zum parteipolitischen Einfluss im Rahmen der Sportförderungen und der Finanzierungen, die Sie in diesem Budget angesetzt haben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Westenthaler zu Wort gemeldet. Die GO-Bestimmungen sind bekannt. – Bitte.

21.04

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Haidlmayr hat behauptet, die Frau Vizekanzlerin hätte gesagt, dass Sport nichts mit Politik zu tun haben sollte.


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Ich berichtige tatsächlich, dass die Vizekanzlerin selbstverständlich von der Parteipolitik gesprochen hat, die nichts mit dem Sport zu tun haben sollte. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Das ist auch zu unterstützen.

Es ist traurig, wenn Sie als Abgeordnete dieses Hauses nicht in der Lage sind, Parteipolitik von Sport- oder Gesellschaftspolitik zu unterscheiden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

21.05

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! – Frau Kollegin Haidlmayr! Sie kann mich allerdings, glaube ich, jetzt nicht hören. – Zur Frage der Bundessozialämter in den Ländern gäbe es natürlich viel zu sagen, so wie es generell zu Dualitäten und Doppelgleisigkeiten in der österreichischen Verwaltung viel zu sagen gäbe. Aber wenn man natürlich so an das Thema der Leistungsbeurteilung beziehungsweise der Aufgabenbewertung des Staates herangeht, dann werden wir in diesem Land nie zu Strukturreformen kommen.

Kein Mensch in Österreich stellt die Leistungen des Staates, die über diese Einrichtungen erbracht werden, in Frage. Aber wie wir diese Leistungen an die Behinderten heranbringen, diese Frage zu relevieren, muss sehr wohl erlaubt sein. Ich frage mich persönlich: Was tun diese Bundessozialämter so Gutes, dass es nicht zum Beispiel auch die Sozialabteilungen der Länder mit erledigen könnten – wenn wir schon zur Beseitigung von Doppelgleisigkeiten kommen wollen?

Das heißt nicht, dass sich der Bund deshalb von der Finanzierung solcher Leistungen verabschieden muss. Aber mit dem Zugang: es darf sich nichts ändern, damit sich ja nichts ändert in diesem Land, und dann darüber zu jammern, dass wir es uns nicht mehr leisten können, dass zu wenig Geld zu den Betroffenen kommt und viel zu viel Geld in den Strukturen versickert – so werden wir in diesem Land natürlich nichts verändern können, nämlich nichts zum Besseren verändern können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber nun zum eigentlichen Thema, zum Sport. Ich habe mir zu Beginn der Debatte, als ich beispielsweise den Kollegen Grabner gehört habe, eigentlich gedacht: Gott sei Dank, endlich ein Thema – ich weiß es ja schon seit vielen Jahren, Noldi, aus vielen Gesprächen –, bei dem uns offenbar auch zwischen Parteien sehr viel verbindet beziehungsweise sehr wenig trennt, weil wir uns alle der gesellschaftspolitischen und der gesundheitspolitischen Bedeutung des Sports bewusst sind!

Es ist unbestritten, dass Sport treibende Menschen im Schnitt gesünder sind als nicht Sport treibende, dass sie geringere Gesundheitsrisiken haben. Das ist alles nachgewiesen. Ich glaube, dass unsere wesentlichste Aufgabe in der Sportpolitik – und die hat nicht unbedingt nur mit Geld zu tun, obwohl ständig von Geld die Rede ist – zunächst einmal darin besteht, ein Bewusstsein für Bewegungsbereitschaft, für Bewegung an sich zu schaffen. Das beginnt in Wahrheit natürlich bei unseren Kindern im Kindergarten, in der Schule und auch zu Hause. Das ist überhaupt die wesentlichste Aufgabe, und sie hat, wie gesagt, zunächst einmal mit Inhalten und nicht ständig mit Geld zu tun. Das Geld ist in diesem Zusammenhang viel zu oft der alleinige Aufhänger, wenn es um Sportpolitik geht.

Man muss aber, wenn man von Sportpolitik und den Kompetenzen spricht und auch die Tätigkeiten der Politik für den Sport einer Bewertung unterzieht, sich natürlich auch einmal die Kompetenzlage anschauen. Sport ist nach unserer Verfassung zunächst einmal Ländersache. Ich meine, dass unsere Bundesländer ihren Aufgaben im Sport in besonders qualifizierter und besonders positiver Art und Weise nachkommen.

Wenn man sich anschaut, wie intensiv Sportförderungsprogramme in unseren Ländern wahrgenommen werden und in welchem Zustand sich die Sportstätten in unseren Ländern befinden, dann sieht man: überwiegend in einem hervorragendem Zustand! In überwiegendem Maße ver


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fügen die Sportlerinnen und Sportler in unseren Bundesländern über hervorragende Möglichkeiten zur Sportausübung. Das ist zunächst einmal das Verdienst – weil auch ihre Aufgabe – der Bundesländer.

Der Bund nimmt eine übergeordnete Aufgabe für all jene Aktivitäten im Sport wahr, die von überregionaler Bedeutung sind und einer Koordination und Finanzierung über die Landesgrenzen hinaus bedürfen. Frau Vizekanzlerin! Es ist Ihnen hoch anzurechnen, dass es gelungen ist, das Sportbudget in einem Umfang zu halten, wie es in anderen Bereichen aufgrund der Budgetsituation gar nicht gelingen konnte. Dass dieses Budget in so schwierigen Budgetzeiten keine Kürzung erfahren hat, ist umso bemerkenswerter. – Frau Kollegin Haidlmayr! Ich halte es wirklich für eine Haarspalterei, wenn Sie sagen, dass man nicht auch noch imstande war, die Inflationsrate dazu zu geben, überhaupt in Anbetracht der geringen Inflationsrate, die wir haben, und vor allem der gesamten Budgetsituation. – Ich möchte daher nochmals betonen, Frau Vizekanzlerin: Das ist in diesem Zusammenhang eine ganz besonders starke Leistung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Im Regierungsübereinkommen von ÖVP und FPÖ ist hinsichtlich des Themas Sport auch bemerkenswert – und ich habe mir viele Regierungsprogramme angeschaut –, dass sich erstmals in dieser Ausführlichkeit zum Kapitel Sport ganz konkrete Maßnahmen finden. Diese sind meiner Meinung nach auch notwendig, denn wir haben bei der Förderung des Sports eindeutig Strukturschwächen, die es zu bekämpfen und zu beseitigen gilt.

Kollege Grabner hat das Sportgesetz schon angesprochen. Ich glaube, dass vor allem der Berufssport ein solches Gesetz braucht. Ich weiß, dass Sie bereits daran arbeiten, wobei wir aber auch bedenken müssen, dass das nicht so leicht umzusetzen ist, wie es im ersten Moment scheint, weil es in Wahrheit um Ausnahmebestimmungen in vielerlei Bereichen, vom Arbeitsrecht bis hin zum Wettbewerbsrecht, geht. Das wird also nicht so leicht zu gestalten sein.

Weiters müssen klare, transparente Richtlinien überarbeitet beziehungsweise überhaupt erst erstellt werden. Ich wiederhole mich jetzt, ich habe das schon in Reden zu früheren Sportbudgets, im Zusammenhang mit der allgemeinen Sportförderung erwähnt. Aber ich halte es für bemerkenswert, wie schnell es gelungen ist, Frau Vizekanzler, zumindest im Sportbudget zu klareren Schwerpunktsetzungen zu kommen und dass man sich etwa gerade im Nachwuchsbereich ausgesuchten Projekten zuwendet, die man besonders fördert, um auch für andere Bereiche Beispielwirkung zu erzielen.

Als Sportreferent des Österreichischen Fußballbundes möchte ich Ihnen auch persönlich Dank aussprechen, denn Sie haben sich in den letzten Tagen zu einem Projekt bekannt, das wir derzeit mit viel Akribie hochzuziehen versuchen. Wir wollen nämlich auch für die Jüngeren in ganz Österreich Leistungszentren schaffen und unterhalb der Bundesnachwuchszentren ansiedeln, und Sie und Ihr Ministerium bringen sich dabei mit einer massiven Unterstützung für die sportwissenschaftliche, sportmedizinische Betreuung dieser jungen Nachwuchstalente ein. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle auch im Namen des Österreichischen Fußballbundes recht herzlich bei Ihnen bedanken!

Abschließend möchte ich feststellen, dass ich überhaupt den Eindruck habe, dass der Sport bei Ihnen in guten Händen ist, und zwar deshalb, weil man eindeutig spürt, dass Interesse dahinter steckt, dass es Ihnen in diesem Zusammenhang um mehr als um reine Job- und Aufgabenerfüllung geht, dass Sie nämlich wirklich Liebe zur Sache haben. Ich glaube, das tut dem österreichischen Sport insgesamt sehr gut. Ich erhoffe mir aus diesem Zugang zum Sport in den nächsten Jahren noch einige interessante und wichtige Projekte und Initiativen für den Sport! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

21.15

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzler, Sie haben mit einer gewissen Arroganz von der Regierungsbank aus gesagt, dass


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die SPÖ keinerlei Vorschläge zur Verwaltungsreform gemacht habe. (Abg. Schwarzenberger: Das ist sehr schade!) Ich halte das für eine Anmaßung, denn wir haben 30 Seiten ins Internet gestellt. Daher raten ich Ihnen: Nehmen Sie auch die Oppositionsparteien ernst, und machen Sie sich wenigstens die Mühe, deren Vorschläge durchzulesen! (Abg. Ing. Scheuch: Das ist lächerlich! Da lachen ja die Hühner!) Diese Vorschläge sind übrigens auch in den Medien verbreitet worden.

In diesem Bereich der Verwaltungsreform haben wir eine klare Aufgabenkritik geübt, einen Gesetzgebungskompetenzvorschlag sowie auch Vorschläge betreffend die Reorganisation der Verwaltungsebene gemacht. Weiters haben wir einen Verwaltungsmanagementvorschlag gemacht. All das ist im Detail dort nachzulesen. Wir haben versucht, den Verwaltungsinstanzenzug neu zu gliedern, indem er maximal zwei Instanzen umfasst. Wir haben versucht, eine Ebene aus diesem Instanzenzug herauszunehmen. Wir haben eine Konzentration des erstinstanzlichen Zuges bei den Bezirkshauptmannschaften vorgeschlagen. – Wir haben also eine Unzahl von konkreten Vorschlägen gemacht. Ich habe sie nicht alle gezählt; ich habe bei 35 Vorschlägen aufgehört, zu zählen. Das möchte ich nur erwähnen, weil Sie vorhin gesagt haben, dass keinerlei Vorschläge gekommen seien. (Abg. Prinz: Es müssen auch gute Vorschläge sein!) Aber so ist es halt: Wenn man sich über die Situation nicht informiert, dann werden manche Aussagen eben peinlich, wenn sie nicht sogar von einer gewissen Hochnäsigkeit sind.

Nun noch einige Vorschläge, die Sie sofort verwirklichen könnten. Ich frage mich zum Beispiel, warum Sie sich mit den Lehrern betreffend Unterrichtsstunden anlegen, wenn Sie doch eine Verwaltungsebene bei den Pflichtschullehrern sofort einsparen könnten! Es ist nicht einzusehen, dass die Verwaltungsgruppe der Pflichtschullehrer durch zwei Verwaltungsebenen verwaltet wird. Sparen Sie die Bundesebene ein oder sparen Sie die Landesebene ein! Dann haben Sie sofort so viel Geld, dass Sie keine Unterrichtstunde mehr einsparen müssen! – Das wäre eine ganz einfache Maßnahme im Rahmen der Verwaltungsreform. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Oder: Warum versuchen Sie nicht, die Doppelgleisigkeit der Landesstatistiken und der Bundesstatistiken abzuschaffen? Ein statistisches Amt genügt vollkommen! – Oder: Warum versuchen Sie nicht, die diversen Labors zusammenzuführen? – All das sind konkrete Vorschläge! Von Ihnen hört man aber nur, dass sie 12 000 Leute einsparen wollen! Das ist Ihre einzige Ansage zur Verwaltungsreform! (Abg. Kopf: Wie lange warst du dafür zuständig?)  – Ich überhaupt nicht!

Frau Vizekanzler! Verlangen Sie nicht immer von den anderen, dass sie Vorschläge machen! Sie haben in dieser Diskussion noch keinen konkreten Vorschlag gemacht! Wir haben mehr als genug Vorschläge auf den Tisch gelegt! (Abg. Dr. Pumberger: Warum haben Sie all das nicht selbst gemacht?) Sie sollten sich nur einmal die Mühe machen, sich damit auseinander zu setzen, und nicht von oben herab sagen, dass es eine Verwaltungsreform ist, wenn man 12 000 Leute einspart. – Das ist es nicht! Das ist maximal ein Sparziel, aber noch lange keine Verwaltungsreform! Das ist eigentlich gar nichts! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie können auch sagen, dass sie 20 000 einsparen wollen. Welche Hausnummer Sie ohne Begründung aus dem Ärmel zaubern, ist ja vollkommen egal. Das hat doch überhaupt keine Substanz! Das ist nur eine Ansage, und an dieser werden Sie auch noch scheitern. Sie werden überhaupt nichts weiterbringen – abgesehen davon, dass Sie drei Studien in Auftrag gegeben haben: eine im Finanzministerium, eine im Bundeskanzleramt, und eine haben Sie als Vizekanzlerin, als Ministerin noch selbst in Auftrag gegeben, damit wir gleich dreimal die Kosten haben!

Ich bin neugierig, was das alles kosten wird, wer die Ergebnisse dann zusammenführen und wer mit seinen Ideen die Oberhand behalten wird. – Ich muss ganz ehrlich sagen: Das ist eine interessante Entwicklung in Zeiten eines Sparpaketes!

Jetzt komme ich zum Sport. Ich muss das etwas schneller machen, weil es dafür leider sehr wenig Zeit gegeben hat. – Ich möchte zunächst sagen: Sie haben bei einer Veranstaltung der


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Sporthilfe gesagt, dass die paraolympischen Teilnehmer eine Prämie bekommen werden. Im Sport trennen uns nicht sehr viele ideologische Unterschiede, wie Sie selbst festgestellt haben. Als Präsident des Paraolympischen Komitees warte ich aber noch immer auf das Geld für meine Sportler, das sie als Prämie für die erzielten Leistungen bekommen sollten. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Sie, Herr Abgeordneter, bekommen das Geld nicht!)  – Es hat noch kein einziger Sportler von Ihnen einen Groschen gesehen! Das möchte ich hier einmal festhalten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die Sportler werden das Geld schon bekommen!)

Zweitens: Der Erlass betreffend die Werbeabgabe ist für unsere Sportvereine eine äußerst wichtige Angelegenheit. Daher will ich das nicht nur im Erlasswege geregelt sehen, sondern ersuche, diesen ersten wichtigen Schritt, den Sie damit setzen, auch auf Gesetzesebene abzusichern.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Grabner, Dr. Wittmann und Genossen betreffend gesetzliche Verankerung der Ausnahmeregelung für gemeinnützige Sportvereine von der Werbeabgabe

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, eine Regierungsvorlage, mit welcher eine gesetzliche Verankerung der Ausnahmeregelung für gemeinnützige Sportvereine von der Werbeabgabe in das Werbeabgabengesetz aufgenommen wird, zu erarbeiten und diese dem Hohen Haus bis zum 1. Mai 2001 vorzulegen."

*****

Ich finde, das ist eine vernünftige Entwicklung. Allerdings gibt es im Sportbereich auch eine Entwicklung, die nicht so vernünftig ist, nämlich im Zusammenhang mit den Wetten. Da gibt es eine dramatische Entwicklung, weil die Wettfirmen und Wettenbetreiber ihr Geschäft ausschließlich auf dem Rücken der Sportler machen und die Sportler keinen Groschen davon sehen, sondern ausschließlich die damit Geschäfte machenden Wettinstitutionen den Gewinn bekommen.

