Stenographisches Protokoll

5. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 31. Jänner 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

5. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 31. Jänner 1996

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 31. Jänner 1996: 11.03 – 18.32 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Europawahlordnung – EuWO

2. Punkt: Europa-Wählerevidenzgesetz – EuWEG

3. Punkt: 1. BIG-Gesetz-Novelle

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird

5. Punkt: Bericht gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1994

6. Punkt: Bericht gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1993

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 10

Geschäftsbehandlung

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend das Schreiben des Landeshauptmannes von Oberösterreich Dr. Pühringer an die Präsidialkonferenz im Zusammenhang mit den Gräberfunden im Baustellenbereich des geplanten Kraftwerkes Lambach 10

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Zurückziehung des Verlangens auf Durchführung einer Aktuellen Stunde 10

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 2 der Geschäftsordnung 13

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die Reihenfolge der Debatten 14


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5. Sitzung / Seite 2

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend die Reihenfolge der Debatten:

Dr. Andreas Khol 76

Ing. Monika Langthaler 76

Feststellung des Präsidenten Mag. Dr. Willi Brauneder in diesem Zusammenhang 76

Erklärung des Bundesministers für Inneres Dr. Caspar Einem betreffend Gräberfunde im Baustellenbereich des geplanten Kraftwerkes Lambach im Sinne des § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung 76

Bundesminister Dr. Caspar Einem 76

Durchführung einer Debatte 76

Redezeitbeschränkung für diese Debatte 76

Redner:

Dr. Peter Kostelka 78

Dr. Andreas Khol 80

Dr. Jörg Haider 81

Dr. Volker Kier 83

Mag. Dr. Madeleine Petrovic 85

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend Wahrung der Totenruhe – Annahme (E 2) 79, 88

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 11/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetz geändert wird, gemäß § 43 der Geschäftsordnung eine Frist bis 31. Mai 1996 zu setzen 12

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 2 der Geschäftsordnung 13

Redner:

Mag. Dr. Heide Schmidt 88

Mag. Dr. Maria Fekter 89

Mag. Terezija Stoisits 90

Dr. Willi Fuhrmann 91

Dr. Harald Ofner 92

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 93

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 11

Ausschüsse

Zuweisungen 11

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (18 d. B.): Europawahlordnung – EuWO (28 d. B.)

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (19 d. B.): Europa-Wählerevidenzgesetz – EuWEG (29 d. B.)


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5. Sitzung / Seite 3

Berichterstatterin: Dr. Ilse Mertel 13

Redner:

Mag. Herbert Haupt 15

Dr. Elisabeth Hlavac 19

Karl Donabauer 21

Dr. Friedhelm Frischenschlager 24

Karl Öllinger 28

Peter Schieder 30

Dr. Martin Graf 32

Mag. Cordula Frieser 33

Berichterstatterin: Dr. Ilse Mertel (Schlußwort) 34

Annahme der beiden Gesetzentwürfe 34

3. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (22 d. B.): 1. BIG-Gesetz-Novelle (26 d. B.)

Berichterstatterin: Mag. Dr. Maria Fekter 36

Redner:

Hans Schöll 37

Staatssekretärin Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner 39

Maria Rauch-Kallat 41, 51

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 43

Kurt Eder 45

Mag. Dr. Heide Schmidt 47

Dr. Michael Krüger 50

Mag. Reinhard Firlinger 52

Dr. Alois Mock 53

Ing. Monika Langthaler 55

Annahme 55

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Begrenzung der Baukosten für die Errichtung des Österreichischen Kulturinstituts in New York – Ablehnung 44, 56

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (16 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird (27 d. B.)

Berichterstatterin: Rosemarie Bauer 56

Redner:

Mag. Herbert Haupt 57

Dr. Günther Kräuter 60

Fritz Neugebauer 62

Mag. Johann-Ewald Stadler 64

Dr. Friedhelm Frischenschlager 66

Andreas Wabl 67

Mag. Helmut Peter 69

Annahme 71


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5. Sitzung / Seite 4

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Bericht der Bundesregierung (III-6 d. B.) gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1994 (31 d. B.)

6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Bericht der Bundesregierung (III-7 d. B.) gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1993 (30 d. B.)

Berichterstatterin: Dr. Elisabeth Hlavac 72

Redner:

Dr. Harald Ofner 73

Dr. Dieter Antoni 93

Dr. Friedhelm Frischenschlager 96

Ridi Steibl 97

Mag. Terezija Stoisits 99

Staatssekretär Mag. Karl Schlögl 103

Paul Kiss 104

Mag. Herbert Haupt 106

Kenntnisnahme der beiden Berichte 108

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Dieter Antoni, Ridi Steibl, Dr. Harald Ofner, Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen betreffend die Ratifizierung der Europäischen Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen sowie der Rahmenkonvention über den Schutz nationaler Minderheiten – Annahme (E 3) 101, 108

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Erhöhung der Volksgruppenförderung auf 100 Millionen Schilling – Ablehnung 102, 108

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 11

23: Österreich Institut-Gesetz

25: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

Berichte 11

Vorlage 2 BA: Bericht über die Genehmigung von überplanmäßigen Ausgaben im 4. Quartal 1995; BM f. Finanzen

Vorlage 3 BA: Bericht über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahre 1995; BM f. Finanzen

Vorlage 4 BA: Bericht betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundesvermögen im Jahre 1995; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz zur Förderung des Tierschutzes im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (Tierschutzförderungsgesetz) (39/A) (E)


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5. Sitzung / Seite 5

Mag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Einrichtung einer tierversuchsfreien Forschungsstätte an der Karl-Franzens-Universität Graz (40/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend die Einrichtung eines effizienten Referates für Sekten, pseudoreligiöse Organisationen und destruktive Kulte (41/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend Novellierung des Österreichischen Bundesforste-Gesetzes 1977 (42/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit durch eine ökologische Reform des österreichischen Steuersystems (43/A) (E)

Mares Rossmann und Genossen betreffend Abschaffung der Getränkesteuer (44/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend indirekte Förderung von Risikokapital (45/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend steuerliche Begünstigung nicht entnommener Gewinne (46/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend kalte Progression (47/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Einführung des Luxemburger Modells (48/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Erhöhung des Investitionsfreibetrages (49/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Senkung der Mehrwertsteuersätze (50/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Förderung der Beschäftigung älterer Menschen (51/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Reform des Insolvenzrechtes zur Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten (52/A) (E)

Mares Rossmann und Genossen betreffend Förderungsmaßnahmen für Saisonbetriebe zur Entlastung der Arbeitslosenversicherung durch eine Verlängerung der Saison (53/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Senkung der Kammerumlagen (54/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit (55/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957 geändert wird (56/A)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Novellierung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (57/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Aufforderung an den/die Unterrichtsminister/in zur jährlichen Vorlage eines Schulberichtes an den Nationalrat (58/A) (E)


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5. Sitzung / Seite 6

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Reform der Spitalsfinanzierung (59/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Verbesserung des Gesundheitsberichtswesens (60/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend die Anerkennung der Gebärdensprache in Österreich (61/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung einer PatientInnen- und Pharmaversicherung nach dem Prinzip einer verschuldensunabhängigen Haftung (62/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend finanzielle Gleichstellung der "sonstigen" Privatschulen mit den konfessionellen Privatschulen (63/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Novellierung des Einkommensteuergesetzes (64/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Erstellung von Rahmenbedingungen zur Ermöglichung einer echten Schulautonomie (65/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geändert wird (66/A)

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen betreffend umfassende Bürokratiereform (67/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank (68/A) (E)

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen betreffend Politikerprivileg vorzeitige Pensionierung (69/A) (E)

Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank (70/A) (E)

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen betreffend Politikerprivileg Abfertigung (71/A) (E)

Ute Apfelbeck und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird (72/A)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die Finanzierung und Fertigstellung des Abschnitts "Völkermarkt West – Klagenfurt Ost" der A 2 Süd Autobahn (Lückenschluß) (73/A)(E)

Hans Schöll und Genossen betreffend Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) (74/A) (E)

Hans Schöll und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I, der BGV II und der BIG (75/A) (E)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Einhebung einer einmaligen Sonderdividende von wirtschaftlich erfolgreichen Staatsbetrieben (76/A) (E)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die vorgezogene Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogramms für die Bauwirtschaft (77/A) (E)

Hans Schöll und Genossen betreffend Reduktion der Maklerprovisionen auf das in der EU übliche Niveau (78/A) (E)


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5. Sitzung / Seite 7

Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird (79/A)

Dr. Liane Höbinger-Lehrer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird (80/A)

Dr. Liane Höbinger-Lehrer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung schwerer und organisierter Kriminalität) (81/A)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Umstellung des Einkommensteuersystems auf ein Familiensplitting (82/A)(E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Abschaffung der 13. USt-Vorauszahlung (83/A) (E)


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5. Sitzung / Seite 8

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Lehrlinge im Kommunalsteuergesetz (84/A) (E)

Ute Apfelbeck und Genossen betreffend Privatisierung der Bankenaufsicht (85/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend § 17 Abs. 1 EStG 1988, § 14 Abs. 1 Z 1 UStG 1972, Durchführungserlaß zur gesetzlichen Basispauschalierung, GZ 140602/3-IV/14/94 (86/A) (E)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen betreffend finanzielle Auswirkungen neuer rechtssetzender Maßnahmen (87/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Grenzgängerregelung, Doppelbesteuerungsabkommen mit der BRD (88/A) (E)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Wirtschaftstreuhänder-Berufsverordnungs-Novelle 1982 geändert wird (89/A)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Maßnahmen zur Vereinheitlichung und Verbesserung der Technologie- und Forschungsförderung (90/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Zweiganstalten der Nationalbank in den Bundesländern (91/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend Maßnahmen gegen Wildverbißschäden (92/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend soziale Ausgewogenheit der Agrarförderungen (93/A) (E)

Mag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Bericht des Unterausschusses Entwicklungspolitik zur finanzgesetzlichen Absicherung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit (94/A) (E)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des Verkehrslärms bei den ÖBB (95/A) (E)

Dr. Susanne Preisinger und Genossen betreffend Ausstattung von Reisebussen mit Sicherheitsgurten (96/A) (E)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend eine dauerhafte Regelung für den öffentlichen Nahverkehr (97/A) (E)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend die Änderung des Übereinkommens von Wien über den Straßenverkehr zwecks Schaffung international verbindlicher strenger Abgasvorschriften (98/A) (E)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Ausrüstungsvorschriften von Fahrrädern (99/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Tierquälerei (43/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (44/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Selbstbehalte (45/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aktivitäten österreichischer Staatsangehöriger in Slowenien und Kroatien (46/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend ungeklärte Fragen bei der Vereinbarung über Infrastrukturvorhaben der ÖBB (47/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend ungeklärte Fragen bei der Vereinbarung über Infrastrukturvorhaben der ÖBB (48/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einzahlungen der Bank Austria auf BAWAG-Sparbücher (49/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Entschließungsantrag des Nationalrates vom 14. 7. 1994 "Maßnahmen im Zusammenhang mit Sekten, pseudoreligiösen Gruppierungen, Vereinigungen und Organisationen sowie destruktiven Kulten" (50/J)

Mag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Erstellung des Dreiervorschlages zur Besetzung eines Schulaufsichtsbeamten für den Bezirk Reutte/Tirol (51/J)

Dr. Ewald Nowotny und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Auswirkungen der Jahrtausendwende auf die EDV-Organisation des Bundes (52/J)

Dr. Ewald Nowotny und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend die Auswirkungen der Jahrtausendwende auf die EDV-Organisation des Bundes (53/J)

Dr. Ewald Nowotny und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Auswirkungen der Jahrtausendwende auf die EDV-Organisation des Bundes (54/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Gefährdung durch "Elektrosmog" (55/J)


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5. Sitzung / Seite 9

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Haftung für durch Luftfahrzeuge hervorgerufene Schäden (56/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Sozialversicherungsabkommen mit ehemaligen Ostblockstaaten (57/J)

Ing. Kurt Gartlehner und Genossen an den Bundesminister für Umwelt betreffend rechtliche, organisatorische und finanzielle Fragen der geplanten Mitwirkung der Österreichischen Bundesforste (ÖBF) an aktuellen Nationalparkprojekten (insbesondere Nationalpark Kalkalpen) (58/J)

Ing. Kurt Gartlehner und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend rechtliche, organisatorische und finanzielle Fragen der geplanten Mitwirkung der Österreichischen Bundesforste (ÖBF) an aktuellen Nationalparkprojekten (insbesondere Nationalpark Kalkalpen) (59/J)

Ing. Gerald Tychtl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Investitionen in die Wirtschaft durch Bund und Land (60/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Erleichterung der Viehimporte aus Osteuropa (61/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend einen Brief der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé an den Bundesminister für Arbeit und Soziales über Sozialmißbrauch (62/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einführung der EU-Reisepässe (63/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Bahnhofsplatz-Salzburg (64/J)

Ing. Kurt Gartlehner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend latente Befürchtung der Schließung der Kasernen Kirchdorf/Krems und Steyr (65/J)


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5. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 11.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren, ich darf Sie herzlich bitten, die Plätze einzunehmen, damit wir möglichst pünktlich mit der Sitzung des Nationalrates beginnen können.

In diesem Sinne eröffne ich die 5. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Voggenhuber, Dr. Bartenstein, Leitner, Mag. Barmüller und Dr. Haselsteiner.

Ergebnis der Präsidialkonferenz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich habe Sie, meine Damen und Herren, gestern abend über das Ergebnis der Präsidialsitzung informiert und angekündigt, daß wir eine weitere Sitzung heute vor Beginn der Plenarsitzung abhalten werden. Diese hat auch stattgefunden. In dieser Sitzung ist ein Antwortschreiben des Herrn Landeshauptmanns Dr. Pühringer – auf unsere gestrigen Ersuchen beziehungsweise auf unsere Empfehlungen – zur Kenntnis gebracht worden. Der Herr Landeshauptmann hat uns folgendes mitgeteilt:

"Ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom 30. Jänner, das mir via Fax zugegangen ist, und teile Ihnen mit, daß den Forderungen der Präsidialkonferenz des Nationalrates ... vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Im Vordergrund unserer Bemühungen stehen jetzt folgende Maßnahmen:

Erstens: rechtliche Abklärung, zweitens: Identifikation der gefundenen Gebeine, drittens: Lokalisierung der Fundstelle.

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, ich werde Sie, den Herrn Bundespräsidenten sowie den Herrn Innenminister über jeden Schritt im Detail informieren."

Wir sind der Meinung, daß unsere Bitte, zumindest im Gräberfeld einen Baustopp zu verfügen, in jenem Sinn verstanden werden soll, daß absolut gewährleistet ist, daß alle Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang zu treffen sind, nicht beeinträchtigt werden, und daß die Fundstelle wirklich in umfassendem Sinn abgesichert bleibt, bis alles Notwendige erörtert beziehungsweise abgesichert ist. – In diesem Sinne werden wir mit dem Herrn Landeshauptmann in Kontakt bleiben.

Wir haben weiters die Absicht, den Herrn Bundesminister für Inneres noch heute während der Plenarsitzung um einen Bericht darüber zu ersuchen. Diesen Bericht wollen wir uns am Nachmittag anhören – entweder nach Schluß der Tagesordnung, jedenfalls aber nicht nach 16 Uhr, sodaß es eben bis spätestens 16 Uhr diesen Bericht des Herrn Innenministers geben wird, an den sich Stellungnahmen aller Fraktionen anschließen werden.

Im Hinblick darauf hat die freiheitliche Fraktion ihr Verlangen auf Durchführung einer Aktuellen Stunde am Beginn dieser Sitzung zurückgezogen , sodaß wir sodann gleich in die Tagesordnung eingehen können.

Dringliche Anfrage ist keine eingebracht worden, und nach derzeitigem Stand der Dinge besteht auch keine diesbezügliche Absicht. – Das zu diesem Thema. Auch heute war das Resümee der Beratungen in der Präsidialsitzung einhellig und einstimmig.


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5. Sitzung / Seite 11

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr im Sinne der Geschäftsordnung weiter vor und teile mit, daß der Herr Bundeskanzler betreffend Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung Mitteilung wie folgt gemacht hat:

Bundesminister für Umwelt Dr. Martin Bartenstein wird in der heutigen Sitzung durch Herrn Bundesminister Mag. Molterer vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Regierungsvorlagen:

Österreich Institut-Gesetz (23 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (25 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 29a, 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuß:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von überplanmäßigen Ausgaben im 4. Quartal 1995 (Vorlage 2 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahre 1995 (Vorlage 3 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundesvermögen im Jahre 1995 (Vorlage 4 BA).

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 25/A der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) vom 11. Dezember 1969, BGBl. Nr. 22/1970, zuletzt geändert durch das BGBI. Nr. 27/1994, geändert wird;

Außenpolitischer Ausschuß:

Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien" (DAK-Gesetz 1996) (24 der Beilagen);

Budgetausschuß:

Antrag 37/A (E) der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Sanierung und Ausbau des Casino-Stadions Salzburg;


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5. Sitzung / Seite 12

Finanzausschuß:

Antrag 28/A der Abgeordneten Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Energiesteuergesetz 1995;

Gesundheitsausschuß:

Antrag 27/A (E) der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Gründung von Gruppenpraxen durch Angehörige von Gesundheitsberufen;

Industrieausschuß:

Antrag 38/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Behandlung des "Technologiepolitischen Konzeptes der Bundesregierung";

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 26/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung,

Antrag 33/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215, geändert wird;

Umweltausschuß:

Antrag 31/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Regelung der obertägigen Ablagerung von Abfällen im Gesetzesrang,

Antrag 32/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Nationaler Umweltplan und Bundes-Abfallwirtschaftsplan als strategische Instrumente der österreichischen Abfallwirtschaft,

Antrag 34/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Neugestaltung der Verpackungsverordnung,

Antrag 36/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Novellierung Altlastensanierungsgesetz;

Verfassungsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (21 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuß:

Antrag 30/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Bergrechtsreform,

Antrag 35/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen betreffend die Erstellung weiterer unabhängiger Gutachten zur Notwendigkeit der Errichtung einer 380-kV-Leitung "UW Kainachtal – UW Wien Südost" sowie die Änderung des Starkstromwegegesetzes aus 1968 hinsichtlich eines Bürgerbeteiligungsverfahrens im Sinne des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) und die Erstellung einer unabhängigen Studie betreffend dezentrale Energieversorgung als Alternative zum Verbundnetz für den Raum Oststeiermark.

*****

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß Frau Abgeordnete Dr. Schmidt beantragt hat, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 11/A eine Frist bis 31. Mai 1996 zu setzen.


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5. Sitzung / Seite 13

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. – Über den Zeitpunkt dieser Debatte werde ich nach Rücksprache mit Mitgliedern der antragstellenden Fraktion Mitteilung machen, um diese mit dem vorhin angekündigten Bericht des Innenministers entsprechend koordinieren zu können.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Tagesordnung selbst ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 sowie über die Punkte 5 und 6 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein, und ich teile mit: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Art und Durchführung der Debatte erzielt. Demnach können in jeder Debatte höchstens drei Redner pro Klub mit einer Redezeit von je 10 Minuten zu Wort kommen, wobei einem Redner jeder Fraktion dennoch eine Redezeit von 20 Minuten zusteht.

Soweit der Vorschlag, über den das Plenum zu befinden hat. Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Vorschlag einhellig angenommen .

1. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (18 der Beilagen): Europawahlordnung – EuWO (28 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (19 der Beilagen): Europa-Wählerevidenzgesetz – EuWEG (29 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der heutigen Tagesordnung. Die Debatte darüber wird unter einem durchgeführt.

Es sind dies: Berichte des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlagen: Europawahlordnung und Europa-Wählerevidenzgesetz.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Sie hat das Wort, und ich bitte sie, die Debatte einzuleiten.

Berichterstatterin Dr. Ilse Mertel: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich erstatte Bericht über 28 und 29 der Beilagen.

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz über die Wahl der von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament (Europawahlordnung).

In der gegenständlichen Regierungsvorlage soll im Einklang mit der Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 6. Dezember 1993 für die Wahl zum Europäischen Parlament (Europawahl) ein Wahlrecht geschaffen werden, das von bestimmten Grundsätzen geprägt ist.

Seinem Aufbau nach orientiert sich die vorliegende Europa-Wahlordnung an der geltenden Nationalrats-Wahlordnung.

Der Verfassungsausschuß hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 26. Jänner 1996 in Verhandlung genommen. In diesem Zusammenhang soll angemerkt werden,


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daß der Verfassungsausschuß davon ausgeht, daß bei den Mitgliedern des Europäischen Parlaments gemäß § 2 Abs. 3 des Klubfinanzierungsgesetzes selbstverständlich sämtliche Mitglieder des Europäischen Parlaments, die einem Klub gemäß § 1 zurechenbar sind, umfaßt sind, gleichgültig, ob es sich um Abgeordnete handelt, die gleichzeitig auch dem Nationalrat oder dem Bundesrat angehören, oder um Abgeordnete, die gewählt wurden, ohne einem gesetzgebenden Organ des Bundes anzugehören.

Von den Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Karl Donabauer wurden zwei Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge eingebracht. Weiters wurden von den Abgeordneten Dr. Kostelka, Karl Donabauer, Dr. Frischenschlager und Johannes Voggenhuber zwei Zusatzanträge vorgelegt.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der erwähnten Abänderungsanträge in der dem schriftlichen Ausschußbericht beigedruckten Fassung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament.

Die gegenständliche Regierungsvorlage sieht im Einklang mit der Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 6. Dezember 1993 für die Wahl zum Europäischen Parlament die Schaffung einer Europa-Wählerevidenz vor. In diese sind neben Österreichern andere Unionsbürger mit Hauptwohnsitz in Österreich aufzunehmen; überdies sind Auslandsösterreicher einzutragen.

Der Entwurf sieht zur Durchführung des wechselseitigen Informationsaustausches mit anderen Mitgliedstaaten die Einrichtung einer zentralen Europa-Wählerevidenz vor.

Der Verfassungsausschuß hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 26. Jänner 1996 in Verhandlung genommen. Von den Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Karl Donabauer wurden zwei Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge eingebracht.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der erwähnten Abänderungsanträge in der dem schriftlichen Ausschußbericht beigedruckten Fassung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit die Anträge , der Nationalrat wolle den den schriftlichen Berichten angeschlossenen Gesetzentwürfen die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, ersuche ich, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Berichterstatterin für ihre Ausführungen.

Für die Debatte wurde eine Redezeit von 10 Minuten pro Redner festgelegt, wobei einem Redner jedes Klubs dennoch eine Redezeit von 20 Minuten zusteht. Pro Klub gelangen höchstens drei Redner zu Wort.

Bevor ich dem ersten Redner, Herrn Abgeordneten Mag. Haupt, das Wort erteile, teile ich noch folgendes mit: Das Verlangen des Liberalen Forums auf kurze Debatte über den Fristsetzungsantrag ist nach der Geschäftsordnung so zu behandeln, daß diese Debatte spätestens um 16 Uhr stattzufinden hat. Da wir aber vereinbart haben, daß spätestens um 16 Uhr der Herr Bundesminister für Inneres eine Erklärung abgibt, gibt es nun Konsens dahin gehend, daß zuerst die Erklärung des Innenministers stattfindet, dann die dazu vorgesehenen Wortmeldungen und im Anschluß daran die Debatte über den Fristsetzungsantrag. – Bitte um Kenntnisnahme.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haupt. Ich erteile es ihm. – Redezeit: maximal 20 Minuten.


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11.15

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die beiden vorliegenden Gesetzesmaterien betreffend Europawahlordnung und Europa-Wählerevidenzgesetz hätten sich die Österreicherinnen und Österreicher eigentlich schon zu einem früheren Zeitpunkt gewünscht.

Nach der EU-Volksabstimmung im Juni 1994 und nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union sind fast eineinhalb Jahre vergangen, bis nun auch Regelungen Österreichs für die Wahl der Europaparlamentarier endlich hier im Hohen Hause zur Diskussion gelangen.

Wir Freiheitlichen werden beiden Gesetzesvorlagen in den wichtigsten Kernbereichen die Zustimmung geben, aber es sollte hier auch eingangs gleich klar und deutlich gesagt werden, daß wir den Artikeln IV und V, die erst in der Ausschußsitzung vor einer Woche hineinreklamiert wurden, in der vorliegenden Form nicht die ungeteilte Zustimmung erteilen können. Wir verlangen daher getrennte Abstimmung, weil wir zwar § 2a Abs. 3 in der vorliegenden Form unsere Zustimmung geben, dies aber bei anderen Vorhaben – ich verweise in diesem Zusammenhang auf Artikel IV beziehungsweise V der Europawahlordnung – nicht machen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auf der einen Seite ist dieser Gesetzentwurf mehr als eine Legislaturperiode lang im Verfassungsausschuß gelegen und wurde dort nicht erledigt, auf der anderen Seite ist es aber zu massiven Änderungen in der Sitzung des Verfassungsausschusses von letzter Woche gekommen. – Wir Freiheitlichen können jetzt aber jedenfalls zum Europa-Wählerevidenzgesetz weitestgehend ja sagen.

Die Strafbestimmungen, die wir moniert haben, sind dann im Ausschuß tatsächlich hineingenommen worden, sodaß es so ist, daß für jene, die sich für diese Europawahl ein zweites Mal eine Wahlmöglichkeit zum Europäischen Parlament erschleichen beziehungsweise das erwirken wollen, diese Strafbestimmungen gelten werden. Und das ist für uns Freiheitlichen doch Grund genug, dem Europa-Wählerevidenzgesetz in weitesten Teilen unsere Zustimmung erteilen zu können.

Ich möchte aber hier schon sagen, daß die vorliegenden Gesetzesmaterien uns Freiheitliche nicht gerade glücklich stimmen. Österreich ist, wie das die Bundesregierung ja immer wieder betont, als freiwillig neutrales Land der Europäischen Union beigetreten, aber es ist uns allen auch klar, daß Österreich als ein Land mit föderalistischer Struktur, mit dieser Bundesverfassung in die Europäische Union gegangen ist. Und diesbezüglich, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich doch auf damit im Zusammenhang stehende Erkenntnisse des österreichischen Verfassungsgerichtshofes hinweisen: Was die Bundesländer Kärnten und Burgenland anlangt, so gab es hinsichtlich ihrer damaligen landesgesetzlichen Regelungen für die Landtagswahlen einen Einspruch seitens des Verfassungsgerichtshofes; die Einerwahlkreise wurden in beiden Bundesländern vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben.

In der vorliegenden Europawahlordnung ist jedoch auch nur ein Einerwahlkreis für ganz Österreich vorgesehen. Wir Freiheitlichen hätten uns in diesem Zusammenhang eine entsprechende Einteilung in Wahlkreise – was durchaus europakonform möglich gewesen wäre –, damit also auch ein erstes und zweites Ermittlungsverfahren, auch für diese Europawahl vorstellen können. – Es ist jedoch anders gekommen: Der vorliegende Beschluß des Verfassungsausschusses vom letzten Freitag sieht also diesbezüglich in Österreich einen Einerwahlkreis vor, in dem die 21 Mandate zum Europaparlament vergeben werden.

Wir Freiheitlichen befürchten, daß damit bevölkerungsschwächeren Bundesländern, was deren Vertretung im Europaparlament anlangt, Nachteile erwachsen werden, und wir meinen auch, daß das keinesfalls den Grundintentionen des österreichischen Parlaments der letzten Jahre entspricht, nämlich den Bürger stärker an die Parlamentarier zu binden und so ein besseres Verhältnis zwischen den Parlamentariern und den Wählern zu erreichen.


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Kollege Frischenschlager! Ich sehe, daß du hinter vorgehaltener Hand leicht lächelst. Es ist sicher richtig, daß bei etwa 220 000 bis 230 000 Stimmen pro Mandat – je nach Wahlbeteiligung – eine solch enge Bindung wie etwa bei den Nationalratswahlmandaten, bei denen nur ein Zehntel davon für ein Mandat notwendig ist, nicht möglich ist. Wir wissen, Kollege Frischenschlager, daß die Akzeptanz der Europaparlamentarier insgesamt und die Akzeptanz der Österreicher für die EU in Zukunft sehr stark vom Europaparlament, den Europaparlamentariern und dem Wirken der Europaparlamentarier in Europa für Österreich abhängen werden.

Wir Freiheitliche glauben daher, daß damit die Chance – zwar keine riesige oder große Chance, aber immerhin eine Chance –, eine stärkere Bindung zwischen Europaparlamentariern und deren Wählerinnen und Wählern in Österreich zu erreichen, nicht genützt wurde.

Wir meinen weiters, daß die Zahl der Abgeordneten, deren Unterschrift für eine Kandidatur notwendig sind – zumindest, was die Europaparlamentarier betrifft; es reicht die Unterschrift eines Europaparlamentariers, um kandidieren zu können –, zu gering ist. Der ursprüngliche Gesetzestext der Bundesregierung hatte ja fünf Abgeordnete zum Nationalrat und zwei Europaparlamentarier vorgesehen.

Wir glauben – die Zersplitterung in manchen anderen europäischen Ländern, die aufgrund allzu geringer Zugangshürden zu den Europawahlen entsteht, zeigt das –, daß auch für Österreich die Gefahr besteht – trotz der 4-Prozent-Klausel, die in diesem Gesetzentwurf enthalten ist –, daß ein überwiegender Anteil der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme für Kleinparteien abgibt, die die 4-Prozent-Hürde nicht überwinden, die aber bei einem zweigleisigen Verfahren, nämlich in Wahlkreisen und einem zweiten Ermittlungsverfahren, durchaus Chancen hätten, Mandate zu erringen. Und die Meinung dieser Wähler wird dann überhaupt nicht repräsentiert sein. Ein Nichtwiederfinden der Meinung einer erheblichen Anzahl von österreichischen Wählerinnen und Wählern, die zur Wahl geschritten sind, in den Abgeordneten des Europaparlaments würde pro futuro große Unzufriedenheit bewirken und damit die Skepsis im Hinblick auf die demokratischen Defizite der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments, die ja allerorts moniert werden, noch vergrößern.

Wir meinen daher, daß der vorliegende Gesetzestext, so wie er heute zur Verabschiedung gelangen soll, nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Wir werden ihm heute über weite Teile unsere Zustimmung geben, aber in manchen Teilen die Zustimmung verweigern. Wir glauben, daß das, was in den Artikeln IV und V zum vorliegenden Gesetzestext in letzter Minute hinzugefügt wurde, mit Sicherheit nicht ausreicht, um so verabschiedet zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht dabei – deutlich und klar gesagt – einerseits um die Parteienförderung und andererseits um die Klubfinanzierung. Wir meinen, daß beide an die Nationalrats-Wahlordnung angelehnten Bestimmungen, so wie sie hier enthalten sind, aus verfassungsrechtlicher Sicht einige Schwierigkeiten und Probleme aufweisen. Ich sage es hier ganz offen: Auch aufgrund des Streits, ob der Freiheitlichen Partei für die Nationalratswahlen 1995 die Wahlkosten rückerstattet werden sollen oder nicht, haben wir uns mit der vorliegenden Gesetzesmaterie nicht nur selbst eingehend beschäftigt, sondern uns auch in hochkarätigen verfassungsrechtlichen Expertisen – etwa von Universitätsprofessor Winkler und anderen – die Situation des Gesetzestextes in der vorliegenden Form und auch die Auswirkungen pro futuro erläutern lassen.

Laut Meinung namhafter Verfassungsrechtler hat nach den letzten Nationalratswahlen keine einzige der Parlamentsparteien den Antrag auf Parteienförderung zum verfassungsrechtlich richtigen Zeitpunkt hier eingebracht: drei Parteien zu früh und eine Partei zu spät, die aber trotzdem das Geld bekommen hat; die Freiheitlichen entweder zum richtigen Zeitpunkt, aber nicht nachweislich eingegangen, oder später mit einem Wiedereinsetzungsantrag in die ursprünglichen Rechte, zumindest auch später eingebracht. Diesen Rechtsstreit werden vermutlich österreichische Gerichte schlichten müssen. Aus freiheitlicher Sicht besteht hier bei einem wichtigen Punkt für die finanzielle Ressourcenzuführung für die Parteien eine Unabwägbarkeit, die schleunigst behoben werden sollte.


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Wir glauben daher, daß dieser Gesetzestext, wie er in den Artikeln IV und V hier vorliegt, besser an den Ausschuß rückverwiesen und dort einer verfassungskonformen Revision unterzogen werden sollte, als heute hier im Parlament rechtskräftig verabschiedet und dann in Verfassungsgerichtshofbeschwerden erst wieder releviert und wieder reformiert und neu abgefaßt.

Die Bedenken, die wir dagegen haben, sind schwerwiegend; sie sind für alle politischen Parteien insgesamt schwerwiegend, da ja – das wissen wir alle – ohne entsprechende finanzielle Ressourcen die politischen Tätigkeiten weder auf Europaebene noch auf nationaler Ebene befriedigend erfüllt werden können. Ja es können bei unklaren Rechtssituationen erhebliche Verzerrungen im Wettbewerb und im Auftreten bei den Wahlgängen unter den einzelnen Fraktionen bewirkt werden.

Wir halten das für demokratiepolitisch bedenklich und glauben, daß es besser gewesen wäre – da wir schon eineinhalb Jahre an diesem Gesetzestext vergeblich "gebrütet" haben, um das so auszudrücken –, noch den einen oder anderen Tag in einem Unterausschuß zu verbringen, um die Artikel IV und V in einer Fassung zu verabschieden, die rechtssicher ist und die solche Streitereien zum Schaden der Demokratie, aber auch zum Schaden aller Parlamentsparteien in Zukunft hintanhält. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Befriedigt zeigen wir Freiheitlichen uns aber darüber, daß zumindest in einem Punkt unseren Bedenken Rechnung getragen wurde, nämlich im § 2a Abs. 3, der nunmehr vorsieht, daß jene Mittel, für die von den Fraktionen keine Mittelrückerstattung beantragt wurde, nicht mehr so wie im Jahre 1990 auf die verbleibenden Fraktionen zu aliquoten Teilen ausgeschüttet werden, sondern tatsächlich dort bleiben, wo sie der Verzichtende haben will, nämlich im Staatssäckel, im Bundesbudget – dorthin hat sie der österreichische Staatsbürger für eine zweckgemäße Mittelzuführung aufgrund der gesetzlichen Basis gezahlt; er kann sich nun darauf verlassen, daß diese Mittel für seine Interessen verwendet werden.

Es ist daher nur konsequent, daß die Freiheitlichen für den Artikel IV getrennte Abstimmung verlangen werden. Wir werden im Artikel IV dem Punkt 1 § 2a Abs. 3 in der vorliegenden Form unsere Zustimmung geben. Den anderen Punkten des Artikels IV und dem Artikel V werden wir aber aus den von mir genannten Gründen nicht die Zustimmung geben.

Daß nun beim amtlichen Stimmzettel wieder darauf zurückgegangen wird, die wahlwerbenden Parteien so wie in der Vergangenheit untereinander und nicht wie bei den letzten Nationalratswahlen nebeneinander auf breite Plakate zu schreiben, halten wir für gut, obwohl wir wissen, daß die Österreicherinnen und Österreicher auch die letzten Wahlen tadellos bewältigt haben. Diese Formalismen sollten nicht so in den Vordergrund gestellt werden.

Erwähnt sollte auch werden, daß der Zugang für einzelne Abgeordnete mittels Vorzugsstimmen nun durchaus besser geregelt ist als im ursprünglichen Text der Bundesregierung. Dem möchte ich aber folgendes hinzufügen: Ich hätte mir gewünscht, daß wir eine Zugangsklausel gefunden hätten auf Basis der für ein Grundmandat notwendigen Stimmen und nicht aufgrund der Stimmen, die für die jeweilige Gesamtpartei abgegeben wurden.

Wenn man etwa die letzten Nationalratswahlen 1994 heranzieht, so hätte das folgendes bedeutet: Aufgrund der Stimmen, die das Liberale Forum 1994 für den Nationalrat errungen hat, wäre ihm ein Europaparlamentarier zugestanden, und aufgrund der jetzigen 7-Prozent-Klausel wäre bereits mit 19 000 Stimmen eine Vorreihung auf der Liste möglich gewesen. Für die Sozialdemokraten hingegen hätte das bedeutet, daß ein Kandidat oder eine Kandidatin, der oder die vorgereiht werden will, aufgrund der 7-Prozent-Klausel etwa 208 000 Stimmen gebraucht hätte – also knapp 10 000 bis 20 000 Stimmen weniger als aus heutiger Sicht ein Europaparlamentsmandat insgesamt kostet.

Ich meine daher, daß diese Verzerrung hinsichtlich des Zuganges, der Reihung aufgrund der Abhängigkeit von der Größe der Fraktionen demokratiepolitisch nicht ganz durchsichtig ist. Bei Klage nach dem Gleichheitsgrundsatz wird diese Bestimmung in der Form nicht halten. Ich meine, daß darin ein Keim dafür enthalten ist, daß uns eine verfassungsmäßige Überprüfung auch dieses Teiles der Europawahlordnung irgendwann einmal bei strittigen Punkten ins Haus


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stehen wird; etwa wenn jemand einer Großpartei mit 25 000 oder 28 000 Stimmen nicht vorgereiht wird, während jemand einer kleineren Partei mit 19 000 oder 20 000 Stimmen vorgereiht wird und damit einen Europaparlamentssitz zugewiesen bekommt.

Man sollte daher nicht restlos glücklich mit dem sein, was uns der Ausschuß in der vorliegenden Form beschert hat. In manchen Punkten sind die Bedenken, die wir Freiheitlichen formuliert haben, nach wie vor aufrecht.

Wir leben in einem Rechtsstaat. Man kann das, was an Bedenken hier im Parlament nicht berücksichtigt wird, dann in entsprechender Form beim Verfassungsgerichtshof einbringen und dort relevieren lassen. Ich halte es aber nach wie vor für einen Schönheitsfehler, daß man hier in dieser Form vorgehen muß und nicht in einer konsensualen Meinungsbildung aller fünf Parlamentsparteien zu einem Gesetzestext über die Spielregeln der Demokratie kommt, der unbestreitbar ist, der also nicht den Makel von zwei oder drei Verfassungsklagen schon bei der Gesetzwerdung in sich birgt.

Für die ersten Europawahlen sind die entsprechenden Wählerevidenzen neu zu erstellen. Daß unser altes Begehren – dies ist auch ein altes Begehren der Auslandsösterreicher –, die Auslandsösterreicher als eine Art zehntes Bundesland in eine eigene Evidenz aufzunehmen und damit den im Ausland lebenden österreichischen Wahlberechtigten, die daran interessiert sind, pro futuro einen leichteren, unbürokratischen Zugang zur Wählerevidenz zu ermöglichen, mit dieser Gesetzesmaterie nicht verabschiedet werden konnte, sei ebenfalls en passant erwähnt.

Wir Freiheitlichen hätten uns gewünscht, daß Verhandlungen und Beschlußfassung zwar schneller, aber gründlicher und in einem Unterausschuß erfolgt wären, wo man die Bedenken in Ruhe, mit sachkundiger Unterstützung von Verfassungsrechtlern, die das Vertrauen aller fünf Parteien haben, länger diskutiert hätte, um einen Gesetzestext zustande zu bringen, der unbestreitbarer wäre, als es der heutige Gesetzestext für beide Materien ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine auch, daß wir damit eine große demokratiepolitische Chance versäumt haben. Wir wissen, daß nach der ersten EU-Euphorie vieles von dem, das für Europa, für den neuen Aufbruch gegolten hat, in unserem Staate verlorengegangen ist. Es sind sehr viele Bedenken gekommen, weil das, was als Versprechungen der ersten Stunde anzusehen ist, nur mit Verzögerungen eintritt und die Ungeduld der Bürger beim Warten darauf, wann denn die versprochenen Verbesserungen auch sie, ihre Haushalte und ihre Haushaltsführung erreichen, wächst.

Ich meine daher, wir wären gut beraten gewesen, wenn wir ein solch wichtiges Gesetz, das die Grundregeln der demokratischen Spielordnung, der Auswahl der Europaparlamentarier für Österreich, die unsere Interessen wahrzunehmen haben, festlegt, mit mehr Sorgfalt, als sie der heutige Gesetzestext aus freiheitlicher Sicht beinhaltet, geschaffen hätten. Dadurch hätten wir viele Ressentiments abbauen können, hätten wir viele bewußtseinsbildende Maßnahmen erreichen können, die in den letzten 24 Stunden hier im Hohen Hause für viele Bereiche unseres Staatswesens und die Wirtschaftspolitik gefordert wurden. Viel wichtiger und viel dringender erscheinen mir aber Maßnahmen im Kernbereich unserer Demokratie, damit das Vertrauen des Bürgers in die Spielregeln unserer Demokratie und in die Umsetzung, in die Auswahl der Vertreter der Bürger in den nationalen, in den regionalen und in den internationalen Parlamenten erhalten bleibt. Das hätte deutlich demokratischer geregelt werden sollen, als es mit dem vorliegenden Gesetzestext der Fall ist.

Wir werden daher wichtigen Teilen dieses Gesetzes unsere Zustimmung verweigern und hoffen, daß in diesem Parlament einmal eine bessere Europawahlordnung verabschiedet werden wird als heute. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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11.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

11.35

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit der Beschlußfassung über die Europawahlordnung und das Europa-Wählerevidenzgesetz werden die rechtlichen Grundlagen für die Wahlen zum Europäischen Parlament im heurigen Jahr geschaffen. Es muß, wie bekannt ist, innerhalb von zwei Jahren ab Beitritt zur Europäischen Union die Direktwahl der Parlamentarier stattfinden. Die weiteren Wahlen finden auf Beschluß des Europäischen Parlaments in allen Mitgliedstaaten in etwa zugleich statt.

Ich möchte, bevor ich mich mit der Frage, welchen Stellenwert das Europäische Parlament hat, beschäftige, mich kurz mit den Argumenten des Kollegen Haupt befassen. Er hat die Frage des einheitlichen Wahlkörpers angesprochen. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir bereits im Bundesverfassungsgesetz festgehalten haben, daß Österreich ein einheitlicher Wahlkörper sein soll und daher die jetzt eingebrachte Vorlage dieser verfassungsrechtlichen Grundlage vollinhaltlich entspricht. Das entspricht auch den einschlägigen Richtlinien der Europäischen Union und ist daher rechtlich zweifellos korrekt.

Ich möchte aber auch erwähnen, daß das meiner Meinung nach eine Wahl ist, bei der der gesamtösterreichische Charakter stärker zum Tragen kommen soll, und es mir daher sinnvoll erscheint, daß ganz Österreich ein einheitlicher Wahlkörper ist.

Daß die Bundesländer dadurch schlechter vertreten wären, glaube ich nicht. Es ist Sache der Parteien, die die Listen erstellen, für eine regional ausgeglichene Aufstellung zu sorgen. Die meisten Bundesländer sind zu klein, als daß wirklich, wenn ein Bundesland ein Wahlkreis wäre, ein Abgeordneter direkt gewählt werden könnte. Mir scheint daher die gewählte Vorgangsweise nicht nur rechtlich korrekt, sondern auch zweckmäßig zu sein.

Zur Frage der Parteienförderung und dazu, daß die FPÖ es versäumt hat, die Fristen einzuhalten, möchte ich nur sagen, daß die Einhaltung von Fristen eine Selbstverständlichkeit sein soll. Wir erwarten von jedem Staatsbürger, von jedem Gastarbeiter, von jedem, der Rechte in Österreich in Anspruch nehmen will, daß er die Fristen einhält, und wenn er das nicht tut, geht er dieser Rechte verlustig.

Es liegen ein Gutachten des Verfassungsdienstes, aber auch zwei Gutachten unabhängiger Professoren vor, die eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Vorgangsweise des Bundeskanzleramtes korrekt war.

Ich möchte nun aber wieder zur Wahl der Europaparlamentarier zurückkommen.

Die Erfassung der Wähler ist ziemlich kompliziert. Es dürfen bekanntlich alle EU-Bürger an der Wahl teilnehmen, die in Österreich ihren Hauptwohnsitz haben und nicht anderswo in die Wählerevidenz eingetragen sind. Die Behörden werden daher mehrere Monate brauchen, um die Vorbereitungen für diesen Wahlgang treffen zu können. Durch die Beschlußfassung zu Beginn dieses Jahres wird sichergestellt, daß alle Fristen auch tatsächlich eingehalten werden können.

Meine Damen und Herren! Diese Wahl bedarf aber nicht nur umfangreicher juridischer und organisatorischer Vorbereitungen, sondern auch politischer. Es gilt, der Bevölkerung die Bedeutung des Europäischen Parlaments und damit die Wichtigkeit dieser Wahlen ins Bewußtsein zu rufen.

Das Europäische Parlament war ursprünglich nur als beratende Versammlung konstruiert. Erst durch die Direktwahl, die erstmals 1979 stattfand, konnte das Parlament an Bedeutung gewinnen. Seit damals erkämpfte es sich Schritt um Schritt mehr Rechte im Kontroll-, aber auch im Gesetzgebungsprozeß der EU. Zuletzt hat das Parlament durch die Verträge von Maastricht einen deutlichen Zuwachs an Rechten erhalten, die es im zähen Kampf verteidigt und auszubauen versucht.


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Als Mitglied des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments habe ich im vergangenen Jahr sehr genau verfolgen können, daß immer wieder die Frage behandelt wird, ob die Rechte, die dem Parlament zustehen, auch tatsächlich von allen anderen Institutionen entsprechend geachtet und gewürdigt werden.

Es ist schon mehrmals vorgekommen, daß das Europäische Parlament den Rat vor den Europäischen Gerichtshof zitiert und dort auch recht erhalten hat. Damit konnte es seine Rechte durchsetzen und seinen Spielraum erweitern, hat aber auch versucht, seine Möglichkeiten zu erweitern. Es gibt aber – das muß man auch feststellen – eine gegenläufige Bewegung, bei der versucht wird, die Rechte des Parlaments zurückzudrängen.

Ein immer selbstbewußter werdendes Parlament wird von anderen Institutionen manchmal als lästiger Kritiker und Verzögerer gesehen. Tatsächlich ist es aber so, daß sich das Parlament in sehr viel stärkerem Ausmaß als andere Institutionen bemüht, die Wünsche und die Interessen der Bürger zu vertreten. Das zeigt sich immer wieder bei Abstimmungen zum Beispiel zu Fragen des Konsumenten- oder Umweltschutzes, wo das Parlament sehr genau auf die Interessen der Bürger achtet.

Daß trotzdem nur 35 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher der Auffassung sind, daß das Europäische Parlament ihre Interessen vertritt, ist bedauerlich und bedarf einer Korrektur. Diese Zahl habe ich einer detaillierten Meinungsumfrage entnommen, die die Generaldirektion X der Europäischen Kommission im Oktober 1995 veröffentlicht hat. Die Ergebnisse sind sehr interessant – wenn auch in mancher Hinsicht enttäuschend – und sicher für uns ein Auftrag, uns mehr zu engagieren und in der Öffentlichkeit verstärkt Fragen der Integration, Fragen der Demokratie in der Europäischen Union und auch Fragen bezüglich der Aufgaben und Ziele der Integration zu diskutieren.

Mit dem Stand der Demokratie in der EU sind in Österreich 48 Prozent der Befragten zufrieden. Das entspricht dem EU-Durchschnitt. Auch messen die Österreicherinnen und Österreicher der Reform der EU-Institutionen für das Leben der Bürgerinnen und Bürger hohe Bedeutung bei – 71 Prozent. Das ist, glaube ich, auch ein Auftrag an die Regierungskonferenz, dort die Anliegen der Demokratisierung zu vertreten und sicherzustellen, daß auch in einer größeren, erweiterten EU deren Funktionieren sichergestellt ist.

Allerdings haben nur 31 Prozent der Österreicher – das liegt genau um 10 Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt – Vertrauen zum Europäischen Parlament. 57 Prozent sind der Auffassung, daß das Europäische Parlament eine wichtige Rolle spielt. Nur 32 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher meinen, daß das Europäische Parlament eine wichtigere Rolle spielen sollte.

Während im EU-Durchschnitt 51 Prozent – also die absolute Mehrheit der Bevölkerung – der Auffassung sind, daß das Europäische Parlament als Legislativorgan dem Ministerrat gleichgestellt werden soll, sind es in Österreich nur 43 Prozent. – Ich glaube, das ist ein Punkt, wo wir ansetzen müssen. Aufgrund meiner Erfahrung glaube ich, daß es ganz vordringlich ist, die Rechte des Parlaments in bezug auf die Gesetzgebung der EU zu stärken und ein Mitentscheidungsrecht in allen Fragen – nicht nur in den wenigen, in denen es dem Parlament jetzt zusteht – zu erlangen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben sehr viel Informationsarbeit zu leisten. Das ist aber nicht nur Aufgabe der Europarlamentarier, sondern auch der Parteien und aller politischen Kräfte in unserem Land. Es ist wichtig, die Sichtweise, wo sie verkürzt ist und die Problematik nicht ganz erkannt wird, zurechtzurücken und anhand von konkreten Beispielen darzulegen, wie das Parlament Interessen der Bürger in der EU vertritt und daß es daher wichtig ist, das Parlament als Ganzes zu stärken.

Die Arbeit im EU-Parlament ist sehr mühselig und langwierig und daher nicht immer leicht vermittelbar. Es erfordert sehr viele Schritte eines langen Diskussionsprozesses, nicht zuletzt auch deshalb, weil Parlamentarier aus 15 Mitgliedstaaten mit sehr unterschiedlichen politischen Mentalitäten zusammenarbeiten müssen.


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Es gibt aber Erfolge zu verzeichnen, die wir – damit meine ich jetzt insbesondere die EU-Parlamentarier – verstärkt in den Vordergrund rücken müssen. (Abg. Dr. Graf: Was hat das mit der Wahlordnung zu tun?) Das geht von der Frage der Patentierung gentechnischer Erfindungen und Forschungen, wo das Parlament ganz klar gesagt hat, daß es dem nicht zustimmen wird, bis zum Vorrang des öffentlichen Verkehrs. Es gibt also eine Reihe von Fragen, wo Mitglieder des Parlaments bürgerfreundlich entscheiden und die anderen Institutionen zwingen, das ebenfalls zu tun.

