Stenographisches Protokoll

95. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 4. Februar 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

95. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                    Freitag, 4. Februar 2005

Dauer der Sitzung

Freitag, 4. Februar 2005: 11.00 – 11.03 Uhr

                                                                                                      14.03 – 16.53 Uhr

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Sigisbert Dolinschek sowie Ausscheiden des Abgeordneten Elmar Lichtenegger aus dem Nationalrat ................................................................................. 9

Angelobung der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Marialuise Mitter­müller                     9

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Ordnungsruf ................................................................................................................... 31

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 11

Redeordnung nach Festlegung in der Präsidialkonferenz ........................................... 19

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 10

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Zehnter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses ...................................................... 11

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend die umfassende Gefährdung der Sicherheit in Öster­reich durch eine chaotische Regierungspolitik (2606/J)             ............................................................................................................................... 13

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer ........................................................................... 20

 


Nationalrat, XXII.GP
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95. Sitzung / Seite 2

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 24

 

Debatte:

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 29

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 33

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 36

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 39

Bundesministerin Ursula Haubner ............................................................................ 42

Doris Bures ................................................................................................................... 44

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 45

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 47

Michaela Sburny ........................................................................................................... 49

Bundesminister Günther Platter................................................................................. 51

Anton Gaál .................................................................................................................... 53

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ...................................................................................... 56

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 57

Karl Öllinger .................................................................................................................. 59

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 61

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 62

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 64

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 65

Dr. Robert Rada (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 67

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Durchführung des Schulversuchs „gemeinsame Schule“ in Her­magor und Wolfsberg – Ablehnung  49, 65

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Gaál, Kolleginnen und Kol­legen betreffend gesetzliche Verankerung der Wehrdienstverkürzung – Ab­lehnung ...........................................  53, 65

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 10

Petition betreffend „Für eine rasche Verbesserung der Lärmschutzmaßnahmen im Bereich des Autobahnknotens Steinhäusl A1/A21 (Gemeindegebiet Altleng­bach)“ (Ordnungsnummer 53) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching)

Bürgerinitiative ............................................................................................................ 10

Bürgerinitiative betreffend „Für ein Schienenlärmschutzgesetz“ (Ordnungs­num­mer 24)

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 10

798: Bundesgesetz, mit dem das Außenhandelsgesetz 2005 – AußHG 2005 erlassen und das Kriegsmaterialgesetz geändert wird

806: WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996)

807: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücks­fällen


Nationalrat, XXII.GP
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95. Sitzung / Seite 3

808: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zins­erträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für Aruba

809: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zins­erträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für die Nieder­ländischen Antillen

810: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Kambo­dscha über die Förderung und den Schutz von Investitionen

811: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zins­erträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Re­publik Österreich und Guernsey

812: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zins­erträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Jersey

813: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zins­erträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Isle of Man

814: Schifffahrtsrechtsnovelle 2005

Berichte ......................................................................................................................... 10

Vorlage 30 BA: Bericht betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundes­vermögen im Jahr 2004; BM f. Finanzen

Vorlage 31 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2004; BM f. Finanzen

III-120: Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahr 2003; BM f. Wirt­schaft und Arbeit

III-121: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 2002/03; BM f. Wirtschaft und Arbeit

III-122: Bericht über die soziale Lage 2003-2004; BM f. soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Anträge der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend umgehende Erstattung eines schriftlichen Berichtes an den Nationalrat über die Vorgänge rund um den geplanten Stadionbau in Klagenfurt, die politischen Verantwortlichkeiten für ein mög­liches Scheitern des Projektes und die Auswirkungen auf die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2008 durch Österreich und die Schweiz (523/A) (E)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (524/A)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, das die Überprüfung des Ermessens gemäß § 35 Abs. 2 SMG in den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 11a StPO aufnimmt (525/A)


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95. Sitzung / Seite 4

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschränkung befristeter Mietverträge (526/A) (E)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Christoph Matz­netter, Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (527/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend dringend aufklärungsbedürftige Vorgänge rund um das Patentamt und den Generalsekretär des BMVIT (2596/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend „Nebentätigkeit einer Ministerialbeamtin“ (2597/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend „Nebentätigkeit einer Ministerialbeamtin“ (2598/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend geschlechtergerechten Sprachgebrauch (2599/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Einrichtung eines Tierschutzrates (2600/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Rückerstattung einer Fördersumme wegen nicht erfolgter Leistung aus Kärnten (2601/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend lückenhafte Meldungen von Hepatitis-C-Erkrankungen (2602/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend Erstattung der spezifischen Immuntherapie (SIT) (2603/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Betrugsbekämpfung 2004 – Drogen, Arzneimittel und Nahrungsergän­zungsmittel“ (2604/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Jugendliche Heiminsas­sen als Hilfsarbeiter ohne Sozialversicherung – Anrechnung von Arbeitszeiten gemäß § 225 ASVG nach der Pensionsharmonisierung“ (2605/J)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die umfassende Gefährdung der Sicherheit in Österreich durch eine chaotische Regierungspolitik (2606/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend „Absiedelung von Teilen der Kunstuniversität Mozarteum – von Salzburg nach Innsbruck“ (2607/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Bau des Autobahnhalbanschlusses Hagenau“ (2608/J)


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95. Sitzung / Seite 5

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend „Schnellschussaktionen“ in Sachen Nach­mittagsbetreuung (2609/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Verein für Opferhilfe (2610/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Ermittlungen im Fall Großbrand Tiroler Loden Innsbruck (2611/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Ermittlungen im Fall Großbrand Tiroler Loden Innsbruck (2612/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend mögliche Kasernenschließungen in Wiener Neustadt (2613/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ankauf von Seeufer­grundstücken in Kärnten (2614/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Gefährdung der rechtlichen Grundversorgung in Kärnten durch die mögliche Schließung von Gerichts-Standorten (2615/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Personalrochaden und Neubestellungen im Zuge des Wechsels der Ministerinnenverantwortlichkeit (2616/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Personalrochaden und Neubestellungen im Zuge des Wechsels der MinisterIn­nenverantwortlichkeit (2617/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Personalrochaden und Neubestellungen im Zuge des Wechsels der MinisterIn­nen­verantwortlichkeit (2618/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicher­heit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Personalrochaden und Neu­bestellungen im Zuge des Wechsels der MinisterInnenverantwortlichkeit (2619/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Kooperation mit den Bundesländern hinsichtlich des Gentechnik-Registers (2620/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Aussagen eines Gutachters in einem Strafverfahren mit Gehörlosen (2621/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Gesundheitsgefährdung durch indus­trielle Trans-Fettsäuren (2622/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Maßnahmen zur Schaffung von gentechnikfreien Regionen in Österreich (2623/J)


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95. Sitzung / Seite 6

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH) (2624/J)

Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Restaurierung, Erhaltung, Öffnung und Belebung der beiden Schlösser Hof und Niederweiden im Rahmen der Entwicklung einer „histo­rischen Schlösserstraße“ (2625/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend hohes Vergiftungsrisiko mit Histamin durch importierten Thunfisch (2626/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Zukunft der Ostarrichi-Kaserne in Amstetten (2627/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Vollziehung des Suchtmittelgesetzes (2628/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend die Abschaffung der Rezeptpflicht für die „Pille danach“ (2629/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Vollziehung des Suchtmittelgesetzes (2630/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Pläne über die Schließung steirischer Bezirksgerichte, insbesondere des Bezirks­gerichtes Irdning (2631/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­vertei­digung betreffend mögliche Kasernenschließungen in Niederösterreich (2632/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Zivildienst (2633/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bundesbeschaffung Gesellschaft m.b.H. (BBG) (2634/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Auswirkungen der Vergabepraxis der Bundesbeschaffung Gesell­schaft m.b.H. (BBG) auf die österreichische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt (2635/J)

*****

Dr. Christian Puswald, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des National­rates betreffend „Geldeintreiberei“ bei Parlamentsbesuchern (27/JPR)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abge­ordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2337/AB zu 2395/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (2338/AB zu 2359/J)


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95. Sitzung / Seite 7

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (2339/AB zu 2368/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2340/AB zu 2376/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (2341/AB zu 2360/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen (2342/AB zu 2365/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2343/AB zu 2375/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2344/AB zu 2380/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen (2345/AB zu 2382/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2346/AB zu 2400/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (2347/AB zu 2367/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen (2348/AB zu 2372/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (2349/AB zu 2369/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen (2350/AB zu 2370/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen (2351/AB zu 2371/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen (2352/AB zu 2373/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (2353/AB zu 2393/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (2354/AB zu 2412/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2355/AB zu 2401/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (2356/AB zu 2432/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2357/AB zu 2445/J)


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95. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2358/AB zu 2423/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (2359/AB zu 2374/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Hans Langreiter, Kolleginnen und Kollegen (2360/AB zu 2419/J)



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95. Sitzung / Seite 9

11.00.00Beginn der Sitzung: 11 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße die Damen und Herren im Hohen Haus sehr herzlich.

Diese Sitzung ist auf Grund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 7 des Geschäftsordnungsgesetzes einberufen worden.

Die Amtlichen Protokolle der 93. und 94. Sitzung vom 26. Jänner 2005 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Baumgartner-Gabitzer, Hagenhofer, Reheis, Mag. Lapp, Broukal, Dr. Glawischnig, Dr. Pirklhuber, Rest-Hinter­seer und Dr. Pilz.

Darf ich die Damen und Herren bitten, Platz zu nehmen. Wir kommen zu einer Ange­lobung.

11.00.31Mandatsverzicht und Angelobung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung einge­langt, dass der Abgeordnete Sigisbert Dolinschek sein Mandat zurückgelegt hat und an seiner Stelle Marialuise Mittermüller in den Nationalrat berufen wurde.

Weiters ist die Mitteilung eingelangt, dass Herrn Bundesminister a.D. Mag. Herbert Haupt das Mandat, welches er aus Anlass seiner Ernennung zum Mitglied der Bun­desregierung zurückgelegt hat, erneut zugewiesen wurde. Damit ist Abgeordneter Elmar Lichtenegger aus dem Nationalrat ausgeschieden.

Da die Wahlscheine bereits vorliegen und die in den Nationalrat berufenen Abgeord­neten im Haus anwesend sind, werde ich sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer werden die Mandatare ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich bitte nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Jakob Auer, um die Verlesung der Gelöbnisformel und um den Namensaufruf.

 


11.02.03

Schriftführer Jakob Auer: Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.

(Über Namensaufruf durch den Schriftführer Auer leisten die Abgeordneten Mag. Her­bert Haupt und Marialuise Mittermüller die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich begrüße die Angelobten herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

11.02.19 Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.


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95. Sitzung / Seite 10

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2596/J bis 2605/J.

2. Anfragebeantwortungen: 2337/AB bis 2360/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Außenhandelsgesetz 2005 – AußHG 2005 erlassen und das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (798 d.B.),

Schifffahrtsrechtsnovelle 2005 (814 d.B.).

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundesvermögen im Jahr 2004 (Vorlage 30 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2004 (Vorlage 31 BA);

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 53 betreffend „Für eine rasche Verbesserung der Lärmschutzmaßnahmen im Bereich des Autobahnknotens Steinhäusl A1/A21 (Gemeindegebiet Altlengbach)“, überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching,

Bürgerinitiative Nr. 24 betreffend „Für ein Schienenlärmschutzgesetz“.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996) (806 d.B.),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (807 d.B.);

Finanzausschuss:


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95. Sitzung / Seite 11

Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für Aruba (808 d.B.),

Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für die Niederländischen Antillen (809 d.B.),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Kambodscha über die Förderung und den Schutz von Investitionen (810 d.B.),

Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Guernsey (811 d.B.),

Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Jersey (812 d.B.),

Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Isle of Man (813 d.B.);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Tätigkeit der Arbeits­inspektion im Jahr 2003 (III-120 d.B.),

Bericht der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten­schutz über die soziale Lage 2003-2004 (III-122 d.B.);

Wirtschaftsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 2002/03 (III-121 d.B.).

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters gebe ich bekannt, dass der Zehnte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an alle Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

11.02.54Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die am Beginn der Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage 2606/J der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die „umfassende Gefährdung der Sicherheit in Österreich durch eine chaotische Regierungspolitik“ dringlich zu behandeln.

Die Durchführung der Dringlichen Anfrage wird um 14 Uhr erfolgen. Bis dahin unter­breche ich die Sitzung.

*****

11.03.28(Die Sitzung wird um 11.03 Uhr unterbrochen und um 14.03 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

14.03.18 Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend die umfassende Gefährdung der Sicherheit in Österreich durch die chaotische Regierungspolitik (2606/J)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 2606/J.


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95. Sitzung / Seite 12

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer beziehungsweise die Schriftführerin.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Heute vor fünf Jahren wurde die erste schwarz-blaue Regierung angelobt. Charak­teristisch für diese Regierung war und ist eine Politik, die die falschen Maßnahmen setzt – in der Wirtschaftspolitik ebenso wie in der Sozialpolitik, der Gesundheitspolitik, der Bildungspolitik oder der Sicherheitspolitik, um nur die wichtigsten zu nennen. Eben­falls charakteristisch für diese Regierung ist aber auch ihre innere Zerrissenheit, Uneinigkeit sowie ein Zick-Zack-Kurs in für Österreicherinnen und Österreicher zen­tralen Fragen. Eine Zerstrittenheit, an der bereits die erste Auflage von Schwarz-Blau zerbrach.

Jüngstes Beispiel für diesen koalitionsinternen Streit ist die interne Auseinander­setzung zwischen den Regierungsparteien über die künftige Sicherheitspolitik Öster­reichs. Eine Zerstrittenheit, die in Vorwürfen wie „Koalitionsbruch“, „Machtrausch“ und „Demütigung“ gipfelte. Nun sieht sich die Regierung offensichtlich gezwungen einen koalitionsinternen Sicherheits- bzw. Krisengipfel einzuberufen, um einer drohenden Eskalation in dieser Frage zu begegnen. Ein weiterer Beweis dafür, dass Wolfgang Schüssel, als Bundeskanzler zumindest theoretisch Koordinationsstelle der Regierung, die Fäden offensichtlich völlig entglitten sind. Er flüchtet einmal mehr in – in diesem Fall nicht einmal mehr beredtes, sondern vielmehr lustloses – Schweigen. Durch die­ses dilettantische Vorgehen wird die Umsetzung der Vorschläge der Bundesheer-Reformkommission, damit die Modernisierung und Weiterentwicklung des österreichi­schen Bundesheeres und letztlich die Zukunft der Landesverteidigung aufs Spiel gesetzt.

Unfreiwillig komisch wirkt in diesem Zusammenhang, wenn die ÖVP im Vorfeld der heutigen Sondersitzung davon spricht, dass diese Regierung umfassende Sicherheit in allen Lebensbereichen gewährleiste und Österreich auf die Überholspur gebracht habe. In Wahrheit hat es diese Regierung in allen Lebensbereichen „geschafft“, für mehr Unsicherheit zu sorgen. Beinahe zeitgleich mit den ÖVP-Behauptungen vermel­dete die Austria Presseagentur die höchste Zahl arbeitsloser Menschen in der 2. Re­publik – mehr als 364.000. Die Tatenlosigkeit der Regierung angesichts ständig stei­gender Arbeitslosenzahlen, das Chaos in der Gesundheitspolitik, die massiven Pen­sionskürzungen durch angebliche Reformen, die Konzeptlosigkeit und die Reform­blockade in der Bildungspolitik und die Zerstrittenheit in der Sicherheitspolitik sind wenig taugliche Mittel, der österreichischen Bevölkerung Sicherheit zu geben. Aus­schließlich mit sich selbst beschäftigt fehlt dieser Regierung Wille, Kraft und Energie, sich mit den drängenden Problemen Österreichs zu befassen.

Auf der „Überholspur“ befindet sich Österreich nach fünf Jahren Schwarz-Blau aller­dings tatsächlich: Bei der Arbeitslosigkeit, beim Anstieg der Schulden und des Bud­getdefizites und beim Anstieg der Inflationsrate. Bei den positiven Indikatoren – sei es die Steigerung der Realeinkommen, das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes oder die Entwicklung der öffentlichen Investitionen – wo sich Österreich bis Ende der 90er Jahre tatsächlich auf der Überholspur befand – wurde auf die Kriechspur gewechselt.

Insgesamt ist die Bilanz der Schüssel-Regierung daher nach fünf Jahren eine Bilanz des Versagens:

Chaotische Verteidigungspolitik

Eine neue Qualität der Koalitionskrise wurde mit der einseitigen ÖVP-Festlegung, den Wehrdienst auf sechs Monate zu verkürzen, erreicht.


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FPÖ-Generalsekretär Scheuch warf der ÖVP „Koalitionsbruch und Machtrausch“ vor. Der Kärntner Landeshauptmann sprach davon, dass Wolfgang Schüssel alles tun würde, um seinen Partner, die FPÖ, zu demütigen.

Durch die FPÖ wurde ein Stopp für die Bundesheer-Reform ausgerufen und darauf hingewiesen, dass alles für ein „Revanche-Foul von gleicher Qualität“ vorbereitet werde.

Die Grundlage einer verantwortungsvollen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sollten Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Kompetenz sein. Diese Basis fehlt der Regierung Schüssel zur Gänze. Der dramatische Koalitionszwist gefährdet die dringend not­wendige Reform des österreichischen Bundesheeres und damit die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher. Das einzige gemeinsame verteidigungspolitische Projekt der Regierung Schüssel ist daher die Beschaffung der unnötigen und sündteuren „Eurofighter“.

Die SPÖ, die schon im Jahr 2003 ein neues Wehrdienstmodell präsentiert hat, begrüßt das späte Einlenken der ÖVP auf die SPÖ-Linie, die Wehrdienstdauer zu verkürzen, und verlangt aber darüber hinaus deren klare gesetzliche Verankerung.

Völliges Versagen in der Sicherheitspolitik

Österreich war bis zum Jahr 2000 eines der sichersten Länder Europas, die Krimi­nalitätsraten waren gering, die Aufklärungsquoten hoch, die Exekutivbeamtinnen und –beamten motiviert, die Österreicherinnen und Österreicher fühlten sich in ihrem eigenen Land sicher.

Nur fünf Jahre später ist die jährliche Kriminalitätsrate von deutlich unter 500.000 angezeigten Delikten im Jahr 1999 auf 643.648 Delikte im Jahr 2004 angestiegen. Das ist eine Steigerung um mehr als 30 Prozent.

Einerseits war dafür die Kaputtsparpolitik im Bereich der inneren Sicherheit mit der Schließung von Gendarmerieposten und Wachzimmern verantwortlich, andererseits wurden aus rein parteipolitisch motivierter Willkür heraus erfolgreiche und angesehene Sicherheitsbeamte von ihren Posten vertrieben, versetzt oder in Pension geschickt. Dies nur um FPÖ-, aber insbesondere ÖVP-Parteigänger mit Posten zu versorgen.

Die Zerschlagung funktionierender Strukturen und Einrichtungen führte dazu, dass neben dem alarmierenden Anstieg der Kriminalitätsrate die Aufklärungsquote seit der Übernahme der Regierungsverantwortung von Bundeskanzler Schüssel von im inter­nationalen Vergleich hervorragenden 51,4 Prozent auf beschämende 38,1 Prozent ab­gesunken ist. Kombiniert man beide durch das Innenministerium erhobene Daten­sätze, wird die Bilanz der Regierung Schüssel im Bereich der inneren Sicherheit noch desaströser: Die Zahl der nicht aufgeklärten strafbaren Handlungen ist seit 1999 mit 239.718 Fällen auf 398.418 Fälle gestiegen. Dies entspricht einer Steigerung um zwei Drittel!

Es kann daher nicht mehr nur von einer Schwäche dieser Regierung im Bereich der inneren Sicherheit und des Grundbedürfnisses der Österreicherinnen und Österreicher auf ein sicheres und vor Kriminalität geschütztes Leben ausgegangen werden, es muss vielmehr von einem völligen Versagen gesprochen werden.

Als ob die Situation der inneren Sicherheit in Österreich nicht schon besorgniserregend genug wäre, hat der ausgeschiedene BM Strasser der Exekutive noch ein „Abschieds­geschenk“ mitgegeben: Durch die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei zu einem neuen Wachkörper verlieren alle Führungskräfte, die zu einem großen Anteil ihre Funktion schon seit Jahren erfolgreich und tadellos ausüben, ihren Posten. Alle müssen sich neu bewerben. Bundesweit sollen es laut Angaben des Innenministeriums


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5.300 Funktionen sein, die unter diese Neuausschreibung fallen. Die Folge ist, dass um eben diese Funktionen in tausenden Ausschreibungsverfahren gerangelt wird, die Exekutive mit sich selbst beschäftigt ist und für ihre eigentliche Aufgabe, für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu sorgen, keine Zeit übrig hat.

Es ist daher damit zu rechnen, dass diese desaströse Bilanz in dem so wichtigen politischen Bereich innere Sicherheit sich 2005 fortschreibt bzw. noch dramatischer entwickelt.

Zick-Zack-Kurs und Konzeptlosigkeit in der Wirtschaftspolitik

Unsicherheit und wenig Verlässlichkeit bringt auch die von Bundeskanzler Schüssel, Finanzminister Grasser und Wirtschaftsminister Bartenstein zu verantwortende Wirt­schafts-, Budget- und Finanzpolitik. Diese Politik ist geprägt von einem Zick-Zack-Kurs der Bundesregierung und regelmäßigen veritablen Umfallern des Finanzministers.

Jüngstes Beispiel: Die Besteuerung von Trinkgeld. Zuerst wird eine verschärfte Be­steuerung von der Regierung angekündigt, und werden entsprechende Gesetzes­entwürfe ausgearbeitet, um die Besteuerung dann – nach heftigen Protesten von Be­troffenen und der Opposition – ganz abzuschaffen.

Weitere Beispiele:

Das Nulldefizit und „keine neuen Schulden“ wurden zum alleinigen Ziel der Budget- und Finanzpolitik erhoben, um nur vier Jahre später Rekordschuldenstände und neue Rekorddefizite zu verzeichnen.

Von der SPÖ geforderte Maßnahmen zur Konjunkturbelebung wurden zunächst zwei Jahre lang abgelehnt, um dann halbherzig und zu spät doch noch von der ÖVP-FPÖ-Regierung gesetzt zu werden.

Eine Steuersenkung wurde im Jahr 2001 von Schüssel und Grasser für die „Zeit der Ernte“ im Jahr 2003 versprochen, dann im Jahr 2002 selbst um den Preis von Neuwahlen verschoben.

Eine Steueramnestie für Steuerhinterzieher in großem Stil wurde im Rahmen der Steuerreform 2005 angekündigt, dann verschämt abgesagt.

Im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2005 sollten Großbeschaffungen des Bundes, selbst in Größenordnungen des Ankaufs von Eurofightern, am Gesetzgeber vorbei durch schlichte Vorbelastung künftiger Budgets durch den Finanzminister ermöglicht werden. Nach Protesten der SPÖ wird auch dieses demokratiepolitisch bedenkliche Vorhaben der Bundesregierung wieder abgesagt.

Die VA-Tech wurde zunächst an Kovats verkauft. Nachdem dieser an Siemens weiterverkauft, soll der Rest der ÖIAG-Anteile ebenfalls an Siemens gehen. Das wird zunächst nach einigem Druck von außen von der Regierung selbst vereitelt, um dann ein paar Tage später dennoch stattzufinden.

Die Post sollte zunächst zur Gänze an die Deutsche Post verkauft werden, nunmehr soll aber ein Börsegang die optimale Lösung sein.

Die Telekom sollte zunächst zur Gänze an die Swisskom verkauft werden, es folgte nach einem Kommunikationsdebakel von Schüssel und Grasser ein Anteilsverkauf an der Börse, unklar ist bis heute, was mit dem Rest der rund 25% ÖIAG-Anteile an der Telekom geschehen soll.

Der SPÖ-Vorschlag zur Gründung einer Infrastrukturholding des Bundes wurde jahre­lang abgelehnt, um nun vor einigen Tagen als Grasser-Vorschlag auf den Tisch zu


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kommen. Dabei ist das weitere Schicksal dieses Vorschlags angesichts der jüngsten Äußerungen anderer Regierungsmitglieder mehr als ungewiss.

Die österreichische Stromliberalisierung sollte Strom- und Energiepreissenkungen bringen, am Ende stehen für die Konsumenten allerdings erhebliche Teuerungen.

Die Versorgungssicherheit und Verbesserung der Infrastruktur im Bereich der Strom­versorgung wurde seit Jahren versprochen. Bis heute konnte Bartenstein gemeinsam mit den betroffenen Bundesländern keine Lösung finden.

Die Versorgungssicherheit mit flächendeckenden Postdienstleistungen wurde ver­sprochen, am Ende steht die Schließung von weiteren 350 Postämtern.

Das Ergebnis dieser Plan- und Ziellosigkeit, der Unsicherheit, der mangelnden Be­rechenbarkeit und Verlässlichkeit der österreichischen Wirtschafts- und Finanzpolitik in den letzten fünf Jahren ist an den wichtigsten wirtschaftlichen Kennzahlen Österreichs abzulesen. Die Entwicklung von Wachstum, Beschäftigung und Staatsfinanzen ist besorgniserregend:

50.000 Arbeitslose im Jahr 2004 mehr als im Jahr 2000. Österreichs Wirtschaft wächst seit dem Jahr 2000 nur unter dem EU-Schnitt, 2001 lag Österreich am 14. Platz, 2002 und 2003 am 9. Platz, 2004 am 12. Platz – nach dem überdurchschnittlich guten 6. Platz im EU-15-Vergleich in den Jahren 1990 bis 2000. Österreich ist EU-Schluss­licht bei den öffentlichen Investitionen. Die Realeinkommen stagnieren seit 2000. Seit 1999 stiegen die Schulden des Bundes um mehr als 18 Milliarden Euro oder um mehr als 15 Prozent. Das Defizit des Bundes steigt von 1,6 Prozent des BIP im Jahr 2000 auf 2,3 Prozent des BIP im Jahr 2005. Und das, obwohl die öffentlichen Abgaben des Bundes, insbesondere die Lohnsteuereinnahmen stark gestiegen sind.