Ich meine, dass es sinnvoll wäre, in diesem Bereich eine Umverteilung über eine Gebühr oder eine Steuer herbeizuführen. Man könnte doch zum Beispiel die Wetteinsätze mit einer Gebühr belasten, die dann letztendlich den Sportlern und der Sportförderung zugute kommt. Es kann doch nicht so sein, dass einer Kopf und Kragen riskiert, auf dessen Rücken sozusagen gewettet wird, und dieser dann keinen Groschen davon sieht! Seine Leistung wird für ein wirklich tolles Geschäft ausgenutzt, aber durch die herrschenden Regelungen bleibt der Sport in Wahrheit unversorgt.

Diesbezüglich sollten wir uns wirklich über einen gemeinsamen Weg verständigen. Ich habe gehört, dass Sie Ihre neuen Sportleitlinien bei einer Wettfirma in Salzburg vorstellen. – Dazu muss ich ganz ehrlich sagen, dass endlich auch einmal diese Firma zur Kasse gebeten werden sollte, damit sie einen Teil des Gewinns, den sie macht, auch jenen zukommen lässt, mit denen sie ihn verdient! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Grabner, Dr. Wittmann und Genossen betreffend gesetzliche Verankerung der Ausnahmeregelung für gemeinnützige Sportvereine von der Werbeabgabe ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


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Zum Wort gelangt die Frau Vizekanzlerin. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten gestellt. – Bitte, Frau Vizekanzlerin.

21.22

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss mich an dieser Stelle noch einmal zu Wort melden, weil von meinen Vorrednern so viel Ungeheuerliches behauptet wurde, dass ich das einfach richtig stellen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kopf: Nicht alle Vorredner haben Ungeheuerliches behauptet!)

Frau Abgeordnete Haidlmayr! Wenn Ihnen – wie Sie behaupten – der Behindertensport wirklich ein Anliegen wäre, dann hätten Sie bemerken müssen, dass es in meiner Ressortverantwortung in den letzten neun Monaten so viele unterstützende Initiativen für den Behindertensport gegeben hat wie noch nie zuvor, was von den Behindertensportlern auch anerkannt wird. Wenn Sie mit diesen gesprochen hätten, dann müssten Sie das auch wissen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Wenn Sie gefragt haben, wo ich bei der Ankunft der paraolympischen Sportler war, dann muss ich Ihnen sagen: Ich war im Ministerrat. Es wurde mitgeteilt, dass ich bei deren Ankunft nicht dabei sein konnte, weil ich im Ministerrat war. Ich war aber bei der Verabschiedung der paraolympischen Sportler in Enns, und zwar nicht deswegen, weil der ORF dort war. Der ORF ist übrigens bedauerlicherweise fast nie bei Behindertensportveranstaltungen, darüber habe ich mit dem Herrn Generalintendanten bereits gesprochen. Jedenfalls lasse ich mir diese Unterstellung nicht bieten: Ich bin sowohl bei Wettkämpfen als auch bei Veranstaltungen von Behindertensportlern anwesend, weil mir das ein Anliegen ist, und nicht, weil ich ins Fernsehen kommen möchte, Frau Kollegin Haidlmayr! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Desgleichen möchte ich Herrn Kollegen Wittmann, dem Präsidenten der Paraolympics, sagen: Er weiß sehr genau, denn er war ja mit mir in Enns beisammen, dass ich schon während der Olympiade angeboten habe, Prämien zur Verfügung zu stellen, dass mir aber vom Verband selbst gesagt wurde, dass das nicht erwünscht sei, sondern dass man stattdessen eine Förderung für den Verband geben solle.

Nach der Rückkehr der Sportler habe ich mich, nachdem ich mit den Sportlern selbst gesprochen habe, bemüht, gemeinsam mit Sponsoren wie dem Österreichischen Olympischen Comité, aber auch der P.S.K. und den Österreichische Lotterien Prämien für die Sportler zur Verfügung zu stellen, auch wenn das von den Funktionären nicht gewünscht ist, weil mir das ein Anliegen ist, und das werden sie auch bekommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haidlmayr: Wann?)

Herr Kollege Wittmann! Noch eine kleine Anmerkung zu Ihren Vorschlägen zur Verwaltungsreform im Internet. Ich muss Ihnen sagen: Sie sind nicht Vertreter einer Internetfirma, sondern Vertreter einer parlamentarischen Partei. Sie haben Ihre Vorschläge zur Verwaltungsreform nicht auf Internetseiten vorzustellen, sondern hier in diesem Hohen Haus vorzulegen, damit sie auf parlamentarischer Ebene behandelt werden können. (Abg. Dr. Mertel: Das hat er getan! – Abg. Edlinger: Sind Sie taub?) Es ist wahrlich nicht meine Aufgabe, die Internetseiten der SPÖ täglich zu kontrollieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

21.25

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Staatssekretär! – Wo ist Herr Dr. Wittmann? Der dynamische, engagierte Dr. Wittmann ist nun entfleucht! Ich hätte mir gewünscht, dass er während der Zeit seines Staatssekretariates nur ansatzweise so viel Dynamik entwickelt hätte! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Damals war der nunmehrige Abgeordnete Wittmann nämlich eher, um es


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höflich auszudrücken, dezent in seinen Aktivitäten! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt kommt er per Internet mit Vorschlägen zur Schulverwaltungsreform. Das ist unglaublich! Die Frau Vizekanzlerin hat ihm ohnehin schon ausgerichtet, wo das debattiert werden sollte. Aber allein die Tatsache, dass er die Beseitigung einer Verwaltungsebene vorschlägt, ist unglaublich! Das ist ein Anliegen der Schulreform, das wir längst vertreten und das die Frau Vizekanzlerin auch umsetzen wird. Und nun will Herr Dr. Wittmann – offensichtlich als sozialdemokratischer Bildungssprecher – das als seinen Vorschlag verkaufen, nachdem man in den letzten Jahren und Jahrzehnten nichts anders getan hat, als sich an die Institution der Bezirksschulinspektoren zu krallen und die Besetzung dort nach parteipolitischen Richtlinien zu gestalten! Also Ihnen jetzt abzukaufen, Herr Dr. Wittmann, dass Ihnen das ein Herzensanliegen ist, das gelingt mir nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Übrigens: Wer hat Sie denn daran gehindert, das innerhalb der letzten Jahre und Jahrzehnte umzusetzen, wenn Sie das jetzt als großartige Maßnahme fordern?

Frau Vizekanzlerin! Zur Behinderten-Olympiade. Wir waren im Sportausschuss, als der Herr Staatssekretär etwa eineinhalb Monate nach der Veranstaltung, als es besonders gute Leistungen in Nagano gab, den Vorschlag unterbreitet hat, dass man zu Prämien auch für diese Sportler kommen sollte. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )  – Frau Haidlmayr! Lassen Sie das! – In Summe haben die Sportler dann ein gutes halbes Jahr lang auf diese Prämien gewartet. Und jetzt kommt der Vorwurf, dass nicht sofort reagiert wurde. Damals wurde das aber als Ausnahmesituation für die besonders guten Leistungen gewertet. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Auf Ihre Einflüsterungen, Frau Haidlmayr, kann ich überhaupt verzichten!

Ich war 20 Jahre lang im Versehrtensport tätig. Ich war im Versehrtensport Nationaltrainer und habe mit den Wagerlfahrern in England, Amerika und darüber hinaus die niedrigen Dienste, die dort erforderlich sind, gerne geleistet. (Abg. Haidlmayr: Sie meinen wahrscheinlich die Rollstuhlfahrer!) Ich bilde mir gar nichts darauf ein und würde das gar nicht erwähnen, wenn Sie mich nicht so provozieren würden.

Ich möchte betonen: Ich weiß von den Funktionären beim Behindertenverband, dass man über Ihre Interpellation unglücklich ist und Sie bittet, den Bereich des Leistungssportes im Versehrtensport aus Ihrer Argumentation auszulassen. Das ist der Wunsch, der bei mir gelandet ist. Vergessen Sie daher bitte diesen Bereich und bleiben Sie bei Ihrer linken Sozialpolitik! Dort sind Sie besser aufgehoben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den Wunsch, im Sportbereich ein bisschen partei-unpolitisch zu agieren, hat Kollege Grabner relativ schnell dementiert. Er ist einfach ein ASKÖ-Vertreter mit einem Sportherz, wie ich ihm immer zugestehe. Er hat viel für Österreichs Sport getan. Aber er betreibt eben jenen politischen Sport, der in den letzten Jahren und Jahrzehnten gang und gäbe war. Seine Aufzählung der verdienstvollen Funktionäre war der "Who is Who" des österreichischen ASKÖ. Herr Sailer wird nicht glücklich darüber sein, dass du ihn genannt hast, es wird ihm aber auch nicht schaden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was der ASKÖ, die Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich, per Definition ist? – "Körperkultur war ein in den ehemals sozialistischen Ländern gebräuchlicher Oberbegriff für Leibesübungen und Sport und wurde als klassenbedingt historische Erscheinung sowie als Mitträgerin der Bildung des sozialistischen Menschen aufgefasst." – So weit, so schlecht.

Diese Definition des ASKÖ schwebt natürlich nach wie vor über seinen Funktionären. 50 Prozent der Funktionäre im Land stammen aus dieser ehemaligen Reichshälfte. Die Einflussnahme auf die Vergabe der öffentlichen Mittel über die Dachverbände ist allerdings ungleich größer: Sie wird bei etwa 60 bis 80 Prozent gehandelt, und darum geht es!

Lieber Kollege Grabner! Wir sind frohen Mutes, dass die Frau Vizekanzlerin damit aufräumen wird. Sie hat es ansatzweise bereits getan, aber nicht, um etwas zu zerstören. Der Sportler


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draußen im Verein, lieber Freund Grabner, kennt die Definition des ASKÖ nicht, und es ist ihm auch völlig egal, welche politische Richtung sein Verein hat. Die Funktionäre vereinnahmen die Sportler aber sehr gern, sie nehmen – wie Sie, Kollege Grabner, heute hier demonstriert haben – die Leistungssportler gern unter ihr Mäntelchen, um sich damit zu schmücken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Frau Vizekanzlerin! Fahren Sie fort auf dem Weg der Entpolitisierung! Kollege Kopf hat Ihre Meriten bereits angedeutet, ich muss sie hier nicht wiederholen. Sie sind auf dem richtigen Weg, und ich bitte Sie: Lesen Sie das Regierungsübereinkommen, das im Übrigen eine Größenordnung beinhaltet, wie das bei keiner Regierungserklärung zum Sport in der Vergangenheit der Fall war!

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie einen definitiven, verbindlichen Sportausschuss geschaffen haben, und ich danke auch für den gut gelungenen Bericht aus dem Vorjahr. Ich hoffe, dass wir ihn im Sportausschuss recht bald behandeln dürfen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Arnold Grabner zu Wort gemeldet. Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten.

21.32

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Grollitsch hat gesagt, ich habe Namen von ASKÖ-Funktionären genannt.

Ich berichtige: Billwein ist kein ASKÖ-Funktionär, Schröcksnadel und Leistner sind keine ASKÖ-Funktionäre, und die zwei Prokops sind auch keine ASKÖ-Funktionäre. – Ich bitte dich also, ein bisschen aufzupassen, wenn du hier sprichst!

Meine Damen und Herren! Zweitens berichtige ich: Nicht die Frau Vizekanzlerin hat den Sportausschuss ins Leben gerufen, sondern er wurde hier im Parlament beschlossen. Nicht die Frau Vizekanzlerin hat diesen Ausschuss beschlossen. – Ich hätte eigentlich geglaubt, dass du das weißt, Kollege Grollitsch. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Es ist dies seine zweite Wortmeldung. Die erste hat 8 Minuten gedauert, daher gibt es noch eine Restredezeit von 12 Minuten. – Bitte.

21.32

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Die Frau Vizekanzlerin ist momentan nicht da. Schade! Ich hätte doch vorhin eine tatsächliche Berichtigung machen sollen. Ich habe mir aber gedacht, dass ich das in der zweiten Wortmeldung sage.

Die Frau Vizekanzlerin hat auf mein Argument, dass 500 S die Inflationsrate nicht abdecken, gemeint, dass diese in den unteren Bereichen sehr wohl abgedeckt wird. Ich habe daraufhin noch einmal den Taschenrechner zur Hand genommen und stelle fest, dass 500 S als höchster prozentueller Satz bei AHS-Lehrern 2,18 Prozent Erhöhung ausmachen, und jeder, der die aktuellen Inflationsraten kennt, weiß, dass das darunter liegt. Daher geht es nicht um mittlere und kleinere Einkommen, sondern generell darum, dass die Erhöhung einfach unter der Inflationsrate liegt.

Weiters hinkt der Vergleich mit anderen Ländern hinsichtlich der Lehrverpflichtung an vielen Ecken und Enden, und zwar ganz einfach deshalb, weil es völlig unterschiedliche Anerkennungs- und Verrechnungssysteme gibt. Bei uns werden Tätigkeiten in der Verwaltung, auch in der Zeitverwaltung, in die Lehrverpflichtung mit eingerechnet, in anderen Ländern werden diese Leistungen hingegen extra bezahlt.


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Weiters muss man, wenn man sich anschaut, wieviel Lehrer in Österreich arbeiten, immer bedenken, dass zum Beispiel Schuldirektoren, die nicht unterrichten, ebenfalls in der Lehrer-Kopfzahl eingerechnet sind. Das ist in anderen Ländern jedoch nicht der Fall.

Trotzdem war der Schluss nicht nachvollziehbar, denn die Abflachung der Gehaltskurve hat nichts damit zu tun, ob etwas erhöht oder vermindert wird. Aufgrund der österreichischen Einkommen ist das in Österreich möglich, da brauchen keine Vergleiche mit Deutschland gezogen und auch die Lehrverpflichtung nicht erhöht zu werden. Das kann man in Österreich wunderbar regeln!

Zurück zu dem Punkt, zu dem ich mich gemeldet habe. Ich wollte Kollegen Grabner und Kollegen Ortlieb vor mir hören, deswegen habe ich mich noch einmal gemeldet, sonst hätte ich das gleich in meine erste Wortmeldung verpacken können. – Ich möchte jetzt zum Sport kommen.

Die Frau Vizekanzlerin ist leider immer noch nicht da. – Wir haben beim letzten Sportbudget eine interessante Diskussion über dessen Transparenz geführt, und die Frau Vizekanzlerin hat in verschiedenen Stellungnahmen angekündigt, dass sich das in nächster Zeit wirklich verbessern wird.

Ich möchte daran erinnern, dass es bei der besonderen Sportförderung, welche ein wesentlicher und großer Teil der Sportförderung im Sportbudget ist, heuer einen Ansatz von 480 Millionen Schilling gibt, der nach wie vor nicht aufgeschlüsselt ist; es findet sich lediglich die Summe von 480 Millionen Schilling. – Ich weiß, dass es gesetzliche Regelungen gibt, durch welche klargestellt ist, wer davon die großen Positionen bekommt, das gestehe ich zu. Die Frau Vizekanzlerin hat auf den Sportbericht 1999 verwiesen, in welchem eine Aufschlüsselung betreffend einen relativ kleinen Teil der damals 440 Millionen enthalten ist und wo zumindest die Gelder der BSO auf einer Seite aufgeschlüsselt sind, sodass das vorstellbar ist.