Ein Problem in bezug auf die Akzeptanz der EU liegt sicher darin, daß sie von vielen als eine übergroße bürokratische Organisation gesehen wird, die die Wirtschaftsinteressen großer Konzerne, nicht aber jene der Bürger vertritt. (Abg. Dr. Graf: Was hat das mit der Wahlordnung zu tun?)

Das "Europa der Bürger" darf nicht nur ein Schlagwort sein. Es gibt tatsächlich sehr viele Probleme, die einer Lösung harren. Die Fragen bezüglich der Beschäftigung, der sozialen Sicherheit und der Umwelt sind die drängendsten. Zugleich sind das Themen, die mittelfristig nur auf internationaler Ebene erfolgreich bewältigt werden können. Gerade diese Themen werden vom Europäischen Parlament regelmäßig aktualisiert.

Alle Stellungnahmen des Parlaments zur Regierungskonferenz 1996 – die demnächst beginnen wird – enthalten Forderungen nach der Verbindlichkeit der Beschlüsse in Sozialfragen, Umweltfragen und Fragen bezüglich eines Beschäftigungsprogramms für Europa. Um diesen Forderungen des Europäischen Parlaments Gewicht zu verleihen, ist es erforderlich, daß die Bürger dem Parlament selbst Gewicht verleihen. Dies geschieht am deutlichsten durch eine entsprechend hohe Wahlbeteiligung.

Die Wahlbeteiligung war bei der letzten Wahl, 1994 in den zwölf Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Während sie in Luxemburg bei 100 Prozent und in Belgien bei 90 Prozent, in Italien immerhin bei fast 75 Prozent und in Griechenland bei 71 Prozent lag, gingen in Großbritannien, in den Niederlanden und in Portugal nicht einmal 40 Prozent der Berechtigten zur Wahl. Durch eine hohe Wahlbeteiligung wird die Bedeutung, die die Bevölkerung der Wahl und damit dem Parlament zumißt, ersichtlich. Geringe Wahlbeteiligungen helfen den Kräften, die gegen ein starkes Parlament sind.

Es ist daher wichtig, daß alle, die Interesse an einer Demokratisierung der Europäischen Union haben, darauf hinwirken, der Bevölkerung die Bedeutung dieser Wahl klarzumachen. Längerfristig hat nur eine Europäische Union, die die Probleme der Menschen lösen kann und über vollentwickelte demokratische Strukturen verfügt, eine Überlebenschance. Nur dann kann sie die Menschen faszinieren, die politische Phantasie anregen, und nur dann wird sie flexibel genug sein, die Zukunftsfragen zu lösen.

In diesem Sinne denke ich, daß es unser aller Aufgabe ist, die Bevölkerung über die Bedeutung der Wahlen sowie über das Europäische Parlament zu informieren, und hoffe auf eine hohe Beteiligung der Bevölkerung bei dieser Wahl. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordnete Donabauer. Er hat das Wort.

11.49

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Beitritt zur Europäischen Union war sicher für uns alle ein sehr kritisches Thema, mit dem sich die verschiedenen Interessengruppen Wochen und Monate hindurch beschäftigt haben. Sie haben sich bemüht, den Bürgern die Vor- und Nachteile eines Beitrittes beziehungsweise eines Nichtbeitrittes näherzubringen.

Nicht nur die geopolitische Lage war ein wesentlicher Punkt für die Entscheidung, sondern es war auch wichtig, zu erkennen, daß wir aufgrund der kulturellen, politischen, sicherheitspoli


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tischen und wirtschaftlichen Überlegungen eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union befürworten mußten.

Der Beitritt zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 hat uns große Mühen abverlangt. Wir mußten zweifellos starke Veränderungen durchführen. Trotzdem glaube ich, daß wir heute zufrieden feststellen können, daß der Beginn als solcher doch gelungen ist und daß wir uns auf der Aufholspur befinden.

Gerade die Diskussionen der gestrigen Sitzung haben ja deutlich gezeigt, daß der Beitritt zur Europäischen Union für uns eine sehr wichtige Maßnahme war, haben wir uns doch gestern besonders eingehend mit der Beschäftigungspolitik befaßt.

Ich glaube, daß wir viel zu selten über folgende Fragen diskutieren: Was wäre gewesen, wenn wir nicht beigetreten wären? Wie würde dann unsere Wirtschaft ausschauen, welche Nachteile hätten wir in Kauf zu nehmen? – Es ist zu billig, zu sagen, das allein bringt uns nicht weiter. Ich glaube, wir müssen diese Entscheidung als umfassende und staatspolitisch einfach notwendige Maßnahme sehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweifelsohne hätte uns ein Nichtbeitritt größere Belastungen gebracht. Ein Abkoppeln von Europa hätte für uns sicher unvorstellbare Nachteile bedeutet.

Aber nicht nur im wirtschaftlichen, sondern vor allem auch im sicherheitspolitischen Bereich stehen wir heute vor großen Herausforderungen, denn all die Errungenschaften – wo immer wir sie uns erarbeitet, erwirtschaftet oder erkämpft haben – sind nur dann zu halten, wenn auch die entsprechenden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen gegeben sind. Gerade unser Land hat aufgrund seiner geopolitischen Lage ein enormes Risiko zu tragen und braucht daher unbedingt den Schutz der Europäischen Gemeinschaft.

Eine zentrale Frage in unseren Beitrittsdiskussionen war natürlich – und nicht zuletzt – die Wirtschaftspolitik. Wir haben gestern von den Rednern der Sozialpartner gehört, daß es vor allem wichtig ist, daß sich unsere Wirtschaft nicht nur national, sondern auch international behaupten kann. Der Präsident der Bundeswirtschaftskammer hat gesagt, unsere Wirtschaft braucht eine aktive, offensive Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik. Es ist daher zwingend notwendig, die Vorteile eines Mitgliedslandes, welches natürlich auch Pflichten gegenüber der Union hat, zu nutzen und an den Entscheidungsprozessen der Europäischen Union engagiert mitzuarbeiten und mitzuwirken.

Österreich hat in der Vertretung in Brüssel mit dem Kommissionsmitglied Dr. Fischler einen sehr kompetenten Mann. Gerade die Verwaltung dieses schwierigen Ressorts – diese Arbeit macht er zweifelsohne gut – bringt unserem Land entsprechendes Ansehen. Auch unsere Mitglieder im Europäischen Gerichtshof haben sich bis heute bestens bewährt und sind ein Aushängeschild für unser Land. Wir können dort an der Rechtsfindung und Rechtsprechung offen mitwirken – das ist sehr wichtig.

Wir befinden uns derzeit in den Vorbereitungen für die Regierungskonferenz, die heuer stattfinden wird und bei der wir gemeinsam an der weiteren Stärkung der Union mitzuwirken haben.

Die österreichische Vertretung im Europäischen Parlament erfolgt seit 1. Jänner 1995 durch die Entsendung von 21 Abgeordneten aus dem Kreis der Nationalräte und der Bundesräte. Das ist als Übergangsmaßnahme zu sehen.

Zu den heute dem Nationalrat zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegten Regierungsvorlagen betreffend Europawahlordnung und Europa-Wählerevidenzgesetz haben eingehende Vorberatungen stattgefunden.

Präsident Haupt hat heute schon angedeutet, daß es im Ausschuß hitzige Diskussionen gegeben hat. Ich war von Anfang bis zum Schluß in den Ausschußberatungen und kann mich derer nicht erinnern. Ich meine, wir haben sehr sachlich und offen diskutiert und haben uns


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bemüht, optimale Voraussetzungen zu schaffen, daß diese Europawahl gut durchgeführt werden kann. (Beifall bei der ÖVP und Beifall des Abg. Schieder. )

Erfreulich ist – wenn auch Kritik geübt wurde, daß es zu spät vorgelegt worden ist –, daß wir uns zu Beginn der XX. Gesetzgebungsperiode mit dieser Gesetzesmaterie beschäftigen und daß sie heute, wie ich glaube, die Zustimmung finden wird.

Das Besondere an dieser EU-Wahlordnung ist nicht die Tatsache, daß wir mit 21 Mandataren in Brüssel oder in Straßburg vertreten sein werden, sondern daß wir einen Einerwahlkreis, einen bundeseinheitlichen Wahlkörper haben werden. Ich glaube, daß es in bezug auf diese Wahl richtig und wichtig war, daß wir uns darauf geeinigt und gefunden haben. Ich halte nichts davon, wenn wir es hier so darstellen, als ob alles andere besser gewesen wäre. Bedenken Sie doch folgendes: Bei der Verteilung von 21 Mandaten – wenn diese auf Bundesländerebene oder auf Bundesländerverbände durchgeführt worden wäre – hätte es ganze Regionen gegeben, die kein Grundmandat erhalten hätten. Ich frage Sie deshalb: Welches Argument hätten Sie dann gebracht? – Es ist daher wichtig und richtig, daß wir für diese Wahlen am bundeseinheitlichen Wahlkörper festgehalten haben. (Beifall bei der ÖVP und Beifall des Abg. Schieder. )

Es wurde eine umfassende Diskussion bezüglich des Wahlvorschlages geführt. Unumstritten war die Tatsache, daß mit 2 600 Unterschriften von Bürgern ein Wahlvorschlag eingebracht werden kann. Der nächste Vorschlag war, daß durch fünf Parlamentarier, dem österreichischen Nationalrat angehörend, oder durch zwei EU-Parlamentarier ein Wahlvorschlag als solcher einzubringen gewesen wäre. Wir waren der Meinung, daß dies nicht notwendig ist und haben uns mehrheitlich dahin gehend geeinigt, daß wir mit 2 600 Unterschriften oder mit dem Vorschlag von drei Parlamentariern oder einem EU-Parlamentarier absolut das Auslangen finden. Ich persönlich habe keine Probleme damit und glaube auch nicht, daß wir dadurch politische Instabilität als solche erzeugen würden. Ich halte diese Erklärung für unnötig und meine, daß wir hier eine richtige Entscheidung getroffen haben, die wir heute dem Parlament vorlegen. (Beifall bei der ÖVP und Beifall des Abg. Schieder. )

Was die 4-Prozent-Klausel betrifft, ist es so, daß sie nach heutiger Betrachtung nicht jene Wirkung hat, die wir uns erwarten. Wir wissen, daß man für ein Mandat mindestens 4,78 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen braucht. Trotzdem haben wir uns – obwohl wir nicht sehr davon überzeugt waren – darauf geeinigt, denn wir meinten, wir wollen heute ein Gesetz schaffen, das auch morgen und bei späteren Wahlen funktioniert. Wir können nicht wissen, in welche Situation wir einmal kommen. Darum haben wir aus Gründen der Homogenität auch diesem Vorschlag die Zustimmung gegeben. Wir meinten außerdem, daß es auch für den Bürger gut ist, wenn er weiß, daß es bei allen Wahlordnungen und bei allen Wahlsystemen eine Mindeststimmenklausel gibt. So ist diese auch in diesem Fall beibehalten worden und konnte Konsens dahin gehend erzielt werden.

In weiterer Folge gab es eine Diskussion bezüglich Vorzugsstimmen. Wir haben darauf bestanden, daß diese Europawahlordnung einen Vorzugsstimmenmechanismus braucht, und waren der Meinung, daß dieser praktikabel und anwendbar sein muß. Wir haben in der Nationalrats-Wahlordnung die Sechstelstimmenanteillösung, das heißt, ein Kandidat muß 16,6 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen in einem Wahlkreis auf sich vereinigen, damit er seine Vorreihung erwirken kann.

Es ist uns nach schwierigen, eingehenden Verhandlungen und nach guter Überzeugungsarbeit gelungen, uns bei der Europawahlordnung auf 7 Prozent der Gesamtstimmen zu einigen. Wir betrachten dies aus zwei Gründen für sehr notwendig: erstens, weil es dem Persönlichkeitswahlrecht in höchstem Maße entspricht, und zweitens, weil wir aus Erfahrungen von anderen Ländern wissen, daß die Beteiligung bei der Europawahl oft nicht sehr stark ist – und wir wollen eine höhere Beteiligung dadurch erreichen, daß wir dem Bürger Anreiz geben, bei der Wahl selbst seine Kandidatin oder seinen Kandidaten zu unterstützen. Damit schaffen wir vielleicht eine etwas lebendigere Demokratie. (Beifall bei der ÖVP und Beifall des Abg. Schieder. )


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Es wird heute ein Abänderungsantrag bezüglich des Wahltages eingebracht werden. In diesem Punkt gab es eine Diskussion der Sozialdemokratischen Partei, der Volkspartei, der Grünen, des Liberalen Forums mit der F-Partei. Wir meinten letzten Endes, daß es richtig ist, daß die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Parlaments den Wahltag festlegt.

Die F-Bewegung wollte, daß das Parlament damit befaßt wird. Man konnte sich dann zu dieser Lösung mit der Bundesregierung finden, und ich darf heute bereits bekanntgeben, daß der Abänderungsantrag als Wahltag den 13. Oktober vorsieht. Ich bin froh, daß wir nun auch diese Maßnahme zeitgerecht vorgeben können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Thema der Diskussion war auch die mehrfache Eintragung in das Wählerverzeichnis. Natürlich ist, meine Damen und Herren, die Gefahr gegeben, daß sich ein Bürger mehrmals eintragen lassen könnte, wenn er seine Meldepflicht nicht sorgfältig erfüllt.

Ich glaube aber, daß diese Herausforderung nicht nur dem Bürger gegenüber gegeben ist, sondern daß vor allem die Gemeinden in hohem Maße dazu verpflichtet sind, eine entsprechende Datenpflege zu betreiben, damit eine Doppeleintragung von vornherein ausgeschlossen ist. Sollte jemand aus bestimmten Überlegungen eine Doppeleintragung erreichen oder vielleicht erkämpfen oder erschwindeln wollen, so hat er damit zu rechnen, daß diese seine Tat mit einer strengen Strafe belegt wird.

Mein Wunsch war es, daß wir eine optimale Voraussetzung dafür schaffen, daß die Europawahl in Österreich ordnungsgemäß ablaufen kann, damit wir uns in Brüssel als Land stark und geschlossen darstellen, am europäischen Parlamentarismus mitwirken und dort auch unsere Interessen einbringen können, was ja auch ein Thema in der Beitrittsdiskussion war; wo sehr viele gemeint haben, das alles hätte ja doch keinen Sinn, Österreich sei zwar ein kleines, liebes Land, hätte aber in Europa ohnehin nichts zu plauschen. Ich glaube, daß wir Österreicher mit 21 Mandataren, wenn diese ihre Aufgaben umfassend wahrnehmen, sehr wohl unsere Interessen nicht nur vertreten, sondern auch umsetzen können.

Wir wollen mitarbeiten an einem starken Europa, an einem Europa der Regionen, das aber seine Stärke in der Weltpolitik und auch in der Weltwirtschaft jederzeit umsetzen kann.

Zum Wahlkostenersatz, über den heute hier schon gesprochen wurde, ist, glaube ich, gar nichts Besonderes zu sagen, außer daß wir analog der Nationalrats-Wahlordnung ordnungsgemäß diese Dinge erledigt haben – mit einer Auflage: nämlich daß wir 10 Prozent im Interesse des Staatshaushaltes einsparen wollen, damit wir den politischen Zielsetzungen auch da entsprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden jedenfalls diesen beiden Regierungsvorlagen mit den Abänderungsanträgen unsere Zustimmung geben.

Ich glaube, daß wir auch als kleines Land im großen Europa eine wichtige Rolle spielen. Wir haben für unser Land in dieser Sache eine gute Entscheidung getroffen, damit wir auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine gute Entwicklung in diesem schönen Lande Österreich haben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist nun Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. – Bitte sehr.

12.03

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es hat verdammt lange gedauert, bis sich das österreichische Parlament oder, besser gesagt, die Regierungsparteien durchringen konnten, die gesetzliche Grundlage für die Durchführung der Wahl zum Europäischen Parlament in Österreich zu schaffen. Nun ist es endlich soweit. (Abg. Schwarzenberger: Gut Ding braucht Weile, sagt ein altes Sprichwort!)


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Ja, aber, lieber Kollege Schwarzenberger, das Problem ist folgendes: Ich habe noch gut das EU-Referendum in Erinnerung. Da hat es geheißen: Ja selbstverständlich werden wir den demokratiepolitischen Mangel, daß uns nicht direkt gewählte Abgeordnete im Europäischen Parlament vertreten, sehr, sehr bald beheben. Man hat gesagt, Anfang 1995 oder im Frühjahr 1995 werde man wählen. Dann war vom Herbst 1995 und später vom Frühjahr 1996 die Rede. Heute hören wir – Kollege Donabauer hat es soeben gesagt –, wir werden am 13. Oktober wählen.

Es hat also, wie gesagt, verdammt lange gedauert, und das ist deshalb so merkwürdig, weil ja eigentlich in der Sache selbst, sieht man von den Anmerkungen des Kollegen Haupt ab, der einige Haare in der Suppe gefunden hat, im großen und ganzen über die Grundlinien dieses Wahlrechtes zum Europäischen Parlament keine gigantischen Differenzen bestanden haben. Daher sehe ich überhaupt nicht ein, warum das so lange hat dauern müssen. Doch ich vermute, daß da doch ein Grund dahintersteckt, der angesprochen gehört. Ich glaube, es war im Grunde genommen Angst, Angst vor frühen Europawahlen in Österreich, weil sich dann vielleicht die ganze negative Propaganda oder die falsch geleitete Propaganda im Zuge des Referendums zu bald ausgewirkt hätte. Ich erinnere nur daran, was da an billigen, populistischen "Erfolgen" – unter Anführungszeichen – eines EU-Beitritts verkauft wurde, wie beispielsweise die berühmten 1 000 S Ersparnis für einen Haushalt. All diese Dinge sind natürlich nicht sehr lustig, wenn man sie anschließend in einer Europawahl vertreten soll. Es haben eben die Regierungsparteien damals den Fehler begangen, nicht die politische Dimension der Europäischen Integration, diese ungemein wichtige Zusammenfügung einer politischen Einheit mit dem Ziel, anstehende Probleme zu lösen, in den Vordergrund zu stellen, sondern es wurde eigentlich eher mit billigen, populistischen Dingen operiert, indem man etwa meinte, dann werden die Leute in ihrem Börsl die Vorteile finden.

Das ist der Grund: Sie hatten Angst vor diesen Wahlen, deshalb haben Sie sie verzögert und haben gesagt: Machen wir doch nicht jetzt schon ein Wahlgesetz, dann kommt womöglich politischer Druck, und wir müssen die Wahlen tatsächlich durchführen! – Ich glaube, das war der eigentliche Grund, warum Sie so lange gewartet haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zweiter Punkt: Es ist natürlich so, daß diese Europawahlen nicht in einem sozusagen bilateralen politischen Klima ablaufen dürfen. Ich glaube, in Österreich herrscht noch immer ein bißchen das Mißverständnis, da gibt es die Europäische Union mit viel Bürokratie, und diese hat enorme politische Macht, wo der Kleine nichts auszurichten vermag, und dem gegenüber steht das kleine Österreich. Es fehlt in unserer politischen Dimension das Selbstverständnis, daß wir Mitglied sind und daher mitwirken können und daß wir auch mitverantwortlich sind. Vor allem aber fehlt uns in Österreich die Einsicht, daß es überhaupt keine – nicht einmal eine klitzekleine – Alternative zur Europäischen Integration gibt. Das ist das Problem: nämlich daß bei uns das Ganze noch in einem bilateralen Klima abläuft: hier wir, die Österreicher – und da schauen wir, ob der eine oder andere Vorteil eintrifft oder nicht –, und uns gegenüber die Europäische Union.

Ich meine, die Wahl zum Europäischen Parlament ist und wäre schon die Chance gewesen, den Österreicherinnen und Österreichern deutlich zu machen, daß wir in Europa sind, daß wir dort Politik machen können, und zwar auch als kleines Land, daß wir mitwirken und daß wir auch mit Verantwortung tragen. Das wären die entscheidenden Punkte gewesen, die wir schon in einem frühzeitigen Wahlkampf zum Europäischen Parlament dem Bürger hätten nahebringen können. Doch das zu tun, haben Sie leider verabsäumt! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Nun komme ich zum Wahlrecht, zum eigentlichen Thema. Ich meine auch, daß es ungemein wichtig ist, daß wir ein Europa der Bürger, aber auch ein Europa der parlamentarischen Demokratie anstreben. Ich weiß schon, da gibt es den Vorbehalt, die Europäische Union sei etwas ungemein Bürokratisches, da sei zwar eine hochqualifizierte, aber oft auch hochnäsige technokratische, bürokratische Elite am Werk. (Abg. Moser: Eurokratie!)

Dann gibt es die Vorstellung – diese wird auch von den Medien sehr stark transportiert –, da gäbe es ein paar große, starke europäische Männer, die machen das alles schon: der deutsche


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Bundeskanzler, der französische Ministerpräsident und Staatspräsident, aber das andere, was sich in Europa sonst noch abspielt, hätte eigentlich nicht sehr viel Platz.

Ich meine, ganz entscheidend für die Akzeptanz der Europäischen Integration ist es, daß wir die Organe der EU an demokratische und parlamentarische Mindeststandards heranführen. Das ist auch einer der ganz wesentlichen Punkte, die im Zusammenhang mit dem Europawahlrecht zu beachten sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sind erstens der Auffassung, daß es zur Europäischen Integration keine vernünftige politische Alternative gibt. Daher sind wir auch dafür.

Zweitens: Wir sind für ein demokratisches und für ein parlamentarisches Europa.

Das ist nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen, doch die Geschichte des Europäischen Parlaments zeigt sehr deutlich, daß es nach sehr, sehr bescheidenen Anfängen doch zu einem gewissen Machtfaktor geworden ist.

Nun zum konkreten Wahlrecht. Kollege Haupt hat einige Kritikpunkte angeführt, die es wert sind, daß man auf sie eingeht. Ich stimme ihm zu, wenn er meint, daß Grundregeln der demokratischen Konsensfindung vor allem in Sachen des Wahlrechtes angebracht sind. (Abg. Mag. Haupt: Das ist richtig!) Ich gebe dir da völlig recht: Das ist eine wichtige Sache! Ich meine – und da deckt sich auch unsere Kritik –, wir hätten schon das vergangene Jahr nützen können, die Dinge genauer zu behandeln, nur glaube ich, daß das, was jetzt vorliegt, tatsächlich akzeptabel ist, weswegen wir es auch unterstützen werden.

Erstens: Der Grundsatz der Proportionalität ist festgehalten und wird auch eingehalten. Das d’Hondtsche System ist bei 21 Mandaten in dieser Form akzeptabel, und mit 4,7 bis 4,8 Prozent ist eben ein Anspruch auf Repräsentanz einer politischen Gruppierung gegeben.

Zweitens: Die 4-Prozent-Klausel ist in diesem Zusammenhang wahrscheinlich eher eine, ich würde nicht sagen, überflüssige Sache, aber eine Übererfüllung dieses Proportionalitätsgrundsatzes. Nur im Falle extremer Wählerzersplitterung kann das wirksam werden. Es steht drinnen, auch wenn es nicht viel nützt, es schadet auch nichts. Mir gefällt an sich eine Wahlrechtshomogenität. Daß man auch für das Europawahlrecht die 4 Prozent hineinschreibt, ist an sich ein Signal, daß man zur Proportionalität steht. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Ich glaube schon. Vielleicht kommt auch deine Partei wieder einmal in die Situation, daß sie ganz froh ist, wenn es Proportionalität gibt. (Abg. Haigermoser: ... deine Vergangenheit ...!) Mach du deine Vergangenheitsbewältigung. Ich habe meine. Das steht jetzt nicht zur Debatte. (Abg. Haigermoser: Das bringt ja nichts mehr!) Ja, dir nicht! (Weitere Zwischenrufe des Abg. Haigermoser.) Was hat er denn? (Abg. Haigermoser: Tut es dir leid?) Ich bin am Wort und du nicht, also halt du den Mund, und ich darf reden. Machen wir es so!

Ein wesentlicher Punkt der Kritik des Kollegen Haupt war, daß Österreich ein einheitlicher Wahlkreis ist. Darüber kann man durchaus debattieren. Nur meine ich, daß man sich auch im klaren sein muß, was die Rolle eines Europaparlamentariers ist. Er ist nämlich zuallererst Repräsentant dieses Staates, dieser Republik in ihrer Gesamtheit. (Abg. Mag. Haupt: Föderalistische Republik!) Auch föderalistische Republik. Aber ich meine, daß in bezug auf den Förderalismus in diesem Zusammenhang einiges anzumerken wäre. Wenn ich mir vorstelle, daß wir es inzwischen auf acht Länderbotschaften in Brüssel gebracht haben, dann meine ich, daß nicht die Gefahr besteht, daß Regionalinteressen in Österreich zu wenig berücksichtigt werden. Im Gegenteil! Ich glaube, daß dieser Kantönligeist, gerade was diese merkwürdigen Botschaften der Länder auf Brüsseler Ebene betrifft, des Guten zuviel ist. (Abg. Dr. Graf: Das sind echte Steuergeldvernichtungsmaschinen!) Ich habe also keine große Angst, daß der Föderalismus dort untergeht, meine aber, daß das auch in der Verantwortung des Wählers liegt, denn wenn die Befürchtung besteht, daß sich die Kandidaten einer Partei in einer Region konzentrieren, dann wird das der Wähler merken und die Konsequenzen daraus ziehen. Ich vertraue da eher auf das Wählerurteil und meine, daß der Grundgedanke der Repräsentanz der gesamten Republik im Europäischen Parlament im Vordergrund zu stehen hat. (Abg. Dr. Graf: Das ist kein Widerspruch!)


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Kollege Haupt hat auch die Fragen der Wahlkampfkostenerstattung und der Parlamentsklubfinanzierung angesprochen. Ich respektiere und halte es auch fest, daß es von ihm ein Bekenntnis dazu gibt, daß Wahlauseinandersetzungen als im Zentrum der politischen Willensbildung stehende Vorgänge keine Privatangelegenheit, sondern eine öffentliche Angelegenheit sind und es daher bei Vorliegen des Gebots der Sparsamkeit völlig in Ordnung ist, daß staatliche Mittel dafür eingesetzt werden.

Ich meine auch, daß der Weg, der jetzt gegangen wird, insofern korrekt ist und in die richtige Richtung weist, als wir deutlich gemacht haben, daß wir jetzt nicht die Wahlkampfkostenerstattung des Nationalrates 1 : 1 übernommen, sondern unter dem Gesichtspunkt des Sparenmüssens eine Reduzierung der entsprechenden Ansätze vorgenommen haben. Das ist auch ein Signal an den Bürger, der Materialschlachten bei Wahlkämpfen schon überdrüssig ist. Es ist also eine derartige Reduzierung durchaus sinnvoll.

Es ist aber auch sinnvoll... (Abg. Mag. Haupt: Das habe ich als positiv bezeichnet!) Ich habe deine Grundposition eingangs auch positiv festgehalten.

Ich meine aber auch, daß man nicht außer acht lassen darf, daß das österreichische Parlament durch die EU-Politik immens viel an Kompetenz und Arbeit dazubekommen hat, und daß es daher richtig ist, daß den parlamentarischen Klubs für die Bewältigung des Arbeitsberges, bedingt durch die Europäische Union, zusätzliche Mittel gegeben werden. Diese bewegen sich meines Erachtens zwar noch immer in bescheidenem Umfang, aber man muß sparsam sein.

Ich finde das korrekt, und es ist wichtig, daß das Parlament eben in der Konkurrenz zu den Ländern, die sich bereits in Brüssel angesiedelt haben (Abg. Dr. Graf: Dort muß man sparen!) , zu den Sozialpartnern, die schon in der Brüsseler Mission sitzen (Abg. Dr. Graf: Viel Geld kann man dort sparen!) – das war der allererste gesetzgeberische Akt: daß man überhaupt die Finanzierung der Sozialpartnerrepräsentanten in der Mission abgesichert hat; Kollege Verzetnitsch, das war das erste Europaabkommen der derzeitigen beiden Regierungsparteien, es war ein ganz wichtiger Punkt, daß nicht womöglich die Kammern, die ja nicht gerade die Ärmsten sind, diese Kosten ersetzt bekommen –, bestehen kann. Also, wenn man das alles zusammengenommen betrachtet, so muß man sagen: Es ist durchaus korrekt und vertretbar, daß das Parlament, daß die parlamentarischen Fraktionen ein bißchen Geld für die Bewältigung dieser zusätzlichen Arbeit bekommen.

Nun einige Bemerkungen zur Rückwirkung: Es ist sicherlich so, daß durch die Verankerung dieser Bestimmung ein Defekt des Gesetzes behoben werden soll.

Bezogen nun auf den Anlaßfall: Wenn eine Partei – in diesem Fall die Freiheitliche Partei – es verabsäumt hat, rechtzeitig um die Wahlkampfkostenerstattung vom letzten Wahlkampf anzusuchen – daß ihr die Frist versäumt habt, ist durchaus eure Sache –, oder wenn eine Partei darauf verzichtet hat, dann soll dieses Geld nicht in Form einer Prämie den anderen Parteien zugute kommen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es, meine ich, durchaus vertretbar, daß man das rückwirkend so beschließt, denn im Grunde genommen gibt es keinen Geschädigten, und es ist wirklich nicht einzusehen, daß, wenn eine Unterstützung nicht abgerufen wird oder die Antragsberechtigung nicht existiert, das auf die anderen Antragsberechtigten verteilt wird. Dieses Prämiensystem ist nicht zu rechtfertigen, und daher ist diese Bestimmung völlig in Ordnung. (Abg. Dr. Graf: Man könnte 10 Prozent sparen!)

In diesem Fall ist die Ersparnis größer, denn bei 150 Millionen Schilling, Kollege Graf, sind es 30 Millionen Schilling, das sind sogar 20 Prozent, und diese Summe erspart sich die Republik. Das ist völlig korrekt. Ihr habt das "versabelt": Die 30 Millionen Schilling werden nicht auf die anderen verteilt, sondern fallen dem Staatssäckel wieder anheim. Das ist also völlig in Ordnung. Das haben wir jetzt so beschlossen, und so soll es auch bleiben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Alles in allem meinen wir, daß die beiden Gesetzesvorlagen in Ordnung sind. Wir werden ihnen daher zustimmen.


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Ich hoffe, daß sich die kommende Wahlauseinandersetzung nicht in kleinlichen Kompetenzstreitigkeiten, wie wir sie tagtäglich zwischen den beiden Regierungsparteien erleben, erschöpft. Wir wollen nicht diese kleinlichen Rechnungen, ob das Benzin vielleicht um 10 Groschen billiger wird oder die Milch um 20 Groschen teurer, sondern die Europäische Integration muß in der vollen politischen Dimension Gegenstand des Wahlkampfes sein. Natürlich wird es auch viele Kontroversen in der Wahlauseinandersetzung geben, aber ich meine, daß wir die Chance, daß durch eine Wahlbewegung zum Europäischen Parlament die Europapolitik in der vollen Dimension in den Köpfen und Herzen der Österreicher heimisch wird, nicht versäumen sollten. Das ist die Chance, die mit der Europawahl verbunden ist, und ich freue mich auf diese Auseinandersetzung im Interesse unseres Landes, aber auch im Interesse des europäischen Kontinents. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.19

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haupt hat vorhin davon gesprochen, daß eine demokratiepolitische Chance versäumt wurde, und er hat sich dabei auf bestimmte Teile der Wahlordnung bezogen.

Ich möchte dem Abgeordneten Haupt in seiner grundsätzlichen Feststellung recht geben. Es ist eine demokratiepolitische Chance versäumt worden, aber weniger in bezug auf Teile der Wahlordnung als auf den Zeitpunkt der Wahl selbst.

Es ist verabsäumt worden, eine Europawahl zu einem Zeitpunkt zu machen, zu dem das Thema Europa tatsächlich noch in den Herzen und in den Hirnen der Leute war. Jetzt sind zwei Jahre vergangen, jetzt gibt es den Frust im Bauch der Leute, jetzt gibt es die Erfahrung, daß wir zwei Jahre Europa hinter uns bringen müssen und erst dann zum Wählen kommen.

Aus einer Übergangsregelung ist ein dauerhaftes Provisorium geworden. Es ist eine Farce, daß sich nun schon zweimal der Nationalrat konstituiert hat (Abg. Schieder: Aber den Übergang lassen wir bis Jahresende!) , aber daß es noch immer keine Wahl gegeben hat. Jetzt beschließen wir diese Wahl für den Herbst, für den 13. Oktober, wie man in den Couloirs erfahren durfte. Es soll uns recht sein. Wir werden auch diesen 13. Oktober mittragen können. (Abg. Schieder: Sonst wäre ja die Doppelfunktion vom Voggenhuber nicht weitergegangen!) Wir werden diesen Termin mittragen. Wir sind sehr froh, daß endlich gewählt wird. Aber es ist leider auch schon etwas spät. Zwei Jahre mußten ins Land ziehen, bis gewählt werden darf.

Eines möchte ich schon noch zum Zeitpunkt der Wahl sagen, nicht zum 13. Oktober, zum Zeitpunkt der Wahl an sich: Die Wahl findet genau zur Zeit der Europäischen Regierungskonferenz statt. Das sind Termine, bei denen über die Zukunft Europas diskutiert wird, Festlegungen bezüglich Institutionengebäude getroffen werden, vermutlich auch Festlegungen für die geplante Wirtschafts- und Währungsunion und die Sicherheitspolitik in Europa. Und möglicherweise müssen wir hier im Nationalrat ein paar Wochen nach dieser Europawahl – wenn wir uns ernst nehmen, wenn die Versprechen ernst genommen werden – eigentlich auch über eine Volksabstimmung befinden (Widerspruch bei der SPÖ) – o ja! –, und zwar dann, wenn wesentliche Teile unserer Verfassung durch die zukünftige Festlegung betroffen sind. Das hat zumindest der damalige Außenminister Mock angekündigt. Ob Sie, Herr Abgeordneter Schieder, zu dieser Ankündigung des Herrn Außenministers stehen, ist eine andere Frage. Aber ich denke, darüber muß diskutiert werden, und es könnte sich, wenn wir diese Versprechen ernst nehmen, ergeben, daß wir auch eine entsprechende Volksabstimmung darüber festlegen müssen.

Jetzt zu den Details dieser vorliegenden Europawahlordnung. Natürlich gibt es vieles, was positiv zu erwähnen ist, einiges davon sei hier aufgezählt. Positiv ist sicherlich die Vorzugstimmenregelung. Ja, es ist positiv, daß Sie als Regierungsparteien sich dazu entschlossen haben, von einer Vorzugstimmenregelung abzugehen, die im Prinzip, in der ursprünglichen


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Fassung beinhaltet hätte, daß man nur dann den Vorzug erhält, wenn man das gesamte Quorum der Stimmen, die auf ein Mandat entfallen, auf sich vereinen kann. Das war eine sehr konservative Regelung, die man – zumindest für kleine Parteien – eigentlich nicht mehr Vorzugstimmenregelung nennen kann. Sie schlagen jetzt eine wesentlich bessere Regelung vor, und wir haben also diese bessere Regelung zu beschließen, welche die 7-Prozent-Festlegung beinhaltet.

Aber eines muß ich schon sagen: Es gibt eine andere Festlegung in der Europawahlordnung, die in dieser Form einfach widersinnig ist, und zwar die 4-Prozent-Klausel, die Wahlhürde. Diese 4-Prozent-Klausel, meine Damen und Herren, begründen Sie damit – und das ist wirklich schon fast Rabulistik –, daß es sich in der Praxis, was offenbar Ihrer Ansicht nach sehr häufig vorkommt, ergeben könnte, daß mehrere Parteien weniger als 4 Prozent, also 3,9 Prozent der Stimmen erhalten. Es gibt da ein praktisch vorgerechnetes Beispiel dafür, das offensichtlich nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern sehr häufig anzutreffen ist.

Es erhalten acht Parteien je 199 000 Stimmen, das sind 3,9 Prozent, die auf jede dieser Parteien entfallen, in Summe also rund 1,6 Millionen Stimmen. Das ist nach dieser Darstellung mehr, als die stimmenstärkste Partei in diesem Beispiel erhalten würde, nämlich über 1,5 Millionen Stimmen. Auf die 1,5 Millionen Stimmen der stimmenstärksten Partei würden sieben Mandate entfallen. Durch die 4-Prozent-Regelung erhält diese stimmenstärkste Partei statt der sieben Mandate elf Mandate, während die acht Parteien mit insgesamt 1,6 Millionen Stimmen kein Mandat erhalten. Also: 1,6 Millionen Stimmen: kein Mandat; 1,572 Millionen Stimmen: 11 Mandate. (Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie das für ein gut durchgerechnetes Modell halten und glauben, Sie können das plausibel begründen – Kollege Schieder, können Sie das plausibel begründen? –, dann soll es uns recht sein. Unserer Meinung nach ist hierbei ein grober Fehler begangen worden – abgesehen davon, daß uns dieses Modell, wie ich hoffe, in der Praxis ohnehin nie beschäftigen wird.

Zur Parteienförderung noch eine kurze Feststellung von unserer Seite. Ja, wir bekennen uns zu dieser Parteienförderung. Wir bekennen uns auch dazu, daß die Parteienförderungsregelung rückwirkend in Kraft tritt. Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Es kann nicht sein – da haben Sie sicher recht mit Ihrer Kritik –, daß die anderen Parteien von einer nicht in Anspruch genommenen Förderung profitieren. Aber das wurde von allen Parteien auch so gesehen und ist unserer Meinung nach sinnvoll und richtig. Ich verstehe daher Ihr weiteres Beharren auf diesem Standpunkt betreffend die Ihrer Meinung nach rechtswidrigen oder problematischen Bestimmungen nicht. Ich glaube, daß es Sinn macht, die Parteien zu fördern, das wurde hier schon festgestellt, und auch in der vorliegenden Form macht es Sinn.

Zusammenfassend zur Europawahlordnung, zu dem, was uns bevorsteht: Am 13. Oktober sollen Europawahlen stattfinden. Ich habe schon darauf hingewiesen: Sie fallen in einen Zeitraum, in dem sich dieses Europa möglicherweise bewegt, wir aber noch nicht wissen, in welche Richtung, auch noch keine endgültige Festlegung getroffen ist, denn diese wird sicher nicht vor Dezember erfolgen. Das gibt uns immerhin eine Chance, die Konturen unserer österreichischen Europapolitik zu bestimmen, sichtbar zu machen, welchen Platz wir in diesem Europa einnehmen wollen. Möglicherweise können wir auch unsere Rechte und unsere Positionen in diesem Europa von morgen deutlich sichtbar machen. Möglicherweise gelingt es uns, demokratiepolitisch einige Verbesserungen durchzusetzen.

Möglicherweise werden aber durch die Regierungskonferenz auch Festlegungen getroffen, die uns sehr negativ beeinflussen, meine Damen und Herren! Ich denke, Sie alle und wir alle sollten nicht den Fehler der vergangenen Europadiskussionen wiederholen, den Österreicherinnen und Österreichern das Blaue vom Himmel zu versprechen, wenn es um Europa geht, weil es offenbar niemanden gibt, der in dieser Frage Verantwortung zeigen muß.

Ich denke, wir sollten diese Verantwortung gemeinsam ernst nehmen und tatsächlich danach trachten, daß wir auf diesem Weg in Richtung Europa – eines demokratischeren Europas, eines


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sozialeren Europas und eines ökologischen Europas – einige Gemeinsamkeiten finden, die es wert machen, diese Chance einer europäischen Demokratisierung zu nutzen. (Beifall bei den Grünen.)

12.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Er hat das Wort.

12.29

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte jetzt keineswegs billige Scherze machen – diese wären auch unfair und unangebracht – über die Sorgen mit der 4-Prozent-Klausel und die Vorzüge, 3,99 Prozent einzuführen, wie das der Vorredner angedeutet hat. (Abg. Wabl: Küß die Hand!) Ich glaube nämlich, der wesentliche Punkt dabei ist, daß die 4-Prozent-Klausel, wie schon Abgeordneter Donabauer gesagt hat, sogar niedriger ist als ein Einundzwanzigstel von Hundert. Und da wir 21 Sitze zu vergeben haben, sind es schon mehr als 4 Prozent, die man für einen Sitz braucht.

Ich weiß schon, es stellt sich die Frage, die mein Vorredner aufgeworfen hat: Und wie ist das, wenn es einmal mehr Sitze werden? Es könnte ja einmal anders sein! – Der Trend in der Europäischen Union bei Neuaufnahmen und die Überlegung aller zu den Reformen ist allerdings nicht, daß bei Neuaufnahmen, wodurch die Gesamtzahl der Abgeordneten schon erhöht wird, auch noch eine prozentuelle Erhöhung für die einzelnen Mitgliedsländer erfolgt, also über 21 gegangen wird. Der Trend und Druck geht vielmehr eher in die Richtung, bei Erhöhung der Gesamtzahl die Zahl der Abgeordneten für die einzelnen Länder zu kürzen . Österreich wird gut daran tun, auch weiterhin für 21 Abgeordnete einzutreten, aber eine Erhöhung – und nur eine solche könnte einen Konfliktfall mit der 4-Prozent-Klausel bringen, wenn nämlich Österreich über 25 Abgeordnete hätte – steht sicherlich in der EU nicht ins Haus.

Zum formellen Teil: Ich muß auch noch die Ankündigungen der Vorredner wahr machen und einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Schieder und Donabauer einbringen, der Vollziehungs- und Inkrafttretungsbestimmungen beinhaltet, der aber auch die Festlegung des Wahltages – des erstmaligen Wahltages – durch das Gesetz bringt. Die weiteren Wahltage werden ja so gestaltet, daß Österreich im Einklang mit den anderen Mitgliedstaaten der EU wählt.

Ich bringe daher den Abänderungsantrag wie folgt ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol, Peter Schieder, Karl Donabauer zum Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die Wahl der von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament (Europawahlordnung – EuWO) (28 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Im Inhaltsverzeichnis zu Artikel I wird bei § 90 das Wort "Inkrafttreten" durch das Wort "Vollziehung" ersetzt.

2. In Artikel I lautet § 30 Abs. 2 letzter Satz:

"Dem Wahlvorschlag sind die nach Muster Anlage 3 ausgefüllten und gemäß Abs. 3 eigenhändig unterschriebenen Unterstützungserklärungen anzuschließen."

3. In Artikel I wird dem § 89 folgender Abs. 7 angefügt:


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"(7) Der Wahltag für die erste Wahl der von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament wird auf den 13. Oktober 1996 festgesetzt."

4. In Artikel I lautet § 90 samt Überschrift:

" Vollziehung

§ 90. Mit der Vollziehung der §§ 2 Abs. 1 und 2 sowie 89 Abs. 7 ist die Bundesregierung, mit der Vollziehung des § 89 Abs. 1 bis 6 sind je nach ihrem Wirkungsbereich der Bundesminister für Inneres und der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, mit der Vollziehung der übrigen Bestimmungen dieses Artikels mit Ausnahme des § 78 Abs. 5 letzter Halbsatz ist der Bundesminister für Inneres, hinsichtlich des § 46 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesminister für Landesverteidigung und hinsichtlich des § 85 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, betraut. Die Vollziehung des § 86 fällt bezüglich der Stempelgebühren in die Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen."

*****

Ich habe weiters einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Schieder und Donabauer einzubringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Schieder, Karl Donabauer zum Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament (Europa-Wählerevidenzgesetz – EuWEG) (29 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Im Inhaltsverzeichnis entfällt "§ 19. Inkrafttreten": die Paragraphenbezeichnung von § 20 erhält die Bezeichnung "19".

2. § 20 erhält die Paragraphenbezeichnung "19".

*****

Damit ist den formellen Dingen Genüge getan, es wird aber auch klar ausgedrückt, daß mit der Festlegung des Wahltages auf den 13. Oktober und mit der Zusammenlegung dieser Wahl mit der beabsichtigten Wiener Landtagswahl ein Weg gefunden wurde, wie dieser Wahlgang finanziell schonend und für den Bürger vereinfachend in diesem Jahr durchgeführt werden kann. Und das ist durchaus rechtzeitig, denn wir sind nicht im Verzug, wie der Redner der Grünen sagte, sondern die Übergangsfrist, die das Europäische Parlament und der Vertrag Österreich eingeräumt haben, endet am 31. Dezember dieses Jahres. Bis dahin sind wir voll im Zeitplan. (Abg. Scheibner: Herr Kollege! Ist das auch gesichert? Die Zusammenlegung?)

Das ist gesichert. Die Zusammenlegung ist natürlich nur dann gesichert, wenn es der Landtag auch so beschließt. Die Absicht ist gesichert, aber da es sich hierbei um autonome Beschlüsse und autonome Organe handelt, fällt das – Ihre zweite Frage – natürlich in das Recht des Wiener Landtages und Gemeinderates, wie es durch die Bundesverfassung und durch die Wiener Gemeindewahlordnung vorgesehen ist, was sicherlich bei den freiheitlichen Abgeordneten in Wien zu einer verfassungsmäßigen Klärung für Sie nachzufragen ist. (Abg. Scheibner: Bürgermeister Häupl hat aber gesagt: "Nur über meine Leiche!" – Abg. Ing. Reichhold: Das wollen Sie nicht hören!) – O ja, ich höre es schon, ich will aber meine Redezeit für mich selbst nützen! Was der Herr Häupl sagt, habe ich gehört. Ich höre mir aber Häupl lieber in der Version


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Häupl an als in der Version Scheibner, und das werden möglicherweise sogar Sie verstehen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das zweite, das ich hier erwähnen wollte, ohne einen großen historischen Rückblick zu halten, ist die Tatsache, daß manche Redner es so darstellen, als ob der Prozeß zu einem eigenständigen Europäischen Parlament etwas wäre, das analog zu den Demokratisierungsbemühungen in den einzelnen Staaten vor sich gegangen wäre. In Wirklichkeit wurde mit der Einführung des Europäischen Parlaments und mit der Wahl des Europäischen Parlaments auf weit älteres Gedankengut zurückgegriffen. Es gibt diesbezüglich keine einheitliche Linie in der Entwicklung der europäischen Geschichte. Es wäre wert, bei all den Studien über die Geschichte der europäischen Idee einmal auch diesen Aspekt gesondert zu untersuchen, nämlich parlamentarische Versammlung und Versammlungen in den verschiedenen europäischen Ideen. Dann würde man sehen, daß wir eigentlich in manchen Ansichten noch unter dem leiden, was sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluß des sich ausprägenden Nationalismus entwickelt hat. Denn alle früheren Pläne, die es in Europa gegeben hat, sind seit den ersten Vorschlägen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts davon ausgegangen, daß es eine Versammlung geben soll in Europa, die mehrheitlich Beschlüsse faßt – die Länder können durchaus unterschiedlicher Ansicht sein –, welche dem gemeinsamen Wohle dienen.

So muß auch Österreich die Idee des Europäischen Parlaments sehen: daß wir die europäische Idee und all das, was wir uns an Verbesserungen und Fortschritt für die Menschen dieses Kontinents erwarten, national – kontrolliert durch das nationale Parlament – vortragen, aber daß es auch die gesamteuropäische parlamentarische Komponente gibt, die durch das direkt gewählte Europäische Parlament wahrgenommen wird. Die nationalen parlamentarischen Interessen in bezug auf die EU und die EU-parlamentarischen Interessen sind keine Gegensätze, sie dürfen nicht in Konkurrenz miteinander treten, sondern sie ergänzen und bedingen einander. Es geht darum, daß das, was in Europa geschaffen wird, auch von möglichst vielen Menschen legitimiert, mitgetragen und mitgeschaffen wird. Und je mehr uns das rechtlich gelingt, desto mehr wird auch im Denken der Menschen diese Bereitschaft für Europa da sein. Und darum geht es uns, wie ich hoffe, doch allen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Anträge, die Herr Kollege Schieder eingebracht hat, sind ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Dr. Graf als vorläufig vorletzter Redner. – Bitte sehr.

12.39

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Hohes Haus! Es wurde heute wirklich schon viel gesprochen, am wenigsten natürlich über die Wahlordnung und die Wählerevidenz. Lassen Sie mich daher noch zwei Punkte beleuchten, vorerst einmal im Hinblick auf den Föderalismus.

Immer wird gesagt, gesamtösterreichische Interessen sind zu vertreten, und das ist der Grund, warum man einen einheitlichen Wahlkreis haben möchte. Ich stelle dazu ganz einfach fest, daß wieder einmal ein Wahlversprechen, das von den Regierenden im Zuge der Volksabstimmung gegeben wurde, gebrochen wurde.

Wie ist das denn in Österreich mit dem Föderalismus überhaupt? – Es wurde die Bundesstaatsreform versprochen. Die wurde in der Folge auf die lange Bank geschoben. Ebenso wurde die Bundesratsreform versprochen. Es wurde versprochen, daß es ein Europa der Regionen geben wird, vertreten durch die Mandatare in Brüssel. Auch dies ist wieder einmal durch unsere heute zum Beschluß gelangende Wahlordnung nicht so durchgeführt worden. Mir kommt das schön langsam so vor, als ob man immer dann unter dem Deckmäntelchen des Föderalismus und der Regionen reist, wenn es darum geht, Beamte oder Vertreter von Sozialversicherungen in Brüssel zu implantieren beziehungsweise zu installieren, und dabei einzig und allein der Proporz vertreten wird.


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Meines Erachtens werden die österreichischen Gesamtinteressen, kontrolliert von Hauptausschuß oder EU-Ausschuß, über die Regierungsvertreter sowieso wahrgenommen, und es wäre durchaus von Interesse gewesen, für die Wahl der Parlamentarier vielleicht durch zwei Ermittlungsverfahren verschiedene Wahlkreise zur Verfügung zu stellen, damit eben ein gewisser Regionalismus zum Ausdruck kommt. Das wurde auf die lange Bank geschoben, beziehungsweise dem wurde eine Absage erteilt mit Hilfe der ÖVP. Das wird natürlich auch Konsequenzen haben, denn wie steht es denn tatsächlich mit dem Föderalismus bei den Vertretern der Volkspartei?