Höchste Arbeitslosenzahl in der zweiten Republik

Am österreichischen Arbeitsmarkt ist weiterhin keine Entspannung in Sicht. Im Ge­genteil: Die Zahl der Arbeitslosen ist im Jänner 2005 weiter gestiegen. Mit 316.017 Arbeitslosen wurde bei den absoluten Zahlen der höchste Wert der Zweiten Republik registriert. Im Jahresvergleich stieg die Arbeitslosigkeit im Jänner um 1,1 Prozent oder um 3.569 Betroffene, gegenüber Dezember nahm die Zahl der Arbeitssuchenden um 17.868 Personen oder um 6,0 Prozent zu. Dazu kommen 48.065 Personen in Schu­lungen, das sind um 8.730 bzw. 22,2 Prozent mehr als im Vorjahr.

Insgesamt suchen somit 364.082 Personen in Österreich Arbeit!

Im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit ist die Situation dramatisch: Im Jänner 2000 waren 39.257 Jugendliche ohne Job, im Jänner 2005 waren es um 9.583 oder 24,5 Prozent (!) mehr (ohne Personen in Schulungen).

Auch die Frauenarbeitslosigkeit steigt bedrohlich an. Die aktuellen Arbeitsmarktdaten bestätigen den Trend, der sich bereits in den letzten Monaten abgezeichnet hat: Frauen zählen zu den ganz großen Verliererinnen der Schüssel-Regierung. Die Frauenarbeitslosigkeit stieg in den letzten 5 Jahren um fast 17.000. Besonders dra­matisch war der Anstieg im Jahr 2004. Im Jahresdurchschnitt stieg die Frauen­arbeitslosigkeit achtmal so stark wie die Männerarbeitslosigkeit.

Diese Daten bestätigen die jahrelange Kritik der SPÖ an der Regierungspolitik sowie die dringlichen Ermahnungen der EU-Kommission. Wachsende Einkommens­unter­schiede zwischen Männern und Frauen, mangelnder Ausbau an Kinderbetreuungs­plätzen sowie eine allgemeine Untätigkeit der österreichischen Regierung bei den EU-Bemühungen, die Frauenbeschäftigungsquote zu erhöhen, wurden schon mehrmals von der EU-Kommission kritisiert. Bereits jetzt weist Österreich die höchsten Lohn­unterschiede zwischen Männern und Frauen auf; vom Lissabon-Ziel, dass 33 Prozent


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der Kinder unter drei Jahren bis 2010 außerhalb der Familie betreut werden können, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen, ist Österreich Lichtjahre entfernt. Und von der OECD wird das schwarz-blaue Kindergeld-Modell aufgrund des mangelhaften Kündigungsschutzes als beschäftigungsfeindlich einge­stuft. Die Politik der Schüssel-Regierung führt dazu, dass Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängt werden.

Chaotische Pensionspolitik

Die Pensionspolitik der Schüssel-Regierung ist durch klare Klientelpolitik gekenn­zeichnet.

Vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben die Zeche zu bezahlen. Durch die Änderungen im Pensionsrecht im Jahr 2000 mussten sie Verluste von bis zu 10,5 Prozent durch die überfallsartige Anhebung des Frühpensionsalters um 18 Mo­nate und höhere Abschläge hinnehmen.

Das nächste Kürzungsgesetz ließ nicht lange auf sich warten. Durch die Pen­sionsreform 2003 wurde die lebenslange Durchrechung eingeführt. Diese führt durch unzureichende Anrechung früherer Beitragsjahre zu massiven Verlusten. Außerdem musste der Entfall der ersten Pensionsanpassung nach dem Pensionsantritt hinge­nommen werden, was zu einem weiteren lebenslangen Verlust von rund 2 Prozent führt.

Schließlich kam das Pensionsharmonisierungsgesetz 2004. Dieses brachte eine Schein­harmonisierung der verschiedenen Systeme nur für unter 50-Jährige. Son­derregelungen für Politiker, Beamte, Selbstständige und Bauern wurden einzementiert bzw. für Jahrzehnte fortgeschrieben. Verluste der Pensionskürzungsreform 2003 wur­den durch neue Abschläge, die nicht vom Verlust-Deckel erfasst sind, auf 20 Prozent und mehr aufgedoppelt. Jungen Menschen drohen Verluste bis zu 35 Prozent. Und die sooft versprochene Schwerarbeiterregelung ist immer noch ausständig!

Dazu kommt, dass seit dem Antritt der Schüssel-Regierung bestehende Pensionen fünf mal unter der Inflationsrate (des Vorjahres) angepasst worden sind. Dies bedeutet, dass die Einkommen der älteren ÖsterreicherInnen Jahr für Jahr real gekürzt wurden.

Chaos in der Gesundheitspolitik

Schon seit Februar 2000 versucht die ÖVP/FPÖ-Regierung das österreichische Ge­sundheitswesen nachhaltig zu verändern. In besonderer Erinnerung ist das Chaos sowohl um die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Ambulanzgebühr, als auch die verfassungswidrige Besteuerung der Unfallrenten.

Im März 2003 schrieben ÖVP und FPÖ in ihr Regierungsprogramm: „Große Fort­schritte bei der e – Card“.

Bis heute konnte im Bereich der e - Card nur ein nicht repräsentativer Probebetrieb umgesetzt werden. Die endlose Geschichte der Gesundheits-Chip-Karte ist ein ein­ziges Chaos. Jahrelanges Hin und Her mit bereits erfolgter Ausschreibung, Auftrags­vergabe und Entzug des Auftrages. Einzig die fragwürdige e - Cardgebühr wurde von ÖVP und FPÖ bereits im November 2001 beschlossen.

Am 10. Oktober 2003 wurde die Hauptverbandsreform vom Verfassungsgerichtshof praktisch komplett aufgehoben. Der Verwaltungsrat, die Geschäftsführung und der Ausschluss von Funktionären waren verfassungswidrig.

Die nunmehrige Veränderung des Hauptverbandes bedeutet, dass die Vertreter der 250.000 Dienstgeber einseitig per Verordnung über die Selbstbehalte von rund


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5.000.000 ASVG-Versicherten bestimmen können. Diese Regelung ist in höchstem Maße unfair und demokratiepolitisch bedenklich.

Im Jahr 2004 wurde unter anderem die „Schüssel-Gesundheitsreform“ durchgezogen. Das bedeutet weitere Selbstbehalte bei Spitalsaufenthalten, massive Belastungen beim Kauf von Brillen, Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages und Chaos in den Arztpraxen.

Heute ist klar, dass das Defizit der Kassen explodieren wird. Für die Jahre 2004 – 2006 wird ein kumulierter Abgang von 1.3 Milliarden Euro erwartet. Und das, obwohl die Beiträge von Angestellten und Pensionisten erhöht und die Freizeitversicherungssteuer für alle eingeführt wurde.

Es wurde keine einzige positive Strukturmaßnahme im Gesundheitsbereich umgesetzt. Im Gegenteil, es herrscht völlige Irritation im Gesundheitswesen.

Chaotische Bildungspolitik

Auch in der Bildungspolitik herrscht seit Antritt der ÖVP/FPÖ - Bundesregierung das Chaos:

Die Schulen wurden finanziell ausgehöhlt, es gibt weniger LehrerInnen und weniger Unterrichtsangebote durch Stundenkürzungen für die SchülerInnen, die Eltern müssen immer mehr Geld für teure, private Nachhilfestunden aufwenden.

Die zahlreichen massiven Proteste von SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen, die auf diese Mängel aufmerksam machten, wurden einfach ignoriert und keinerlei bildungs­politische Initiativen ergriffen.

Mit dem Vorliegen der jüngsten PISA-Studie, die der österreichischen Bildungspolitik im internationalen Vergleich ein außerordentlich schlechtes Zeugnis ausstellt, wurde die Bildungsmisere offensichtlich. Statt ein umfassendes Reformkonzept zur Lösung der Probleme vorzulegen, fuhr die Bundesregierung einen Zick-Zack-Kurs, verstrickte sich in total widersprüchliche Aussagen, wie etwa zur Frage der Ganztagsschule, der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen oder zur kompletten Abschaffung der 2/3-Mehrheit für alle Schulgesetze. Eine klare Linie der Bundesregierung ist nicht erkennbar.

Für die StudentInnen wurden Studiengebühren eingeführt und die Universitäten in die Autonomie, ohne ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung, entlassen.

Die schwarz-blaue Koalition setzt mit ihrer chaotischen Bildungspolitik die Zukunft der jungen Menschen aufs Spiel, die Chancengerechtigkeit bleibt auf der Strecke.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage:

1. Gemäß dem Wehrgesetz trägt die Bundesregierung in grundsätzlichen militärischen Angelegenheiten die Gesamtverantwortung.

Wann werden Sie dem Nationalrat die Gesamtreform des Österreichischen Bundes­heeres vorlegen und welche Schwerpunkte wird diese Reform beinhalten?

2. Von welchen Gesamtkosten geht die Bundesregierung nach heutigem Stand für die Beschaffung und Finanzierung der Eurofighter, die damit verbundenen Umbauten der Infrastruktur und Betriebskosten samt den Kosten für die notwendig gewordene Zwi­schenlösung bis 2017 aus?

3. Die Kriminalitätsrate ist in den letzten 5 Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist die Aufklärungsquote im selben Zeitraum von im internationalen Ver-


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gleich hervorragenden 51,4 Prozent auf beschämende 38,1 Prozent abgesunken. Warum hat die Bundesregierung in den letzten 5 Jahren nichts unternommen, um diesen desaströsen Trend in der österreichischen Sicherheitspolitik zu stoppen?

4. Warum hat die Bundesregierung mit ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht ver­hindert, dass die Zahl der Arbeitslosen in Österreich um 50.000 in den letzten 4 Jahren gestiegen ist, die Schulden des Bundes um 15 Prozent seit 2000 gestiegen sind, die Defizite des Bundeshaushalts seit 2001 enorm steigen, Österreich bei den Inves­titionen Schlusslicht in Europa ist, die Realeinkommen stagnieren und Österreich beim Wirtschaftswachstum weit hinter den EU-Durchschnitt zurückgefallen ist?

5. Im EU Durchschnitt (EU-15) werden 0,18 Prozent des BIP pro Prozentpunkt der Arbeitslosenrate für aktive Arbeitsmarktpolitik aufgewendet. In Österreich beträgt der Aufwand 0,15 Prozent.

Warum hat die Bundesregierung in den letzten 5 Jahren bei den Aufwendungen für aktive Arbeitsmarktpolitik nicht zumindest das EU-Niveau vorgesehen?

6. Seit vier Jahren werden die Einkommen der PensionistInnen real abgewertet. Die Arbeiterkammer hat errechnet, dass dadurch in 20 Jahren die bestehenden Pensionen 48,6 Prozent ihres Wertes verlieren, also halbiert werden!

Warum hat die Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren der älteren Ge­neration nicht einmal die Abgeltung der Teuerung zukommen lassen und werden Sie eine Wertsicherung aller Pensionen zumindest ab dem Jahr 2006 sicherstellen?

7. Insgesamt fallen derzeit 1,044.000 Personen in Österreich unter die Armuts­gefähr­dungsschwelle von 60 Prozent des Medianeinkommens. Das sind 13,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Ihr verfügbares Einkommen liegt im Durchschnitt um fast ein Fünftel unter der Armutsgefährdungsschwelle.

Wird die Bundesregierung auf Grund dieser alarmierenden Zahlen endlich Maßnahmen ergreifen, um die Armutsgefährdung in Österreich zurückzudrängen und welche wer­den dies sein?

8. Ist die Bundesregierung bereit, einen sofortigen Stopp für zusätzliche Selbstbehalte im Gesundheitswesen zu verfügen und eine sozial gerechte Neuordnung der Selbst­behalte vorzunehmen?

9. Die PISA-Studie hat der österreichischen Bildungspolitik ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.

Warum hat die Bundesregierung kein umfassendes Schulreformkonzept vorgelegt? Wird die Bundesregierung dem Nationalrat eine Regierungsvorlage übermitteln, mit welcher auf die 2/3-Mehrheit für alle Schulgesetze verzichtet wird, wie es die SPÖ vorgeschlagen hat?

10. An den Universitäten herrschen katastrophale Zustände.

Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, den Universitäten die dringendst not­wendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen?

In formeller Hinsicht wird gemäß § 93 Abs. 1 GOG verlangt, diese Anfrage dringlich zu behandeln.

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor ich dem Antragsteller, Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer, das Wort erteile, gebe ich noch bekannt, dass in der Präsidial­kon-


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ferenz für die Zeit von 14.03 Uhr bis 16.45 Uhr, die vom ORF übertragen wird, fol­gende Redeordnung festgelegt wurde:

Anfragesteller für die Begründung der Dringlichen Anfrage 20 Minuten, das befragte Regierungsmitglied, also der Herr Bundeskanzler, ebenfalls 20 Minuten, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 10 Minuten, sodann eine Wortmeldung eines weiteren Regierungsmitgliedes mit 8 Minuten, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, in weiterer Folge eine Wortmeldung eines weiteren Regie­rungsmitgliedes mit 8 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minu­ten und eine weitere Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.

Vor Beginn der vorletzten Runde wird die allenfalls verbleibende Redezeit auf die vier Fraktionen in der Weise verteilt, dass alle Fraktionen gleichmäßig zu Wort kommen. Tatsächliche Berichtigungen gelangen erst nach Beendigung der Fernsehübertragung zum Aufruf. Es werden keine Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vorge­nom­men.

Über diese Redeordnung entscheidet das Hohe Haus.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so beschlossen.

*****

Herr Abgeordneter Haupt, wir telefonieren hier nicht im Plenum! Diesmal haben Sie noch eine Gnadenfrist, das nächste Mal gibt es einen Ordnungsruf!

Ich erteile nunmehr Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

 


14.05.31

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie zu dem vom Herrn Bundeskanzler so deklarierten „Jubelfest“ am heutigen Tag. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Er hat ja die heutige Sondersitzung des Nationalrates zu einem Jubelfest erklärt. Aber die Frage, die sich stellt, ist: Wer kann denn in Österreich heute jubeln? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Können die österreichischen Pensionisten, deren durchschnittliche Pension auf 804 € pro Monat gesunken ist, heute jubeln? Können die arbeitenden Menschen, Arbeiter, Angestellte und Beamte, die heute unter einer höheren Steuer- und Abgabenlast zu leiden haben, jubeln? Können die 364 000 Menschen, die heute Arbeit suchen, weil sie eben keine Arbeit haben, jubeln? Können die 56 000 Jugendlichen, die keine Arbeit finden, heute jubeln? Können die Schüler und Studenten heute jubeln, die unter dem Bildungsabbau dieser Regierung zu leiden haben? (Rufe bei der SPÖ: Nein!) Können die Kranken und Patienten jubeln, die über vermehrte Selbstbehalte im Gesund­heitssystem zu klagen haben? (Rufe bei der SPÖ: Nein! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ist das eine Fragestunde?) Können, meine sehr verehrten Damen und Herren, die über eine Million Menschen jubeln, die durch Armut gefährdet sind? (Rufe bei der SPÖ: Nein!) Können die über 300 000 Menschen jubeln, die in akuter Armut leben?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bilanz ist für viele Menschen in Österreich kein Anlass zum Jubel. Ganz im Gegenteil: Diese Bilanz ist ein Ausdruck des Versagens Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Und gerade an jenem Tag, an dem festgestellt wurde, dass Österreich eine Rekord­arbeitslosigkeit und nun seit Jahren steigende Zahlen von Arbeitslosen zu verzeichnen hat, an dem Tag, an dem im Sozialbericht festgestellt wurde, dass die Armut in Öster­reich weiter angestiegen ist, an einem solchen Tag, Herr Bundeskanzler, fällt Ihnen nichts anderes ein als zu sagen, das sei ein Jubelfest?

Meine Damen und Herren! Das ist nicht nur Ausdruck des Scheiterns Ihrer Politik, sondern das ist soziale Kälte und Zynismus gegenüber den betroffenen Menschen in Österreich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Am Beginn Ihrer Belastungspolitik haben Sie immer gesagt, Sie hätten Verständnis dafür, dass die Menschen viele Belastungen nicht wollen, aber das diene ja höheren Zielen, denn Österreich habe einige ganz große Aufgaben zu erledigen, und da müsse man einfach durch, auch wenn es Härten gebe. – Daher stellt sich die Frage: Steht Österreich nun besser da nach den fünf Jahren Ihrer Politik? (Abg. Mag. Molterer: Ja!)

Meine Damen und Herren! Glauben Sie wirklich, dass Österreich besser dasteht, wenn wir im Jahr 2005 ein Rekordbudgetdefizit und die höchste Staatsverschuldung aller Zeiten haben? (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Glauben Sie wirklich, dass Öster­reich besser dasteht, wenn Gesetze vom Verfassungsgerichtshof zuhauf aufgehoben werden, weil sie verfassungswidrig sind? Glauben Sie wirklich, Österreich steht besser da, wenn Sie Demokratieabbau betreiben wie beim Hochschülerschaftsgesetz oder bei den Veränderungen im Hauptverband?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl die Menschen viele Härten in Kauf nehmen mussten, steht Österreich im Jahr 2005 leider nicht besser da. Das ist die Bilanz des Scheiterns Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Sie haben natürlich auch eine gewisse Flexibilität im Scheitern bewiesen. Ich erinnere nur daran: Die Unfallrentenbesteuerung wurde eingeführt, dann wieder abgeschafft. Die Ambulanzgebühren wurden eingeführt, dann wieder abgeschafft. Die Studien­gebühren wurden zuerst von Frau Bundesministerin Gehrer abgelehnt, dann einge­führt. Die Trinkgeldbesteuerung wurde zuerst angekündigt, dann nicht durchgeführt. Die Turbulenzen bei der Chefarztpflicht in den letzten Monaten zeigen das ihrige.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben in vielen Bereichen nicht nur bewiesen, dass Sie nicht das Richtige für Österreich tun, sondern das, was Sie getan haben, war oft so dilettantisch, dass es nicht einmal den Weg vor den Verfassungs­gerichtshof ausgehalten hat. Das, meine Damen und Herren von den Regierungs­fraktionen, hat wenig mit Professionalität zu tun, sondern das hat eher mit Husch-Pfusch-Politik zu tun, die Ihre Regierungszeit in den letzten fünf Jahren gekenn­zeichnet hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei stellt sich die Frage: Wäre es besser gegangen? – Das ist ja eine berechtigte Frage, die nicht nur Sie stellen können, sondern die auch die österreichische Bevöl­kerung stellt. Wäre es nicht besser gewesen, früher eine echte Steuerreform zu machen, die den Mittelstand und die kleineren Einkommen entlastet? (Abg. Mag. Mol­terer: Das hat die SPÖ abgelehnt!) Wäre es nicht besser gewesen, statt phanta­sielosem Zuschauen beim Steigen der Arbeitslosigkeit eine Reform der Arbeitsmarkt­politik zu machen? Wäre es nicht besser gewesen, statt diesem verbockten Uni-Gesetz eine wirkliche Reform des Bildungswesens durchzuführen? Wäre es nicht besser gewesen, statt ungerechter Selbstbehalte für eine gerechte Gesundheitsfinanzierung zu sorgen? (Abg. Ellmauer: Das waren Ihre Sozialminister! Erinnern Sie sich!)

Wäre es nicht besser gewesen, in die Wirtschaft und in die Infrastruktur zu investieren, statt den täglichen Ausverkauf unserer Wirtschaft zu organisieren? (Abg. Großruck: Der Wahrheit die Ehre geben!) Wäre es nicht besser gewesen, statt unsozialer


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Pensionskürzungen eine wirkliche Pensionsreform für ein einheitliches Pensions­sys­tem für alle Österreicherinnen und Österreicher durchzuführen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat zu jedem Zeitpunkt bessere Alter­nativen zu Ihrer Politik gegeben; Sie haben sich leider für den unsozialen und falschen Weg entschieden. Das ist Ihre Bilanz! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann ja viel über Instrumente streiten und darüber, welche Mittel man in der Politik ergreift, um Ziele zu erreichen. Aber letztendlich muss sich doch jede Regierung daran messen lassen, welches Ergebnis vorliegt. Wenn wir heute den Bereich der Sicherheit ansprechen, meine Damen und Herren, so zeigt sich: Ganz gleich, was Sie im Bereich der inneren Sicherheit gemacht haben (Abg. Murauer: Österreich ist das sicherste Land!), ein Ausweis für gute Sicherheitspolitik ist es nicht, wenn die Zahl der Delikte (Abg. Ellmauer: Österreich ist weltweit Nummer eins!), sprich die Kriminalität, in Österreich bereits 650 000 und die Zahl der unaufgeklärten Straftaten inzwischen 400 000 erreicht hat. (Abg. Großruck: Österreich ist das sicherste Land der Erde!) – Sie haben Recht, Österreich ist ein sicheres Land, aber Sie sind auf dem besten Weg dazu, die Sicherheit unseres Landes zu gefährden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben bei all dem, was Sie vermurkst haben, auch einige positive Schritte gesetzt. (Ah-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ein vernünftiger Schritt war zum Beispiel, die Frage der Heeresreform auf eine breite Grundlage zu stellen und zu sagen: Es soll unter Einbindung aller Parteien und aller Interessierten eine Reform des österreichischen Bundesheeres durchgeführt werden. Ich finde, Helmut Zilk als Vorsitzender dieser Kommission hat mit all jenen, die mitgearbeitet haben, ein hervorragendes Konzept präsentiert.

Aber, meine Damen und Herren, was machen Sie mit diesem Konzept? Was machen Sie damit? (Abg. Mag. Regler: Umsetzen!) Sie legen dem Parlament nicht ein Gesetz zur Umsetzung dieser Heeresreform vor. Nein, ganz im Gegenteil! Sie sind in Ihrer eigenen Regierung uneinig darüber, ob das überhaupt geschehen soll. Es werden dann Freundlichkeiten unter den Koalitionspartnern ausgerichtet, wo die einen von Koalitionsbruch, die anderen von Machtrausch reden. Es wird von Demütigung gesprochen, es wird von Fouls und angekündigten Revanchefouls gesprochen. Meine Damen und Herren, das ist der Zustand der Beziehungslage zwischen den beiden Regierungspartnern?!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ist doch der Wurm drinnen in dieser Regierung (Abg. Neudeck: Die Wurm!), wenn sie nicht einmal imstande ist, eine völlig fertig ausverhandelte Heeresreform, die von Experten erarbeitet wurde, hier zur Beschlussfassung ins Parlament zu bringen, sondern Sie sich nur in wechselseitigen Beschimpfungen ergehen. Das ist doch nicht das, was die Österreicherinnen und Österreicher von einer Bundesregierung erwarten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es stellt sich natürlich die Herausforderung, mit welchen Persönlichkeiten in dieser Re­gierung heute eine zukunftsorientierte Politik gemacht werden soll, wenn wir es mit einem Finanzminister zu tun haben, der zwar nicht daran denkt, alle seine persönlichen Einkommen zu versteuern, aber jeden Tag eine neue Idee hat, wie er den Steuer­zahlern besser das Geld aus der Tasche ziehen kann. Sie haben einen Arbeitsminister in der Regierung (Ruf bei der ÖVP: Ein guter Mann!), der zwar Experte in persönlichen Schuhrabatten ist, aber bisher keine einzige Idee entwickelt hat, wie man die steigende Arbeitslosigkeit bekämpfen kann. Sie haben eine Bildungsministerin, die seit bereits fast zehn Jahren ressortzuständig ist, die zwar selbst Schwierigkeiten bei der Lösung der PISA-Aufgaben hat, wie sie dem Parlament erzählt hat, aber zu keiner ent-


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schlossenen Bildungsreform bereit ist. Und Sie haben einen Verkehrsminister mit dem dazugehörigen Staatssekretär, die zwar kräftig darangehen, Eisenbahner hinauszu­schmeißen und von den Autofahrern über eine PKW-Maut mehr Geld abzukassieren, die aber nicht einmal imstande sind, ein einziges Infrastrukturprojekt wie den Sem­mering-Basistunnel zu verwirklichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit solchen Leuten in der Regierung sind die Aufgaben der Zukunft nicht zu lösen und ist im Übrigen auch kein Staat zu machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind nicht einfach zu bewältigen. Jeder, der behauptet, das wäre ein Spaziergang in die Zukunft, versucht, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Aber angesichts dieser Herausforderungen, angesichts der Ängste, die die Menschen in Bezug auf die ungezügelte Globalisierung haben, an­gesichts der wirklich traurigen Botschaften, die uns die PISA-Studie zum Zustand unseres Bildungssystems vermittelt hat, angesichts des Zurückliegens in Bereichen der Wissenschaft und Forschung, angesichts der ungeklärten Situation der Gesund­heits­finanzierung, angesichts solcher Herausforderungen braucht man Vorstellungen, wie man das lösen kann, und auch den notwendigen Mut und die Entschlossenheit, solche Reformen durchzusetzen. (Abg. Mag. Molterer: Genau das fehlt der SPÖ!)

Ich nenne Ihnen gleich ein Beispiel, Herr Molterer, wenn Sie hier einen Ihrer vielen unqualifizierten Zwischenrufe machen. (Zwischenruf bei der ÖVP. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Nehmen wir das Beispiel der Bildung! Es ist ganz einfach. Die Bildungspolitik der österreichischen Bundesregierung besteht aus drei Grund­sät­zen: Schulen zusperren, Stundenkürzungen, Bildung abbauen. Das ist Ihr Konzept zur Bildungspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Dem gegenüber stehen die Vorschläge vieler Bildungsexperten der Sozialdemokraten, der Grünen und auch der von Ihnen selbst eingesetzten Zukunftskommission, die sagen, wir brauchen die Vorschule, wir brauchen individuelle Begabungsförderung, wir brauchen die Ganztagsschule, wir brauchen die Gesamtschule, wir brauchen eine Reform der Lehrerausbildung, und wir brauchen vor allem mehr Investitionen in die Bildung und nicht weniger.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wo ist Ihre Freude und Ihre Lust an einer Reform? – Wir sind bereit zu sagen, schaffen wir die Zweidrittelmehrheit für Bildungs­fragen ab, sodass jede Parlamentsmehrheit die Möglichkeit hat, ihre Vorstellungen durch­zusetzen. Aber Ihr Problem ist, Sie haben keine Vorstellungen, daher wollen Sie auch nicht die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit. (Abg. Dr. Stummvoll: Das sagen gerade Sie!) In Wirklichkeit betreiben Sie die Veränderung des Schulsystems nur mittels Kürzung von Mitteln und nicht mittels einer offensiven Reform. Diese wäre aber dringend geboten, wenn wir die Chancen der Kinder und Jugendlichen in unserem Land vermehren wollen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was sich bei diesen großen Herausforderungen zeigt, ist, dass Sie immer lustloser und müder an die Aufgaben herangehen. Sie wollen sich offensichtlich bis zur bevor­stehenden Nationalratswahl (Abg. Großruck: Das hat Kalina aufgeschrieben!) mit Insze­nierungen und selbst gestalteten Jubelfeierlichkeiten dahinschleppen, dann bei der Wahl wieder das Blaue vom Himmel herunter versprechen und nach den Wahlen die bitteren Wahrheiten präsentieren. Und einige dieser Ankündigungen kennen wir ja bereits heute, meine Damen und Herren!