Kollege Kopf sitzt ohnehin da. Daher möchte ich bemerken: Es ist zum Beispiel immer noch eine Position enthalten – Österreichischer Fußballbund mit 148 Millionen Schilling –, von der uns nach wie vor überhaupt nicht bekannt ist, wofür diese Gelder verwendet werden. Das ist nicht transparent! Es ist überhaupt nicht klar, wofür diese Gelder verwendet werden, und solange das nicht klar ist, gibt es von den Grünen für diese Gelder sicher nie eine Zustimmung, weil das einfach unerträglich ist! (Beifall bei den Grünen.)

Ich hätte das hier im Parlament gerne gewusst, und ich habe auch mehrmals nachgefragt. Meine Fragen im Budgetausschuss waren genau darauf gerichtet. Die Frau Vizekanzlerin hat geantwortet, dass das ohnehin noch im Kontrollausschuss geprüft wird und dass es auch ein Veto-Recht durch das Ministerium gibt.

Außerdem verweise ich noch einmal auf das, was ich auch beim letzten Sportbudget zitiert habe, nämlich darauf, was der Rechnungshof gesagt hat. Der Rechnungshof hat schon 1994 gesagt, dass das ein historisches Modell ist. Ich möchte das wieder zitieren, und ich werde das jetzt bei jedem Budget zitieren; vielleicht gelingt es irgendwann doch, dass das anders gehandhabt wird.

Ich zitiere: "Die Förderungsempfänger betrachten diese Bundesmittel weiterhin als Mittel des Sports, die von den Dach- und Fachverbänden selbst verwaltet und kontrolliert werden sollten." – Das ist letztlich die Situation, die wir jetzt haben.

Und weiters heißt es: "Der Rechnungshof hielt diese allenfalls historisch erklärbare Betrachtung für nicht haltbar. Seit der Sport-Toto-Reform werden nämlich die früher durch Vorwegverzicht des Bundes auf Teile des Sport-Toto-Reinertrags ermittelten Förderungsbeträge im Rahmen des Bundesbudgets veranschlagt. Es bestand auch uneingeschränkte ministerielle Verantwortung für diesen Förderungszweig. Die gesetzliche Mittelgarantie und Wertsicherung bewirkten jedenfalls eine wesentliche Besserstellung der Sportorganisationen gegenüber Förderungsempfängern in anderen Bereichen." – Zitatende.


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Das gilt uneingeschränkt nach wie vor. Damals hat es geheißen, dass es sich um ein Notbudget handelt, dass man schnell agieren muss und dass eine Änderung noch nicht möglich sei. Ich verstehe aber nicht, warum es jetzt nach einem Jahr noch immer nicht möglich ist, hier auch gesetzlich einmal etwas zu ändern. Wir sagen gar nicht, ob das berechtigt oder nicht berechtigt ist. Ich kann das nicht sagen. Ich habe keine Ahnung, ob die 60 Millionen für den ASKÖ und die 60 Millionen für den ASVÖ gerechtfertigt sind oder nicht, weil wir nicht wissen, was mit diesem Geld gemacht wird. Darum meine ich, dass da endlich Transparenz herrschen muss.

Im Sportbericht wird jeder Trainer angeführt, der beispielsweise 4 000 S oder 6 000 S bekommt. Und dann finden sich pauschal 60 Millionen Schilling für den ASKÖ. – Das kann doch nicht die Transparenz sein, die Sie meinen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Wem hältst du das vor?)

Mittlerweile halte ich es euch vor, und zwar deshalb, weil jetzt ein Jahr Zeit war, ... (Abg. Mag. Schweitzer: Von wem ist denn dieser Sportbericht?) Ich rede vom Budgetansatz 2001 und einer Summe von 480 Millionen Schilling. Das war der Ausgangspunkt. Man könnte die gesetzlichen Richtlinien ja so gestalten, dass man dort nicht eine Pauschalsumme hineinschreiben kann, sondern auch die Aufschlüsselung dafür liefern muss.

Der zweite Punkt ist die Frage der Vermischung zwischen der Anerkennung von Leistungen von Sport-Funktionären und Transparenz. Damit komme ich zu Herrn Kollegen Grabner, und das wird noch eine längere Diskussion werden, auch beim nächsten Budget. Das sind einfach zwei verschiedene Dinge: Es ist unbestritten, dass ehrenamtlich Tätige – egal, ob sie beim ASKÖ, bei der Union oder wo auch immer tätig sind – Leistungen erbringen, die für den Sport wesentlich sind. Aber das hat nichts damit zu tun, dass ich trotzdem wissen will, was mit öffentlichen Mitteln geschieht, die diese Vereinigungen bekommen. Das sind zwei Dinge, die man nicht miteinander verknüpfen kann.

Etwa im Zusammenhang mit Herrn Schröcksnadel bin ich schon vorsichtiger. Natürlich ist Herr Schröcksnadel im Sport tätig, aber dass er massive und ganz handfeste ökonomische Interessen hat, ist auch klar. Ganze Schigebiete in Österreich gehören ihm, und auch etwa die Veranstaltungsorganisation der Weltcup-Rennen ist sein Gebiet. Wenn also etwa zwischen Schröcksnadel und anderen, ehrenamtlichen Sportfunktionären nicht unterschieden wird, dann zeigt sich wiederum die Vermischung, die nach wie vor in diesem Bereich besteht.

Noch etwas zu dieser Frage: Jeder, der sich Lokalzeitungen anschaut, sieht kaum ein Bild von einer Sportlerehrung, auf dem nicht nach wie vor der Bürgermeister prangt, für den es ganz wichtig ist, die Fotos "abzuholen". Da bin ich mit den Kollegen von der FPÖ durchaus einer Meinung, dass diese Verknüpfung mit der Parteipolitik einfach herausgehört und dass man nicht so weit kommen sollte, das als Prestigeprojekt zu betrachten, bei dem es immer darum geht: Wenn irgendetwas zu "erben" ist und ein Foto gemacht wird, dann geht man hin und lässt es machen, aber sonst kümmert man sich meist nicht um diese Vereine. (Abg. Böhacker: Der Bürgermeister ist ja unpolitisch! – Abg. Dietachmayr: Das ist weit weg von der Praxis! – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Das ist überhaupt nicht weit weg von der Praxis. Ich kenne diesen Bereich relativ gut und kann noch einmal darauf verweisen: Schauen Sie sich die Lokalzeitungen an, und schauen Sie sich an, wo da aufgetaucht wird, und dann fragen Sie einmal die Vereine, wo sonst noch aufgetaucht wird! (Abg. Kopf: Das ist eine Generalisierung, die einfach nicht zulässig ist!)

Ich weiß schon, das ist etwas, wo Sie – speziell von der SPÖ, aber auch von der ÖVP – mit Ihren Bürgermeistern ein schönes Feld haben, sich darzustellen. Ich denke mir aber, mit Sport hat das relativ wenig zu tun. (Beifall bei den Grünen.) Da gehörten andere Dinge hin. Wenn es dann um Förderungsmaßnahmen geht, bei denen es nichts zu erben gibt, ist das Interesse leider wesentlich geringer. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)


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21.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

21.41

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Das vorliegende Budget für die öffentliche Leistung und Sport zeigt einmal mehr, welchen Stellenwert unsere Bundesregierung dem Sport beimisst. Ich bin den Ausführungen meiner Vorredner und Vorrednerinnen intensiv gefolgt, und insbesondere habe ich meinem niederösterreichischen Kollegen Grabner gelauscht. Ich muss sagen, ich war noch nie in so vielen Punkte bei Ihnen wie in dieser Sache, muss aber doch die eine oder andere Frage ergänzen beziehungsweise eine kurze Kritik anbringen.

Sie haben gesagt, dass vor allem der Breitensport bei unserer Bevölkerung eine immer größere Bedeutung einnimmt. Dem kann ich nur zustimmen. Wir alle wissen, dass 90 Prozent der Bevölkerung, die Sport betreiben, es deswegen tun, weil sie davon überzeugt sind, dass es ihrer Fitness und ihrer Gesundheit gut tut. Deswegen ist für mich Sportförderung auch gleichzeitig Gesundheitsförderung im weitesten Sinne.

Deswegen bin ich froh, dass die Mittel der Sportförderung im Jugendbereich und Nachwuchsbereich um 20 Millionen Schilling angehoben worden sind, denn gerade in diesem Bereich, in diesem Alterssegment ist die Sportförderung sehr, sehr wichtig, weil da die Wurzeln für eine lebenslange sportliche Betätigung gelegt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Grabner! Sie haben erwähnt, dass die Zugänge zu den Sportvereinen – im Vergleich zu anderen Vereinen – im Steigen sind, dass uns das sehr freut und dass wir deswegen sehr viel in den Sport und die Sportvereine investieren. Ich glaube, das ist letztendlich auch deshalb eine sehr gute Sache, weil dort die Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung finden.

Ich muss hier wieder mein Beispiel von letzter Woche, vom Freitag bringen, mit dem ich darauf hingewiesen habe, dass ich die Politik im Bereich der Antidrogenpolitik der SPÖ nicht verstehe. Ich muss auch an dieser Stelle wieder auf die derzeit laufende Mitgliederaktion der Jungsozialisten hinweisen, in der eine Kampagne für die Freigabe von weichen Drogen gestartet worden ist. Ich möchte Sie hier auffordern und einen Appell an Sie richten, dagegen einzuschreiten und dem ein Ende zu bereiten. Ich glaube, die Millionen, die dort hineinfließen, wären auf alle Fälle besser im Sport und in unserer Jugend angelegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meines Erachtens arbeitet da die SPÖ total an der Realität vorbei und negiert das Bedrohungspotential, das in den Drogen steckt.

Ich darf noch kurz auf den wichtigen Wirtschaftsfaktor beziehungsweise auf den wichtigen Faktor für den Tourismus eingehen, den auch Sie erwähnt haben. Da stimmen wir überein, dass wir vor allem Trendsportarten wie dem Reiten und dem Mountainbiken entgegenkommen müssen und dass wir diesbezüglich ein entsprechendes Wegenetz brauchen. Allerdings haben wir dazu jeweils einen anderen Zugang. Ich appelliere an Sie, auch diese Sache zu überdenken, und ich hoffe, dass wir auch in dieser Frage eine gemeinsame Lösung finden werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist erwogen worden, einen Antrag zu stellen, weil die Frau Vizekanzlerin nicht anwesend ist.

Ich bitte aber, dass wir das zu so später Stunde anders regeln. Ich glaube, die Frau Vizekanzlerin ist im Hause. Ich ersuche sie, wenn es irgendwie möglich ist, wieder an den Beratungen teilzunehmen; dann ersparen wir uns eine Abstimmung. (Abg. Öllinger: Eine FPÖ-Besprechung!)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. Ich erteile ihr das Wort.


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47. Sitzung / Seite 184

21.45

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meinem Beitrag zum Sport möchte ich mich der Gesundheit im Sport widmen. Als langjährige Sportfunktionärin weiß ich, dass der Sport in seiner Vielfalt für das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden des Menschen sehr wichtig ist. Das gilt es zu fördern und zu unterstützen.

Ein britisches Fachmagazin berichtet, dass schon eine geringfügige Verbesserung der körperlichen Fitness durch Sport oder einfach nur ein Mehr an Bewegung ein deutlich verringertes Sterberisiko zur Folge hat. Forscher haben seit Anfang der siebziger Jahre rund 2 000 Menschen im Alter von 40 bis 60 Jahren untersucht. Während eine Gruppe körperlich inaktiv war, bestand die andere Gruppe aus Personen, die entweder regelmäßig Sport betrieben oder mindestens zweimal pro Woche so viel Bewegung ausübten, dass sie ins Schwitzen gerieten. Diese Personen wurden alle zehn Jahre untersucht. Das Ergebnis: Die aktive Gruppe wies seltener Übergewicht auf, hatte dadurch bessere Blutfettwerte, und demzufolge wurde das Sterberisiko wesentlich verringert.

Das bedeutet, dass Sport auch ein wichtiger Teil der Lebensgestaltung ist. Vor allem aber muss es eine unserer wichtigsten Aufgaben sein, den Breiten- und Gesundheitssport sowie den Nachwuchssport besonders zu fördern. Sport spielt daher eine sehr wichtige Rolle im Bereich der Erhaltung der Gesundheit, der moralischen und körperlichen Erziehung und der Förderung der internationalen Verständigung.

Im Bewusstsein dessen bin ich daher sehr besorgt über den zunehmenden Gebrauch von Dopingmitteln der Sportlerinnen und Sportler im gesamten Sportbereich. Wir als Politiker und Politikerinnen müssen uns auch Gedanken darüber machen, welche Folgen der Dopingeinsatz für die Gesundheit der Sportler und die Zukunft des Sportes hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die staatliche Sportpolitik muss daher sicherstellen, dass die Sportverbände Regeln zur Verhinderung des Dopings schaffen und auch durchsetzen können.

Wie wichtig dieses Thema ist, zeigen auch die vermehrten Dopingfälle in der letzten Zeit auf. Drei bekannte Fälle gab es bei den deutschen Ringern und den Olympiasiegern aus Italien. Das jüngste österreichische Beispiel ist heute in den Zeitungen nachzulesen: Ein Kunstbahnrodler wird nach einem positiven Drogentest zwei Jahre auf Eis gelegt, schreibt der heutige "Kurier". Das Interessante dabei ist, dass es Dopingfälle vor allem in jenen Sportarten gibt, in denen es weniger auf die Muskelmasse als vielmehr auf Kraft und Ausdauer ankommt. Dort häufen sich die Dopingfälle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Budget sind 2,1 Millionen Schilling für Antidopingmaßnahmen vorgesehen. Außerdem hat das österreichische Parlament die europäische Antidopingkonvention in die österreichische Rechtsordnung übernommen. Darin ist die Einrichtung des Österreichischen Antidopingkomitees vorgesehen. Aufgabe dieses Komitees ist es, die in der Konvention vorgesehenen Antidopingmaßnahmen zu organisieren.

Diesem Komitee, vertreten durch das für den Sport zuständige Bundesministerium, gehören die neun Bundesländer, die österreichische Bundessportorganisation und das Österreichische Olympische Comité an. Das Komitee hat die Aufgabe, die Antidopingmaßnahmen nach der europäischen Konvention zu organisieren, Dopingverfehlungen festzustellen und die entsprechenden Sanktionierungen der Sportler sowie sonstiger Verantwortlicher im Sportlerumfeld zu veranlassen.

Auch ich bin der Meinung, dass Sport überparteilich behandelt werden muss und dass es um die Sache gehen muss: um unsere Sportlerinnen und Sportler und um die Sportarten im Allgemeinen. Der Sport gehört geschützt, entsprechend gefördert, und – was auch noch sehr wichtig ist – der Sport braucht seine Autonomie.

Als Sportfunktionärin und Mandatarin ist mir die gesundheitspolitische und soziale Bedeutung des Sportes ein großes Anliegen. Ich möchte Sie, Frau Vizekanzlerin – sie ist leider noch nicht da (die Abgeordneten Böhacker und Dr. Khol – auf die Regierungsbank weisend –: Da ist sie! –


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47. Sitzung / Seite 185

Abg. Schwarzenberger: Sie ist schon eine Zeit lang hier!); Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen! –, noch einmal auffordern, die entsprechenden Förderungsmaßnahmen und Rahmenbedingungen für den Sport zu gewährleisten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hetzl. – Bitte.