Es ist doch fast pervers, wenn zirka sieben Bundesländer bereits Vertretungen, beamtete Vertretungen in Brüssel unterhalten, die Steuergeld kosten, Steuergeld vernichten, auf Proporz aufgebaut sind. Es gibt für mich überhaupt keinen Beweggrund, daß man auf beamteter Ebene föderalismusmäßig agiert, ohne daß es hierzu einen Bedarf gibt. Es gibt ein einziges Beispiel für eine derartige Vertretung in Brüssel, die meines Erachtens sinnvoll ist, und das ist die Gesamttiroler Vertretung in Brüssel, wodurch nunmehr tatsächlich eine Region vertreten wird. Bei derartigen Bestrebungen sollten wir mitmachen, aber sicherlich nicht, wenn es darum geht, Beamte oder sonstige abgehalfterte Politiker in Brüssel zu versorgen. Meines Erachtens nach wurde wieder der Förderalismus außer acht gelassen, der letztlich in der österreichischen Verfassung festgeschrieben ist.

Noch ein Wort zu dieser angeblichen Fristversäumnis der Freiheitlichen, weil hiezu immer wieder sehr viel Unkorrektes eingebracht wurde. Ich habe den Eindruck, daß in Österreich bei derartigen formalen Angelegenheiten tatsächlich mit zweierlei Maß gemessen wird. Wir haben evident – und das ist Faktum – eine Fraktion hier im Haus – nicht die Freiheitlichen, um es der Vollständigkeit halber zu sagen –, die nachgewiesenermaßen verspätet ihren Antrag gestellt hat, die aber keine Probleme hat, ihre Wahlkampfkosten rückerstattet zu bekommen.

Auf der anderen Seite gibt es eine Fraktion, die freiheitliche, die den Antrag korrekt und ordnungsgemäß eingebracht hat, bei der man sich daran aufhängt, ob er eingeschrieben oder nicht eingeschrieben weggeschickt wurde. Man macht ein formales Kriterium daraus. Man zitiert permanent Gutachten, aber nicht vollständig, denn es gibt nämlich nicht nur zwei Gutachten, wie Kollegin Hlavac vorgebracht hat, die sich immer wieder, auch im Ausschuß erkennbar, nur von den Ministerialbeamten belehren läßt, aber offensichtlich keine eigene Meinung hat, sondern es gibt deren mehr. Es gibt auch Gutachten von Universitätsprofessor Winkler und von Universitätsprofessor Haller, die mit ganz gegenteiliger Auffassung in dieser Fristsache argumentieren.

Ich würde nur um eines bitten: daß man, wenn schon diesbezüglich versucht wird, politisches Kleingeld zu verdienen – der Kollege Frischenschlager weiß, wer mit dieser anderen Fraktion, die nachweislich zu spät eingebracht hat, gemeint ist, deswegen lächelt er auch –, wenn schon der Versuch gemacht wird, politisches Kleingeld zu kassieren, wirklich vollständig und ordentlich informiert, gegenüber der Öffentlichkeit und auch hier im Hohen Haus. Das ist die Pflicht eines jeden Abgeordneten, und darum ersuche ich auch diesbezüglich, die Gepflogenheiten des Hauses zu beachten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort hat Frau Abgeordnete Frieser. Ich erteile es ihr.

12.44

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegen zirka 80 Seiten an Gesetzestext vor betreffend die Wahl der von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament.

Für uns sollte es viele gute Gründe geben, dieser Regierungsvorlage zuzustimmen, und ich möchte inhaltlich noch ein oder zwei rasch herausgreifen, denn an sich wurde das ja schon ausreichend inhaltsmäßig diskutiert.

Ich möchte festhalten, Kollege Haupt und Kollege Graf: Wir von der ÖVP sind, was die 4-Prozent-Klausel im Zusammenhang mit dem einheitlichen Wahlkreis Österreich betrifft, sehr


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zufrieden mit dieser Regelung, denn ich glaube, daß dadurch die De-facto-Sperrklausel hintangehalten wurde.

Bei diesem Gesetz ist bemerkenswert, daß trotz Vorgabe durch die Europäische Union viele bewährte Besonderheiten des österreichischen Wahlrechts eingearbeitet werden konnten, womit sich diese neue Wahlordnung in das bisherige Wahlrechtsgefüge ganz hervorragend einbettet und keinen Fremdkörper darstellt.

Ich möchte aber auch noch formal zu dem Gesetz eine Bemerkung machen: Mit dieser Beschlußfassung erfüllen wir ausnahmsweise zeitgerecht und nicht – wie sonst sehr oft – unter Zeitdruck oder manchmal auch im nachhinein eine für unsere Demokratie sehr wichtige Aufgabe, die uns anläßlich des Beitritts zur Europäischen Gemeinschaft auferlegt wurde. Es handelt sich also bei diesem Gesetz um ein zwingendes Gesetz, und wir hätten es durch nichts vermeiden oder umgehen können. Das heißt, es fällt nicht in die Kategorie Gesetzesflut.

Außerdem erfüllt dieses Gesetz ein Qualitätskriterium, dem wir als Gesetzgeber in der Vergangenheit viel zu wenig Augenmerk geschenkt haben, aber in der Zukunft umso mehr schenken sollten, nämlich: Dies ist ein lesbares, ein schlicht – schlicht im positiven Sinn – verfaßtes Gesetz.

Für diese wichtige Aufgabe legen wir also heute den Grundstein, nämlich für die Wahl zum Europaparlament.

Meine Damen und Herren! Was wir allerdings durch kein Gesetz können, und zwar durch keine wie immer geartete Vorlage, ist, wirklich geeignete, kompetente und engagierte Europäer in diese Herausforderung zu schicken. Und es obliegt jeder wahlwerbenden Partei – bei der Erfassung der Kandidatenliste –, Kandidaten aufzustellen, zur Verfügung zu stellen, die diese Kriterien erfüllen. Daher ersuche ich alle wahlwerbenden Parteien, für die Europawahlen kompetente, engagierte, sachpolitisch orientierte Kandidaten zur Verfügung zu stellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht das Schlußwort, und ich erteile es ihr.

Berichterstatterin Dr. Ilse Mertel (Schlußwort): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe lediglich zwei Druckfehlerberichtigungen vorzubringen.

Demnach hat im Europa-Wählerevidenzgesetz im § 5 Abs. 1 nach dem Klammerausdruck der Gedankenstrich zu entfallen, und in der Europa-Wahlordnung ist im Artikel IV nach dem Wort "Parteiengesetz" ein Beistrich zu setzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Berichterstatterin, und wir werden bei der Abstimmung auf die Druckfehlerberichtigungen Bedacht nehmen.

Wir kommen also zu den Abstimmungen , die über jeden Ausschußantrag getrennt vorgenommen werden.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Europa-Wahlordnung samt Titel und Eingang in 28 der Beilagen unter Berücksichtigung der von der Frau Berichterstatterin soeben vorgebrachten Druckfehlerberichtigung.

Es hat Herr Abgeordneter Mag. Haupt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich Artikel IV Z 3 und Artikel V gestellt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.


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Es wird zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile des Gesetzentwurfes und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abgestimmt.

Wir kommen also zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen auf Anfügung eines Abs. 7 an § 89 in Artikel I des Gesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Zusatzantrag Kostelka-Khol aussprechen, um ein Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Beschlußfassung fest.

Der Abänderungsantrag Kostelka, Khol und Genossen bezieht sich auf das Inhaltsverzeichnis zu Artikel I sowie auf Artikel I § 30 Abs. 2 und § 90 samt Überschrift.

Ich bitte jene Mitglieder des Hauses, die für diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Abänderungsantrags Kostelka, Khol und Genossen eintreten, ebenfalls um ein Zeichen der Bejahung. – Ich stelle auch hier die einstimmige Annahme fest.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Artikel IV Z 3 in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung der von der Frau Berichterstatterin vorgebrachten Druckfehlerberichtigung, und ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Ich lasse als nächstes über Artikel V in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und ersuche auch hier jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß Artikel V mit Mehrheit angenommen ist.

Schließlich wird abgestimmt über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes, und ich bitte auch hier im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Diese Teile des Gesetzentwurfes sind einstimmig angenommen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen bitten. – Die Vorlage ist in dritter Lesung einstimmig beschlossen .

Damit kommen wir als nächstes zur Abstimmung über den Entwurf betreffend das Europa-Wählerevidenzgesetz samt Titel und Eingang in 29 der Beilagen, ebenfalls unter Berücksichtigung der Druckfehlerberichtigung.

Es liegt ein Abänderungsantrag Schieder, Donabauer vor. Ich lasse daher über die vom erwähnten Abänderungsantrag Schieder, Donabauer betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Der Abänderungsantrag Schieder, Donabauer bezieht sich auf das Inhaltsverzeichnis sowie auf die Änderung der Paragraphenbezeichnung des § 20.

Ich bitte also jene Damen und Herren, die für diese Teile des Gesetzentwurfs in der Fassung des Abänderungsantrags Schieder, Donabauer eintreten, um ein Zeichen der Bejahung. – Ich stelle die einstimmige Beschlußfassung fest.

Damit kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile dieses Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes samt Druckfehlerberichtigung, und ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Beschlußfassung fest.

Damit ist die zweite Lesung beendet.


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Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Beschlußfassung in dritter Lesung fest.

Der Gesetzentwurf ist angenommen .

Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.

3. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (22 der Beilagen): 1. BIG-Gesetz-Novelle (26 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 3. Punkt. Es ist dies der Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage 1. BIG-Gesetz-Novelle in 22 der Beilagen.

Frau Abgeordnete Dr. Maria Fekter ist vom Ausschuß mit der Berichterstattung betraut worden und wird die Beratungen einleiten. – Bitte, Frau Kollegin.

Berichterstatterin Mag. Dr. Maria Fekter: Ich bringe den Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (22 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das BIG-Gesetz, BGBl. Nr. 419/1992, geändert wird, in der Fassung der 1. BIG-Gesetz-Novelle.

Es ist in Aussicht genommen, im Rahmen der Bundesimmobiliengesellschaft in New York ein Bauwerk errichten zu lassen. Zu diesem Zweck muß das Grundstück in New York in die Anlage A des BIG-Gesetzes aufgenommen werden.

Die Abgeordneten Kurt Eder, Maria Rauch-Kallat, Dr. Maria Fekter und Karl Gerfried Müller brachten einen Abänderungsantrag ein, mit welchem Einvernehmensregelungen getroffen werden und die Universität Klagenfurt der BIG übertragen wird.

Bei der Abstimmung wurde die gegenständliche Regierungsvorlage in der Fassung des Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit angenommen.

Weiters traf der Bautenausschuß mit Stimmenmehrheit folgende Feststellung:

Der Ausschuß geht bezüglich des Kulturinstitutes von New York davon aus, daß mit der vorgesehenen Erweiterung der Anlage A des BIG-Gesetzes beziehungsweise der damit verbundenen Übertragung der Errichtung und des Betriebes des Österreichischen Kulturzentrums in New York keine zusätzlichen Budgetbelastungen (mit Ausnahme der Mietzahlungen) verbunden sind. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, daß keine Baukostenbeiträge (auch nicht durch Anrechnung auf Mietentgelte) zusätzlich aus dem Budget geleistet werden.

Hinsichtlich der Universität Klagenfurt geht der Ausschuß davon aus, daß zuvor sämtliche in der Anlage A des BIG-Gesetzes enthaltenen Universitätsliegenschaften mit laufenden oder geplanten Neubauten der BIG übertragen wurden. Weiters wird angenommen, daß sich das Land Kärnten und die Stadt Klagenfurt an den Gesamtkosten zuzüglich Umsatzsteuer und Finanzierungskosten des Projektes beteiligen und der Anteil des Bundes maximal 50 Prozent beträgt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Bautenausschuß somit den Antrag , der Nationalrat wolle dem dem schriftlichen Ausschußbericht angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Herr Präsident! Ich bitte, in die Debatte einzugehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Berichterstatterin für ihre Einleitung.


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Für diese Debatte ist eine Redezeitbeschränkung vorgesehen, und zwar 10 Minuten pro Redner, Erstredner 20 Minuten; maximal drei Redner pro Fraktion.

Zu Wort gelangt als erster Kontraredner Herr Abgeordneter Schöll. Redezeit daher 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.56

Abgeordneter Hans Schöll (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! 11 East, 52nd Street, New York – eine Adresse, die schon in den letzten Jahren, vor allem durch das große Medienecho anläßlich des Architekturwettbewerbes, große Bedeutung erlangt hat. Diese Adresse soll auch weiterhin der Sitz des Österreichischen Kulturinstitutes bleiben, und an dieser Adresse soll ein neues Gebäude errichtet werden, das uns heute in Form der 1. BIG-Gesetz-Novelle befaßt.

Es handelt sich um die beste Lage in New York. Es gab 226 Einreichungen prominentester Architekten, eine internationale Jury hat mehrmals getagt, mehrere Abstimmungsrunden wurden absolviert, und es gab zahlreiche interessante Lösungsvorschläge. Letztendlich war der Sieger in diesem internationalen Bewerb der Architekt Raimund Abraham.

Es ist sicherlich ein spektakulärer, moderner Entwurf, der hier den ersten Platz erreicht hat – das anschließende große internationale Medienecho bestätigt dies.

Die "Zürcher Zeitung" zum Beispiel schrieb am 6. Februar 1993: "Zwischen Guillotine und Totempfahl" – ein imposantes Gebäude also, das zur Förderung der österreichischen Kunst, der österreichischen Künstler und der österreichischen Kultur beitragen soll, wichtig sicherlich auch für den Tourismus.

Dr. Mock hat sich seinerzeit – schon anläßlich des Architekturwettbewerbes – sehr bemüht, um in diesem Zusammenhang Österreich auch weiterhin den Stellenwert zu verleihen, den wir dringend benötigen – also ein Gebäude in New York, im größten Schaufenster der Welt, ein sehr guter Platz zur Präsentation der österreichischen Künstler.

Sicherlich mag es da und dort Diskussionen gegeben haben, vor allem hinsichtlich der Eigenwilligkeit dieses Entwurfes, aber solche Diskussionen hat es seinerzeit auch beim Hundertwasser-Haus in Wien gegeben, und heute, nach etlichen Jahren, kann man feststellen, daß dieses Hundertwasser-Haus international als bedeutend anerkannt ist und von zahlreichen Touristen Jahr für Jahr besichtigt und aufgesucht wird.

Nach diesem Wettbewerb vergingen leider mehrere Jahre. Leider! Es gab zwar Ausschreibungen, das Verfahren wurde zeitweise ausgesetzt, alternative Errichtungsvarianten wurden diskutiert, amerikanische Anbieter traten auf den Plan – leider fand man keine österreichischen Firmen.

Es gab im Laufe dieser Jahre auch eine Preisproblematik. Zunächst ging man von etwa 7 Millionen Dollar aus, man kam dann auf 9 Millionen Dollar, 11,5 Millionen Dollar – heutiger Stand: 15,2 Millionen Dollar, plus Architektenhonorar plus Rechtsberatung, derzeit also eine Zahl von etwa 17,7, 17,8 Millionen Dollar, etwa 180 Millionen Schilling.

Allein das Architektenhonorar steht mit etwa 11,5 Prozent, plus Spesenersatz, zu Buch.

Nun zu den technischen Daten. Die Nutzfläche war ursprünglich mit etwa 700 bis 800 Quadratmeter geplant und vorgesehen. Nunmehr konnte sie auf 1 700 Quadratmeter vergrößert werden. Eigentümer des Grundstücks: das Bundesministerium für Äußeres.

Als Nutzung sind vorgesehen: Ausstellungsräume, Theaterräume, Büros, Wohnungen für Gäste und eine Wohnung für den Direktor. Die bisher kalkulierte Miete soll etwa 354 S pro Quadratmeter und Monat betragen. Es wurde uns mitgeteilt – und ich habe das auch überprüft –, das ist etwa der ortsübliche Mietzins. Jetzt stelle ich schon die Frage in den Raum, ob es bei dieser Mietzinshöhe unbedingt notwendig ist, hier auch Wohnungen für Gäste und eine Wohnung für


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das Direktorium unterzubringen. Es ist ja doch erheblich teuer, und vielleicht könnte man hier noch darüber nachdenken, ob man sie nicht anderwärtig günstiger etablieren könnte.

Leider konnten bisher – und das bedaure ich besonders – keinerlei private Sponsoren gefunden werden, sodaß wir uns mit dem heutigen Stand konfrontiert sehen, hier über eine Novellierung des BIG-Gesetzes und eine Aufnahme in die Anlage A diesen Weg zu gehen. Leider gibt es auch keine konkreten Kalkulationen. Es fehlen nach wie vor Unterlagen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Hat man überhaupt private Sponsoren gesucht?) Ich hoffe, daß man versucht hat, private Sponsoren zu finden. Aber vielleicht wird uns das die Frau Staatssekretärin heute noch mitteilen.

Nun zu den fehlenden Unterlagen: Ein Teil konnte in der Zwischenzeit von uns im nachhinein geprüft werden, vor allem im Zusammenhang mit dem BIG-Direktorium. Im wesentlichen soll die Bundesimmobiliengesellschaft 30 Millionen Schilling zuschießen und auch die Gesamtfinanzierung übernehmen. Sie soll also die Gesamtkredite aufnehmen, via Fruchtgenußrecht quasi Schulden machen, um sie der Republik zunächst einmal im Budget zu ersparen.

Zusätzlich – und das wurde vor allem im Ergänzungsantrag mit festgeschrieben – soll stets das Einvernehmen mit dem Außenministerium gepflogen werden – das ist als wesentlicher Punkt vorgesehen –, gleichzeitig soll aber auch die BIG das Einvernehmen vor allem auch mit dem Finanzministerium und mit dem Wirtschaftsministerium pflegen.

Die Frage, die uns heute auch beschäftigt, ist: Warum sind so viele Jahre vergangen, warum hat man jetzt in dieser Hast und Eile offenbar in den letzten Wochen erst die BIG betraut? Warum wurde sie nicht früher betraut? Man hätte mehr Zeit gehabt. Man hätte konkreter vor allem die Preissituation noch einmal nachkalkulieren können. Ich verstehe natürlich auch diese Hast und Eile nicht, die jetzt dadurch bewirkt wurde.

Ich weiß schon, es wurde auch im Ausschuß vom drohenden Pönale, vom drohenden Verlust des Ansehens der Republik Österreich gesprochen. Dem kann ich nur beipflichten. Aber es hätte sicherlich, wenn die BIG rechtzeitig betraut worden wäre, eine bessere wirtschaftliche Möglichkeit gegeben. Vielleicht wäre es auch möglich gewesen, österreichische Firmen ausfindig zu machen, die sich am Bau beteiligen wollen. Uns wurde im Ausschuß nur gesagt, leider haben wir in New York keine österreichische Firmen finden können, daher kann es auch nicht zur Beschäftigung der österreichischen Bauwirtschaft kommen.

Vielleicht ändert sich daran noch einiges, vor allem, wenn ich daran denke, was gestern Bundeskammerpräsident Maderthaner erklärt hat. Er hat sich zum Handeln bekannt und hat uns mitgeteilt, daß er erst vorige Woche beim Opernball in New York Österreich vertreten hat. Ich hoffe, daß er diese Gelegenheit auch genutzt hat, entsprechende Kontakte in der Richtung aufzunehmen, daß man doch da und dort österreichische Firmen zum Zug kommen lassen könnte.

Ich hoffe aber auch, daß er die Gelegenheit benützt hat, um das nachzuvollziehen, was bisher nicht gelungen ist, da und dort doch noch einen Sponsor zu finden. Das würde ja das Budget, vor allem auch jenes der BIG, doch gewaltig entlasten.

Beim Bautenausschuß ist es offenbar der Brauch, daß er entweder gar nicht tagt oder in Hast und Eile einberufen wird. Das letzte Jahr hat er gar nicht getagt, diesmal mußte er binnen 16 Stunden tagen. Das haben wir aber leider schon einige Male miterleben müssen. Ich bin mir dessen schon bewußt, daß es sich hier um einen besonders dringlichen Anlaß gehandelt hat, um Versäumnisse, die das Ansehen Österreichs schädigen könnten, rasch zu beseitigen. Aber andererseits sehe ich nicht ein, daß auf Dauer solche – und ich würde es mit Schlampereien bezeichnen – Vorgänge von verschiedensten Seiten getragen werden und getragen wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann wurden wir im Ausschuß mit einer besonders interessanten Kombination überrascht, nämlich mit der Kombination des Österreichischen Kulturinstitutes in New York und der Universität in Klagenfurt. Alles auf demselben Antrag. Bei der Uni in Klagenfurt handelt es sich


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um einen geplanten Neubau auf der EZ. 134 und EZ. 457 der Katastralgemeinde Gurlitsch. Diese Liegenschaft soll ebenfalls in gewohnter Weise der Bundesimmobiliengesellschaft übertragen werden. Sie konnten sich ja heute bei der Berichterstattung davon überzeugen, mit welcher Kaltschnäuzigkeit und wie lakonisch der Ausschußbericht in seinen Bemerkungen darüber hinweggegangen ist.

Der Rektor der Universität Klagenfurt, Professor Dr. Dörfler, hat seine Bedenken ebenfalls mehrmals geäußert. 190 Millionen seien zu hohe Baukosten – das war damals noch der Betrag –, und sehr hohe Mietzinsbelastungen stünden ihm ins Haus. Er war auch der Meinung, daß die BIG die Finanzierungsprobleme keineswegs auf Dauer löse und daß es außerdem sehr viele interessante Finanzierungsvorschläge und Vorschläge privater Natur und von privaten Banken gebe.

Kein Wunder also, daß bei dieser Sitzung des Bautenausschusses die Zustimmung der freiheitlichen Fraktion nicht erfolgt ist. Hast und Eile, Mangel an Unterlagen, überraschende Kombination von Klagenfurt und New York machten dies unmöglich.

Letztendlich konnte ich in Gesprächen mit den BIG-Direktoren, die ich schon im Bautenausschuß lobend erwähnt habe – und zwar handelt es sich um die Direktoren Buresch und Chromy –, doch etwas mehr Klarheit über die Hintergründe erhalten. Vor allem in Klagenfurt erwartet man durch die Übertragung an die BIG eine erhebliche Kostenreduktion um etwa 40 Millionen Schilling, und man ist auch der Meinung, daß die sonst übliche Miete von etwa 150 bis 160 S pro Quadratmeter Nutzfläche vielleicht doch erheblich zu unterbieten sein wird.

Wir haben seinerzeit bei der Gründung der BIG unsere Zustimmung nicht erteilt, weil schon damals die Kalkulation auf Dauer für uns nicht genügend transparent war. Bei der ersten BIG-Novelle haben wir dann zugestimmt, weil in der Zwischenzeit das Vertrauen entstanden und auch gewachsen ist. Es hat sich damals um eine Erweiterung der Anlage A gehandelt. In den letzten Tagen sind mir auch diverse weitere Unterlagen zugekommen, die dieses Vertrauen, das ich dem Direktorium der BIG in den letzten Monaten entgegengebracht habe, sicherlich vergrößert haben. Etliche Besuche und zahlreiche Gespräche haben mir gezeigt, daß dort wirklich kompetente Fachleute arbeiten, sodaß letztendlich bei uns im Klub die zunächst negative Einstellung in eine positive Vertrauensbasis verkehrt wurde, und ich glaube, man sollte diesmal, auch wenn es hier zahlreiche Mängel gibt – wir werden dann in einem zusätzlichen Entschließungsantrag, den Herr Kollege Hofmann einbringt, kurz darauf zurückkommen –, wenn auch schweren Herzens aus finanziellen Gründen, aber leichten Herzens, weil es sich ja um das Österreichische Kulturinstitut handelt, dieser BIG-Novelle zustimmen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Vor allem liegt mir jetzt der rasche Bau, das rasche Absolvieren der Bauhandlungen besonders am Herzen, damit nicht weiter unnütz Zeit verstreichen muß, um hier zum Erfolg zu kommen. Ich wünsche in diesem Zusammenhang dem Österreichischen Kulturinstitut in New York, den leitenden Beamten besten Erfolg, um Österreich in diesem größten Schaufenster der Welt entsprechend positiv zu präsentieren. Das ist vor allem für die österreichische Kultur und für die österreichischen Künstlerinnen und Künstler besonders wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero- Waldner. – Bitte, Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort.

13.12

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn wir auf politischen, wirtschaftlichen, technologischen und kulturellen Gebieten die Entwicklung der Welt in den letzten Jahrzehnten beobachten und daraus einen Schluß ziehen wollen, dann, glaube ich, müssen wir einen ziehen, nämlich den, daß wir uns nicht mehr abkoppeln können. Sowohl der Wohlstand als auch die Sicherheit unseres Landes erfordern internationale Präsenz, internationale Zusammenarbeit und internationales positives Profil. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Das fällt Ihnen relativ spät ein!) – Keineswegs, wir geben das Ganze nur noch einmal hier weiter.


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Wir müssen uns draußen in der Welt beweisen und müssen zeigen, was wir können, wir dürfen nicht darauf warten, daß man zu uns kommt. Das, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir schon ein paarmal bewiesen, sowohl die Bundesregierung im Rahmen der Europäischen Union, durch ihren Beitritt, durch unsere sicherheitspolitischen Initiativen, als auch – da ich glaube, daß Österreich immer noch eine Kulturgroßmacht ist – durch kulturelle Aktionen wie in diesem Fall. (Beifall bei der ÖVP.)

Dies, sehr geehrte Damen und Herren, ist auch keine Liebhaberei. Ich möchte hier den deutschen Außenminister Klaus Kinkel zitieren, der erst vor kurzem, nämlich am 15. Jänner dieses Jahres, gesagt hat: "Ein Industriestaat, der sein Ansehen in der Welt nicht aktiv fördert, sondern seine kulturelle und wissenschaftliche Präsenz in der Welt abbaut, setzt einen wichtigen Teil seines Markenzeichens aufs Spiel." – Und das gilt ganz besonders für Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie mich vielleicht noch weiter zitieren lassen. Kinkel, ebenfalls zur Auslandskulturpolitik: "Wir investieren in eine Infrastruktur, von der künftiger außenwirtschaftlicher Erfolg abhängt." Ich danke dem Herrn Abgeordneten Schöll, der all diese Motive hier vorhin ebenfalls als positiv erwähnt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Rahmen der Auslandskulturpolitik des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten stellen zwölf Kulturinstitute die Schwerpunkte der österreichischen Kultur im Ausland dar. Das sind zum einen natürlich London, Paris, Rom, das sind unsere Nachbarländer, zum Beispiel die Tschechische Republik, Ungarn, aber das ist auch New York. Wie Sie bereits erwähnt haben, haben wir das Glück, gerade in New York an einer hervorragenden Stelle ein Grundstück zu besitzen. Das darauf befindliche Gebäude – wenn Sie mich das noch einmal ausführen lassen –, das bereits seit 1963 das Österreichische Kulturinstitut beherbergt, ist allerdings inzwischen 90 Jahre alt und baufällig. Weder baupolizeiliche noch betriebspolizeiliche und feuerpolizeiliche Genehmigungen sind vorhanden, weshalb wir uns ein Ausweichquartier suchen mußten. Auch das ist ein Hinweis dafür, daß wir jetzt natürlich schnell handeln müssen.

Es wurden daher verschiedene Varianten über die Zukunft des Institutes geprüft, natürlich zunächst auch die Sanierung des Gebäudes. Aber aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen – das wurde auch schon angesprochen –, nämlich auch, weil wir die Nutzfläche von 700 Quadratmetern auf zirka 1 700 Quadratmeter vergrößern konnten, hat sich der damalige Außenminister Dr. Mock dafür entschieden, einen Neubau auf der Basis eines internationalen Architekturwettbewerbes durchzuführen.

Sie alle, Hohes Haus, kennen wahrscheinlich auch das Resultat dieses Wettbewerbes. Denn hier im Parlament hat eine Ausstellung der wichtigsten und besten Modelle und des preisgekrönten Modelles stattgefunden, so wie das sogar im Museum of Modern Arts in New York der Fall war. Österreichweit und international – und da können wir stolz darauf sein – hat das Projekt des österreichischen in New York lebenden Architekten Raimund Abraham durchwegs positive, ja zum Teil sogar enthusiastische Stellungnahmen bekommen. Der "Kurier" vom 17. 12. schrieb: "Die Wahl Abrahams ist ein Bekenntnis zu den besten kulturellen Kräften unseres Landes." Und der "New York Observer" im Jahre 1993: "Einer der bedeutendsten Bauten New Yorks der letzten Jahrzehnte."

Das Projekt kam erst dann in negative Schlagzeilen, als uns aufgrund der budgetären Situation im September vorigen Jahres der damaligen Finanzminister Staribacher Budgetmittel zur Baudurchführung verweigerte, obwohl – und das muß ich auch sagen – die entsprechende budgetäre Vorsorge bei uns im Haus getroffen war.

Dazu auch ein Kommentar der hiesigen Presse: Der "Standard" vom 7. 9. letzten Jahres: "Jeder Tag, an dem an der Stätte des Raimund-Abraham-Baues im Herzen der Metropole ein evakuierter Altbau gähnt, wäre, vorsichtig gesagt, ein versäumter Tag der Pflege des österreichischen Ansehens in der Welt."

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat in den vergangenen Monaten Vizekanzler und Außenminister Dr. Schüssel verschiedene Varianten geprüft, wie wir das Projekt,


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das sowohl politisch als auch in den Medien wirklich positiv gefordert wurde, dennoch realisieren und eine internationale Blamage verhindern könnten.

Nunmehr haben wir eine Lösung gefunden, die uns als eine wirtschaftliche erscheint, nämlich die Lösung durch die Bundesimmobiliengesellschaft, wobei ein ganz großer Vorteil der ist, daß die Republik Eigentümerin sowohl des Grundstückes als auch des Gebäudes bleibt, wodurch diplomatische Immunitäten und Privilegien gegeben sind und wir uns auch die an und für sich in den Vereinigten Staaten sehr hohe Grundsteuer ersparen können. Die wäre mindestens bei 100 000 Dollar im Jahr gelegen. Das ist erfreulich, daß wir zum Beispiel das nicht zahlen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Lösung haben sowohl der Ministerrat als auch der Bautenausschuß des Hohen Hauses ihre Zustimmung gegeben. Es ist sehr erfreulich, daß ein so gut vorbereitetes Kulturprojekt damit große Akzeptanz gefunden hat und politisch grundsätzlich außer Streit gestellt ist.

Die einzige Kritik, die ich gehört habe, ist die, warum wir nicht schon früher gebaut hätten. Nun darf ich Ihnen dazu sagen, daß wir ja sehr seriös an das Projekt herangegangen sind. Wir haben internationale offene Ausschreibungen durchgeführt. Wir haben dann aufgrund der Ausschreibung geprüft, was hier an Resultaten herausgekommen ist, und das war zum Teil teurer, als das, was wir vorher angenommen hatten. Wir haben deshalb noch einmal ein besonderes Verfahren durchgeführt, wie das in den Vereinigten Staaten zum Teil üblich ist, und haben dabei wesentlich bessere Preise erzielen können. Wir haben also keineswegs geschlafen.

Wir haben natürlich auch – wie ich schon erwähnt habe – budgetmäßig im Hause dafür Vorsorge getroffen. Nur, wie schon gesagt, der Finanzminister fand – und das muß man natürlich auch sagen, heute ist eine andere Situation als vor drei oder vier Jahren, etwa 1992 –, wir sollten das nicht aus dem Budget finanzieren. Deshalb sind wir sehr erfreut, eine Lösung gefunden zu haben, die in hohem Maße budgetschonend ist.

Vielleicht darf ich abschließend noch kurz – zumindest vorläufig – sagen: Österreich – und ich danke Ihnen, wie schon gesagt, für diese politische Akzeptanz – muß auf die Landkarte! Auch in den USA! Austria soll nicht mehr mit Australia verwechselt werden. Gerade ein solches architektonisches Projekt, wie es das Kulturinstitut ist, das USA-weit jetzt schon Anerkennung findet, wird sehr dazu beitragen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Redezeit: maximal 10 Minuten.

13.22

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wer das Kulturinstitut in New York kennt, wer es in den letzten Jahrzehnten erleben durfte, hat sich selbst überzeugen können, daß dort alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um österreichischen Künstlerinnen und Künstlern ein Forum zu bieten, sich in der Weltmetropole New York, die auch das Tor zur Welt ist, zu präsentieren, dort einen Ideenaustausch zu erleben und auch den Österreicherinnen und Österreichern in der Metropole New York ein Stück Heimat zu geben.

Dieses Gebäude hat allerdings lange nicht mehr den Vorstellungen und auch den Notwendigkeiten eines österreichischen Kulturinstitutes entsprochen. Es ist daher viele Jahre lang darüber diskutiert worden, ob eine Renovierung oder ein Neubau diese Notwendigkeiten erfüllen sollte. Man hat sich erfreulicherweise für einen Neubau entschieden, dafür, das völlig desolate Gebäude des Kulturinstitutes durch einen Neubau zu ersetzen.

Dieser Neubau wurde in einem Wettbewerb ausgeschrieben, der eine unglaublich hohe Beteiligung gefunden hat. Es hat 448 Abholungen der Wettbewerbsunterlagen und 226 Einreichungen gegeben.


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Eine besondere Herausforderung an die Architekten stellten vor allem die Maße dieses Kulturinstitutes dar. Eine Breite von nur etwas mehr als 7 Metern und eine Tiefe von 20 Metern stellte für jeden Architekten eine schwierige Ausgangslage dar.

Die Abwicklung des Wettbewerbs erfolgte im Einvernehmen zwischen Außenminister Dr. Mock und Finanzminister Dr. Lacina. Das Ergebnis wurde vor allem durch seine Transparenz und Integrität weltweit anerkannt. Eine internationale Jury mußte – oder durfte – aus den 226 Einreichungen das Siegerprojekt auswählen, und es hat eine eindrucksvolle Akzeptanz gegeben. Sie können das aus den Papieren ersehen, die aus diesen Jury-Sitzungen bekanntwurden beziehungsweise veröffentlicht wurden.

Es hat hier eine sehr intensive und sehr harmonische Auseinandersetzung gegeben, und die eindrucksvolle Akzeptanz des Entwurfs des österreichischen Architekten Raimund Abraham durch nationale und internationale Medien sowie vor allem auch seitens der Fachwelt hat gezeigt, daß die Entscheidung der Jury richtig war.

Richard Oldenburg, Direktor des Museum of Modern Arts in New York, hat gesagt, mit diesem Bau wird Österreich allen anderen Ländern auf Jahrzehnte voraus sein. Aber auch andere Zeitungen, vor allem renommierte amerikanische Zeitungen, von der "New York Times" über die "Washington Post", das "New York Magazine" bis zum "New Yorker" haben durchaus positive Kommentare zu diesem Entwurf abgegeben.

Auch die "Neue Zürcher Zeitung" schließt sich den Lobeshymnen an – Zitat –: Abraham wird Österreich mit diesem virtuos inszenierten Turm in New York einen großen, kulturpolitisch wichtigen Auftritt verschaffen. In seiner Zeichenhaftigkeit wird sich der bereits mit Frank Lloyd Wright΄s Guggenheim-Museum verglichene Bau mit Spitzenwerken der Hochhausarchitektur messen können.

Höchst erfreulich war auch das Echo in der heimischen Presse. Der "Kurier" hat getitelt: "Österreich macht in New York Furore", und der "Standard" nannte das Kulturinstitut New York den wichtigsten Bau seit Mies van der Rohe.

Bei der Ausstellungseröffnung im Museum of Modern Arts meinte dessen Direktor, daß Österreich mit diesem Bau Länder wie Frankreich, England, Deutschland und Italien für Jahrzehnte hinter sich lassen würde.

Es ist also ohne übertriebenen Optimismus zu erwarten, daß Österreich mit der Verwirklichung dieses Baus Architekturgeschichte schreiben wird. Das bedeutet, daß jährlich ein Millionenpublikum automatisch mit einem exemplarischen Objekt österreichischer Gegenwartsarchitektur, das von den Medien schon jetzt mit legendären Kultbauten wie dem Guggenheim-Museum oder dem Seagram Building verglichen wird, konfrontiert ist.

Die nunmehr vorgeschlagene BIG-Modellösung soll auch sicherstellen, daß der zu erwartende Erfolg dieses Neubaues und die damit verbundene Umwegrentabilität ausschließlich Österreich im weiteren und den kulturpolitischen Interessen im engeren Sinn zugute kommt. Durch die Eigentumslösung bleibt dieser Bau im Eigentum der Republik. Es war auch nicht notwendig, Sponsoren zu finden, und damit ist die primäre Identität des Gebäudes und des Programms, das dort gestaltet wird, auch dem Land Österreich zuzuschreiben.

Daß es keine österreichische Firmenbeteiligung gegeben hat, ist nicht verwunderlich, denn es gibt keine österreichische Baufirma, die derzeit auf dem amerikanischen Markt tätig ist, und daher war es auch nicht möglich, hier eine österreichische Baufirma zum Zug kommen zu lassen.

Durch die in den USA und in Europa im Juni 1995 stattgefundene und auch im österreichischen Parlament gezeigte Ausstellung der 55 bestgereihten Neubaumodelle konnte nicht nur schon jetzt eine zusätzliche Werbeaktion gestartet werden, sondern ein größtmögliches Fachpublikum mit dem Neubau vertraut gemacht werden. Das Museum of Modern Arts widmete dem zirka 3 Meter großen Modell des Kulturinstitutsgebäudes eine dreiwöchige Einzelausstellung, und


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bereits jetzt wird das Modell im offiziellen "New York City Cultural Guide" als Sehenswürdigkeit angeführt.

Durch laufende Information und Einbeziehung verschiedener Repräsentanten der im Parlament vertretenen Parteien bei ihren Besuchen in New York und durch persönliche Überzeugungsarbeit konnte auch sichergestellt werden, daß der Bau dieses Gebäudes politisch außer Streit gestellt wird. Es bleibt zu hoffen, daß mit diesem neuen Gebäude, dem Österreichischen Kulturinstitut, die Republik Österreich mitten im Herzen von Manhattan österreichischen Künstlern und Künstlerinnen, österreichischer Kultur einen Platz bietet, ein Fenster bietet, wo sie sich von ihrer besten Seite zeigen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser : Zu Wort gemeldet ist nunmehr der Abgeordnete Dipl.-Ing. Hofmann. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: maximal 10 Minuten.

13.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sinnhaftigkeit der Errichtung eines Kulturinstitutes in New York steht für uns Freiheitliche außer Zweifel, vor allem dann, wenn man weiß, daß das bislang genutzte und nunmehr übersiedelte Kulturinstitut bau- und feuerpolizeilich nicht mehr entspricht und exorbitante Kosten erforderlich wären, um dieses Gebäude zu sanieren, Kosten, die zu den Neubaukosten in einem Verhältnis von zirka 1:1 stehen, wobei eine Flächenvergrößerung von 700 auf 1 700 Quadratmeter ebenfalls eine positive Auswirkung hat.

Die Notwendigkeit, daß sich das kleine Land Österreich mit seinen beachtlichen Leistungen auf kulturellem Gebiet in entsprechendem Maße präsentiert, ist unumstritten. Ich akzeptiere auch die sogenannte Umwegrentabilität; auch das soll und kann hier gesagt werden. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte es auch nicht verabsäumen, doch einige Anmerkungen zu machen und einige Problempunkte aufzuzeigen.

Die Bedenken unsererseits gegen die Art der Errichtung und gegen die beabsichtigte Vorgangsweise machen deutlich, daß wir bei der BIG davon ausgehen müssen, daß keinerlei internationale Baumanagementerfahrungen vorhanden sind, wobei das Risiko letztlich beim Steuerzahler bleibt, zumal ja die Bundesimmobiliengesellschaft eine hundertprozentige Tochter der Republik Österreich ist.

Es wurde auch schon von Kollegen Schöll angesprochen, daß die ursprünglichen Kosten von 7 Millionen US-Dollar auf nunmehr immerhin 18 Millionen US-Dollar gestiegen sind. Ich teile nicht die Meinung der Frau Abgeordneten Rauch-Kallat, die gesagt hat, ein Sponsoring sei nicht nötig gewesen, weil die Finanzierung über die BIG geklärt wäre und das eine sinnvolle Finanzierung sei. Ich bin der Meinung, es ist ein Versäumnis, daß dieser Versuch nicht gestartet wurde und hierauf kein Augenmerk gelegt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gerade in Zeiten wie diesen – und wir haben in der gestrigen Sitzung des Nationalrates sehr, sehr ausführlich über die Probleme im Arbeitsmarktbereich gesprochen, auch über die Probleme, mit denen die Bauwirtschaft zu kämpfen hat –, gerade in diesen Zeiten sollten wir uns überlegen, ob diese Aufgabe, die nun der BIG zukommen soll, gut und richtig ist. Soll man tatsächlich in Zeiten, in denen es schwierig ist, Geld dafür aufzubringen, daß Schulen saniert werden, daß öffentliche Gebäude saniert werden, die zum Teil in einem äußerst erbärmlichen Zustand sind – woraus natürlich auch eine entsprechende Wertschöpfung im Lande resultieren würde –, die BIG dazu veranlassen, einen Kredit in Millionen-Dollar-Höhe aufzunehmen, was einer Einschränkung ihrer eigentlichen Aufgabe gleichkommt, nämlich für die bundeseigenen Gebäude zu sorgen, diese zu betreuen, zu sanieren? Erweist man ihr tatsächlich einen guten Dienst, wenn man sie letztlich daran hindert, dies zu tun?

Sie hat die Aufgabe, Bundesbauten zu errichten, zu erhalten. Wenn das in den Vereinigten Staaten passiert und es sich dabei um ein Kulturinstitut handelt, stellt sich für mich die Frage, ob man nicht diesen Betrag tatsächlich bei der BIG belassen sollte, sie also nicht dazu veranlaßt,


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einen Kredit aufzunehmen, und ob nicht seitens des Kulturbudgets ein entsprechender Beitrag zur Finanzierung dieses Projektes geleistet werden sollte.

Ich möchte auch nicht verabsäumen, kurz noch die Probleme zu erwähnen, die im Zusammenhang mit der Uni Klagenfurt beziehungsweise der Übertragung an die BIG aufgezeigt wurden, und zwar seitens des Rektors Professor Dr. Dörfler, der durch die Übergabe an die BIG höhere Mietzahlungen befürchtet, die seitens der BIG genannten Baukosten in Höhe von rund 100 Millionen Schilling als Neubau einstuft – mit einer entsprechenden Planungsphase und einer entsprechenden zeitlichen Verzögerung – und aufgrund der Übernahme durch die BIG andere Finanzierungsarten quasi ausschließt. Diverse Finanzierungsmodelle lägen jedenfalls vor, und er hat dies auch in einem Schreiben an den Herrn Bundesminister kundgetan.

Lassen Sie mich – ich komme damit zum Schluß – noch eine Anmerkung machen. Wir wurden, wie ich meine, nicht 16, sondern 14 Stunden vor Einberufung der Ausschußsitzung verständigt. Die Begründung der Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner war, daß letztlich die Bindungsfrist zweier Angebote die Ursache für die rasche Einberufung dieses Ausschusses gewesen wäre. In wenigen Tagen würde – so Ihre Aussage, Frau Staatssekretärin – diese Bindungsfrist ablaufen. Ein im Bautenausschuß anwesender Beamter des Außenamtes stellte fest, daß die Bindungsfrist der Angebote bereits im November 1995 abgelaufen ist.

Sie haben unsere Bereitschaft erkennen können, dann, wenn Not am Mann ist, auch kurzfristig zur Verfügung zu stehen, aber Sie hätten uns dann diesbezüglich auch reinen Wein einschenken können und uns sagen sollen, daß diese Bindungsfrist abgelaufen ist, und Sie hätten auch die daraus resultierende Problematik aufzeigen sollen.

Es ist eine mangelhafte Vorbereitung im Zusammenhang mit der Errichtung dieses Projektes feststellbar. Ich erlaube mir daher, folgenden Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hans Schöll, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Kollegen betreffend Begrenzung der Baukosten für die Errichtung des Österreichischen Kulturinstitutes in New York

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, im Zusammenwirken mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst

sicherzustellen, daß zur Errichtung des Österreichischen Kulturinstitutes in New York erforderliche Mittel den zuletzt genannten Betrag von 18 Millionen US-Dollar nicht übersteigen,

dafür zu sorgen, daß die Nutzung des Österreichischen Kulturinstitutes nach seiner Fertigstellung auf den ursprünglich vorgesehenen Funktionszweck beschränkt bleibt und die wesentliche Teilfinanzierung des Projektes aus Mitteln des österreichischen Kulturbudgets zu veranlassen.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)


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13.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er steht mit in Behandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist der Abgeordnete Eder. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Ihre Redezeit beträgt maximal 20 Minuten.

13.39

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich festhalten, daß ich mich freue, daß der Bautenausschuß eine Vorlage erarbeitet und ins Plenum gebracht hat, die, wenn ich richtig verstanden habe, auch die Zustimmung der Freiheitlichen Partei finden wird. Ich freue mich darüber. (Abg. Dr. Schmidt: Deshalb sind sie auch kontra gemeldet, ich sage es nur, von der Reihenfolge der Rednerliste her!) Ich beachte diese Reihenfolge nicht so genau. Ich sage immer das, was ich für richtig halte. Ob das pro oder kontra ist, interessiert mich eigentlich wenig dabei. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich darf aber auch dazusagen, und zwar nur der Ordnung halber, daß aus der Freiheitlichen Partei schon so quasi ein Saulus zum Paulus wurde, denn im Bautenausschuß haben Sie den Dingen ja noch sehr kritisch gegenübergestanden und eigentlich nicht dafür gestimmt.

Nicht ganz logisch, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der Aufbau der Reden der freiheitlichen Redner insofern gewesen, als man auf der einen Seite kritisiert, daß der Bautenausschuß so rasch einberufen wurde, auf der anderen Seite der Kollege Schöll fragt, warum eigentlich so viele Jahre vergangen sind und nichts gemacht wurde. Also irgendwann muß es ja geschehen. Man kann nicht alles gleichzeitig kritisieren; man kann entweder das eine oder das andere kritisieren, aber nicht alles gleichzeitig.

Zum nächsten, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, habe ich mir ein Protokoll vom 25. Juni 1992 ausheben lassen, als die BIG gegründet wurde, und in diesem Protokoll können Sie die Rede des Kollegen Schöll nachlesen. Ich erspare es Ihnen, das jetzt alles vorzulesen, aber Sie haben vor allem behauptet, daß all diese Dinge, die hier geschehen, immer nur versagt und nicht funktioniert haben, und heute – und darüber freue ich mich – fragen Sie, warum man nicht schon früher der BIG diesen Vorschlag übergeben hat, das Kulturzentrum zu bauen.

Sie sehen also, daß Dinge, die die Regierung beschließt, die von Ihnen abgelehnt werden, die Sie kritisieren, wo Sie nicht mitstimmen, letztendlich von Ihnen ein paar Jahre später sehr wohl dann als Instrument herangezogen werden, sehr wohl gelobt werden und sehr wohl jetzt umgekehrt verlangt wird, daß man in das Ganze schon früher hätte eintreten sollen, als es geschehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will Ihnen wirklich nicht nahetreten, ich wollte nur der historischen Wahrheit halber das ein bißchen chronologisch festhalten, aber umso mehr freut es mich, daß wir heute in dieser Frage, zumindest was das Österreichische Kulturinstitut in New York betrifft, in den Fraktionen eigentlich weitestgehend Übereinstimmung haben. Es ist klar und ganz logisch, daß natürlich hinsichtlich der Vorgangsweise die eine oder andere Kritik anzumerken ist. Wäre dem nicht so, würden Sie ja keine gute Oppositionspolitik machen. So würde ich das einmal hier festhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist aber heute noch sehr wenig zu dem zweiten Abänderungsantrag, der neben diesem Antrag, der das Österreichische Kulturinstitut betrifft, vorliegt, gesagt worden, und ich möchte nun kurz auch auf diesen gemeinsamen Antrag der Sozialdemokraten und der ÖVP, mit dem die Erweiterung der Universität Klagenfurt an die BIG übertragen und der schon lange geplante Erweiterungsbau somit auch über die Bundesimmobiliengesellschaft abgewickelt werden soll, eingehen. Durch diesen Erweiterungsbau der Universität Klagenfurt wird einerseits den an der Universität Beschäftigten jener Raum gegeben, den sie dort wirklich benötigen, und andererseits sehe ich diese Initiative als wichtigen Impuls für die heimische Wirtschaft.

Meine Damen und Herren! Der Bautenausschuß ist beim Beschluß dieses Projektes davon ausgegangen, daß sich das Land Kärnten und die Stadt Klagenfurt an den Gesamtkosten zuzüglich der Umsatzsteuer und Finanzierungskosten des Projektes beteiligen und der Anteil des Bundes maximal 50 Prozent betragen wird. Ich halte das für eine gute Lösung.


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Das Projekt selbst liegt bereits im Vorentwurf vor und umfaßt eine Bruttogrundrißfläche von zirka 12 500 Quadratmetern und eine Nettogrundrißfläche von zirka 10 700 Quadratmetern. Durch die Übertragung dieses Projektes an die BIG steht nunmehr einer zügigen Planung und Verwirklichung dieses Projekts nichts mehr im Wege.

Ich als Bautensprecher der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion halte es für sehr wichtig, daß in der derzeitigen schwierigen Situation der Bauwirtschaft – gestern haben wir ja lange darüber diskutiert – und vor allem auch angesichts der relativ hohen Arbeitslosenrate, die wir haben, mit entsprechenden Maßnahmen auch in dieser Form zur Entspannung der Situation beigetragen wird.

Zu diesen Maßnahmen zählt natürlich auch die Durchsetzung des von der Bauarbeitergewerkschaft seit Jahren geforderten Jahresbeschäftigungsmodells, was von den Arbeitgebern bis jetzt permanent abgelehnt wurde. Andererseits müssen zur Belebung der Baukonjunktur Infrastrukturmaßnahmen, insbesondere im Bereich der Post und der Bahn, gesetzt werden. Weiters ist die von meiner Fraktion seit langem geforderte Einführung des Road-Pricing-Prinzips zur Finanzierung der Lückenschlüsse des hochrangigen Straßennetzes auch so rasch wie möglich umzusetzen. Daneben gilt es, wie es nun am Beispiel der Universität Klagenfurt gelungen ist, baureife Bundesprojekte möglichst rasch in die Bundesimmobiliengesellschaft, die geschaffen wurde, um Bundesgebäude kostengünstig zu errichten, zu revitalisieren und zu bewirtschaften, zu übertragen.