Wenn im Jahr 2005 ein Rekorddefizit vorliegt und der Finanzminister gleichzeitig sagt, er wolle im Jahr 2008 ein Nulldefizit haben, dann bedeutet das nichts anderes als ein Sparpaket nach der Wahl. Wenn Frau Rauch-Kallat sagt, es gebe keine Erhöhung oder


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keine neuen Selbstbehalte bis zur Wahl, dann heißt das nichts anderes als neue Belastungen für Kranke und Patienten nach der Wahl. (Ruf bei der ÖVP: Wir sind ja nicht die SPÖ!) Und wenn man hört, was gestern Herr Verkehrsstaatssekretär Kukacka zur Einführung der Pkw-Maut gesagt hat, dann heißt das nichts anderes als ein neues Abkassieren bei den Autofahrern nach der Wahl.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Österreich hat sich Besseres verdient, als Sie in den letzten fünf Jahren geboten haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Sie haben bei der letzten Wahl die Mehrheit gehabt, Sie haben Ihre Chance gehabt, aber Sie haben Ihre Chance nicht genützt. Daher wird Ihnen die österreichische Bevöl­kerung bei der nächsten Wahl einen Strich durch Ihre Rechnung machen, denn Österreich und seine Bevölkerung verdienen sich Besseres, als Sie geboten haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Seine Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


14.24.20

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Gusenbauer! Ich freue mich jedes Mal auf eine intellektuelle und sachliche Auseinandersetzung hier im Parlament, denn das ist der Ort, an dem wir die Dinge austragen. Die Öffentlichkeit, die jetzt zusieht, hat damit die Möglichkeit, sehr genau zu überprüfen, welche Sicht der Dinge tatsächlich stimmt.

Sie haben natürlich die kritischen Punkte am Rednerpult vorgebracht. Sie erlauben, dass ich einiges davon zurechtrücke und unsere Sicht der Dinge (Abg. Dr. Jarolim: Aber bitte um Ehrlichkeit!) – selbstverständlich sachlich, objektiv und transparent, wie wir es immer machen, meine Damen und Herren – darstelle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zunächst ist es wichtig, dass man nicht selbst Weihrauchkörner streut, denn das könnte missverstanden werden. Ich habe daher einen ganz unverdächtigen Zeugen ausgesucht, die „Neue Zürcher Zeitung“, die am Samstag in einer beeindruckenden Analyse Österreich wörtlich als Erfolgsmodell bezeichnet hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Land gehört heute zu den reichsten Ländern der Welt, die Arbeitslosigkeit ist mit 4,5 Prozent vergleichsweise gering, am Wohlstand hat die gesamte Bevölkerung teil. Österreich ist zudem ein demokratischer Rechtsstaat mit soliden Institutionen, der auf einer stabilen Bürgergesellschaft abgestützt ist, und diese Gesellschaft zeigt sich auch immer wieder offen und modern, sie ist bereit für Neues. (Einige SPÖ-Abgeordnete halten Tafeln mit folgender Aufschrift in die Höhe: „Rekord-Arbeitslosigkeit“, „Schwarz-Blau am Ende“, „Österreich verdient Besseres“.)

Ich danke allen Österreichern, dass sie an diesem Erfolgsmodell seit Jahren und Jahrzehnten, aber auch jetzt mitwirken, mitarbeiten und offen für Reformen sind, um das zu bewahren, was uns allen wichtig ist: Österreich als soziales und wirtschaftlich leistungsstarkes Erfolgsmodell. – Danke, „Neue Zürcher Zeitung“. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Heute erschien unter dem Titel „Wiener Wendejahre“ in der großen, angesehenen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine Analyse über Österreich und auch über das Verhältnis zu Deutschland, über die Bewertung der beiden Länder. Abgesehen davon, steht darin – darüber muss ich ein bisschen schmunzeln –, dass das Verhältnis


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zwischen Berlin und Wien, insbesondere der beiden Bundeskanzler Schröder und Schüssel, heute besser ist als jenes zwischen Ihnen, Dr. Gusenbauer, und dem da­maligen Wahlhelfer und SPD-Vorsitzenden Schröder; aber okay, das ist nicht der Punkt. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

„In keinem Mitgliedsland der EU ist der Anteil von Frauen an der Regierung höher als in den Kabinetten Schüssels ... Mit Ausnahme vielleicht der Ära des sozialdemo­kra­tischen Kanzlers Kreisky sind in Österreich selten mit solchem Elan Reformen an Haupt und Gliedern in Angriff genommen worden.“ (Zwischenruf der Abg. Bures.)

Die Koalition hat auch Mut zu Unpopulärem gehabt: „Sie beendete das Frühpen­sions(un)wesen. Sie wagte sich an die Reform des Rentensystems ... Und sie wider­stand politischen Streiks ...

Die Steuerreform, deren zweiter Teil zu Jahresbeginn Wirksamkeit erlangte, dürfte Österreich noch einmal erheblich voranbringen“ und „die Regierung dem Ziel näher bringen, die Abgabenquote unter 40 Prozent zu drücken.

Im Vergleich zur zwölf Jahre regierenden großen Koalition ... hat Schwarz-Blau sowohl die Forschungsförderung im allgemeinen erhöht als auch den staatlichen Anteil an der Forschungs- und Entwicklungsquote gesteigert.“

Lieber Dr. Gusenbauer! Das ist auch unser Land, über das hier so geschrieben wird in angesehenen internationalen Zeitungen. Und dieses Land lieben wir, und dieses Land lasse ich mir nicht schlecht reden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun ganz objektiv zur Faktenlage, damit es auch die Zuseher genau analysieren können. Ja, wir haben heute mehr Arbeitslose als vor fünf Jahren. Wir haben viel zu viel Arbeitslose, es sind über 300 000, die Arbeit suchen, und nicht 364 000, wie Sie behaupten. Wir haben 50 000 vor allem junge und in kritischen Bereichen befindliche Menschen in Schulung, damit wir sie höher qualifizieren. Nennen Sie also nicht be­wusst andere Zahlen als jene, die üblich sind.

Wir betreiben aktive Arbeitsmarktpolitik, damit wir die Menschen ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) – Ihr Gelächter soll Ihnen in der Kehle stecken bleiben! Wir geben mehr als doppelt so viel Geld für aktive Arbeitsmarktförderung aus als zu Zeiten sozialis­tischer Arbeitsminister, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben gefragt, Herr Abgeordneter und Oppositionsführer Gusenbauer: Wie steht das Land da? Stehen wir heute besser da als vor fünf Jahren? – Ein kleiner Vergleich: Die Einkommen, die Bruttolöhne sind in diesen fünf Jahren um 2 500 € pro Jahr für jeden Arbeitnehmer gestiegen. 2 500 € in diesen fünf Jahren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) In der SPÖ-geführten Zeit, also unter sozialistischen Bundeskanzlern, Finanz­ministern, Sozialministern, ist das Einkommen in fünf Jahren um 1 100 € gestiegen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist Unsinn!) Das heißt: fünf Jahre SPÖ-Leistungsbilanz plus 1 100 € und in unserer Zeit plus 2 500 €. Meine Damen und Herren, der Vergleich macht wirklich sicher und beruhigt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Ihrer Bilanz, lieber Oppositionsführer, fehlt völlig, dass die Spareinlagen in diesen fünf Jahren um 60 Milliarden gestiegen sind. Wir haben heute 100 000 Wohnungen mehr als im Jahr 1999, 200 000 Fahrzeuge mehr (Zwischenrufe bei der SPÖ), die Zahl der Fachhochschüler ist von 10 000 auf 24 000 gestiegen. Die Exporte haben sich um 50 Prozent gesteigert. Wir haben um 70 000 Betriebe mehr in Österreich, und um 60 000 Mütter mehr bekommen heute Kindergeld als zu Ihrer Zeit. Das ist auch unser Land, Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wenn Sie die Sicherheit ansprechen, was ein sehr wichtiges und ernstes Thema ist, dann darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass wir in der Zeit, als Karl Schlögl Ihr letzter Innenminister war, den ich sehr geschätzt habe, der seinen Job sehr ordentlich und mit gutem Gewissen gemacht hat, aber sehr heftig angefeindet von manchen in der eigenen Partei war, 21 900 Polizisten auf der Straße hatten. (Einige SPÖ-Abgeordnete halten Tafeln in die Höhe.) Heute, unter Liese Prokop, sind es 22 400, es sind also um 500 Polizisten mehr auf der Straße, und weitere 1 000 Polizisten sind in Ausbildung und Schulung. (Abg. Mag. Wurm: Wie viele Delikte?) Daher kann sich die Bevölkerung mit dieser Innenministerin, mit dieser Regierung sicher fühlen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu den Fragen.

Meine Damen und Herren! Frage 1 bezieht sich auf die Heeresreform. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie die Arbeit von Helmut Zilk, den ich gemeinsam mit Günther Platter und Hubert Gorbach eingesetzt habe, die Arbeit dieser Bundesheerreformkommission gut bewerten. Es würde Ihnen auch schlecht anstehen, anderes zu tun, denn dort gab es einen Vier-Parteien-Konsens über die neuen Aufgaben des Bundesheeres, über die Abschlankung der Strukturen, auch über eine massive Abschlankung der Standorte. (Abg. Dr. Kräuter: Das ist Gesetz!) Ein kleineres Heer braucht nicht die Kasernen-Standorte und die Infrastruktur, die Overhead-Kosten, die Zahl der Generäle, die Bürokratie wie ein doppelt so großes Heer. Das ist ein wichtiger Punkt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Sie haben gefragt, wann ich Ihnen diese Gesamtreform vorlegen werde. Es wird der Verteidigungsminister noch im heurigen Jahr eine solche Reform dem Parlament zuleiten, und wir hoffen sehr, dass diese Reformvorhaben auf eine genau so breite Unterstützung hier im Haus zählen können wie die Arbeit von Helmut Zilk.

Die Inhalte, die Sie hier zur Sprache gebracht haben, waren unbestritten: Verkürzung des Wehrdienstes, analog natürlich auch Verkürzung des Zivildienstes von zwölf auf neun Monate, eine gute Ausbildung für die jungen Männer, eine erstklassige Sicherheit bei Katastrophen im Inland, gute Auslandseinsätze, Schutz an der Grenze und Vorbereitungen für anspruchsvollere Waffengattungen, auch für den Nachwuchs im Bundesheer.

Der einzige Diskussionspunkt ist, wann eine solche Wehrdienstzeitverkürzung und analog die Zivildienstzeitverkürzung in Kraft treten sollen. Es stellt sich die Frage, ob es ab der Vorlage des Reformpapiers zweieinhalb Jahre danach wirklich gescheit wäre, also Juni 2004 die Vorlage und 1. Jänner 2007 erst die Umsetzung, die Durchführung. (Abg. Mag. Wurm: Die Strafprozessreform zum Beispiel!)

Ich glaube, es ist vernünftig, dass man den über 100 000 jungen Männern, die Prä­senz- oder Zivildienst leisten, früher die notwendige Sicherheit gibt. Helmut Zilk hat in einem Leserbrief auf manche Sorgen, die ich übrigens mit Herbert Scheibner teile, der sehr kundig die Sicherheitsfragen bewertet, Bezug genommen. Seine Sorgen habe ich genauso. Ich möchte auch garantiert haben, dass alles gesichert bleibt: der Schutz der Grenze und die Hilfe der Bevölkerung in Katastrophensituationen. Helmut Zilk hat in einem Leserbrief geschrieben: Durch die Verkürzung darf man nicht folgern, dass nicht mehr genügend Soldaten zur Hilfestellung zur Verfügung stehen oder durch man­gelnde Ausbildung Unfälle verursacht werden oder Fehlverhalten im Assistenzeinsatz an der Staatsgrenze gegeben sein wird.

In der Bundesheerreformkommission wurde berücksichtigt und auch empfohlen, dass zumindest 10 000 Soldaten jederzeit zur Verfügung stehen sollen. Ich bin mir sicher, dass die Ausbildung für diesen Assistenzeinsatz auf dem Niveau gehalten werden kann, auf dem sie sich jetzt befindet. Das müssen wir umsetzen, und das wird sich


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natürlich auch der Verteidigungsminister so vornehmen. Wir werden ihm dabei helfen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Frage 2 betrifft die Kosten der Flieger, zu deren Kauf wir verpflichtet sind, denn der Luftraum muss genauso geschützt werden wie die Grenze, muss genauso geschützt werden wie die Bevölkerung auf dem Boden. Das ist, so hoffe ich jedenfalls, zwischen den vier Parteien außer Streit. Die 18 Flieger kosten 1 959 Millionen €. Die Infrastruktur davon ist unabhängig, wie etwa die Adaptierungen für die Goldhaube. Die Betriebs­kosten sind mit jährlich 50 Millionen € festgelegt. Die Überbrückung bis zur ersten Lieferung im Jahr 2007 kostet in Summe 75 Millionen €. Dem gegenüber stehen 4 Mil­liarden € wirtschaftliche Gegengeschäfte, von denen bisher immerhin ein beachtlicher Teil, nämlich ein Viertel, bereits in Reich- und Greifweite sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Frage 3: Welche Reformen zur Erhöhung der inneren Sicherheit sind gemacht worden? – Zunächst einmal ist die Einrichtung des Bundeskriminalamtes, das ein ganz wichtiger Bereich für Analyse und Observation ist, zu erwähnen und zweitens die Einführung eines Sicherheitsmonitors und die monatliche Weitergabe der Kriminal­statistikdaten, um einen Controllingprozess zu ermöglichen und punktgenau in den betroffenen Distrikten und Bezirken eingreifen zu können. Weiters gibt es spezielle Eingreiftruppen der Bundespolizeidirektion Wien, vor allem für die Kleinkriminalität, Raub, Diebstähle, aber vor allem auch im Kampf gegen die Drogenhändler, die Ein­führung der neuen Einsatzmittel der Videoüberwachung öffentlicher Räume, die Errich­tung von Schutzzonen im öffentlichen Raum, besonders für Schulen – eine Idee von Elisabeth Gehrer –, und natürlich die Umsetzung und Auftragserteilung des Konzeptes Team 04, das bereits voll im Laufen ist. – Alle diese Maßnahmen werden heuer noch verwirklicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm: Die Aufklärung sinkt und sinkt!)

Frage 4 bezieht sich auf die Arbeitsmarktsituation und den Schuldenstand. Wir haben gegenüber dem Jänner 1999 134 Arbeitsplätze mehr. Es soll auch einmal erwähnt werden, dass wir eine Rekordzahl an Beschäftigten haben. (Einige SPÖ-Abgeordnete halten Tafeln in die Höhe. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Natürlich haben wir Arbeits­lose, und jeder Arbeitslose ist zuviel.

Nennen wir die Dinge, so wie sie sind. Wir haben im letzten Jahr 44 000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen können. Leider haben wir noch immer 3 900 Arbeitslose mehr. Das heißt, wir haben eigentlich unser Soll-Ziel, die Arbeitslosigkeit schrittweise zu senken, zu über 90 Prozent erfüllen können. Wir müssen noch besser werden, und das werden wir auch tun, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Jetzt aber zu dem von Ihnen gefragten Schuldenstand. Wir haben im Jahr 1999 einen Schuldenstand von 66,5 Prozent gehabt, haben ihn jetzt schon auf 64 Prozent reduziert und werden nächstes Jahr auf 62,8 Prozent sein. Hätten wir den Schul­denstand von sozialdemokratischen Bundeskanzlern und Finanzministern weiter auf dem Niveau gehalten, dann hätten wir heute um über 10 Milliarden € mehr an Schul­den. Das haben wir der österreichischen Bevölkerung erspart, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe mir ausgerechnet, dass die SPÖ allein in den letzten Monaten Forderungen für Mehrausgaben erhoben hat, die ganz zufällig eine Summe von 10 Milliarden € ausmachen. (Abg. Bures: Das ist eine Lüge!)

Liebe Freunde! Diesen Weg muss man der österreichischen Bevölkerung ersparen. Sie würde es bitter zu bezahlen haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP


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und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Sie schrecken vor der Unwahrheit nicht zurück! Das ist ein Faktum!)

Hohe Opposition! Einige haben die Stirne gerunzelt, als ich gesagt habe, wir haben die Arbeitsmarktförderungszahlungen verdoppelt. Die Zahlen liefere ich nach. Wir werden heuer mit 1 542 Millionen € einen neuen Höchststand für aktive und aktivierende Arbeits­marktpolitik haben. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt macht damit – entgegen Ihrer Anfragebeantwortung – 0,63 Prozent aus. Im Jahr 1999 waren es 766 Millionen oder 0,39 Prozent, in absoluten Zahlen ist das also mehr als eine Verdoppelung. (Abg. Dr. Gusenbauer: Aktive Arbeitsmarktpolitik!)

In Wirklichkeit hätten Sie auch Herbert Tumpel, den von mir geschätzten Arbeiter­kammerpräsidenten, kritisieren müssen. Sie hätten die guten Vorschläge in den neunziger Jahren machen sollen. Wir haben da wesentlich aktiver reagiert, als das frü­her der Fall gewesen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Ohne Erfolg!)

Zur Frage 6:

Wenn wir die Pensionsdiskussion führen ... (Abg. Dr. Jarolim: Das war jetzt nicht sehr seriös! – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Das war hervorragend seriös, Herr Abgeordneter! Entschuldigen Sie! Man kann gar nicht seriöser sein, als Ihnen die Zahlen auf den Tisch zu legen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frage 6 bezieht sich auf die Pensionen – und das ist schon ein interessanter Punkt: Sagen Sie doch die ganze Wahrheit! Wir geben heuer, trotz aller Sparanstrengungen, mehr als 6,3 Milliarden € mehr für Pensionisten und Pensionistinnen aus als in Ihrer Zeit. 6,3 Milliarden € mehr für die Pensionen als zu Ihrer Zeit! (Die Abgeordneten Schopf und Dr. Leutner halten Tafeln mit der Aufschrift: „Pensionskürzungen! Schwarz-Blau am Ende – Österreich verdient Besseres – SPÖ“ in die Höhe.)

Meine Damen und Herren! Im nächsten Jahr 2006 werden alle Pensionen mit der In­flationsrate wertgesichert (Abg. Mag. Wurm: ... vom Stummvoll!), bis zu einer Höhe von 1 815 €. Darüber hinaus wird auf Grund eines Vorschlags der Sozialpartner mit einem Fixbetrag gedeckelt, das halte ich aber für sozial durchaus gerecht. Darüber hinaus haben wir den Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende um 8 Prozent erhöht, für Verheiratete sogar um 18 Prozent. Und wir haben das Pflegegeld ab 1. Jänner zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren valorisiert. (Abg. Mandak: Ja, 2 Prozent!) Ein großartiger Erfolg von Herbert Haupt und Ursula Haubner! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 8:

Frage 8 bezieht sich auf die Selbstbehalte. (Abg. Lackner hält eine Tafel mit der Aufschrift: „Gesundheitsmisere! Schwarz-Blau am Ende – Österreich verdient Bes­seres – SPÖ“ in die Höhe.) – Herr Abgeordneter Gusenbauer, seien Sie doch so fair, der Öffentlichkeit auch zu sagen, was wirklich ist: Jeder einzelne Selbstbehalt – mit Ausnahme der Sehbehelfe – ist nicht von uns, sondern von sozialdemokratischen Sozialministern und Gesundheitsministern eingeführt worden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist die Wahrheit und nicht das, was Sie hier am Rednerpult behauptet haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Bla, bla, bla!)

Zur Frage 9:

Hiezu verweise ich auf den Reformdialog, zu dem die Bildungsministerin und wir alle am 14. Februar eingeladen haben. (Abg. Dr. Niederwieser hält eine Tafel mit der Aufschrift: „PISA-Blamage!! Schwarz-Blau am Ende – Österreich verdient Besseres –


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SPÖ“ in die Höhe. – Abg. Murauer: Mein Gott na! Der muss auch auffallen!) Sie sind gerne eingeladen, dort Ihre Vorschläge vorzulegen. Und wir warten noch darauf, wie wir jene Dinge, die wir ja gemeinsam durchaus positiv andiskutiert haben, im Detail außer Streit stellen können.

Zur Frage 10:

Diese Frage betrifft die Universitäten: Die Unis haben heute ein Globalbudget von 2 Milliarden €, dazu noch 30 Millionen extra, das sind 6 Prozent mehr als im vorigen Jahr. 2004 bis 2006 gibt es noch einmal 68 Millionen für Forschungsinfrastruktur; viele Bauprojekte, ein Hunderte Millionen € umfassendes Neubauprogramm ist im Laufen.

Schlusssatz: Im „Format“ war heute eine ganz interessante Statistik über ver­schiedene Reformbereiche, ein Reformcheck sozusagen (Zwischenruf der Abg. Bures): In 30 Bereichen wurde getestet, ob es die Regierung gut oder schlecht gemacht hat. Ergebnis: In 21 davon ist es besser als früher, in 9 Prozent schlechter.

Unter diesen 9 Prozent (Abg. Dr. Matznetter: 9 Prozent von was jetzt?) befinden sich allerdings Dinge wie die Verschlechterung der österreichischen Fußballnational­mann­schaft, mehr Ordnungsrufe im Parlament und etwas weniger Geburten. Liebe Freunde, das sind also nicht lauter Dinge, für die ausgerechnet die Regierung zuständig ist!

Alle anderen Sachen haben wir nicht so schlecht gemacht! (Abg. Dr. Matznetter: PISA-Studie!) Wir bitte um weitere gute Nachrede! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Cap. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Oje, oje!) – Sie sind am Wort, Herr Klubobmann.

 


14.43.54

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! In der ÖVP-Fraktion gibt es ja, konnte man lesen, für die Begriffe „flunkern“ und „schummeln“ neuerdings das Wort „grassern“. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Und der Herr Bundeskanzler hat heute sehr viel „gegrassert“, habe ich den Eindruck! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Neudeck: Das ist aber besser als „caperln“!)

Da muss man genau hinhören. Er versucht die gesamte Zeit, in der er Regierungs­mitglied in der großen Koalition mit den Sozialdemokraten war – nämlich seit 1989! –, so darzustellen, als ob das eine sozialdemokratische Alleinregierung gewesen wäre. Dem war nicht so! Der Druck zu den Selbstbehalten in der großen Koalition kam von der ÖVP! (Ruf bei der SPÖ: Jawohl!) Und er hat sich seitdem explosionsartig ver­größert. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Er ist ja immerhin schon seit April 1989 in der Regierung – also sehr lange! Und man muss genau hinhören, wenn er von den Gegengeschäften spricht; er sagt, man habe 4 Milliarden € an Gegengeschäften für den Eurofighter herausgeschlagen, davon seien ein Viertel in Reichweite. – Ein Viertelchen in Reichweite! Was heißt denn das? – Gar nichts? Heißt das 100 Millionen, heißt das 50 Millionen? (Abg. Mag. Molterer: 1 Milliarde € heißt das!) Die Schüssel’sche Sprache ist total „vergrassert“! (Abg. Steibl: „Capern“!) Man kann den Wahrheitsgehalt wirklich nicht mehr herausfinden, das sei hier einmal in aller Deutlichkeit gesagt!

Oder: Wir alle konnten neuerdings in den Zeitungen die Fotos mit der Regierung auf­gestellt als „Vogel-V“ sehen. (Abg. Grillitsch: ... Herrn Androsch!) Wenn man genau hinsieht, sieht man: Da fehlen doch die Staatssekretäre. Wieso werden diese nicht


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abgebildet, wiewohl sie Mitglied sind? – Dann stimmt aber das Frauenverhältnis nicht mehr so genau. Ausgewogen ist das Verhältnis nämlich nur ohne jene vier Männer, die Staatssekretäre sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das nennt man im Volksmund – und neuerdings bei der ÖVP – „grassern“! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weil Sie auf das „V“ so viel Wert legen: Das, was sich in den letzten Tagen in der Sicherheitsfrage abgespielt hat, hat interessanterweise Vizekanzler Gorbach auf den Punkt gebracht. Er hat von Kommunikationsproblemen, Informationsdefiziten ge­sprochen, man müsse sich in einer bestimmten Zusammensetzung zusammen­setzen. – Dazu sage ich Ihnen nur Folgendes:

Angesichts der Tatsache, dass wir ein Ansteigen der Delikte von 500 000 im Jahr 1999 auf 643 000 im Jahr 2004 haben, angesichts der Tatsache, dass die Aufklärungsquote seit 1999 von 51,4 auf 38,1 Prozent dramatisch gesunken ist, angesichts der Tat­sache, dass da eine Bundesheerreformkommission sehr lange, sehr fleißig gearbeitet hat, aber all das jetzt im Streit um eine Wehrdienstzeitverkürzung auf sechs Monate in sich „zusammengerauscht“ ist, angesichts der Tatsache, dass vom gesamten Bun­desheer wahrscheinlich nur noch die 18 Eurofighter übrig bleiben werden – weil allein die Kosten höher sind als das gesamte Heeresbudget! – (Abg. Parnigoni: Kasernen zusperren ...!), angesichts all dieser Tatsachen muss man sagen, dass sich dieses Land in einem Sicherheitsrisiko befindet, eines, das diese Bundesregierung zu verantworten hat! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

„V“ für verängstigen – das ist die Folge Ihrer Regierungspolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Ihrer Sehnsucht nach dem römischen Fünfer: Haben Sie den Untergang des Römischen Reiches studiert? Die haben halt nur länger gebraucht für diese moralische Verkommenheit, das möchte ich Ihnen schon sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Was heißt das? – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber ich sage Ihnen Folgendes ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Cap! Haben Sie der Regierung „moralische Verkommenheit“ unterstellen wollen? Ich bitte Sie, das klarzustellen!

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Nein, nein! Ich habe nur kritisiert, wieso hier unbedingt eine Analogie zum Römischen Reich hergestellt werden soll – nicht mehr! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundeskanzler Dr. Schüssel und in der Folge viele Abgeordnete der ÖVP verlassen empört den Sitzungssaal.) Nicht mehr habe ich gesagt! Da können Sie noch so schreien.