21.51

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die gesundheitspolitische, sozialpolitische und auch wirtschaftspolitische Bedeutung des Sports ist mehrmals angesprochen worden und wohl unbestritten. Ich würde die sehr oft zitierte "wichtigste Nebensache der Welt" als "nicht wichtigste Nebensache der Welt" bezeichnen, denn der Sport ist mehr. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Aha, auch ein Sportler!) Der Sport in unserer heutigen Gesellschaft ist im Zuge der Veränderung der Gesellschaft, im Zuge einer immer stärkeren Konzentration auf die Freizeitgesellschaft mehr als nur eine Nebensache. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Bedeutung soll auch hier ganz klar zum Ausdruck kommen. Ich möchte ein paar Worte zu Herrn Grabner sagen. Herr Kollege, Sie haben hier wörtlich gesagt, Sie sind Vertreter der Funktionäre. Ist das richtig? – Ich möchte dem eines gegenüberstellen. Ich lege Wert darauf, zu sagen: Wir sind Vertreter der Sportler. Das ist ein wesentlicher Unterschied. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man hat bei Ihnen hier den Eindruck gewonnen – als Sie gesagt haben: die Spitzensportler, das geht auf unsere Initiativen zurück, Großveranstaltungen gehen auf die SPÖ zurück –, das ist eine falsche Sichtweise der Dinge. Die öffentliche Hand fördert natürlich große Sportveranstaltungen. Ich nenne dazu ein Schlagwort, das den Punkt trifft, und das heißt "Umwegrentabilität". Das ist der Punkt, warum sich auch die öffentliche Hand immer stärker – und zu Recht immer stärker – in diesen Bereich einmischt.

In diesem Zusammenhang wurde bereits gesagt, dass die Installierung eines parlamentarischen Sportausschusses auf Initiativen der FPÖ zurückgeht. Es ist auch unerhört wichtig, dass neben der Förderung des medial sehr gut transportierbaren Spitzensports der organisierte Vereinssport und damit letztendlich der Breitensport eine ganz wesentliche Bedeutung hat und dass diesem Umstand in höherem Maße Rechnung getragen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die notwendigen Sparmaßnahmen, die im Rahmen der Budgetsanierung notwendig geworden sind, sollen nicht auf eine Einschränkung des Breitensports und des Vereinswesens auf breiter Basis abzielen. Ganz im Gegenteil: Es sind auch die Sportpädagogen in den Schulen gefordert, genau jene Maßnahmen zu setzen, die den Schülern das Gefühl geben, dass Sport und Leibeserziehung ganz wesentliche Bereiche der Erziehung sind. Es soll dabei kein Zwang entstehen, es soll kein Muss zur Sportausübung geben, sondern es soll spielerisch sein, auch in den höheren Schulen, und von den Sportpädagogen muss klar und deutlich gesagt werden: Da geht es um Leibeserziehung, und es geht auch darum, dass der Schüler dies in seinem späteren Leben in die richtigen Bahnen lenkt und dass aus ihm ein Freizeitsportler wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auf eines hinweisen. Es hat ja im Bereich des Sports die Ausgliederung der Bundessportheime gegeben. Dies war in wirtschaftspolitischer Hinsicht ein Erfolg. Das zeigt sich eindeutig an der Zunahme der Nächtigungszahlen und an der Steigerung des Auslastungsgrades nach Betriebstagen. Natürlich ist die öffentliche Hand nach wie vor sehr stark in diesem Bereich involviert, aber man kann sagen, das ist ein weiteres Beispiel einer positiven und erfolgreichen Privatisierung, wie sie von uns in vielen Bereichen gefordert wird und wie sie auch generell und in vielen anderen Bereichen umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Das ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Budgetkurses, und in diesem Zusammenhang muss man darauf hinweisen, dass die SPÖ hier nicht wirklich Konzepte


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47. Sitzung / Seite 186

auf den Tisch gelegt hat, die die Wirtschaftspolitik betreffen und die zeigen, wie sie den Staatshaushalt saniert hätte. Herr Gusenbauer hat zwar erklärt, dass er sich einen Sanierungskurs bis 2004 hätte vorstellen können, er hat aber in keiner Weise eine Maßnahme vorgeschlagen, die seiner Meinung nach zu einer Sanierung führt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele haben es auch als Drohung verstanden, dass Herr Gusenbauer heute in seiner Rede gesagt hat: Sanierung ja, aber in einem größeren Zeitraum. – Wie will die SPÖ einen Staat sanieren, wenn sie als Partei selbst finanziell ein Sanierungsfall ist? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Ich möchte zuletzt etwas zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Grabner und Dr. Wittmann sagen. Dieser Antrag wird von uns keine Unterstützung bekommen, da eine diesbezügliche Vorlage bereits großzügig erledigt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Wieder zu spät! Bei Wittmann verstehe ich, dass er zu spät kommt! Bei Grabner verstehe ich das nicht!)

21.58


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47. Sitzung / Seite 187

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

21.58

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Vor ungefähr 15 Jahren sind ein paar Exoten und Einzelgänger mit dem Rad auf Forstwegen, auf Forststraßen aufgetaucht und den Berg hinaufgefahren. Inzwischen ist das die Trendsportart Nummer eins geworden: Familien, Senioren, die ganze Bevölkerung möchte im Gelände Rad fahren. Das ist auch potentiell ein Tourismusfaktor und insgesamt ein besonders wichtiges sportpolitisches Thema. Es hat auch einen wirtschaftlichen Stellenwert, wenn man weiß, dass in Österreich pro Jahr mehr als 500 000 Fahrräder gekauft werden und 40 Prozent davon geländetauglich sind.

Meine Damen und Herren! Der Steuerzahler – und das ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Punkt – wendet pro Jahr rund 300 Millionen Schilling für den Bau und die Erhaltung der Forststraßen auf, ist aber noch immer mit dem Fahrrad ausgesperrt. Das ist wirklich kurios! Auf der einen Seite gibt man für die Skisport-Infrastruktur Hunderte Millionen Schilling aus, zerstört damit große Gebiete in der Natur, aber die vorhandene Tourismus- und Sport-Infrastruktur, wie es die Forstwege sind, kann nicht für den Sport genützt werden.

Frau Vizekanzlerin! Das Hearing am 31. Oktober hat Wege aufgezeigt, wie mit Rücksicht auf die Forstarbeit, auf Natur und Wild, schonend und unter Lösung der Haftungsfrage eine Öffnung möglich ist. Ich werde den vorliegenden Antrag so abstimmen, Frau Sportministerin, dass er allen Anforderungen gerecht wird. Es ist nämlich möglich, mit relativ einfachen legistischen Mitteln Änderungen im Forstgesetz und in der Straßenverkehrsordnung vorzunehmen, sodass man dieses Problem endlich einer Lösung zuführt.

Und dann kommt der Offenbarungseid: Wer ist für den Tourismus, Kollege Kopf? Wer ist für gesunde Bewegung der Bevölkerung in der freien Natur? Wer ist für eine zukunftsorientierte sport-, freizeit- und gesundheitspolitische Angelegenheit? Oder: Wer ist für die engstirnige Jägerlobby? Wer ist für das Abkassieren, für ein Eintrittsgeld in die Natur? (Abg. Mag. Schweitzer: Günther, das ist ja billig!) Wer ist für das Aussperren der Bevölkerung? Wer ist für das Aussperren der Touristen? (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist doch billig!)

Meine Damen und Herren! Schon präventiv für den nächsten Redner, für Kollegen Miedl, der dann die Alpentour in der Steiermark in höchsten Tönen als optimale Mountainbike-Strecke loben wird: In Wirklichkeit werden 50 Prozent dieser Strecke auf Asphaltstraßen geführt – auf dieser so hoch gelobten, großen steirischen Mountainbike-Strecke! So schaut die Realität aus.

Meine Damen und Herren! Die sportbegeisterte Bevölkerung wird sehr genau beobachten, wer sich in den nächsten Wochen und Monaten hier wie entscheiden wird. (Beifall bei der SPÖ.)

22.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. Er hat das Wort.

22.01

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kräuter! Ich nehme den Ball sehr gerne auf. 900 Kilometer Alpentour in der Steiermark als Mountainbike-Strecke – die Hälfte davon verläuft nicht auf Asphalt! Das sind 450 Kilometer, die wir in der Steiermark geschaffen haben. Wir, die ÖVP, gehören nicht zu denjenigen, die die Bauern, die Landwirte und Forstwirte enteignen, um dann auf diesen Gebieten auf deren Risiko Menschen mit Mountainbike-Rädern durchfahren zu lassen. Wir wissen andere und bessere Wege, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich schreibe dem Querfeldeinradler Kräuter noch eines ins Stammbuch: Wenn Sie sozusagen die Steiermark und die anderen Bundesländer fürs Radfahren freigeben wollen, dann sage ich Ihnen, das kommt bei den Mountainbikern allein schon deswegen nicht an, weil das Mountainbike nach einer bestimmten Infrastruktur verlangt. Herr Kollege! Entlang dieser 900-Kilometer-Strecke sind über 200 Gastronomiebetriebe entstanden, die sich speziell dem Mountainbiking widmen. Es ist dort ein Handel entstanden, und es sind Werkstätten rund um diese Tour entstanden. Die Wirtschaft blüht, und der Mountainbiker, der Sportler ist zufrieden. Ich denke mir: Wenn der Sportler zufrieden ist, und nur der Herr Kräuter nicht, dann kann man es durchaus bei dem Zustand belassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wissen Sie, das kommt mir schon ein bisschen witzig vor. Da haben Sie bis vor kurzem noch ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Seit die FPÖ mit in der Regierung ist, bin ich sehr zufrieden mit der Sportpolitik, weil es da eine engagierte Frau Vizekanzlerin gibt, der der Sport wirklich ein Anliegen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Da zappelt Exstaatssekretär Wittmann hier heraus, unterstellt der Frau Vizekanzlerin Hochnäsigkeit und Arroganz und behauptet, dass Sportler keinen Groschen von den Sportwetten gesehen hätten. Herr Kollege Wittmann – er ist leider nicht da –, ich weiß, wer noch keinen Schilling gesehen hat! Ich bin deswegen so erbost, weil die SPÖ-Sportpolitik nichts anderes als Lug und Trug war. (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Grabner: Hallo! Hau’n wir gleich auße! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Lug und Trug, ich bleibe dabei.

Kanzler Vranitzky hat der Steiermark für den Bau des Österreich-Ringes, später A1-Ring, 120 Millionen Schilling schriftlich zugesagt. Meine Damen und Herren, kein einziger Schilling hat bis dato die Steiermark erreicht! Herr Kollege Grabner, nicht ein einziger Schilling! Ich würde euch das heute schon verzeihen, hätte ich nicht vor kurzem im Sportausschuss dieses Thema noch einmal zur Sprache gebracht. Der Herr Exstaatssekretär ging her und sagte: Herr Kollege Miedl, wir haben das in Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinden rund um den A1-Ring investiert.

Ich gehe also hin und rede mit den Bürgermeistern rund um den A1-Ring. Dort kenne ich sehr viele sehr gut. Kein einziger Schilling, Herr Kollege Grabner, hat jemals diese Region aus der SPÖ-Kasse erreicht. Das nenne ich keine Sportpolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und das, obwohl sich der Österreich-Ring in Wirklichkeit schon dreimal refinanziert hat auf Grund der Zuschauereinnahmen, auf Grund der Zahlen, die, bitte schön, eine eindeutige Sprache sprechen.

Meine Damen und Herren! Jetzt, seit es die ÖVP-FPÖ-Regierung gibt, gibt es plötzlich eine engagierte Sportministerin und Vizekanzlerin, die sich von sich aus engagiert und mit Herrn Ecclestone intensiv und offensiv um eine weitere Verlängerung der Verträge verhandelt. Das nenne ich Sportpolitik!

Meine Damen und Herren! Es wurden schon mehrmals die Rahmenbedingungen im Spitzensport angesprochen. Ich spreche auch von Rahmenbedingungen, die notwendig sind. Der


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Spitzensport ist deswegen notwendig, Herr Kollege Cap, damit der Breitensport Zulauf findet. Da sind Sie meiner Meinung, deswegen brauchen wir Spitzensport! Der Spitzensport ist auch einer der Bereiche, in denen die Bundespolitik Kompetenzen hat. Das haben wir heute schon besprochen.

Zu diesen Rahmenbedingungen – ich zähle einige auf – gehören natürlich die Medien, insbesondere das Fernsehen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir jetzt offensichtlich doch in der Lage sind, die so genannte Fernsehrichtlinie der EU dahin gehend abzuändern, dass sportliche Ereignisse, die von hoher gesellschaftlicher Bedeutung sind, in Österreich nach wie vor im Free-TV übertragen werden können.

Meine Bitte geht hier auch dahin, Frau Vizekanzlerin, dass man sehr Obacht gibt, auch Sportveranstaltungen wie zum Beispiel Skirennen, aber auch den Österreich-Ring und andere Sportveranstaltungen mit zu bedenken. Ich bin sehr froh darüber, dass Sie in diesem Zusammenhang auch den Behindertensport und andere Sportarten erwähnt haben, meine Damen und Herren, denn das ist für die Finanzierung des Sports enorm wichtig. (Abg. Dr. Kräuter: Miedl, das geschieht aber nicht!)

Was die Situation auf dem Transfermarkt betrifft, ist festzustellen, dass dort auch einiges im Gang ist. – Zu Frau Kollegin Haidlmayr nur ganz kurz: Ich habe um 21 Uhr mit Präsident Kartnig gesprochen. Es ist einfach unwahr, was Sie hier behaupten: dass Sturm Graz jetzt im Zuge der Champions-League-Spiele keine Behindertenplätze zur Verfügung stellt. Selbstverständlich werden, so wie bisher, 20 Rollstuhlplätze zur Verfügung gestellt. Das ist wahr, und nicht das von Ihnen Behauptete! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frau Vizekanzlerin! Ich möchte mich bei Ihnen für die Initiative bedanken, die Sie für die Situation auf dem Transfermarkt ergreifen, für das, was sich im Zusammenhang mit dem Fußball abzuspielen droht. Ich bin auch froh und dankbar dafür, dass Österreich eines der ersten Länder ist, die hier die Initiative ergreifen. Würden die von der EU angestrebten Richtlinien tatsächlich Schule machen, so wäre das der Tod des Fußballs. Ich könnte mir nicht vorstellen, wie dann die Jugendförderung weiter durchzuführen wäre.

Eine einzige Dimension noch, da dem Sport alles Mögliche zugeschrieben wird: Für mich hat der Sport eine sehr hohe soziale Dimension. Alles, was in den Sport investiert wird, ist in Wirklichkeit eine Ersparnis im Sozialbudget. Der Sport ist meiner Ansicht nach einer der ganz wenigen Umstände, die in der Lage sind, prophylaktisch zu wirken. Meine Damen und Herren! Insbesondere im Zusammenhang mit Drogen – Frau Kollegin Mikl-Leitner hat sie erwähnt – ist der Sport wahrscheinlich die idealste Form der Vorbeugung gegen Drogen bei Jugendlichen und natürlich auch anderen.

Ich bin froh, dass der "Österreich-Ring", die Werbeabgaben, der Transfermarkt, all das, meine Damen und Herren, durch die Frau Vizekanzlerin sehr offensiv angegangen wird. Herr Ex-Staatssekretär Wittmann könnte sich daran ein Beispiel nehmen. (Abg. Dr. Fekter: Hoffentlich nicht!) Ich danke Ihnen für die Initiative und für’s Zuhören. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Miedl! "Lug und Trug" ist die Kurzform für "Lüge und Betrug". Ich schlage dringend vor, dass wir das unterlassen, auch und gerade um diese Tageszeit!

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. – Bitte.

22.09

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Jetzt ist bei der FPÖ wieder ein bisschen Ruhe eingekehrt. Es war momentan so hektisch. Die Frau Vizekanzler, der Klubobmann, der Klubdirektor (Abg. Dr. Krüger: Weil du so beruhigend wirkst!)  – da muss es irgendetwas Neues bei der FPÖ geben, dass so eine Hektik vorhanden


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ist. Der Innenminister ist auch plötzlich aufgetaucht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Da wird es doch nicht irgendetwas geben?