Beim Baugipfel im Dezember wurde als eine Maßnahme für die Bauwirtschaft beschlossen, daß noch 1996 Bauprojekte zu Gesamtkosten von 3,2 Milliarden Schilling an die BIG übertragen und von der BIG abgewickelt werden sollen. Durch die Übertragung der Erweiterung der Universität Klagenfurt an die Bundesimmobiliengesellschaft können nun zusätzlich weitere 300 Millionen Schilling bauwirksam eingesetzt werden.

Die Abwicklung über die Bundesimmobiliengesellschaft stellt für den Bund in zweierlei Hinsicht eine kostengünstige Variante dar: einerseits werden die Baukosten netto abgerechnet, andererseits ist davon auszugehen, daß die präliminierten Kosten von rund 300 Millionen Schilling auch eingehalten oder sogar – wie uns von den Direktoren der Bundesimmobiliengesellschaft versichert wurde – unterschritten werden könnten.

Unverständlich ist mir im Zusammenhang mit der Übertragung der Universität Klagenfurt an die BIG die Haltung der Freiheitlichen Partei, insbesondere jene des Kollegen Schöll, im Bautenausschuß gewesen. Ich möchte daher wirklich klarstellen, Herr Abgeordneter Schöll – denn Sie haben es heute noch einmal gesagt –, daß seitens der SPÖ die Zustimmung zur Errichtung des Kulturinstituts in New York nicht mit der Aufnahme der Universität Klagenfurt junktimiert wurde, sondern daß wir diese Initiative einerseits für die Beschäftigten der Universität Klagenfurt und andererseits als wichtigen Impuls zur Schaffung von Arbeitsplätzen für die heimische Bauwirtschaft sehen. Wir haben nur die Gelegenheit, daß der Bautenausschuß schon getagt hat und es möglich war, ein baureifes Projekt an die BIG zu übertragen, gleich wahrgenommen, um das mit einem Abänderungsantrag mit dazuzunehmen. Das war eigentlich die Überlegung, die ich hier noch einmal erläutern und klarstellen wollte. Aber es steht ja jetzt ohnehin, so hoffe ich, außer Streit.

Der Einsatz der Freiheitlichen Partei für Arbeitsplätze, so wie das gestern hier diskutiert wurde, scheint des öfteren auch nur ein Lippenbekenntnis zu sein, denn die Maßnahmen, die von Ihnen vorgeschlagen werden, gehen ganz einfach unter dem Deckmäntelchen der Beschäftigungssicherung zum Großteil – das haben wir auch gestern in der gesamten Debatte von Ihren Rednern gehört – zu Lasten von Arbeitnehmern und Arbeitslosen. Sie hingegen fordern eine Reihe von Steuerbegünstigungen für Unternehmer, die auf Kosten anderer Bevölkerungsgruppen oder durch ein höheres Budgetdefizit finanziert werden sollen.


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Bei anderen Punkten haben Sie einfach Konzepte von uns abgepaust, und dazu hat ja Ihr Hoher Vorsitzender schon gemeint, man solle wenigstens das erfüllen. Sie können sich darauf verlassen, daß wir unsere eigenen Konzepte sicher ohne Ihr Zutun erfüllen können.

Daß es Ihnen mit Ihrem Engagement oft nicht wirklich oder nur sehr schwankend ernst ist, wird heute dadurch bewiesen – und das muß man ganz einfach festhalten –, daß Sie bei konkreten Projekten für die Bauwirtschaft, wie dem Erweiterungsbau der Universität Klagenfurt, Ihre Zustimmung zunächst einmal im Bautenausschuß verweigert haben, heute hier im Plenum aber die Zustimmung geben werden, worüber ich froh bin. Wir hoffen aber trotzdem, daß dieses Projekt wie auch schon im Bautenausschuß nunmehr auch hier im Gesamtplenum die Mehrheit finden wird. (Abg. Dr. Graf: Plenum genügt!) – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte, Frau Abgeordnete. Ihre Redezeit beträgt maximal 20 Minuten.

13.48

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Bevor ich anfange, ein Wort nur zum Kollegen Eder. Gemeint habe ich, Sie sollten Ihre Freude über die Zustimmung der Freiheitlichen etwas einbremsen, denn sie sind als Kontraredner gemeldet, und wenn diese Fraktion auch nur einen Funken parlamentarischen Anstandes hat – und mehr als das verlange ich nicht aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen (Abg. Scheibner: Sie sind sowas von "freundlich" und "charmant"! Unglaublich!) –, dann müssen wohl die Negativargumente überwiegen, denn sonst könnte sie sich ja nicht "contra" melden. – Das wollte ich nur sagen zu Ihrer Positiveinschätzung. (Abg. Scheibner: Sehr "liberal"!) Daß man hier nicht weiß, was liberal ist, wundert mich nicht. Liberal heißt nicht, zu allem ja und amen zu sagen und nicht zu begreifen, wo der doppelte Boden liegt. (Abg. Scheibner: Das ist eine Haßrede, keine Positivrede!)

Als ich hier den Rednern dieser Fraktion zugehört habe, ist mir ein Zitat des Architekten Abraham wieder in Erinnerung gekommen, der gesagt hat, es ist ein Unterschied, ob man Gebäude will oder Architektur. Das, glaube ich, ist ein ganz wesentlicher Ansatz zur gesamten Diskussion. Wenn hier nur vom Rechenstift, nur von irgendwelchen Quadratmeterzahlen gesprochen wird, dann erinnert mich das so sehr an die Diskussion, die wir schon so schmerzlich und inferior bei anderen Bauprojekten in Österreich erlebt haben, bis hin zum letztaktuellen des Museumsquartiers, wo dann auf einmal darüber diskutiert wird, wie viele Meter ein Leseturm vielleicht zu hoch oder zu niedrig sein könnte, und wo wir dann vielleicht noch darüber nachdenken, ob man eine Volksbefragung über derartige Dinge machen soll. Das ist ein Zugang zur Architektur, der in Österreich allerdings – leider, muß ich sagen – Tradition hat.

Daher freut es mich umso mehr – das, glaube ich, sollte man von diesem Pult aus sagen –, daß ein solches Unterfangen überhaupt in Angriff genommen wurde, wie es das New Yorker Kulturinstitut darstellt. Allein die Art des Wettbewerbes, wie er ausgeschrieben wurde, wie er durchgeführt wurde – selbstverständlich dann auch noch vom Ergebnis her, aber das war nicht vorherzusehen –, ist ein bemerkenswerter kulturpolitischer Schritt, den man anerkennen muß und über den man sich freuen sollte. Ich freue mich darüber, und ich freue mich daher umso mehr darüber, wenn er noch dazu zu einem solchen Ergebnis geführt hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, es ist müßig – ich pflege nicht für das Protokoll zu reden –, jetzt den ganzen Werdegang und die Genesis dieses Vorhabens wieder anzuführen – das ist bereits zu Protokoll gegeben, und man weiß es –, aber die Tatsache, daß dieses Projekt letztlich ein solches Ergebnis gebracht hat und mit solchen Hymnen – es waren zum Teil Hymnen – bedacht wurde, ist etwas, was auch ganz konkret einem Österreicher und einer Österreicherin den Rücken stärken sollte, ist etwas, was ich für einen ganz wesentlichen Beitrag für ein kulturelles Selbstverständnis, vor allem auch was zeitgenössische Kunst betrifft, betrachte.


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Wie es allerdings dann weitergegangen ist, war auch ein typisch österreichisches Schauspiel, in dem Fall eine Tragikomödie. Da hat dann nämlich das Sparpaket seine Schatten über dieses Projekt geworfen. In diesem Fall war es der sozialdemokratische Finanzminister, der plötzlich gefunden hat, man könne sich dieses nicht leisten, so ungefähr nach dem Motto, welches wir sonst nur von einer anderen Fraktion kennen: Bei der Kultur kann man am meisten sparen, denn: "Wos brauch ma des?" Wir haben es auch heute wieder gehört: In Zeiten wie diesen müsse man überlegen, ob man das Geld nicht für andere Sanierungsfälle da oder dort besser anwenden könne.

Das ist eine Geisteshaltung, die uns insgesamt in dieses falsche Kulturverständnis und letztlich zu einem aufbereiteten Boden für Kulturfeindlichkeit führt. Das ist meine feste Überzeugung, da ich auch weiß, daß es Direktiven an verschiedene Politiker gibt, nur ja keiner Kultursubvention zuzustimmen. In Zeiten, wo man Beihilfen für Familien kürzen müsse, in Zeiten, wo wir sparen müssen, wo bestimmte Bevölkerungsgruppen betroffen sind, könne man am ehesten bei der Kultur sparen.

Das ist etwas, was mich mit einem großen Unbehagen erfüllt, weil es zeigt, daß nicht begriffen wird, welchen Stellenwert Kulturpolitik für eine Gesellschaft schlechthin hat, daß sie ein Seismograph für die Befindlichkeit einer Gesellschaft ist, daß Kultur ein Ferment für die Entwicklung einer Gesellschaft ist und daß man daher nicht mit dem Rechenstift darangehen kann, was dann tatsächlich über die sogenannte Umwegrentabilität, wie es hier geheißen hat, hereingebracht werden kann. Und wenn Umwegrentabilität, dann muß man das wohl in eine andere Dimension setzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, daß uns vor diesem Stegreiftheater auf Schrebergartenniveau, wo nur die Akteure von Busek und Häupl, wie wir es beim Museumsquartier erlebt haben, zu Schüssel und Staribacher gewechselt haben, daß uns vor einer Schubladisierung dieses Projektes nur die internationale Dimension gerettet hat, eine Dimension, die wir dann nicht mehr beschränken konnten. Denn wenn es einmal so ist, daß sich auch internationale Zeitungen mit uns auseinandersetzen, daß tatsächlich – solche Zitate wurden auch schon gebracht – der Architekturkritiker der "New York Times" vom innovativsten Projekt der letzten Generation spricht, dann geht es nicht mehr so leicht, daß man sich im Sumpf dieses Parteienhickhacks, des wirklich nahezu kindischen Kräftemessens – wer kann dem anderen eins auswischen und sagen, ich bin derjenige, der es bewegen kann – verliert, sondern wir mußten uns darüber hinausheben; ganz im Gegensatz zu anderen Projekten, die wir auf der nationalen Ebene noch liegen haben.

Dazu gehört etwa die Albertina, bei der die Vorzeichen wiederum umgekehrt sind, denn dafür gibt es nämlich grünes Licht von seiten des sozialdemokratischen Ministers, und der ÖVP-Minister steigt auf die Bremse. Man will damit demonstrieren, daß es nur im Einvernehmen geht, und man will auf diese Weise offensichtlich über Spielmaterial und -kapital für andere Dinge verfügen.

Das ist übrigens bei der Albertina – ich möchte das einwerfen, weil ich es für wirklich notwendig halte – besonders bedauerlich, denn wenn es bereits eine Übereinstimmung über einen Zubau gibt – ich schaue daher ganz bewußt Minister Schüssel an –, dann halte ich es wirklich für mehr als hemmend und rückschrittlich, wenn man darüber streitet, ob man nicht lieber das Geld in die Fassade investieren könnte. (Vizekanzler Dr. Schüssel: So ist es nicht!) So ist es schon. Auf diese Weise werden die Möglichkeiten für diese wesentliche graphische Sammlung immer schlechter, und das Weiterarbeiten in diesem Museum ist kaum mehr möglich. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Eine Zusage hat es für 250 Millionen Schilling gegeben, aber nicht für 700 oder 800 Millionen!) Das ist nicht ganz richtig, was Sie da sagen. Außerdem, muß ich sagen, hatte man sich bereits beim Zubau durchaus auf eine Reduktion geeinigt, aber manchmal habe ich den Eindruck, daß es gerade der ÖVP in erster Linie um Fassade geht – das sehe ich auch in anderen Lebensbereichen so – und nicht sosehr um das, was dahinter ist, nicht um das, was der Inhalt ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Aber der eigentliche Punkt, warum man so leichtfertig mit all diesen Dingen umgeht – das war auch die Leichtfertigkeit, in dem Fall der Sozialdemokratie, im Zusammenhang mit dem New Yorker Kulturinstitut –, ist, daß Architektur in seiner Wertigkeit als Kunstform offenbar nicht begriffen wird. Es gibt auch dafür symptomatische Hinweise. Allein die Tatsache, daß die Angelegenheiten der Architekten im Wirtschaftsministerium beheimatet sind und nicht in der Kunstsektion, sprechen auch eine beredte Sprache.

Im übrigen halte ich es für höchst bedauerlich, daß wir insgesamt auf dem Kultursektor eine derartige Zersplitterung der Kompetenzen haben und die Auslandskultur im Außenministerium beheimatet ist statt, was sinnvoller wäre, konzentriert in einem Kunstministerium oder einer Kunstsektion. Dann würde sich nämlich dieses Kräftemessen erübrigen.

Daß Architektur nicht auch als zeitgenössische Kunstform begriffen wird, halte ich deswegen für Österreich für so bedauerlich, weil ich glaube, daß gerade die Architektur ein Bereich ist, der Österreich eine besonders gute Visitenkarte ausstellt. Wir haben in der zeitgenössischen Musik, wir haben in der zeitgenössischen bildenden Kunst, wir haben in der zeitgenössischen Literatur durchaus Einzelbeispiele, die in die internationale Szene und die internationale Anerkennung Eingang gefunden haben – das ist schön, und das ist erfreulich –, aber wir haben es, wenn ich es richtig einschätze, auf keinem Gebiet der Kunst in einem solchen Ausmaß wie in der Architektur, ob das nun Hollein ist, ob das Holzbauer, ob das Coop Himmelblau ist, ob das Luigi Blau ist.

All jene Architekten, die wirklich als Visitenkarte unserer zeitgenössischen Kunst überall in die Welt, sage ich jetzt einmal, das Image Österreichs hinaustragen – sie sind es, die in einem Ausmaß im internationalen Kultur- und Kunstdiskurs verankert sind wie sonst keine Kunstrichtung. Und gerade deswegen sollte man die Wertigkeit erkennen, die auch dem New Yorker Kulturinstitut zukommt. Daher sollte man sich auch über den Tellerrand der Rechnerei, der Ziffernspielerei und der Aufrechnung, wo sonst irgend etwas saniert werden sollte, endlich hinwegsetzen und jene Dimension sehen, auf die es ankommt.

Architektur hat nämlich noch einen ganz wesentlichen Impuls: Sie ist eine Kunstform, bei der es keine Hemmschwelle gibt in der Form, daß man wo hineingehen muß, um sie zu konsumieren, daß man sich extra vornehmen muß, diese Ausstellung sehe ich mir an oder dieses Theaterstück schaue ich mir an, sondern sie ist etwas, was einem direkt angeboten wird, was einen sozusagen direkt anspringt. Und wenn es noch dazu an so prominenter Stelle ist wie dieses New Yorker Kulturinstitut, dann ist das eine besondere Chance, Kulturbewußtsein zu vermitteln, um Kulturverständnis und Kunstverständnis zu vermitteln. Und das sollte eigentlich unser Anliegen sein.

Ich glaube, daß nur Aktivität auf kulturellem Gebiet, daß Selbstbewußtsein auf diesem Gebiet das eigentliche Bollwerk gegen kulturfeindliche Tendenzen sein kann, und ich meine, daß das New Yorker Kulturinstitut dazu beitragen könnte, Selbstbewußtsein und Freude an zeitgenössischer Kunst zu erzeugen. Genau das brauchen wir; wir brauchen viel mehr davon in Österreich, als wir haben.

Es gibt in Österreich Selbstbewußtsein und Freude an traditionellen Kunstformen, an all dem, was unsere Geschichte darstellt, was unser Image ausgemacht hat, von dem wir heute noch zehren. Aber sobald es um zeitgenössische Kunst geht, hört es sich schon auf. Da werden die Kreise der Personen immer kleiner, die sich dafür engagieren, die das entsprechende Bewußtsein dafür haben und für die es Selbstverständnis ist. Und das wäre ein Auftrag an die Politik: daran zu arbeiten, daß diese Kreise größer werden.

Das New Yorker Kulturinstitut ist meiner Meinung nach eine Chance dazu. Ich bin daher froh, daß wir heute das einschlägige Gesetz als Grundlage dafür beschließen können. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)


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14.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Abgeordneter. Redezeit: 10 Minuten.

14.01

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Argumentation der Frau Klubobfrau Heide Schmidt ist ja wirklich alles andere als schlüssig. Frau Kollegin! Einerseits fordern Sie eine Abkehr vom kleinkarierten Parteihickhack, auf der anderen Seite stoßen Sie sich daran, daß wir einmal ein ohnehin seltenes Lob von der Sozialdemokratischen Partei für unser Abstimmungsverhalten, das wir angekündigt haben, bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin! Nehmen Sie bitte eines zur Kenntnis: Im Bautenausschuß wurde eine bestimmte Meinung vertreten. Wir haben eine Klubsitzung darüber abgeführt, wir haben im Klub beraten, wir haben uns eine Meinung gebildet (Abg. Mag. Peter: Was soll das?), und wir werden hier entsprechend abstimmen.

Herr Kollege Peter! Liebe Frau Kollegin Schmidt! Nehmen Sie zur Kenntnis: Bei uns gibt es nicht die menschliche Kälte, die bei Ihnen herrscht! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ihnen rennen ja haufenweise die Abgeordneten davon aufgrund der menschlichen Kälte! (Abg. Mag. Peter: Was soll denn das? Ein Kasperltheater!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Liberale Forum ist mir zu unwichtig, um mehr Zeit dafür zu verwenden. Lassen Sie mich bitte dazu kommen, in der Sache Stellung zu beziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als freiheitlicher Kultursprecher darf ich klarstellen, daß wir uns als freiheitliche Bewegung zur Kulturarbeit des Außenamtes über die Kulturinstitute bekennen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist ein ganz klares Bekenntnis, unabhängig davon, ob es etwa das Kulturinstitut in Warschau betrifft, in der Tschechischen Republik, in Teheran oder wie jetzt jenes in New York.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bekennen uns zu dieser Kulturpolitik, die im Rahmen des Außenamtes geschieht. Und wir finden es auch wohltuend, daß sich das gesamte Kulturbudget auf mehrere Ressorts aufteilt, wenngleich wir nicht verkennen, daß das Hauptressort natürlich jenes ist, dem Herr Bundesminister Scholten vorsteht. Aber wir finden es sehr positiv, daß es auch noch andere Bereiche der Kulturpolitik gibt, denn es wäre für uns nicht leicht erträglich, wenn die Kulturpolitik in einem Ressort monopolisiert würde, von dem eine prominente Vertreterin dieser sozialdemokratischen Kulturpolitik, nämlich Frau Kulturstadträtin Pasterk, sagt, daß dieses – das Kulturressort – ein unverzichtbares Ideologieressort ist. In diesem Sinne sind wir sehr froh, daß sich das gesamte Kulturbudget doch etwas aufsplittet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Konkret zum Projekt New York, zum Standort New York: Wir vertreten die Auffassung, daß New York selbstverständlich ein wichtiger Schauplatz der Darstellung auch der zeitgenössischen Kunst ist. Und wir freuen uns auch, daß es einen zeitgenössischen Künstler gibt, nämlich Arnulf Rainer, der es im Wege der Eigeninitiative zustande gebracht hat, sich ein eigenes Museum, ein Dauermuseum beziehungsweise eine Dauerausstellung in New York zu schaffen.

Wir sind der Auffassung, daß es sehr wichtig ist, daß die österreichische Kulturpolitik und die österreichische Kultur auch in New York präsent sind. Und das ist selbstverständlich auch der Grund dafür, daß wir dem großzügigen Ausbau des Kulturinstitutes in New York das Wort reden. Ich bin ganz einer Meinung mit meiner Vorrednerin, Frau Rauch-Kallat, daß es architektonisch sehr reizvoll ist, auf lediglich 200 Quadratmetern Grundfläche ein Hochhaus von 20 Stockwerken zu errichten. Denn ein kleines Hochhaus – und vielleicht eines der kleinsten Hochhäuser überhaupt – ist ja geradezu ein architektonisches Paradoxon.

Ich darf mir erlauben, hier meine persönliche Meinung zur Architektur auszudrücken. Mir persönlich – das ist nur meine Meinung, ich gestehe jedem seine eigene Meinung zu – gefällt die Ausführung dieses neuen Kulturinstitutes in puncto Architektur ganz ausgezeichnet. Die wasserfallähnliche Fassade ist wirklich reizvoll. Ich bin der Meinung, daß wir damit eine würdige Visitenkarte österreichischer Architektur in New York präsentieren.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur rechtlichen Abwicklung: Aus meiner Sicht ist die rechtliche Konstruktion der Errichtung des neuen Kulturinstitutes in Ordnung. Die Republik Österreich hat der Bundesimmobiliengesellschaft ein Fruchtgenußrecht eingeräumt. Die Bundesimmobiliengesellschaft schließt mit der Republik Österreich einen Mietvertrag ab und vermietet das Gebäude, wobei die Bauherrschaft bei der Bundesimmobiliengesellschaft verbleibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es bleibt selbstverständlich der schon angesprochene Wermutstropfen, daß das Projekt aus offensichtlich parteipolitischen Gründen um ein halbes Jahr verzögert wurde und aufgrund eines politischen Hickhacks von Rot und Schwarz ein halbes Jahr auf Eis gelegt wurde. Herr Kollege Morak, der Kultursprecher der Österreichischen Volkspartei, hat sich ja sogar dazu verstiegen, von einem Kulturkampf zu sprechen. So weit möchte ich nicht gehen.

Ich möchte überhaupt, meine sehr geehrten Damen und Herren – und mit diesem Appell richte ich mich an alle parlamentarischen Parteien –, davor warnen, Herr Kollege Cap, jede Divergenz in der Auffassung von Kulturpolitik sofort als Kulturkampf hochzustilisieren (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Cap: Ein schwacher Beifall!), zum Beispiel jede Kritik, die an einem Theaterstück oder an einem Werk der Literatur geübt wird. Das ist sicher nicht richtig. Denken Sie etwa daran, daß der neue Roman von Günter Grass von Reich-Ranicki, dem bekanntesten Literaturkritiker Deutschlands, förmlich zerrissen wurde. Sie kennen vielleicht das Titelbild der Zeitschrift "Spiegel", auf dem Reich-Ranicki das Buch von Grass buchstäblich zerreißt. Auch da wurde sofort gesagt, das sei ja ärger als die Bücherverbrennung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde mir für die kommende Legislaturperiode wünschen, daß wir in der Kulturpolitik nicht sofort Worte wie "Kulturkampf" und "Bücherverbrennung" et cetera hochstilisieren, um unsere teilweise divergenten Aussagen zu vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Reich-Ranicki und Grass, darüber ist lange diskutiert worden im Linzer Gemeinderat!) Herr Kollege Koppler! Über Reich-Ranicki und Günter Grass können wir einmal eine separate Diskussion abführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte wieder zur Sache zurückkehren und die Meinung meiner Partei klarlegen. Wir erachten das Projekt von Abraham als ein sehr wichtiges Projekt für New York und für unsere auswärtige Kulturpolitik, wir meinen, daß es ein wirklich geglücktes Projekt ist. Und wir sind insgesamt der Auffassung, daß damit in New York eine würdige Visitenkarte österreichischer Architektur abgegeben wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Rauch-Kallat hat sich abermals zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, da Sie eine Redezeit von 20 Minuten in Anspruch nehmen konnten, beträgt Ihre offene Redezeit noch 12 Minuten.

14.10

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich darf in Ergänzung zu meiner Wortmeldung einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Eder und Kollegen zur in Verhandlung befindlichen Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes einbringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Kurt Eder und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIG-Gesetz, BGBl. Nr. 419/1992, geändert wird (22 der Beilagen), in der Fassung des Ausschußberichtes (26 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Eingang hat wie folgt zu lauten:


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"Das BIG-Gesetz, BGBl. Nr. 419/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 494/1993, wird wie folgt geändert:"

*****

14.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Abgeordnete. Der von Ihnen vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. 10 Minuten Redezeit.

14.11

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine geschätzten Damen und Herren! Bevor ich meinen Debattenbeitrag in die Richtung lenke, wo er hingehört, ein kurzes Wort zu meinem Vorredner, Kollegen Krüger. Ich weise mit aller Deutlichkeit die generelle Verunglimpfung des Liberalen Forums im allgemeinen und jene hinsichtlich Kulturpolitik auf das entschiedenste zurück. Sie entbehrt jeder sachlichen Grundlage und ist daher meines Erachtens auf reine Polemik abgestellt.

Der bekannte Architekt Raimund Abraham hat im Jahre 1992 international Aufsehen erregt, als er den Architektenwettbewerb zur Errichtung des österreichischen Kulturzentrums in New York gewann. In der Tat war diese architektonische Leistung vielbeachtet, nicht nur in der lokalen Presse, in der New Yorker Presse, sondern auch international.

"A nervous prisma of a building for Manhattan" ist ein zutreffender Ausdruck für das, was hier dargestellt wurde, ich glaube, wohl einer der zutreffendsten. Oder: "Ein längst fälliger neuer Akzent für die New Yorker Skyline." Das deshalb, weil man ja weiß, daß in New York – man kann sagen, schon seit Jahrzehnten – keine Hochbauten im konventionellen Stil für diese Stadt mehr errichtet werden, weil einfach das Platzangebot fehlt und auch die Revitalisierung bestehender Gebäude an Grenzen stößt.

Der Auslandsösterreicher Raimund Abraham, der sich nicht als Entwickler einer bestimmten architektonischen Stilrichtung sieht, sondern vielmehr als integraler Problemlöser, hat meines Erachtens mit diesem Entwurf den Punkt getroffen, was in dieser Stadt als Zeichen für eine international führende Kulturnation, wie es Österreich ist, noch gefehlt hat. Wir als Nationalrat sollten nicht anstehen, allen Architekten, die im In- und Ausland solche Projekte kreieren, unseren gebührenden Dank und unsere Anerkennung zu zollen. Es ist in der Tat Beispiel einer würdigen Nachfolge, wie es auch in einer führenden New Yorker Zeitung genannt wurde, für Bauwerke wie das Seagram’s Building, das Guggenheim-Museum of Modern Art oder das Whitney-Museum.

Umso bedauerlicher fand ich den Umstand, daß die in den Jahren 1992/93 durch eben diesen Architektenwettbewerb erzielten Imagegewinne durch die Verzögerung des Baubeginns voriges Jahr doch erheblich beeinträchtigt wurden. Man hat das in New York eigentlich nicht verstanden. Kollegin Maria Rauch-Kallat hat gemeint, was da alles an Positivem durch die Zeitungen ging, sei beispielhaft gewesen. Ich möchte ergänzen: Was der drohende Baustopp an negativen Schlagzeilen in New York bewirkt hat, war ebenfalls nicht von schlechten Eltern. Man hat sich nämlich darüber gewundert, was hier in Österreich los ist, und sich gefragt, ob man in Österreich die Rolle als führende Kulturnation aufgrund eines parteipolitischen Hickhacks plötzlich nicht mehr ernst nimmt.

Ich bin froh, daß es im Ausschuß nach einigem Geplänkel doch einen breiten Konsens gegeben hat. Die Freiheitlichen haben vor einigen Tagen noch nicht den Eindruck erweckt, als würden sie im Plenum diesem Projekt ihre Zustimmung geben. Ich bin überrascht und zugleich dankbar, daß es hier letzten Endes doch eine Fünfparteien-Einigung gibt.

Ich möchte noch auf einige Dinge eingehen, die meine Vorredner Schöll beziehungsweise Hoffmann erwähnt haben. Die Limitierung der Bausumme mit 18 Millionen Dollar, die Sie mit Ihrem Entschließungsantrag als Obergrenze einziehen möchten, sehe ich nicht ein, und zwar


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aus folgenden Gründen nicht: Die 18 Millionen Dollar sind die reine Bausumme. Es werden weitere Beträge hinzukommen, sodaß man – ich bin dafür, daß man die Wahrheit auf den Tisch legt – von rund 260 Millionen Schilling sprechen muß. Das wird der Realität sehr nahe kommen, denn das Bauwerk muß auch eingerichtet werden, mit allem Drumherum. Ich bin froh, wenn diese präliminierte Summe von 260 Millionen Schilling ausreicht, wobei ich nicht anstehe, zu sagen: In der Kulturpolitik gelten eben auch andere Maßstäbe als nur der Rechenstift, wie Frau Dr. Schmidt bereits ausgeführt hat. (Abg. Dr. Grollitsch: Gebäude bleibt Gebäude!) Gebäude bleibt Gebäude, selbstverständlich, aber dieses Gebäude wird Österreich einen sehr hohen Stellenwert in der internationalen Kulturpolitik einräumen. Es wird eine hohe Umwegrentabilität erzielt werden, das ist für mich überhaupt keine Frage. Wir sind es dem Ansehen unseres Landes einfach schuldig, daß dieses Bauwerk jetzt zügig und ohne weiteres Hickhack vollendet wird, damit es in angemessener Frist eröffnet werden kann. In den USA gibt es kein Verständnis dafür, wenn unser Image auf dem Sektor Kulturpolitik wieder in Zweifel gezogen wird, wie es schon einmal der Fall war.

Kurzum: Es ist hoch an der Zeit, dieses Projekt zu realisieren. Es ist geeignet, die Stellung Österreichs als eine der führenden Kulturnationen zu stärken, und daher war es für meine Fraktion nie eine Frage, keine Minute lang, ob wir diesem Bauprojekt die Zustimmung erteilen oder nicht. Es war immer klar, und ich freue mich, daß heute dieser große Konsens zustande kommen wird. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. Redezeit: 10 Minuten.

14.19

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte abschließend nur einige Worte unter anderem auch zur Leistung eines Künstlers sagen, der für unsere Heimat Österreich an einem der prominentesten Plätze dieser Welt seit langer Zeit wieder eigenes Profil und große Anerkennung bringt.

Österreich hat immer wieder gezeigt, daß es zu großen Leistungen befähigt ist. Wir waren nicht immer in der Lage, die großen Leistungen entsprechend zu präsentieren. Daher bin ich heute allen dankbar, gerade auch der Opposition, daß dieses Projekt eine so gute Aufnahme und Anerkennung erfahren hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Krüger! Ich nehme das nicht als Selbstverständlichkeit. Die Opposition ist nicht primär da, um die Leistungen der Regierung zu belobigen oder ihr dauernd die Anerkennung auszusprechen, sondern um kritische Analysen durchzuführen und um zu kontrollieren. Umso größer ist bei diesem Verständnis unserer Demokratie die Leistung, die heute hier von allen Fraktionen, vor allem von der Opposition, erbracht wird.

Ich möchte besonders Vizekanzler Dr. Schüssel danken, daß er mit einer neuen Finanzierungsmethode – wir befinden uns nun einmal in einer Zeit der Sparpakete – sichergestellt hat, daß von der Finanzierung her nicht weitere Verzögerungen erfolgen, was sehr wesentlich ist. Ich gebe zu, es wurde hastig informiert, mit Recht ist das bemerkt worden. Auch der Vizekanzler hat das vor kurzem gesagt. Warum? – Um weitere Kostensteigerungen zu vermeiden, das Risiko einzuschränken.

Meine Damen und Herren! Ein solches Projekt ist relativ leicht zu charakterisieren, zu kommentieren und positiv zu klassifizieren, wenn man soweit ist. Das Risiko, das impliziert ist, ist aber beachtlich. Die Rechtsordnung, vor allem die Bauvorschriften der Stadt New York, des Staates New York, auch bestimmte Gesetze der Vereinigten Staaten, die Rechtsordnung Österreichs und vieles andere mußten zum Tragen kommen, mußten respektiert werden. Gleichzeitig sollte für den Künstler und seine Arbeit eine möglichst große Autonomie gewahrt bleiben. Das Risiko war beachtlich, aber verantwortbar, und daher, glaube ich, ist man es mit Recht eingegangen, wie dann der Entwurf des Künstlers gezeigt hat. Ich bin allen dankbar, die dazu beigetragen haben, wie gesagt, speziell dem Außenminister Dr. Schüssel und auch dem neuen Finanzminister Klima, die diesen Weg möglich gemacht haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Wenn der politische Wille da ist, kann man durchaus auch unterschiedlicher Auffassung sein oder unterschiedliche politische Grundkonzeptionen haben: Man wird immer wieder im Interesse des Landes zusammenfinden. Wir können uns alle gelegentlich durch dieses Projekt und die dabei praktizierte Vorgangsweise der ehrlichen Konsenssuche auch bei anderen Themen im Parlament inspirieren lassen. Es hat auch seine Mängel, aber es hat alle zusammengeführt im Interesse unseres Landes, auch weil wir stolz sind auf die Kreativität unserer Künstler.

Es war ja in einer gewissen Hinsicht kein Ergebnis der üblichen Arbeit des Außenamtes, sondern doch ein besonderes Ereignis. Wir hatten drei Charakteristika: Zum ersten Mal ist ein Kulturinstitut nicht renoviert worden, nicht saniert worden, nicht erweitert worden, sondern neu gebaut worden – zum ersten Mal seit 1945!

Zum ersten Mal ging es nicht darum, was dort ausgestellt wird, ob das Anklang beim Besucher findet, sondern die neue Dimension in Form eines Neubaus sollte den künstlerischen Wert repräsentieren, eben das Gebäude an und für sich. Und drittens: Die Anerkennung war eine außergewöhnliche, sowohl national als auch international. Ich glaube, daß wir durch die Auswahl der internationalen Jury mit dem Künstler Raimund Abraham einen Mann in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt haben, der für Österreich außerordentlich viel zusätzliches Ansehen gebracht hat und bringen wird. Ich sage hier laut und deutlich: Österreich kann auf den Osttiroler Raimund Abraham stolz sein. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums sowie den Grünen.)

Warum ist man das Risiko eingegangen? – Einiges wurde schon genannt. Die Summe der Reparaturkosten kam bald in den Bereich der Kosten für den Bau eines neuen Kulturinstituts, bei gleicher Nutzfläche von 700 Quadratmetern. Jetzt haben wir 1 700 Quadratmeter zur Verfügung. Wir mußten zweitens damit rechnen, daß Firmen wieder aussteigen. Wir mußten drittens befürchten, daß wir mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union ganz oder teilweise neu ausschreiben müssen. Wir haben bei innerösterreichischen Projekten, wie zum Beispiel in St. Pölten, gesehen, welche Schwierigkeiten zusätzlicher Art das schafft. Gleichzeitig läuft der Kostenfaktor.

Und letztlich ging es darum – das war der Hauptgrund für meine Entscheidung –, daß ein gewaltiges Interesse unserer Architekten und Künstler vorhanden war. Wir im Außenministerium haben geglaubt, 30 bis 50 Künstler werden sich bewerben, werden die Unterlagen anfordern, 20 bis 30 werden Modelle in den Wettbewerb einbringen. Wie vorhin gesagt wurde, haben sich 486 Künstler und Gruppen von Künstlern interessiert, genau 458 haben Bewerbungsunterlagen angefordert und 226 haben ein Projekt eingebracht. Und diese 226 beziehungsweise rund 50 davon waren von so großem Interesse, daß sie in Chicago, New York und in Innsbruck, rund im die Welt zur Ausstellung gekommen sind und Österreich neue Anerkennung gebracht haben.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können uns davon inspirieren lassen, daß unterschiedliche politische Auffassungen oder weltanschauliche Grundkonzeptionen in der Politik sehr wohl auch zu gemeinsamen Leistungen führen können, wenn der politische Wille vorhanden ist. Es muß nicht immer der Gegensatz herausgestellt werden. Ich treffe diese Feststellung, weil ich den Dialog in der Demokratie für wesentlich halte.

Wenn wir gesagt haben, wir wollen für den Künstler möglichst viel Freiheit – und die künstlerische Freiheit verlangt meiner Auffassung nach nicht nur, daß sie toleriert wird, sondern auch, daß sie garantiert wird –, dann muß man dazusagen, daß sich aber keine Freiheit ohne Verantwortung entwickeln soll. Da ist eine heikle Grenze zu ziehen. Es kommt gelegentlich auch vor, daß Leute im Kunstbetrieb tätig sind, die nur für sich kreativ sind, aber nicht für den Besucher des Theaters, nicht für die Öffentlichkeit. Damit würde ich mich nicht identifizieren. Dies ist ein Spannungsverhältnis, das immer im Gleichgewicht gehalten werden muß: möglichst viel Freiheit, aber auch Grenzen durch das Verantwortungsbewußtsein gegenüber den Mitmenschen, auch, wenn es notwendig ist, gegenüber dem Steuerzahler. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Zweitens: Ich glaube, wenn ich hier für die Freiheit plädiere, dann muß ich mich natürlich auch gegen das Monopol der Kunstförderung aussprechen. Wenn man dafür eintritt, private


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Kunstmonopole abzubauen, um staatliche aufzubauen, so ist das unvereinbar mit meiner Auffassung von künstlerischer Freiheit. Auch hier, glaube ich, sollte man wieder dieses Spannungsverhältnis halten. In diesem Spannungsverhältnis zwischen öffentlich und privat liegt der Freiheitsraum, wo sich der Künstler optimal entwickeln kann, gerade was österreichische Begabungen anlangt.

Drittens: Ich glaube, wir sollten gerade mit den unglaublichen künstlerischen Potentialen Österreichs unsere nationale Identität stärken, nicht mit krampfhaften Abgrenzungsversuchen, sondern in der Offenheit gegenüber anderen Kulturen. Wir stellen unsere Kultur vor, nicht nur in New York, sondern auf der ganzen Welt. Wir heißen andere Kulturen willkommen, wir sind damit offen, wir sind nationalbewußt, wir sind aber gegen jeden aggressiven Nationalismus, wie er sich jetzt wieder zeigt – nicht nur in Europa. Aggressiver Nationalismus hat nichts zu tun mit Patriotismus, und das, was Raimund Abraham in New York geschaffen hat, ist auch eine Stärkung des österreichischen Patriotismus, der unsere Identität gerade im Zeitalter der Europäischen Integration noch stärker machen soll. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Freiheitlichen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums und den Grünen.)

14.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als vorläufig letzte Rednerin gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. Frau Abgeordnete, Sie hätten die Möglichkeit, 20 Minuten zu reden.

14.29

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Ich merke an Ihrer Stimme, daß Sie es geradezu wünschen, daß ich 20 Minuten zu Ihnen spreche, aber, meine Damen und Herren, ich mache es ganz kurz und werde nur zwei Minuten brauchen, da ich mich in fast allem meinem Vorredner Dr. Mock wirklich anschließen kann.

Wenn man in Amerika über Österreich spricht und die Leute fragt, was sie von Österreich wissen und kennen, dann fallen den meisten zwei Dinge ein: die Trapp-Family und "Sound of Music" und die Lipizzaner. Ein bißchen ist natürlich schon die Rolle der Kulturpolitik, meistens eher der Musik, insgesamt bekannt, aber viel mehr ist es meistens nicht. Aber man hat gesehen, daß es auch einem kleinen Land absolut gelingen kann, mit einem ausgezeichneten Projekt in New York und über New York hinausgehend ungemeine Publizität zu erlangen. Das Projekt ist wirklich ausgezeichnet.

Es ist ein großes, tatsächlich ein großartiges Ereignis, daß wir hier einstimmig, wie ich der Debatte entnehmen kann, dem Projekt zustimmen. Die grüne Fraktion gibt gerne ihre Stimme dafür; und wir freuen uns, daß dieses Projekt nach so vielen Diskussionen und doch vielen Verzögerungen jetzt endlich in Angriff genommen werden kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

14.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 26 der Beilagen. Hiezu haben die Abgeordneten Rauch-Kallat, Eder und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend den Eingang des Gesetzentwurfes eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des oberwähnten Abänderungsantrages in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.


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5. Sitzung / Seite 56

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch hier ist die einstimmige Annahme in dritter Lesung festzustellen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schöll und Genossen betreffend Begrenzung der Baukosten für die Errichtung des österreichischen Kulturinstituts in New York.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Damit ist der Punkt 3 der Tagesordnung beendet.

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (16 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird (27 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zum 4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (16 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird (27 der Beilagen).

Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. – Ich bitte sie, die Debatte zu eröffnen.

Berichterstatterin Rosemarie Bauer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird (16 der Beilagen).

Mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1994, BGBl. Nr. 1013, wurden die gesetzlichen beruflichen Vertretungen in die Rechnungshofkontrolle einbezogen und das Amt des Vizepräsidenten des Rechnungshofes abgeschafft. Dementsprechend soll das Rechnungshofgesetz 1948 angepaßt werden. Hinweise auf den Vizepräsidenten des Rechnungshofes wären zu beseitigen.

Der Verfassungsausschuß hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 26. Jänner 1996 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit angenommen.

Weiters traf der Ausschuß eine Ausschußfeststellung, die Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, dem schriftlich vorliegenden Bericht (27 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen) entnehmen können.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (16 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke Ihnen für die Berichterstattung. Wir beginnen nunmehr mit der Debatte.

Dafür wurde eine Redezeitbeschränkung von 10 Minuten pro Redner festgelegt, wobei einem Redner jedes Klubs eine Redezeit von 20 Minuten zur Verfügung steht. Pro Klub gelangen wiederum höchstens drei Redner zu Wort.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. – Redezeit: 20 Minuten.


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5. Sitzung / Seite 57

14.34

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Am letzten Freitag in der Sitzung des Verfassungsausschusses wurde ebenfalls eine einfachgesetzliche Regelung betreffend Änderung des Rechnungshofgesetzes 1948 verabschiedet. Es war das ein Nachfolgespiel für die verfassungsmäßigen Änderungen der letzten GP, wodurch einerseits die Rechnungshofvizepräsidenten abgeschafft wurden und auf der anderen Seite die Prüfungskompetenz des Rechnungshofes für die Kammern eingeführt wurde.

In der Sitzung des Verfassungsausschusses hat sich dann – ganz im Gegensatz zu dem, was zu erwarten war, nämlich eine einfache einfachgesetzliche Regelung über die Bühne zu bringen – eine heftige und sehr grundsätzliche Debatte über die gesamte Änderung des Rechnungshofgesetzes in der letzten GP, auch was den verfassungsmäßigen Bereich betrifft, als auch über die vorliegende Regierungsvorlage von seiten der Freiheitlichen gegenüber den anderen vier Fraktionen entwickelt.

Ich möchte hier in aller Kürze nochmals das zusammenfassen, was aus freiheitlicher Sicht zu diesem zwar nur eineinhalb Seiten starken Gesetzestext anzumerken ist:

Wir glauben im Gegensatz zu den Regierungsfraktionen, daß die österreichische Bundesverfassung nach der diesbezüglichen Verfassungsänderung der letzten GP keine Einschränkung der Berichtspflicht des Rechnungshofes, sondern eine Ausweitung der Berichtsmöglichkeiten des Rechnungshofes klar und deutlich vorsieht. Wir glauben, daß nicht nur der Artikel 127 B-VG Absatz 4, sondern auch die Artikel 121 und folgende in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sind und daß daher dieser vorliegende Gesetzestext der Regierungsvorlage insofern eine Einschränkung der Berichtspflicht des Rechnungshofes wäre, als die Prüfberichte des Rechnungshofes nur den geprüften Kammern und den Aufsichtsbehörden, nicht jedoch den Landtagen und auch dem Nationalrat übermittelt werden.

Es würde also kurioserweise so sein, daß etwa das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten oder das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz wohl den Rechnungshofbericht über Unzukömmlichkeiten im Bereiche der Kammern bekäme, aber der Nationalrat als das eigentliche entsendende Gremium – auch berufen für die Kontrolle der Verwaltung in diesem Staate – die entsprechenden Prüfberichte nicht übermittelt bekäme. Ich halte das für ein Unding, denn ich glaube, daß sehr wohl auch der Nationalrat daran interessiert sein muß, Unzukömmlichkeiten im Bereiche des Kammerstaates, noch dazu in einer Zeit, in der bei den Kammern die Pflichtmitgliedschaft und nicht die freiwillige Mitgliedschaft herrscht, aufgezeigt zu bekommen und auch diskutieren zu können. Das gilt sowohl für die Landtage, was die Landwirtschaftskammern betrifft, als auch für den Nationalrat, was die anderen Kammern betrifft, von der Notariatskammer über die Tierärztekammer, Rechtsanwaltskammer, Ärztekammer bis hin zur Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer.

Für uns Freiheitliche ist es unbefriedigend, daß es im Ermessen der geprüften Stelle – sprich: der Kammer – liegt, in welcher Form dieser Prüfbericht öffentlich gemacht wird. Wir wissen, daß Kammerberichte in einzelnen Punkten zwar öffentlich gemacht wurden, daß aber durch die stundenweise Auflage in den Kammerzentralen die Pflichtmitglieder – das ist natürlich besonders zum Nachteil für jene, die aus dem Umland kommen und anreisen müssen – nur kurze Zeit die Möglichkeit gehabt haben, in den Rechnungshofprüfbericht Einschau zu halten.

Ich halte das für ein doppeltes Unding, weil ja auch die Prüfung durch den Rechnungshof der öffentlichen Hand erhebliche Kosten verursacht – nicht nur die seitens des Rechnungshofes, sondern auch die Prüfung durch entsprechende, beigezogene Steuerberater oder wer sonst noch in die Prüfungen ex lege mit einbezogen ist.

Ich glaube daher, daß diese Regierungsvorlage aus der Sicht einer Oppositionspartei und, wie ich hoffe, auch aus der Sicht des gesamten Parlaments als ungenügend qualifiziert werden muß.


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Ich glaube darüber hinaus, daß diese Regierungsvorlage nicht verfassungskonform ist, weil sie eine Einschränkung in einer einfachgesetzlichen Regelung einer verfassungsmäßig verankerten Berichts- und Veröffentlichungspflicht des Rechnungshofes normiert, die meiner Ansicht nach und auch nach Ansicht meiner Fraktion unzulässig ist. Die Kollegen Präsident Brauneder und Klubobmann-Stellvertreter Mag. Stadler als profundere Juristen, als ich es bin, der zurzeit hier am Rednerpult steht, haben mit anderen im Ausschuß eine heftige Debatte um die Frage der Verfassungskonformität geführt. Es ist für mich das zweite Gesetz aus diesem Verfassungsausschuß, das wieder einen entscheidenden Mangel, nämlich den einer nicht einvernehmlichen Regelung für ein so wichtiges Organ, wie es der Rechnungshof als Kontrollorgan des Parlaments darstellt, inkludiert.

Daß darüber hinaus auch noch der § 20a Absatz 1 nur auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften und ferner auf die Sparsamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Prüfung abzielt und nicht auch das Argument der Zweckmäßigkeit beinhaltet, wurde von uns Freiheitlichen schon bei der verfassungsgesetzlichen Novelle in der vorangegangenen Gesetzgebungsperiode moniert, und es ist dieser Mangel auch jetzt wieder aus unserer Sicht feststellbar.

Wir haben daher für den heutigen Tag einen Antrag der Abgeordneten Apfelbeck und Kollegen vorbereitet, der die verfassungsmäßige Verankerung des Rechnungshofvizepräsidenten verlangt, und zwar soll der Rechnungshofvizepräsident auf Vorschlag des Bundesrates und der Rechnungshofpräsident auf Vorschlag des Nationalrates bestellt werden. Ich darf auch begründen, wie wir zu dieser Auffassung kommen.

Einerseits ist der Rechnungshof Organ des Nationalrates, andererseits Organ der Landtage. Es wäre daher aus unserer Sicht nur recht und billig, wenn dieses monokratische Organ des Rechnungshofes an der Spitze nicht nur einen einzigen Präsidenten hätte, der darüber entscheidet, in welcher Form und in welcher Reihenfolge welche Bundes- oder Landesdienststellen geprüft werden, sondern es sollte das alte Vieraugenprinzip, nämlich Rechnungshofpräsident und -vizepräsident, das sich aus unserer Sicht bewährt hat, wieder eingeführt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Kostenargument, das in diesem Zusammenhang ins Treffen geführt worden ist, kann im Verhältnis zu dem, was der Rechnungshof an Einsparungspotentialen aufgrund einer ordnungsgemäßen und ausgewogenen Prüfung aller Bereiche der Verwaltung in den letzten Jahren erzielt hat, nicht aufrechterhalten werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hoffen, daß unser Antrag betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 im Verfassungsausschuß und auch im Plenum eine Mehrheit finden wird. Wir meinen, daß, wenn man die Praxis der letzten zwei Jahre betrachtet, nämlich dahin gehend, welche Prüfungen erfolgt sind, in welchen Bereichen Prüfungen schwerpunktmäßig, routinemäßig erfolgt sind, ein unbefriedigender Zustand im Parlament feststellbar ist.

Ich darf Ihnen auszugsweise, ohne auf Vollständigkeit Wert zu legen, einiges ins Gedächtnis rufen. Im Ausschuß fertig behandelt, aber nicht im Plenum waren etwa: der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Pyhrn Autobahn AG, XVIII. GP, der Sonderbericht des Rechnungshofes über die Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft, XVIII. GP, der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Austria Metall AG, XVIII. GP, der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die österreichische Weinmarketingservice GesmbH, XVIII. GP.

All das wurde dann in den Sommermonaten nachgeholt, weil es im Rahmen der ordentlichen Tagung nicht mehr möglich war.

Der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über einige Energieversorgungsunternehmen in der XIX. GP wurde nicht im Plenum behandelt, auch nicht der Tätigkeitsbericht des


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Rechnungshofes – Verwaltungsjahr 1993, XIX. GP, und der Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes – Verwaltungsjahr 1993 der XIX. GP.

Im Ausschuß behandelt und nicht abgeschlossen – nicht im Plenum – wurde der Sonderbericht des Rechnungshofes über das Beschaffungswesen im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung – Erster Teilbericht, XIX. GP.

Weder im Ausschuß noch im Plenum waren der Bericht des Rechnungshofes über das Ergebnis seiner Erhebungen betreffend die durchschnittlichen Einkommen sowie die zusätzlichen Leistungen für Pensionen bei Unternehmungen und Einrichtungen im Bereich der öffentlichen Wirtschaft des Bundes in den Jahren 1991 und 1992, XVIII. GP, der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Bank für Tirol und Vorarlberg, die Bank für Kärnten und Steiermark, die Post- und Telegraphendirektion Linz und das Fernmeldebüro Linz, XIX. GP, der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Museumsquartier-Errichtungs- und BetriebsgesmbH, XIX. GP, der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über den Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds und das Allgemeine Krankenhaus Wien, XIX. GP, der Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes – Verwaltungsjahr 1994, XIX. GP, sowie der Bericht des Rechnungshofes über das Ergebnis seiner Erhebungen betreffend die durchschnittlichen Einkommen sowie die zusätzlichen Leistungen für Pensionen bei Unternehmungen und Einrichtungen im Bereich der öffentlichen Wirtschaft des Bundes in den Jahren 1993 und 1994, XIX. GP.