Wenn jetzt das Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist, dass es einen Koalitions­ausschuss gibt, der in Wirklichkeit den Handlungsspielraum des Bundeskanzlers ein­engen soll, dann frage ich mich: Wo hat sich da der Bundeskanzler gegenüber dem Koalitionspartner eigentlich durchgesetzt? Wo denn – wenn das Ergebnis ist, dass es neben dem Koordinationsausschuss wieder einen Koalitionsausschuss geben soll? (Zwischenrufe bei der ÖVP, darunter Rufe: Entschuldigen Sie sich! Nehmen Sie das zurück!)

Daraufhin schreibt „Die Presse“: Nach dem Wehrdienst-Solo: „FPÖ lässt ÖVP beim Sicherheitspaket zappeln“. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Zappeln heißt in Wahrheit: Es wird in diesem Bereich nichts mehr weitergehen. Das ist das große Problem! (Neuerliche Rufe bei der ÖVP: Entschuldigung! Entschuldigen Sie sich!) Das ist aber das Ergebnis. (Abg. Steibl: Das ist ja ein Kasperltheater!)


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Dazu sage ich Ihnen noch etwas: Auf die Frage, wieso der Verteidigungsminister so plötzlich diese Verordnung mit sechs Monaten Wehrdienst herausgegeben hat, sagt der Herr Bundeskanzler: Der Druck kam, um das sehr offen zu sagen, von den Praktikern im Heer.

Ich stelle mir da schon die Frage: Wer macht jetzt die Heeres- und Verteidi­gungspolitik? Der Minister? Die Regierung? Oder die Offiziere?! (Abg. Murauer: Die SPÖ sicher nicht!) Das ist die entscheidende Frage! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber wir können doch wohl nicht wollen, dass die Offiziere hier die Politik machen – und nicht die dafür zuständigen, politisch gewählten Organe. Das muss ich Ihnen einmal sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

In der „Kleinen Zeitung“ können wir ein Haider-Interview lesen. Darin sagt er – ich zitiere –: Schüssel hat sich in diesen fünf Jahren Österreich untertan gemacht. – Und er spricht vom „schwarzen Putsch in den Führungsetagen“. (Abg. Murauer: Sehr traurig ...!) – Traurig!, das glaube ich.

Im gesamten Wirtschaftsbereich hat es nämlich anscheinend zwei Strategien gegeben. (Abg. Steibl: Haben Sie schon einmal in der Privatwirtschaft gearbeitet?) Man hat entweder die Wirtschaft verschleudert und verkauft – zwei Mal „Vogel-V“! –, oder man hat die Führungsetage und damit den Wirtschaftbereich einfach eingeschwärzt. Überall, wo im Managementbereich eine Position frei wurde, saß plötzlich jemand von der ÖVP – bis auf diejenigen, die jetzt wie Herr Vorm Walde aus dem ÖBB-Bereich mit 1,5 Millionen € Abfertigung spazieren gehen können.

Aber auf der anderen Seite wird den Steuerzahlern in die Tasche gegriffen. Das haben Sie nach fünf Jahren zu verantworten! Und Jörg Haider ist ein Kronzeuge dafür. (Beifall bei der SPÖ.) Folgewirkungen davon sind natürlich auch – und darüber ist die Bevöl­kerung „v“ wie verärgert, weil sie natürlich ganz besonders davon betroffen ist –: Post­ämter werden geschlossen (Abg. Amon: „V“ wie Vernaderung!), Eisenbahner werden von Ihnen in Frühpension geschickt, öffentliche Dienstleistungen werden verteuert, Bereiche des öffentlichen Lebens werden wie Aktiengesellschaften geführt – so schreibt Andreas Koller in den „Salzburger Nachrichten“. All das ist für Sie kein Thema, aber es führt zur Verödung ganzer Landstriche und hat auch in den Städten Folge­wirkungen bis hin zur Schließung von Gendarmerieposten – bis vielleicht nur mehr der ÖVP-Ortsparteiobmann übrig bleibt, falls er nicht schon vorher gegangen ist. Das sind auch einige der vielen Kritikpunkte, die ganz deutlich anzuführen sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Neuerdings kommt bei Ihnen ja auch der Mittelstand dran – nicht nur die ASVG-Pensionisten und viele andere, die ohnehin schon wenig haben, auch der Mittelstand verliert. Bezieher mittlerer Einkommen verlieren durch sonstige Belastungen, durch spärliche Vorteile der Steuerreform, schreibt Hans Rauscher im „Format“. Oder – wieder Hans Rauscher –: Große Verlierer sind die Freiberufler und Neuen Selb­stän­digen durch die kalte Progression und durch die steuerlichen Verschlechterungen.

Und Sie sagen dauernd, es gebe Gewinner Ihrer Politik. Aber Sie treffen doch vor allem den Mittelstand! Sie treffen auch die kleinen und mittleren Unternehmungen, und nicht nur die Bezieher kleiner Einkommen, nicht nur die Pensionisten, die bitter bezahlen müssen für Ihre Politik, die Sie zu verantworten haben. (Zwischenruf des Abg. Freund.) – „V“ für verwirtschaften, sehr geehrter Herr, „v“ für verwirtschaften! (Beifall bei der SPÖ.)

Und: Noch nie gab es so viele Arbeitslose! titelt die „Kronen Zeitung“. 364 000! Aber die ORF-„ZiB“ bringt natürlich zuerst die deutschen Arbeitslosenzahlen (Zwischenruf des Abg. Amon), dann das Unwetter und dann erst die österreichischen Arbeits-


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losenzahlen – auch eine interessante Form von so genannter objektiver Bericht­erstattung in dieser Sendung.

Oder: Die Bedeutung Österreichs im außenpolitischen Bereich. Dazu schreibt „Die Presse“, es gebe nur „wenige, die über den Beckenrand hinausschauen“ können. – Wien, Österreich ist nicht mehr der Ort von Gipfeltreffen. Hier wird nicht mehr internationale Konsens- und Krisenpolitik betrieben. Sie haben Österreich kleiner gemacht, als es ist. Das sind die Auswirkungen auch Ihrer Außenpolitik. Da können Sie noch so oft die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „Neue Zürcher Zeitung“ zitieren – österreichische Zeitungen werden Sie sowieso für positive Zitierungen nicht finden. Das sei in aller Deutlichkeit auch noch einmal gesagt! (Beifall bei der SPÖ.)

Herbert Krejci hat Recht: Angesichts dessen, wie Sie heute geantwortet haben, hat er Recht, wenn er sagt, die Regierung versuche sich mit ungeheurer Arroganz an der Macht zu halten. Und Neisser – darauf mussten Sie sogar schon in einem Radio-Interview eingehen – meint völlig zu Recht, es gebe in der Regierung keine Visionen, keine Ideen und auch keine Grundsatzdiskussionen mehr. Neisser war immerhin Na­tionalratspräsident, auch ÖVP-Regierungsmitglied; Krejci war ein ÖVP-Parteigänger, Generalsekretär der Industriellenvereinigung! Das sind also nicht irgendwelche Zeit­zeugen, die da wirklich zu Recht Kritik üben – und das auch ausdrücken, zum Beispiel im „Format“ von 4. Februar. (Zwischenruf des Abg. Murauer.) – Ja, das ist Ihnen unangenehm, aber Sie müssen es hören. Die Blumen sind längst – „Vogel-V“ – verwelkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Erinnern wir uns doch an die Inszenierungen, damals, als hier großer Jubel herrschte, als Blumen verteilt worden sind! Was war das doch für eine Freude! Aber Pater Lorenzo – aus „Romeo und Julia“ von Shakespeare – hat Recht – er hat übrigens Romeo und Julia vermählt, wie seinerzeit Andreas Khol die FPÖ und die ÖVP –, er wird auch hier Recht behalten: „So wilde Freude nimmt ein wildes Ende“. 

Letzteres hat die Regierung verdient. Österreich hat Besseres verdient! (Lebhafter Beifall und Jawohl-Ruf bei der SPÖ.)

14.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Cap! Für den Vorwurf der „morali­schen Verkommenheit“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Einige Abgeordnete der SPÖ schlagen mit der flachen Hand auf ihren Tisch. – Bundeskanzler Dr. Schüssel und die zuvor ausgezogenen Abgeordneten der ÖVP betreten wieder den Sitzungssaal.)

Des Weiteren mache ich darauf aufmerksam, dass wir in der Präsidialkonferenz über­eingekommen sind, Namen von Politikern nicht mit Verstümmelungen – ich erinnere an Vorbilder – zu verwenden. Ich habe Sie nicht unterbrochen, als Sie das Wort „ver­grassern“ und ähnliche Ausdrücke verwendet haben; in Zukunft werde ich aber für die Verwendung dieses Wortes einen Ordnungsruf erteilen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Mehrere Abgeordnete der SPÖ verlassen den Sitzungssaal.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Seine Redezeit beträgt 10 Mi­nu­ten. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Skandal! – Prä­sident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

 


14.55.14

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Herr Kollege Cap! (Unruhe im Saal.) Wissen Sie, Herr Kollege Cap ... (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung SPÖ –: Ihr seid ja gewaltbereit! Haut’s da auf die Tische ...! – Abg. Dr. Jarolim – in Richtung des Präsidenten


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Dr. Khol –: Sie sollten sich schämen, Herr Präsident! – Rufe bei der ÖVP: Jarolim! „Eurolim“!)

Wissen Sie, Herr Kollege Cap, was tatsächlich stimmt? – Dieses Haus hat sich etwas anderes verdient als Ihre Rede, Herr Abgeordneter Cap! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm: Österreich hat sich etwas anderes verdient!)

Sie haben heute eine Grenze überschritten (Zwischenrufe bei der SPÖ), bei der es nicht ausreicht, mit einem Ordnungsruf bedacht zu werden – das ist völlig selbst­verständlich! (Abg. Heinzl: Ausschluss aus dem Parlament, oder was? Was glauben Sie, wer Sie sind?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Was ich von Josef Cap erwarte, den ich als Klubobmann-Stellvertreter durchaus schätze – in Ansehen dessen, was er bisher gemacht hat –, ist, eine klare Entschuldigung auszusprechen und diese Vorwürfe zurückzunehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Die Moralinsäure kannst du dir sparen!)

Dies erwarte ich deshalb, weil wir hier im Parlament nicht (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter) der Hort der Experimentierbühne für Extrem-Rhetorik sind, Herr Kollege Cap, sondern weil wir hier im Haus der Ort der parlamentarischen Auseinan­dersetzung sind. (Abg. Dr. Niederwieser: Eure Moral ist unterm Hund!) Und die politische Qualität, meine Damen und Herren, ist am Argument zu messen – und nicht an der Rhetorik, an der vermeintlich guten. Vermeintlich politisch gute Rhetorik, Herr Kollege Cap, wendet sich gegen den, der sie anwendet. Entschuldigen Sie sich daher! Das wäre angebracht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Arroganz! Diese Rede ist eine Form von Arroganz!)

Es ist völlig selbstverständlich, dass der heutige Tag und die heutige Sondersitzung zu dieser Diskussion und letztendlich zu dieser Auseinandersetzung führt – und führen muss: über diesen Wende-Check. Dieser 4. Februar des Jahres 2000 hat eine neue politische Landschaft in Österreich gebracht, hat etwas in Österreich zur Normalität werden lassen, nämlich dass Demokratie auch im Wechsel besteht. Und in der Zwischenzeit ist es Normalität in dem Land, dass es eine Regierung gibt, die gebildet ist aus Schwarz und Blau, in den Bundesländern eine Regierung besteht, die gebildet ist aus Schwarz und Grün, in den Bundesländern Regierungen aus Schwarz und Rot existieren sowie in einem Bundesland eine Regierung, die aus Rot und Blau gebildet wird, meine Damen und Herren! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Blau und Rot!) – Blau und Rot! Entschuldigung! Das ist von der Größenordnung absolut richtig. Danke für diese Korrektur, sie ist notwendig und berechtigt!

Das heißt: Normalität, demokratische Normalität ist in diesem Land eingekehrt, meine Damen und Herren!

Aber der Wende-Check lässt sich auch an den objektiven Fakten festmachen. Ich gehe auf diese objektiven Fakten ein, weil sie uns, auch vor der Bevölkerung, die Möglichkeit der objektiven Auseinandersetzung gibt. (Abg. Dr. Matznetter: Was ist ein „Wende-Check“?)

Meine Damen und Herren! Dieser Wende-Check besagt beispielsweise, dass Öster­reich in Bezug auf das Wirtschaftswachstum im Jahr 1999 an der zwölften Stelle gelegen ist, im Jahr 2004 aber an der zehnten – wir haben uns also verbessert! Er besagt zur Arbeitslosenrate: Wir hatten 1999 den drittniedrigsten, in der Zwischenzeit haben wir den niedrigsten Wert in der Europäischen Union – wir haben uns verbessert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Punkto Budgetdefizit waren wir im Jahr 1999 an der elften Stelle innerhalb der Europäischen Union, jetzt sind wir an der sechsten Stelle – wir


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haben uns verbessert. Das Einkommen gemessen am BIP, am Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 1999 pro Kopf bei 25 600 €, im Jahr 2004 bei 27 200 € – wir haben uns verbessert. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter. – Abg. Öllinger: Bitte?)

Beispiel Zahl der Erwerbstätigen: Damals waren es 3 106 000, jetzt 3 200 000, und in der Zwischenzeit sind es schon wieder mehr – wir haben uns verbessert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Die Staatsverschuldung: im Jahr 1999 66,5 Prozent des BIP, im Jahr 2004 64,3 Prozent. – Wir haben uns verbessert, meine Damen und Herren!

Abgabenquote – wir haben uns verbessert. Unternehmensgründungen: mehr als im Jahr 1999. Die Exporte, die durchschnittlichen Einkommen, die Forschungsausgaben, die Infrastruktur, letztendlich der Wohlstand, der Indikator für die Menschen: Wir waren im Jahr 1999 an neunter Stelle und sind an die sechste Stelle aufgerückt. – Wir haben uns verbessert, meine Damen und Herren!

Jetzt wenden Sie ein – ich gehe auf das Argument durchaus ein –, die Zahlen seien nicht das Alleinseligmachende, es gehe um die Stimmung bei den Menschen. Gut, auch das ist abgefragt worden. Herr Kollege Gusenbauer, hätten Sie sich vor der Son­dersitzung erkundigt, hätten Sie diese Sondersitzung vielleicht nicht beantragt.

Im Zusammenhang mit einer europäischen Studie, meine Damen und Herren, wurde bei 1 000 Österreichern, insgesamt bei 26 000 Personen in Europa in 28 Ländern nach­gefragt. Die Österreicherinnen und Österreicher liegen in diesem europäischen Ranking, befragt nach der Wohnsituation, an zweitbester Stelle. (Abg. Großruck: Die gute Wohnpolitik!) Die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes wird europaweit am zweitbesten bewertet, meine Damen und Herren. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie liegt Österreich im Spitzenfeld. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Und – man höre und staune! – die Österreicherinnen und Österreicher, auf die Frage, wie sie ihre soziale Situation und die Situation der Gesundheitsvorsorge einschätzen: Platz 1 in Europa von 28 Ländern, meine Damen und Herren! Das sind die Realität und das subjektive Befinden der Menschen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gusenbauer, und jetzt erstellen Sie bei einigen Themen kritische Befun­de. Sie sprechen den Sicherheitsbereich an. Da frage ich aber: Warum hat die SPÖ, wenn die Situation schon so sei, wie behauptet wird – sie ist aber nicht so! (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Gusenbauer) –, bei keinem einzigen Sicherheitsreformpunkt mit­gestimmt?

Ich kann Ihnen die Liste vorlegen, Herr Kollege Gusenbauer, wenn es Sie interessiert – es tut Ihnen weh. Ich sage es Ihnen: Sie haben gegen die erweiterte Gefahren­for­schung gestimmt, gegen das Bundeskriminalamt, gegen die Verschärfung des Vermummungsverbotes, gegen die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, gegen das Asylrecht, gegen das Fremdenrecht, gegen die Zivildienstreform, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben keinen einzigen Sicher­heitspunkt unterstützt! Sie waren schlicht und einfach dagegen! – Das ist ganz offensichtlich Ihre Politik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das gilt im Übrigen auch für die Pensionsreformen der Jahre 2000 und 2003 sowie für die Pensionsharmonisierung des Jahres 2004: Sie waren dagegen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer.)

Das gilt für die Steuerreform, die Entlastung und die Attraktivierung des Standortes: Wir haben es gemacht, Sie waren dagegen, meine Damen und Herren! (Abg. Grad­wohl: Mit gutem Grund! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)


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Ich könnte die Liste jetzt fortsetzen. Es gibt kaum einen Punkt, wo Sie mitgestimmt haben, denn – und das ist Ihr Problem, Herr Kollege Gusenbauer – Sie lehnen alles ab! (Abg. Gradwohl: Das mit gutem Grund! – Abg. Dr. Gusenbauer: Wir lehnen Murks ab!) Sie haben keine einzige Alternative aufgezeigt – auch heute hier heraußen nicht. Vor allem aber haben Sie keine klare Linie. Ihre Linie heißt: Zickzack! (Beifall des Abg. Schöls.)

Und jetzt sagen Sie der Bevölkerung, Sie seien „startklar“. Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, nicht vorenthalten, was „startklar“ bedeutet. Dazu gibt es nämlich einen Artikel in den „NÖN“, in dem es heißt:

„Wo blieb Gusi um 17.15 Uhr?“ – Das große Rätsel. Er war nämlich in Gänserndorf für 17.15 Uhr bei einer Straßenbegegnung mit Menschen angekündigt. Da steht dann in der Zeitung: Wo er war, war den Besuchern ein Rätsel. „Die Hände wurden kalt, ebenso wie die Zehen“. „Wo blieb bloß Gusi? Des Rätsels Lösung erfolgte um 17.40 Uhr: ,Wir waren bereits in der Bahnstraße‘, verkündete SPÖ-Bezirks­ge­schäfts­führer Hans Ehm. ,Aber in der Bahnstraße war niemand!‘“

Daher lautet auch der Titel des Artikels: „,Gusi‘ war da, aber es hat niemand be­merkt ...“. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Gradwohl.)

Aber Sie arbeiten ganz offensichtlich sehr heftig an Ihrer Strategie weiter, dort sitzen zu bleiben, wo Sie sitzen (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), denn Sie haben gestern im „Mittagsjournal“ auf die Frage eines Reporters gesagt: Ich – nämlich Gusenbauer – bin die Antwort auf Schwarz-Blau. Damit mögen Sie die Leute vielleicht überrascht haben, aber überzeugt sicher nicht! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.05


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Niederwieser, ich werde mir das Protokoll bezüglich der Zwischenrufe herbeischaffen lassen. Wenn ich richtig gehört habe, haben Sie gesagt: Ihre Moral ist unter dem Hund! (Abg. Mandak: Die Moral! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Ich werde mir den Zwischenruf herbeischaffen lassen und werde dann weiter befinden.

Allgemein möchte ich sagen: Meine Damen und Herren! Ich bekomme jetzt schon jede Menge Anrufe von Zuseherinnen und Zuseher, dass sie den Redner nicht mehr verstehen, weil solche Unruhe im Plenarsaal herrscht. Ich bitte Sie um mehr Ruhe, ich kann nicht mehr, als das Glockenzeichen zu geben, gegebenenfalls muss ich die Sitzung unterbrechen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Beim Niveau des Kollegen Molterer kein Wunder!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Seine Redezeit beträgt 10 Minu­ten. – Bitte.

 


15.06.36

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Lieber Kollege Molterer! Heute ist er da, der Kollege Gusenbauer. Wir alle sind da, und Gott sei Dank findet diese Sondersitzung statt. Vielen Dank, lieber Abgeordneter Gusenbauer, vielen Dank, lieber Abgeordneter Cap, denn wenn wir, die Regierungsparteien, anlässlich des fünften Jahrestages der blau-schwarzen Koalition eine Sondersitzung einberufen hätten, um hier ein Resümee zu ziehen, ein positives Resümee über fünf Jahre aktiver, moderner Regierungsarbeit für Österreich, hätten Sie uns heftigst kritisiert. So aber geben Sie uns die Plattform, die Möglichkeit, genau auf diese Erfolge hinzuweisen. Vielen Dank, lieber Abgeordneter Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Es war ja schon interessant, dass Ihnen, Kollege Gusenbauer, trotz Ihrer 20-minütigen Redezeit nur 15 Minuten lang Kritik an dieser Bundesregierung eingefallen ist. Meine Damen und Herren! Sie sehen, wir sind so gut, dass nicht einmal der Opposition mehr etwas einfällt, mit dem sie bei dieser Dringlichen Anfrage die Redezeit ausnützen könnte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer.) Herr Kollege Gusenbauer, es waren keine 20 Minuten, nicht einmal das rote Licht hat geleuchtet. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Da leuchtet schon lange kein Licht mehr beim Gusenbauer!) Sie waren so intensiv mit Ihrem Redekonzept beschäftigt und mit der Choreographie der Taferln, die jetzt nicht mehr funktioniert, weil einige Taferlträger den Saal schon verlassen haben, dass Sie gar nicht auf die Redezeit achten konnten. Auch das ist interessant. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP. – Abgeordnete der SPÖ zeigen Tafeln mit unter­schiedlichen Aufschriften.)

Na endlich, wunderbar! Jetzt habe ich Sie wieder munter gemacht. Herrlich! Auch das kann ja ein Sinn hier im Hohen Hause sein. Aufpassen, liebe Kollegen von der SPÖ, Choreographie: Immer wenn ich „Bildung“ sage, kommt das PISA-Taferl (Zwischenruf der Abg. Silhavy), wenn ich „Sicherheit“ sage, kommt Kollege Gaál mit seinem Taferl betreffend Sicherheit. Was haben Sie noch gehabt? Steuern, wunderbar. Ich warte darauf, vielleicht funktioniert es jetzt – langsam, aber doch. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte mich mit Ihrer 15-seitigen Dringlichen Anfrage auseinander setzen, denn es ist ja sehr interessant, was Sie als Beispiele der angeblich schlechten Regie­rungs­politik darin anführen. Sie nennen das Nulldefizit und sagen, jetzt gibt es ein Rekorddefizit. – Herr Kollege Gusenbauer, das ist ja auch ein solch schöner seman­tischer Schwung: Sie sagen, ein Rekorddefizit unter Grasser, Sie sagen aber nicht dazu, dass dieses „Rekorddefizit“ der blau-schwarzen Regierung noch immer geringer ist als die geringsten Defizite, die Sie in Ihrer Regierungszeit hatten (Abg. Dr. Gusen­bauer: Absoluter Unsinn! Das stimmt ja nicht!), und dass das Defizit nur deshalb jetzt höher ist als in den vergangenen Jahren, weil wir gleichzeitig die größte steuerliche Entlastung in der Geschichte der Zweiten Republik verordnet haben – ohne Gegen­finanzierung, ohne Steuererhöhungen, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie sagen natürlich, dass das nicht stimmt, aber dann ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Wieso sagen Sie die Unwahrheit? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wieso ich die Unwahrheit sage, fragt Abgeordneter Gusenbauer. Herr Abgeordneter Gusenbauer, die Zahlen sprechen für sich. Wir haben den Scherbenhaufen, die Rekorddefizite, die Sie zu verantworten hatten, beseitigt und saniert. Das war das erste Ziel dieser Bun­desregierung im Jahr 2000, und das haben wir erreicht. Das Nulldefizit war erreicht. Und dann haben wir gesagt: Und jetzt, gerade in einer Zeit, in der es wichtig ist, die Konjunktur anzukurbeln, die Kaufkraft zu stärken (Abg. Dr. Gusenbauer: Merken Sie schon etwas?), bringen wir die steuerliche Entlastung zu Lasten des Budgets. – Eine richtige, zukunftsweisende, sinnvolle Budget- und Wirtschaftspolitik. Da könnten Sie sich einiges abschneiden für Ihre Wirtschaftsprogramme, bei denen Sie mit Kollegem Matznetter drei Anläufe brauchen, um endlich zu verschleiern, dass Sie in Wirklichkeit für Steuererhöhungen sind. Und das war Ihr Gegenkonzept zu unserer Entlastungs­offensive für die Bürger in Österreich.

Herr Kollege Gusenbauer! Kommen Sie einmal zu uns, die Parteiakademie wird Ihnen einen Kurs anbieten, was wirklich sinnvolle Steuer- und Wirtschaftspolitik ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Die ist wegen Misserfolg geschlossen!) Aber nennen Sie hier nicht falsche Zahlen, bringen Sie hier nicht falsche Parolen!


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Wir haben das Defizit gesenkt, wir haben die Steuern gesenkt, wir haben eine zu­kunftsorientierte Wirtschaftspolitik gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sagen, die Pensionsharmonisierung wäre nichts gewesen, es wären nicht alle in die Pensionsharmonisierung eingebunden, und nennen in diesem Zusammenhang die Beamten. Außerdem haben Sie in Ihrer Rede gesagt, dass man jetzt auch noch Eisenbahner entlassen möchte. (Abg. Mag. Wurm: Vorm Walde, ja!) – Ja, das stimmt, ich habe das schon einmal hier gesagt, wir konnten nicht alle Bevölkerungsgruppen in diese Harmonisierung einbinden, aber Sie sagen wieder einmal nicht dazu, warum. Nämlich deswegen, weil Sie sich weigern, Ihre Zustimmung zur notwendigen Zwei­drittelmehrheit zu geben, damit auch auf Landesebene ein faires, ein gerechtes, ein zukunftsorientiertes Pensionssystem, wie wir es auf der Bundesebene gemacht haben, eingeführt werden kann! (Ruf bei der SPÖ: Unsozial!) – Und warum? – Weil Ihr Bürgermeister Häupl in Wien für seine Beamten auf Gemeindeebene die Pensions­pri­vilegien, die ungerechtfertigt sind, weitere Jahre und Jahrzehnte beibehalten möchte! Das ist doch der wahre Hintergrund, Herr Kollege Gusenbauer! (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie wollen die Leute rausschmeißen!)

Kritisieren Sie hier nicht etwas, was Sie selbst verursacht und verschuldet haben, Herr Kollege Gusenbauer! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Weiters führen Sie die Gesundheit in der Dringlichen Anfrage an. – Ich darf Sie daran erinnern, was Ihr Konzept war: Die Erhöhung der Beiträge. (Abg. Dr. Gusenbauer: Haben ja Sie gerade gemacht!) Das war Ihr Konzept zur Sanierung des Gesund­heitspakets.