Mein Vorredner hat davon gesprochen, dass es im – wie heißt das? – Arnold-Schwarzenegger-Stadion – ich als Rapidler  tue mir bei Sturm Graz mit dem Aussprechen so schwer– sehr wohl Behindertenplätze gibt. Ich glaube, das hat Ihnen nicht einmal Klubdirektor Moser geglaubt, dass es dort genügend Behindertenplätze gibt.

Sehr richtig! Es ist Tatsache, dass dort nur 20 Behindertenplätze errichtet wurden, und das sind um ganz schön viel weniger, als es normalerweise Behindertenplätze in einem Stadion gibt.

Ich muss sagen: Wenn man sich das ganze Jahr freut, dass auch behinderte Menschen zum Sport kommen können – und da gehört ja auch etwas dazu –, dann soll man sie auch dann nicht davon ausschließen, wenn es einmal eine größere Veranstaltung gibt. Das zeigt die reine Profitgier dieses Sportvereines! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Da muss ich Ihnen Recht geben!)  – Danke, Frau Kollegin.

Zweitens: Mein Vorredner hat gesagt, dass kein Geld in die Steiermark an den "Österreich-Ring" gegangen ist. – Ich sage jetzt als Funktionär eines – nicht kleinen – Sportverbandes, der, wie ich meine, sehr wichtig ist, weil er eine Grundsportart vertritt, dass die Vertreter des "Österreich-Rings" und dieser Sportart sich sehr wohl Geld beschaffen können. Für jene Sportverbände, die sehr viel für den Breitensport und Sportarten tun, die alle Menschen betreiben können, ist jedoch sehr wenig Geld vorhanden. Daher bin ich froh, dass wir noch im Sommer 1999, also in der alten Koalition, das Glückspielgesetz novelliert und damit die Sportmittel für heute sichergestellt haben. Ich weiß nämlich nicht, ob bei den einschneidenden Maßnahmen im Rahmen dieses Budgets für den Sport noch so viel Geld vorhanden wäre. Dass heute diese Mittel vorhanden sind, ist noch auf das alte Glückspielgesetz zurückzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Vizekanzler! Man soll nicht anstehen, auch zu sagen, wenn etwas gut ist, und dass das Werbeverbot zurückgenommen wurde, hat den Sportverbänden sehr geholfen. Ich hoffe nur, dass da sozusagen kein Hexenfuß dabei ist, über den wir noch stolpern werden! Jetzt spreche ich wieder für jene Sportverbände, die nicht groß im Rampenlicht des Fernsehens stehen, sondern die sich bemühen müssen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln junge Menschen bei der Sportausübung zu fördern.

Frau Vizekanzler! Sie sollten aber auch etwas anderes noch viel stärker fördern. Meine Fraktion ist sehr froh darüber, dass es unter dem damaligen Staatssekretär Wittmann gelungen ist, in Seibersdorf ein Forschungszentrum für den Sport, nämlich Doping betreffend, einzurichten. Wir freuen uns nicht nur darüber, dass jetzt bereits die ersten Proben abgeschickt werden, damit dieses Forschungslabor die volle Akkreditierung bekommt, sondern wir freuen uns, dass dieses Labor im Jahr 2002 voll in Betrieb genommen werden und damit ein Beitrag zur Verhinderung eines ganz, ganz gefährlichen Phänomens geleistet werden kann. In Anbetracht der Forderung nach dem immer Mehr, immer Höher und immer Weiter und auch aufgrund der Tatsache, dass im Sport viel Geld zu verdienen ist, greifen viele Menschen nach der Droge. Daher ist es besonders wichtig, dass wir auch in Österreich einen Stützpunkt bekommen, wo geforscht und festgestellt wird, wie gefährlich die Droge für den Menschen und für den Sport selbst ist. Daher muss das Projekt Seibersdorf unbedingt unterstützt werden!

Sie haben heute in Ihrem Statement – ich habe Ihnen genau zugehört – gesagt, dass Sie die Leistungszentren unterstützen wollen. – Ich wäre sehr froh, wenn wir außer dem Bundessportzentrum Südstadt für viele Sportarten – ich nehme die Schisportarten jetzt aus – ein weiteres Leistungszentrum bekommen könnten, denn dieses eine scheint mir ein bisschen zu wenig zu sein. Wir brauchen vor allem im Süden und Westen Österreichs auch eine solche Einrichtung wie die Südstadt.

Frau Vizekanzler! Ich möchte noch etwas erwähnen, was mir sehr am Herzen liegt und wofür ich hier sozusagen der Briefträger für Hunderte Sportlerinnen und Sportler bin. Seit vorigem Jahr – auch diesbezüglich gab es von der alten Regierung eine Zusage – besteht das Projekt zum


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Ausbau des Sportbereiches – ich betone: zum Ausbau des Sportbereiches – des Bades Graz Eggenberg. Die Stadt Graz unter ihrem Bürgermeister Alfred Stingl ist bereit, dieses Bad auszubauen, welches erstens eine wichtige Freizeiteinrichtung und zweites ein Sportbad ist.

Für den Ausbau dieses Sportbades sollen nicht nur die Stadt Graz, sondern auch das Land Steiermark und die Republik Österreich einen Anteil leisten. Wir brauchen dieses Sportbad nicht nur für die jungen Menschen in Graz, sondern wir brauchen es überhaupt, wenn wir in Österreich auch im Schwimmsport weiter aktiv sein wollen. Wir brauchen außer der Wiener Stadthalle eine zweite Sportstätte, die international anerkannt ist und wo auch Schwimmbewerbe über 50 Meter ausgetragen werden könnte. Ich habe Sie mehrmals danach gefragt und frage Sie auch hier und heute. Frau Vizekanzler! Wann können Sie endlich den Grazern die Zusage geben, dass sie ihr Sportbad bekommen, damit Hunderte, ja Tausende Menschen auch in der südlichen Region des Landes ihren Sport ausüben können? (Beifall bei der SPÖ.)

22.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

22.15

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Vizekanzlerin! Ich stelle kein Subventionsansuchen, ich möchte nur fünf kurze Bemerkungen zum öffentlichen Dienst machen, die mir am Herzen liegen.

Punkt eins: Ich glaube, dass das Bild, das auch heute wieder vom öffentlichen Dienst vermittelt wurde, einfach falsch ist. Es ist in Wahrheit viel bunter, reichhaltiger und vielfältiger. Dazu gehören die Krankenschwester, der Gendarmeriebeamte und nicht nur der Lehrer, sondern auch der Hubschrauberpilot. Und alle leisten aus unserer Sicht wirklich gute Arbeit. Wir stehen dahinter, und wir glauben, dass die Leistungen, die öffentlich Bedienstete tagtäglich erbringen, durchaus auch eine Unterstützung der Politik verdienen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Punkt zwei: Insgesamt haben wir alle dazu beigetragen, dass der öffentliche Dienst eine solche Fülle von Aufgaben hat, die er gar nicht bewältigen kann, und wir alle haben dazu beigetragen – das müssen wir heute selbstkritisch sagen –, dass der öffentliche Dienst zu groß geworden ist. Wir können ihn uns eigentlich nicht mehr leisten. Darum ist es notwendig, dass wir reduzieren. Darum ist es auch richtig, dass es dafür ein Programm gibt. Das soll allerdings durch Pensionierungen geschehen, wobei Posten nicht mehr nachbesetzt werden, sowie durch Ausgliederungen und Privatisierungen, nicht aber durch Kündigungen. Das ist ein notwendiges Programm, auch dazu muss man stehen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Punkt drei: Die Privatisierungen. Kollege Pendl beziehungsweise – wie ich sagen möchte – die Genossen Pendl & Co sehen halt in der Privatisierung nur den Selbstzweck. Das trifft aber natürlich nicht zu! Herr Kollege Pendl! Selbst Sie sollten bei intensivem Nachdenken einmal auf die Idee kommen, dass es manche Unternehmensformen gibt, die besser privat als staatlich organisiert sind. Das ist halt einmal so. Vielleicht werden Sie diese Weisheit auch noch einmal kennen lernen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Privatisierungen werden daher kommen. Mir ist es wichtig, dass es dabei auch Sozialpläne für diejenigen gibt, die einem solchen Privatisierungsschritt freiwillig nicht zustimmen wollen. Diese Sozialpläne sind in sehr gutem Einvernehmen auch mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ausverhandelt worden. Sie liegen uns jetzt auch als Initiativantrag vor. – Ich glaube, es ist notwendig und richtig, dass ein Mitarbeiter, wenn er das nicht mitvollziehen will, eine Chance bekommt, vorweg aus diesem Unternehmen, das dann ein privates ist, auszuscheiden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Wir jedenfalls sehen das als einen Schritt in Richtung Mitarbeiter, für die so eine Möglichkeit geschaffen wird. Ich bin überzeugt, dass es viele geben wird, die davon Gebrauch machen.

Meine Damen und Herren! Punkt vier: Die Verwaltungsreform. Diese ist von der SPÖ vielfach ins Treffen geführt worden. Aber seien wir ehrlich: Geschehen ist unter Ihrer Herrschaft gar nichts, meine Damen und Herren! Ich bin jedoch überzeugt, dass jetzt in Richtung Verein


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fachung und echter Deregulierung wirklich etwas geschehen wird, und zwar mit Gesetzen auf Zeit, mit neuen Strukturen, die geschaffen werden, ohne dass alte völlig abgebaut, sondern übergeleitet werden. 

Ich glaube, dass die Mitarbeiter diesbezüglich motiviert werden müssen, ihr Know-how einzusetzen, eventuell durch einen besonderen Preis für Verwaltungsreform, denn diejenigen, die selbst in der Verwaltung arbeiten, wissen wahrscheinlich am besten, wo man effektiv einsparen könnte. Wir sind dafür, dass man sie mit einbezieht, und ich denke, die Frau Vizekanzlerin hat diesen Weg gut gewählt: Beim letzten Symposium war die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht nur eingeladen, sondern auch dabei.

Fünfter und letzter Punkt: Die Vertretung des öffentlichen Dienstes. Meine Damen und Herren! Dass sich diese Vertretung in Form der GÖD etwas vom sonstigen ÖGB unterscheidet, darauf bin ich stolz. Es ist ein Markenzeichen für die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, dass man konstruktiv versucht, für die Mitarbeiter ein Ergebnis zu erreichen, anstatt wie die Vertreter des ÖGB schon vom Verhandlungstisch aufzustehen, bevor die Verhandlungen begonnen haben. Dazu können wir der GÖD nur gratulieren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das, was Sie momentan als Genossen Gewerkschafter von der linken Reichshälfte produzieren, schlägt nämlich dem Fass wirklich den Boden aus! Unter dem Titel "Menschenkette – Lass dir das nicht gefallen!" wird auf Kosten der ÖGB-Mitglieder an alle Betriebe verbreitet: Die Regierung nimmt dir täglich dein Geld weg! Die Regierung verschenkt dein Geld an die Reichen! Die Regierung lässt dich im Regen stehen!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie verantworten können, das mit den Beiträgen der Mitglieder des ÖGB zu verbreiten, dann tragen Sie diese Verantwortung! Ich warne Sie aber heute an dieser Stelle: Treiben Sie es nicht zu bunt! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es gibt noch viele Mitglieder im ÖGB, die nicht mit der SPÖ gleichzusetzen sind. Achten Sie darauf, dass Sie diese Mitglieder nicht verlieren! Ich warne Sie! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Brix. )

Meine Damen und Herren! Das, was Sie heute unter dem Titel "Menschenkette" und im Stil des Aufhetzens gegen die Bundesregierung betreiben, hat mit Vertretung von Arbeitnehmerinteressen gar nichts mehr zu tun! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist reine Parteipolitik! Daher möchte ich Sie wirklich auffordern: Kehren Sie zurück zu dem, was der ÖBG ist, nämlich ein überparteilicher Verein, und missbrauchen Sie ihn nicht für Ihre billige Polemik gegen die Regierung, sonst müssen Sie die Rechnung bezahlen, indem Sie einen ÖGB mit wenig Mitgliedern haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

22.22

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Worte meines Vorredners dürfen nicht unwidersprochen bleiben. (Abg. Rosemarie Bauer: Da bin ich aber gespannt!)

Ich halte fest: Der Österreichische Gewerkschaftsbund ist im Vergleich zu anderen gewerkschaftlichen Organisationen in anderen Staaten Europas immer noch eine überparteiliche Vereinigung! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Der Österreichische Gewerkschaftsbund vertritt die Interessen der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer in diesem Lande. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Abg. Großruck: Sie missbrauchen die Mitglieder des Gewerkschaftsbundes!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest: Es gibt einen Unterschied zwischen den so genannten ÖAAB-Funktionären in diesem Haus und den kleinen Funktionären des ÖAAB, der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, in den Städten und Gemeinden. Kollege Tancsits! Sie schütteln ungläubig den Kopf. Ich sage Ihnen: Ich erlebe es draußen in Salzburg, dass mich Ihre Funktionäre anreden und fragen: Was hat denn diese Regierung vor? Was machen unsere Vertreter im Parlament? – Sie verraten die Interessen der Arbeitnehmer! Das


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sage ich mit aller Deutlichkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Es ist schon wieder keiner da! Verzetnitsch ist nicht da! Nürnberger ist nicht da!)

Kollege Spindelegger! Ich würde dir wirklich empfehlen, mit den kleinen Funktionären draußen zu reden, welchen ihr das Geld aus der Tasche zieht! Diese haben jetzt Probleme, und zwar nicht nur wegen des Budgetbegleitgesetzes. Die kleinen Beamten wissen beispielsweise nicht, was mit ihren Wohnungen geschehen wird. Was wird im Bereich der BUWOG geschehen? Sie können die Wohnungen ja nicht kaufen! (Abg. Böhacker: Reg dich nicht auf! Denk an deinen Blutdruck!) Wie soll das jemand können, der 20 Jahre als Polizeibeamter tätig ist, 21 000 S brutto verdient, Zulagen von 6 000 S bekommt und als Alleinerzieher zwei Kinder zu erhalten hat? (Abg. Dr. Khol: Es ist schon wieder keiner da! Verzetnitsch ist nicht da! Nürnberger ist nicht da!) Herr Kollege Khol! Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: Das wird Ihnen auf den Kopf fallen! Die Menschen wissen, wer ihnen das angetan hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte eigentlich zu einem anderen Thema reden, nämlich zum Sportbereich. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Kollege Miedl hat von einer engagierten Sportpolitik gesprochen. – Frau Vizekanzlerin! Von einer engagierten Sportpolitik habe ich noch nichts gesehen! Gibt es irgendeinen Gesetzentwurf? Ein Sportgesetz wurde angekündigt, und es wurde angekündigt, dass man sich mit Sport in Europa auseinander setzen werde. Wir wissen derzeit beispielsweise nicht, wie die Europäische Kommission in der Frage des europäischen Sportartikels entscheiden wird. (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. ) Frau Vizekanzlerin! Sie können dann darauf antworten. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ich habe Ihnen das im Ausschuss gesagt!) Bleiben wir bei dieser Regelung, denn derzeit bin ich am Wort.

Ich meine, dass dem Sport in Europa besondere Bedeutung zukommt. Außerdem meine ich, dass wir die europäische Entwicklung abwarten müssen. Wir müssen jetzt erfahren, was Monti und die Europäische Kommission im Bereich des Amateur- sowie des Profisports verlangen. Ich kenne die UEFA- und FIFA-Vorschläge. Trotzdem bleiben für Österreich noch Fragen offen, etwa die Frage des Ausbildungskostenersatzes. Oder: Brauchen wir eine Novelle des Vereinsgesetzes? Wie sieht es aus mit dem Helsinki-Bericht des Europäischen Parlaments? – Es gibt nämlich konkrete Vorstellungen, wie wir diese Vorstellungen in Österreich umsetzen sollen.