Eine Reihe von dem Parlament übermittelten Kontrollberichten des Rechnungshofes wurde also nur teilweise oder überhaupt nicht behandelt. Ich halte das für einen Zustand, den das Parlament im Zusammenhang mit dem Rechnungshof nicht mehr länger dulden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, daß das Parlament gut beraten wäre, wenn es seine Funktion als Kontrollorgan der Verwaltung in diesem Staate nicht nur rudimentär wahrnähme, wenn sich alle Fraktionen endlich auf einen fixen Termin pro Woche oder alle 14 Tage einigten, zu dem Sitzungen des Rechnungshofausschusses stattfinden und Rechnungshofberichte einer entsprechenden Behandlung zugeführt werden sollten.

Denn eines muß uns klar sein: Der Rechnungshof, seine Berichte und die Berichterstattung darüber verursachen Kosten in Höhe von mehreren hundert Millionen Schilling. Die Nichtberücksichtigung dieser Berichte und somit der Argumente des Rechnungshofes infolge der Nichterledigung der Berichte hier im Parlament – somit werden diese der Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis gebracht – verursacht Schaden, nämlich dadurch, daß die kontrollierten Stellen nicht oder nur zögernd bereit sind, der Kritik zu entsprechen und Verbesserungen in der Verwaltung und in ihrem Management vorzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube daher, daß das österreichische Parlament gut beraten wäre, sich in Zukunft mehr dem Termin-Handling, dem Ablauf der Berichte des Rechnungshofes und deren Behandlung hier im Parlament zu widmen, um nicht auch als Parlament irgendwann einmal den Vorwurf zu hören zu bekommen, ein zahnloses Organ der Kontrolle zu sein und nur Kosten zu verursachen, ein Argument, das heute schon öfters in Tageszeitungen zu lesen ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringen nunmehr den Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Apfelbeck und Kollegen zur Regierungsvorlage 16  Blg. NR, XX. GP, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage wird wie folgt geändert:


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1. Ziffer 1 wird wie folgt geändert:

§ 20a Abs. 1 lautet:

Der Rechnungshof ist befugt, unbeschadet der gesetzlichen Aufsicht und der dem Rechnungshof gemäß den § 13 Abs. 1 und 3, § 15 Abs. 3 und § 18 Abs. 3 zukommenden Befugnisse, die Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, ferner auf die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Diese Überprüfung umfaßt jedoch nicht die für die Gebarung in Wahrnehmung der Aufgaben als Interessenvertretung maßgeblichen Beschlüsse der zuständigen Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen.

§ 20 Abs. 4 lautet:

Der Rechnungshof hat das Ergebnis seiner Überprüfung gleichzeitig dem Vorsitzenden des satzungsgebenden Organs (Vertretungskörper) der gesetzlichen beruflichen Vertretung, dem Nationalrat beziehungsweise dem Landtag, als dessen Organ er tätig geworden ist, und der zur obersten Aufsicht über die gesetzliche berufliche Vertretung zuständigen Behörde bekanntzugeben. Der Vorsitzende des satzungsgebenden Organs (Vertretungskörpers) hat die Veröffentlichung des Berichtes des Rechnungshofes zu veranlassen.

2. Ziffer 3 entfällt.

*****

Wir glauben, damit die größten Makel, die die Regierungsvorlage 16 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates in der vorliegenden Form hat, behoben zu haben, und ersuchen die Damen und Herren von den anderen Fraktionen um Unterstützung unseres Abänderungsantrages. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Der von Ihnen eben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Ich muß Sie allerdings auf folgendes aufmerksam machen: Dem Präsidium haben Sie einen Abänderungsantrag überreicht, der im Gesetzestext jene Formulierungen enthält, die Sie vorgetragen haben, allerdings ist die Begründung offensichtlich für eine Verfassungsnovelle hier angefügt worden, die nicht vorliegt. Bitte, vielleicht kann das ein Redner Ihrer Fraktion dann klären.

Als nächster ist Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 20 Minuten.

14.49

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der einzige Punkt, in dem ich meinem Vorredner, Herrn Mag. Haupt, recht geben möchte, ist seine Feststellung, daß eine Debatte im Verfassungsausschuß stattgefunden hat. Das ist tatsächlich so gewesen. Die Ursache dafür – das ist sehr leicht zu durchschauen – waren allerdings die wiederholten, antiquierten und längst langweilig gewordenen Angriffe auf die beruflichen Interessenvertretungen durch die FPÖ. Sowohl von der Zeit als auch vom Inhalt her sind sie komplett daneben. Auch bei dem Antrag, der soeben vorgelegt wurde, sieht man, wie bruchstückhaft die Vorgangsweise der FPÖ in dieser Frage ist. (Abg. Mag.  Stadler: Wir haben juristisch dem überhaupt nichts gegenzusetzen gehabt!) Kollege Stadler! Ich freue mich, daß Sie sich schon von Ihrem gestrigen Zwischenrufdebakel erholt haben. Es haben sich ja nicht nur 100 000 Fernsehzuschauer amüsiert, sondern auch wir alle hier. Wenn Sie da weitere Beiträge liefern, freuen wir uns sehr darüber. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Davon brauche ich mich nicht zu erholen!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die grundsätzliche Diskussion ist ja längst geführt, es geht heute um den Beschluß eines Bundesgesetzes. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler .) Herr Kollege Stadler! Ich komme zu den inhaltlichen Argumenten und zu den kritischen Punkten. Es geht eigentlich um eine Anpassung. Es wird immer so getan, als ginge es um eine völlig neue Materie.

Artikel 127b Bundesverfassung normiert eine Befugnis des Rechnungshofes, die Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen unter bestimmten Bedingungen mit bestimmten Einschränkungen zu überprüfen. Und es findet sich in dieser Vorlage auch eine Umsetzung des Artikels 124, nämlich daß die Vertretung des Rechnungshofpräsidenten durch den rangältesten Beamten erfolgt.

De facto, meine Damen und Herren, geht es um eine weitere Kontrolle der Interessenvertretungen, gewissermaßen um eine Ergänzung. Es wird immer wieder versucht, den Eindruck zu erwecken, speziell im Zusammenhang mit der Arbeiterkammer, daß da irgendwelche Schandtaten in finsteren Hinterzimmern verübt werden.

Ich bleibe beim Beispiel der Arbeiterkammer. Das Arbeiterkammergesetz 1992 beinhaltet ein umfassendes Kontrollsystem. Es müssen etwa Jahresvoranschläge vorgelegt werden, die öffentlich verhandelt werden, natürlich nach den Grundsätzen der Einheit, Vollständigkeit und Klarheit. Es müssen ein Rechnungsabschluß, eine Vermögensbilanz und eine Ertragsrechnung vorgelegt werden. Es gibt einen Kontrollausschuß. In allen Arbeiterkammern sind alle Fraktionen mit mindestens einem Mitglied vertreten. Das Aufsichtsrecht des Bundesministers für Arbeit und Soziales ist gegeben. Beeidete Wirtschaftsprüfer sind bestellt, überprüfen den Rechnungsabschluß, legen das Ergebnis der Vollversammlung vor und so weiter und so weiter.

Aber zur Zweckmäßigkeitsprüfung. Meine Damen und Herren! Wenn man das Institut der Selbstverwaltung respektiert – und es ist ein bewährtes System, es ist erfolgreich; nach wie vor wird Österreich um Selbstverwaltung und Sozialpartnerschaft beneidet –, wenn man also die Sozialpartnerschaft bejaht, wie das übrigens auch die überwiegende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher tut, dann müssen die Kammern die Verantwortung für die Zweckmäßigkeit ihrer Beschlüsse selbst tragen, diese Verantwortung selbst wahrnehmen. Und es ist natürlich, logisch und konsequent, daß das auch für den Rechnungshof Gültigkeit hat. Es ist eben ein Unterschied, ob der Rechnungshof etwa das Beschaffungswesen des Bundesheeres oder Straßenbausondergesellschaften durchleuchtet oder eine Selbstverwaltungskörperschaft prüft. Autonomie ist in diesem Falle das Schlüsselwort.

Kollege Voggenhuber etwa macht es sich nicht leicht mit Verfassungsfragen. Er hat auch im Ausschuß festgestellt, daß Selbstverwaltungsrechte zu achten sind, auf der anderen Seite öffentliche Kontrolle notwendig ist und die Vorlage einen tauglichen Kompromiß darstellt.

Auch Kollege Frischenschlager agiert nicht leichtfertig in Verfassungsfragen. Auch er sagt, er respektiert den Anspruch auf Selbstverwaltung.

Wir werden also mit großer Mehrheit heute hier dieses Gesetz beschließen. Übrig bleiben wird eigentlich nur die FPÖ. Nur die FPÖ glaubt, unverdrossen den Kampf gegen Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinteressen, gegen Kammern, gegen gesetzliche Interessenvertretungen fortsetzen zu müssen. Das Konzept der FPÖ ist falsch – das wird Gott sei Dank schon erkannt –, wenn sie sich einerseits als Vertreterin des kleinen Mannes aufspielt, aber gleichzeitig die Arbeitnehmervertretung, die Vertretung des kleinen Mannes angreift. Einerseits gibt es volle Information der FPÖ-Funktionäre in den Kontrollgremien der Kammern, andererseits tut sie so, als würden dunkle Mächte irgend etwas hinter verschlossenen Türen ausmachen. – Das ist charakteristisch für die Doppelbödigkeit der FPÖ, was der Wähler auch erkannt hat. Die Rechnung dafür haben Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, am 17. Dezember vom Wähler präsentiert bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen, gerade weil ich aus der Steiermark komme, wo das Thema Arbeiterkammer ja durchaus sensibel ist: Die Bemühungen sind dort registriert, anerkannt worden, die Kritik richtet sich nicht gegen Funktionäre von Kammern. Das letzte Jahr war geprägt von einer anderen Kritik, nämlich von Kritik an ganz anderen Privilegienrittern. Ich erspare Ihnen heute auch nicht


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die Erwähnung von Herrn Götz, der ein Monatseinkommen in Höhe von 250 000 S bezieht und einen Prozeß gegen den Steuerzahler führt, um weitere 57 000 S zu bekommen. Was war das Ergebnis? – SPÖ plus 3,3 Prozent, FPÖ minus 2,1 Prozent.

Meine Damen und Herren! Noch einige Bemerkungen zur Öffentlichkeit und Veröffentlichung der Berichte. Die Berichte werden dem Gesetz entsprechend vom Vorsitz der entsprechenden beruflichen Interessenvereinigung veröffentlicht. Dieser Mechanismus ist für mich eine weitere Konzession an das Institut der Selbstverwaltung, gewissermaßen auch ein Äquivalent zur Bereitschaft, sich durch den Rechnungshof prüfen zu lassen, eine Bereitschaft, die übrigens immer gegeben war. Aber in diesem Zusammenhang, Herr Kollege Haupt, ist die Aufregung unangebracht. Öffentlichkeit ist Öffentlichkeit, veröffentlichen ist veröffentlichen. Die Berichte werden vollständig jedermann öffentlich zugänglich sein.

Übrigens: Wer hindert eigentlich die FPÖ-Leute in den Kontrollausschüssen – physisch sind sie ja anwesend –, die Öffentlichkeit zu informieren? Die Krokodilstränen in diesem Zusammenhang bitte ich also zu trocknen.

Ein Letztes. Ein Vizepräsident des Rechnungshofes kostet ungefähr 5 Millionen Schilling pro Jahr. Die jetzige Volksanwältin Korosec hat sehr engagiert immer darauf hingewiesen, daß diese Kosten in keinem Verhältnis stehen. Wenn man einen Blick in die Regierungsvorlage wirft, dann sieht man, daß die Kosten dieses Gesetzes mit rund 10,5 Millionen Schilling für Personalaufwand und rund 2,2 Millionen Schilling für Sachaufwand jährlich ausgewiesen sind. Wenn man das jetzt gegenrechnet, dann muß ich sagen, die Hälfte haben wir ja schon fast herinnen mit der Einsparung des Vizepräsidenten, also ich verstehe den Antrag der FPÖ überhaupt nicht.

Wenn man allerdings ein bißchen mehr Kenntnis von dieser Sache hat und ein bißchen den Hintergrund ausleuchtet, dann versteht man das eigentlich schon. Es ist ein politisches Geschäft, das Sie vorhaben. Ihnen geht es in diesem Fall wie auch in anderen um Postenschacher, den Sie da wittern. Das ist das Motiv. Sie sind also auch in diesem Punkt entlarvt.

Ich hoffe, daß die Zweifel, die Präsident Fiedler im Zusammenhang mit der neuen Regelung hatte, im Zusammenhang mit seiner neuen Befugnis zerstreut wurden. Die Klärung der Rechtslage erfolgt eindeutig. Auch in den Ausschußfeststellungen ist noch einmal festgehalten – und ich zitiere einen Satz –: Dagegen ist die Frage, ob eine vom zuständigen Organ beschlossene interessenpolitische Maßnahme als solche sparsam oder wirtschaftlich ist, nicht Gegenstand der Rechnungshofkontrolle.

Meine Damen und Herren! Ich bewerte die heute abgeschlossene gesetzliche Voraussetzung der Rechnungshofprüfung der Kammern insgesamt als sehr positiv. Es ist eine weitere Stärkung der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen. Das ist gut für das Land, gut für die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)

14.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Neugebauer. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

14.58

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz nun geändert werden soll, ist, wie von meinen Vorrednern ausgeführt, die Folge der Änderung der Bundesverfassung, die im Hohen Haus im Jahre 1994 behandelt wurde.

Ich denke, daß die Diskussion im Verfassungsausschuß vor wenigen Tagen auch die grundsätzliche Positionierung der Kollegen der Freiheitlichen Partei dargestellt hat, nämlich daß sie an sich das Kammersystem in Österreich permanent und vom Grundsatz her hinterfragen. Ich glaube, daß auch die im Abänderungsantrag des Herrn Mag. Haupt zutage gekommenen Akzente an diesem Grundsatz sehr wesentlich rühren. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)


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Lassen Sie mich daher in einigen wenigen Sätzen zu unserer Auffassung von Kammer, von Mitwirkung von gesellschaftlich relevanten Gruppen in unserem Staate an der politischen Willensbildung etwas sagen. Wenn es richtig ist, daß nach Artikel 1 der Bundesverfassung vom Staatsvolk alles Recht ausgeht, dann ist sicher nicht bloß die Summe der Individuen gemeint, sondern dieses Staatsvolk ist ein mehrfach gegliedertes und insbesondere auch nach Interessen gegliedertes Volk. Das anerkennt die Verfassung, wenn sie ermöglicht, daß in verschiedener Weise örtlich und durch gemeinsame Interessen abgegrenzte Gemeinschaften zu Selbstverwaltungskörpern zusammengefaßt werden.

Man muß sich in der gesamten grundsätzlichen Debatte die Unterschiedlichkeit dieser Interessenvertretungen etwa gegenüber Privaten vor Augen halten: Private Verbände sind eine freie Schöpfung der Bürger, Selbstverwaltungskörper sind eine Schöpfung des Staates. Private Verbände beruhen auf Vereinsfreiheit, Selbstverwaltungskörper beruhen auf der Organisationsgewalt des Staates. Bürger können ihre Interessen in voller Freiheit kollektivieren, der Staat hat nur öffentliche Interessen zu verfolgen und kann daher den Selbstverwaltungskörpern nur die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben übertragen. Im Gegensatz zu den privaten Verbänden tragen Selbstverwaltungskörper bei Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgaben Gemeinwohlverantwortung – das ist ein außerordentlich hoher Anspruch. Mein Vorredner hat darauf hingewiesen, was in den letzten Novellen an Aufgaben und an Kontrollmechanismen in den Kammern eingerichtet worden ist. Daß es – es sei mir gestattet, das zu sagen – einer "Zachariade" bedurfte, um diesen Anstoß zu geben, ist nicht gerade ein besonderes Ruhmesblatt.

Zur Frage der Berichtspflicht an Nationalrat und Landtage und zur Frage der Veröffentlichung möchte ich das unterstreichen, was gerade Selbstverwaltung immanent ist: die autonome Beschlußgestaltung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der besondere Unterschied ist ja gerade, daß Selbstverwaltung vom Staat aus einer bestimmten Gruppe zur Besorgung, zur eigenverantwortlichen Besorgung ihrer Anliegen übertragen ist und lediglich eine nachprüfende Aufsicht durch den zuständigen Bundesminister installiert ist.

Daß die Kammern gerade bei den stattgefundenen Befragungen ein hohes Maß an Zustimmung erreichen konnten, freut mich außerordentlich. Das ist in Bereichen der Landwirtschaftskammern so gewesen, bei einzelnen Kammern der freien Berufe, bei Wirtschaftskammern – Zustimmungen von um die 80 Prozent! Erst vergangene Woche haben wieder zwei Kammern, nämlich die Bauernkammer in Tirol mit einer 60prozentigen Beteiligung und einer 97,9prozentigen Zustimmung und die Landarbeiterkammer in Tirol mit 72 Prozent Beteiligung und einer 98,7prozentigen Zustimmung, ihr Ja zu dieser Konstruktion gesagt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wahr ist, daß das Kammersystem in Europa zurzeit in wenigen Ländern ausgeprägt ist – neben Österreich in Luxemburg, im Saarland und in Bremen. Und wenn ich nicht etwas anderes zu tun hätte – das kann ich Ihnen versichern –, könnte ich als Handlungsreisender, als Werbender in Fragen Kammersystem in anderen Ländern viel Geld verdienen. Wir sind im Augenblick sehr gefragt in Westeuropa, denn man möchte wissen, wie wir denn das mit diesem Pfeiler der Sozialpartnerschaft, einem Kammersystem machen, daß wir auf diese Art und Weise die politische Willensbildung der gesellschaftlichen Gruppen bewerkstelligen können.

Ich kann dem Abänderungsantrag des Herrn Mag. Haupt nichts abgewinnen, da er meines Erachtens das Prinzip der Konzentration des Staates fördert. Unser Prinzip der Mitwirkung ist das Prinzip der Subsidiarität. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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15.04

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte. Redezeit: 10 Minuten.

15.04

Abgeordneter Mag. Johann-Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist schon interessant: Jedesmal wenn wir über Kontrolle bei den Kammern reden, kommen die Kämmerer hier heraus (Abg. Dr. Leiner: Wau, wau!) – aber auch bei jeder anderen Gelegenheit, bei der sie dann gestellt werden –, fühlen sich sofort ertappt und glauben, man hätte die Kammer schon grundsätzlich in Frage gestellt, und es kommt dann eine Menge an Argumenten dafür, daß die Kammern zu Recht existieren, und es wird gesagt, welche großartigen Leistungen sie erbringen und welche Daseinsberechtigung sie haben. Es hat ja bei dieser Debatte – bis heute jedenfalls – im Zusammenhang mit der Ausweitung der Kontrolle über die Kammern niemand je die Existenz der Kammern in Frage gestellt. Ich weiß nicht, welch schlechtes Gewissen die Debattenredner von Rot und Schwarz plagt, wenn sie herauskommen und glauben, sofort die Daseinsberechtigung der Kammern grundsätzlich argumentieren zu müssen.

Kollege Neugebauer hat überhaupt den Vogel abgeschossen. Er wollte uns tatsächlich weismachen, daß wir ahnungslosen Freiheitlichen nicht begreifen wollen, daß alle Welt sich darum reißt, ein Kammersystem mit Zwangsmitgliedschaft zu bekommen, wie es Österreich hat. Er könnte viel Geld verdienen, hat er gemeint, wenn er europaweit über dieses Zwangskammernsystem referieren würde. (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Die anderen Europäer haben es von sich aus noch nicht begriffen, wie man eine Kammer schafft, und Kollege Neugebauer ist "bescheiden" genug, kein Geld damit verdienen zu wollen, den Europäern das Zwangskammernsystem Österreichs mit der Zweiteilung der Macht in Rot und Schwarz näherzubringen. In dieser "Bescheidenheit" beschränkt er sich darauf, uns im Hohen Haus glauben machen zu wollen, wie sich Europa um unser System reißt.

Meine Damen und Herren! Wenn Europa unser System übernehmen wollte, hätte es dies längst getan. Aber derzeit machen wir uns auf europäischer Ebene lächerlich, Herr Kollege Neugebauer. Wir sind der Treppenwitz in Brüssel mit dem Zwangskammernsystem, mit dem rot-schwarzen Proporz. Und Sie stellen das hier so dar, als wolle es Europa übernehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind offensichtlich nicht Manns genug zu erkennen, daß Sie mit Ihrem "Kämmerer"-System Österreich in Brüssel derzeit lächerlich machen. Meine Damen und Herren! Diesen Proporz, den Sie hier verteidigt haben, will in Wirklichkeit niemand in Europa. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Sie, Herr Kollege Neugebauer, sind der einzige, der noch glaubt, Europa damit beglücken zu müssen.

Meine Damen und Herren! Weiters – und da wird es besonders skurril – kommt Kollege Kräuter – Kräuter, glaube ich, heißt er; nomen est omen – heraus und argumentiert die Debatte des Verfassungsausschusses, weil er ... (Abg. Schwemlein: "Tiefgang" wie eine Daunenfeder!) Ja, das ist Schwemlein. Ich habe nicht die "Schwämmlein", ich habe die "Kräuter" gemeint. Kollege Kräuter argumentiert also die Debatte des Verfassungsausschusses und beweist durch seine Darlegungen lediglich, daß er ein intellektuelles Problem hatte, dieser Debatte im Verfassungsausschuß zu folgen und sie letztlich im Ergebnis zu begreifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Kräuter! Wenn Sie angesichts dieser Debatte sagen, die Freiheitlichen würden gegen die Arbeitnehmerinteressen kämpfen und wären deswegen für die Ausweitung der Kontrolle des Rechnungshofes, daran sehe man wieder, wie die Freiheitlichen gegen den "kleinen" Mann, gegen den Arbeitnehmer seien, dann haben Sie offensichtlich eindimensional die Kammern der Arbeitnehmer vor Augen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. ) Eine andere Kammer glauben Sie von diesem Gesetz nicht erfaßt zu sehen.

Sie haben vergessen, daß die Rechtsanwaltskammer, die Apothekerkammer – darin sitzen wahrscheinlich alle "kleinen" Leute der Sozialdemokraten –, die Wirtschaftskammern, die Landwirtschaftskammern – glauben Sie mir, darin haben Sie fast gar nichts mitzureden, darin reden nur die Schwarzen –, die Kammern der sonstigen freien Berufe, der Notare et cetera, daß alle diese Kammern von dieser Regelung erfaßt sind, nicht nur die Arbeiterkammern.

Meine Damen und Herren! Diese Kammern vertreten in aller Regel nicht den "kleinen" Arbeitnehmer, der derzeit um seinen Arbeitsplatz bangen muß, weil ihn eine sozialistische


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5. Sitzung / Seite 65

Mißwirtschaft in eine Krise bringt, oder den "Konsum"-Mitarbeiter, der durch Kündigung bedroht war und sich daher um Hilfe und Rat an seine Kammer gewandt hat und von dieser mehr verkauft als vertreten wurde.

Meine Damen und Herren! In Wirklichkeit sieht diese Regelung vor, daß alle Kammern, alle berufsständischen Vertretungen, die gesetzlich eingerichtet sind, von der Kontrolle betroffen sein sollen. Daher kann man uns nicht unterstellen, wir hätten einseitig nur eine Schwächung der Arbeitnehmerinteressen im Auge. – Das sei Kollegen Kräuter in sein Stammbuch geschrieben.

Meine Damen und Herren! Die Mehrheit der Österreicher will von diesen Kammern offensichtlich nichts wissen. Denn die Mehrheit der zwangsbeglückten Österreicher – und das war Ihre nächste Falschbehauptung ... (Abg. Schwarzenberger: Unsere Urwahlen sagen etwas anderes!) Ihre Kammer sei ausgenommen, Sie haben Ihre Mitglieder wirklich fest im Griff. Sie haben auch ein Abhängigkeitsverhältnis, das seinesgleichen sucht. Das sei Ihnen zugestanden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) So abhängig, wie die Bauern von ihrer Kammer sind, ist keine andere Berufsgruppe von ihrer Kammer. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Das ist richtig. Da haben Sie vollkommen recht. (Abg. Schwarzenberger: Sie wissen, daß sich die Kammer für sie einsetzt!) Aber ich spreche von jenen Kammern, bei denen kein Ersatzleibeigenschaftsverhältnis besteht, wie das bei den Landwirtschaftskammern der Fall ist. (Abg. Schwarzenberger: 98 Prozent in Tirol für die Pflichtmitgliedschaft!)

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Die Mehrheit der Österreicher nimmt an Wahlgängen zu Ihrer ach so "glorreichen" Interessenvertretung regelmäßig gar nicht teil. Und ein großer Teil davon – ich wage nicht zu behaupten, daß das die Mehrheit ist – würde bei den Zuständen, die zum Teil in Kammern herrschen, gerne von seinem Recht Gebrauch machen, aus der Kammer austreten zu dürfen, aber Sie verweigern das. (Abg. Dr. Puttinger: Sie hätten sie ja abschaffen können! Sie sind ja gar nicht hingegangen!)

Herr Präsident Puttinger, der ein besonders inniger, gläubiger Kämmerer ist, meine Damen und Herren, beglückt derzeit die Bevölkerung und seine Zwangsmitglieder mit der Frage, ob sie für den Weiterbestand der Kammern seien oder nicht. In Wirklichkeit fragt er die Leute, ob sie für die Zwangsmitgliedschaft sind oder nicht. Aber der gläubige Herr Präsident Puttinger hat gar nicht den Mut (Abg. Dr. Puttinger: Ihr habt keine Leute hingebracht!), seine Mitglieder zu fragen, ob sie für oder gegen die Zwangsmitgliedschaft sind, denn sonst würde er eine ehrliche Antwort bekommen. (Abg. Dr. Puttinger: Sie haben nicht einmal Ihre Freiheitlichen hingebracht!) Sie könnten sich dann mit Ihrer Zwangsmitgliedschaft brausen gehen, meine Damen und Herren! – So schaut es in Wirklichkeit aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Regelung, meine Damen und Herren, die im Artikel 127b unserer Bundesverfassung – das sei jetzt noch einmal extra für Herrn Kräuter ausgeführt – vorgesehen ist, sieht eine Erweiterung der Prüfungskompetenzen und auch eine Erweiterung der Zuständigkeit des Rechnungshofes vor beziehungsweise der Möglichkeiten, jemand anderen über das Ergebnis seiner Gebarungsprüfung informieren zu dürfen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. ) Das wäre ja noch schöner.

Aber, meine Damen und Herren, es ist ja nicht zulässig, daß das Organ des Parlamentes, des Nationalrates Rechnungshof beziehungsweise das Organ des zuständigen Landtages Rechnungshof – als solches wird er nämlich nach unserer Verfassungslage tätig – ausgerechnet den Nationalrat beziehungsweise den Landtag über seine Prüfungstätigkeit informiert. Nein, das darf nicht sein, meine Damen und Herren! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das ist ja unglaublich!) Aber in diesem so "liberalen", "offenen" System der Zwangskammern in Österreich werden die Berichte in den Kammern aufgelegt, und wehe jenem Mitglied der Bauernkammer, das sich das nächste Mal um eine Förderung anstellt und sagt: Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch euren Prüfbericht sehen! Ich schaue mir an, wie es dem in Zukunft geht, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )


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Das ist das "offene", "liberale" System der Zwangskammern, um das uns angeblich ganz Europa beneidet, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Angeblich möchte ganz Europa nichts anderes als solch ein Zwangskammernsystem mit beschränkter Öffentlichkeit und noch manch anderen Beschränkungen, meine Damen und Herren!

Zur Abschaffung der Funktion des Vizepräsidenten – und das sei jetzt in Ihre Richtung gesagt (der Redner wendet sich an die ÖVP) –: Sie wissen ganz genau, welchen politischen Hintergrund die Abschaffung der Funktion des Vizepräsidenten hat. (Ruf bei der ÖVP: Sparmaßnahme!) Das ist ein Racheakt Ihres Koalitionspartners. Ihr Präsident Fiedler wäre ja nach dieser Regelung gar nie Präsident geworden. In Zukunft soll es ja auch nicht mehr möglich sein, daß ein Vizepräsident aus dem schwarzen Kontingent zum Präsidenten aufsteigen kann. Das soll es nicht noch einmal geben. Das ist der Hintergrund für die Abschaffung der Funktion des Vizepräsidenten, meine Damen und Herren! Und Sie spielen dabei jetzt noch willfährig mit und glauben, damit auch in Zukunft die Sozialisten daran hindern zu können, ihren Zugriff auf die Kontrollinstanz dieser Republik tätigen zu können. Sie spielen dabei mit! Jammern Sie bloß in Zukunft nicht, wenn die Sozialisten dieses Kontrollinstrument auch noch unter ihre Kontrolle gebracht haben!

Hohes Haus! Es ist daher diese Regierungsvorlage aus grundsätzlichen Überlegungen zu hinterfragen und unser Antrag zu unterstützen, wenn man es mit dem Parlamentarismus und der Kontrolle in unserer Republik ernst meint. Deswegen ersuchen wir Sie höflich um Zustimmung zu unserem Antrag. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.14

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes, der sich auf der Zuschauertribüne befindet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. – Bitte schön.

15.14

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Die heutige einfachgesetzliche Rechnungshofgesetz-Novelle macht die Debatte insofern nicht leicht, als wir, wie wir soeben vom Vorredner gehört haben und wie Sie jetzt gerade im Plenum bemerken ... (Anhaltende Gespräche zwischen Abgeordneten der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Ich bitte, zu akzeptieren, daß Herr Abgeordneter Frischenschlager am Wort ist.

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (fortsetzend): Das ist eigentlich wahr, aber sie können sich ruhig weiter unterhalten.

Es ist das eigentlich eine Grundsatzdebatte, die wir schon einmal abgeführt haben – und dorthin hat sie auch gehört –, nämlich als wir seinerzeit die Verfassung in diesem Punkt geändert haben. Aber man kann diese Debatte gerne weiterführen.

Ich möchte Kollegen Kräuter folgendes sagen, weil hier ein krasses Mißverständnis besteht: Ausgehend von der Verfassungslage kann man dann, wenn man auf dem Boden der Selbstverwaltung und der Autonomie der Kammern steht – weil das Verfassungsgrundlinie ist –, auch wenn man das System der Kammern und der Sozialpartnerschaft verfassungspolitisch als falsch betrachtet, diese Rechnungshofgesetz-Novelle gutheißen. Das bedeutet nicht, daß wir den Kammerstaat beziehungsweise die Sozialpartnerschaftsauswüchse damit gutheißen. – Dieses Mißverständnis wollte ich ausgeräumt haben.

Wir haben also heute im wesentlichen den einfachgesetzlichen Vollzug der seinerzeitigen Verfassungsnovelle zu beschließen. Man kann jetzt durchaus zum Beispiel über die Frage der Organisation der Rechnungshofspitze debattieren, man kann sagen, es wäre vielleicht


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sinnvoller, eine kollegiale Form zu führen – all diese Debatten können stattfinden; wir haben sie geführt –, aber wenn man nun einmal von dieser Verfassungslage ausgeht, dann ist es eigentlich sinnlos, beim einfachen Gesetz dagegen zu sein, wenn die Verfassung so beschlossen ist. Das ist ein Punkt.

Nun zur Frage der Kammern und ihrer Rechnungshofkontrolle. Ich glaube, daß der Ausschluß der Zweckmäßigkeit – wenn man von der Autonomie ausgeht – gerechtfertigt ist, und deswegen haben wir diesem Punkt auch zugestimmt.

Hinsichtlich der Berichterstattung möchte ich festhalten: Ich meine nicht, daß es notwendig ist, daß das Parlament alle Prüfberichte der verschiedenen Bereiche der Kammern zu behandeln hat. Entscheidend ist, daß der Bericht veröffentlicht wird, daß er der öffentlichen Kritik ausgesetzt ist, natürlich auch in den entsprechenden Organen der Kammern.

Aber noch einmal – und ich glaube, das ist wesentlich –: Selbstverständlich sind wir der Auffassung, daß es einer offenen, politisch freien Gesellschaft entsprechender ist, wenn Interessenvertretungen sich freiwillig und nicht über gesetzliche Pflichtmitgliedschaft organisieren.

Ich möchte dem Kollegen Neugebauer, da er sich so sehr auf die jetzt ablaufenden kammerinternen Referenden beruft, sagen: Die Frage der Kammern und des Kammerstaates ist nicht zu Unrecht immer wieder als ein Element unseres Verfassungssystems beschrieben worden. Das steht meines Erachtens nicht zur Disposition der durch ein Gesetz in einer Kammer zusammengefaßten Berufs- und Interessengruppen.

Wenn man wirklich direktdemokratisch an dieses Problem heranginge, müßte die gesamte Bevölkerung darüber abstimmen, ob sie dieses Kammernsystem, diese Form der Interessenorganisation gutheißt oder nicht. Das wäre der korrekte Vorgang und nicht diese Abstimmungen über die Kammern, zu denen ich schon sagen muß: Es ist das Ergebnis keine große Kunst, wenn ich bei Pflichtmitgliedsbeiträgen, eingehoben von Pflichtmitgliedern, bei entsprechenden Kammerapparaten, Informationssystemen und eben entsprechenden Mitteln unter den Kammerunterworfenen abstimmen lasse. Das ist meines Erachtens kein sehr starkes Argument.

Ich meine, wenn man die Lösung dieses Problems direktdemokratisch angeht, dann soll die gesamte Bevölkerung über diese Verfassungsstruktur abstimmen, aber nicht nur die Kammerunterworfenen, die da auch gar keine faire Abstimmungssituation vorfinden, weil die Mittel sehr, sehr einseitig auf seiten der Kammerbefürworter liegen.

Aber ich betrachte das auch nicht als Katastrophe, sondern als kammerinterne Vorgänge. Die eigentliche Frage ist, ob man diesen Kammerstaat in dieser Form und die Auswüchse der Sozialpartnerschaft, die darauf fußen, will. – Das zu dieser Grundsatzdebatte.

Zur Novelle sagen wir nicht mit großer Begeisterung ja – das gebe ich gerne zu –, weil eben das System als solches durchaus kritikwürdig ist. Aber wenn man nun einmal von unserer Verfassungslage ausgeht, kann man zu dieser Novelle eigentlich nur ja sagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.20

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte sehr. – Redezeit: 20 Minuten.

15.20

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Diskussion über diese Änderung von meinem Vorredner Kollegen Kräuter etwas zu einfach geführt worden ist. Ich gebe Ihnen zwar recht, daß die freiheitliche Fraktion sehr oft im Zusammenhang mit der Kritik an den Kammern eigentlich deren Abschaffung meint und eine Verschärfung der Kontrollinstrumente verlangt. Trotzdem hat Kollege Haupt – wenn ich jetzt einmal von dem Redebeitrag des Kollegen Stadler absehe – hier einen sehr konstruktiven Redebeitrag geleistet. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Es ist nicht einfach so vom Tisch zu wischen im Zusammenhang mit den Prüfungskriterien durch den Rechnungshof, zu sagen, das


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sei ein Angriff auf die Kammern und die Interessenvertretung, wenn man das Kriterium Zweckmäßigkeit einfordert.

Ich glaube, daß es nichts mit Verantwortung zu tun hat, wenn ich dem Rechnungshof auch das Prüfkriterium Zweckmäßigkeit zubillige, denn es bleibt dennoch in der autonomen Verantwortung der einzelnen Kammern und Institute, wie sie ihr Geld verwalten, wie sie dann letztendlich ihre politische Aufgabe handhaben und wie sie dieser politischen Interessenvertretung gerecht werden. Ich halte es für äußerst problematisch, daß dieses Prüfungskriterium nicht enthalten ist, und ich glaube, daß das eine Beschneidung der Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes darstellt.

Ein anderes Kapitel ist die Frage der Veröffentlichung. Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haupt! Ihre Argumentation klingt sehr bestechend. Selbstverständlich sollte der Nationalrat und auch der Landtag über die Berichte verhandeln können. Nachdem es auch eine der Volksvertretung eigene Aufgabe ist, die Kammern zu kontrollieren und politische Stellungnahmen abzugeben, halte ich es für sehr zweckmäßig, wenn auch in diesem Haus darüber diskutiert wird. Es ist allerdings so, Herr Kollege Haupt, daß durch die Berichterstattung des Rechnungshofes und die Veröffentlichung der Kammern der Prüfungsbericht ohnedies in vollem Umfang publik und dadurch verhandelbar wird. Sollten Sie der Meinung sein, daß das hier im Hohen Haus, im Plenum oder im Ausschuß behandelt werden sollte oder müßte, dann ist es durchaus im Bereich des Möglichen, diese Berichte auch im Haus zu diskutieren. Dem steht nichts entgegen. Wenn die Verhandler im Verfassungsausschuß die Meinung vertreten haben – und das war offensichtlich die große Mehrheit –, daß es im Bereich der Verwaltung der autonomen Kammern liegen muß, daß sie selber ihre Geschäfte besorgen und verwalten, dann halte ich das für zulässig und durchaus korrekt.

Meine Damen und Herren! Zur Abschaffung des Vizepräsidenten des Rechnungshofes: Wir alle in diesem Hohen Haus wissen, daß es nicht darum geht, hier ein überflüssiges Amt abzuschaffen, sondern dies mehr oder weniger in der desaströsen Vorbereitung der Sozialdemokraten bei der letzten Bestellung des Rechnungshofpräsidenten seine Ursache hat. Die Sozialdemokraten haben im Zusammenhang mit der Bestellung des Rechnungshofpräsidenten grobe politische Fehler begangen: Sie haben ihren Kandidaten nicht durchgebracht, haben hier in diesem Hohen Haus eine Abstimmungsniederlage erlitten und dann in der Folge das Amt des Vertreters des Präsidenten zur Disposition gestellt und das letztendlich auch durchgesetzt. Ich halte das für keinen sehr großen Verlust, halte aber diese Vorgangsweise aus demokratiepolitischer Sicht für sehr bedenklich. Wenngleich ich die Diktion und die Vorhaltungen des Abgeordneten Stadler für überzogen halte, finde ich es doch bemerkenswert, daß hier offensichtlich Verfassungsänderungen aufgrund vorhergehender demokratiepolitischer Versagen der größten Fraktion in diesem Haus durchgeführt werden.

Die grüne Fraktion wird dieser Änderung zustimmen, die heute vorliegt. Ich merke aber als Abgeordneter an, daß ich die Problematik des Fehlens des Prüfungskriteriums Zweckmäßigkeit für besonders wichtig erachte. Als Anmerkung zum Redebeitrag des Abgeordneten Haupt möchte ich sagen, daß ich im übrigen auch der Meinung bin, daß es sehr klug wäre, die Termine in einem regelmäßigen Abstand festzusetzen, damit dieses unwürdige Spiel um Terminsuche endlich ein Ende hat und die Berichte zeitgerecht verhandelt und hier im Plenum zur Kenntnis genommen werden können.

Allerdings merke ich an, Herr Kollege Haupt, daß die meisten Berichte deshalb nicht mehr in diesem Haus verhandelt werden konnten, weil die Auflösung des Parlaments in den letzten Monaten etwas überhastet erfolgt ist – um das einmal vorsichtig auszudrücken. Herr Kollege Haupt! Ich hoffe, daß Ihr Vorschlag bezüglich einer regelmäßigen Terminfestsetzung in den anderen Fraktionen auf fruchtbaren Boden fällt. Ich bin überzeugt davon, daß der Fraktionsführer der ÖVP dem aufgeschlossen gegenübersteht, ebenso der der SPÖ und des Liberalen Forums, und hoffe, daß wir dann zu einer konstruktiven Lösung kommen können. – Ich danke schön. (Beifall bei den Grünen.)


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15.27

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte schön. Redezeit: 10 Minuten.

15.27

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Die Frage der Rechnungshofprüfung – ich glaube, das muß erwähnt und in Erinnerung gerufen werden – ist ja nur deswegen releviert und gesetzlich beschlossen worden, weil es offensichtlich Mißstände im Kammersystem Österreichs gab. Kollege Neugebauer hat sie "Zachariaden" genannt, ich könnte noch die "Rechbergereien" dazu anführen.

Herr Kollege Neugebauer! Ich bedanke mich bei Ihnen, weil Sie sehr wesentlich und sehr präzise zwischen den gesetzlichen Interessenvertretungen und den privaten Verbänden unterschieden haben. Ich glaube, diese Unterscheidung war sehr nützlich. Sie haben außerdem den Schwerpunkt darauf gelegt, daß die gesetzliche Interessenvertretung eine Gemeinwohlverantwortung hat, die über die Organisationsgewalt des Staates institutionalisiert worden ist.

Ich glaube nur, daß die Kontrollmechanismen aus parteipolitischen Gründen in diesen Kammern immer nur auf einer Seite funktionieren. Man hat sich darauf geeinigt, daß die eine Kammer im Bereich der Österreichischen Volkspartei liegt und die andere Kammer im Bereich der Sozialdemokraten. Damit hat man über die ewige schwarz-rote Parteibuchwirtschaft in Österreich eigentlich dieses gut gemeinte Kammersystem, das sich ausschließlich den Interessen der Unternehmer widmen sollte, das sich ausschließlich den Interessen der Arbeiter widmen sollte, pervertiert, weil man sofort wieder in das Doppelmuster dieser Republik verfallen ist: das ist der rote Bereich und das ist der schwarze Bereich – und eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus.

Meine Damen und Herren! Man kann natürlich jetzt über die Pflichtmitgliedschaft bei der Kammer so oder so diskutieren. Herr Kollege Stadler ist seinen notwendigen Adrenalinstoß losgeworden und hat Hohn und Spott darüber ausgegossen. Ich will versuchen ... (Abg. Mag. Stadler: Er winselt schon wieder für die Regierung!) Jetzt sagt er schon wieder: "Er winselt für die Regierung!" Dem Mann fällt wirklich nichts anderes ein als dumme Zwischenrufe. Es ist bedauerlich. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ, bei der ÖVP und bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Er winselt ständig für die Regierung!) Wissen Sie, Herr Stadler, ich frage mich nicht, wo applaudiert wird, sondern von welchen Persönlichkeiten applaudiert wird. Das ist mir wichtig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Kammerstaat, meine Damen und Herren, ist insofern ein Problem, als er zu teuer geworden ist. Setzen wir uns doch einmal mit dieser Frage auseinander. Der Kammerstaat kostet Österreich nahezu 20 Milliarden Schilling pro Jahr. In einer Zeit, in der der Finanzminister, der Wirtschaftsminister, der Sozialminister jeden Schilling in dieser Republik umdrehen, wird dies wortlos zur Kenntnis genommen – wortlos auch von Ihren beiden Fraktionen, die diese Kammern im wesentlichen vertreten, weil Sie sie als Ihr Eigentum verstehen. In dieser Zeit redet niemand von einem Kammerstaat, der diesem Haus Jahr für Jahr 20 Milliarden Schilling kostet.

Allein die Wirtschaftskammer, deren Mitglied ich bin und deren Mitglied ich auch bleiben würde, wenn die Mitgliedschaft freiwillig wird, kostet ohne Außenwirtschaftsorganisation 6 Milliarden Schilling im Jahr. Meine Damen und Herren! Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wieso dieses System so teuer ist und ob diese 6 Milliarden Schilling – bleiben wir bei der Wirtschaftskammer – wirklich gerechtfertigt sind und ob es hier kein lean management beziehungsweise die Möglichkeit gibt, neue Strukturen zu finden. Nur eines, meine Damen und Herren: Solange die Verantwortlichen in den Kammern wissen, daß sie soundso jedes Jahr sechs Milliarden Schilling bekommen, wird es keine Reformen geben, da sie nicht notwendig sind, weil der nötige Druck fehlt. Das ist der Punkt, an dem ich zu einer sachlichen Diskussion aufrufe.

Wir haben schon viel Erfahrung in dieser Republik gemacht. Dort, wo regelmäßige Einnahmen fließen, dort, wo diese Einnahmen gesetzlich abgesichert sind, dort gibt es keine Reformen, weil es eben viel gemütlicher ist, hunderttausend Begründungen zu finden, daß man seine 6 Milliarden Schilling Jahr für Jahr bekommt, und man reicht alle Begründungen dieser Welt nach, daß diese 6 Milliarden Schilling auch notwendig sind. (Abg. Tichy-Schreder: Das stimmt nicht!)


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Ich bezweifle bei all dem, was Kollege Neugebauer Richtiges gesagt hat, daß man, um diesen Auftrag zu erfüllen, wirklich 6 Milliarden Schilling braucht.

Dazu kommt noch ein Argument, meine Damen und Herren: Die meisten Unternehmer wissen gar nicht, wie hoch ihre Beiträge an die Wirtschaftskammer sind. Ich halte das für eine wirklich undurchsichtige Vorgangsweise. Natürlich, den Fachgruppenbeitrag, die Grundumlage kennen die Unternehmer dieser Republik. Aber wie viele Unternehmer wissen, daß sie noch einmal eine KU 1 als Promillesatz der Vorsteuer und eine KU 2 – man höre und staune – über die Lohnnebenkosten finanzieren? Das heißt, unsere Wirtschaftskammer, die nicht müde wird, gegen die Lohnnebenkosten aufzutreten, finanziert sich über diese Lohnnebenkosten.

Mein Unternehmen, ein mittelständisches Unternehmen, zahlt 20 000 S Kammerumlage für sieben Fachgruppen, bei denen ich gar nicht Mitglied sein will. Ich will bei der Fachgruppe Hotellerie Mitglied sein, bei den anderen habe ich kein Bedürfnis. Nehmen wir die 20 000 S einmal als gegeben hin. Das, was über 90 Prozent der Unternehmer gar nicht wissen, ist, daß sie noch KU 1 bezahlen – das sind in meinem Fall 14 000 S von der Vorsteuer und 90 000 S Lohnnebenkosten über die KU 2. Wie will denn Präsident Maderthaner mit dem Präsidenten Verzetnitsch oder der Frau Präsidentin Hostasch über die Lohnnebenkosten argumentieren, wenn sich die Wirtschaftskammer selbst über die Lohnnebenkosten finanziert? Dort liegt der Hase im Pfeffer. Darüber müssen wir diskutieren, meine Damen und Herren! Dort muß Kammerreform ansetzen, wenn wir sie wirklich ernst meinen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Befragung, die wir jetzt erlebt haben, war zum Krenreiben. Ich weiß schon, meine Damen und Herren von der Volkspartei und von den Sozialdemokraten, wir werden das jetzt wie eine Gebetsmühle hören, daß Sie sich jetzt demokratisch legitimiert haben. Nur die Fragestellung ist ein starkes Stück. Mitglieder abstimmen zu lassen, die erstens nicht wissen, wieviel sie dem Verein bezahlen, wo sie Mitglied sind, und zweitens das Wort "Pflichtmitgliedschaft", um die es ja geht, überhaupt nicht vorkommen zu lassen, das ist Mißbrauch einer Abstimmung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich halte diese Abstimmung für eine Farce, und ich sage Ihnen heute, ich erkenne diese Abstimmung nicht an, weil sie eine Farce ist. (Beifall beim Liberalen Forum.) Sie dient einzig und allein dem Machterhalt der ÖVP im Bereich der Wirtschaftskammer und dem Machterhalt der Sozialdemokratischen Partei im Bereich der Arbeiterkammer. (Abg. Dr. Fekter: Sie halten die Unternehmer für ganz schön blöd!) Das sind die Punkte, die wir einmal seriös diskutieren sollten. Das sind die Punkte, mit denen wir uns auseinandersetzen sollten. Sie haben eine Befragung durchgeführt, die meiner Ansicht nach nicht sachlich genug in Form einer wirklichen Befragung erfolgt ist.

Meine Damen und Herren! Wie könnte denn – ganz kurz skizziert – eine schlanke Wirtschaftskammer ausschauen? – Nehmen wir das bundesdeutsche Modell: Die Fachvertretungen sind frei. Wir brauchen nicht in jedem Bundesland 100 Fachgruppen. Möglicherweise werden es in Vorarlberg nur mehr 60 sein, weil die Bürstenbinder von Vorarlberg sagen: Wir wollen keine Fachgruppe, wir haben gar keinen Bedarf. Sinnvoll wäre eine freie Fachvertretung mit Persönlichkeitswahl, wo es nicht darum geht, daß der Fachgruppenvorsteher alles sein kann auf der Welt, nur schwarz muß er sein, weil er sonst nicht ins System paßt. Das ist der Punkt, meine Damen und Herren (Abg. Böhacker: Freiwillige Mitgliedschaft!), eine freie Fachvertretung mit einer freiwilligen Mitgliedschaft, wo sich nur jene Fachgruppen auf Ebene der Länder konstituieren, die notwendig sind, und diese Fachgruppen wählen dann ihre Fachverbände.

Mein Kompromißvorschlag an die Kammervertreter und die ganze Österreichische Volkspartei im Bereich der Wirtschaftskammer: Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß es im Bereich der Wahl für die Landeskammervollversammlung eine Wahl über Parteilisten gibt. Das kann ich mir sehr gut vorstellen, denn da wird das Unternehmerparlament gewählt. Aber, meine Damen und Herren: Die Sektionen, die wir als "liebevolles" Relikt der letzten 40 Jahre mit uns herumschleppen, die brauchen wir nicht und die können wir einsparen. Wir können also schlanker werden und die Landeskammervollversammlung ausschließlich über ihre Ausschüsse wirksam werden lassen.


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Wir Liberalen haben einen Antrag im Parlament in der letzten Gesetzgebungsperiode eingebracht. Er wird wieder kommen, denn wir wollen dieses Thema weiter behandelt wissen. Wir fordern, daß die Pflichtmitgliedschaft – ich nenne sie Pflichtmitgliedschaft, weil ich ein anderes Verhältnis dazu habe als Herr Stadler – gesetzlich aufgehoben wird, ohne die gesetzliche Interessenvertretung als solche im ersten Schritt in Frage zu stellen. Es bedarf einer starken Arbeitnehmervertretung, es bedarf einer starken Arbeitgebervertretung, aber nicht des schwarz-roten Machterhaltes und nicht eines Kammerstaates, der uns 20 Milliarden Schilling pro Jahr kostet. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Böhacker: 24 Milliarden!)