Sie waren immer überall dabei, die Sozialdemokraten waren immer beim Verhandeln dabei – bis knapp vor dem Ende, denn dann wäre es darum gegangen, wirklich einmal Verantwortung zu tragen (Abg. Dr. Gusenbauer: Für Ihre Belastungen!), nämlich Verantwortung für gemeinsame Beschlüsse für die Zukunft des Landes. Es wäre darum gegangen, die parteipolitische Brille und die ideologischen Scheuklappen ein­mal wegzulassen und für das Land und die Bevölkerung politisch zu arbeiten. Und das war immer der Zeitpunkt, zu dem dann das „Njet!“ aus der Parteizentrale kam: bei der Pensionsreform, bei der Steuerreform, bei der Gesundheitsreform und auch beim Verfassungskonvent, damit ich ihn nicht vergesse. Zuerst verhandeln, durchaus konstruktiv, aber knapp vor dem Ende, wenn es wirklich darum geht, Verantwortung für das Land zu übernehmen, heißt es immer „Njet!“ aus der Parteizentrale. – Das ist die Politik der Sozialdemokratie in Österreich. Diesen Vergleich brauchen wir nicht zu scheuen!

Herr Kollege Gusenbauer, wenn Sie sagen, Sie seien die Antwort auf diese Regierung, dann sage ich Ihnen: Es gibt auch Antworten, die sprachlos machen, meine Damen und Herren der österreichischen Sozialdemokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie führen noch – und das ist ein wichtiges Thema – die Sicherheitspolitik an und sagen, da gäbe es ein Chaos und irgendwelche Gefährdungen der Sicherheit. (Abg. Dr. Gusenbauer: Na steigt die Kriminalität nicht?) – Herr Kollege Gusenbauer, ja, das ist eine wichtige Frage! Wir wollen, dass Österreich weiterhin eines der sichersten Länder der Welt bleibt, und hier müssen wir etwas machen (Abg. Eder: Dann tun Sie etwas!), aber auch hier darf man nicht irgendwelche Utopien weiter verfolgen, etwa in der Asylpolitik, wo es darum geht, zu trennen zwischen jenen, die wirklich politisches Asyl verlangen (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm), und jenen, die dieses Recht missbrauchen, die straffällig werden, die illegal hier sind. (Abg. Eder: Wo ist die Frau Innenminister? Die ist gar nicht da!) Hier sind Maßnahmen gefordert, die nicht in


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irgendwelchen ideologischen Abhandlungen stehen, sondern aus der Praxis kommen und die die Bevölkerung zu Recht von uns verlangt.

Oder etwa in der Drogenpolitik: keine Verharmlosungen, sondern man muss ganz klar sagen: Wer die Zukunft unserer Jugend zerstört (Abg. Eder: Wo ist die Innen­ministerin?), der hat die volle Macht des Staates zu fürchten, und da gibt es keinen Pardon, da gibt es keine Kompromisse! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Wir würden uns finden, meine Damen und Herren, wenn Sie da mitarbeiten würden.

Oder etwa im Bereich der Justiz – hier ist auch die Bundesregierung angesprochen –: Wir hören von Justizministerin Miklautsch, dass wir durch die große Zahl der Häftlinge große Probleme haben. Aber die Alternative kann nicht sein freilassen, sondern man muss der Justizministerin das Personal und die Infrastruktur geben, damit sie diesen Aufgaben gerecht werden kann. – Die Zeit geht schnell vorbei. (Abg. Mag. Wurm: Das stimmt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, denn wir haben Themen! Wir schaffen es, unsere Redezeit auszufüllen, während Sie das nicht zusammenbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Landesverteidigung, Bundesheer: Ich sage Ihnen ganz klar und deutlich: Für uns Freiheitliche ist die Sicherheitspolitik zu wichtig, als dass wir damit Wahlkampf führen, Wahlzuckerl verteilen oder sonstige Maßnahmen setzen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Revanchefoul! Revanchefoul!)

Auch Sie haben gesagt: den Bericht der Bundesheerreformkommission umsetzen! – Ja, dafür stehen wir, aber in dieser Bundesheerreformkommission ist eindeutig und im Konsens aller vier Parteien festgehalten worden, dass die Dauer des Grundwehr­dienstes erst dann reduziert werden kann (Abg. Dr. Gusenbauer: Revanchefoul!), wenn der Assistenzeinsatz an der Grenze nicht mehr notwendig ist (Abg. Dr. Gusen­bauer: Revanchefoul!) und wenn die Rahmenbedingungen vorhanden sind, nämlich mehr Freiwillige, Anreizsysteme et cetera.

Beides ist derzeit nicht vorhanden, beides ist derzeit nicht absehbar, und deshalb – und nur deshalb! – ist es aus unserer Sicht nicht zu verantworten, eine Entscheidung in die Richtung zu fällen, wie das jetzt passiert ist. Wir werden bis zum Sicherheitsgipfel noch eine Reihe von Verhandlungen zu führen haben.

Herr Verteidigungsminister, Sie selbst haben im Jänner 2004 gesagt, dass es nicht möglich sein wird, die Dauer des Grundwehrdienstes zu senken, dies wäre unver­antwortlich, die Aufgaben wären nicht erfüllbar. Ich frage mich: Was ist seit damals passiert? – Eine Aussage in einer „Pressestunde“ kann doch nicht die Aufgaben­situation verändert haben. (Zwischenruf des Abg. Eder.)

Wir wollen, dass der Katastropheneinsatz, so, wie dies 2002 der Fall war, vollinhaltlich aufrechterhalten bleibt, wir wollen, dass der Assistenzeinsatz, so lange er notwendig ist, voll aufrechterhalten wird. – Und das geht nicht mit den 10 000 Soldaten, die Sie garantieren, Herr Verteidigungsminister, denn damals, 2002, waren allein 12 000 Sol­daten im Assistenzeinsatz in Niederösterreich und im Burgenland.

Ich weiß, dass man in der Sicherheitspolitik manchmal auch unpopuläre Forderungen stellen muss, aber Verantwortung ist auch ein Credo in der Politik. Wir stehen dazu, und ich hoffe, dass wir irgendwann auch in dieser Frage einen Konsens im Hohen Haus zusammenbringen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.17


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Auch Ihre Redezeit, Herr Klubobmann, beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 



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15.17.12

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Bei diesen Diskussionen ist eines auffällig – das sage ich jetzt einerseits selbstkritisch, aber auch kritisch gegenüber den Regierungsparteien: Natürlich neigen Oppositionsparteien dazu, die Regierungsfraktionen für alles, was irgendwie negativ passiert, verantwortlich zu machen, aber umgekehrt, Herr Kollege Molterer, scheint mir das Bedürfnis der Regierungsparteien, sich selbst dafür verantwortlich zu machen, was alles in diesem Land positiv läuft, noch viel ausgeprägter zu sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Molterer, was Sie alles aufgezählt haben: Wir haben uns verbessert – sowieso! Ich bin der Letzte, der bestreitet, dass sich in diesem Land in den letzten Jahren, Gott sei Dank, doch auch einiges verbessert hat, die Frage ist nur: Verbessert sich etwas trotz einer Regierung – irgendeiner Regierung, da meine ich jetzt gar nicht Sie persönlich – oder wegen einer Regierung? Ist das irgendwie so indifferent da­zwischen?

Wir alle machen uns doch keine Illusionen darüber, wie viel Politik wirklich bewegen kann – alles doch sicher nicht! Wenn mir das Wetter nicht passt, greife ich nicht zum Telefonhörer, rufe die APA an und sage: Unerhört! Die Bundesregierung hat versagt. (Abg. Dr. Stummvoll: Da schmunzelt er selbst!) – Nein, wirklich nicht! (Abg. Dr. Stummvoll: Cap schon!) Aber verschonen Sie uns doch damit, flächendeckend aufzuzählen, was in diesem Land, in Österreich, alles großartig, wunderbar und ein­malig ist! Da fallen mir auch genug Beispiele ein, völlig jenseits irgendeiner Bundes­regierung, auch der schwarz-blauen. (Beifall bei den Grünen.)

Das gilt auch für Herrn Bundeskanzler Schüssel. Es ist schön, wenn die „Neue Zürcher Zeitung“ am Samstag geschrieben hat: Dieses Land östlich der Schweiz, seine Bewoh­ner und Bewohnerinnen, die sind ordentlich gut drauf in verschiedener Beziehung. – Das freut mich auch. Wieso denn nicht? Es ist gut, wenn das in der „Neuen Zürcher Zeitung“ steht, und es wäre schön, wenn es auch einmal im „Spiegel“ stünde, der die öster­reichische Art des Understatements und die österreichische Art des Humors traditionell nie ganz verstanden hat.

Aber gibt es nicht in verschiedenen Bereichen eine Kluft zwischen dem, was über­wältigende Teile der Bevölkerung wollen, und dem, was die Bundesregierung macht? Eine Kluft oder, wie soll ich sagen, eine Divergenz zwischen dem, was sich in Öster­reich entwickelt – wirtschaftspolitisch, gesellschaftspolitisch entwickelt –, und dem, was die Bundesregierung dazu beiträgt oder auch nicht beiträgt? – Meine persönliche Theorie ist, wir haben in Österreich viel mehr mit Norditalien gemeinsam, als wir vielleicht wahrhaben wollen. Nämlich: Die Wirtschaft, die Betriebe, die Arbeitneh­merinnern und Arbeitnehmer, die Gewerkschaften machen schon ganz gut ihr Geschäft, man muss sie aber auch lassen. Die Politik ist nicht für alles verantwortlich, aber für einiges schon.

Ich gebe Ihnen zuerst ein kleines Beispiel, um zu einem vielleicht breiter inter­essieren­den überzugehen. Gestern Abend waren einige KollegInnen und ich in Oberwart, dort gibt es eine Ausstellung, es werden Theaterstücke aufgeführt. Warum? – Wir haben ja nicht nur 50 Jahre Staatsvertrag, wir haben nicht nur fünf Jahre Schwarz-Blau – das eine ist zu feiern, das andere weniger (Abg. Neudeck: Die Mehrheit feiert auch das!) –, wir haben auch einen Trauergedenktag im Jahre 2005, nämlich zehn Jahre Anschlag in Oberwart, als ein rechtsextremer Mörder eine Bombe gelegt hat, der vier Angehörige der in Oberwart ansässigen Roma zum Opfer gefallen sind.

Inzwischen kann man, so glaube ich, mit der gebotenen Vorsicht sagen: Dieser Mörder hat das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte: Die Verhältnisse haben sich


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eindeutig gebessert! Die Distanz, das gegenseitige Abschotten zwischen der Mehr­heits­bevölkerung und der Roma-Gruppe hat sich eindeutig verbessert, das Schweigen ist aufgebrochen, wenn man das so nennen darf. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Wir wurden zum Beispiel in dieser Ausstellung, die sich mit dem Anschlag befasst, von einer Gruppe von Jugendlichen geführt, die zum überwiegenden Teil, glaube ich, der Sozialistischen Jugend oder dem Verband Sozialistischer Mittelschüler oder was auch immer, jedenfalls unseren roten Freunden und Freundinnen angehören. (Abg. Mag. Molterer: Die habt ihr!) Ein Teil davon ist aus der Roma-Gruppe, aber der andere Teil nicht. Das finde ich eine großartige Initiative! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Der Bürgermeister von Oberwart, meines Wissens der SPÖ zugehörig, fördert diese Bestrebungen – nicht immer ohne Schwierigkeiten mit seiner Klientel –, wir begrüßen das. Aber was tut die Bundesregierung? – Die Bundesregierung streicht im selben Atem­zug, da diese positive, absolut begrüßenswerte Entwicklung passiert, Förderun­gen für die Roma in Oberwart, darunter ein wichtiges wirtschaftspolitisches Projekt, das eine positive Begutachtung durch das Wirtschaftsforschungsinstitut erfahren hat. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Das meine ich: Die gesellschaftspolitische Realität, die gesellschaftspolitische Ent­wicklung in Österreich hat sehr viele positive Facetten in den letzten fünf, auch in den letzten zehn oder zwanzig Jahren. Die Bundesregierung ist nicht dafür verantwortlich. Jedenfalls fallen mir als Oppositionspolitiker, als Linksliberaler – das gebe ich zu – eher Gegenbeispiele ein.

Nehmen wir ein anderes Beispiel! Es gibt in Österreich jetzt, im Gegensatz zum Zustand vor 40 oder 50 Jahren, einen breiten Konsens einer überwältigenden Mehr­heit, dass Frauen am Erwerbsleben teilnehmen sollen, wenn sie es wollen – und die allermeisten wollen es –, dass sie Karriere genau wie die Männer machen können und dass es nicht ihre Rolle ist, eine Art Zuverdienst, sozusagen die nächste Wurstsemmel zu verdienen, sondern exakt die gleichen Chancen wie die Männer zu haben. Ich begrüße das ausdrücklich, weil ich einer Generation angehöre, für die das, als ich 20 oder sogar noch 30 war, oder sagen wir doch 20, eben nicht selbstverständlich war.

Das ist die gesellschaftspolitische Realität. Und was tut die Bundesregierung? Haben Sie registriert, dass die Chancen der Frauen auf Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Karenz beziehungsweise nach dem Kinderkriegen gefallen sind, schwieriger geworden sind? (Abg. Mag. Wurm: Ja!) Dass 50 Prozent der Frauen die größten Schwierigkeiten haben, in irgendeiner Form wieder einzusteigen, ein Viertel allenfalls dort anknüpft, wo sie im Karriereleben vor der Geburt des Kindes waren? – Und wenn die anderen drei Viertel wieder einsteigen, müssen sie sich mit Teilzeitbeschäftigung, mit einer schlechter qualifizierten Position, mit geringerem Einkommen und so weiter begnügen. Dann wirkt sich das natürlich, kein Wunder, im Lebenseinkommen und eines Tages auch in der Pension aus. Haben Sie zur Kenntnis genommen, nämlich auch im EU-Vergleich, dass Österreich hier an die letzte Stelle zurückgefallen ist? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Na, na, na!)

Finden Sie das witzig, Herr Kollege von der ÖVP? (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Ich weiß nicht, hat da jemand laut „Ha ha ha“ gesagt; falls es die Fern­sehzuschauer nicht mitbekommen haben? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mir ist das ernst, und den Grünen ist das ernst. Es handelt sich hier nicht nur um eine Menschenrechts- und Bürgerrechtsfrage, sondern um eine schlichte wirtschaftliche Frage: Hier wird Humankapital in größtem Ausmaß vernichtet! Zuerst wird in die Bildung und Ausbildung von Mädchen genauso wie von Buben investiert, Gott sei


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Dank – auch an den Universitäten sind die Geschlechterverhältnisse ungefähr pa­ritätisch –, und dann? – Dann werden diese Fähigkeiten für die Mädchen, für die jungen Frauen, statistisch gesehen, nicht in gleichem Maße verwertet wie die von Männern. Das ist unerträglich!

Alsdann, jammern wir nicht! Was ist mit den Maßnahmen? – Gehen wir die Maß­nahmen an! Wir brauchen eine bessere vorschulische Kinderbetreuung. Wir brauchen mehr Formen von Ganztagsbetreuung in der Schule. Können wir darüber nicht einen Konsens finden? Können wir darüber nicht endlich europäische Vorbilder hernehmen und sagen: okay, wir sind da und dort Spitze, mag schon sein – hoffentlich! –, aber schauen wir uns ganz konträre Länder an, das eher konservative Frankreich mit der École Maternelle für die vorschulische Betreuung, und die skandinavischen Länder mit der Kinderbetreuung ganz allgemein? Die haben offensichtlich ganz andere Möglich­keiten, Erwerbsleben, Familie und Kinder zu vereinbaren. Tun wir das doch endlich gemeinsam in diesem Parlament! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wie Sie sehen, lege ich hier einen Zettel nach dem anderen beiseite; ich spreche sehr langsam, das ist bekannt. Herr Scheibner, ärgern Sie mich nicht nachher damit, dass ich so wenig gesagt habe, das ist nun einmal mein Stil.

Deswegen nur noch ganz kurz zur Bildung und zur PISA-Studie: Hier wissen wir doch alle, wie die Ergebnisse waren, ich brauche sie nicht zu wiederholen. Wir wissen insbe­sondere, dass rund ein Fünftel der 15-Jährigen, so wie sie derzeit das Pflicht­schulwesen verlassen, katastrophale Voraussetzungen für ihr künftiges Arbeitsleben hat. Wir müssen darauf in Kürze, sofort reagieren! Einige Maßnahmen werden heuer schon greifen, einige in zwei Jahren, einige vielleicht in vier Jahren. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Der Herr Präsident mahnt mich zum Schlusssatz. – Ich appelliere an Sie in diesen wichtigen, gemeinsamen Fragen: Wir haben keine Allmachtphantasien, wir wissen, wie wenig Politik vielleicht unterm Strich bewegen kann. Aber dort, wo sie bewegen kann: Tun wir es doch endlich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Herzlich willkommen!)

15.27

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Bundesministerin Haubner. Ihre Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte.

 


15.27.54

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen in der Bun­desregierung! Ich bin eigentlich immer dankbar, wenn eine Sondersitzung einbe­rufen wird, da die Regierung die Chance hat, auch das darzustellen, was geschehen ist beziehungsweise welche Zukunftsvisionen man hat.

Aber wenn ich heute die Rhetorik der großen Oppositionspartei verfolge, die von Ver­bitterung, einer gewissen Verzweiflung und, damit verbunden (Abg. Parnigoni: ... Ihr Bruder!), einer sehr persönlichen Untergriffigkeit beherrscht ist (Zwischenrufe bei der SPÖ), dann ist es, glaube ich, heute ein anderer Grund, dass diese Sondersitzung ein­berufen wurde, nämlich ganz einfach der Grund, dass Sie darüber verbittert und verzweifelt sind, nicht einer Regierung anzugehören, die in den letzten fünf Jahren den Weg richtig beschritten hat (Abg. Schopf: Die die Pensionen gekürzt hat!) und die vor allem in den internationalen Vergleichen absolut punktet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch –


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 in Richtung des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer –: Können Sie das auf Hoch­­deutsch auch sagen?)

Ich verstehe auch Ihre Verzweiflung, wenn in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unter dem Titel „Wiener Wendejahre“ steht, dass die FPÖ in dieser Regierung mit einer Politik für den „kleinen Mann“ sozialdemokratischer agiert als jemals die SPÖ. (Zwi­schenruf des Abg. Eder.) Ich habe hier ein gewisses Verständnis.

Meine Damen und Herren! Der Weg, den diese Regierung eingeschlagen hat, ist ein richtiger und guter, weil er geprägt ist von einem großen Sicherheitsverständnis und weil er geprägt ist von einem großen sozialen Gewissen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sicherheit in unserem Land, meine Damen und Herren (Abg. Heinzl: ... Ihr Bruder auch schon?), ist im Sinne der Landesverteidigung Schutz und Hilfe für unser Land. (Abg. Heinzl: Sagen Sie das einmal Ihrem Bruder!) Sicherheit im Sinne der inneren Sicherheit ist Bekämpfung der Kriminalität, und da haben wir, denke ich, in den letzten zwei Jahren doch einiges vorzuweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Warum steigen Sie nicht ...?) Ich denke in diesem Zusam­menhang auch an das neue Sicherheitspolizeigesetz (Abg. Heinzl: ... einmal den Jörg hören!), wobei es gerade für uns Freiheitliche in dieser Regierung ein großes Anliegen gewesen ist, dass Schutzzonen und Videoüberwachung eingeführt werden.

Wir werden aber auch weiter darauf achten, dass in dieser Regierung gemeinsam ein gutes neues Asylgesetz geschaffen wird, das weitere Verschärfungen beinhaltet, einer­seits hinsichtlich eines besseren Schutzes und der Hilfe für jene Flüchtlinge, die dies wirklich brauchen, aber damit vor allem gleichzeitig jene, die Asyl missbrauchen, strikt bestraft werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wenn wir Missbrauch verhindern, dann können wir jenen mehr helfen, die ein Anrecht haben, bei uns zu sein.

Meine Damen und Herren! Wie wichtig eine klare und ehrliche Aussprache in Sicher­heitsfragen ist, zeigt einmal mehr das Land Kärnten. Kärnten hat ja vor einigen Mona­ten die Artikel-15a-Vereinbarung bezüglich der Anzahl der zu betreuenden Flüchtlinge aus gutem Grund gekündigt. Frau Bundesminister Prokop hat diesem Einspruch Recht gegeben und hat die Kärntner Zahlen hinsichtlich der Quote bestätigt, sodass diese Kündigung und Vereinbarung gestern zurückgenommen werden konnte. Das ist auch eine Vorgangsweise, wie man in Sicherheitsfragen miteinander umgeht und wie man die Dinge miteinander abspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ein Problem ist der überproportionale Anteil ausländischer Straftäter in unseren Gefängnissen. Das ist ein Auftrag an die Justiz, und unsere Bun­desministerin Karin Miklautsch hat in dieser Lage bisher hervorragend reagiert. Dafür hat sie mehr Personal bekommen, es wird aber auch in Zukunft zusätzliches Personal notwendig sein. Wir bekennen uns auch hier zu einer gemeinsamen Vorgangsweise, denn Sicherheitsfragen sind so breit gestreut und müssen auch gemeinsam getragen werden.

Nun zur sozialen Sicherheit: Die soziale Sicherheit ist jener Bereich, in dem wir den größten Fortschritt erreicht haben. (Abg. Öllinger: Ah so?) Wir setzen eine Sozial­politik – und das zeigt auch der Bericht zur sozialen Lage –, die ganz klar an den Verbesserungen für die Familien angelehnt ist, für die Kinder, für die jungen Menschen und vor allem auch für die Senioren. (Abg. Silhavy: ... war Sozialabbau, Frau Minis­terin! – Abg. Heinzl: Eine Million arme Menschen gibt es in Österreich! Eine Million arme Menschen! – Abg. Parnigoni – in Richtung Freiheitliche –: Weil es die Wahrheit ist!)


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Meine Damen und Herren! Wir geben erstmals den Menschen die Antwort darauf, was uns die demographische Entwicklung zeigt: dass wir Gott sei Dank immer älter werden, dass wir länger in der dritten Lebensphase sind und dass wir mehr Mut zu Kindern und mehr Mut zur Familie brauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Hier geben wir Gerechtigkeit in einem Pensionssystem, das künftig transparent und gleich­wertig für alle ist. Wir geben aber auch eine Antwort darauf für jene, die lange ver­sichert sind, die schwerst arbeiten, die berufsunfähig sind, dass sie einen leichteren Zugang zur Pension haben.

Wir geben endlich den Frauen auch das, was ihnen zusteht, nämlich Pensionszeiten für Kinderbetreuung, was vergangene Regierungen nicht gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Und wir geben ihnen ein zusätzliches Einkommen für die ersten drei Lebensjahre in Form des Kinder­betreuungsgeldes.

Weil Herr Klubobmann Van der Bellen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ange­sprochen hat: Das ist ein großes Anliegen dieser Regierung. Hier haben wir gerade mit dem Kinderbetreuungsgeld – was Zahlen uns schon beweisen – gezeigt, dass im Jahr 2000 Bezieherinnen des Karenzgeldes zu ungefähr 13 Prozent geringfügig beschäftigt waren; mittlerweile ist es so, dass 12 Prozent geringfügig beschäftigt sind und 49 Pro­zent bereits über der Geringfügigkeitsgrenze arbeiten können. Dies ist daher auch ein Zeichen, dass beides vereinbar ist, bei Bezug des Kinderbetreuungsgeldes einen Maßstab entsprechend zu setzen.

Meine Damen und Herren! Der eingeschlagene soziale sichere Weg dieser Regierung unter freiheitlicher Partnerschaft, unter freiheitlicher Beteiligung (Abg. Schopf: Ist ge­scheitert!) ist ein guter Weg, den wir weitergehen. Wenn Sie sich den Bericht zur sozialen Lage ansehen, dann steigen unsere Sozialausgaben, dann steigen unsere Sozialquoten. Wir zeigen damit, dass die Politik dort Geld einsetzt, wo es unbedingt notwendig ist, für jene Menschen, die es brauchen. (Abg. Mandak: Nein, das stimmt nicht, Frau Ministerin!) Dieses Netz werden wir weiterknüpfen (Abg. Öllinger: Schön wär’s!), und davon wird uns niemand abbringen. – Danke. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

15.35


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


15.36.04

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich denke, dass die Wichtigkeit der heutigen Sitzung allein dadurch augenscheinlich geworden ist, dass man gesehen hat, dass das eine die zele­brierte und peinliche Regierungspropaganda ist, das andere aber die reale Lebens­situation, wie sie die Menschen in Österreich vorfinden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Auch ich bin davon überzeugt, dass, wie erfolgreich eine Politik ist, daran gemessen wird, wie es den Menschen geht. Daher haben wir uns zu Recht damit zu befassen: Geht es den Menschen heute, nach fünf Jahren Schwarz-Blau, besser oder schlechter als vor fünf Jahren? (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Besser!)

Ich finde es schon interessant, wenn wir heute Zitate aus der „Frankfurter Allgemeinen“ und aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ hören – konservativen, neoliberalen Auslands­blättern, das ist das eine –, aber ich glaube, Sie haben die verdammte Verpflichtung, sich mit der Lebenswahrnehmung der Österreicherinnen und Österreicher zu befassen und sich nicht mit irgendwelchen Auslandsblättern zu schmücken, meine sehr geehrten


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Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: „Blättchen“? Haben Sie „Blättchen“ gesagt? Zur „Neuen Zürcher“ „Blättchen“?)

Wenn Sie uns nicht Glauben schenken wollen, möchte ich Ihnen ein paar Umfragen in Erinnerung rufen. Die Menschen haben ein Recht, selbst zu bewerten, wie sie Ihre Politik finden. Wir haben hier eine Umfrage, veröffentlicht Ende des Jahres in der Zeit­schrift „Standard“ – keine SPÖ-Umfrage –, mit der Frage: Ist in den letzten fünf Jahren die Kluft zwischen Reich und Arm größer geworden? Hat sich diese Kluft verbessert oder verschlechtert? – Ich sage Ihnen: 63 Prozent der Österreicher und Österreiche­rinnen sagen, sie hat sich verschlechtert, und nur 5 Prozent sagen, verbessert. Das ist der Befund der Bevölkerung! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Befund setzt sich fort bei der Frage: Wie geht es dem breiten Mittelstand in unserem Land? Hat sich die Situation des breiten Mittelstands in den letzten fünf Jahren, Regierungsverantwortung Wolfgang Schüssel, eigentlich verbessert oder ver­schlechtert? – 48 Prozent sagen, massiv verschlechtert, und nur 8 Prozent sagen, verbessert. Die Bilanz ist eine klare, sie hat sich für viele Menschen in diesem Land durch Ihre falsche Politik negativ entwickelt. Die Menschen spüren, dass Ihre Politik in die falsche Richtung geht, sie spüren das tagtäglich in ihrem Leben.