Weiters ein grundsätzliches Problem: Wie halten Sie es mit den Sportwetten und Wetten aus anderen Anlässen? Frau Bundesministerin! Jetzt komme ich tatsächlich zu etwas Grundsätzlichem. Am 1. Dezember werden Sie in Salzburg auf Einladung von Intertops – das ist ein Wettbüro, damit das jeder weiß – die Leitlinien des österreichischen Sports vorstellen. (Abg. Dr. Fekter: Wieso wissen Sie das?) Es gibt eine Einladung, Kollegin Fekter, die auch ich bekommen habe. Diese Leitlinien des österreichischen Sports werden nicht im Parlament im Sportausschuss vorgestellt, sondern bei einer privaten Veranstaltung, und das halte ich für einen Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Vizekanzlerin! Wir möchten, dass Sie diese Leitlinien dem Parlament vorstellen und nicht in einem ausgewählten Kreis, wo jeder Teilnehmer – nur zu Ihrer Information – 960 S Teilnahmegebühr zu zahlen hat. Das halte ich wirklich für eine Frechheit! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Es gilt dasselbe, was ich dem Kollegen vorhin gesagt habe!

Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Ich entschuldige mich!

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier, Grabner, Brix und Genossen betreffend Leitbild für den österreichischen Sport


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Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Vizekanzlerin und Bundesministerin für Sportangelegenheiten wird aufgefordert, umgehend dem Nationalrat dieses Leitbild für den österreichischen Sport entweder in Form eines schriftlichen Berichtes oder in Form einer mündlicher Erklärung vor dem Nationalrat zuzuleiten, damit dieses im Nationalrat debattiert werden kann.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion war in der österreichischen Sportbewegung immer führend tätig. Die sozialdemokratische Fraktion bekennt sich zur sozialen Funktion des Sports. Wir meinen allerdings, dass es notwendig ist, dass gesetzliche Änderungen beziehungsweise die Schaffung eines Sportgesetzes notwendig sind. Diesbezügliche Vorschläge, Frau Vizekanzlerin, haben wir bislang von Ihnen allerdings nicht gehört! (Beifall bei der SPÖ.)

22.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

22.29

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Maier, wenn Sie sagen, dass Arbeitnehmervertretungen in Europa möglicherweise parteipolitischer agieren, so ist das keine Legitimation für den ÖGB, Mitgliedergelder für einseitige Parteipropaganda zu verwenden oder sich mit den Donnerstagschaoten in ein Boot zu werfen! Aber bitte, werfen Sie sich nur! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte mich jetzt der Objektivierung und der Arbeitszeit zuwenden. Herr Dietachmayr! Objektivierung bedeutet Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Rechtsschutz. (Abg. Dietachmayr: Die Arbeitnehmer dürfen sich nicht wehren! – Zwischenruf des Abg. Leikam.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Herr Kollege Dietachmayr! Warum regen Sie sich so auf? Seien Sie doch nicht so nervös und hektisch! Ruhig Blut! (Abg. Dietachmayr: Da kann man nicht ruhig Blut bewahren!) Nur keine Hektik! Es besteht kein Grund dazu! (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Was sich in der Privatwirtschaft schon sehr lange bewährt hat, kann für den Staat nur gut sein. Daher muss es zur Objektivierung kommen. Man wird sich in Zukunft der Einführung von unabhängigen Prüfungstests und der Schaffung vollständiger Transparenz bei der Besetzung von Posten zuwenden. Das sind Signale der Regierung neu. Die Antwort auf die Frage, wer davon betroffen sein wird, ist relativ einfach: die Bundesbediensteten und natürlich auch der staatsnahe Bereich. Die Parteibuchwirtschaft muss aus diesen Bereichen entfernt werden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Abbau von Staat im Rahmen der von den Regierungsparteien vereinbarten Verwaltungsreform ist ein Wegbereiter in die richtige Richtung. Da sich die Regierungsparteien im Regierungsübereinkommen zu einer grundlegenden Reform in Sachen Objektivierung verpflichtet haben, bedarf es natürlich auch eines Umdenkprozesses betreffend die Arbeitszeit der Bediensteten. Flexibilisierung bedeutet Wandel. Wandel ist aber als Chance zu sehen und nicht als Angstpotential!

Flexibilisierung bedeutet Wandel. Dabei ist aber wichtig, dass die jeweilige Lebensgestaltung und auch die Familienerfordernisse der Arbeitnehmer respektiert werden. Neue Arbeitszeitmodelle sind ein wesentlicher Auftrag. (Lebhafte Rufe und Gegenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Auf der Rednerliste finden sich jetzt noch zwei Redner von der ÖVP, zwei von der SPÖ und einer von


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den Freiheitlichen. Jeder wird 5 oder 6 Minuten reden. Jeder Standpunkt kann noch vertreten werden – aber einer nach dem anderen bitte! – Bitte, setzen Sie fort!

Abgeordneter Nikolaus Prinz (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. Die Zwischenrufe sind kein wirkliches Problem. Wenn sie ihre Freude daran haben, dann sollen sie Zwischenrufe machen!

Flexible Arbeitszeiten dürfen nicht auf Kosten der Sonn- und Feiertagsruhe und nicht auf Kosten der Sicherheit gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was kann durch Flexibilisierung erreicht werden? – Höhere Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit, bessere Mitarbeiterorientierung, positive Beschäftigungsorientierung und vor allem Ergebnisorientierung statt Zeitorientierung. Wesentliche Beispiele für die Gestaltung der flexiblen Arbeitszeit aus Oberösterreich sind durchaus auch auf Bundesebene umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.) So arbeiten zum Beispiel die oberösterreichischen Straßenmeistereien mit ihren 1 400 Mitarbeitern seit April 1999 mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, und seit 1. Jänner 2000 arbeiten alle 21 000 Landesbediensteten in flexiblen Modellen. Daraus ergeben sich für beide Seiten, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, positive Erfahrungen. Nicht zuletzt auf Grund dieser flexiblen Arbeitszeiten ist es gelungen, die Überstunden um 20 Prozent zu reduzieren.

Meine Damen und Herren! Dezentrale Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen – eine der wesentlichen Säulen der Politik der ÖVP, der Politik für den ländlichen Raum – setzen unabdingbar flexible Arbeitszeiten voraus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in Zukunft mehr auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf Bedacht genommen und eine neue Flexibilität bei der Bestimmung der Tages-, Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit Platz greift.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch eine abschließende Bemerkung zur heutigen Debatte, bei der es sehr intensiv um Budgetzahlen und um die Geschichte gegangen ist: In dieser Diskussion hat sich meine Meinung wirklich bestätigt, dass die SPÖ eine Partei ist, die in der Vergangenheit lebt, und wenn sie so weiter macht, wird sie wohl wenig Zukunft haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte.

22.34

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit den jetzt beschlossenen Budgetbegleitgesetzen hat die Regierungskoalition offenkundig bewiesen, dass sie den Weg zurück in die Vergangenheit gehen und zu einem Österreich von vor 1970 zurückkehren will, und zwar mit allen entsprechenden Maßnahmen. Sie muten den Menschen Bildungsabbau, Sozialabbau, Abbaumaßnahmen und asoziale Bestimmungen zu! Das haben Sie bewiesen, aber nicht, dass wir rückschrittlich sind! Es ist ja ungeheuerlich, was Ihr Kollege da erzählt! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es sind in der bestehenden Debatte noch einige Antworten zu geben, etwa im Zusammenhang damit, dass, wie Kollege Maier gesagt hat, das Leitbild des österreichischen Sports bei einer Veranstaltung eines privaten Wettbüros vorgestellt wird. Auch ich möchte die Frau Sportministerin im Hinblick darauf ersuchen: Wie wäre es denn damit, vielleicht noch im heurigen Jahr zu diesem Thema auch den Sportausschuss einzuberufen? Das wäre doch an und für sich der geeignete Ort, um ein Leitbild des Sports zu diskutieren. Das wäre doch eine Möglichkeit für die FPÖ, den abhanden gekommenen Vorsitzenden des Sportausschusses, den ehemaligen und jetzt wieder aufgetauchten Abgeordneten Fischl einzusetzen. Wir sind schon sehr gespannt, ob er dann wieder Vorsitzender des Sportausschusses wird oder ob es Herr Kollege Grollitsch oder Herr Kollege Ortlieb wird. Wenn Sie sich diesbezüglich irgendwann einmal einigen können, sind wir schon sehr gespannt und freuen uns, im Rahmen dieses Sportausschusses die Leitbildgedanken für den österreichischen Sport genau zu diskutieren, denn dort gehört eine solche Diskussion meiner Meinung nach hin. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters möchte ich noch darauf eingehen, dass wir heute einen Entschließungsantrag eingebracht haben, der darauf abzielt, von der Erlassregelung wegzukommen, was sehr positiv


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wäre, um im Zusammenhang mit dem Werbeabgabengesetz das zu reparieren, was die Regierung unter dem von ihr ausgegebenen Motto "Speed kills" den Österreicherinnen und Österreichern zumutet, und zwar all jenen, die in ehrenamtlichen Sportvereinen tätig sind und die man mit diesem Werbeabgabengesetz wirklich vor ein unlösbares Problem gestellt hat.

Wenn dann aber zum Beispiel die ÖVP-Abgeordnete und niederösterreichische Kollegin Mikl-Leitner sagt, dass es ihr Erfolg beziehungsweise der gemeinsame Erfolg der ÖVP gewesen sei, dass man zu dieser Übereinkunft gefunden hat, dann kann ich nur sagen: Hätten Sie vorher nicht gar so schnell gehandelt und all diese Gesetze beschlossen, sondern vorher darüber nachgedacht, wem Sie damit Schaden zufügen, dann müssten Sie jetzt nicht erst anfangen zu reparieren! Tun Sie das jetzt mit Hilfe all jener Gott sei Dank guten Vereine und Verbände, auf die wir zurückgreifen können und die zu dieser Thematik in der Begutachtungsfrist wirklich zu Wort kommen sollten! Es waren vor allem der ÖFB, die BSO, der ÖSV und natürlich die Dachverbände, die sich da ganz stark eingesetzt haben. Das ist auch gut so, und es ist für unsere Ehrenamtlichen ganz wichtig, dass man zu einer gemeinsamen Lösung kommt.

Eine Bemerkung noch zu den Budgetzahlen, die uns vorliegen. Kollegin Haidlmayr hat es schon festgehalten, und diesbezüglich stimme ich ihr absolut zu: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ganz sicher ein Stillstand einem Rückschritt gleichzusetzen. So haben Sie etwa im Rahmen des Budgets für den Frauensport lediglich den gleichen Betrag von 3 Millionen übrig, den es auch in den vergangenen zwei Jahren gegeben hat. Aber wie gesagt: Stillstand ist Rückschritt! Wir brauchen in diesem Bereich ganz sicherlich mehr Mittel!

Ganz sicherlich brauchen wir aber auch – das ist absolut notwendig! – Förderprogramme und Richtlinien, denn es gibt immer noch viel zu wenig Frauen im Trainer-Bereich, es gibt immer noch viel zu wenig Funktionärinnen und viel zu wenig Mädchen, die sich wirklich für den Sport engagieren können und wollen! Österreich hat sich nämlich verpflichtet, in allen Bereichen gemäß den Kriterien des Gender Mainstreaming vorzugehen. Diese Verpflichtung besteht gegenüber der EU und auch international gemäß des Peking-Plus-Fünf-Vertrages. Daher bitte ich Sie, das auch im Sport einzuhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es sollten alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens daraufhin überprüft werden, ob sie für Frauen tauglich sind und ob es entsprechende Frauenförderprogramme gibt. Wir werden sicherlich nicht müde werden, das hier immer wieder einzufordern!

In diesem Sinne möchte ich sagen: Die österreichische Sportpolitik ist noch lange nicht auf dem richtigen Weg. Grund dafür sind aber ganz sicherlich nicht – wie uns hier vorgeworfen wurde – Versäumnisse in der Vergangenheit!

Wenn ich mir vorstelle, was hier und heute diskutiert und debattiert wurde, kann ich nur gemeinsam mit unseren vielen ehrenamtlichen FunktionärInnen und Dachverbänden hoffen, dass der Sport diese Wertigkeit auch in Zukunft behalten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

22.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist die Frau Vizekanzlerin. – Bitte.

22.40

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Maier! Zu Ihren Ausführungen möchte ich Folgendes richtig stellen. Bei der Veranstaltung am 1. Dezember in Salzburg handelt es sich um eine Veranstaltung, die in Kooperation folgender Veranstalter abgehalten wird: "Kronen Zeitung", ÖSV – Österreichischer Skiverband, ÖFB – Österreichischer Fußballbund, IMSP – Institut für Sportmedizin, unterstützt von verschiedenen Sportfirmen.

Einer der Sponsoren dieser Veranstaltung – nicht der Veranstalter, sondern einer von mehreren Sponsoren – ist die Firma Intertops Sportwetten, was genau im Sinne der von Ihnen aufgestellten Forderung ist, dass nämlich auch Sportwettenfirmen entsprechend in den Sport investieren sollen, um so, wie am 1. Dezember in Salzburg, Funktionären, Sportlern und Sport


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verantwortlichen in diesem Land die Möglichkeit zur Diskussion über Leitbilder für den österreichischen Sport zu geben. – Das zum einen zur Klarstellung.

Zum Zweiten möchte ich, weil die Frage der Sportförderung und der Sportwetten angesprochen wurde, sagen: Sie wissen, die besondere Bundessportförderung ist von 440 Millionen Schilling 1999 auf 480 Millionen Schilling im Jahre 2001 gestiegen. Wie Sie der Regierungserklärung entnehmen können – dies liegt in unser aller gemeinsamem Interesse –, wird es eine weitere Erhöhung unter besonderer Berücksichtigung der Fachverbände und des Behindertensports über den Zeitraum von 2003 hinaus geben. Die Finanzierung – auch das wissen Sie selbstverständlich, aber ich wiederhole es hier gerne noch einmal – erfolgt durch eine Vergrößerung der derzeitigen Bemessungsgrundlage und eine Einbeziehung der privaten Wettbüros.

Dass das nicht in meiner Kompetenz liegt, wissen Sie selbstverständlich auch, weil die Wetten Ländersache sind. Ich möchte Sie daher sehr dringend ersuchen, in Ihren jeweiligen Bundesländern bei den dort Verantwortlichen – so wie auch ich – immer wieder darauf hinzuwirken, dass diesbezüglich etwas unternommen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Einmaleins des Föderalismus!)

Zu der Frage Sport und Europäische Union, die Herr Kollege Maier angesprochen hat: Ich habe auch im letzten Ausschuss sehr ausführlich dargelegt, dass ich die Positionen des Österreichischen Fußballbundes, aber auch der österreichischen Bundesregierung zu diesen Fragen bei der Sportministerkonferenz in Paris umfassend vorgebracht habe. Dort habe ich die Zustimmung aller meiner Kollegen gefunden, sodass Sie davon ausgehen können, dass die Europäische Union im Sinne dessen, was Sie angesprochen haben, nämlich Ersatz von Ausbildungskosten und Ähnliches, eine Lösung finden wird, weil das im Interesse aller Sportminister dort die gemeinsame Position war, wie ich es Ihnen im Ausschuss entsprechend berichtet habe.