15.35


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Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 16 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von dem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffern 1 und 3 des Gesetzentwurfs eingebracht, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Entwurf ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über die Ziffern 1 und 3 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage und bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit .

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen .

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Bericht der Bundesregierung (III-6 der Beilagen) gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1994 (31 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Bericht der Bundesregierung (III-7 der Beilagen) gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1993 (30 der Beilagen)

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 5 und 6 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies Berichte des Verfassungsausschusses betreffend die Berichte der Bundesregierung (III-6 der Beilagen) über die Volksgruppenförderung im Jahre 1994 (31 der Beilagen) und (III-7 der Beilagen) über die Volksgruppenförderung im Jahre 1993 (30 der Beilagen).

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Ich ersuche sie, die Debatte zu eröffnen und ihre Berichte zu geben.

Berichterstatterin Dr. Elisabeth Hlavac: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Bericht der Bundesregierung gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1993 (III-7 der Beilagen).

Gegenstand des Berichtes sind die Förderungsmaßnahmen, die im Berichtszeitraum im Sinne der Bestimmungen des Volksgruppengesetzes und darüber hinaus getroffen wurden.

Der Verfassungsausschuß hat den Bericht in seiner Sitzung am 26. Jänner 1996 in Verhandlung genommen und nach einer Debatte mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Hause die Kenntnisnahme dieses Berichtes zu empfehlen.

Ich stelle daher namens des Verfassungsausschusses den Antrag, der Nationalrat wolle den von der Bundesregierung vorgelegten Bericht gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1993 (III-7 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Weiters, Herr Präsident, erstatte ich den Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Bericht der Bundesregierung gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1994 (III-6 der Beilagen).

Auch dieser Bericht wurde vom Verfassungsausschuß in seiner Sitzung am 26. Jänner 1996 in Verhandlung genommen.

Nach einer Debatte beschloß der Ausschuß mit Stimmenmehrheit, dem Hohen Hause die Kenntnisnahme dieses Berichtes zu empfehlen.

Ich stelle daher auch in diesem Falle namens des Verfassungsausschusses den Antrag, der Nationalrat wolle den von der Bundesregierung vorgelegten Bericht gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1994 (III-6 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, ersuche ich, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Berichterstatterin.

Für diese Debatte wurde eine Redezeitbeschränkung von 10 Minuten pro Redner festgelegt, wobei einem Redner jedes Klubs eine Redezeit von 20 Minuten zusteht. Es kommen pro Klub höchstens drei Redner zu Wort.

Bevor ich dem ersten Redner das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, daß wir um 16 Uhr die Sitzung unterbrechen werden.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Harald Ofner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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15.41

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht bei dieser Debatte um die Volksgruppenförderungsberichte 1993 und 1994 – eine nicht gerade besonders aktuelle Lektüre. Vielleicht könnte man Mittel und Wege finden, wie man etwas rascher diese Berichte dem Hohen Haus vorlegen könnte – aber nicht nur diese Berichte, sondern auch andere, die hier zu diskutieren sind.

Aber unabhängig davon, ob sie brandaktuell sind oder nicht, stellen diese Berichte eine interessante Lektüre dar. Viel Positives kann diesen Berichten entnommen werden – aber auch Kritikwürdiges, worauf ich noch zu sprechen kommen werde.

Ich schicke zwei Dinge voraus: zunächst, daß wir Freiheitlichen beiden Berichten zustimmen werden, beide Berichte zustimmend zur Kenntnis nehmen werden, zum zweiten, daß die Berichte einmal mehr dokumentieren, daß sich Österreich ob der Förderung der Volksgruppen in seinen Grenzen keineswegs zu genieren braucht.

Eines muß man sagen: Es ist an und für sich für die Volksgruppen für ihre Förderung, für ihre Weiterausgestaltung, für ihr Blühen und für ihr Gedeihen, so wie wir die Dinge sehen, nicht genug Geld da. Die Budgetzwänge sind uns allen bekannt, und doch wird man sich mit dem Gedanken tragen müssen, die relativ engen Grenzen der Volksgruppenförderung zu sprengen, zu überschreiten und stufenweise zu höheren Beträgen zu kommen.

Manche Volksgruppen stehen mit ihren Bestrebungen, kulturelle Arbeit für die ihrigen zu leisten, ja wirklich erst am Anfang. Wenn man sich bei der Volksgruppe der Roma und Sinti vor Ort anschaut, wie man sich bemüht, ein Bilderlesebuch in einer der Sprachen dieser Volksgruppe zustande zu bringen, so wird einem klar, wie schwierig es ist, Neuschöpfungen zu gestalten, etwa in Sektoren, in denen andere Volksgruppen auf Selbstverständliches durch Jahrhunderte zurückgreifen können.

Wenn man dann hört, was diese Arbeit für die relativ geringen Auflagen, die ja letztendlich notwendig sind und herausschauen, kostet, dann wird einem bewußt, daß wir in Zukunft, als Republik Österreich im Rahmen der Volksgruppenförderung, aber auch darüber hinaus, etwas tiefer in die Tasche werden greifen müssen, als es derzeit der Fall ist.

Es ist auch so, daß nicht jeder Schilling – das zeigt ein Blick in die beiden Berichte, die hier zur Diskussion stehen – so verwendet wird, wie man es sich wünschen könnte, daß manches andere Wege geht, als es sinnvoll und gerecht erscheint. So ist es zum Beispiel bei der kroatischen Volksgruppe so – dort ist es am augenscheinlichsten, und daher möchte ich diesen Problemkreis herausgreifen –, daß zum Teil ganz unverhohlen Parteienfinanzierung in Richtung Sozialdemokratische Partei und Österreichische Volkspartei stattfindet.

Bei nahezu jedem der Vereine, die in dem Bericht aufscheinen, wissen Eingeweihte, welcher der beiden großen Parteien er zuzuordnen ist. Aber manchmal gibt es da gar kein Versteckenspielen. So hat etwa das Präsidium der SPÖ-Mandatare aus kroatischen und gemischtsprachigen Gemeinden im Jahre 1993 400 000 S bekommen und ein Jahr später schon 500 000 S, und der adäquate ÖVP-Verein hat Beträge in gleicher oder ähnlicher Größenordnung erhalten. Dazu kann ich nur sagen: Das hat weder der Gesetzgeber gewollt, noch entspricht es dem Sinn und dem Wortlaut des Gesetzes, noch ist es Volksgruppenförderung, wie wir Freiheitliche sie uns vorstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir halten dafür, daß man nicht müde werden darf, diese mißbräuchliche Vorgangsweise aufzuzeigen, so lange, bis sie abgestellt sein wird.

Ich weiß schon, daß es schwierig ist, wirklich repräsentative Zwecke als Adressaten für die Volksgruppenförderung zu finden. Aber es darf doch nicht so sein, daß ganz unverhohlen Gruppierungen, die den Namen der betreffenden Partei sogar im Titel führen, zu Empfängern


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5. Sitzung / Seite 74

sehr hoher Beträge im Hinblick auf die relativ geringfügigen Summen, um die es da geht, werden.

Was nicht Schwarz und nicht Rot ist in diesem Sektor – von wenigen Ausnahmen abgesehen –, fließt diversen Pfarren zu, also der Kirche. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Aber es hat nicht wirklich etwas mit Volksgruppenförderung zu tun, wenn es etwa bei der römisch-katholischen Pfarre Weiden bei Rechnitz um die Renovierung der Orgel geht, bei der römisch-katholischen Pfarre Draßburg um die Reparatur der Kirchenorgel, bei der römisch-katholischen Pfarrgemeinde Dürnbach um die Anschaffung eines Baldachins und die Erneuerung der Kreuzwegstationen.

Auch in Gemeinden, die gemischtsprachig oder volksgruppensprachig sind, kann es nicht wirklich zur Förderung der Volksgruppe und ihrer Angehörigen gehören, wenn die örtliche Pfarre die Orgel reparieren läßt oder einen Baldachin anschafft. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da wird man sich trauen müssen, die Stimme dagegen zu erheben. Baldachin und Orgel sind keine volksgruppenspezifischen Einrichtungen. Dafür zu sorgen, obliegt jeder Pfarre, egal in welchen Bereichen sie sich befindet.

Aber unabhängig von diesen Ungereimtheiten glauben wir, daß zuwenig Geld zur Verfügung steht. Ich kündige daher schon jetzt an, daß wir Freiheitlichen dem Antrag, der im Haus liegt, daß die Volksgruppenförderung innerhalb der nächsten Jahre schrittweise auf eine namhafte Summe angehoben werden soll, zustimmen werden.

Wir Freiheitlichen bekennen uns – ich möchte die Diskussion über diese beiden Berichte zum Anlaß nehmen, das nochmals zu betonen – rückhaltlos zu einer sehr intensiven Förderung der Volksgruppen und damit auch ihrer Angehörigen, und zwar der autochthonen Volksgruppen in ihrer jeweils angestammten Heimat. Aber nur zu dieser Förderung!

Wir sind dagegen, daß Erfolg haben kann, daß neue Volksgruppen erfunden werden, neue Volksgruppen aus nicht autochthonen Bereichen, nicht in angestammten Heimaten. Das heißt, die sechs Volksgruppen, die derzeit anerkannt sind: die Slowenen in Kärnten, die Kroaten im Burgenland, die Slowaken und die Tschechen in Wien, die Ungarn im Burgenland und in Wien, die Roma und die Sinti in einer umfassenderen geographischen Positionierung, sollen, da sie alle autochthon sind, alle Rechte, die man sich nur einfallen lassen kann, im Rahmen der Förderung, die wir ihnen zukommen lassen wollen, in ihrer angestammten Heimat haben. Aber darüber hinaus soll es aus neu zugewanderten Gruppen keine anderen Volksgruppen im Sinne des Gesetzes, mit politischer und rechtlicher Anerkennung und mit entsprechenden Konsequenzen, als solche Volksgruppen geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Rahmen der Diskussion dieses Themenkreises im Verfassungsausschuß hat sich ein Abgeordneter darüber aufgeregt, daß in diesem Zusammenhang die Begriffe Heimat, Beheimatung, angestammte Heimat gefallen seien. (Abg. Scheibner: Wer war das?) – Es war der Abgeordnete Voggenhuber. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Formulierungen, die das Bundeskanzleramt als zuständige Zentralbehörde verwendet. Das Bundeskanzleramt selbst weist in einer Gegenschrift zu einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß Heimat und Beheimatung diejenigen Begriffe seien, die der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang gewollt habe, die im Gesetz in dieser Richtung zu finden seien und zu denen sich auch die Republik Österreich, konkret das Bundeskanzleramt, bekenne. Es ist also nicht so, daß das etwa Tages- und Zufallserfindungen einzelner Abgeordneter, etwa des Harald Ofner, seien, sondern es ist geltendes Recht, zu dem auch wir uns bekennen.

Die Freiheitlichen tragen auch den zweiten Entschließungsantrag mit, der zu diesem Thema zur Abstimmung gelangen wird, und zwar ist das jener Antrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, noch innerhalb dieses Jahres die Europäische Charta über den Schutz der regionalen und Minderheitensprachen sowie die Rahmenkonvention über den Schutz nationaler Minderheiten zu ratifizieren. Das ist auch deshalb so dringend, weil wir glauben, daß wir uns sehr bemühen müssen, sehr bemühen sollten, so rasch wie nur irgend möglich zu einem


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europäischen Volksgruppenrecht auf möglichst hohem Niveau zu gelangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Europa ist die Einstellung zu diesem Problemkreis von Land zu Land höchst unterschiedlich: In zahlreichen Staaten liegt die Volksgruppen- und Minderheitenpolitik ausgesprochen im argen. Ich darf daran erinnern, daß es Länder gibt, in denen die Existenz augenscheinlich vorhandener Minderheiten – mit großer Kopfzahl noch dazu – dezidiert und nachhaltig immer wieder abgestritten wird. Dazu gehört etwa Frankreich, dazu gehört aber auch Bulgarien, und dazu gehört auch die Türkei. Es gibt aber auch Staaten, in denen man diesbezüglich sehr selektiv vorgeht, wie etwa in Slowenien. In Slowenien wird in der Verfassung die Minderheit der Italiener, die Minderheit der Ungarn und in abgeschwächter Form auch jene der Roma und Sinti ausdrücklich erwähnt, anerkannt und mit Rechten bedacht, die Minderheit der Altösterreicher deutscher Zunge jedoch ausdrücklich nicht, obwohl sie nach vorsichtigen Schätzungen noch immer oder schon wieder 50 000 oder 60 000 Köpfe ausmacht.

Andere Staaten, etwa die Tschechische Republik – um nur sie zu erwähnen –, gehen über die Problematik von Minderheiten in ihren Grenzen generös hinweg, schwanken, indem sie sagen, sie hätten keine, und stehen auf dem Standpunkt, jeder Angehörige einer Volksgruppe hätte ohnehin dieselben Rechte wie ein Angehöriger der Mehrheitsbevölkerung. Das ist eine der unangenehmsten und abzulehnendsten Positionierungen überhaupt. Denn wenn ich eine Volksgruppe nicht rechtlich und politisch in jeder Hinsicht als solche anerkenne und fördere, sondern nur den Standpunkt einnehme, daß die Angehörigen der Minderheitsvolksgruppen als Einzelpersonen ohnehin dieselben Rechte haben wie die Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung, dann ist das ein zynischer und sicherer Weg in die Auslöschung der jeweiligen Volksgruppe.

Wir glauben daher, daß das von mir schon erwähnte europäische Volksgruppenrecht lieber heute als morgen geschaffen werden sollte und daß es mit den entsprechenden Sanktionsinstrumentarien wird ausgestattet sein müssen, um seine Durchsetzung auch gegenüber in dieser Hinsicht etwas halsstarrigen Staaten gewährleisten zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich halte aber dafür, meine Damen und Herren, daß wir uns auch bemühen müssen, auf Österreich und seine Nachbarländer bezogen grenzübergreifend volksgruppenförderungsmäßig vorzugehen. Das soll dazu dienen, eine gewisse Ausgeglichenheit auf dem jeweils höheren Level in der Volksgruppenpolitik in Österreich einerseits und im jeweiligen Nachbarland andererseits herbeizuführen beziehungsweise sicherzustellen. Ich glaube, daß wir uns bemühen sollten, in diesem Rahmen etwa einen slowenisch-österreichischen beziehungsweise österreichisch-slowenischen Volksgruppenbeirat ins Leben zu rufen, der mit Repräsentanten der Volksgruppe der Slowenen in Kärnten einerseits, aber auch mit solchen der Altösterreicher deutscher Zunge in Slowenien andererseits beschickt sein sollte. Es sollte auch einen grenzüberschreitenden Volksgruppenbeirat im Burgenland geben, der mit Repräsentanten der Ungarn in Österreich einerseits, aber auch mit solchen der Altösterreicher deutscher Zunge in Ungarn andererseits beschickt sein sollte. Das sollte so weitergehen bei den Tschechen, bei den Slowaken und bei den vielen anderen Volksgruppen; überall könnte ich mir so etwas vorstellen.

Es soll darum gehen, daß man feststellt, auf welcher Seite der jeweiligen Grenze das höhere Niveau bei der Förderung der Volksgruppen und ihrer Angehörigen besteht, und daß man dann trachtet, sozusagen bilateral auf der jeweils anderen Seite zu einem Anheben der Volksgruppenpolitik zu kommen. Auf diese Art und Weise müßte es, so glaube ich, gelingen, noch bevor wir ein europäisches Volksgruppenrecht sozusagen flächendeckend in Europa erleben werden, zu einer erträglicheren Position in Österreich und in den Nachbarländern in Volksgruppendingen zu gelangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wiederhole, daß wir Freiheitlichen uns rückhaltlos zu einer weitestmöglichen Förderung der autochthonen Volksgruppen in ihrer angestammten Heimat bekennen. Als Ausdruck dieser Haltung werden wir den beiden Berichten, die heute zur Diskussion stehen, unsere Zustimmung erteilen und werden auch den Antrag, der auf die Ratifizierung der erwähnten Charta abzielt und


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den wir mit eingebracht haben, mittragen. Wir werden auch den Antrag, der von den Grünen stammt und in dem es um eine schrittweise Anhebung der Förderungsmittel geht, mit unserer Zustimmung bedenken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.57

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Antoni. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!) Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich glaube, daß wir nach der Geschäftsordnung jetzt, wie eingangs bei der Tagesordnung verkündet, die Debatte über den Fristsetzungsantrag abführen müssen, und daher glaube ich, daß Herr Abgeordneter Antoni erst nach dieser Debatte beziehungsweise zu einem anderen Zeitpunkt sprechen soll. (Abg. Ing. Langthaler : Zur Geschäftsbehandlung!)

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Bitte.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung) : Vereinbarungsgemäß müßte jetzt, um 16 Uhr, eigentlich die Erklärung des Bundesministers für Inneres stattfinden, noch bevor wir zur Debatte über den Fristsetzungsantrag kommen.

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Mir ist auch nichts Gegenteiliges mitgeteilt worden. Ich bleibe bei meiner Ankündigung, um 16 Uhr die Verhandlungen zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 zu unterbrechen, um die Erklärung des Herrn Bundesministers für Inneres durchführen zu lassen, wie in der Präsidiale vereinbart.

Es ist jetzt vielleicht tatsächlich nicht mehr zweckmäßig, einem Abgeordneten noch das Wort zu erteilen. Ich müßte jetzt sehr langsam sprechen, um auf 16 Uhr hinzukommen, aber gestatten Sie, daß ich fingiere: Es ist nahezu schon 16 Uhr, und ich unterbreche nun die Verhandlungen zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, um zur Abgabe der Erklärung des Herrn Bundesministers für Inneres zu kommen.

Erklärung des Bundesministers für Inneres

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zur Erklärung des Herrn Bundesministers für Inneres.

Es ist vereinbart worden – ich will darauf hinweisen –, daß im Anschluß an diese Erklärung eine Debatte stattfindet, in welcher ein Redner beziehungsweise eine Rednerin pro Fraktion eine Feststellung in der Dauer von 15 Minuten abgeben kann.

Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen nun das Wort.

15.59

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Mir kommt es als dem Zuständigen für die Vollziehung der Gesetze vom 7. Juli 1948 über die Fürsorge für Kriegsgräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg beziehungsweise über die Fürsorge und den Schutz der Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler aus dem Zweiten Weltkrieg für Angehörige der Alliierten, der Vereinten Nationen und für Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und Opfer politischer Verfolgung zu, heute eine Erklärung zu den Funden im Baustellenbereich des geplanten Traunkraftwerks Lambach abzugeben.

Anläßlich von Baggerarbeiten im Bereich des Maschinenhauses für das geplante Kraftwerk wurden erstmals am Donnerstag, den 25. Jänner 1996 beziehungsweise nach dem mir vorliegenden Gendarmeriebericht am 26. Jänner 1996 Skelette gefunden. Ich habe den diesbezüglichen Bericht zum Anlaß genommen, am Montag, den 29. Jänner 1996, einen Experten des Schwarzen Kreuzes, weiters einen Gerichtsmediziner und einige Mitarbeiter meines Hauses nach Lambach zu entsenden, um dort in Zusammenarbeit mit den Beamten der zuständigen


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ersten Instanz – das ist der Landeshauptmann von Oberösterreich in mittelbarer Bundesverwaltung – erste Erhebungen anzustellen. Dabei wurden folgende Erkenntnisse gewonnen:

Der Querschnitt, der bei den Baggerarbeiten angeschnitten wurde, zeigt sieben Kavernen, davon waren zwei doppelt belegt, das heißt, es wurden bei diesen Arbeiten neun Tote freigelegt. Die Flächenausdehnung dieser Grabanlage ist derzeit noch nicht bekannt. Die Anlage verläuft in Süd-Nord-Richtung; sie könnte in beiden Richtungen noch eine größere Ausdehnung haben.

Die Toten befinden sich – nach den bisherigen Ergebnissen – nicht länger als etwa 50 Jahre an dieser Stelle. Aufgrund der Knochenreste muß es sich um etwa 20- bis 22jährige Personen gehandelt haben, und zwar Personen männlichen Geschlechts. Die Ober- und Unterkieferreste deuten darauf hin, daß es sich vermutlich nicht um Flüchtlinge oder Kriegsgefangene aus Rußland handelt, weil deren Zähne üblicherweise in schlechterem Zustand waren, wie mir berichtet wird.

Es ist weiters festzustellen, daß die Schädelfragmente keine Einschußwunden aufweisen. Es wurden bisher keine Stoffreste, keine Knöpfe gefunden, und es gab keine sonstigen Hinweise, was auf die Identität der Toten schließen läßt.

Auf der Basis dieser Informationen steht vorläufig fest: Es handelt sich jedenfalls um Kriegsgräber im Sinne der zitierten Gesetze. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat daher in Vollziehung dieser Gesetze a) die Ausdehnung dieser Gräber und b) die Identität der Toten, und zwar nicht individuell, sondern was ihre Gruppenzugehörigkeit anlangt, festzustellen.

In dieser Phase ist – ebenso wie in der noch auf uns zukommenden – für eine würdige und geziemende Erhaltung dieser Gräber Sorge zu tragen. Das rechtfertigt eine sehr zurückhaltende Vorgangsweise bei der weiteren Arbeit auf diesem Gelände. Es wird berichtet – das wurde zumindest am Vormittag und zu Mittag berichtet –, daß zu diesem Zeitpunkt in bloß 20 Metern Entfernung von den aufgefundenen Gräbern weitergearbeitet wurde. Ich halte dies für mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar.

Ich habe heute früh mit Herrn Landeshauptmann Pühringer vereinbart, daß diese Aspekte zugrunde zu legen sind und daß er mich umgehend nach der von ihm einberufenen Sitzung über die weiteren Schritte informieren möge. Eine derartige Information ist mir seither allerdings von seiner Seite noch nicht zugegangen.

Ich lade daher die Verantwortlichen der Oberösterreichischen Kraftwerks AG eindringlich ein, dafür Sorge zu tragen, daß trotz aller im Spiel befindlichen Interessen für die nächste Zeit ein Zustand geschaffen wird, wie wir ihn uns auch im Bereich von Friedhöfen, auf denen unsere Angehörigen beerdigt sind, wünschen und für angemessen halten.

Um auch die Interessen der Kraftwerksbetreiber zu berücksichtigen, kann ich nur folgendes sagen: Ich kann Ihnen heute und hier noch nicht definitiv sagen, wie lange die jetzt vom Landeshauptmann durchzuführenden Erhebungen dauern werden. Der Abschluß dieser Erhebungen ist aber die Mindestvoraussetzung dafür, daß über eine allfällige Anregung zur Verlegung der Toten entschieden werden könnte. Eine derartige Entscheidung wäre nach Abwägung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses und des Interesses an der Totenruhe zu treffen, und zwar in diesem Fall vom Innenminister.

Ich ersuche daher Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, und die Beteiligten um die gebotene Geduld und um Verständnis dafür, daß eine solche Entscheidung erst nach der angesprochenen allfälligen Anregung – und dann auch erst nach sorgfältiger Abwägung – getroffen werden kann. Mit einer Verzögerung der Bauarbeiten ist daher zumindest zu rechnen. Das sind wir den Toten schuldig! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum, bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Mock .)


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16.06

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Herr Bundesminister! Vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Dr. Kostelka das Wort.

16.06

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich ist in den letzten Jahrzehnten nicht nur eine der führenden Industrie- und Wirtschaftsnationen geworden, sondern wohl auch unbestreitbar zu einem der bewußtesten Staaten Europas in ökologischer Hinsicht.

Wir haben in einem langen und nicht ganz schmerzfreien Prozeß gelernt, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch bewußt zu handeln. Es bekennen sich Bund, Länder und Gemeinden – im Sinne des bereits 1984 beschlossenen Bundesverfassungsgesetzes über den umfassenden Umweltschutz – zur Wahrung der natürlichen Umwelt als Grundlage des Menschen sowie zum Schutz dieser Umwelt vor schädlichen Einwirkungen.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns aber dessen bewußt sein, daß uns die Wähler nicht nur an den Bekenntnissen, sondern insbesondere auch an den konkreten Entscheidungen messen werden. Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, daß durch dieses Erkennen ökologischer Auswirkungen allein schon und quasi automatisch das Spannungsverhältnis – das nahezu zwingende Spannungsverhältnis – zwischen wirtschaftlichem Handeln auf der einen Seite und ökologisch verantwortbarem Handeln auf der anderen Seite bei allen politischen und administrativen Entscheidungen bereits beseitigt worden ist. – Ganz im Gegenteil: Wie alle großen Ziele muß auch die gelebte Harmonie von Ökologie und Ökonomie in der Politik Aufgabe ständiger Bemühung sein, um aus dem Bekenntnis im Sinne des Verfassungsgerichtshofes eine effektive, erlebte Realität zu machen.

Die jüngsten Tage haben am Beispiel eines Kraftwerkbaues bewiesen, daß auch mehr als zehn Jahre nach Hainburg dieses Spannungsverhältnis – und mag dieses Kraftwerk auch sehr klein sein – zu heftigen, sehr emotionalen und sehr kontroversiellen Auseinandersetzungen führen kann.

Lassen Sie mich daher dazu aus meiner Sicht feststellen, daß gerade in Österreich, das sich ja 1978 gegen die Nutzung der Kernenergie ausgesprochen hat, ein Bekenntnis zur Wasserkraft notwendig ist. Sie ist gerade, unseren natürlichen Lebensverhältnissen in Österreich entsprechend, die prädestinierte erneuerbare Energie, und es darf nicht nur bei diesen grundsätzlichen Bekenntnissen bleiben, sondern diese sind auch umzusetzen; umzusetzen in der Erneuerung bestehender, aber auch im Bau neuer Kraftwerke zur Nutzung der Wasserenergie.

Namens meiner Fraktion darf ich mich vorbehaltlos zum Bau von Wasserkraftwerken und zur Nutzung der Wasserkraft bekennen.

Meine Damen und Herren! Dieses Bekenntnis steht aber nicht im Widerspruch zu gelebtem Umweltschutz und zur Akzeptanz der Nutzung von Wasserkraft. Das Kraftwerk Freudenau beweist dies: In hohem Maße – zu mehr als 75 Prozent – von der Wiener Bevölkerung akzeptiert, wird dieses Kraftwerk dieser Tage gebaut, und es ist das ein Beweis dafür, daß nicht nur eine Harmonie zwischen Ökologie und Ökonomie stattfinden, sondern daß es auch zu einer entsprechenden Akzeptanz in der Bevölkerung kommen kann.

Daß diese Akzeptanz beim Kraftwerk Lambach nicht besteht, ist für mich eine sehr betrübliche Facette dieser öffentlichen Diskussion. Ich habe zumindest den Eindruck, daß die in Oberösterreich zur Handlung berufenen politischen und administrativen Instanzen um diesen Konsens nicht in notwendigem Maße bemüht sind. Gerade in einer auf Konsens orientierten Demokratie wie jener Österreichs sind wir darauf angewiesen, daß dieser Konsens ständig von neuem gesucht wird, im Sinne der Glaubwürdigkeit der Politik, aber auch der Umsetzbarkeit solcher Projekte.

Meine Damen und Herren! Dieses Bemühen ist nicht zuletzt deswegen einzufordern, weil die Rechtsstaatlichkeit in einem Staat wie dem unseren nicht nur an der formalen Richtigkeit von Verfahren gemessen werden darf, sondern auch an der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung. Dazu habe ich meinerseits schon erklärt, daß es einen sehr großen, einen sehr wesentlichen Wermutstropfen, was die Akzeptanz anlangt, gibt.


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Meine Damen und Herren! All diese Probleme treten in den Hintergrund angesichts der Berichte des Herrn Bundesministers für Inneres über Funde von Gräbern von Kriegstoten – Berichten zufolge weit mehr als 100 – genau an jener Stelle, wo das Maschinenhaus des künftigen Kraftwerkes stehen soll. Es bedürfte nicht eines Gesetzes aus dem Jahre 1948, um solchen Gräbern die entsprechende würdige und geziemende Erhaltung sicherzustellen. Ganz im Gegenteil: Wir sind dazu weit jenseits der gesetzlichen Auflagen – schon als Bürger dieses Landes – verpflichtet. Und dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich bei diesen Opfern, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, um aus rassischen oder politischen Gründen inhaftierte KZ-Opfer handelt oder um Kriegsgefangene. Wer immer sie sein mögen: Sie sind Opfer des nationalsozialistischen Wahnsinns und haben Anspruch auf unsere Reverenz.

Meine Damen und Herren! Daher ist diese Totenruhe, die auch das Gesetz vorschreibt, vorbehaltlos zu gewähren: nicht nur als gesetzliche Verpflichtung, sondern als menschliche Pflicht. Das bedeutet, daß diese Totenruhe auch gebietet, daß vorläufig in unmittelbarer Umgebung dieses geplanten Kraftwerkbaues keine schweren Maschinen eingesetzt werden, daß bis zur Klärung der Lage des Grabes keine maschinellen Tätigkeiten die notwendigen Aufklärungsarbeiten in Frage stellen und – ich sage es in aller Deutlichkeit – daß in der Öffentlichkeit auch keine Spekulationen über das künftige Schicksal dieser Grabstätten angestellt werden, bevor man überhaupt weiß, wo genau welche Menschen dort ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Ich fordere – im Sinne der Vereinbarung der Präsidiale – zumindest für den Bereich dieses Gräberfeldes einen Baustopp.

Meine Damen und Herren! Daher ist jetzt vorrangig, die Aufklärung vorzunehmen, sicherzustellen, daß mit der notwendigen Pietät und Reverenz diesen Toten gegenüber eine Lösung gefunden wird und daß die Ruhe, aber auch die Überlegtheit, die uns allen abgefordert wird, auch von den oberösterreichischen Autoritäten aufgebracht wird. Ich fordere dies als einen Konsens aller Fraktionen dieses Hauses und aller beteiligten Gebietskörperschaften.

Ich darf in diesem Sinne einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend Wahrung der Totenruhe

Ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach der Befreiung Österreichs von der Nazi-Herrschaft sind wir plötzlich wieder auf Zeugnisse dieser schrecklichen Vergangenheit gestoßen. Bei den Bauarbeiten für das Wasserkraftwerk Lambach sind mehrere Grabstellen aus den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges zutage getreten, in denen möglicherweise Häftlinge aus einem Konzentrationslager oder Kriegsgefangene begraben liegen. Der Respekt vor den Opfern und das Andenken an sie gebieten es, daß mit aller die Menschenwürde achtenden Pietät vorgegangen wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Die Bundesregierung und der Bundesminister für Inneres werden ersucht, nach Aufklärung der seinerzeitigen Geschehnisse alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Opfern eine würdige letzte Ruhestätte zu bereiten.

*****

Lassen Sie uns dies nicht zum Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen machen! Ziehen wir die Konsequenzen aus diesem Fund! Gewähren wir den Toten ihre Ruhe! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.17


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Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder:
Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Kohl. Ich erteile es ihm.

16.17

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollten eigentlich an diesen beiden Tagen die Frage des Kraftwerkbaues in Lambach beraten, wo aufgrund von rechtskräftigen Bescheiden ein Wasserkraftwerk bescheidenen Ausmaßes gebaut werden soll. Es liegt ein rechtskräftiger Bescheid vor. Wir von der Volkspartei stehen zum Rechtsstaat, wir stehen zum Umweltschutz, und wir hätten diese Debatte sicherlich auch geführt. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Kraftwerk wird auf geschichtsträchtigem Boden gebaut. Im Raume von Linz, Wels und Lambach hat sich in den letzten Hunderten von Jahren eine Reihe von kriegerischen Auseinandersetzungen abgespielt. Der Gräberfund, der uns gestern gemeldet wurde, ist daher nur ein neuerlicher Beweis dafür, daß unsere Geschichte uns wieder einholt, wie sie es so oft tut.

Es sind nicht die ersten Gräber, die gefunden wurden. Es sind auch nicht die ersten Gräber, die in der Umgebung des Konzentrationslagers von Mauthausen gefunden wurden. Die Republik Österreich ist in ihrer gesamten Geschichte mit derartigen Gräberfunden immer sorgsam und pietätvoll umgegangen. Ich glaube daher nicht, daß wir hier Sorge haben müssen, daß das nicht auch in diesem Fall so gehalten wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat uns dankenswerterweise Näheres darüber berichtet, was uns auch die grauenvollen Details eines solchen Gräberfundes, gerade wenn er auf rassische Merkmale und ähnliches abstellt, vor Augen führt. Er hat auch darauf hingewiesen, daß heute vormittag die Behörden des Landes Oberösterreich und des Innenministeriums einen Lokalaugenschein vorgenommen haben und daß er einen Bericht des zuständigen Behördenleiters erwartet hat. – Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen mitteilen, ich habe soeben davon gehört. Ich habe mit dem dafür zuständigen Politiker gesprochen. Er versucht Sie seit zwei Stunden in Ihrem Büro beziehungsweise hier im Parlament zu erreichen, aber es ist ihm nicht gelungen. Sie waren unerreichbar. Er wollte Ihnen jedenfalls den Bericht geben.

Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, daß der Herr Bundesminister für Inneres uns Bericht erstattet hat und daß wir jetzt in einer für dieses Haus würdigen Weise nicht die Frage des umweltpolitischen Sinnes oder Nicht-Sinnes, die Fragen des Spannungsverhältnisses von Wasserkraft, Umweltschutz und Rechtsstaat diskutieren – das ist eine Angelegenheit des Landes Oberösterreich –, sondern daß wir zu dem, was in diesem Zusammenhang wichtig ist, nämlich zu diesem Gräberfund, kurze Erklärungen im Hohen Haus abgeben.

Meine Damen und Herren! Alle Toten, die gefunden werden, haben ihr Recht auf Ruhe in Frieden. Und wenn bei jedem Bau, bei dem eine archäologisch vielleicht interessante Mauer gefunden wird, der Bauherr sofort Rücksicht nimmt und alles getan wird, um diese Steine zu sichern, und das völlig selbstverständlich ist, so ist es natürlich auch selbstverständlich und ein Akt der Pietät, ein Akt der Verantwortung, daß dies auch bei Gräberfunden und menschlichen Gebeinen geschieht. (Abg. Wabl: Warum ist es dann nicht passiert?!) Die Achtung vor der Totenruhe in diesem Zusammenhang bezeugt auch die Achtung vor der eigenen Geschichte.

Wir haben Hinweise darauf, daß sich in diesem Raum Gräber aus der napoleonischen Zeit befinden. Wir wissen auch, daß sich in diesem Raum ein Straflager der SS für Angehörige der Wehrmacht befunden hat. Wir wissen, daß in diesem Raum Kriegsgefangene nach dem Zweiten Weltkrieg in amerikanischen Gefangenenlagern angehalten wurden und es dort eine Epidemie gegeben hat. Wir wissen aber auch – und das macht den ganze Gräberfund zu einer besonderen Sache –, daß durch Lambach der Todeszug der ungarischen Juden ging, wo 12 000 Juden in eine der letzten KZ-Bastionen des Nationalsozialismus, nämlich nach Mauthausen, getrieben hätten werden sollen und wo nach historischen Zeugnissen mindestens


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6 000 Juden aus Ungarn eines grauenvollen Todes starben. Wir wissen aus den Aufzeichnungen der Geschichte, daß gerade bei Lambach 21 dieser unglückseligen Opfer des Nationalsozialismus ermordet und auch dort begraben wurden.

Das heißt also, wir haben eine besondere Verantwortung, mit diesem Gräberfund umzugehen. Ich bin daher auch zufrieden damit, daß diesbezüglich alle Fraktionen spontan die Tagespolitik zurückgestellt haben. Das ist ein Zeichen für demokratische Reife, daß wir hier nicht Tagespolitik machen, nicht streiten, wie es in diesem Haus oft üblich und auch keinesfalls negativ ist, weil eben Meinungen oft aufeinanderprallen. Aber wenn es um einen Grundwert geht, nämlich um die Achtung der Totenruhe, so würde es in diesem Land niemand verstehen, wenn man versuchen würde, daraus politisches Kleingeld zu wechseln.

Ich bin auch überzeugt davon, meine Damen und Herren, daß sich die Behörden des Landes Oberösterreich in mustergültiger Weise an Recht und Gesetz – so wie bisher – halten, daß sie Pietät und Ethik respektieren und daß wir daher keinen Grund haben, von vornherein anzunehmen, daß ein Land, das auf seine Geschichte stolz sein kann, daß ein Land, das die Herausforderungen der Geschichtsbewältigung immer wieder angenommen und beantwortet hat, diesmal anders vorgeht. Ich sehe mit Zuversicht den Dingen entgegen und glaube, daß diese Debatte hier im Hause nützlich ist. (Beifall bei der ÖVP.)

16.23

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun der Herr Abgeordnete Dr. Haider. – Bitte schön.

16.23

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen hatten heute ursprünglich das Thema Lambach für die Aktuelle Stunde angemeldet, aufgrund der jüngsten Entwicklungen um dieses Projekt, eben mit dem Auffinden der Gräber, selbstverständlich diese Initiative zurückgezogen, wenngleich wir davon ausgehen, daß man das auch ein bißchen als einen Fingerzeig sehen sollte, daß es nicht ökologische und wirtschaftliche Gründe sind, die jetzt das Projekt zum Stoppen gebracht haben, sondern daß es sich hierbei um eine sehr moralische Frage handelt.

Wir haben immer versucht, im Zusammenhang mit Projekten der Kraftwerksbauer einen Weg zu gehen, der nicht schwarzweißmalt. Denn letztlich haben wir alle gemeinsam versucht, seit Hainburg davon wegzukommen, immer die Ökologie gegen die Ökonomie auszuspielen. Die Wahrheit liegt da halt meist dazwischen. Das hat uns Freiheitliche auch bewogen, gegen die Meinung der Sozialdemokratie, gegen die Meinung der Österreichischen Volkspartei, gegen die Meinung einer großen Baulobby vor Ort, gegen die Meinung von Industrie und Wirtschaftskammer, gegen die Meinung der ÖDK als Kraftwerksbauer, etwa das Projekt Obere Drau viele Jahre hindurch – in unserer Verantwortung als Energiereferenten im Lande Kärnten – negativ zu bescheiden.

Wir mußten uns damals einiges anhören, weil wir nicht willens waren, vor diesen lobbyistischen Interessen eines wahnsinnigen Projektes unser Knie zu beugen, haben aber diesen Widerstand viele Jahre hindurch mit dem Ergebnis ausgehalten, daß just zu dem Zeitpunkt, zu dem der Baubeginn in Lambach verordnet worden ist, die ÖDK, die uns einstmals beschimpft hat, daß wir dieses Kraftwerk Obere Drau mit zwei weiteren Kraftwerken im Raume Spittal/Drau nicht wollten, zugegeben hat, daß unsere Argumente richtig sind, daß sich das Kraftwerk nicht rechnet und daß auch die Eingriffe in die Natur – in Relation zu den ökonomischen Realitäten – nicht gerechtfertigt wären.

Es ist dies ein Projekt, das zeigt, daß es geht, wenn Politik auch ehrlich bei Grundsätzen bleibt und versucht, das zu tun, was alle Parteien in ihre Programme geschrieben haben: nämlich den Weg der Alternativen zu gehen und ernsthaft ein Miteinander von ökologischen und ökonomischen Interessen zugunsten der Bevölkerung und der Zukunftssicherung zu versuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben das getan. Daher sage ich auch hier nicht – so wie einer meiner Vorredner –, daß wir vorbehaltlos für den Ausbau der Wasserkraft sind. Ich halte das genau für den Rückschritt hinter


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Hainburg. Das ist eine Politik ohne Wenn und Aber, die dann wieder alles korrigieren muß, wenn man erkannt hat, daß man sich geirrt hat. Aber die Leidtragenden sind nicht jene, die sich geirrt haben, sondern die Bevölkerung, vor allem die Jugend, der man ein Stückchen Zukunft in unserer gemeinsamen Heimat abgeschnitten hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher hat es mich schon irritiert, daß uns der Landeshauptmann von Oberösterreich gestern via Fernsehen ausrichten ließ, daß er in einem – mehr oder weniger Versprecher – gesagt hat: Wir von der OKA werden weiterbauen. Wir von der OKA! – Diese Identifikation eines Amtsträgers mit Geschäftsinteressen ist geradezu abenteuerlich, aber auch entlarvend gewesen.

Letztlich geht es doch darum, bei jedem Projekt Güterabwägungen vorzunehmen. Gerade bei Lambach ist diese Güterabwägung nicht korrekt vorgenommen. Bei Lambach, meine Damen und Herren, ist es doch wirklich so, daß der Kampf des Verbundes gegen eine Landesgesellschaft im Vordergrund steht. Man will sich dem Zugriff des Verbundes durch Stromeinspeisungen entziehen. Man will kurzfristig Bauaufträge mobilisieren, um zu zeigen, daß man Arbeitsplatzpolitik zu machen in der Lage ist, anstatt Alternativen zu suchen, wie etwa ein fertiges, unbeeinspruchtes Kraftwerksprojekt der SAFE – an dem die OKA auch zu 36 % beteiligt ist –, nämlich in Pfarrwerfen, mit 1,2 Milliarden Schilling Bauvolumen zu beginnen und dafür das umstrittene Projekt Lambach noch einmal zu überdenken.

Man hat auch keine wirtschaftspolitische Güterabwägung vorgenommen, denn letztlich bezieht man heute auf den Spotmärkten den Strom zu einem Produktionspreis von 20 Groschen, während die Produktion im eigenen, neuerrichteten Kraftwerk rund 80 Groschen kosten würde. Ergebnis: Die Menschen müßten das mit höheren Tarifen bezahlen!

Das alles hat man nicht eingesehen. Aber es hat trotzdem aufgrund der jüngsten Ereignisse einen gemeinsamen Entschluß gegeben, jetzt einmal einen Baustopp zu verlangen. Ich halte das für gut. Aber es sollte nicht nur das Ereignis der letzten Stunden sein, das vielleicht den jetzigen Baustopp zu einem dauerhaften Baustopp eines Projektes macht, das nämlich in Wirklichkeit ökologisch und wirtschaftspolitisch unverantwortlich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Auffinden von Kriegsgräbern gebietet uns – auch im Sinne des Kriegsgräbergesetzes aus dem Jahre 1948 –, so zu handeln, wie es das Gesetz vorschreibt. Ich sage das deshalb, weil es nach Ansicht von uns Freiheitlichen keinen Unterschied machen kann, um welche Gräber, um welche Opfer, um welche Tote es sich dort handelt. Es ist die Auszeichnung eines Kulturvolkes, sich Toten gegenüber respektvoll zu zeigen – das umso mehr, wenn in einem Kriegsgräbergesetz festgelegt ist, daß Menschen, die Opfer eines verbrecherischen Regimes geworden sind, das Recht darauf haben, in Ruhe, in Frieden gelassen zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist es auch, was heute zu dieser gemeinsamen Entscheidung in der Präsidialkonferenz geführt hat, und ich hoffe, daß dieser Baustopp von Dauer sein wird. Denn es scheint mir nicht sehr korrekt zu sein, daß bei jedem Antiquitätenfund riesige Areale sofort abgesperrt werden, aber wenn einige Gräber entdeckt werden, deren Dimension man noch gar nicht ausmachen kann, riegelt man sie mit ein paar Plastikschleifen ab und überlegt, ob man nicht nebenbei wieder die Baubagger anfahren lassen soll.

Meine Damen und Herren! Wenn das wirklich geschieht, dann stellen wir uns alle ein schlechtes Zeugnis in bezug auf den Umgang mit Toten, in bezug auf den Umgang mit Menschen, die Opfer eines fürchterlichen Regimes geworden sind, aus.

Daher haben wir Freiheitlichen guten Grund, heute zu sagen, unsere Überlegungen zu Lambach sind mehr als gerechtfertigt. Wir sind dafür, daß es einen Baustopp gibt, weil zu den ökologischen und wirtschaftlichen Bedenken für uns nun auch moralische Gründe hinzugekommen sind, warum dieses Projekt in dieser Form nicht stattfinden darf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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5. Sitzung / Seite 83

16.31

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Ich erteile es ihm.

16.31

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Innenministers war klar, nüchtern und präzise. Leider wurde er schon von den ersten beiden Rednern offenbar nicht mit der notwendigen Konzentration aufgenommen. Der Herr Bundesminister hat uns nämlich dargestellt, daß er als der Zuständige für die Vollziehung von Gesetzen der Meinung ist, daß der bisher vorliegende Befund noch undeutlich ist, daß es weiterer Explorationen bedarf, daß der Befund noch geklärt werden muß, daß daher Erhebungen stattfinden müssen und daß das wirkliche Ausmaß dessen, was hier erst teilweise vorgefunden wurde, noch unbekannt ist im eigentlichen Sinn des Wortes. Er geht daher davon aus, daß es nicht genügen kann, daß nur im unmittelbar jetzt berührten Bereich die Baumaßnahmen, die von diesem Fund betroffen sind, eingestellt werden.

Das war ganz deutlich und präzise. – Ich bin daher eigentlich erschrocken, als Klubobmann Kostelka in seiner Positionierung hinter diese der Vollziehung des Gesetzes aus dem Jahr 1948 folgenden Position insofern zurückgegangen ist, als er vermeint hat, es genüge ein Baustopp im betroffenen Bereich. Ich glaube, da kann es eine solche Einschränkung nicht geben – schon gar nicht, solange der betroffene Bereich noch nicht einmal abgegrenzt ist. Daher meine ich, es könnte sich da vielleicht um ein Mißverständnis gehandelt haben. – Aber so hat es für mich jedenfalls geklungen. Auch die Intervention von Klubobmann Khol hier hat mir so geklungen. Aus beiden Interventionen habe ich herausgehört, daß es sich aus der Sicht beider Herren nur um eine temporäre Problemstellung handeln könnte.

Ich meine, es handelt sich hierbei keineswegs um eine posttemporäre Problemstellung, sondern um eine, die wir überhaupt erst in ihrer wirklichen zeitlichen Dimension abschätzen können, wenn der urgierte Befund vorliegt.

Wenn der Herr Bundesminister ausgeführt hat, daß diesen Befund in Vollziehung der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich als das mit der Erhebung letztlich vor Ort in Bundesangelegenheiten vollziehende Organ zustande wird bringen müssen, so würde ich jetzt hier die Bitte aussprechen wollen, daß er vom Bundesministerium für Inneres in dieser Angelegenheit nicht allein gelassen wird; daß er nicht allein gelassen wird, damit er aus der Doppelbelastung, in der er jetzt schon steht, nämlich gleichzeitig Vollzugsorgan des Landes zu sein bei Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten von Kraftwerken und Eigentümervertreter der ÖKA, jetzt nicht noch unter der dritten Belastung operieren muß und aus dem doppelten ein dreifacher Interessenkonflikt werden kann: den Befund zu erheben, einen Befund, der einen maßgeblichen Einfluß haben kann auf das weitere Schicksal eines Kraftwerkprojektes.

Daher bitte ich, ihn von dieser potentiellen Mehrfachbelastung dadurch zu befreien, daß man ihn nicht alleine läßt. (Abg. Großruck: Unterstellung!) Wenn hier aus den Bankreihen das Wort "Unterstellung" kommt, möchte ich dazu sagen: Das ist keine Unterstellung, sondern das ist ein Ersuchen, etwas zu vermeiden, was anschließend möglicherweise behauptet werden kann. Wenn ich dreierlei Interessen in einer Person wahrnehmen muß, dann ist es unter Umständen eben möglich, nachher zu argumentieren, es sei eine der drei Interessen zu kurz gekommen. Das ist keine Unterstellung in der Absichtslage, sondern das ist eine Befürchtung für das Ergebnis. Das kann – bei aller Redlichkeit – eben leichter mißlingen, wenn man in mehrfachen Interessenkollisionen handelt, als wenn man keine Interessenkollisionen hat.

Der Bundesminister für Inneres ist von seinen Zuständigkeiten her – aus meiner Sicht jedenfalls – frei von Interessenkollisionen. Sein Bericht war überaus klar und deutlich. Ich glaube, es kann hier nur darum gehen, daß wir das, was es an Befunden gibt, mit Sorgfalt abwickeln und mit Sorgfalt behandeln.

Meine Vorredner – insbesondere auch Kollege Haider – haben das durchaus auf den Punkt gebracht: Es ist weniger so sehr die Frage, was sich bei den Nachforschungen ergeben wird, wer diese Toten gewesen sind, sondern es geht darum, daß dort aus einer ganz bestimmten Zeit Tote liegen, die bis zum Beginnen mit diesem Bauwerk in Vergessenheit geraten waren.


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Das ist meiner Ansicht nach ein wichtiges Element, denn es handelt sich dort offenbar um mehrere Tote. Wenn mehrere Tote nach einer so kurzen Zeit wie 50 Jahre bereits in Vergessenheit geraten sind, daß man nicht einmal mehr wußte, daß sie dort bestattet, besser: verscharrt wurden, so ist das ja auch etwas, was uns nachdenklich stimmen sollte.

Genau das alles gilt es jetzt mit Ruhe, Sorgfalt und Behutsamkeit zu behandeln und nicht praktisch schon wieder zu scharren, daß ja nur der Bau möglichst rasch weitergehen kann – sei es auch nur vielleicht ein paar Meter weiter rechts, links, vorne oder hinten.

Würde es sich dabei um ein unbezweifeltes Projekt handeln, wäre diese Einstellung unpassend. Aber es handelt sich ja noch nicht einmal um ein unbezweifeltes Projekt, auch wenn Kollege Khol gemeint hat, es sei ein rechtsstaatlich bereits einwandfrei zustande gekommenes Projekt. – Spätestens seit diesem Fund bedarf es neuer Bewilligungsverfahren.

Nimmt irgend jemand an, daß dieses Projekt jetzt völlig unverändert bleiben kann? Nimmt irgend jemand von denen, die meinen, es muß jedenfalls gebaut werden, an, daß dieses Projekt jetzt völlig unverändert bleiben kann, daß es nicht neuer Bescheide bedürfen wird?