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie sagen, die Realeinkommen haben sich erhöht, muss ich sagen: Ihres vielleicht! Die Realeinkommen der Menschen haben sich nicht erhöht, sondern die Menschen können sich in diesem Land immer weniger leisten, weil Sie die Inflation, die auch von Ihnen verursacht wurde, plus die massiven Belastungen nicht zum Abzug bringen. Das ist ein Zahlenspiel auf dem Rücken der Menschen. Sie können sich heute leider weniger leisten, als das noch vor fünf Jahren der Fall war. (Beifall bei der SPÖ.)

Insbesondere die älteren Menschen bekommen Ihre falsche Politik zu spüren. Ihre falsche Politik wird auf dem Rücken der älteren Generation ausgetragen, der wir gerade im Jubiläumsjahr verpflichtet sein sollten. Diese falsche Politik spüren die älte­ren Menschen. Es hat in Ihrer Regierungszeit kein einziges Jahr gegeben, in dem die Pensionen in der Höhe der Inflationsrate angepasst wurden. Jedes Jahr Pensions­anpassungen unter der Inflationsrate, das heißt: Jedes Jahr Pensionskürzungen für die ältere Generation, der wir eigentlich zur Dankbarkeit verpflichtet wären! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie selbst, Frau Ministerin, haben die Armutsgefährdung angesprochen, Sie selbst haben einen Armutsbericht veröffentlicht. Es ist dramatisch: Allein in den letzten zwei Jahren sind 160 000 Menschen mehr von Armut gefährdet, jeder Achte in Österreich lei­det unter Armut. Sie gehen den Weg in die Zwei-Klassen-Medizin. Es ist eindeutig eine Bilanz des völligen Versagens, die Sie zu verantworten haben. Und – es ist kein Zufall – am Jahrestag von fünf Jahren schwarz-blauer Regierung gibt es eine ganz traurige Bilanz: 364 082 Menschen in unserem Land haben keine Arbeit, finden keinen Job.

Daher haben Sie, Herr Bundeskanzler, sich die Frage zu stellen: Warum jubeln Sie, wenn unter Ihrer Regierung 70 000 Menschen mehr keine Arbeit haben? Warum jubeln Sie, wenn in Ihrer Amtszeit die Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen um sage und schreibe 57,8 Prozent gestiegen ist? Und warum jubeln Sie, wenn im Jahr 2004 5 375 Jugendliche keine Lehrstelle gefunden haben?

Herr Bundeskanzler, ich sage Ihnen, nicht Sie lieben das Land, immer mehr Menschen sagen, Sie lieben nur sich selbst, und immer mehr Menschen in diesem Land lehnen Ihre Teilnahmslosigkeit, Ihre Abgehobenheit und Ihre Selbstgefälligkeit ab. Ich sage


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Ihnen, immer mehr Menschen wünschen sich zu Recht eine neue soziale Regierung, denn Österreich hat sich etwas Besseres als Sie verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

15.41


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindel­egger. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


15.41.48

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglie­der der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt drei Redner der Sozialdemokraten gehört, und in diesen drei Reden wurde der Jammerzustand der Situation beschrieben, aber kein einziger Vorschlag gemacht, wie man es anders machen kann. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer – mit beiden Händen die Höhe von etwa 25 Zentimeter andeutend –: Versuch wenigstens, dich zu informieren! So einen Stoß!) Das ist ein Sinnbild, das sich von einer Sondersitzung zur anderen zieht. Ich bedauere das, meine Damen und Herren, denn das ist keine Diskussion für dieses Haus. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und Gegenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Zum Zweiten möchte ich schon Folgendes festhalten: Sie, Frau Kollegin Bures, reden von der Lebenssituation der Menschen. Genau darauf, was sich in diesen fünf Jahren verändert hat, möchte ich eingehen, gerade als ein Vertreter der Arbeitnehmer, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Matznetter: Da sind Sie aber auf der falschen Ver­anstaltung!)

In diesen fünf Jahren hat sich verändert, dass jeder Arbeitnehmer zukünftig eine Abfertigung bekommt. Was mit Ihnen über viele Jahre nicht möglich war, ist in diesen fünf Jahren beschlossen worden. Jeder Arbeitnehmer bekommt für jeden Monat, den er arbeitet, einen Beitrag. Das heißt: Abfertigung sichern, Zusatzpension ermöglichen. (Abg. Mag. Darabos: Das glaubt Ihnen keiner!) Ein Erfolg dieser Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum Zweiten: Für uns war und ist Familie ein ganz besonderes Thema. Mit Ihnen war es nicht möglich – wir haben ein Kinderbetreuungsgeld eingeführt. Wir haben ein Recht auf Elternteilzeit eingeführt. (Abg. Dr. Matznetter: Sie haben das Karenzgeld abge­schafft!) Meine Damen und Herren! Das ist für die Lebenssituation und für das Lebensinteresse der Familien von ganz entscheidender Bedeutung. (Abg. Dr. Matz­netter: Das zeigt, dass Sie keine Ahnung haben!) Das ist in dieser Bundesregierung beschlossen worden, das hat die Situation verändert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum Dritten, meine Damen und Herren: Wir haben eine Steuerreform 2004 und 2005 beschlossen, die klar gezeigt hat, dass jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin etwas davon hat, mit der Besonderheit, dass diejenigen, die ein geringes Einkommen haben, besonders viel an Steuerersparnis bekommen, und zwar durch eine neue Durchschnittsbesteuerung, die wir eingeführt haben. (Abg. Dr. Matznetter: Das wirkt sich so aus, dass der Portier bald mehr Steuer bezahlt als der Unternehmer! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Dr. Matznetter und Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dass das die größte Steuerreform ist, die jedem mehr Geld zum Leben lässt, das soll kein Erfolg sein, das soll kein Lebensinteresse der Öster­reicher sein? Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall. Das sind die Lebensinteressen der Österreicherinnen und Österreicher, für die Maßnahmen in diesen fünf Jahren getroffen wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte durchaus noch einen Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, anführen. Wir haben in diesen fünf Jahren auch ein Thema aufgegriffen, das in ganz Europa dis-


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kutiert wird. Wir haben ein Thema aufgegriffen, das heißt Familienhospizkarenz, das heißt, dass jemand, der seine Angehörigen auf dem letzten Weg begleiten will, dazu auch eine Möglichkeit hat. Andere Länder, die von Sozialdemokraten geführt sind, haben als Antwort die Sterbehilfe gegeben. Das lehnen wir grundsätzlich ab. Ich glaube, dass dieser Weg der Familienhospizkarenz die richtige Antwort auf die Lebens­interessen der Österreicherinnen und Österreicher ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

Es ist, meine Damen und Herren, in wenigen Worten bewiesen, dass in diesen fünf Jahren viel geschehen ist, gerade für die Lebensinteressen in diesem Land (Abg. Silhavy: Sie haben erreicht, dass viel mehr Menschen in Armut leben! Auch das ist passiert!), aber ich weiß, dass wir in vielen Punkten neue Programme, neue Per­spektiven, neue Impulse setzen müssen, gerade beim Thema Arbeitslosigkeit, das uns allen große Sorgen macht. Da ist es aber nicht die österreichische Politik, die versagt, meine Damen und Herren, denn wir haben zwar über 300 000 Arbeitslose, im Vergleich zu den anderen Ländern aber eine relativ geringe Arbeitslosenrate. (Abg. Dr. Matznetter: Der Zuwachs bei uns ist doppelt so hoch wie in Deutschland! Das ist Ihre Bilanz! Ist Ihnen das nicht klar, Herr Spindelegger?) Der europäische Motor ist es, der stockt. Da müssen wir uns alle hinsetzen und überlegen, was wir dagegen tun können, sodass er wieder ordnungsgemäß arbeitet. Und dass Arbeit geboten wird in diesem Land, dafür stehen wir, dafür werden wir uns ganz besonders einsetzen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber das hier alles mit Polemik, die von Ihrer Seite kommt, meine Damen und Herren, schlechtzumachen, das hat dieses Hohe Haus nicht verdient. Wenn ich die Kritik, die Sie geäußert haben, mit der Kritik, die Kollege Van der Bellen geäußert hat, vergleiche, muss ich sagen, da liegen schon Welten dazwischen, meine Damen und Herren. Da möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Pro­fessor Van der Bellen, der auch kritisch ist, aber in einem Stil und in einer Art und Weise, die in diesem Hohen Haus angebracht sind, und nicht mit Hasstiraden, die teilweise von Ihrer Richtung kommen und die uns allen schaden, nicht nur Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte zum Schluss auch noch jenes Thema behandeln, hinsichtlich dessen Sie den Eindruck erwecken wollten, es wäre der Anlass für die Sondersitzung: die Frage der Verkürzung des Wehrdienstes. Da sind Sie uns kein Vorbild, denn Sie haben vor 35 Jahren einen Wahlkampf geschlagen unter dem Titel: „Sechs Monate sind genug!“ Geworden sind daraus acht Monate Präsenzdienst. (Abg. Dr. Matznetter: Und wie viel waren es vorher?) Wir versprechen sechs Monate Präsenzdienst, und wir machen sechs Monate Präsenzdienst. Das, meine Damen und Herren, ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik! (Beifall bei der ÖVP.)

15.46


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. (Abg. Dr. Matznetter – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dipl.-Ing. Scheuch –: Hochdeutsch, Herr Kollege!)

 


15.46.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Kollege Cap, Sie haben heute die ganze Zeit versucht, irgendwie die Symbolkraft zwischen dem „V“ und irgendwelchen Worten herzustellen. Zu Ihnen fällt mir auch ein Wort mit „V“ ein: verbraucht. In Wirklichkeit ist das Politik von gestern – wir machen Politik von heute und von morgen.


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Das einzig Positive, das mir bei Ihrer Rede aufgefallen ist, war: Vor einigen Jahren haben Sie wenigstens noch Bruno Kreisky, Hannes Androsch oder andere rote Kapa­zunder zitiert, heute zitieren Sie bereits Jörg Haider. Das heißt, Sie sind auf dem richtigen Weg, noch einmal ein guter Politiker zu werden. (Beifall bei den Frei­heit­lichen.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat heute in seiner Rede so wie auch im „Format“ von 30 Bereichen gesprochen, die besser geworden sind – 21 davon sind besser geworden. Ich möchte eines dazu sagen: Diese 21 sind aber nicht nur wegen der ÖVP besser geworden, diese 21 sind nicht nur wegen des Bundeskanzlers besser geworden, sondern ganz besonders besser geworden sind sie, so glaube ich, durch die freiheitliche Regierungsbeteiligung. Die ÖVP war ja vor dem Jahr 2000 auch bereits in der Verantwortung (Abg. Scheibner: Da war es leider mit der SPÖ!), aber es hat, meine geschätzten Damen und Herren, den freiheitlichen Reformmotor gebraucht, es hat diese treibende Kraft gebraucht, für die wir auch sehr oft bestraft werden, für die uns die Medien sehr oft schlagen, weil natürlich das eine oder andere nicht in Ordnung geht, weil es natürlich immer wieder Probleme gibt, die wir beseitigen müssen. Aber wir haben diese Reformen ermöglicht. Ich denke an die Harmonisierung der Pensionssysteme, ich denke an die Steuerreform, ich denke an das Kindergeld, ich denke an die Abfertigung-neu für Arbeiter und Angestellte, ich denke an die massive Besserstellung der Frauen. In Summe haben sich diese fünf Jahre mehr als ausgezahlt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da man in den letzten Tagen sehr stark über das Koalitionsklima zwischen ÖVP und FPÖ diskutiert hat und die SPÖ ja schon eine Krise herbeigerufen hat (Abg. Grad­wohl: Du! Du hast von Koalitionskrise gesprochen!), möchte ich eines ganz klar sagen, lieber Heinz Gradwohl: Ich bleibe auch dabei, dass diese Geschichte rund um die Wehrdienstverkürzung das Klima zwischen ÖVP und FPÖ nicht gerade verbessert hat, ich bleibe auch dabei, dass wir ganz klar diese thematische Abgrenzung brauchen. Unser Klubobmann hat es klar gesagt: Wir sind nicht für diese sechs Monate. Aber wir sind nicht deswegen dagegen, weil wir hier Wahlzuckerln verteilen wollen oder nicht, sondern weil uns die Sicherheit ein Anliegen ist, weil es sicherheitspolitische Gründe gibt wie etwa die Sicherung der Außengrenze, den Katastrophenschutz und vieles mehr. Wir bekennen uns aber ganz klar zu dieser Regierung, denn – das habe ich vorhin schon gesagt – es braucht genau diese freiheitliche Kraft, es braucht genau diese freiheitliche Beteiligung. Ohne diese wird in Zukunft wahrscheinlich gleich wenig gehen wie vor dem Jahr 2000. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Darabos: Also Koalitionskrise gibt es keine?)

Einige Eckzahlen aus dem „Format“ – Sie wurden heute bereits genannt –, ich habe mir ein paar herausgeschrieben, und die sollten Sie alle sich ins Stammbuch schrei­ben. (Abg. Mag. Darabos: Gibt es jetzt eine Koalitionskrise oder gibt es keine?) – Herr Kollege Darabos, ich kann nichts dafür, dass Sie auf der Oppositionsbank sitzen müssen. Solange Sie keine konstruktivere Politik anbieten, werden Sie dort sitzen bleiben.

Das Durchschnittseinkommen stieg von 1 560 € auf 1 670 €. Bei den Beamten erfolgte ein Abbau von 218 000 auf 180 000. Beim Wohlstand verbesserten wir uns laut OECD von Platz neun auf Platz sechs. Die Zahl der Einbürgerungen ist von 8 700 auf 8 000 gesunken. Die Ausgaben in der Forschung wurden fast verdoppelt. Die Zahl der Stu­dienanfänger stieg von 33 000 auf 39 000. Die Bildungsausgaben wurden von 7,5 Mil­liarden € auf 9 Milliarden € erhöht.

Im Gegensatz dazu, meine geschätzten Damen und Herren, kann man auch ein paar Beispiele roter Führungsqualität ins Bild bringen. Ein beliebtes Beispiel ist das von


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Bürgermeister Häupl regierte Wien: höchste Arbeitslosenquote, katastrophale Zahlen in der Beschäftigungspolitik, höchste Gebühren für Kanal, Strom und Wasser. Im Großen und Ganzen zieht mittlerweile Wien den Rest von Österreich bei den Durch­schnittszahlen hinunter. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn man über die Bundesebene hinausschaut: In Deutschland gibt es 5 Millionen Arbeitslose, massive Abstriche im Sozialbereich – ich denke an Hartz IV –, weniger Geld in den Taschen der Bürger.

Im kleineren Bereich gibt es auch Beispiele, wo Mitglieder des Hohen Hauses regieren. Ich denke an das Frauenhaus in Klagenfurt und die Vorwürfe gegen Frau Trunk. (Abg. Dr. Kräuter: Erzähl was über das Stadion in Klagenfurt!) In den Zeitungen steht wortwörtlich: Mobbing, Diffamierung, falsche Vorwürfe. Trunk hat das Frauenhaus nicht im Griff. Es gibt massive Vorwürfe. (Abg. Dr. Kräuter: Erzähl uns etwas über das Stadion in Klagenfurt!) Man sieht eines: Wo die SPÖ regiert, ist leider die Qualität der Regierung entsprechend schlecht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch wenn man es allgemein betrachtet, meine geschätzten Damen und Herren, ist es nicht anders. Ich denke zurück: Sanktionen gegen Österreich, parteipolitisch motivierte und zum Teil bezahlte Demonstranten jeden Donnerstag auf der Straße gegen eine demokratisch gewählte Regierung – das ist nicht mein Verständnis von Demokratie –, Nestbeschmutzung auf Kosten eines hervorragenden Rufes dieses Landes, dieser Heimat.

Ich habe irgendwann einmal einem Demonstranten diese rote Pfeife abgenommen. (Der Redner hält ein kleines rotes Pfeiferl in die Höhe. – Abg. Mag. Wurm: Was heißt „abgenommen“? Wer sind Sie eigentlich, dass Sie jemandem etwas „abnehmen“?) Diese rote Pfeife ist für mich das Symbol für eine schlechte und für eine diffamierende Politik der SPÖ gegen ihre eigene Heimat. (Abg. Gradwohl: Was heißt „abnehmen“?)

In diesem Sinne, meine geschätzten Damen und Herren: nicht nur die rote Pfeife, auch die rote Karte für Ihre Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.52


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Sburny. 5 Minuten Redezeit. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


15.52.20

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Herr Kollege Spindelegger, vielen Dank für das Lob für die Rede von Alexander Van der Bellen. Uns hat er auch am besten gefallen. Vielleicht sollte er Kanzler werden? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Murauer: Das ist ja subjektiv!) Er hat das gesagt.

Herr Bundeskanzler! Sie haben zu Beginn Ihrer Rede die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zitiert, die den wirtschaftlichen Höhenflug Österreichs beschreibt, und haben gesagt: „Und dieses Land lieben wir“.  – Aber was ist eigentlich mit dem Teil des Landes, der von diesem Wirtschaftswachstum nicht profitiert (Abg. Murauer: Das gesamte Land!), der immer ärmer wird, der armutsgefährdet ist? Was ist mit diesem Land? Lieben Sie dieses Land auch? (Abg. Murauer: Ja!) Was ist mit den Allein­erzieherInnen, mit den Frauen, die zunehmend von Arbeitslosigkeit bedroht sind, mit den StudentInnen, die katastrophale Bedingungen an den Universitäten vorfinden? Was ist mit diesem Teil des Landes, Herr Kanzler? Lieben Sie den auch, oder lieben Sie nur das Österreich der Reichen und Schönen, die es sich richten können? (Beifall bei den Grünen.)


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Mir ist das absolut unverständlich, mit welcher Selbstgerechtigkeit und zum Teil auch Überheblichkeit sich hier auch Mitglieder der Regierungsfraktionen herstellen und in Selbstlob ausbrechen können. Denn Tatsache ist, dass Österreich ziemlich gespalten ist und zunehmend gespalten ist unter Ihrer Regierungsherrschaft.

Der Sozialbericht, der gestern präsentiert wurde, untermauert das ganz klar mit Zahlen. Es gibt Leute, die etwas von Ihrer Regierung haben, es gibt Leute, denen es besser geht. Das ist ein sehr kleiner Teil, das sind zirka 10 Prozent, denen geht es besser, da kann man sagen, der Reichtum wächst. Aber zugleich wächst auch die Armut. Die Ver­mögen wachsen, die Einkommen sinken, und es gibt mehr Reichtum, aber auch mehr Armut.

10 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen verfügen über mehr als zwei Drittel des Vermögens in Österreich. Durchschnittlich sind das 54 Millionen € pro Person. 54 Millionen € im Schnitt. Die restlichen 90 Prozent haben nicht einmal ein Drittel des Vermögens. Wir sind hier aber nicht in einem Entwicklungsland, wo so etwas gang und gäbe ist, wir sind in einem hoch industrialisierten Land, von dem – vom Bundeskanzler zitiert – die „NZZ“ sagt, es ist eines der reichsten Länder der Erde. Und in diesem Land wächst die Armut, es sind immer mehr Leute armutsgefährdet. In einem Land, dessen Wohlstand steigt, steigt zugleich die Armutsgefährdung bei Frauen, bei Allein­erzie­herInnen, bei größeren Familien. Und da sagen Sie, Frau Sozialministerin: Mut zur Familie!? Das kann man nur unterstreichen. Wer heute eine Familie gründet, der braucht wirklich Mut, um nicht an die Armutsgrenze getrieben zu werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es fällt Ihnen dazu offenbar auch nichts anderes ein, Frau Sozialministerin, als ein Zitat: Wo die Politik Einfluss nehmen konnte, haben wir alles getan, was wir konnten. – Das sagt in Österreich die Sozialministerin, und ich kann nur feststellen: Da ist Ihr Können offensichtlich sehr beschränkt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was glauben Sie, wie es den Leuten geht, die seit Jahren täglich über alle Medien von den Regierungsfraktionen beschallt werden, die sich dauernd anhören müssen, wie super alles ist? (Abg. Großruck: Sie wissen nicht, was Sie sagen!) – Es ist einfach gut, dass man im Fernsehen Ihre Zwischenrufe nicht hört. (Abg. Großruck: Gott sei Dank hört man Ihre Rede!) – Sie behaupten permanent, dass alle von der Steuerreform profitieren, dass alle von der Pensionsreform profitieren, dass alle von unserem immer besser werdenden Bildungssystem profitieren. Was glauben Sie, wie es den Leuten geht, die das jeden Tag hören, die aber nichts davon bemerken, weil nämlich ihre Einkommen laufend weniger wert werden? Das heißt, dass sie de facto weniger Geld haben, weil ihre Mikro- oder Kleinbetriebe überhaupt nicht profitieren von Ihrer „groß­artigen“ Steuerreform. Was glauben Sie, wie es diesen Leuten geht?

Ein ganz besonderes Defizit tut sich im Bildungsbereich auf, und das ist besonders schade, weil das ein Zukunftsbereich ist. Wer es noch nicht wissen wollte, der hat es durch die zwei PISA-Studien gesehen, nämlich dass Österreich immer weiter zurück­gedrängt wird im Bildungsbereich, und daran ist diese Regierung stark mit schuld, weil Sie sehr wenig unternehmen, um dieses Defizit zu beheben. Warum nehmen Sie nicht das Angebot der SPÖ an, die Notwendigkeit der Zweidrittelmehrheit in diesem Bereich abzuschaffen? Dann hätten Sie die Möglichkeit, hier wirklich etwas zu bewegen. Aber dazu sind Sie offenbar zu feig. (Beifall bei den Grünen.)

Damit Sie überhaupt einen Schritt machen können, möchte ich einen Entschließungs­antrag einbringen. Er gibt Ihnen die Möglichkeit, einmal einen kleinen Schritt zu machen. Der Kärntner Landtag hat im Dezember 2004 mehrheitlich ein Projekt für eine


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gemeinsame Schule befürwortet. Dazu braucht es aber auch Bundesunterstützung. Daher bringe ich den folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brosz, Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durchführung des Schulversuchs „gemeinsame Schule“ in Hermagor und Wolfsberg eingebracht im Zuge der Debatte der Dringlichen Anfrage an den Bundeskanzler

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, umge­hend alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, die für die Durchführung eines Schul­versuches „Gemeinsame Schule bis zur 9. Schulstufe“ in Kärnten notwendig sind.

*****

Da die Freiheitlichen das mit beschlossen haben, gehe ich doch davon aus, dass sie diese Chance nützen werden, es auch hier zu beschließen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.58


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von der Abgeordneten Sburny verlesene Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Brosz, Sburny, Freundinnen und Freunde betreffend Durchführung des Schulversuches „gemeinsame Schule“ in Hermagor und Wolfsberg ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nunmehr spricht Herr Bundesminister Günther Platter zu uns. Seine Redezeit ist 8 Minuten. – Ich bitte die Abgeordneten, nicht an der Regierungsbank Konferenzen abzuhalten. – Bitte, Herr Bundesminister.


15.58

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ohne Sicherheit keine Freiheit, hat der deutsche Philosoph Wilhelm von Humboldt vor rund 200 Jahren gesagt. Diese Aussage hat damals wie heute hohe Aktualität, und ich denke, sie passt gut in das Hohe Haus, denn wir alle sind Entscheidungsträger, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass Österreich nicht nur eines der sichersten Länder der Welt ist, sondern dass Österreich auch in Zukunft eines der sichersten Länder bleiben wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Österreichs Sicherheit steht daher auf einem sehr soliden Fundament, und das österreichische Bundesheer leistet dazu einen bedeu­tenden Beitrag. National, aber auch international hat das österreichische Bundesheer einen hervorragenden Ruf, und unsere Soldatinnen und Soldaten leisten Ausge­zeichnetes.

Ich möchte nun die Gelegenheit nützen und Ihnen ganz kurz sagen, was das öster­reichische Bundesheer seit dem 1. Jänner 2005, also in den letzten 35 Tagen, geleistet hat.

1 244 Soldatinnen und Soldaten leisten derzeit im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, auf dem Golan und in Sri Lanka einen hervorragenden Dienst. Ein kleines Beispiel: In Sri Lanka haben 77 Soldaten 1,5 Millionen Liter lebensnotwendiges Trinkwasser für die Tsunami-Opfer aufbereitet. 350 Soldaten stehen seit gestern in der Steiermark, in


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Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg im Einsatz gegen die Schneemassen und kommen unserer einheimischen Bevölkerung zu Hilfe.

Soeben habe ich die Meldung erhalten, dass mit unseren Hubschraubern Evakuie­rungsmaßnahmen durchgeführt werden. – Zehn Hubschrauber sind im Einsatz. Von der Planneralm wurden bisher 280 Menschen evakuiert, davon 250 junge Kinder. Ich möchte mich sehr herzlich für diese großartigen Leistungen bedanken! (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer steht für Schutz und Hilfe, für Sicherheit und Stabilität. Diese Leistungen wollen wir auch in Zukunft garan­tieren, und gerade deshalb haben wir die Reform „Österreichisches Bundesheer 2010“ begonnen. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Passend dazu möchte ich Ihnen ein Zitat des italienischen Schriftstellers Lampedusa vorlesen.

Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, müssen wir zulassen, dass sich alles verändert. – Zitatende. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Das kennen wir schon! Das haben wir schon zehn Mal gehört! Abg. Sburny: Wie wäre es mit einem neuen? Abg. Dr. Gabriela Moser: Das hat ja der Grasser schon ...!)

Meine Damen und Herren! Wenn wir wollen, dass das österreichische Bundesheer auch in Zukunft dieses hohe Maß an Sicherheit garantiert, dann müssen wir diese Reform sehr konsequent umsetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer wird schlanker, effizienter und internationaler. Dazu die wesentlichen Eckpunkte:

Erster Punkt: Die Aufgaben des österreichischen Bundesheeres im Inland: Erhaltung der staatlichen Souveränität am Boden und selbstverständlich auch in der Luft, militä­rischer Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen und Katastrophenhilfe. Ich garantiere, dass auch in Zukunft für die Katastrophenhilfe ausreichend Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den internationalen Aufgaben gehören natürlich militärische Konfliktprävention und Krisenmanagement, internationale humanitäre Hilfe und darüber hinaus inter­nationale Katastropheneinsätze. Unser Ziel ist es, permanent 1 500 Soldaten im Aus­land zur Verfügung zu haben. Mittelfristig wollen wir eine Rahmenbrigade für ein Jahr im Ausland zur Verfügung stellen.