Wenn Sie meine Vorschläge nicht gehört haben, dann liegt das nicht daran, dass ich sie nicht vorgebracht habe, sondern dass möglicherweise Sie nicht zugehört haben oder es nicht hören wollten. (Abg. Dr. Jarolim: Sie haben ganz etwas anderes gesagt!) Das tut mir sehr Leid, Herr Kollege Maier. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Bitte, Herr Magister, keine Kalauer! – Weitere Zwischenrufe.)

22.43

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frau Vizekanzlerin hat nun behauptet, dass es für diese von mir in meiner Rede angesprochene Sportdiskussion mehrere Sponsoren gibt.

Ich habe die offizielle Einladung hier (Abg. Dr. Fekter: Ja, die Frau Vizekanzlerin hat sie auch in der Hand!), und ich zeige sie Ihnen. Da geht es nur um Intertops. Intertops ist ein Wettbüro. Der gesamten Einladung lässt sich nicht entnehmen, dass andere Sponsoren daran beteiligt sind. (Abg. Dr. Jarolim: Was kostet das? – Weitere Zwischenrufe.)

Ich halte noch etwas Weiteres fest: Es sind nur zwei Verbände vertreten, Frau Vizekanzlerin, nämlich der Skiverband und der Fußballverband. Die so genannten Nebensportarten, die Randsportarten wurden in keiner Weise berücksichtigt. (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. ) Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

22.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Er hat das Wort. (Abg. Haigermoser  in Richtung des Abg. Maier –: Jacky, was wissen wir jetzt? – Abg. Dr. Partik-Pablé  gleichfalls in Richtung des Abg. Maier –: Was haben Sie jetzt zur Diskussion beigetragen?)


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22.45

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Nachdem ich dir jetzt zugehört habe, Jacky Maier, würde ich in der Fußballersprache sagen: Du hast wieder einmal einen Tritt aufs Schienbein gemacht. Das tut man nicht bei Frauen, das gehört sich nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Wir werden uns das merken, dass man offenbar Männer aufs Schienbein treten darf!)

Ich möchte wieder zum Thema zurückfinden, und das Thema heißt Sport. Ich halte es für sehr positiv, dass wir eine neue Ministerin haben, die sich sehr für Behindertensport einsetzt, für Paralympics, aber auch für die Sportmedizin.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte Sie aber auch für etwas Neues sensibilisieren, was aus meiner Sicht sehr wichtig ist, nämlich Sport im Alter. Jetzt werden Sie alle lächeln und fragen: Wozu brauchen wir das?

Der durchschnittliche Österreicher glaubt, dass ins Fitnesscenter nur junge, dynamische, schlanke Leute hingehören. Ich sage immer als Arzt, aber auch als Sportarzt: Eigentlich sind die völlig falschen Leute beim Sport. Der durchschnittliche Österreicher glaubt auch, dass es Sport ist, wenn er mit einem Bier in der Hand Hermann Maier im Fernsehen zuschaut. Ich sage Ihnen, das ist schlicht und einfach der falsche Lebensstil.

Wenn man das richtig machen würde, könnte jeder für sich profitieren. Das hat aber eine gesellschaftspolitische Komponente, die wir unbedingt sehen müssen. Ich werde Ihnen vier Punkte nennen, die zeigen, warum Sport im Alter sehr wichtig sein könnte, für alle, für Sie und für mich.

Wir könnten, wenn wir uns regelmäßig bewegen würden, unsere Pflegebedürftigkeit um vier Jahre hinausschieben und im Alter nur halb so pflegebedürftig sein. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis im Vergleich zu dem, was wir heute in der Gesundheitspolitik tun: Wir schauen immer, dass die Menschen im Spital ein möglichst schönes, weißes Bett haben. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Mertel: Die Rede habe ich schon dreimal gehört!) Viermal hören Sie es, fünfmal, wenn Sie wollen! (Abg. Dr. Mertel: Das interessiert mich! Deshalb habe ich es mir gemerkt!)

Zweitens: Sie können, wenn Sie sich viermal in der Woche 30 Minuten lang bewegen, Ihre Herzinfarkt-Häufigkeit um die Hälfte senken.

Drittens – das haben Sie noch nicht gehört, das sage ich Ihnen jetzt –: Wenn Sie sich regelmäßig bewegen – das ist vor allem im Alter sehr wichtig –, dann können Sie einen ganz wichtigen Faktor, nämlich Depression und Einsamkeit, wie auf keine andere Weise bekämpfen.

Viertens – ganz neu –: Wir wissen heute, dass es kein Medikament gibt, das für die Gehirndurchblutung so anregend ist wie Bewegung.

Zwei Drittel der Österreicher machen überhaupt keine Bewegung, und im Alter sind es weit über 90 Prozent. Wir von der Regierung haben mit dem Fonds "Gesundes Österreich" 100 Millionen Schilling für Prävention freigemacht. Das ist eigentlich relativ wenig in einem System, das 215 Milliarden Schilling ausgibt.

Wenn die Österreicher Sport nur als etwas begreifen, was sie am Nationalfeiertag tun, dann ist das zu wenig. Wir werden Sport im Alter brauchen, und Alter ist bei mir weit über 60. (Abg. Öllinger: Kollege Rasinger!) Wenn wir das einsehen, dann werden wir dieses Megathema bewältigen. Es wird aus finanziellen Gründen wichtig sein, aber für jeden Einzelnen auch aus Gründen der Lebensqualität. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie der Abg. Dr. Mertel. )

22.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. Er hat das Wort.


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22.49

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Werner Miedl, eigentlich habe ich nicht ganz verstanden, warum du hier herauskommst und wie ein Rennauto mit Motorschaden förmlich explodierst, wenn es um den Österreich-Ring geht. Meines Wissens – vielleicht leidest du unter Informationsnotstand – sind mehr als 100 Millionen Schilling in die Infrastruktur von Spielberg geflossen. Bundeskanzler Vranitzky hat mehrmals darauf hingewiesen: Die doppelten Mittel zu verlangen und zu lukrieren – Infrastruktur plus Ausbau des Ö-Rings –, war seinerzeit nicht Sache der Vereinbarung.

Kollege Grollitsch! Zu der Auszahlung der Mittel aus Nagano: Staatssekretär Wittmann hat mir versichert, dass diese Mittel für die Behinderten sofort nach der Olympiade bereitgestellt wurden.

Sehr verehrte Frau Vizekanzlerin! Sie werden es nicht glauben, aber ich habe auch einen positiven Aspekt Ihrer Regierungsbeteiligung entdeckt, und zwar in dem Umstand, dass Sie sich in Ihrem Ressort Sport von Ihrem Finanzminister nicht die Daumenschrauben anziehen ließen und dass der Sport von diesen Sparmaßnahmen ausgenommen wurde.

Bemerkenswert ist heute auch Ihre Haltung zu den Dachverbänden, weswegen wir uns immer in den Haaren gelegen sind. Sie haben heute in anerkennender Weise die vielen Mitglieder, die Trainer, die dort unentgeltlich ihre Arbeit verrichten, von Ihrer Kritik ausgespart. Aber Kollege Schweitzer wird noch zu Wort kommen, das kann sich noch ändern; wir werden ja sehen. (Abg. Mag. Schweitzer: Was denn?)

Es ist auch zu hoffen, dass Sie sich Ihre Einstellung über das Budgetjahr 2002 hinaus erhalten. Ich denke hier im Besonderen an das Ministerien-Glücksspielgesetz, das seinerzeit von Bundesminister Edlinger und Staatssekretär Wittmann gemacht wurde, um dem österreichischen Sport jährlich 400 bis 500 Millionen Schilling an Mitteln zukommen zu lassen.

Sehr verehrte Frau Minister! Wir haben mit Ihnen im Sportausschuss die Problematik des Zeitungsversandes und die daraus resultierenden Belastungen für die Vereine erörtert. Ich darf Sie eindringlich auffordern, diese Zeitbombe zu entschärfen, die mit 2002 zu ticken beginnt, und darf Ihnen auch einen gedanklichen Ansatz dazu vorlegen. Vielleicht gibt es hier eine ähnliche Lösung wie bei der Werbeabgabe, sodass ein Erlass über Begünstigungen für die gemeinnützigen Vereine ausverhandelt werden kann. Die Vereine brauchen dieses Geld, um ihren Mitgliedern kostengünstig ihre Informationen zukommen zu lassen.

In der Frage der Umsetzung der Fernseh-Exklusivrechte sind Sie uns viele Antworten schuldig geblieben, Frau Vizekanzler. Wir fordern auf diesem Weg eine Umsetzung dieser Verordnung nach gerechten Aufteilungskriterien und nicht nach dem Prinzip der persönlichen Wertschätzung von Regionen und Veranstaltungsarten.

Im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher, die sich für Sport interessieren, muss gewährleistet bleiben, dass große und bedeutende Sportereignisse von österreichischen Sendern übertragen werden können und die Menschen in Österreich nicht gezwungen sind, sich diese Programme über Pay-TV-Kanäle gegen zusätzliche Leistungen anzusehen. Auch im Hinblick auf die Bedeutung des Fußballsportes für unser Land muss die Finanzierbarkeit sichergestellt werden, und den Vereinen müssen marktgerechte Abgeltungen für ihre Übertragungsrechte in Zukunft gesichert werden.

Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Jetzt zu einem Thema, das den Sport und die Lehrer, das Personal miteinander verbindet: In einer Wahlumfrage vor der Nationalratswahl zum Thema Schulsport haben Sie, die FPÖ und Kollege Grollitsch des Öfteren hier in diesem Hause gefordert: den Sportfachunterricht in der Volksschule und in der Vorschule, die Einführung einer täglichen Bewegungseinheit für die 6- bis 14-Jährigen, eine Zusammenarbeit der Leibeserzieher mit den Lehrern, den Eltern und den Schulärzten und letztlich auch eine Steigerung der Zahl der Schulsportwochen.


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Wie es wirklich damit ausschaut, haben Sie uns heute wieder vorgeführt. Das zeigt sich in einer radikalen Kürzung der Lehrerstunden, in einem radikalen Festhalten daran, Zehntausende Lehrerdienstposten einzusparen, und auch in Ihrem radikalen Umgang mit der Beschreibung der Lehrerdienstzeiten und der Lehrerarbeitszeit.

Frau Vizekanzler! Alle diese Maßnahmen sind sicherlich nicht geeignet, den Schulsport im Sinne einer prophylaktischen Bedeutung für die Gesundheitsvorsorge bei Kindern und Jugendlichen zu fördern.

Nur einen Denkansatz zu Ihrer Personalpolitik: Sie haben uns enttäuscht, Frau Vizekanzler, und Sie haben die Menschen in unserem Land enttäuscht. (Abg. Haigermoser: Nein, nein, nein!) Wir hoffen, Sie enttäuschen uns weiterhin. (Beifall bei der SPÖ.)

22.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Er hat das Wort.

22.54

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute, irgendwann im Laufe des Tages, hat mir der Sportsprecher der ÖVP, Karlheinz Kopf, eine Fußballer-Zitatensammlung zukommen lassen. Ich habe sie wirklich mit Begeisterung gelesen und mich sehr gut amüsiert. Tatsächlich finde ich hier einige Zitate, die auch auf die Debatte, die jetzt am Schluss geführt worden ist, zutreffen.

Ich glaube, die SPÖ hat sich für diese Debatte das Gleiche wie seinerzeit Rolf Rüßmann für ein Fußballspiel vorgenommen, vor dem er sagte – und das ist auch das, was sich die SPÖ für heute vorgenommen hat –: Und wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir Ihnen wenigstens den Rasen kaputt! – So in etwa ist Ihre Debatte heute gelaufen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da Kollege Maier zum Schluss noch herausgekommen ist und eine tatsächliche Berichtigung gemacht hat – da passt Olaf Thon gut dazu, Kollege Maier, der gesagt hat: Man hetzt die Leute auf mit Tatsachen, die nicht der Wahrheit entsprechen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

So ähnlich war es auch bei dieser Geschichte mit dem Programm. Es war doch nicht so, dass als einzige Politikerin oder als einzige Vertreterin der Politik Frau Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer anwesend gewesen wäre, sondern es waren gute Bekannte von dir dort, zum Beispiel Dr. Raus – der sollte dir doch ein Begriff sein – oder Bürgermeister Dr. Schaden. So weit entfernt von dir sind die doch gar nicht!

Also keine Rede davon, dass die Frau Vizekanzler allein gewesen wäre! Schaden, Raus, SPÖ, Rasen kaputt – na ja, gut! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Jetzt fehlt nur noch der Nachweis dafür, dass es euch tatsächlich in erster Linie darum gegangen ist, den gepflegten Rasen kaputt zu treten. – Da gibt es zum Beispiel einen gut gemeinten Entschließungsantrag vom Kollegen Noldi Grabner mit dem Dr. Wittmann, aber darin verlangen Sie etwas, was längst passiert ist (Abg. Schwarzenberger: Was sie im Budgetbegleitgesetz abgelehnt haben!), akkordiert mit allen Dachverbänden: Gemeinnützige Vereine sind von all dem ausgenommen!

Lieber Noldi! Vom Veranstalter veranlasste oder geduldete Werbung bei internationalen Sportveranstaltungen ist nicht werbeabgabenpflichtig. Bei unmittelbaren Sponsorleistungen an Sportvereine und an im § 176 und so weiter genannte Körperschaften, Feuerwehren, Bergrettung und ähnliche Organisationen, ist von keiner steuerpflichtigen Werbeleistung auszugehen, wenn ein Bukett von Leistungen umfasst ist, in dem auch nicht steuerpflichtige Leistungen enthalten sind. Dressen, Bandenwerbung bei Sportvereinen: nicht abgabepflichtig! Das Ganze wird sogar rückwirkend ab 1. Juni 2000 Geltung haben. Was Ihr da verlangt, ist längst Realität! (Abg. Grabner: Das stimmt nicht!)


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Also: Rasen kaputt treten war euer Motto, mit dem ihr in diese Diskussion gegangen seid. Unter diesem Motto habt ihr auch diesen Antrag eingebracht.

Zuletzt zum Kollegen Kräuter: Vier Jahre lang habt ihr bei den Mountainbikern nichts weitergebracht. Jetzt kommst du heraus und beschwerst dich? – Wir haben ein großes Hearing mit allen Experten gehabt. Nach dem Ergebnis dieses Hearings haben wir gesagt: Das ist ein komplexes Thema, dieses komplexe Thema werden wir in einem eigens dafür eingerichteten Unterausschuss diskutieren und die weitere Vorgangsweise beraten.

Aber du tust hier herum, also wäre hier irgendjemand für die Jäger und gegen die Mountainbiker! Das wird ganz lang und breit diskutiert. (Rufe bei der SPÖ: Lang, ja!) Es wird ausdiskutiert, und das wird schließlich ein Ergebnis bringen, mit dem alle leben können, Kollege Kräuter.

Diese Diskussion ist, wie viele andere auch, für die SPÖ wieder einmal unter dem Motto gelaufen: Zuerst ging es uns nicht wirklich gut, wir waren nicht vom Glück verfolgt, und dann kam auch noch das Pech dazu! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort gemeldet. – Bitte. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

22.59

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Ich berichtige (Abg. Ing. Westenthaler: Auf das bin ich jetzt gespannt!): Kollege Schweitzer hat behauptet, dass die SPÖ vier Jahre lang im Zusammenhang mit dem Biken auf Forstwegen nichts zustande gebracht hätte. (Abg. Dr. Stummvoll: Dass es Pech war!)

Richtig ist und den Tatsachen entspricht, dass die ÖVP seit fünf Jahren dieses Projekt verhindert. (Beifall bei der SPÖ.)

22.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die letzte tatsächliche Berichtigung des heutigen Tages: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. (Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Haigermoser: Herr Kollege, kurz eine Frage: Wie geht’s dem Vikerl? – Heiterkeit. – Abg. Dr. Wittmann  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Gut, hoffe ich!)