Bei Wahrung des Rechtsstaates kann es auf jeden Fall auch bedeuten, nicht von Bescheiden Gebrauch zu machen, die gar nicht mehr gültig sein können, weil sie nicht mehr zu dem Projekt passen, das jetzt fertig gebaut werden müßte! Es kann nicht unverändert bleiben!

Es wäre ein ganz eindeutiger rechtsstaatlicher Befund, daß, wenn eben neue Fakten hervorkommen, § 69 AVG Platz zu greifen hat, daß möglicherweise diese Bescheide – obwohl schon rechtskräftig – diese ihre Rechtskraft wieder einbüßen und man die Verfahren neu aufrollen muß. Da ist der Umstand der Pietät und der moralischen Verpflichtung, die uns das so geboten erscheinen lassen – vielleicht noch flankiert durch eine ganz nüchterne rechtsstaatliche Feststellung, nämlich daß man aufgrund von Bescheiden, die Ihre Grundlage verloren haben, nicht weiterbauen kann.

Ich glaube, daß es hier nichts anderes als einen von allen getragenen freiwilligen und durchaus auch dem Rechtsstaat entsprechenden Baustopp, und zwar generell, geben kann.

Die Tatsache, daß man auch rechtsstaatlich zurück muß in die Verfahren, bedeutet, daß all das, was vorher nicht ausdiskutiert war – die vermiedene Umweltverträglichkeitsprüfung, die vermiedenen Mitwirkungen der Anrainer –, jetzt nachgeholt werden kann und daß insbesondere – und das halte ich für das Wichtigste – der Kompromiß überhaupt erst neu definiert werden kann. Für einen Kompromiß – wie heute bereits angeklungen – zwischen Ökologie und Ökonomie bedarf es zunächst einmal der Klärung von Vorfragen. Und eine der Vorfragen in Lambach wäre – unabhängig von der ökologischen Seite –: Ist das vom ökonomischen Gesichtspunkt aus überhaupt ein vernünftiges Projekt – selbst dann, wenn es dort ökologisch gar keine Probleme gäbe? Ich sage Ihnen mit dem notwendigen Gewicht meiner jahrzehntelangen Befassung mit Energiefragen: Lambach ist ein Kind unserer verdorbenen Elektrizitätsstrukturen. In einem normal konzipierten Elektrizitätsverbund in einem Land unserer Größe käme doch kein Regionalversorger auf die Idee, ein Kraftwerk um 750 Millionen Schilling zu errichten, ein Kraftwerk, das niemand braucht. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

680 Millionen Schilling, aber wir wissen ganz genau, daß es, wenn man das Unwägbare dazurechnet, 750 Millionen sind. Ich möchte nicht um Zahlen streiten. Mir sind 680 Millionen genauso lieb wie 750 Millionen, 630 Millionen oder 710 Millionen. Es geht jedenfalls um ein Kraftwerk dieser Größenordnung, einer bestimmten Leistung, einer bestimmten Regelarbeit und eines bestimmten Investitionsvolumens. Und wir wissen, daß die kalkulierte Kilowattstunde 180 Groschen kosten würde. Das ist alles bekannt.

Fest steht aber auch gleichzeitig, daß es in das Bedarfs- und Mengengefüge der Republik Österreich überhaupt nicht hineinpaßt, daß wir es nicht brauchen, daß das nur aus der regionalen Sicht eines chauvinistischen Energiepolitikers, der Oberösterreich über alles stellt,


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Sinn machen würde. Das heißt aber: unsorgfältiger Umgang mit Volksvermögen. Wir brauchen nicht die wenigen Kilowattstunden, die Lambach erzeugen kann, tatsächlich, noch dazu in einer Zeit, in der die Verbundgesellschaft, die für die überregionale Mengensicherung zuständig ist, Überschußprobleme hat, Probleme mit historischen Verträgen mit Ungarn, Probleme mit Kohlenverträgen im Zusammenhang mit Voitsberg, Probleme mit der Wasserkraft im Sommer, die mehr Strom erzeugt, als wir brauchen, gleichzeitig aber auch in Konkurrenz steht mit Dumpingpreisprodukten aus französischen Atomkraftwerken und daher im Sommer bestenfalls 20 bis 30 Groschen für den Überschußstrom erlösen kann. Genau in dieser Zeit will man in Lambach produzieren?

Wenn man das alles weiß und wenn man auch weiß, daß nur aus der lokalen Betrachtungsweise der Herren Pühringer und Windner heraus so etwas überhaupt Sinn machen kann, weil es ihnen völlig gleichgültig ist, ob die gesamtvolkswirtschaftlichen Interessen Österreichs dabei Schaden erleiden oder nicht. Solange es nur vor Ort für Sie von Vorteil ist, solange so etwas wirtschaftlich vernünftig ist aus der Perspektive eines Landeshauptmannes Pühringer, so lange werden wir solche Konflikte haben: diesmal in Lambach, das nächste Mal an einem anderen Ort.

Daher meine ich: Wenn man schon ein Projekt dieser Art, das offensichtlich ins Schleudern geraten ist – aus vielen guten Gründen, auch aus solchen Gründen, die, unabhängig von der Energieseite, im gesamten Haus konsensfähig sind, nämlich moralischen Gründen –, aus dem Streit dadurch herausnehmen kann, daß man zwei Schritte zurück macht, dabei aber nicht einmal sein Gesicht verliert, weil man eben diese Schritte durchaus ausschließlich aus der moralischen Dimension heraus machen kann, dann ist das eine durchaus positive Chance. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich wollte hier nur verdeutlichen, daß es durchaus wichtig ist, sich bewußt zu machen, daß man, wenn man das eine tut, den anderen Grund nicht unbedingt verschweigen muß. – Auch Kollege Haider hat darauf hingewiesen – und Sie werden das sicherlich nachvollziehen können, daß ich mich nicht auf ihn bezöge, wenn ich mir nicht ganz sicher wäre, daß er recht hat.

Daher bitte ich Sie: Nehmen auch Sie sich zurück, und versuchen Sie zu begreifen, daß es ein Versäumnis dieser Bundesregierung seit neun Jahren ist, die Strukturreform der österreichischen Elektrizitätswirtschaft nicht in Angriff genommen zu haben, daß Sie aber jetzt vielleicht eine Chance haben – von außen aufgezwungen, zugegebenermaßen –, selber einmal nachzudenken darüber, ob es redlich ist, schon wieder an einen Spatenstich von morgen zu denken, bevor der Befund von heute erhoben ist. Der Befund von heute ist noch nicht klar. Es kann leicht sein, daß die Dimension dessen, was dort gefunden wurde, größer ist, als irgendein Kraftwerk dort zulassen wird. In diesem Sinne bitte ich Sie wirklich: Machen Sie Gebrauch von dieser Möglichkeit!

Eine abschließende Feststellung noch: Solange wir nicht in der Lage sind, uns solche Dinge mit Ruhe und Geduld von den anderen anzuhören – so wie das jetzt von mir –, sondern man mit Zwischenrufen zu intervenieren versucht, obwohl ich mich eines sachlichen Tones befleißigt habe, zeigen Sie, daß es vielleicht vernünftig war, daß nur ein Redner pro Fraktion dazu hier herausgehen sollte, weil Sie keinen Streit haben wollten, denn Sie können nicht streiten: Sie können bestenfalls schimpfen. Und das tut mir wirklich sehr, sehr leid, weil ich glaube: Auch wenn die Sache ans Herz greift, kann man ruhig, hart in der Argumentation bleiben und trotzdem nachher kompromißfähig sein. – Ich danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und des Abg. Kiermaier .)

16.45

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.45

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Über das Kraftwerksprojekt Lambach wird seit geraumer Zeit eine intensive Auseinandersetzung geführt: über ökologische und ökonomische Aspekte. Und beide


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dieser Themengruppen sind in den letzten Tagen und Stunden durch die aktuellen Mitteilungen über die Gräberfunde in den Hintergrund getreten. Ich wollte eigentlich darauf gar nicht eingehen, aber im Lichte der Ausführungen meiner Vorredner dazu doch einige wenige Worte.

Ich war selbst die letzten Tage an der Baustelle im Widerstandscamp. Ich habe mich persönlich davon überzeugt, daß dieser Widerstand völlig und absolut gewaltfrei passiert. (Abg. Mag. Kukacka: Rechtswidrig!)

Ich habe mich aber auch davon überzeugt, daß die Exekutive, die dort ihren Dienst versieht, korrekt und umsichtig vorgeht. Und ich habe – das ist mein persönlicher Eindruck – die Auffassung gewonnen, daß sie eigentlich in vielem die Argumente der Kritikerinnen und Kritiker teilt und das auch in diesem umsichtigen Verhalten zum Ausdruck bringt.

Lambach ist als Projekt ökologisch verheerend. Es ist ganz klar: Hätte man den rechtsstaatlichen Weg, Herr Dr. Khol, eingehalten, dürfte dieses Projekt niemals gebaut werden. (Abg. Mag. Kukacka : Ist falsch!)

Das naturschutzrechtliche Gutachten ist ganz klar: Es wird dieses Areal als das bedeutendste derartige Öko-System in Oberösterreich bezeichnet und die Errichtung der Staustufe Lambach aus naturschutzfachlicher Sicht abgelehnt. Nur wenn man die eigentlich zuständigen EntscheidungsträgerInnen umgeht, kann man zu solchen Bescheiden, wie sie vorliegen, kommen.

Es gibt auch keinen Gegensatz zwischen Ökologie und Ökonomie, denn auch der ökonomische Befund ist ein eindeutig negativer. Dieses Kraftwerk ist genau zur Winterzeit, wenn Strom gebraucht werden könnte, uninteressant mit einer sehr geringen Engpaßleistung im Winter (Abg. Mag. Kukacka: 60 zu 40!), mit einem teuren Strom und vor allem mit dem damit begonnenen Verdrängungswettbewerb unter österreichischen Unternehmungen, die damit im europäischen Kontext weniger bestehen können, als wenn man ein einheitliches, ein geschlossenes Konzept hätte.

Und natürlich fehlt auch dieses Geld, das dort investiert werden soll, diese Hunderte Millionen Schilling, bei anderen Maßnahmen, wo man viel mehr Strom sparen und damit gleichzeitig die Umwelt wesentlich mehr entlasten könnte. Ökonomisch und ökologisch ist der Befund eindeutig. – Doch das ist nicht der Hauptgegenstand meiner Ausführungen heute.

Wir wissen seit einigen Tagen – es gab auch Gerüchte an der Baustelle – über diese Gräberfunde. Jetzt ist es offiziell, jetzt gibt es Erhebungen darüber, wer die Toten waren, welcher Gruppe von Opfern des Nationalsozialismus sie angehören und wie zu verfahren ist.

Wäre Lambach nicht ein derart umstrittenes Projekt, ich glaube, es würde doch niemand in diesem Saal daran zweifeln, daß die Bauarbeiten längst eingestellt wären. In jedem "normalen Fall" – unter Anführungszeichen – würden doch die Bagger bereits lange abgestellt sein. Nur weil es ein umstrittenes Projekt ist, weil der Herr Landeshauptmann einen Justamentstandpunkt eingenommen hat, deswegen müssen die Bagger weiterarbeiten.

Ich will auch in einer Stunde, in der hier alle doch besinnlich sind, nicht darum herumreden, daß es große Gegensätze gibt, und ich finde es nicht richtig, auch wenn wir die Sache mit dem gebotenen Ernst und der gebotenen Pietät abhandeln, daß hier Gegensätze einfach so übergangen werden.

Der Herr Innenminister hat klare Worte gefunden zu dem, was jetzt passiert ist: Er hat gesagt, es bedarf einer würdigen und geziemenden Erhaltung der Gräber, und er hat weiters gesagt, daß die Vorgangsweise der letzten Tage – und das ist eine bemerkenswerte Aussage des Innenministers – nicht mit dem Gesetz vereinbar ist.

Ich frage Sie: Was ist zu tun? Wenn der Innenminister über einen nicht gesetzeskonformen Zustand diesem Haus berichtet, dann, glaube ich, liegt es an uns, die oberösterreichischen Behörden dringlich zu ermahnen, einen gesetzeskonformen Zustand schleunigst herzustellen. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Mag. Firlinger .)


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Gerade in Österreich müssen wir, was die Opfer des Nazi-Terrorregimes betrifft, einen ganz besonders hohen Standard einhalten. Wir müssen von den jeweiligen Vertretungen der Opfer die Standpunkte einholen, und ich meine, wir sind verpflichtet, den strengsten Standpunkt, die strengste mögliche Auslegungsform zu wählen.

Da ich weiß, was in den letzten Tagen passiert ist, selber dort war, es selber gesehen, miterlebt habe, kann auch ich Ihnen berichten: Das ist nicht geschehen, denn man hat am Montag in Kenntnis der Gräberfunde und auch mit der sicheren Ahnung, um welche Gräber es sich hierbei handeln könnte, Teile der Besetzungsstellen geräumt. Demonstrantinnen und Demonstranten wurden weggeschleppt.

Ich glaube nicht, daß das eine Vorgangsweise ist, die mit Pietät und Wahrung der Totenruhe im Einklang steht. (Abg. Rosemarie Bauer: Gulaschsuppe – bei den Gräbern? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube auch nicht, daß es korrekt ist – auch wenn Sie noch so viel zwischenrufen –, daß am Montag, Dienstag und auch heute in der Früh die Bauarbeiten praktisch unvermindert fortgeführt wurden und daß bei einem Lokalaugenschein mit den Behörden des Landes Oberösterreich und in Begleitung von Vertreterinnen und Vertretern der Medien der Baulärm so laut war, daß man gar nicht verstehen konnte, was da ausgeführt wurde. Das ist weder mit der Pietät noch mit dem Gesetz vereinbar.

Ich würde Sie von der ÖVP dringend ersuchen, hier auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in Oberösterreich zu sprechen und zumindest angesichts dieser aktuellen Situation diesen Justamentstandpunkt, der im konkreten Fall auch gesetzwidrig ist, aufzugeben. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Kukacka: Gesetzwidrige Baustellenbesetzungen!) Baustellenräumungen mit Gewalt, fortgesetzte Baggerarbeiten in unmittelbarem Nahebereich der Gräberfunde und ein Augenschein, bei dem man nicht einmal die Ausführungen verstehen kann, weil die Bagger rundherum graben.

Dann kommt hinzu der Bericht des Herrn Landeshauptmannes, in dem er als unzuständiger Behördenvertreter eigentlich bereits sehr klar in eine bestimmte Richtung argumentiert, indem er praktisch nur Präzedenzfälle erwähnt, in denen eine Exhumierung der gefundenen Gebeine für möglich erachtet wurde.

Ich glaube nicht, daß es dem Herrn Landeshauptmann zu dieser Stunde zusteht, über den Innenminister hinweg in diese Richtung zu argumentieren und dies nahezulegen. Denn eines ist klar – und da gebe ich auch dem Abgeordneten Kier völlig recht –: Man wird wohl nicht unmittelbar über einem Gräberfeld – oder auch, wo es sich befand – ein Turbinenhaus errichten. Das heißt, Umplanungen werden notwendig sein. Und dieses Projekt wird in dieser Form aus Gründen des Fundes von Gebeinen nicht möglich sein.

Ich glaube, je eher daher ein derartiger Justamentstandpunkt beendet wird, desto besser wäre es, wieder zu einer geordneten Vorgangsweise zu kommen.

Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen auch zu bedenken, daß sich die Oppositionsparteien hier im Parlament ganz anders als die Behörden des Landes Oberösterreich verhalten haben. Wir wissen auch noch nicht, welcher Gruppe von Opfern die Toten angehören. Wir wissen nicht, welche Interessenvertretungen zu hören sind und wie zu verfahren ist. Aber klar ist, daß momentan die ökologische, die ökonomische Auseinandersetzung zurückzustehen hat.

Wir haben deswegen keine Aktuelle Stunde beziehungsweise keine dringliche Anfrage durchgeführt. Wir wollen zuerst, daß die zuständige Behörde, der zuständige Minister, nämlich der Innenminister, in Ruhe und in angemessener Form eine Entscheidung treffen kann, und wir vertrauen darauf, daß er eine richtige Entscheidung treffen wird.

Ich glaube, die Behörden des Landes Oberösterreich wären gut beraten, ebenso umsichtig zu agieren und nicht zu versuchen – jetzt im Lichte der Gräberfunde –, mit Baggern vollendete Tatsachen zu schaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und Beifall des Abg. Mag. Firlinger .)

16.57


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5. Sitzung / Seite 88

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte aufgrund des Präsidialbeschlusses von heute vormittag, den ich als ein Gentlemen’s Agreement empfunden habe – dieser Ausdruck fiel, wobei ich Gentlemen’s Agreement auch als Gentlewomen’s Agreement empfunden habe – ist damit geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend Wahrung der Totenruhe.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 2.) – Ich danke Ihnen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zur Durchführung einer kurzen Debatte betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 11/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetz geändert wird, eine Frist bis 31. Mai 1996 zu setzen.

Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache aufmerksam, daß gemäß § 57a Abs. 2 des Geschäftsordnungsgesetzes kein Redner länger als fünf Minuten sprechen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. Ich erteile es ihr.

16.58

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben all den Diskriminierungen, denen homosexuelle Menschen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind, gibt es darüber hinaus noch drei Paragraphen in unserem Strafgesetz, durch die sie auch mit Strafe bedroht sind, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren für Handlungen, die für Heterosexuelle zur Selbstverständlichkeit gehören, mit einer Freiheitsstrafe, die auch unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, von Versammlungsfreiheit, von Vereinsfreiheit selbstverständlich widerspricht, denn diese Rechtsgüter sind selbstverständlich für Heterosexuelle, und sie werden Homosexuellen verboten: Das eine ist das sogenannte Werbeverbot, das andere ist das sogenannte Vereinsverbot.

Dann kommt noch etwas dazu, was unter dem Titel – und das ist allein von der Wortwahl her ja bereits ein Ausdruck einer bestimmten Geisteshaltung – eines sogenannten besonderen Schutzalters läuft. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich weiß nicht, wie oft schon in diesem Hause in den letzten Jahren davon gesprochen wurde, zumindest diese drei Paragraphen aus dem Strafgesetz zu eliminieren, wie viele Lippenbekenntnisse aus allen im Hause vertretenen Fraktionen gekommen sind, daß dieses Unrecht beseitigt gehört, und wie lange wir gebraucht haben, um überhaupt einmal Anträge in Justizausschüsse zu bekommen.

Dann hat es diese gegeben. Aber dann wurde nichts anderes gemacht, als versucht, Verzögerungstaktiken zu erfinden oder zu gebrauchen – erfinden muß man sie ja nicht, die Geschäftsordnung gibt diese Möglichkeit –, Unterausschüsse einzurichten, und das für Materien, die eigentlich völlig klar sind, um auf die lange Bank schieben zu können, was man in Sonntagsreden sonst verspricht.

Wir sind jetzt wieder soweit. Ich behaupte, daß die Entscheidungslage zu diesen drei Paragraphen klar ist, daß es keine Argumente mehr gibt, die man irgendwo neu herholen muß, daß es keine Notwendigkeit mehr gibt, sich Experten zu holen, weil sich diejenigen, die sich


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5. Sitzung / Seite 89

damit auseinandergesetzt haben, ohnehin ein Bild gemacht haben. Ich frage mich daher: Was hindert uns, jetzt, da die Koalitionsverhandlungen wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen werden und wir daher auch Zeit hätten, im Ausschuß manche Materie zu behandeln, zu einer Zeit, zu der wir nicht so unter Zeitdruck sind wie dann, wenn ein Regierungsprogramm vorliegt, gerade jene drei Paragraphen, die Menschen nicht nur benachteiligen, sondern über ihnen ein Damoklesschwert der Freiheitsstrafe schweben lassen, zu eliminieren und diese Menschen von diesem Damoklesschwert zu befreien?

Unser Strafrecht nimmt sich etwas heraus, was ich als Liberale sowieso nicht akzeptieren kann. Es nimmt sich nämlich heraus, sich als Sittenwächter aufzuspielen. Ich frage mich: Wo liegt das Strafbedürfnis, wenn es um einen Verein Homosexueller geht? Wo liegt da ein Strafbedürfnis? Wo liegt ein Strafbedürfnis, wenn ein 19jähriger mit einem 17jährigen geschlechtlichen Kontakt hat, völlig freiwillig, selbstverständlich ohne Gewaltanwendung? Diese beiden Menschen würden, wären sie heterosexuell, in unserer Gesellschaft normal anerkannt.

Das ist nichts anderes als eine Ideologie, sage ich jetzt einmal, die meint, Abnormes unter Strafe stellen zu müssen. Wenn das so ist, dann, bitte, sagen Sie es auch so. Reden Sie nicht von irgendwelchen Schutzbedürfnissen, davon, daß man Kinder schützen müsse. Sie müßten wissen, daß wir ein Jugendschutzgesetz haben und es daher keines besonderen Schutzes darüber hinaus bedarf. Reden Sie nicht so, als wollten Sie Menschen durchaus gleichwertig behandeln, aber tatsächlich tun Sie genau das Gegenteil. Dann sagen Sie auch, was Sie meinen! Dann sagen Sie auch, daß das für Sie etwas Abnormes ist, vor dem sich die Gesellschaft schützen soll, damit die Menschen auch wissen, mit welcher Geisteshaltung sie es zu tun haben, wenn Sie verhindern, daß diese drei Paragraphen aus dem Strafgesetz eliminiert werden. Dazu wollen wir Sie auffordern: daß Sie endlich den Boden, diesen doppelten Boden dieser Scheinmoral verlassen!

Es ist kürzlich der Chefredakteur der "Presse" nach Berlin gegangen und hat einen Abgesang auf den "doppelten Boden" hier in Österreich in vielen Bereichen gehalten. Der Artikel im "profil" über die Auseinandersetzung mit dem Freitod einer Redakteurin, die dem kirchlichen Bereich zuzuordnen ist, einerseits, andererseits mit dem Freitod eines Menschen, der eben eine andere Lebensform gewählt hatte, zeigt, wie scheinheilig in dieser Gesellschaft umgegangen wird. Es ist dies eine Scheinheiligkeit, die aber in diesem Fall auch noch dazu führt, daß Menschen, die eben einen anderen Lebensentwurf haben, die eben eine andere sexuelle Orientierung haben, von dieser Gesellschaft auch noch bestraft werden, und zwar mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug! Das wollen wir nicht länger zulassen, und daher haben wir Sie gebeten, endlich Farbe zu bekennen und bis zum 31. Mai diesem Haus einen entsprechenden Entwurf vorzulegen, um diesem Unrecht endlich ein Ende zu machen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

17.03

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Die ÖVP wird diesem Fristsetzungsantrag der Liberalen nicht zustimmen. (Abg. Dr. Schmidt: Es war nichts anderes zu erwarten!) Frau Kollegin Schmidt, Sie haben hier nämlich Unterstellungen vorgebracht. Sie haben in Ihren letzten Ausführungen gemeint, wir lehnten eine Liberalisierung ab, weil wir Homosexualität automatisch als Abnormität sehen.

Ich glaube, Sie haben im Unterausschuß, wo die Experten dazu Stellung genommen haben, nicht genau aufgepaßt. Dort ist nämlich von Frau Dr. Rollett, einer Wiener Entwicklungspsychologin, ganz klar gesagt worden, daß durch Erwachsene sehr wohl ein Einfluß auf die sexuelle Identitätsentwicklung der Jugendlichen ausgeübt werden kann, und zwar deshalb, weil die Zahl der Homosexuellen relativ gering ist und daher die Wahrscheinlichkeit, daß man Jugendliche sucht, die ihre Identität noch nicht gefunden haben, groß ist. Aus dieser Schutzüberlegung heraus lehnen wir eine Aufhebung des Schutzalters ab. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir sehen im § 209 nämlich nicht primär die Diskriminierung von Homosexuellen, sondern primär den Schutz von männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren. Und dieser Schutz rechtfertigt die Beibehaltung des § 209, um die sexuelle Identität der Jugendlichen nicht durch negative Erlebnisse zu prägen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt derzeit ein unterschiedliches gesetzliches Schutzalter für Mädchen und Burschen. Ich möchte nicht verhehlen, daß meiner persönlichen Meinung nach das Schutzalter für Mädchen mit 14 Jahren zu gering ist. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) G erade diesem geringen Schutzalter, Frau Dr. Schmidt, wurde in der Diskussion viel zuwenig Raum gegeben. Daher glauben wir, daß es noch Zeit braucht, bis all diese Dinge wirklich ausdiskutiert sind. Es ist nämlich nicht alles völlig klar, wie Sie hier gemeint haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Um dieser Diskussion noch Raum zu geben, um noch Beratungen durchführen zu können, sind wir für einen anderen Vorschlag, nämlich, daß diese Thematik bis spätestens 1. November 1996 abgewickelt werden soll. Einen diesbezüglichen Antrag haben wir eingebracht; er wird in der Zuweisungssitzung zugewiesen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

17.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

17.07

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor Frau Dr. Fekter hier gesprochen hat, habe ich mir eigentlich überlegt, dem Fristsetzungsantrag, der in der nächsten Sitzung von SPÖ und ÖVP eingebracht wird, zuzustimmen. Diese meine Meinung habe ich nach diesen Worten der Vorsitzenden des Justizausschusses radikal ändern müssen.

Wenn man da sitzt und zuhört, kommt es einem so vor, als wäre man gerade am Ende der fünfziger Jahre – was heißt fünfziger Jahre? Die dreißiger und vierziger Jahre waren fortschrittlicher als das, was die, wie ich glaube, um nichts ältere Frau Dr. Fekter hier gesagt hat; nicht älter als ich, meine ich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn hier wirklich jemand der Auffassung ist, daß es ein sinnvoller Weg ist, menschenrechtswidrige Bestimmungen in Österreich zu diskutieren, indem man die Absicht hegt – und das muß ich ja Ihren Worten leider entnehmen –, Liebe zu kriminalisieren, nämlich solche, die zwischen heterosexuellen Menschen zwischen 14 und 16 "passiert", die noch nicht strafbar ist oder in Österreich nicht strafbar war, dann schwant mir ja ganz Böses.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, was sich die SPÖ denkt. Da hat sich ja noch kein Redner oder keine Rednerin zu Wort gemeldet. (Abg. Dr. Fuhrmann: Ich bin schon eingetragen!) Ah, der Herr Dr. Fuhrmann wird das dann sagen!

Auf welchen grünen Zweig wollen Sie denn eigentlich kommen? Wollen Sie tatsächlich das Schutzalter, das sogenannte Schutzalter, auf 16 Jahre hinaufheben? Wollen Sie tatsächlich, daß man in Österreich mit 16 heiraten darf und gleichzeitig das Recht hat, erste sexuelle Erfahrungen zu machen? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Seien Sie mir nicht böse, aber das ist ja geradezu abartig! (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beschäftige mich vom ersten Tag an, seit ich dem Nationalrat angehöre, mit diesem so unrühmlichen Paragraphen. Und jedes Mal – seit ich Delegierte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates bin – spricht mich dort ein Kollege oder eine Kollegin aus einem anderen Land diesbezüglich an; – und ich geniere mich deshalb für Österreich, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, Paragraphen dieser Art existieren nur mehr in Staaten wie beispielsweise der Türkei und Zypern. Und diese Staaten sind doch, was ihre sexualmoralischen Vorstellungen angeht, sicherlich nicht ein Normmaß für Österreich. Oder wollen Sie das etwa?


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5. Sitzung / Seite 91

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Worte von Frau Dr. Fekter muß man sich ja im Mund zergehen lassen. Der § 209, der Grundrechte, nämlich das Grundrecht auf freie Entfaltung der Sexualität, einschränkt, ist in Ihren Augen ein Schutzparagraph für männliche Homosexuelle. (Abg. Dr. Fekter: Für männliche Jugendliche unter 18 Jahren!) Eine solch abartige Konstruktion habe ich überhaupt noch nie gehört! Das ist ein Schutzparagraph für männliche Homosexuelle! Frau Dr. Fekter, ich möchte Ihnen nur einen Rat geben: Überlegen Sie sich Ihre Worte noch einmal ganz genau, denn das, was Sie hier sagen, gefährdet tatsächlich die Sexualmoral, sollte es in Österreich so etwas geben. Denn die jungen Menschen werden ja richtig verwirrt (Abg. Dr. Fekter: Durch Ihre Rede!) , wenn wir weiterhin mit einer Justizausschuß-Vorsitzenden wie mit Ihnen zu tun haben in diesen Punkten, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden – im wahrsten Sinn des Wortes.

Ich unterstütze den Antrag von Frau Dr. Schmidt, den Antrag auf Frist bis 31. Mai, die ich eigentlich für zu lang halte, aber wir sind hier relativ großzügig und wollen eine anständige Abwicklung der Verhandlungen im Justizausschuß auch in der neuen GP ermöglichen.

Meine Damen und Herren! Es ist bereits alles gesagt worden, und gerade die von Ihnen, Frau Dr. Fekter, zitierte Frau Universitätsprofessor Dr. Rollett hat es am allerdeutlichsten gesagt: Diese Paragraphen haben nichts mit Schutz zu tun, sondern diese Paragraphen sind ein Ausdruck einer bornierten Sexualmoral, mit der ich nichts zu tun haben möchte. (Beifall bei den Grünen.)

17.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. – Bitte, Sie haben das Wort.

17.12

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist vielleicht ganz gut, wenn in dieser Diskussion nach drei Kolleginnen auch ein Mann spricht und versucht, den emotionalen Level wieder etwas herunterzuschrauben. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Frau Kollegin Langthaler und Frau Kollegin Stoisits! Das war ja nicht böse gemeint.

Ich möchte, wenn Sie mir das erlauben und mir ein wenig Ihre geschätzte Aufmerksamkeit schenken, begründen, warum meine Fraktion diesem Fristsetzungsantrag nicht zustimmen wird, hingegen aber dem in der kommenden Sitzung – es geht leider nicht anders aufgrund der Geschäftsordnung – einzubringenden Fristsetzungsantrag auf 1. November, der, wie ich hoffe, dann auch eine Mehrheit bekommen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Haben Sie – nämlich jene, die inhaltlich für eine positive Erledigung der Anträge sind, und ich zähle zu denen, so wie auch meine Fraktion – nicht auch den Eindruck, auch aus dieser kurzen Diskussion jetzt, daß die große Gefahr besteht – für alle, die hinter diesen Anträgen stehen –, daß diese Anträge im Moment in diesem Haus keine Mehrheit bekommen? Bei der Diskussion habe ich dort, wo sie inhaltlich geworden ist und wo Argumente gefallen sind, die gegen die Anträge verwendet worden sind, bei zwei Fraktionen sehr großen Applaus gesehen. Und diese beiden Fraktionen haben bei einer Kampfabstimmung in diesem Haus eben ein oder zwei Mandate beziehungsweise Stimmen mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren vom Liberalen Forum und von den Grünen! Glauben Sie nicht auch, daß es vielleicht besser ist, daß wir jene Argumente, die unter anderem auch Frau Kollegin Fekter gebracht hat, in aller Ruhe mit ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen und jenen von der blauen Fraktion diskutieren sollten. Es kann doch nicht angehen, aus Anlaß der Behandlung dieser Anträge, womöglich eine Viertelmillion junger Österreicher zu kriminalisieren, wenn wir das, von dem die Frau Kollegin Fekter meint, daß es richtig wäre, tatsächlich tun. Ich bin hundertprozentig der Auffassung, daß es nicht richtig ist, dieses sogenannte Schutzalter bei den Mädchen jetzt auf 16 Jahre hinaufzusetzen. Ich glaube, daß sich ein Großteil der österreichischen Jugend dafür beim Nationalrat sehr "bedanken" würde.


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5. Sitzung / Seite 92

Es scheint so zu sein, daß es notwendig ist, diese Dinge in aller Ruhe – unemotionalisiert – noch einmal vernünftig zu diskutieren, sodaß, wie mir persönlich scheint, die irrationalen Ängste derer, die dagegen sind, schwinden und daß die Anträge positiv abgestimmt werden können.

Ich sage noch einmal namens meiner Fraktion: Ich glaube, daß es sinnvoll sein wird, daß wir dann, wenn wir zu dieser Abstimmung kommen – und mit 1. November haben wir auf jeden Fall auch eine Deadline –, dieses Thema einmal vom Tisch haben, denn das gehört jetzt einmal abgestimmt – so oder so, ich hoffe, im positiven Sinn.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich appelliere an die Klubführung der ÖVP, aber durchaus auch an jene der FPÖ, es dann den Abgeordneten dieses Hohen Hauses – seien sie weiblichen oder männlichen Geschlechts – freizustellen, nach ihrer Überzeugung abzustimmen. Unser Klubobmann, Herr Dr. Kostelka, hat diesen Vorschlag schon einmal gemacht. Ich meine, daß das sehr sinnvoll wäre – wir brauchen offensichtlich auch noch Zeit, die Dinge in Ruhe zu besprechen –, von diesem hohen Emotionalitätslevel wegzukommen.

Ich glaube daher, es ist ein vernünftiger Kompromiß – sosehr ich das auch schon gerne erledigt hätte –, wenn wir mit 1. November die Deadline einziehen und das bis dahin befristen. Das ist im Moment von der Vorgangsweise her ein nicht ganz unvernünftiger Kompromiß.

Ich bitte daher um Verständnis, Frau Kollegin Schmidt, daß wir Ihrem Antrag nicht beitreten werden, aber ich lade Sie ein, dann dem Antrag bezüglich 1. November auch zuzustimmen, weil Sie damit erreicht haben – was auch durchaus im Interesse von mir persönlich und meiner Fraktion ist –, daß dieses Hohe Haus dann weiß, bis dahin muß es erledigt sein, und da gibt es kein Schieben, und da gibt es auch nicht mehr den Verdacht – begründet oder unbegründet –, daß nur noch geschoben wird. Bis 1. November dieses Jahres haben wir das erledigt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Ofner gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.17

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Materie, hinsichtlich derer der Fristsetzungsantrag, über den wir diskutieren, gestellt worden ist, verlangt es, daß jeder nach seiner eigenen persönlichen Vorstellung entscheidet. Ich habe daher vor, diese meine kurze Wortmeldung auch nicht im Namen meiner ganzen Fraktion abzugeben, sondern in meinem eigenen.

Ich möchte eines in Erinnerung rufen: Man könnte den Eindruck gewinnen, daß es jetzt schon um den Inhalt der zu treffenden Entscheidung geht, um die Materie selbst, aber das ist nicht der Fall. Es geht darum, daß ein Thema, das seit Jahren auf dem "Herd" steht, endlich zu einem Ende gebracht wird – entweder in dem einen oder in dem anderen Sinne.

Jeder von uns hat Tendenzen in der einen oder anderen Richtung, es wird aber auch etlichen egal sein. Aber wenn etwas schon lange als Anliegen auch an das Hohe Haus herangetragen wird, dann sollte man irgendwann einmal den Mut besitzen, auch darüber zu entscheiden und ja oder nein zu sagen. Nur darum geht es heute, nicht um den Inhalt.

Ich persönlich glaube aber, daß die Frist mit 31. Mai – aus demonstrativen Gründen vielleicht; ich kann mir nicht vorstellen, daß die Initiatoren wirklich geglaubt haben, daß dieser Zeitraum reichen könnte – etwas knapp gefaßt erscheint. Ich persönlich aber werde der Fristsetzung fünf Monate länger, nämlich bis 1. November – tatsächlich ist es der 31. Oktober –, zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.


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Ich bitte die Plätze einzunehmen.

Bitte um Aufmerksamkeit. – Herr Kollege Scheibner, geht es ein bisserl schneller? (Abg. Scheibner: Ich bin nicht mehr der Jüngste! – Heiterkeit.) Ja, man merkt es. (Neuerliche Heiterkeit.)

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 11/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, eine Frist bis 31. Mai 1996 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist damit abgelehnt .

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung betreffend Volksgruppenförderung in den Jahren 1993 und 1994 wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr der Abgeordnete Dr. Antoni. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit maximal 20 Minuten.

17.21

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zurück zur Diskussion über die beiden Berichte der Bundesregierung über Volksgruppenförderung in den Jahren 1993 und 1994. Wir diskutieren diese zwar etwas verspätet, aber dennoch darf ich namens meiner Fraktion schon darauf hinweisen, daß eben diese beiden Berichte einmal mehr deutlich machen und aufzeigen, daß sich unser Staat – und ich meine damit Bund, Länder und selbstverständlich auch Gemeinden – nachhaltig und, wie ich meine, relativ leicht belegbar um unsere Volksgruppen kümmert.

Bei sorgfältigem Studium der vorliegenden Berichte wird klar, daß erfreulicherweise weit über die offizielle Volksgruppenförderung hinaus Mittel aus den verschiedenen Ministerien den Volksgruppen zufließen. Ich darf hier nur ein paar Beispiele ansprechen:

So fördert beispielsweise das Bundeskanzleramt mit zusätzlichen Mitteln zweisprachige Kindergärten, politische Bildung, Publizistik, Sprachforschung, insbesondere Volksgruppensprachen. Das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten fördert mit zusätzlichen Mitteln Maßnahmen für kulturelle Aktivitäten, Bildungsförderungsmaßnahmen, Maßnahmen zum interkulturellen Lernen und anderes mehr.

Das Bundesministerium für Jugend und Familie schüttet zusätzliche Mittel für mehrsprachige Unterrichtsmaterialien, für mehrsprachige kulturelle Maßnahmen sowie für zweisprachige Lern- und Arbeitsmaterialien aus.

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten stellt Mittel für Kulturfahrten im interethnischen Sinn und für interethnische Aktivitäten zur Verfügung.

Das Bundesministerium für Finanzen stellt zusätzliche Mittel für diverse Übersetzungskosten sowie lebende Subventionen bereit.

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung fördert mit zusätzlichen Mitteln Studien, interethnische Projekte und wissenschaftliche Arbeiten. – Und ganz ähnlich, meine sehr geehrte Damen und Herren, verhält es sich bei den vielfältigen volksgruppenspezifischen Förderungen der betroffenen Bundesländer und Gemeinden.

Die Volksgruppen erhalten also im Grunde genommen ein Vielfaches jenes Betrages, der als spezifische und offizielle Volksgruppenförderung angeführt ist, und ich glaube – hier stimme ich


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mit Herrn Dr. Ofner sehr wohl überein –, daß das gut so ist, daß das sehr richtig ist, daß diese Förderungen fließen.

Sämtliche Förderungsmittel werden, wie aus den Unterlagen hervorgeht, auf insgesamt 145 Volksgruppenvereine aufgeteilt, und zwar werden 36 kroatische Vereine, 72 slowenische Vereine, 23 ungarische Vereine, 7 tschechische Vereine, 3 slowakische Vereine und 4 Vereine der Roma und Sinti gefördert; insgesamt also 145 Vereine, das sind etwa 90 Prozent aller auf der Ebene der Volksgruppen angemeldeten Vereine. Daraus läßt sich sehr deutlich und, wie ich meine, einmal mehr positiv ablesen, daß die vorhandenen Förderungsmittel nahezu allen Volksgruppenangehörigen zugute kommen.

Ich darf nebenbei noch meiner Genugtuung Ausdruck verleihen, daß im Jahre 1995 die Volksgruppenförderungen – wie das leider nicht in allen Bereichen der Fall ist, aber hier doch – um 10 Millionen Schilling erhöht wurden.

Meine Damen und Herren! In wenigen Tagen, nämlich am 4. Feber, jährt sich – und das darf und muß hier heute auch gesagt werden – das fürchterliche Attentat auf Angehörige der Volksgruppe der Roma in Oberwart. Ich darf in diesem Zusammenhang, Frau Kollegin Stoisits, dich ansprechen. Ich war eigentlich schon sehr verwundert bis enttäuscht, als ich just wenige Tage vor diesem Zeitpunkt deine Aussagen in den Medien vernehmen und in der Presse lesen konnte, wonach du gemeint hast, jetzt ist ein Jahr vergangen, und es ist eigentlich nichts geschehen nach diesen fürchterlichen Vorkommnissen.

Ich möchte sagen, ich schätze dein Engagement für die Volksgruppen sehr, meine aber, daß du hier in manchen Bereichen doch fallweise überziehst. Wenn die Regierung 30 Millionen Schilling an Volksgruppenförderung anbietet, dann verlangst du 60 Millionen, Wenn wir über 50 Millionen Schilling reden, dann verlangst du 100 Millionen Schilling, oder du stellst die Behauptung in den Raum, weil die Grünen jetzt neun Jahre im Parlament sind, wurde die Volksgruppenförderung verneunfacht. Ich meine, das ist der falsche Weg in der Volksgruppenpolitik. Volksgruppenpolitik kann und darf doch kein Vehikel für politische Profilierung sein. Das ist doch ein viel zu sensibler Bereich, das ist doch ein Bereich, an den meines Erachtens nach mit viel mehr Ernst und viel mehr Verantwortungsbewußtsein herangegangen werden muß.

Wenn hier nun behauptet wird, da waren vor einem Jahr der Herr Bundeskanzler, der Herr Bundespräsident, der Herr Landeshauptmann und der Präsident des Nationalrates und viele andere hohe Politiker in Oberwart und haben Hilfen zugesagt, aber es sei nichts geschehen, so ist das einfach eine unwahre und unakzeptable Behauptung, die ich hier und jetzt gerne zu widerlegen versuchen werde.

Meine Damen und Herren! Einmal mehr nach den verschiedenen Ressorts aufgeschlüsselt darf gesagt werden, daß auf der Ebene des Bundeskanzleramtes der Volksgruppenbeirat für Roma und Sinti installiert wurde, konstituiert wurde und seither arbeitet, daß die Volksgruppenförderung für die Roma und Sinti 1995 von 2 Millionen Schilling auf 3,5 Millionen Schilling erhöht wurde, daß ein Dokumentations- und Kulturzentrum für Roma und Sinti eingerichtet wurde, eben im speziellen aus Förderungen des Bundeskanzleramtes und der Bundesländer.

Das Sozialministerium engagiert sich, und zwar in Form von Berufsvorbereitungskursen für Roma. Diese Kurse werden angeboten, durchgeführt und auch angenommen. Es werden Berufsbegleitungsmaßnahmen sichergestellt, mit denen zumindest erreicht wurde, daß es bei den erfolgten beruflichen Integrationen bisher keinerlei Drop-outs gegeben hat.

Das Unterrichtsministerium bietet außerschulische Lernbetreuung für Roma-Kinder an. Zwei zusätzliche Lehrer wurden eingestellt. 40 Kinder sind davon betroffen. Die Schulleistungen dieser Kinder haben sich merklich verbessert. Keines dieser Kinder hat derzeit beispielsweise eine negative Beurteilung. Man überlegt heute bereits Möglichkeiten, Kinder, die – und das bedaure ich auch – zur Gänze in den Sonderschulen sitzen, in das Normalschulwesen überzuführen.


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Das Wissenschaftsministerium hat Studienprojekte gefördert. An der Universität in Graz läuft ein Projekt zur Erforschung und Verschriftlichung des Romanes, also der Versuch, die Sprache der Roma zu kodifizieren. Eine Alphabetfibel in Romanes und Deutsch ist in Arbeit – dies mit der Absicht, die kulturelle Identität der Roma zu stärken und zu fördern.

Aber selbstverständlich wurden auch Maßnahmen für die Familien der betroffenen Opfer gesetzt. Unmittelbar nach dem Attentat wurde jeder betroffenen Familie als erste Überbrückung ein nicht zu kleiner Geldbetrag zur Verfügung gestellt. Aus Spendengeldern wurde ein Fonds eingerichtet, der vorwiegend den betroffenen Familien zur Verfügung gestellt wird. Ich möchte hier nicht einzelne Maßnahmen zahlenmäßig veranschaulichen, darf Ihnen aber sagen, die zur Verfügung stehenden Beträge sind beträchtlich.

Geschätzte Damen und Herren! All diese Maßnahmen werden im Einvernehmen mit den Betroffenen durchgeführt. Sie geschehen mit dem Ziel, die Lebenssituation der Roma nachhaltig zu verbessern. Wir halten nichts von kosmetischen Schnellaktionen, sondern wir haben uns bemüht, Maßnahmen einzuleiten, die bereits greifen, Maßnahmen, die aber Teil eines gesamten Projektes sind.

Da nun über die Medien – und das greifen die Medien natürlich gerne auf – zu transportieren, es sei nichts geschehen, halte ich für unseriös und eigentlich bin ich traurig darüber. Denn wenn man sich die Medienberichte der letzten Tage in diesem Zusammenhang anschaut, sieht man, daß darüber ausschließlich Negatives berichtet wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Republik Österreich hat sich wiederholt und nachhaltig zu ihren Volksgruppen bekannt. Ich möchte einmal mehr darauf hinweisen, daß die Reichhaltigkeit unserer Kultur durch die verschiedenen Einflüsse und Originalitäten geprägt ist. Zum heutigen Österreich gehört die Volksgruppe der Kroaten, jene der Slowenen, der Ungarn, der Tschechen und der Slowaken, ebenso wie jene der Roma und Sinti. Sie alle haben zur österreichischen Identität beigetragen und zeugen heute noch davon, daß Österreich einmal ein Vielvölkerstaat war.

Unsere Fraktion, die sozialdemokratische Fraktion, hat vor Jahren, wie Sie wissen, eine ARGE Volksgruppen eingerichtet, in der alle Volksgruppen eingebunden sind, und wir bemühen uns seit deren Bestehen um das Realisieren einer zukunftsorientierten Volksgruppenpolitik, welche, wie wir meinen, in besonderer Weise geeignet ist, den Herausforderungen der Zeit zu entsprechen, welche sich durch die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union und das bedrohliche Umsichgreifen extremer Formen von Nationalismus ergeben.

Europa, meine sehr geehrten Damen und Herren, also die Gemeinschaft der europäischen Staaten, ist multikulturell. Das ist eine Tatsache, eine Gegebenheit, die zu akzeptieren ist. Und ich glaube, mehr noch: Wir erleben gegenwärtig ein ethnisch-nationales Erdbeben, welches die politische Landkarte Europas stärker verändert, als das die beiden Weltkriege getan haben. Die Vielvölkerstaaten Tschechoslowakei, Sowjetunion und Jugoslawien sind zerfallen. An ihre Stelle sind 19 neue Staaten getreten. Vieles, ich glaube, sehr vieles weist darauf hin, daß ethnisch motivierte gewaltsame Auseinandersetzungen bedauerlicherweise auch in das nächste Jahrhundert hineinreichen werden. Im heutigen Europa, in den gegenwärtig 36 Staaten zählen wir nicht weniger als 184 nationale Minderheiten, 184 Volksgruppen. Die Zahl der betroffenen Angehörigen wird auf über 100 Millionen Menschen geschätzt.

Ich meine daher: Die Antwort, die Reaktion auf diese Herausforderungen kann wohl nur eine dynamische und präventive Volksgruppenpolitik sein, begleitet von einem klaren Bekenntnis zur ethnisch-kulturellen Vielfalt, begleitet vom Eintreten zur Überwindung ethnischer Grenzziehungen und Grenzlinien und mit einem Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit.

Dies alles, getragen von Toleranz und gegenseitigem Verständnis, müßte eigentlich ein wichtiger Beitrag für zukunftsorientierte Volksgruppenpolitik sein. Wir Sozialdemokraten werden auf der Basis des in der vergangenen Gesetzgebungsperiode von den beiden Klubobmännern Kostelka und Khol eingebrachten Entschließungsantrages weiterarbeiten. Wir werden uns bemühen, die Arbeit der Volksgruppenbeiräte aufzuwerten. Wir werden uns bemühen, eine


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Konferenz der Volksgruppenbeiratvorsitzenden einzurichten, und wir werden uns darüber hinaus bemühen, auch eine Staatszielbestimmung zugunsten der Volksgruppen festzuschreiben.

In diesem Sinne darf ich Sie einladen, in der XX. Gesetzgebungsperiode mit uns gemeinsam eine fortschrittliche und nach Europa hin orientierte Volksgruppenpolitik zu gestalten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Dr. Frischenschlager hat sich als nächster zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.35

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Liebe leere Regierungsbank! Wenn ich nun meine Ausführungen sehr kurz halte, möge das nicht mißverstanden werden als eine Minderachtung der Wichtigkeit dieses Themas – ganz im Gegenteil –, aber ich glaube, wir haben heute schon einige sehr wesentliche Dinge zu behandeln gehabt. Es wurde schon vieles gesagt; ich möchte das nicht wiederholen.

Zunächst einmal: Der Bericht, der uns vorliegt, ist im Endeffekt eine buchhalterische Auflistung von Förderungsbeiträgen, die sicherlich ihre Richtigkeit haben werden. An sich ist gegen den Inhalt auch so nichts einzuwenden, wenn ich trotzdem hier als Kontraredner spreche und wir diesem Bericht nicht die Zustimmung erteilen werden, dann aus einem Grund: Wir stellen fest, daß dieser Bericht über die Volksgruppenförderung etwas ist, das uns von seiner inhaltlichen Tiefe her zuwenig ist. Wir würden uns wünschen, daß diese Volksgruppenberichte nicht nur jetzt diese Zahlenauflistung enthält – wer hat denn etwas bekommen, welcher Verein, welche Volksgruppe, wieviel auf Schilling und Groschen –, sondern es wäre uns wichtig, vielleicht nicht jedes Jahr, aber vielleicht alle zwei Jahre einen Bericht zu erhalten, der tatsächlich auf die gesellschaftliche, kulturelle, vielleicht auch politische und soziale Situation und auf die Lebensverhältnisse unserer Volksgruppen einginge, einen Bericht, der also tatsächlich eine Diskussionsgrundlage der österreichischen Volksgruppenpolitik sein könnte und auf diese Art und Weise im Parlament auch Anstöße, aber auch wirklich ein planvolles Vorgehen in Sachen Volksgruppenpolitik ermöglichte.

Wenn wir daher heute dagegen stimmen – es ist, glaube ich, das erste Mal –, so geschieht dies deshalb, um dieser Anregung, die ich auch im Verfassungsausschuß schon gemacht habe, einen gewissen Nachdruck zu verleihen. Ich meine, es ist wichtig, daß wir gerade im Hinblick auf die Ereignisse vor fast genau einem Jahr mehr politische, gesellschaftliche und kulturelle Sensibilität und mehr menschenrechtliche Perspektive in die Volksgruppenfrage hineinbringen.