Zweiter Punkt: Die Mobilmachungsstärke soll von 110 000 auf 55 000 reduziert werden.

Dritter Punkt: Die Kommandostruktur und die militärische Führung wird schlanker und effizienter.

Vierter Punkt: Durch die Zusammenlegung von Verbänden erreichen wir eine deutlich bessere Befüllung der Bataillone und Brigaden.

Fünfter Punkt: Die Militärkommanden bleiben bestehen. – Das heißt: in jedem Bun­desland ein Militärkommando. Den Militärkommanden bleibt die wichtige Aufgabe der Koordination von Katastropheneinsätzen, aber in Zukunft muss die Struktur da auch schlanker sein.

Sechster Punkt: Die Miliz bleibt unverzichtbar.

Siebenter Punkt: Grundwehrdienst – sechs Monate.

Meine Damen und Herren! Die Bundesheerreformkommission hat im Allparteien-Konsens empfohlen, dass der Grundwehrdienst von acht auf sechs Monate reduziert


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werden soll. Voraussetzung für diese Verkürzung des Grundwehrdienstes ist, dass das österreichische Bundesheer seine Aufgaben im militärischen und zivilen Bereich im Inland erledigen kann und dass wir auch im Ausland unsere Leistungen erbringen können, die ich bereits aufgezählt habe. Dazu gehört, wie Herr Klubobmann Scheibner gesagt hat, natürlich der Assistenzdienst an der Grenze, aber auch der Katastrophen­schutz.

Eine eingehende Prüfung hat ergeben, dass diese Anforderungen auch mit einem sechsmonatigen Grundwehrdienst ab dem 1. Jänner 2006 garantiert bleiben, und daher erfolgt auch die Garantie, dass der Assistenzeinsatz an der Grenze im Rahmen eines Paketes mit dem Innenministerium ab dem 1. Jänner 2006 in dieser Qualität weiterhin erhalten bleiben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Schlussendlich habe ich letzte Woche in meiner Ressort­verantwortung entschieden, ab dem 1. Jänner 2006 zum Grundwehrdienst nur mehr für die Dauer von sechs Monaten einberufen zu lassen, und dass die Truppenübungen weiterhin ausgesetzt bleiben. (Abg. Mandak: Eine weitere Ungleichbehandlung!)

Damit erreiche ich folgende, von mir bewusst beabsichtigten Ziele: Zum Ersten weiß jeder junge Österreicher, wie er dran ist, damit wir nicht eine Fülle von Auf­schub­anträgen bekommen, die wir letztlich auch behandeln müssen. – Übrigens ist auch der Vorsitzende der Bundesheerreformkommission, Dr. Helmut Zilk, derselben Meinung. (Abg. Mandak: Und die Zivildiener?)

Zum Zweiten: Jeder Verantwortliche im österreichischen Bundesheer hat absolute Planungssicherheit. Meine geschätzten Damen und Herren! Das verstehe ich auch unter politischer Verantwortung! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich fasse zusammen: 700 Experten des österreichischen Bundesheeres haben auf Basis der Empfehlungen der Bundesheerreformkommission die Planung für das „Bun­desheer 2010“ vorgenommen. Ich bin stolz auf die Experten in meinem Haus und möchte mich sehr herzlich bedanken. Ihre Arbeit ist schlüssig, profund und nachvoll­ziehbar, und das Ergebnis deckt sich voll mit meinen politischen Vorstellungen.

Meine fachliche Absicht und mein politisches Ziel ist die Änderung des Charakters des österreichischen Bundesheeres von einer derzeitigen Mobilmachungsarmee hin zu einer Einsatzarmee. Für dieses Ziel lohnt es sich, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung zu gewährleisten. Gehen wir ge­meinsam diesen Weg! – Ich lade Sie dazu sehr herzlich ein. (Beifall bei der ÖVP.)

16.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.07.13

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! (Rufe bei der ÖVP: Frau Präsidentin! Abg. Dr. Partik-Pablé: Ent­setzlich ist das!) – Entschuldigung: Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Kollege Scheuch ist jetzt nicht im Saal, aber wenn man über Wien spricht, so soll man schon über den letzten Stand der Entwicklung informiert sein. (Abg. Scheibner: ... kann ich dir schon sagen! Erzähl es mir!)

Man sollte wissen, dass die Arbeitslosigkeit, lieber Herbert Scheibner, in Wien als einzigem österreichischem Bundesland um 5,5 Prozent gesunken ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Höchste Zeit! Ruf bei der ÖVP: Gut so!) Also auf den Punkt gebracht – weil ich ja nicht viel Redezeit habe – kann man sagen: Bei Häupl sinkt die Arbeitslosigkeit, bei Haider steigt sie, denn Kärnten hat eine exorbitant hohe Arbeitslosigkeit. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Scheibner: Dort ist sie ganz niedrig!)


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Herr Bundeskanzler! Zu diesem „V“, das heute schon wiederholt angesprochen wurde und das uns in den letzten Tagen begleitet hat – da war „V Jahre ÖVP – FPÖ“ zu lesen –: Soll das vielleicht „Volkspartei“ heißen? Herr Bundeskanzler! Wenn man versucht ist, Bilanz zu ziehen, dann steht für mich „V“ hinsichtlich Ihrer Politik vor allem für fünf verlorene Jahre für Österreich. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP. Abg. Großruck: „Fünf“ schreibt man mit „f“ und nicht mit „v“!)

Meine Damen und Herren! Das „V“ steht meiner Meinung nach auch für Verschleiern und Vertuschen, wenn man an die Eurofighter-Beschaffung denkt, wo die Vergabe­richtlinien, die Ausschreibungskriterien verändert worden sind zu Gunsten der Er­zeugerfirma EADS und zu Lasten der Republik Österreich. Das wird uns noch Milliarden Euro an Steuergeldern kosten, was Sie da regelwidrig beschafft haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! „V“ steht meiner Ansicht nach auch für Verlieren. (Abg. Rädler: Vranitzky!) Die Arbeitslosigkeit in unserem Land wird immer dramatischer. Man kann es drehen und wenden, wie man will, Herr Bundeskanzler! Ich habe mir die Zahlen noch einmal angeschaut. (Abg. Rädler: Vranitzky oder Viktor Klima!) Wir sind unterwegs in Richtung 360 000 beziehungsweise 370 000 Menschen, die ihre Arbeit – „v“! – verloren haben.

Meine Damen und Herren! Noch nie seit Bestehen der Zweiten Republik waren so viele Menschen von Armut bedroht wie heute, Menschen, die mit einigen wenigen hundert Euro ihr Dasein fristen müssen und die wirklich kein Verständnis für die sündteure Beschaffung von Kampfflugzeugen, von Luxus-Kampfjets haben, die wir nicht brauchen – nicht in Europa und schon gar nicht in Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben die Luftraumüberwachung angesprochen. (Abg. Schöls: Warum verstellst du dich? Mit „v“!) Sie haben mit uns nie über Luftraum­überwachung diskutiert, und diese Kampfflugzeuge, diese Kriegsgeräte haben doch mit Luftraumüberwachung überhaupt nichts zu tun! (Abg. Schöls: Fürchten schreibt man mit „f“!) Das sind Kampfflugzeuge für den Krieg, und die werden wirklich nicht benötigt. Das wird den Steuerzahler noch sehr teuer zu stehen kommen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Da wird den Beziehern von kleinen und mittleren Einkommen, den Pensionistinnen und Pensionisten tief in die Tasche gegriffen! Das ist spür- und merkbar, das tut weh, und das ist zu verurteilen und abzulehnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie gefährden mit Ihrer Politik daher die Zukunft Österreichs! (Abg. Neudeck: Was zahlen sie dir für die Rede?) Meine Damen und Herren! Diese Koalitionsstreitigkeiten um die Wehrdienstverkürzung, wo wirklich von Machtrausch die Rede ist, von Koali­tionsbruch, von Vertrauensbruch – „v“! – und von Gesprächsverweigerung, gefährden die Umsetzung der Reform. Diese Reform ist die letzte Chance für das österreichische Bundesheer – andernfalls wäre es ein Begräbnis erster Klasse!

Daher ist dieses parteipolitische Gezeter nicht zu verstehen und trägt nicht die Hand­schrift einer verantwortungsvollen Sicherheitspolitik. Wir müssen in Europa berechen­bar und verlässlich bleiben. Daher haben wir die Diskussionsbereitschaft des Herrn Verteidigungsministers begrüßt, als er auf SPÖ-Linie eingeschwenkt ist, und auch den Gesinnungswandel der ÖVP gutgeheißen.

Hinsichtlich der Zukunft und Aufrechterhaltung des Assistenzeinsatzes können wir uns die Verkürzung auf sechs Monate vorstellen, aber wir wollen klare gesetzliche Rege­lungen.


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Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, mit welcher der Wehrdienst gesetzlich mit 6 Monaten festgelegt wird und eine Verlängerung beziehungsweise Verkürzung nur durch eine Änderung dieses Gesetzes erfolgen darf.

*****

Uns geht es um eine klare gesetzliche Regelung. Uns geht es um die Sicherheit Österreichs und Europas. – Dafür wollen wir arbeiten. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Daher ersuche ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Großruck: Auffordern mit „v“ geschrieben!)

16.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der von Herrn Abgeordnetem Gaál einge­brachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Verankerung der Wehrdienstverkürzung,

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage betreffend die umfassende Gefährdung der Sicherheit in Österreich durch eine chaotische Regierungspolitik

Die neuen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen erfordern eine Neuausrichtung des Österreichischen Bundesheeres. Die Grundlagen für diese Reform wurden in der Bundesheer-Reformkommission erarbeitet. Es bedarf einer aufgabenorientierten struk­turellen Veränderung, unabhängig davon, wie das zukünftige Wehrsystem ge­staltet sein wird.

Ein Teilergebnis der Bundesheer-Reformkommission war die Festlegung auf die Ver­kürzung des Wehrdienstes. Die unterfertigten Abgeordneten begrüßen daher das späte Einlenken der ÖVP, die Wehrdienstdauer zumindest auf 6 Monate zu verkürzen, als Schritt in die richtige Richtung und verlangen daher die gesetzliche Verankerung dieser Verkürzung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, mit welcher der Wehrdienst gesetzlich mit 6 Monaten festgelegt wird und eine Verlängerung beziehungsweise Verkürzung nur durch eine Änderung dieses Gesetzes erfolgen darf.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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95. Sitzung / Seite 54

16.12.45

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wenn die Opposition gerade genau am fünften Jahrestag des politischen Wechsels und der Wende eine Sondersitzung verlangt, dann war ja zu erwarten, dass hier nicht nur eine Sicherheitsdebatte erfolgt – wobei Herr Minister Platter, wie ich meine, sehr schön dargelegt hat, das Land ist in guter Hand, auch was die Sicherheitspolitik betrifft –, sondern es war klar, dass hier auch eine Bilanz von fünf Jahren Wende Schwarz-Blau gezogen wird. (Abg. Dr. Gusenbauer: Kommt jetzt wieder ein Blödsinn?)

Herr Kollege Gusenbauer! Wenn wir ehrlich sind, können wir eine solche Bilanz weder mit Schwarzmalerei noch mit Schönfärberei ziehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Opposition immer in Richtung Schwarzmalerei agiert, andererseits ist es klar, dass jede Regierung versucht, die positiven Aspekte hervorzuheben.

Ich bin nur bereit, anhand ganz konkreter Daten und Fakten zu argumentieren, und nur dieser Vergleich macht uns sicher, Herr Kollege Gusenbauer! (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo haben Sie einen Zettel mit Fakten?) – Haben Sie noch ein paar Minuten Geduld! (Abg. Dr. Cap: Wo ist der Faktenzettel?)

Ich glaube, dass diese Bundesregierung ein Erfolgsrezept in zweifacher Richtung hat. Erstens: Diese Bundesregierung hat den Reformrückstau der großen Koalition auf­gehoben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Where is the fact-sheet?) Früher galt das Mikado-Prinzip: Wer sich zuerst bewegt, hat schon verloren.

In Richtung unseres Koalitionspartners, Herr Klubobmann Scheibner, sage ich sehr deutlich – und das sage ich immer wieder –: Wir hätten mit keinem anderen Partner diese für das Land so wichtigen Reformen gemeinsam durchführen können: eine Pen­sionsreform, eine Steuerreform, eine Gesundheitsreform, eine Sicherheitsreform, eine ÖBB-Reform und so weiter. Dank dieses Partners haben wir gemeinsam diese zukunftsorientierten Reformen beschließen können. Danke an den Koalitionspartner! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gusenbauer! Das Wesentliche ist aber die Frage: Geht es den Menschen in diesem Land nach fünf Jahren jetzt besser oder schlechter? (Abg. Mag. Wurm: Ihnen geht es besser!)

Zweitens: Schauen wir uns die konkreten Zahlen an. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo sind Ihre Zahlen?) Ich nehme nur fünf Bereiche: erstens Arbeitsplätze, zweitens Ein­kommen, drittens soziale Sicherheit, viertens Steuern und fünftens Schulden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo ist der Faktenzettel?) – Ich habe es im Kopf, Herr Kollege Gusenbauer! Ich brauche kein vorgeschriebenes Papier. Ich brauche keine Zeitungs­ausschnitte wie Sie. (Beifall bei der ÖVP.)

Arbeitsplätze: Nach fünf Jahren 100 000 Arbeitsplätze mehr in diesem Land, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Gusenbauer: Falsch!) Wir wissen: Sozial ist, wer Arbeit schafft! (Abg. Dr. Gusenbauer: Der Kopf trügt!) 3,2 Millionen statt 3,1 Millionen vor fünf Jahren. 100 000 Arbeitsplätze mehr! (Abg. Dr. Gusenbauer: Der Kopf irrt!) Das heißt, für 100 000 Menschen mehr Einkommenschancen und mehr soziale Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Schieder: Der Kopf irrt!)

Zweitens: Einkommen. Lesen Sie bei der Statistik Austria nach: Verfügbare Einkom­men heuer um 16 Milliarden € mehr als vor fünf Jahren! (Abg. Dr. Cap: Schon wieder falsche Zahlen!) Allein was die Bruttolöhne der Arbeitnehmer betrifft: 2 500 pro Kopf mehr als vor fünf Jahren, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Gusenbauer: Falsche Zahlen! Der Bundeskanzler hat gesagt 2 400, Sie sagen 2 500!) Jetzt können Sie sagen: brutto. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)


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Nehmen wir drittens die Steuer her, meine Damen und Herren! Sie können es in der Abgabenquote nachlesen: vom Höchststand 45,4 auf jetzt 41,7 heißt, wir zahlen 10 Prozent weniger Steuer als vor fünf Jahren, Herr Kollege Gusenbauer! (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo ist das fact-sheet?) 10 Prozent weniger Steuer! (Abg. Dr. Gusenbauer: Wie viele Finger haben Sie? Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vierter Bereich – Sozialleistungen: Da können Sie ebenfalls in den Unterlagen des Hauptverbandes und der Statistik Austria nachlesen. Sozialleistungen im Vorjahr: 9 Milliarden € höher als fünf Jahre davor. Das heißt: 1 100 € pro Kopf mehr an Sozial­leistungen, mit den zukunftsweisenden, mit den geradezu epochalen Einführungen „Abfertigung neu“ und Kinderbetreuungsgeld. (Abg. Mag. Wurm: Wer zahlt ein?)

Herr Kollege Gusenbauer, wo ist der Unterschied zwischen dem Kinderbetreuungsgeld und dem Karenzurlaubsgeld? – Allein das Wohl des Kindes steht im Vordergrund, nicht die Frage, ob die Mutter genügend Versicherungszeiten hat. – Das ist moderne Sozialpolitik! Das ist moderne Familienpolitik! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mein Kollege Spindelegger hat auf die Familienhospizkarenz hingewiesen: Sozialpolitik besteht nicht nur aus Zahlen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Cap: Herr Stummvoll! Zahlen!) Sozialpolitik soll auch eine Politik der sozialen Wärme sein. (Abg. Dr. Cap: Zahlen, Herr Stummvoll!) Diese Bundesregierung steht für eine Politik der sozialen Wärme in der Sozialpolitik, siehe Familienhospizkarenz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. Abg. Dr. Cap: Wo steht das?)

Fünfter Bereich – Schulden: Wir haben gesagt, wir müssen im Interesse der Zukunft dieses Landes auf die Bremse steigen. Wir haben heute um 500 Millionen € weniger an Zinsen für die Staatsschulden zu zahlen, als wenn wir den früheren Kurs fortgesetzt hätten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Unsinn! Stimmt ja nicht!) Wer noch in Schilling denkt: 7 Milliarden Schilling weniger Zinsenzahlung pro Jahr. – Das sind bereits Spielräume für die nächste Steuersenkung, mit Blickrichtung auf Österreich 2010. (Abg. Dr. Gusenbauer: Falsche Zahlen! Abg. Mandak: Aber die Privaten haben mehr Schulden!)

Frau Kollegin! Es ist daher – zusammenfassend – kein Zufall, dass sowohl der Wohl­standsvergleich der OECD sagt (Abg. Dr. Cap: Nicht genügend, setzen!): vom neunten Platz auf den sechsten Platz, als auch die Frage der Konkurrenzfähigkeit, der Wett­bewerbsfähigkeit, der Wirtschaftskraft der EU zeigt: vom sechsten Platz auf den dritten Platz. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie können noch so viele Zwischen­rufe machen.

Daher ist es richtig, was die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt: Nach diesen fünf Jahren geht es den Menschen in diesem Land besser. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. Abg. Dr. Gusenbauer: Zum Stummvoll kann man nur sagen: Nicht genügend, setzen!)

16.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Dr. Partik-Pablé zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.17.49

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Dass der 4. Februar 2000, den Sie auch als Anlass genommen haben, heute die Dringliche Anfrage einzubringen, kein Freudentag für Sie war, das ist völlig klar. Es war die größte Enttäuschung für die Sozialdemokratie seit Jahrzehnten, denn Sie haben erstens einmal einen riesigen Wahlverlust erlitten, schon im Jahr 1999, und außerdem ist die SPÖ seit ungefähr 50 Jahren nicht mehr in der Opposition gewesen.


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Das ist es, glaube ich, was Sie überhaupt nicht verkraften können: Den Abschied von der Macht haben Sie bis jetzt ganz einfach nicht hingenommen. Eine ungeheure Bitterkeit erfüllt Sie – das erleben wir ja immer wieder bei den Debatten –, weil die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist.

Da Sie schon alles versucht haben, zuerst einmal mit Sanktionen, dann mit De­monstrationen, haben Sie sich jetzt in erfolglose Aktionen wie Sondersitzungen und immer wiederkehrende Diskussionen darüber, ob die Regierung gut oder nicht gut arbeitet, geflüchtet. (Abg. Dr. Gusenbauer: Weiß eh ein jeder, dass Sie nicht gut arbeiten!)

Im Zuge dieser verbissenen Anträge, die Sie immer wieder stellen, verunsichern Sie die Bevölkerung. Das ist Ihre Hauptaufgabe als Oppositionspartei geworden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Alles, was diese Regierung beschließt, was sie unternimmt, wird abgewertet und negativ dargestellt. Wenn Sie schon einmal überhaupt ja sagen, etwas ist positiv, wo Sie nicht nein sagen können – wie beispielsweise bei der Steuerreform –, dann erklären Sie, in Wirklichkeit ist es zu spät gekommen und zu wenig, oder es ist kein Ausgleich gefunden worden oder ein erhöhtes Defizit damit verbunden oder sonst irgendetwas.

Dass Sie einmal vorbehaltlos sagen, etwas ist gut, etwas kommt der Bevölkerung zugute – wie beispielsweise die Steuerreform –, dazu konnten Sie sich bis jetzt über­haupt noch nicht durchringen. (Abg. Dr. Cap: Tierschutz!) Nein, das ist nicht unsere Schuld. (Abg. Dr. Cap: Tierschutz! Tierschutzgesetz!)

Und wenn Herr Abgeordneter Gaál es jetzt hier so darstellen möchte (Abg. Dr. Cap: Tierschutz!), dass die Menschen in Österreich ärmer werden, weil die Abfangjäger angekauft worden sind, dann ist das wieder ein Teil dieser Verunsicherung. (Abg. Dr. Cap: Tierschutzgesetz!) Denn für die Steuerreform geben wir pro Jahr mehr, viel, viel mehr, zwanzigmal mehr aus als für die Abfangjäger, wenn man das auf die gesamte Anschaffungsdauer umlegt. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen, und, wie gesagt, hören Sie einmal auf mit Ihrer Verunsicherungspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Steuerreform ist die größte Entlastung für die Klein- und Mittelverdiener! (Abg. Dr. Cap: Was sagen Sie zum Tierschutz­gesetz?) Herr Abgeordneter Cap, das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen: 2,55 Millionen Menschen zahlen in Österreich keine Steuer mehr. Da sagen Sie einmal ja dazu, Herr Abgeordneter Cap! (Abg. Dr. Cap: Tierschutzgesetz!)

Das Tierschutzgesetz war natürlich positiv, aber sagen Sie ja zur Steuerreform! Sie bringt nämlich die große Entlastung, und alle profitieren davon: die Alleinverdiener, die Pendler, die Frauen, die Familien. Sagen Sie: Ja, das ist eine großartige Leistung!, und lenken Sie jetzt nicht mit dem Tierschutzgesetz ab, Herr Abgeordneter!

Aber Ihre Politik wird ja auch von den Medien absolut negativ quittiert. Eine klägliche Performance der großen Oppositionspartei, sagt das „profil“, das ja der Regierung wirklich nicht sehr positiv gegenübersteht. Weiters liest man: keine klare Linie, kein Erfolg der SPÖ.

Mich würde wirklich interessieren, ob Sie sich wohl fühlen, wenn Sie eine solche Verunsicherungspolitik machen, Herr Abgeordneter Cap.


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Natürlich – das gibt ja jeder zu – hat Österreich mit riesigen Problemen zu kämpfen, so wie alle anderen EU-Staaten auch, beispielsweise mit den hohen Ölpreisen, mit einer Konjunkturschwäche. Zum Beispiel haben die Bundesrepublik Deutschland und Italien, unsere größten Geschäftspartner, eine größere Konjunkturschwäche als viele andere EU-Länder und eine hohe Arbeitslosigkeit. Sie sehen aber auch, mit welchen Rezepten und mit welchem Erfolg die Regierung diese großen Strukturschwächen angreift, sonst hätten wir ja nicht so viele positive Daten, wie sie heute schon der Bundeskanzler zitiert hat, sonst hätten wir ja nicht die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU. Nehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Sicherheitspolitik möchte ich auch noch ein paar Worte sagen. Sie schreiben in Ihrer Dringlichen Anfrage: Bis zum Jahr 2000 war Österreich das sicherste Land Europas. Da gibt es einen Bericht, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, und zwar von einem renommierten Schweizer Institut, dem Institute for Management and Development. Dieses Institut hat 60 Industriestaaten und Regionen betreffend Sicher­heitsstandard untersucht. Österreich rangiert an erster Stelle hinsichtlich der per­sönlichen Sicherheit und Eigentumsschutz, nach Bayern und nach der Schweiz. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das müssen Sie auch zur Kenntnis neh­men. – Natürlich ist uns die Kriminalität zu hoch, und wir müssen dagegen ankämpfen, und das tun wir auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.23.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, was wirklich schon ziemlich nervt? Dass Sie jedes Mal, Herr Kollege Stummvoll, wenn Sie „Reform“ sagen, damit jede sozialpolitische Herumhackerei und Kürzungsaktion rechtfertigen wollen.

Reform, das weiß ich schon, das muss nicht immer nur ein Euro mehr sein. Aber so, wie Sie es tun, nämlich dass Sie zu allem, was Verschlechterung bedeutet, den schönen, euphemistischen Begriff „Reform“ hinzufügen, das bringt die Österreicher wirklich zum Schwitzen. Das müssen die Österreicherinnen und Österreicher nämlich ausbaden. (Abg. Dr. Stummvoll: Legen Sie einmal ein Konzept vor!)

Herr Kollege Stummvoll! Ich stelle mir unter „Reform“ vor, dass beispielsweise diese Bundesregierung in den letzten fünf Jahren auch etwas gegen die Diskriminierung von homosexuellen Lebensgemeinschaften hätte machen können. Ich stelle mir vor, dass die Bundesregierung etwas gegen die Diskriminierung von Volksgruppen hätte machen können, denen noch immer nicht, obwohl der Verfassungsgerichtshof vor zwei Jahren ein Urteil dazu gefällt hat, die Rechte gegeben worden sind, die ihnen zustehen. Und das wäre auch Reform. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber, Herr Bundeskanzler, wir können auch weggehen von diesen weichen Themen, hin zu den harten Fakten; Sie haben einige genannt. Darauf würde ich gerne ant­worten. Kollege Molterer hat den „Wende-Check“ der Zeitschrift „FORMAT“ aus­gepackt. Gut, schauen wir uns den „Wende-Check“ an: Das Wirtschaftswachstum ist in Österreich von 1999 bis 2004 um 0,9 Prozent zurückgegangen, innerhalb der EU um 0,8 Prozent. Österreich ist hier also schlechter als die EU. „Wende-Check“ sagt: positiv. – Was, bitte, zum Kuckuck ist positiv an dieser Entwicklung?!