Am Wort ist nun Herr Abgeordneter Dr. Wittmann!

23.00

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Abgeordneter Schweitzer hat behauptet, dass dieser Entschließungsantrag deswegen obsolet sei, weil das schon erledigt wäre.

Das entspricht nicht den Tatsachen. Diese Erledigung ist ausschließlich im Erlassweg erfolgt.

Wir wollten mit diesem Entschließungsantrag eine gesetzliche Regelung in Gang bringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Vom Pech verfolgt!)

23.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Oh, der Höhepunkt! Jetzt kommt die Krönung!)

23.00

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion! Werte blau-schwarze Chaotinnen und Chaoten! (Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Stört Sie das? (Abg. Schwarzenberger: ... bei Ihnen auch jedes Mal erwähnt! – Weitere Zwischenrufe.)


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Ebenso stört es mich, wenn völlig ohne irgendeine Reaktion permanent von Ihrer Seite her der Ausdruck "Donnerstag-Chaoten" verwendet wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist richtig! – Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ganz so lustig finde ich das nicht. (Zwischenrufe und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ganz so lustig finde ich das nicht. Aber es zeigt einiges über Ihr Demokratieverständnis. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Im Rahmen dieser Debatte ist unter anderem an die Adresse der Gewerkschaften (Abg. Haigermoser: Arthur Schnitzler ...!) das Wort "Wir warnen Sie, dieses oder jenes zu tun" gefallen. (Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Bitte, es ist dort in den Gremien etwas entweder beschlossen oder nicht, aber ich gehe davon aus, dass diejenigen, die Mitglieder dieser Organisation sind (Abg. Ing. Westenthaler: Die österreichische Fahne wollten sie uns nehmen!), wissen werden, wie sie sich dort zu verhalten haben oder welche Rechtsschutzmechanismen sie genießen können. (Abg. Ing. Westenthaler: Die österreichische Fahne wollte man vom Parlament nehmen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ebenso scheint es Herrn Kollegen Westenthaler ein Dorn im Auge zu sein, dass es in diesem Land immer noch Grundrechte gibt. Dazu gehört das Recht, Demonstrationen durchzuführen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Da gibt es einen großen Irrtum, und es wundert mich, dass die Verfassungsrechtlerinnen und -rechtler in der ÖVP, die es durchaus einmal gab, so leise geworden sind, als wüssten sie nicht (Abg. Dr. Stummvoll: Verkehrsblockaden gehören auch nicht ...!), dass es in diesem Land nicht so ist, dass alles, was nicht ausdrücklich von der Polizei erlaubt wurde, verboten ist. So ist es nämlich nicht!

Daher ... (Abg. Dr. Khol: Eine liberalere Polizei ...! – Abg. Dr. Fekter: Distanzieren Sie sich von den Gewaltanwendern! – Abg. Großruck: Distanzieren Sie sich von den Sachbeschädigungen! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Das ist eine Verteidigung des Demonstrationsrechtes. Es herrscht in diesem Hause, hoffe ich, Übereinstimmung darüber, dass Delikte jeder Art nicht zu dulden sind. Aber das hat nichts zu tun mit den Donnerstags-Demonstrationen unter Ausübung des Demonstrationsrechtes. (Abg. Haigermoser: Freilich!) Das werden Sie den Menschen in diesem Land nicht einschränken und nicht verhindern können, auch wenn Sie das noch so sehr wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Wenn die Autos vor dem Parlament beschädigt werden, dann geht es zu weit! – Abg. Ing. Westenthaler: Die österreichische Fahne wollten sie uns nehmen! – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Wenn irgendjemand an Demonstrationen teilnimmt und vielleicht auch Organisationsdienste tut – ich weiß nicht, wie Sie es finden, wenn wir dann von den Traktorenchaotinnen und -chaoten reden, die auf dem Ballhausplatz schon anzutreffen waren. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe.) Allein die vielen Abgase, die da in die Luft gekommen sind, wie das den Menschen und Gebäuden zusetzt – na alle Achtung! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Trattner: Das ist ja niveaulos! – Weitere Zwischenrufe.) Aber es scheint so zu sein: Es gibt Schäden und Schäden. (Abg. Mag. Trattner: Die Verteidigerin ist niveaulos!)

Es geht um Demokratie, und es geht darum, dass wir hier einheitlich die Spielregeln beachten. (Abg. Haigermoser: Dann halten Sie sich daran! – Weitere Zwischenrufe.) Es geht nicht an, dass Sie Teile der Bevölkerung, die die Sorgen sehr, sehr vieler Menschen angesichts unsäglicher Äußerungen – ich brauche nicht alle zu wiederholen, die von Regierungspolitikerinnen und -politikern schon gekommen sind – artikulieren und damit ein ganz legitimes Recht ausüben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Demolieren ist kein legitimes Recht!)

Von dem – um es dem Präsidenten etwas leichter zu machen – enormen sportlichen Wert der Donnerstags-Demonstrationen können sich nur diejenigen überzeugen, die selbst daran teil


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nehmen. Es sind wirklich lange, ausgiebige Wanderungen quer durch Wien. (Abg. Ing. Westenthaler: Vor allem die Disziplin Steinwurf ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wir müssen es bis zur letzten Minute einer Nationalratssitzung möglich machen, dass sich ein Redner artikuliert. Wenn sich andere zu Wort melden wollen, dann sollen sie sich melden.

Wenn der Lärmpegel so weitergeht, dann muss man die Sitzung kurz unterbrechen, bis sich alle wieder beruhigt haben. (Abg. Schwarzenberger: ... als "Chaoten" bezeichnen!)

Bitte setzen Sie fort, Frau Abgeordnete! (Abg. Mag. Kogler: Haigermoser, beruhigen!)

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Es geht nicht an, dass Sie alles das, was Ihnen vielleicht nicht passt, was Ihrer politischen Überzeugung widerspricht, gleich als "rechtswidrig", "verboten" oder eben mit negativ besetzten Ausdrücken wie "Chaos" bezeichnen.

Wäre es nämlich so, dass alles, was nicht ausdrücklich von der Polizei erlaubt wird, verboten ist, dann könnten Sie jede Menschenansammlung – beispielsweise Leute, die sich bei irgendeiner Geschäftseröffnung anstellen, um einen günstigen Kauf zu tätigen, oder diejenigen, die gelegentlich "ganz organisiert" am Freitag Nachmittag auf dem Gürtel, auf der Tangente oder sonst wo im Stau stehen – als rechtswidrig erklären und auflösen. Es ist aber eben nicht so!

Die Polizei kann, wenn es um andere Rechte geht oder wenn Gefahr für Ruhe, Ordnung und Sicherheit besteht, eine Veranstaltung auflösen. Aber das ist etwas ganz anderes.

Insofern gibt es gerade in den letzten Tagen, Herr Abgeordneter Schweitzer, ein paar wirklich witzige Chaos-Anfragen hier in dem Haus. Dass es so ist, dass etwa bestimmte Polizeiverfügungen auch den Betroffenen zugestellt werden, das ist eher Kennzeichen eines Rechtsstaates. Aber bei dieser Art von Chaos, das Sie offenbar predigen, haben Sie sich davon weit entfernt.

Ein Allerletztes: Sie haben jetzt alle die Notwendigkeit beschworen, für die Jugend, für den Sport und den Breitensport etwas zu tun. (Die Rednerin hält ein Inserat in die Höhe, auf dem der Kopf eines Kindes abgebildet ist.) Wenn ich mir dann dieses arme Kind anschaue, das Sie bildlich geteilt haben, teils grau, teils etwas gelbstichig – in Summe kosten alle diese Kinderlein, die Sie in Ihren Inseraten quer durch Österreich schalten, 80 Millionen Schilling! –, dann kann ich nur sagen: Wie Recht Sie haben, so jung und schon so pleite dank dieser Bundesregierung – das nenne ich eine Form von Chaos! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

23.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr ... – Ich bitte um Entschuldigung. Am Schirm steht noch ein Name, ich habe das übersehen.

Bitte, Herr Abgeordneter Verzetnitsch. (Abg. Haigermoser: Jetzt taucht er auf! – Abg. Ing. Westenthaler: Den ganzen Tag sind Sie nicht da! Dann kommen Sie ...! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

23.08

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute standen in dieser Debatte die Leistungen der öffentlich Bediensteten und deren Bewertung durch die Bundesregierung zur Diskussion. (Abg. Achatz: Die Debatte haben Sie nicht mitgehört! Sie waren nicht da!) Herr Abgeordneter Spindelegger hat in dieser Debatte unter anderem den ÖGB gewarnt. (Abg. Dr. Stummvoll: Zu Recht!)

Herr Abgeordneter Spindelegger und alle Abgeordneten der Koalitionsparteien! Nehmen Sie zur Kenntnis: Die Überparteilichkeit des ÖGB bestimmt weder ... (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Der ist nicht mehr überparteilich!) Es zeigt Ihr Demokratieverständnis, dass Sie nicht einmal zuhören können.


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47. Sitzung / Seite 203

Die Überparteilichkeit des ÖGB bestimmen weder die ÖVP noch die FPÖ, noch die SPÖ, noch die Grünen, sondern ausschließlich die Mitglieder des ÖGB. Niemand anderer, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Mitglieder, die ihre Interessen vertreten haben wollen, Mitglieder, die – egal, welcher politischen Anschauung sie angehören – ihre Interessen auch artikulieren! (Abg. Mag. Kukacka: Urwahlen im ÖGB ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Genauso klar und deutlich ist es auch hier ausgesprochen worden, nicht zum ersten Mal und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal, denn Sie wollen es ja nicht hören: Der ÖGB bestimmt auch nicht die Bundesregierung, die hier sitzt. Das ist der Wähler, das sind die politischen Parteien. (Abg. Ing. Westenthaler: Gott sei Dank!)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass auch Sie nicht darüber bestimmen können, welche Interessen der ÖGB vertritt! Das ist Angelegenheit der Mitglieder und niemanden anderes! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin stolz darauf, dass es im ÖGB, seit es diesen gibt, in wirklich wichtigen Fragen, ob diese wirtschaftlicher oder sozialer Art sind oder ob es um kollektivvertragliche Verhandlungen geht, jeweils einstimmige Beschlüsse gibt – auch wenn Ihnen das nicht passt! Es gibt einstimmige Beschlüsse unter Teilnahme der Vertreter der christlichen Fraktion und der freiheitlichen Arbeitnehmer. (Abg. Ing. Westenthaler: Einstimmige Beschlüsse gibt es hier auch!) Das passt einfach nicht in Ihr Konzept. Und ich bin auch stolz darauf, dass es auch für die Menschenkette am 5. Dezember einstimmige Beschlüsse gibt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie tragen die Verantwortung für diese Aktion!)

Meine Damen und Herren! Es gibt einstimmige Beschlüsse, die Ihnen ebenfalls nicht passen, weil man sich damit zu den Arbeiterkammern bekennt, egal ob man dem ÖAAB, der FPÖ oder der Sozialdemokratie angehört, und nicht jenen Ideen folgt, die von Initiativanträgen Ihrer Koalitionsregierung stammen. – Auch das sei Ihnen klar und deutlich ins Stammbuch geschrieben! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass Sie linientreue Faserschmeichler wollen: Dafür stehen wir nicht zur Verfügung! Wenn Sie in der Öffentlichkeit inserieren, dass drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher nicht betroffen sind, vor allem jene nicht, die unter 30 000 S verdienen, dann schauen Sie sich die Realität an, die Sie vergangene Woche selbst beschlossen haben! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie waren nicht da!) Sie wissen, warum ich nicht da war.

Meine Damen und Herren! Diese Gesetze betreffen jeden Bürger dieses Landes, und die Vorgangsweise der Koalition bettet sich in eine Situation ein, die zu eskalieren droht. Ich sage das für all jene, die nicht zugehört haben, noch einmal zum Nachdenken. (Abg. Haigermoser: Sagen Sie nur einmal das Wort "Sport"!) Wir debattieren über öffentlichen Dienst und Sport, nehmen Sie das zur Kenntnis!

Wenn Sie das jetzt noch immer nicht wahrhaben wollen, Herr Kollege Spindelegger, dann sage ich Ihnen: Das ist ein Originalzitat des Kollegen Neugebauer von heute! Sagen Sie daher nicht dauernd, dass nur die Sozialdemokraten daran beteiligt sind! Ich bin stolz darauf, dass Kollege Neugebauer auch an dieser Demonstration teilnimmt!

Ja, wir sind am Verhandlungstisch! Sie finden uns am Verhandlungstisch. Aber wir stehen dann auf, wenn man nicht verhandeln will, wenn man in Wirklichkeit nur Scheinverhandlungen führen will, wie es diese Regierung unter dem Motto "Speed kills" oft genug zeigt.

Wir nehmen Stellung zu Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber nicht auf Zuruf, sondern in einem ordentlichen Verfahren. Ich erinnere Sie an Ihre Begutachtungsfristen, die Sie willkürlich hier in den Raum stellen. Für Scheinverhandlungen stehen wir nicht zur Verfügung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
47. Sitzung / Seite 204

Herr Kollege Khol! Nicht zur Verfügung stehe ich auch bei Ihren ständigen Aufforderungen, ich sollte doch mein Mandat zurücklegen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das wäre gut!) Herr Kollege Khol! Mein Mandat stammt nicht von Ihnen, mein Mandat stammt von nicht der ÖVP und nicht von dieser Koalitionsregierung, sondern vom Wähler, und nur diesem bin ich verantwortlich. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ihr Mandat stammt von der Gewerkschaft!)

23.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich schließe nunmehr die Debatte, die wir jetzt geführt haben.

Der Berichterstatter hat kein Schlusswort verlangt.

Daher kommen wir zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über die Beratungsgruppe XIII des Bundesvoranschlags für das Jahr 2001. Diese umfasst das Kapitel ... (Heftige Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Wir befinden uns in einem Abstimmungsverfahren, und ich unterbreche daher ganz kurz die Sitzung, damit Sie sich beruhigen können. (Die Sitzung wird für kurze Zeit unterbrochen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die Sitzung wieder auf und möchte Ihnen in Erinnerung rufen, dass, wenn bei einer Abstimmung ein Fehler passiert, der Teufel los ist. Daher müssen wir uns auf Abstimmungen auch um 23.15 Uhr noch 20 Sekunden lang konzentrieren können!

Die Abstimmung umfasst das Kapitel 70 des Bundesvoranschlages in 310 der Beilagen.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die diesem Kapitel 70 des Bundesvoranschlags ihre Zustimmung erteilen, ein bejahendes Zeichen geben. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Nach § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, dass wir die dabei eingebrachten Entschließungsanträge nicht am Schluss nach der dritten Lesung, sondern jetzt gleich kapitelweise abstimmen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Daher kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Grabner und Genossen betreffend gesetzliche Verankerung der Ausnahmeregelung für gemeinnützige Sportvereine von der Werbeabgabe.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Grabner zustimmen, ein entsprechendes Zeichen zu geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen als nächstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Mag. Johann Maier betreffend Leitbild für den österreichischen Sport.

Auch hier darf ich bitten, dass die Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Unterstützung geben, dies durch ein diesbezügliches Zeichen bekunden. – Ich stelle fest: Der Antrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung der Selbständige Antrag 330/A (E) und die Anfragen 1578/J bis 1586/J eingelangt sind.

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Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
47. Sitzung / Seite 205

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Mittwoch, 29. November 2000, 9 Uhr, mit der bereits schriftlich bekannt gegebenen Tagesordnung, Beratungsgruppe XII und IX, ein. – In der morgigen Sitzung gibt es keine Fragestunde.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.17 Uhr