Das ist das Wesentliche, was hier zu sagen ist, und ich meine, daß es nicht nur eine Frage der Mittel ist, wie wir mit unseren Volksgruppen umgehen, wie wir sie in unserer österreichischen Gesellschaft, in dieser Republik behandeln und wie wir ihre Lebensverhältnisse verbessern wollen. Ich glaube, daß das ganze politische Instrumentarium zu überdenken ist.

Das bezieht sich auch auf die Beiräte, die ja nun – nach einem sehr mühseligen, sich fast über Jahrzehnte hinziehenden Prozeß – fast alle installiert sind. Trotzdem meine ich, daß es einige Dinge gibt, die wir dabei zu kritisieren haben. Zum ersten wurde nicht nur bei der Förderung zu Recht von Vorrednern schon kritisiert, daß sich manche Parteienfinanzierung hier in ein Volksgruppengewand begeben hat und auf diese Art und Weise den Volksgruppen Mittel entzogen wurden, wofür ich kein Verständnis habe, sondern wo ich meine, daß das im Sinne der völlig gerechtfertigten Parteienfinanzierung abgewickelt gehört. Mag sein, daß die kommunalpolitische Vereinigung der ÖVP im Burgenland bezogen auf die Kroaten auch eine ethnische Sache ist, aber im wesentlichen ist es eine ÖVP-Angelegenheit, und ich würde, Kollege Khol, doch meinen, daß es der ÖVP nicht schlecht anstünde, wenn sie sagte: Diese Gelder wollen wir für die Volksgruppenarbeit nicht mindern und daher diese rein parteipolitische Finanzierungsebene verlassen. Dasselbe gilt natürlich auch – um hier nicht ungerecht zu sein – für die entsprechende SPÖ-Vereinigung. Ofner hat darauf hingewiesen. (Abg. Dr. Khol: "Immer am lautesten hat sich der Unversuchte entrüstet!" – Werner Bergengruen!) Lieber Kollege Khol! Ich glaube, wir sollten diese Spielchen lassen und vielleicht wirklich gemeinsam diese alten


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Versatzstücke des Parteienstaates hinter uns lassen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Das hat damit nichts zu tun!)

Machen wir es doch! Sagen wir nicht, der andere tut es nur nicht mangels Gelegenheit. Das ist ein beliebtes Spielchen, das hat keinen Sinn. (Abg. Dr. Khol: Schade, daß Karel Smolle nicht mehr da ist! Der verstünde das sehr gut!) Ja, Karel Smolle versteht das sehr gut (Abg. Wurmitzer: Aber er sucht sich schon wieder einen stärkeren Partner!) , und er ist einer, der euch auch darauf hinweist, daß es sinnlos und negativ ist, wenn Mittel, die für kulturelle oder sonstige Aktivitäten der Volksgruppenarbeit dienen sollten, den Volksgruppen entzogen werden und in Parteigruppierungen hineingehen. (Abg. Wurmitzer: Der vorhergehende war zu schwach!) Geht in euch und ändert euch! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zweitens: Es ist, wenn man sich die Volksgruppenbeiräte ansieht, doch so, daß die Parteien nicht nur bei der Förderung eine Rolle spielen, sondern auch bei der Besetzung. Ich möchte darauf jetzt nicht im Detail eingehen, aber man hört da so merkwürdige Dinge, daß auf einmal die Parteien versuchen, ihre Repräsentanten von gesellschaftlichen Vereinigungen aus in die Volksgruppenbeiräte zu entsenden, sodaß diese letzten Endes zu einem beträchtlichen Prozentsatz parteipolitisch dominiert sind. Ich glaube, auch das sollte man überdenken, und ich meine, daß die Repräsentanten der Volksgruppenvereinigungen diejenigen sein sollten, die im wesentlichen die Volksgruppenbeiräte tragen.

Dritter Punkt, auf den ich eingehen möchte – ein Thema, das wir angehen sollten –, ist die verfassungsrechtlich zersplitterte Situation unseres Volksgruppen- und Minderheitenschutzes. Ich meine, wir sollten nicht auf den Staatsvertrag angewiesen sein, sondern wir sollten aus unserem Grundrechtsverständnis heraus im Rahmen der Grundrechtsreform die Volksgruppen- und Menschenrechte, die sich auf ethnische Zugehörigkeit beziehen, in unserer Bundesverfassung verankern, nicht in einem internationalen Vertrag, was immer ein bißchen den Geruch hat, daß es eigentlich des Drucks von außen bedarf, um in Österreich Grundrechte für die Volksgruppen zu verankern.

Letzter Punkt, Kollege Khol: Wir haben heute ein für Europa wichtiges Thema behandelt, und ich meine, daß wir alles daransetzen sollten, um auch auf europäischer Ebene einen Volksgruppen- und Grundrechtsschutz zu bekommen. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Der Europarat hat eine diesbezügliche Initiative gesetzt. Kollegin Stoisits möchte diese Dinge auch vorantreiben und hat einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht, der allgemeine Unterstützung findet.

Ich meine, daß es ein wichtiges Ziel für uns Österreicher sein sollte, ein europäisches Volksgruppenrecht auf europäischer Ebene zu verankern und damit diesem politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedürfnis europaweit auch zum Durchbruch zu verhelfen. Das alles sind Dinge, die mit der Volksgruppenpolitik zusammenhängen und ihre Bedeutung haben, und es würde mich freuen, wenn wir in den nächsten Jahren anhand eines Berichtes debattieren könnten, der tatsächlich wesentlich weiter auf die politischen und gesellschaftlichen Probleme unserer Volksgruppen eingeht. Das wünsche ich mir.

Der heutige zu behandelnde Bericht ist eine Zahlensammlung, was uns zu wenig ist. Aus diesem Grunde nehmen wir ihn nicht zur Kenntnis. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.43

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dem vorliegenden Bericht zur Volksgruppenförderung 1993/1994 kann zugestimmt werden mit der Anmerkung, die Pläne der Beiräte über wünschenswerte Förderungsmaßnahmen in Zukunft noch sensibler zu begutachten, um die Sicherung und die Erhaltung der Volksgruppen in Österreich zu gewährleisten.


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Weiters sind wir auch – und das wurde schon angesprochen – auf eine Ratifizierung der Europäischen Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen und die Rahmenkonvention über den Schutz nationaler Minderheiten eingegangen. Wir werden dem diesbezüglichen Entschließungsantrag heute zustimmen.

Dies allein wird aber noch nicht genügen; wir dürfen in der Minderheitenfrage noch lange nicht zur Tagesordnung übergehen. In den nächsten Tagen findet ein großer Oberwarter Volksgruppenkongreß statt. Ein Jahr nach dem schrecklichen Attentat in Oberwart wurden die Versprechungen, die Bundeskanzler Vranitzky und Kunstminister Scholten den Bürgern vor Ort gemacht haben, noch nicht realisiert.

Vor Ort wurde eine Verbesserung der Infrastruktur versprochen – hinsichtlich Wegebau, Wasserzufuhr und vieles mehr –, aber nicht gehalten. Die Verbrecher, die das Attentat verübt haben, wurden noch immer nicht gefunden, allein eine Beschwichtigungstour gibt es. Zitat des Bürgermeisters Racz: Von der großen Politik nichts erwartet und nichts bekommen – ganz zu schweigen, wie es der Witwe und den Kindern dort geht.

Ich glaube, daß eine Umfrage, eine Untersuchung und eine fünfmonatige Schulung über das Arbeitsmarktservice bei weitem der Lebenssituation dieser Menschen dort nicht helfen beziehungsweise diese nur wenig unterstützt, ja das sogar noch mehr dazu anregt, die Bevölkerung dort auseinanderzudividieren.

Zu den Aktivitäten einzelner Volksgruppenvertreter: Ich glaube, daß die Versuchung, nicht zusammenzuführen und doch vorhandenes Gemeinsames nicht weiterzuentwickeln, meiner Meinung nach sogar – das haben wir des öfteren in der letzten Zeit gehört – auf dem Rücken der Minderheiten zu versuchen, Politik zu machen, um sich selbst zu profilieren, sehr gefährlich ist, zumal bei den verschiedenen Volksgruppen und ihren Vertretungen die Meinungen auseinandergehen und wir gerade da Konsens und ein Hinhören benötigen würden.

Ich glaube aber auch, daß die Zusammenführung nicht nur durch die Integration der Minderheiten, durch eine Politik über Volksgruppenkammern erfolgen kann, weil man sich – und ich habe darüber auch mit einem Verfassungsjuristen gesprochen – sicher nicht einigen könnte, wer diese Kammern "bestückt". Ich glaube, daß der Weg eher über die demokratischen Parteien in den Ländern und im Bund führt. Dafür gibt es zumindest in der ÖVP gute Beispiele – ich nenne da etwa nur die ÖVP Burgenland und Kärnten.

An der bisherigen Gesetzeslage wird von den Volksgruppen, insbesondere aber seitens des Volksgruppenzentrums kritisiert – meine Kollegin Stoisits hört sehr gut zu –, daß es kein effizientes gesamtösterreichisches Vertretungsorgan aller Volksgruppen gibt. Im von der ÖVP vorgelegten Novellierungsvorschlag vom Vorjahr ist die Einrichtung einer ständigen Konferenz der Beiratsvorsitzenden und ihrer Stellvertreter vorgesehen. Darüber hinaus ist auch die Achtung der Minderheitensprachen in bestimmten Bereichen des beamteten Bürokratismus in diese Novellierung einzubauen und zu fixieren.

Es ist von unserer Seite weiters oberste Priorität, eine Staatszielbestimmung über den Schutz und die Förderung der österreichischen Volksgruppen und ihrer Angehörigen einzubauen und festzuschreiben. Ich glaube, daß gerade diese Absicht ein Bekenntnis für die Wahrung der Interessen unserer Volksgruppen ist. Die meisten Staaten gehen mit gutem Grund weit über einen gewissen Mindeststandard hinaus, und auch wir – insbesondere die Volksgruppenfunktionäre, es gibt ja manchmal Unterschiede zwischen den Menschen, die in Volksgruppen leben und jenen, die sie vertreten – täten gut daran, einvernehmlich all diese Ideen, aber auch diese Wünsche so umzusetzen, daß sie auch für alle tragbar sind: zum Wohle der Minderheiten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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17.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

17.48

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sämtliche Zeitungen Österreichs schreiben offenbar die Unwahrheit, der ORF berichtet ausschließlich Unwahres – sowohl Fernsehen als auch Radio –, die ausländischen Medien berichten ausschließlich Unwahres: Ich habe den Eindruck, Kollege Dr. Antoni leidet ein bißchen unter Verfolgungswahn!

Es kann ihm doch nicht entgangen sein, daß es Bilder gibt, die die Wahrheit zeigen. Erst gestern um 22.30 Uhr gab es eine halbstündige Reportage in der Sendereihe "Am Schauplatz" über die Roma-Siedlung in Oberwart (Abg. Dr. Khol: Da waren wir im Plenum!) – es gibt ja auch Videoaufzeichnungen, Herr Klubobmann Khol, ich habe es noch gesehen, um 2 Uhr früh. Das hat Herr Kollege Antoni offenbar nicht gesehen, aber seinen sozialdemokratischen Agitatoren, die ihm das erzählen, was er wahrscheinlich selber nicht weiß, schenkt er eher Glauben.

Nichts von dem, meine sehr geehrten Damen und Herren, was voriges Jahr mit betroffenem Gesicht – mit ehrlich betroffenem Gesicht! – in Oberwart von Spitzenrepräsentanten dieser Republik versprochen wurde, ist umgesetzt worden.

Ganz banale, ganz einfache Wünsche wie eine Telefonzelle in der Nähe der Roma-Siedlung, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurden immer noch nicht erfüllt. Ein Jahr ist vergangen, die Oberwarter Roma wollten ein Telefonhüttel in der Nähe ihrer Siedlung, und das gibt es noch immer nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rede ja gar nicht davon, daß noch überhaupt kein Kubikmeter Mörtel in die Renovierung der Siedlung investiert wurde, daß kein Meter Straße asphaltiert ist. Es gibt den heftigen Wunsch der Bewohner der Siedlung, daß der Wald hinter der Siedlung gerodet wird. Das subjektive Sicherheitsgefühl würde steigen, wenn dahinter nicht gleich der dunkle Wald beginnt. – Nichts, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist geschehen! Das ist eben die andere Seite der Wahrheit.

Es stimmt, Kollege Antoni, daß man für das Dokumentations- und Kulturzentrum für Roma in Österreich in Wien 1,5 Millionen Schilling der Volksgruppenförderung verwendet hat. Diejenigen aber, die tatsächlich, im wahrsten Sinne des Wortes, am Rande der Gesellschaft in Oberwart leben, haben nichts von den 1,5 Millionen, die in ein noch imaginäres Dokumentationszentrum, das ich als solches in der Sache unterstütze, gesteckt wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diejenigen, die jemals dort waren und diejenigen, die im Gegensatz zu Dr. Antoni ein bißchen Zeitung lesen – Frau Kollegin Steibl tut das, sie hat das auch angemerkt –, wissen, daß es dort zum Teil um das blanke Elend geht, und daß man nicht nur ob des schrecklichen Attentats in Oberwart betroffen ist, wenn man das sieht, sondern als Bürger und Bürgerin und erst recht als verantwortlicher Politiker oder verantwortliche Politikerin dieses Landes.

Das ist es, was gesagt werden muß! Und alle, lieber Kollege Antoni, die das nicht tun, die beschönigen, machen sich mitschuldig, wenn eine Situation wie diese prolongiert wird. Das ist es, was jetzt gesagt werden sollte. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grünen sind die letzten, die sich nur für kosmetische Maßnahmen aussprechen. Um Kosmetik geht es uns nicht! Uns geht es darum – ich habe das hier, ich bin ja schon das sechste Jahr Mitglied des Nationalrates, so oft gesagt –, diese Dinge grundsätzlich zu sehen und diejenigen, die am Rande der Gesellschaft leben, in die Mitte der Gesellschaft zu holen, denn das ist der effizienteste Schutz für Minderheiten – das Wort allein birgt schon die zahlenmäßige Unterlegenheit in sich.

Die Mehrheit kann immer über die Minderheit drüberfahren, nichts einfacher als das. Darum ist es ja die Verpflichtung von Politikerinnen und Politikern, Aufklärung dahin gehend zu betreiben, daß die Sensibilität dafür gesteigert wird, daß das Bewußtsein, für Minderheitenrechte zu kämpfen, eine Sache der Mehrheit ist, und daß man das nicht jener Gruppe, die ohnedies dis


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kriminiert, ja sogar ausgesondert ist, wie wir es jetzt auch als Österreicher kennen, überlassen soll.

Die Roma in Oberwart, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind immer toleriert worden, sie sind immer akzeptiert worden – solange sie sich nicht gerührt haben, solange sie nicht kritisiert haben, solange sie am Rande des Orts in einer schnell und schlecht gebauten Siedlung gelebt haben, solange man nichts mit ihnen zu tun hatte. Ja, selbstverständlich hat man sie toleriert! – Es geht hier nicht um Toleranz. Es geht darum, daß die Mehrheit die Verantwortung für die Probleme, für die Anliegen und auch für die Rechte der Minderheit zu übernehmen hat. Das sollte doch die Substanz unserer Politik hier sein.

Ich höre – und das jetzt schon zum wiederholten Male –, daß es Politikerinnen und Politiker gebe, die sich – heute ist dieser Ausdruck auch wieder gefallen – auf Kosten von Attentaten, Morden und Anschlägen profilieren wollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wann, wenn nicht dann, wenn so Schreckliches passiert ist, sind Politiker, Politikerinnen und Parteien aufgefordert, zu handeln und natürlich – je nachdem, was in der Macht des einzelnen steht – auch tatsächlich Einfluß auszuüben und zu handeln?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde als Minderheitensprecherin, als Volksgruppenangehörige ja sehr gerne hier handeln, säße ich zum Beispiel an der Stelle von Herrn Staatssekretär Schlögl, der es in der Hand hat, Maßnahmen zu setzen. Er ist Politiker in der Exekutive, nämlich dort, wo gehandelt werden sollte. Es kann doch nicht als Profilierungsstreben von Oppositionspolitikern bezeichnet werden, wenn sie Kritik am Nichthandeln und Untätigsein üben!

Meine Damen und Herren! Eines – und das hat nichts mit den Morden von Oberwart zu tun – hat mich in der Diskussion um Minderheitenpolitik in Österreich immer schon gestört: daß man das Selbstverständliche zum Besonderen macht, daß man sagt: Da gibt es ja zweisprachige Kindergärten, die in Kärnten gefördert werden, das scheint gar nicht in unserem Bericht auf; das ist doch auch eine wunderbare Leistung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Logisch, daß Zweisprachigkeit komplizierter, teurer und anspruchsvoller ist als bloße Einsprachigkeit – ich habe das auch schon unzählige Male hier gesagt. Ich habe ein Motto für meine Tätigkeit als Minderheitensprecherin und als Kroatin – die neuen Kolleginnen und Kollegen sollten sich das vielleicht merken –: Einsprachigkeit ist heilbar, Zweisprachigkeit ist mehr. Wir Minderheitenangehörige haben Ihnen allen etwas voraus, nämlich diesen großen Schatz, in zwei Kulturen, in zwei Sprachen beheimatet zu sein. Meine Heimat ist kroatisch und deutsch, und die Heimat der Roma in Oberwart und in Wien sollte roman und deutsch sein. Aber die Mehrheit mit ihren Machtinstrumenten und mit ihren Repressionsmechanismen hat es in den letzten Jahrzehnten geschafft, diese Menschen heimatlos zu machen, denn ihre Sprache Roman sprechen sie nicht mehr. Das ist kein selbstverschuldetes Schicksal der Angehörigen der Roma, sondern das ist pure, faktische Machtausübung der Mehrheit.

Ich will hier niemandem ein schlechtes Gewissen machen, denn vielen Menschen in Österreich ist das nicht einmal bewußt, aber ich will jene darauf aufmerksam machen, die jetzt fördern – und Gott sei Dank wird gefördert –, daß sie nicht auch noch herausgehen und sich dafür belobigen lassen, daß sie Menschen – in Oberwart sind von 350 Personen nur 19 aus den KZ der Nationalsozialisten zurückgekommen – nicht zum Vorwurf machen können, daß wir jetzt Geld für sie ausgeben müssen, weil wir eine Fibel machen. Ja wenn das nicht mehr selbstverständlich ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß man Wiedergutmachung auch in dieser Form leistet, können Sie alle aufhören, Minderheitenpolitik zu machen. Die Sprache ist die Wurzel für den Fortbestand jeder ethnischen Gruppe. Die Sprache ist das Identifikationsmerkmal, und durch die Pflege und Förderung der Sprache kann der Bestand der Volksgruppen gesichert werden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte zu den zwei diesbezüglichen Entschließungsanträgen, die heute hier zur Abstimmung stehen, kommen: Alle Minderheitensprecher der einzelnen Fraktionen, auch die Kollegen


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Dr. Schwimmer und Peter Schieder, die Delegationsleiter und Fraktionsführer im Europarat sind, haben – und dafür danke ich ihnen ganz herzlich – hier diesen von mir eingebrachten Entschließungsantrag mitgetragen beziehungsweise mitunterstützt, damit endlich – was ich ja in Wahrheit für eine große Peinlichkeit halte – die Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen, die seit 1992 im Europarat Österreich fix und fertig vorliegt, sowie die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten in diesem Jahr ratifiziert werden. Ich unterlasse es, zu erörtern, warum das noch nicht passiert ist, aber ich freue mich, daß es jetzt soweit ist. Das ist auch ein schrittweises Verbessern unseres internationalen Rufes als ein Land, das sich um die nationalen Minderheiten im Staat kümmert.

Darum verlese ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Dieter Antoni, Ridi Steibl, Dr. Harald Ofner, Dr. Friedhelm Frischenschlager, Dr. Walter Schwimmer und Peter Schieder

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, noch im laufenden Jahr 1996 dem Nationalrat die Europäische Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen und die Rahmenkonvention über den Schutz nationaler Minderheiten zur Ratifizierung vorzulegen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein zweiter Entschließungsantrag hat mit dem eigentlichen Gegenstand der heutigen Debatte zu tun, nämlich mit dem Geld für Minderheiten.

Ich möchte das, was Kollege Ofner zu Beginn gesagt hat, noch einmal unterstreichen. Ich finde es sehr befremdlich, wie ein Gesetz, in dem steht, ein jährlicher Bericht über die Förderungen ist abzugeben, gehandhabt wird. Wir haben heute den 31. Jänner 1996 und sprechen über den Förderungsbericht, der ja eigentlich jährlich abzugeben wäre, von 1993. Der Bericht ist jetzt im Jänner dem Nationalrat zugeleitet worden.

Ich bitte Sie, lieber Herr Staatssekretär, und die Damen und Herren des Bundeskanzleramtes, die das zu administrieren haben, daß man in Zukunft ein bißchen mehr Wert darauf legt, daß das nicht drei Jahre im nachhinein passiert, sondern auch ein Staatssekretär und die zuständige Abteilung sollten sich an die Gesetze halten, die von einem jährlichen Bericht sprechen. Unter jährlich verstehe ich, daß wir eigentlich in ein paar Monaten den Bericht 1995 diskutieren sollten. Aber ich glaube, Sie sind selbst beschämt über diese Zeitverzögerung, und meine, daß das bald der Fall sein wird.

Meine Damen und Herren! Die Volksgruppenförderung hat sich in den letzten Jahren wesentlich erhöht. Und ob Sie jetzt meinen, daß das damit zu tun hat, daß die Grünen im Nationalrat vertreten sind oder nicht, das bleibt Ihnen überlassen. Tatsache ist jedenfalls: Seit es ein Minderheitenmandat bei den Grünen gibt, gibt es seltsamerweise – vielleicht auch zufällig, aber doch – auch Minderheitensprecher in anderen Parteien, auch ein Interesse und auch eine gewisse, von mir als sehr positiv empfundene Gesprächskultur und Ansprechpartner. Darüber freue ich mich als grüne Abgeordnete. Auch mein Vorgänger in dieser Funktion hat hier schon Beträchtliches geleistet.

Die Mittel, die den Volksgruppen aufgrund des Volksgruppengesetzes als Volksgruppenförderung zur Verfügung stehen, erhöhen sich laufend. Darum bin ich ein wenig verwundert über die Aussage der Minderheitensprecherin der ÖVP, die ich gelesen habe, obwohl sie es hier nicht so gesagt hat. In der Zeitung stand zu lesen, daß sie meint, daß die Mittel gleichbleiben sollten. Aufgrund des niedrigen Ansatzes bin ich der Ansicht, daß das Gegenteil der Fall sein sollte, die Mittel müßten wesentlich erhöht werden, damit wir uns auch da auf europäisches Niveau begeben. Denn es ist ja jetzt in Österreich so schick und so in, immer zu sagen, wir sollen auf europäisches Niveau kommen. Was die Volksgruppenförderung angeht, sind wir absolut nicht auf europäischem Niveau.


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Darum stelle ich folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, zum Zwecke der Erhaltung und der Sicherung des Bestandes der Volksgruppen in Österreich die Volksgruppenförderung innerhalb der nächsten drei Jahre schrittweise auf 100 Millionen Schilling zu erhöhen.

*****

Das ist etwas, womit wir zwar noch nicht auf europäischem Niveau wären, aber es würde eine große Verbesserung darstellen und etwa in Relation zu dem stehen, was zur Deckung der Forderungen und Anträge für Projekte, die inzwischen bei den von allen Volksgruppen konstituierten Beiräten gestellt werden, notwendig wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuletzt noch ein paar Worte zu etwas, was mich alljährlich ärgert. Staatssekretär Schlögl hat meinem Kollegen Voggenhuber im Verfassungsausschuß dankenswerterweise zugesagt, er werde sich jetzt darum kümmern und das endlich abstellen.

Das hat sich nicht die Minderheitensprecherin der Grünen ausgedacht, sondern das ist etwas, was mir Bundeskanzler Dr. Vranitzky in einer Anfragebeantwortung vom Juli letzten Jahres geschrieben hat. Ja, das muß er halt zur Kenntnis nehmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da schreibt in der Anfragebeantwortung der Herr Bundeskanzler, daß für das Förderungsjahr 1994 dem von mehreren Kollegen bereits erwähnten Präsidium der kroatischen und gemischtsprachigen Mandatare des Burgenlandes, einer Organisation von Mandataren der SPÖ, zur Deckung von Mietkosten 147 700 S bezahlt worden sind. Diese Kosten sind tatsächlich bezahlt worden, nämlich dem sozialdemokratischen Gemeindevertreterverband Burgenland, und zwar den Gemeinden Siegendorf, Stinatz und Oslip, und es wurden auch Rechnungen von Transportunternehmen damit beglichen. Also dem sozialdemokratischen Gemeindevertreterverband! Wenn das nicht lupenreinste Parteienfinanzierung ist, dann frage ich mich, was Parteienfinanzierung sonst ist. Das Geld aus dem Topf Volksgruppenförderung fließt direkt zu den sozialdemokratischen Gemeindevertretern, die – und das muß man ja wissen – ihr Büro im Haus der SPÖ-Burgenland, Johann Permayer-Straße, haben. Das Geld fließt also direkt von der Volksgruppenkasse in die SPÖ-Kasse.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und – die sind ja noch viel unverschämter, als man vermuten würde – für die Telefonbenützung überweist das Präsidium das Geld gleich direkt an die SPÖ-Burgenland! (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer .)

Meine Damen und Herren! Ich bin die letzte, die etwas dagegen hätte, wenn sich zweisprachige Gemeindevertreter auch minderheitenpolitisch engagieren. Aber daß man ganz einfach pauschal das Geld in die Kasse der SPÖ überweist (Abg. Wurmitzer: Sie haben zugestimmt!) – Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, freuen Sie sich nicht zu früh, ähnliche Peinlichkeiten gibt es auch bei der ÖVP –, das geht doch wohl ein bißchen zu weit. Aber ich bin froh darüber, daß sich der engagierte, relativ neu im Amt befindliche Staatssekretär dieser nicht besonders erfreulichen Dinge annehmen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Problem der Parteienfinanzierung treibt ja ganz besondere Blüten in Österreich. Da bekommen die Parteien Geld für Volksgruppenförderung und sind dann nicht einmal imstande, dieses Geld auch dafür auszugeben. Das ist es, was ich in Wahrheit für skandalös halte. Es ist nämlich so, daß man den SPÖ-Mandataren Geld für Volksgruppenförderung gegeben hat, das sie dann ein Jahr später, weil sie es nicht ausgegeben haben, zurückzahlen mußten. Genau dieser Betrag, nämlich die 179 000 S, ist dann aber in das Budgetnirwana zurückgefallen. Es sind nicht etwa engagierte zweisprachige Projekte, egal jetzt, ob im Burgenland, in Wien oder Kärnten, damit gefördert worden, sondern die Einfallslosigkeit von sozialdemokratischen Gemeindemandataren hat dazu geführt, daß dieses Geld der Volksgruppe entgangen ist. Das gehört doch wirklich abgestellt!


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Aber damit die ÖVP auch nicht ganz ungeschoren davonkommt: Die ÖVP-Politiker haben es – das steht alles im Bericht – im Jahre 1993 geschafft, von der Förderung, die 400 000 S ausgemacht hat, 99,7 Prozent für Büroausstattung und Büromaterial zu verwenden, das heißt, nur ganze 0,3 Prozent für Projekte, kulturelle Aktivitäten, zweisprachige Publikationen oder was auch immer sinnvoll wäre. Das ist auch österreichische Realität.

Aber, meine Damen und Herren, erstmals bin ich optimistisch und hoffe, daß das der Vergangenheit angehört. (Beifall bei den Grünen.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden von Frau Abgeordneter Stoisits vorgetragenen Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt. Sie werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Als nächster hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schlögl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

18.08

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Stoisits! In gebotener Kürze möchte ich nur zu drei Punkten Stellung nehmen.

Erstens: Ich glaube, daß es falsch ist, wenn man behauptet, daß in Sachen Volksgruppenförderung in den letzten Jahren nichts geschehen ist. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Ich glaube, daß es ein wirklich radikales Umdenken gegeben hat und daß sehr viele zusätzliche Maßnahmen gesetzt worden sind, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen sind. Vor allem in finanzieller Hinsicht hat sich sehr, sehr viel getan.

Wenn Sie heute hier einen Initiativantrag stellen und sagen, Sie wollen, daß innerhalb kürzester Zeit, nämlich innerhalb von drei Jahren, diese Förderung auf 100 Millionen Schilling aufgestockt wird, um einigermaßen an das europäische Niveau heranzukommen, so muß ich Ihnen sagen, daß die Republik Österreich bereits viel mehr als 100 Millionen Schilling dafür ausgibt. Im Jahre 1993 hat das Bundeskanzleramt etwa 36 Millionen Schilling aufgewendet. Im Jahre 1995 waren es weit über 52 Millionen Schilling. Die Mittel wurden also deutlich aufgestockt. Darüber hinaus haben alle anderen Ministerien außer dem Bundeskanzleramt im Jahre 1993 – diese Zahl steht mir zur Verfügung – rund 137 Millionen Schilling für diverse Maßnahmen ausgegeben. Und im Jahre 1994 haben die Länder für verschiedene Förderungsmaßnahmen über 90 Millionen Schilling ausgegeben. Das heißt, wenn ich das zusammenrechne, komme ich auf einen Betrag, der deutlich höher ist als jener, der von Ihnen in diesem Initiativantrag gefordert wird.

Das zweite, was für mich sehr, sehr wichtig ist, ist, daß man natürlich bei allen Förderungen sehr kritisch überprüfen muß, ob der Förderungszweck auch wirklich erfüllt wird. Und das soll man nicht nur auf die beiden Organisationen beschränken, die Sie hier genannt haben, sondern man sollte alle, die in den Genuß von Förderungen kommen, stärker überprüfen. Ich stelle in Frage, ob es wirklich im Sinne der Volksgruppen ist, wenn ausschließlich Tanburicagruppen oder ähnliches gefördert werden. Das heißt, in diesem Falle müßte man sich mit den Volksgruppen – nicht gegen sie – zusammensetzen und gemeinsam analysieren und überprüfen, in welchem Bereich die Förderung wichtig und notwendig ist, und schauen, daß noch gezielter, als es in der Vergangenheit der Fall war, konkrete Projekte, die die Volksgruppen, ihre Arbeit und ihre Interessen unterstützen, gefördert werden und nicht Dinge, die eigentlich schon zur Tradition, also selbstverständlich geworden sind. Ich bin da ohne Zweifel d’accord mit dem Abgeordneten Ofner, wenn er meint, daß der eigentliche Zweck der Volksgruppenförderung nicht unbedingt Kirchenförderungen oder Orgelförderungen sein sollten.

Ich bin gerne bereit, gemeinsam mit den Volksgruppen, aber nicht gegen die Volksgruppen zu diskutieren. Da einige Abgeordnete auch Mitglieder in den verschiedenen Beiräten sind, bin ich überzeugt davon, daß wir das in der nächsten Zeit schaffen werden.

Zuletzt – und das scheint mir auch sehr wichtig zu sein – noch zur Frage des Berichtes. Es war nicht so, daß der Bericht 1993 erst im Jänner 1996 ins Parlament gekommen ist, aber er ist


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ohne Zweifel verspätet ins Parlament gekommen. Das hat seine Ursache darin, daß ein Bearbeiterwechsel im Bundeskanzleramt stattgefunden hat. Aber sowohl der Bericht 1993 als auch der Bericht 1994 wurden in der Jahresmitte 1995 dem Parlament übermittelt. Infolge der Auflösung des Nationalrates und der Neuwahlen konnte er jedoch erst heute behandelt werden. Das heißt, der Bericht wurde nicht 1996, sondern Mitte 1995, also ein halbes Jahr früher, übermittelt. Trotzdem verspreche ich, daß der Volksgruppenförderungsbericht 1995 zeitgerecht, das heißt Mitte des Jahres 1996, dem Parlament übermittelt wird.

Schlußendlich möchte ich sagen: Ich glaube, man sollte jetzt nicht versuchen, politisches Kapital aus den Ereignissen zu schlagen, die vor einem Jahr in Oberwart passiert sind, weder auf meiner Seite noch auf Seite irgendeiner politischen Partei. Aber ohne Zweifel ist in diesem einen Jahr doch einiges geschehen: Es wurde der Roma-Beirat gegründet, es wurde die Förderung für die Roma deutlich erhöht, nämlich von 2 Millionen auf fast 4 Millionen Schilling. Es hat eine Reihe von wichtigen Projekten gegeben, was die Berufsausbildung anbelangt, die sehr gut angelaufen sind. Im Gegensatz zu anderen Aktionen sind die Leute, die bei dieser Berufsausbildungsaktion, gefördert durch das AMS, mitgemacht haben, bis zum Schluß dabeigeblieben, es hat also keine Drop-out-Quote gegeben. Die Schulausbildung der Kinder aus Romafamilien in Oberwart war sehr schlecht, auch die schulische Leistung war sehr schlecht. Durch gezielte Förderungsmaßnahmen ist innerhalb kürzester Zeit eine deutliche Verbesserung erzielt worden.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von anderen Maßnahmen. Der Landeshauptmann des Burgenlandes und die burgenländische Landesregierung arbeiten derzeit an einem Wohnbausonderprogramm für die Roma. Ich glaube, das ist auch sehr wichtig und wird spätestens mit Ende dieses Jahres auch beschlossen werden.

Das heißt also, man kann immer mehr machen. Trotzdem bin ich sehr glücklich und zufrieden mit dem, was bisher geschehen ist. Ich darf Ihnen versichern, daß es nicht um den kurzfristigen Erfolg geht, sondern um Maßnahmen, die langfristig dazu führen, daß die Roma eingegliedert werden.

In diesem Sinne herzlichen Dank an alle Debattenredner, die sich bisher gemeldet haben. Ich werde versuchen, einen Teil Ihrer Anregungen und Wünsche auch in der konkreten Arbeit in Zukunft umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

18.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit maximal 10 Minuten.

18.15

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe der Diskussion über die Volksgruppenförderung sehr aufmerksam zugehört, kann mich mit vielem von dem, was meine Vorredner gesagt haben, identifizieren und möchte nur einige kurze Anmerkungen anbringen, dies vor allem deswegen, weil der Herr Staatssekretär vieles von dem, worauf ich eingehen wollte, vorweggenommen hat.

Beachtlich scheint mir der Hinweis des Kollegen Frischenschlager zu sein. Ich muß sagen, auch ich habe mich beim Lesen des Volksgruppenberichtes manchmal nicht ganz wohl gefühlt, weil ich nur eine taxative Auflistung von Zahlen vor mir gesehen habe. Seine Anregung, in einem möglicherweise zweijährigen Rhythmus einen Volksgruppenbericht vorzulegen, der die Lage der Volksgruppen, die Perspektiven der Volksgruppen und damit natürlich auch die Integration der Volksgruppen in die Mehrheitsbevölkerung zum Inhalt hat, scheint mir sinnvoll zu sein und wird von mir persönlich unterstützt. Ich glaube, wir würden damit für die Volksgruppen mehr tun, was wir letztlich wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich stimme mit Kollegin Steibl und Kollegen Antoni überein, wenn sie Kollegin Stoisits aufgrund ihrer Darstellung nach außen hin kritisieren. Auch ich habe ja da einiges anzuführen, ganz


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einfach deswegen, weil ich als Burgenländer ein ganz persönliches Naheverhältnis zu all dem habe, was Volksgruppen betrifft.

Sie sagt zum Beispiel im Burgenland permanent – irgendwie giftet es mich, daß sie das sagt, ich habe sie noch nie korrigiert, aber heute muß ich es ganz einfach loswerden –, ich, Terezija Stoisits, bin die einzige Abgeordnete im Nationalrat, die einer Minderheit angehört. Dies wider besseres Wissen. Neben ihr sitzt Paul Kiss, der der ungarischen Minderheit angehört. Meine Muttersprache ist Ungarisch, aber was soll’s.

Zum zweiten. Ich weiß, daß vom Gleichnis des Fuchses, dem die Trauben "zu sauer" sind, manches auch auf die Grünen im allgemeinen und auf Stoisits im besonderen umzulegen ist. Es giftet sie, daß die Grünen nicht an Förderungen herankommen, die aus dem Topf der Volksgruppen kommen. Und sie unterstellt grundsätzlich der ÖVP und der SPÖ, also dem Präsidium und der ARGE, sie würden, aus welchen Gründen auch immer, Geld der Volksgruppe vorenthalten, um sich zu bereichern, um klassische Parteienfinanzierung zu betreiben. Dem ist nicht so.

In Wahrheit gibt es verantwortliche Kommunalpolitiker in beiden politischen Parteien, die bereit sind, sich in ihrer Freizeit mit Menschen, die in anderen Organisationen tätig sind, zusammenzusetzen, Perspektiven zu erarbeiten, Entwicklungen vorauszusehen und Maßnahmen zur Verbesserung des Loses der Volksgruppen zu setzen. Das ist die Wahrheit, darum geht es auch, Kollege Ofner, genau! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn es so wäre, wie Kollegin Stoisits behauptet, daß nämlich sie oder die Grünen es gewesen seien, die dazu beigetragen hätten, die Volksgruppenförderung eigentlich fast schon ins Astronomische steigen zu lassen, dann muß ich sagen, auch das stimmt nicht.

Ja, es stimmt, als ich in den Nationalrat gekommen bin, hat die Volksgruppenförderung per anno 4 Millionen Schilling betragen. Mittlerweile ist es ein Vielfaches jenes Betrages, aber nicht, weil die Grünen da drinnen sind, nicht deswegen, weil Kollegin Stoisits da drinnen ist. Ich möchte sie nur höflich daran erinnern: Die ÖVP im Burgenland, beispielsweise ein Karall, hat sich schon der Volksgruppenthematik, der Minderheitenproblematik zu einer Zeit angenommen, als es die Grünen noch gar nicht gegeben hat. Das war in den fünfziger und in den sechziger Jahren. Das ist bei uns gelebtes Selbstverständnis für Volksgruppenentwicklung gewesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Gar so weit kann es ja nicht her sein mit der Identität der burgenländischen Bevölkerung, wieder nur auf das Burgenland bezogen, mit dem, was die Grünen permanent ultimativ fordern. Ich nenne nur die Wahlergebnisse der letzten Nationalratswahl. Die Wahlergebnisse der letzten Nationalratswahl sind für die Grünen bedauerlicherweise nicht nur österreichweit sehr weit in den Keller gesackt, sondern im Burgenland sind sie im besonderen runtermarschiert. In den Gemeinden, in denen es kroatische, ungarische oder Roma- und Sinti-Bürger gibt – das ist etwas Besonderes! –, sind die Grünen so weit in den Keller gerasselt, wie es noch nie der Fall war. In meiner Heimatstadt liegen sie mittlerweile bei knapp über einem Prozent, in Oberwart sind sie bei 1,2 Prozent, und in Großwarasdorf, dem Zentrum der Kroaten, sind sie unter einem Prozent. Das ist grüne Volksgruppenpolitik? Also so großartig, Kollegin Stoisits, kann das ja nicht sein, was die Stoisits für die Grünen in diesem Land macht. (Beifall bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Volksgruppen, und wir spüren es, ist heute in. Es war nicht immer so. Wir registrieren, daß wir alle miteinander sensibilisiert sind. Es ist uns wichtig, Volksgruppen zu haben, es ist uns wichtig, die Vielfalt in diesem Land zu spüren, zu erahnen, zu atmen. Wenn der Nationalrat dieser Republik diesen Weg weitergeht, nicht nur dem schnöden Mammon zu gehorchen, sondern durchaus auch die inhaltliche Positionierung für die Volksgruppen festzuschreiben, dann, so meine ich, geht dieses Land, geht Österreich im vereinten Europa einen guten Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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18.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Gleichfalls: Redezeit bis zu 10 Minuten.

18.20

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegenden Berichte der Bundesregierung III-6 und III-7 der Beilagen zur Volksgruppenförderung sind wirklich schon etwas, was man nicht als das letzte an Aktualität bezeichnen kann. Der Herr Staatssekretär hat sicher richtigerweise ausgeführt, daß nicht nur er und seine Dienststellen schuld sind, sondern daß es auch andere Umstände gegeben hat, die dazu geführt haben, daß wir erst heute über die beiden Berichte diskutieren.

Aber eines möchte ich als Angehöriger des Beirates der Slowenischen Volksgruppe schon auch hier feststellen: Ich glaube, daß auch die Volksgruppen selbst einiges an Verzögerungen mit einbringen, denn zumindest, was die slowenische Volksgruppe betrifft, habe ich einige Male in Erinnerung, wo die Unterlagen von geförderten Vereinen, mit denen man endlich die Abrechnungen erstellen und einen Bericht über die erfolgten Förderungen in entsprechender Form hätte machen können, nicht und nicht beizubringen waren.

Daher gebe ich auch Herrn Kollegen Frischenschlager durchaus recht, wenn er sagt, daß jene, die nicht in den Beiräten selbst drinnen sind und daher nicht wissen, welch heftige Verteilungskämpfe um jeden einzelnen Schilling dieser Förderungsmaßnahmen in den Beiräten erfolgt sind, in welch knapper, ausgewogener Form oft diese Mittelzuteilungen erfolgt sind, mit den Berichten allein mit Sicherheit nicht zurechtkommen werden.

Kollege Ofner hat schon am Anfang der heutigen Debatte aus freiheitlicher Sicht sehr vieles vorweggenommen, was ich hier nicht mehr wiederholen möchte. Ich möchte mich aber mit den Äußerungen von Kollegen Kiss, der vor mir gesprochen hat, beschäftigen. Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren doch einige behutsame Fortschritte gemacht – in allen Bereichen der Minderheiten. Die eingerichteten Beiräte sind durchaus ein gutes Zeichen dafür – auch in den Bereichen der Sinti und Roma –, daß man sich endlich – auch unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse von Oberwart vom vorigen Jahr – aus der Anonymität herausgetraut hat und in die Beiräte hineingegangen ist und daß die Ressentiments, hier öffentlich aufzutreten und für die Volksgruppe auch in der Öffentlichkeit einzutreten, heute im Hintergrund stehen. Trotzdem glaube ich durchaus, daß sehr vieles im Bereich der Minderheitenförderung – das betrifft alle hier im Plenum vertretenen Parteien – verbesserungswürdig ist.

Kollege Kiss! Aber verzeihen Sie mir eines: Auch ich glaube nicht, daß wir so einfach mit Nonchalance darüber hinwegsehen können, daß der eine oder andere Verein schon allein aufgrund seiner Namensgebung, seiner Lokalität, wo er sich als Untermieter befindet, im Sinne der Volksgruppenpolitik betrachtet wird, sondern ich glaube, daß die Querverbindungen zu Parteienförderungen, wenn dann die Geldflüsse tatsächlich nachvollzogen werden, manchmal offenkundiger sind, als es die Namen der Vereine hier in diesem Bericht zum Ausdruck bringen. Das wird für den subtilen Kenner der Minderheit erst dann transparent, wenn er die Identität der Funktionäre und die Geldflüsse kontrolliert. Und so etwas muß eigentlich als Mißbrauch der Minderheitenförderung im klassischen Sinne bezeichnet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir die Behutsamkeit in diesem Bereich postulieren, Kollege Kiss, dann sollten wir sie auch im parteipolitischen Bereich stärker in den Vordergrund stellen. Ich möchte es mir nicht so einfach machen, zu sagen, daß man als einer, der in diesem Bereich nicht gefordert ist und der Verlockung nicht unterliegt, hier am Rednerpult anders sprechen kann als einer, der seit 10, 20 oder 30 Jahren mit Organisationen in dem Bereich behaftet ist und daher vom Korruptionseffekt des Faktischen eingeholt worden ist.

Ich glaube doch auch, daß wir Freiheitliche durchaus darauf hinweisen können, daß wir eine Reihe von Minderheitenangehörigen in Kärnten haben, die Gemeinderatsmandate ausfüllen und daß wir als einzige Fraktion – wenn ich richtig informiert bin – einen Angehörigen aus der Volksgruppe der Sinti und Roma haben, der in Wien Bezirksrat ist. Wir könnten uns also durchaus auch im parteipolitischen Korruptionsfeld befinden, haben es aber nicht ausgenutzt. Wir haben keinen Verein der windischen und slowenischen Gemeinderäte in Kärnten gegründet, um nach bewährtem Vorbild die Förderungen zu lukrieren. Ich glaube, daß es den beiden Großparteien gut anstehen würde, die Behutsamkeit bei der Nutzung der Ressourcen der


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Minderheiten einmal zu überdenken und ihre Vorgangsweise gegebenenfalls zu revidieren, denn das, was bis jetzt erfolgt, ist mit Sicherheit nicht immer Minderheitenförderung. So ist es zum Beispiel im Bereich der Kirche keine Förderung der Minderheiten, wenn die Renovierung von Orgeln, Altären oder Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, die eigentlich aus anderen Töpfen dieser Republik finanziert werden sollte, unter dem Titel der Minderheitenförderung finanziert wird.

Ich möchte mich aber auch noch mit einem anderen Problem beschäftigen, das in diesem Bericht angesprochen wird und gerade in den letzten Tagen und Wochen wieder auffällig geworden ist, nämlich mit der Schule der Schulschwestern im Rosental. Es handelt sich um eine HBLA, die vor rund eineinhalb Jahren in der ehemaligen dreijährigen Haushaltungsschule eingerichtet worden ist und mit Matura abschließt. Mehr als 50 Prozent der Schulteilnehmer kommen aus dem benachbarten Slowenien – das Problem dabei ist, daß die Maturazeugnisse aus Österreich in Slowenien nicht anerkannt werden.

Ich glaube, wir haben diesbezüglich dringenden Handlungsbedarf. Auch die Frau Unterrichtsministerin und der Herr Außenminister sollten sich doch einmal dafür einsetzen, daß eine Übereinkunft zustande kommt, daß die in Österreich in Minderheitenschulen erworbenen Maturazeugnisse nicht nur in Österreich, sondern auch im benachbarten Slowenien anerkannt werden, um es diesem Maturanten zu ermöglichen, aufbauend auf einer HBLA-Ausbildung in Österreich auch in Slowenien studieren zu können. Denn man fragt sich schon, welchen Sinn es macht, daß mehr als die Hälfte der Studenten in diesen Schulen aus dem benachbarten Ausland zu uns nach Österreich kommt, auf Kosten des österreichischen Staates diese Minderheitenschulen bei uns in Anspruch nimmt, aber dann im eigenen Land eingeschränkte Ausbildungschancen hat.

Ich glaube daher, daß dieses Problem schleunigst bilateral zwischen Slowenien und Österreich diskutiert werden sollte. Ziel muß es sein, daß diese Maturazeugnisse aus Kärnten auch jenseits der Karawanken Anerkennung finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Problem wurde heute hier gänzlich ausgeklammert – das ist für mich als Angehöriger der Freiheitlichen Partei kein Zufall –, nämlich jenes des Rundfunks der Minderheiten. Wir wissen, daß wir in Österreich eine arbeitsteilige Arbeitswelt haben, wir wissen, daß im Bereich der autochthonen Minderheiten keine hohen Schulen und teilweise auch keine weiterführenden berufsbildenden Schulen in gewissen Spektren zu finden sind, und wir sind nicht in der Lage, beim Monopolrundfunk Österreichischer Rundfunk einer eigenen Minderheitenwelle endlich einmal österreichweit zum Durchbruch zu verhelfen. Und ich glaube, daß das eigentlich nicht mehr angeht. Denn das, was uns Radio Blue Danube oder Radio International für die Österreicher im Ausland oder die Österreichfans im Ausland wert ist, sollte uns eigentlich auch der Kontakt der nicht im autochthonen Siedlungsgebiet befindlichen Minderheitenangehörigen mit den Problemen und mit den Kulturprogrammen ihrer Minderheit wert sein.

Es gibt noch zwei österreichweite freigehaltene Frequenzen, die sich durchaus für eine solche Minderheitenwelle anbieten würden. Wer sonst, wenn nicht der staatliche Rundfunk ORF mit seinem Monopol und seinem Auftrag hätte in diesem Bereich Handlungsbedarf!? Es ist für mich immer unbefriedigend, daß der ORF diese klassische Aufgabe eines Monopolisten von sich weist und sie auf den freien Markt abschieben will. Ich glaube, wenn der ORF das Monopol hat, dann hat er in diesem Bereich mehr Handlungsbedarf als in anderen Bereichen. Und ich glaube, daß die Verhandlungen mit dem ORF mit mehr Härte und mit mehr Durchsetzungsvermögen zu führen sind, als es in den letzten drei Jahren der Fall war, denn eine Minderheitenwelle für Österreich wäre ein höchstes Gebot der Zeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht alles in Ordnung im Bereich der Minderheitenförderung. Wir haben kleine Schritte erreicht, wir haben kleine Schritte auch in der Diskussionskultur zu diesem Thema hier im Hohen Haus erreicht. Das ist gut, und ich hoffe, daß diese Entwicklung bei uns in Österreich weiter fortschreitet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.


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5. Sitzung / Seite 108

Ich frage die Frau Berichterstatterin, ob sie ein Schlußwort wünscht? – Das ist nicht der Fall.

Bitte jetzt, meine Damen und Herren, die Plätze einzunehmen, denn wir haben einige Abstimmungen durchzuführen.

Ich lasse über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, den Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung im Jahre 1994 (III-6 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Bericht ist mit Mehrheit angenommen .

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, den Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung im Jahre 1993 (III-7 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Diejenigen, die diesem Bericht ihre Zustimmung geben, mögen dies durch ein entsprechendes Zeichen bekunden. – Auch dieser Bericht ist mit Mehrheit angenommen worden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Antoni, Ridi Steibl, Dr. Ofner, Dr. Frischenschlager und Genossen betreffend Ratifizierung der Europäischen Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen sowie der Rahmenkonvention über den Schutz nationaler Minderheiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden. (E 3.)

Ich lasse jetzt abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen betreffend Erhöhung der Volksgruppenförderung auf 100 Millionen Schilling.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit . Dieser Antrag ist abgelehnt .

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 39/A (E) bis 99/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 43/J bis 65/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die der geschäftsordnungsmäßigen Mitteilung und Zuweisung dient, berufe ich für 18.33 Uhr – das ist also im Anschluß an diese Sitzung – ein.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 18.32 Uhr