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Zweiter Punkt im „Wende-Check“: Arbeitslosenrate – es wird noch schlimmer: In Österreich ist die Arbeitslosenrate, Herr Bundeskanzler, laut „FORMAT“ von 1999 auf 2004 von 3,9 Prozent auf 4,2 Prozent gestiegen, also um plus 0,3. EU-weit ist die Arbeitslosigkeit (Rufe bei der ÖVP: Doppelt so hoch! Doppelt so hoch!) von 8,7 Prozent auf 8,1 Prozent gesunken, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Herr Lopatka, lesen Sie doch die Fakten! Bei uns steigt die Arbeitslosigkeit! Was hat sich da für Österreich verbessert?, frage ich Sie! Das können Sie doch nicht einmal schwarz oder blau reden! Das geht doch nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nächster Punkt, Herr Kollege Lopatka – wir können ja gerne noch einen anderen Punkt herausgreifen, aber ich habe nicht die Zeit, alle diese 20 Punkte durchzuexerzieren –: Durchschnittseinkommen. Das haben Sie genannt, Herr Bundeskanzler, und das hat Herr Kollege Molterer genannt. Das Durchschnittseinkommen ist laut „FORMAT“ von 1999 auf 2004 von 1 560 € auf 1 670 € gestiegen, also ein Plus von 110 €. Da werden Sie jetzt sagen: Ist ja super, 110 € mehr! – Ja wissen Sie, dass das in den fünf Jahren nicht einmal die Inflationsrate ist, und wissen Sie, dass, wenn ich die Steuerbelastung und die Gebührenbelastung noch dazurechne, den Leuten tatsächlich weniger in der Geldbörse bleibt? Und dann kommt der Herr Finanzminister noch daher und sagt: Wenn du Trinkgeld kriegst, dann hätten wir das gerne auch noch besteuert! – Das sind die Realitäten, meine sehr geehrten Damen und Herren! Versuchen Sie doch nicht, uns hier ein X für ein U vorzumachen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme zurück zum Thema Arbeitslosigkeit. Herr Bundeskanzler! Es gibt in Österreich viele Berggipfel, aber so viele Berggipfel wie Regierungsgipfel in den letzten fünf Jahren gibt es in ganz Österreich nicht. Zu allem Möglichen machen Sie Gipfel: jetzt auch wieder einmal zum Thema Sicherheit – ein „Rachegipfel“, wo die Messer zwischen ÖVP und FPÖ gewetzt werden. Soll sein, aber belästigen Sie bitte die Öffentlichkeit nicht damit! (Abg. Scheibner: Könnten Sie vielleicht einmal etwas Gescheites einbringen? Vielleicht machen Sie einmal einen Vorschlag!)

Aber eine Frage erlauben Sie mir schon: Warum gibt es zu dieser in der Zweiten Republik höchsten Arbeitslosigkeit keinen Gipfel? Ich gebe Ihnen die Antwort: weil Sie ganz offensichtlich ganz gut leben mit dieser Arbeitslosigkeit. (Abg. Dr. Stummvoll: Ungeheuer! Ungeheuer! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Und da nehme ich den Sozialbericht her. Im Sozialbericht gibt es eine wichtige, interessante Kurve, die dergestalt ausschaut: Wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, dann sinken die Löhne. Wenn die Arbeitslosigkeit niedrig ist, steigen die Löhne. – Offen­sichtlich haben Sie ein Interesse an dieser Arbeitslosigkeit. Man sollte Sie am Weiterarbeiten wirklich hindern. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Heinisch-Hosek zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.29.55

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Was heute an Worten von der Regierungsbank heruntergekommen ist, war auch der Gipfel, denn wer sich nur selbst lobt, Herr Bundeskanzler, der hat etwas zu verbergen. Es ist unseriös und für die Zuseherinnen und Zuseher sehr unglaubwürdig, wenn Sie als Bundeskanzler der Republik Österreich in keinem einzigen Satz sagen: Da ist uns ein Fehler passiert, das hätten wir besser


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machen können! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das hat er gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das hat er nicht gesagt!

Jemand, der Verantwortung trägt, Herr Bundeskanzler, sollte auch Fehler zugeben können, das wäre glaubwürdig, aber wer das nicht tut, der verliert an Vertrauen. So einfach ist das!

Kollege Rada hat mich gebeten, dem Kollegen Molterer auszurichten: Gusenbauer war in Gänserndorf, nur die „NÖN“ war nicht dort! Ich weiß nicht, woher Sie diese Information haben. (Abg. Mag. Molterer: Aus der „NÖN“!)

Zweite Sache für den selbst ernannten „Besten“, Herr Kollege Stummvoll, nämlich an Ihre Adresse: Zum Thema „Arbeit“ ist ja soeben gesagt worden, dass die Arbeits­losigkeit gestiegen ist. Bei den Frauen ist sie enorm gestiegen. Vielleicht ist Ihnen das entgangen oder Sie wollten, dass es Ihnen entgeht. (Abg. Dr. Stummvoll: Alle Probleme sind noch nicht gelöst, das stimmt!) Die Einkommen stagnieren in Wahrheit seit einigen Jahren. Die Steuer- und Abgabenquote ist noch immer enorm hoch, Herr Kollege. Die Sozialleistungen erreichen anscheinend ihr Ziel nicht – das können Sie im Sozialbericht lesen, den ich auch hier habe –, und die Schulden von Grasser sind höher, als die Schulden Edlingers je gewesen sind. – Nur das dazu. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wer nur mehr sich selbst in den Vordergrund stellt – und das Wörtchen „eitel“ drängt sich mir auf –, wer nur mehr eitel sich selbst in den Vordergrund stellt, der hat längst auf die Menschen vergessen und hat sie politisch verlassen. Das kann ich Ihnen sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Frau Bures hat schon eine Nachfolgerin gefunden!)

Herr Bundeskanzler! Sie vermitteln längst kein Gefühl der Sicherheit mehr, und ich frage Sie jetzt einiges, was ich in den Gemeinden, wo ich herumkomme, wo ich lebe, gefragt werde.

Herr Bundeskanzler, warum lassen Sie zu, dass die Kriminalitätsrate um 30 Prozent gestiegen ist? Warum lassen Sie zu, dass die österreichische Bevölkerung sich immer unsicherer fühlt? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Natürlich, weil etliche Gendarmerieposten und Wachzimmer geschlossen wurden!

Meine Damen und Herren! Wir werden das nicht zulassen, dass die Verkürzung des Wehrdienstes, für die wir sind, gleichzeitig auch weniger Schutz an der Grenze bedeutet. Das ist uns wichtig! (Abg. Scheibner: Wie machen Sie das? Sie sind ja ein Zauberer!) Ich werde Herrn Minister Platter dann an seinen Taten messen, Worte hat er heute ja schon genug gesagt. Wir werden schauen, ob das dann auch eintritt, was er versprochen hat.

Warum verschweigen Sie, Mitglieder der Bundesregierung, sich ständig zu Themen, die wirklich unter die Haut gehen? Zum Beispiel dazu, wenn jemand arbeitslos wird, in der Folge weniger Geld hat, vielleicht die Miete nicht mehr bezahlen kann, vielleicht nicht mehr weiß, wie er seinen Kindern einen Schikurs ermöglichen kann, damit sie auch dabei sein können, kein Geld mehr hat für die Nachhilfestunden, weil das Bildungssystem völlig versagt hat, die Oma und den Opa nicht mehr fragen kann, weil die Pensionen so niedrig sind (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen), die immer ausgeholfen haben, aber nun auch nicht mehr aushelfen können. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das sind die Realitäten, mit denen ich mich auseinander setze! Sie haben keine Ahnung! Das ist überhaupt nicht zum Lachen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Der nächste Schritt ist das Schlimmste, was Menschen passieren kann. Ich rede von Österreich, einem Land, das ich liebe, und die Menschen in dem Land liebe ich auch, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Schlimmste, was Menschen dann passiert: Sie verlieren ihr Selbstvertrauen. Sie verlieren ihr Selbstwertgefühl. Sie werden krank, bekommen Depressionen, leiden unter Alkoholmissbrauch, und manchmal ist leider auch Gewalt das allerletzte Mittel, um zu kommunizieren.

Besonders den Frauen verwehren Sie Hilfe. Die Frauen verlieren durch Schwarz-Blau am meisten. Frauen können in dieser Republik diskriminiert werden, sie können beschimpft werden, sie können verlacht werden (ironische Heiterkeit des Abg. Großruck), und sie können verunsichert werden – und kein Mitglied der Bundes­regierung, kein einziges, hat es der Mühe wert gefunden, ein Wort zu diversen Aussagen zu sagen.

Meine Damen und Herren! Uns reicht es! (Abg. Neudeck: Uns auch!) Wir haben die Nase voll. Wir Frauen lassen uns das nicht mehr gefallen! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Sozialbericht bringt es ja eindeutig ans Tageslicht: dass allein erziehende Frauen mit Kindern zur höchst armutsgefährdeten Gruppe in diesem Land gehören.

Ich sage Ihnen noch einmal zum Abschluss: Wir lieben auch die Menschen in diesem Land, nicht nur das Land alleine! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

16.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Lopatka. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.34.20

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Kollegin! Sie können nicht einmal selbst das glauben, was Sie hier von sich gegeben haben, denn diese Regierung hat für Frauen weit mehr gemacht als sozialdemokratische Regierungen davor. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vier Jahre pensionsbegründend pro Kind anzurechnen, das gibt es in keinem zweiten Land in Europa, und 60 000 Frauen, die das Geld ganz notwendig brauchen, bekom­men 5 200 € Kindergeld, das sie vorher unter sozialdemokratischen Regierungen nicht bekommen haben. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich könnte noch zig andere solcher Beispiele nennen, meine Damen und Herren. (Abg. Sburny: Wieso werden die Frauen dann immer ärmer?)

Es ist schon eigenartig, wie Sie Statistiken hier auslegen. Erster Punkt: Wirtschafts­wachstum, das Kollege Öllinger angesprochen hat. Von 1999 bis 2004 hat sich Österreich das Wirtschaftswachstum betreffend europaweit um zwei Plätze verbessert. (Abg. Öllinger: Hören Sie doch auf! Hören Sie auf! Bitte!) Die Arbeitslosenrate in Österreich hat im letzten Jahr 4,2 Prozent betragen, was genau die Hälfte der euro­päischen Arbeitslosenrate ist. Ja, ist das kein Erfolg? Wollen Sie bei der Arbeits­losigkeit Richtung Europa gehen? Die ist doppelt so hoch wie bei uns in Österreich! (Abg. Mag. Wurm: Hören Sie doch auf! Hören Sie doch auf!)

Dritter Punkt: Wir konnten beim Budgetdefizit das erreichen, was sich alle anderen europäischen Staaten nur wünschen können. Wir liegen bei 1,3 Prozent. Wissen Sie, wo der Schnitt der EU-15 liegt? Bei 2,6 Prozent.

Wir haben also in Österreich die halbe Arbeitslosigkeit, das halbe Budgetdefizit – und das sehen Sie negativ?! Sie könnten sich freuen über diese Situation, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es würde Ihnen von den Grünen nicht schlecht anstehen, manches auch so differen­ziert zu sehen wie Ihr Klubobmann.

Ganz eigenartig sind da die SPÖ und ihr Vorsitzender. Vor kurzer Zeit noch, es war am 14. Januar dieses Jahres, hat es vom SPÖ-Vorsitzenden folgenden Befund gegeben: Das größte Glück, das man haben kann, ist, zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren zu werden. – Dann kam ein entscheidender Satz: Unser Österreich seit 1945 ist der richtige Ort. – Heute, am 4. Februar, gilt das nicht mehr?! Heute ist alles schlecht?!

Ich weiß schon, dass für Sie als Parteivorsitzenden der 4. Februar ein Trauertag ist, das verstehe ich, aber das kann nicht dazu führen, dass Sie alles, was in diesem Land passiert, als schlecht abqualifizieren, das kann nicht dazu führen, dass Sie sich nur in einem einig sind: zu allem nein zu sagen! Das ist sicherlich zu wenig. (Abg. Dr. Cap: Tierschutzgesetz! Tierschutzgesetz!) Das ist auch zu wenig, wenn Sie nur einmal ja sagen zum Tierschutzgesetz! Ein „wunderbares“ Programm für die Zukunft des Landes: einmal ja zu sagen und bei allen anderen entscheidenden Fragen beim Nein stecken zu bleiben! (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wer hat denn das Tierschutzgesetz blockiert?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich oft: Was ist eigentlich das Angebot der SPÖ für die Zukunft? Haben Sie heute hier irgendetwas gehört? (Rufe bei der ÖVP: Nein! Nein!) Am Parteitag der SPÖ hat der Vorsitzende seinen erstaunten Delegierten mitgeteilt, dass er als Wunderheiler unterwegs war und ein kleines medizinisches Wunder in Linz vollbracht hat. Auch gestern hat er sich wieder als Heilsbringer präsentiert und eine Heilsbotschaft gehabt, indem er gemeint hat: Ich bin die Antwort! – Welche Antwort ist er? Niemand weiß es. (Abg. Silhavy: Die richtige! Die richtige Antwort!)

Herr Parteivorsitzender Gusenbauer, die Antwort werden die Wähler und Wählerinnen geben! Sie – und nicht die SPÖ – werden uns sagen, wer das Land in Zukunft führt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Nein allein ist keine Botschaft!

Ich darf als Steirer hier noch eines anführen, weil Sie alles so negativ sehen. Heute schreibt das „WirtschaftsBlatt“: Magna – Rekord in Graz. Die Autoproduktion hat im Vorjahr mit 240 000 Fahrzeugen einen Höchststand erreicht. Auch beim Umsatz legte Magna Steyr mit 3,1 Milliarden € einen Rekordwert hin. – Zitatende. (Abg. Silhavy: Und was macht die Frau Klasnic in Spielberg?)

Meine Damen und Herren! In einem Bereich, wo wir früher nur hunderte Arbeitsplätze hatten, finden heute direkt 9 000 Menschen Arbeit.

Landeshauptmann Waltraud Klasnic war es, die diesen Autocluster aufgebaut hat. Sie haben diesen bekämpft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Ich habe es in zig Landtagssitzungen miterlebt, in denen Sie es ganz massiv kritisiert haben, dass der Schwerpunkt auf die Automobilindustrie gelegt worden ist. (Abg. Silhavy: Lopatka! Spielberg, Spielberg! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Wie im Bund so auch auf Landesebene: Sie bleiben beim Nein stecken, und das ist zu wenig, meine Damen und Herren! – Uns geht es darum, diesen erfolgreichen Kurs fortzusetzen. Wir haben eine starke Mannschaft, wir haben den richtigen Steuermann und werden das Ruder nicht aus der Hand geben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.40



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bösch. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.40.00

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren von der SPÖ, in Ihrer bemerkenswerten Dringlichen Anfrage von heute halten Sie richtig fest, dass die Grundlage einer verantwortungsvollen Sicher­heits- und Verteidigungspolitik Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Kompetenz sein müssen. – Genau das ist das Ziel dieser Bundesregierung, und das ist auch das Ziel von uns Freiheitlichen bei diesem Thema, das Sie heute hier zum Inhalt einer Debatte gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kum­merer.)

Meine Damen und Herren! Nicht nur in den Bereichen, die meine Vorredner ange­sprochen haben, hat diese Bundesregierung eine qualitative, grundsätzliche Änderung der Politik herbeigeführt, auch im Bereich der Sicherheitspolitik wird sie das tun. Sie haben zu Recht angeführt, dass die Bundesheer-Reformkommission über mehrere Monate hinweg gut gearbeitet und ein gutes Ergebnis auf den Tisch gelegt hat, ein Ergebnis, das die Zustimmung aller Parteien hier im Hohen Hause hat. Wir Frei­heitlichen wollen eigentlich nichts anderes, als dass sich alle an die Ergebnisse der Arbeiten dieser Bundesheer-Reformkommission auch halten.

Darin ist unter anderem auch eine funktionierende Luftraumüberwachung enthalten, Herr Kollege Gaál, und zu einer funktionierenden Luftraumüberwachung gehört auch modernes, effizientes Gerät. (Abg. Silhavy: Aber keine Luxus-Jets!) Als die SPÖ in der Bundesregierung war, hat sie das nie bestritten. Jetzt, als Oppositionspartei, tut sie das gelegentlich. Sie haben das hier soeben getan.

Im Übrigen brauche ich nicht zu erwähnen, dass wir Ihrem Antrag selbstverständlich nicht unterstützen. Es ist bemerkenswert, dass die SPÖ den Antrag auf Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate stellt, denn ich war eigentlich der Ansicht, dass Sie für vier Monate sind. Kürzer geben es nur die Grünen; die sind für eine euro­päische Berufsarmee. Da könnte Österreich nur nach Brüssel bezahlen, hätte aber überhaupt keine Einflussmöglichkeit mehr auf den Einsatz der Soldaten. Beides lehnen wir Freiheitlichen ab! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen aber auch mit der Diskussion in den letzten Tagen zur Wehrdienstzeit den Einsatz des Bundesheeres als Assistenzkraft im Inneren sicherstellen. Gerade zurzeit erleben wir Dramatisches, was die Schnee- und Lawinen­situation angeht, die uns vor Augen führt, wie wichtig es ist, dass wir ausreichend Soldaten zur Verfügung haben, die als Assistenzkräfte den Einsatzkräften der Exe­kutive des Roten Kreuzes und Ähnlichem zur Verfügung stehen.

Genau das ist das Ziel der Debatte, die wir Freiheitlichen jetzt geführt haben. Deshalb wollen wir auch mit dem Koalitionspartner noch einmal darüber Überlegungen an­stellen, ob es sich ausgeht, dass wir bei der Verkürzung auf sechs Monate ausreichend Soldaten auch für solche Fälle haben. Es geht nicht nur um Katastrophenfälle, um die Einsatzkraft des Bundesheeres dabei, sondern auch um den sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz an der Grenze.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns vor Augen halten, dass es auch im letzten Jahr noch 5 479 Aufgriffe durch österreichischen Soldaten gegeben hat. Das ist in etwa dieselbe Zahl an Aufgriffen wie 1999. Das führt uns vor Augen, dass auch dieser sicherheitspolizeiliche Grenzeinsatz nach wie vor wichtig ist, obgleich auch die östlichen Nachbarländer mittlerweile Mitglieder der Europäischen Union geworden


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sind, aber deren Sicherheitskräfte sind noch nicht so weit entwickelt, dass sie diese Aufgabe bewältigen können.

Meine Damen und Herren, das ist das Ziel dieser Diskussion: dass wir ausreichend Soldaten zur Verfügung haben für die internationalen Einsätze des Bundesheeres, aber auch für die notwendigen Assistenzeinsätze im Inneren. Kollege Klubobmann Scheibner hat es schon gesagt: Im Jahr 2002, als wir in Niederösterreich diese ungeheuren Hochwässer hatten, haben wir dort 12 000 Soldaten als Assistenzkräfte gebraucht, parallel dazu hatten damals 2 000 Soldaten den Dienst an der Grenze zu versehen, und 1 000 österreichische Soldaten waren im Ausland.

Meine Damen und Herren! Das führt uns vor Augen, dass die Kräfte des Bundes­heeres sehr bald ausgespielt sind und dass es notwendig ist, dass wir hier Reserven schaffen, um auch die notwendigen Kräfte zur Verfügung zu haben. Genau das, meine Damen und Herren, wollen wir Freiheitliche in den nächsten Wochen mit dem Koalitionspartner noch einmal besprechen, damit sichergestellt ist, dass das öster­reichische Bundesheer auch in den nächsten Jahren diese Aufgaben wird erfüllen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wein­zinger zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.44.46

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ich muss ehrlich gestehen, ich habe ein wenig Verständnis für die Bundesregierung, selbst bei ihrem – zugegeben – in­zwischen schon ein bisschen penetranten Eigenlob. Aber wer sonst würde diese Regierung loben? (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Der Kollege Van der Bellen zum Beispiel!)

Nicht einmal die „Neue Zürcher Zeitung“ hat es gemacht. In seiner Lesung aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ hat der Bundeskanzler ja nur mitgeteilt, dass dort die Rede war vom Erfolgsmodell Österreich, nicht vom Erfolgsmodell schwarz-blaue Bundes­regierung. Davon war nicht die Rede! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Eine Woche vorher!)

Was man außerdem dazusagen muss, ist – und das ist ja auch nicht die Aufgabe der „Neuen Zürcher Zeitung“ –, dass natürlich nicht alle Bereiche des Lebens in Österreich beleuchtet werden und dass dieses Erfolgsmodell nur für bestimmte Sparten gilt.

Ich nehme nur eine Zahl heraus, weil der Herr Bundeskanzler erklärt hat, dass jeder Österreicher/jede Österreicherin, sofern ich mich richtig erinnere, pro Jahr 2 600 € mehr hat. Ich werde jetzt nicht mit dem Herrn Bundeskanzler streiten, welche Zahlen da stimmen. Ich lade einfach alle Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause ein: Schauen Sie auf Ihrem Kontoauszug, auf Ihrem Gehaltszettel nach, ob Sie es sind, die 2 600 € mehr haben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Vielleicht noch eines der Zahlenspiele der Bundesregierung, ein harmloses Beispiel herausgegriffen, das aber typisch ist für diese Bundesregierung. – Es wurde darauf hingewiesen, dass inzwischen die Hälfte der Regierungsämter von Frauen besetzt ist. Damit es da kein Missverständnis gibt, möchte ich voraus noch sagen: Ich bin sehr froh, dass jetzt in der Bundesregierung so viele Frauen sind wie nie zuvor. Aber rechnen können wir trotzdem noch, obwohl Österreich diesbezüglich in der PISA-Studie nicht so toll abgeschnitten hat. 18 Mitglieder hat diese Bundesregierung, davon


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sind sechs Frauen – macht nach Adam Riese eine Zweidrittelmehrheit der Männer aus. Die Regierung lässt halt schnell die sechs Staatssekretäre irgendwo heimlich unter den Tisch fallen (Abg. Sburny: Vielleicht braucht sie sie nicht?!), damit es sich irgendwie wieder ausgeht. Das ist Mathematik à la Schüssel! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich könnte jetzt Unmengen an Zahlen bringen, insbesondere über die Situation von Frauen in Österreich, aber ich tue es nicht, sondern verweise auf einen Bericht (die Rednerin hält den „Grünen Frauenbericht 2004“ in die Höhe), den wir bereits letztes Jahr erstellt haben, sozusagen der Grüne Bericht zur Lage der Frauen in Österreich, etwas, was frühere Bundesregierungen gemacht haben, diese Regierung aber nicht mehr. Das Bild, das da von der Lebenssituation von Frauen entsteht, ist alles andere als erfreulich. Auch das ist bekannt. Es wurde heute auch schon die wachsende Arbeitslosigkeit von Frauen, die Einkommensschere und so weiter erwähnt. Was wirklich nachdenklich stimmt, ist, dass wir jetzt beim Überarbeiten für die Neuauflage festgestellt haben, dass sich das für die Frauen quer durch alle Gebiete verschlechtert hat. Doch dann sagen Sie, Frau Sozialministerin: Wir geben den Frauen das, was ihnen zusteht! – Offenbar findet diese Bundesregierung, den Frauen steht als Einziges sozialer Abstieg und Armut zu. Das kann es wirklich nicht sein, und ich kann Sie nur einladen – ich überreiche Ihnen den Bericht jetzt gleich (Abg. Scheibner: Der ist aber dünn!), Herr Bundeskanzler –, schauen Sie sich die Zahlen an, machen Sie sich selbst ein Bild, wie es Frauen in Österreich geht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Die Rednerin legt den erwähnten Bericht vor Bundeskanzler Dr. Schüssel auf die Regie­rungsbank. Dieser spricht gerade mit Bundesministern.) – Die Lage der Frauen in Österreich ist dem Herrn Bundeskanzler nicht einmal einen Blick wert, stelle ich fest. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Statt aber bei der Bilanz, die über weite Bereiche traurig genug ausfällt, stehen zu bleiben, ist es, glaube ich, viel wichtiger zu schauen, was wir brauchen und was die nächsten Jahre bringen sollten. Da wünsche ich mir, dass Frauen tatsächlich bekommen, was ihnen zusteht, zum Beispiel gleich viel Pension wie Männer, also eine Verdoppelung der Frauenpensionen, dass auf dem Arbeitsmarkt automatisch gelten sollte, dass Frauen jedenfalls als gleich qualifiziert gelten und nicht immer den Nimbus des Nicht-so-gut-qualifiziert-Seins haben, dass in Phasen von Kinderbetreuung und Familienarbeit die Partnerin und der Partner gleiche soziale Absicherung, gleichen Pen­sionsanspruch, gleiche Einkommens- und Karrierechancen danach haben, wie immer die beiden sich das untereinander aufteilen wollen, dass Frauen nicht schlechter ausgebildet sind und dass man nicht einfach hinnimmt, dass sich bei PISA herausstellt, dass die Mädchen in den Schulen in allen Bereichen außer dem Lesen schlechter abschneiden. Das muss einen doch aufrütteln und alarmieren, und da muss man doch sagen: Wir müssen für die Ausbildung von Frauen und Mädchen in Österreich etwas tun! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das gilt natürlich auch für weitere Arbeitsbereiche. Ich wünsche mir eine Regierung, ein Österreich, in dem Menschenrechte, Ökologie, Frauenpolitik nicht nur in den Sonntagsreden vorkommen, sondern hart daran gearbeitet wird, denn wenn man etwas wirklich liebt, arbeitet man dafür. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rada zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Geschäftsordnung: zunächst den zu berichtigenden und dann den berichtigten Sachverhalt. – Bitte.

 



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16.50.25

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Ich berichtige tatsächlich Herrn Abgeordneten Molterer. Wo Gusenbauer ist, ist es gut für den Bezirk. Und es war gut für Gänserndorf. (Lebhafte ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, das ist eine Rede!)

Zum Zweiten: Gusenbauer ... (Abg. Mag. Molterer: Was ist das für eine Berich­tigung?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Abgeordneter Molterer! Sie zitierten eine ...

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, bitte: zunächst den zu berichtigenden und dann den berichtigten Sachverhalt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Eine tatsächliche Belustigung ist das! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Abgeordneter Dr. Robert Rada (fortsetzend): Die Zeit läuft ab. (Anhaltende Zwi­schenrufe. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Tatsächlich berichtige ich Herrn Abgeordneten Molterer, dass das, was er zitiert hat, völlig unrichtig ist und die Tageszeitung völlig falsch informiert hat. (Neuerliche lebhafte ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Beifall bei der SPÖ.)

16.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter! Ich denke, Sie wissen, dass das keine tatsächliche Berichtigung war.

Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr ... (Unruhe im Saal. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durchführung des Schulversuchs „gemeinsame Schule“ in Hermagor und Wolfsberg.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit ist der Antrag nicht ange­nommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das haben wir schon, das Geld!)

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag (anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) der Abgeordneten Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Verankerung der Wehrdienstverkürzung.

Ich bitte auch da für den Fall der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

16.52.37 Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 523/A bis 527/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2606/J bis 2635/J eingelangt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
95. Sitzung / Seite 66

Schließlich ist eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Puswald mit der Ordnungs­zahl 27/JPR an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 2. März 2005, 10 Uhr, in Aussicht genommen wurde, wird auf schriftlichem Weg einberufen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.53.16Schluss der Sitzung: 16.53 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien